Psalterium Romanum (Spiegelfragment)
Murbach, Benediktinerkloster (?) — 9. Jh., 3. Viertel
Provenienz: In der Trägerhandschrift aus dem 12. Jh. befinden sich drei Einträge des Sigismund Meisterlin (81, 101v, 102v). Sie besagen, dass Meisterlin die Handschrift 1463 und 1464 im Benediktinerkloster Murbach gelesen hat (vgl. auf 101v die für Murbach bekannte Formel orate pro domino bart[holomeo]; IX, Nr. 1375). Auf dem vorderen Einbanddeckel der Eintrag Matthiae Berneggeri e Biblioth. Nie. Gerbelii 1634. Das Fragment wurde 1660/63 für die Bibliothek Herzog August des Jüngeren von Braunschweig-Lüneburg erworben (Eintrag im Bücherradkatalog auf pag. 5566; , 105).
Pergament — 2 Einzelblatt — 30 × 18,5–20 cm
Hinterer Spiegel seitlich beschnitten. Schriftraum: 25,5 × 21,5 cm, zweispaltig, 27 Zeilen. Insulare Minuskel von einer Hand. Psalmenüberschriften ebenfalls in insularer Minuskel. Diese und zugehörige Zählungen rubriziert. Satzmajuskeln mit gelben Gründen und roter Punktrandung.
INHALT
Bl. 1 (vorderer Spiegel), Bl. 2 (hinterer Spiegel) Psalterium. Romanum Bl. 1, Ps 76,3–77,7; Bl. 2, Ps 65,4–66,6.
AUSSTATTUNG
2 Initialen.Zu zwei hervorgehobenen Versanfängen (VS - Ps 77; HS - Ps 66) jeweils eine tintenfarbige Federinitiale mit außen doppelt geführter und in den Binnenfeldern einfacher, präzise gesetzter roter Punktrandung (2–5 cm). Initialenden als asymmetrische Verflechtung (HS im Binnenfeld, VS als untere Initialstammendung). Im Binnenfeld der Initiale auf dem VS eine freistehende, symmetrische Verflechtung.
Farben: Als Binnengründe leuchtendes Gelb. Die Binnenflächen der Verflechtungen in wechselnden, kräftigen Farben: Orange, Dunkelgrün, Braun und Gelb.
STIL UND EINORDNUNG
Das Fragment (beide Blätter) wird aus paläographischer Sicht von Lowe einem angelsächsischen Zentrum auf dem Kontinent zugeschrieben und in das 8. Jh. datiert ( IX, Nr. 1375). Bischoff nennt das 3. oder 4. Viertel des 9. Jh. als Entstehungszeitraum, ohne eine Lokalisierung anzugeben ( , Nr. 7285). Die aus Murbach im Elsass stammenden Einträge aus dem 15. und 17. Jh. in der Haupthandschrift (vgl. Eintrag 11./12. Jh.) lenken den Blick auf dieses bereits im 8. Jh. tätige Skriptorium, für das Lowe eine Gruppe von Handschriften der Zeit um 800 nennt (Zusammenfassung, vgl. IX, S. X; Handschriften: Colmar, BM, 82, Besançon, BM, Ms. 184 [Bl. 58–74], Colmar, BM, 38, Colmar, BM, 39 - vgl. VI, Nr. 753, 731, 749 u. 750, 751; Freiburg i. B., Stadtarchiv, S.N., vgl. VIII, Nr. 1193; München, BSB, Clm 14082, München, BSB, Clm 14379, Würzburg, UB, M. p. th. o. 1, vgl. IX, Nrn. 1290, 1296, 1442). Die Handschriften zeigen in Schrift und Ausstattung insularen Einfluss, der im Stil sowohl gemischt als auch getrennt vom kontinentalen Formengut auftritt. Auffällig ist die von Holter genannte Kolorierung, die enge Parallelen zum Wolfenbütteler Fragment aufweist (Verwendung von Gelb, Grün und Braun, vgl. , 115). Ähnliche Initialen zeigt München, BSB, Clm 14082 (vgl. , Nr. 212, Abb. 437). Die sorgfältige, doppelt geführte Punktrandung und die Verwendung des Flechtbands als Einzelmotiv im Binnenfeld sprechen für die von Bischoff vorgeschlagene spätere Datierung in das 3. Viertel des 9. Jh., Nr. 2501 (Heinemann Nr.). — IX, Nr. 1375. — , 168, 177. — , Bd. 1,1.2, 594. — , 112, Nr. 20. — , Nr. 7285.
Abgekürzt zitierte Literatur
Beschreibung erstellt im Rahmen des Projektes Katalogisierung der illuminierten Handschriften der Herzog August Bibliothek Wolfenbüttel Teil I (6.–11. Jh.).