Eike von Repgow. Brand von Tzerstede
Papier — I, 243 Bl. — 28 × 20,5 cm — Lüneburg (?) — 1442–1450
Wasserzeichen: Ochsenkopf mit Augen und Nasenlöchern, darüber Schlange an zweikonturigem Kreuz, darunter Beizeichen – Kreis und Schlaufe: DE2040-PO-77795 (1516, nur Vorsatz). Ochsenkopf mit Augen und Nasenlöchern, darüber einkonturige Stange, darüber Stern: DE2730-PO-74805 (1446), FR8040-PO-74826, CH0780-PO-74837, CH0780-PO-75877 (alle 1447, weiterer Typ nicht nachweisbar). Lagen: I (Spiegel und Vorsatz, ungez.). VII–1 (13). 18 VI (229). VII (243). Vorsatzkonstruktion: Bei der Neubindung wurde vorn ein Doppelbl. Papier vorgesetzt, davon ein Bl. als Spiegel an den Deckel geklebt. Bleistiftfoliierung modern: 1–243, Vorsatzbl. ungez. Bei der Bindung stark beschnitten, in den Marginalien teilweise Textverlust. Schriftraum: 20 × 13,5 cm, das Register auf Bl. 237v–243v zwei-, sonst einspaltig, je nach Schriftgrad 38–50 Zeilen. Sehr regelmäßige, schlaufenlose Bastarda von einer Hand; die für den größer geschriebenen Text des Sachsenspiegels verwendete Schrift weist mit stärkeren Brechungen und kürzeren Unterlängen Merkmale der Textualis auf. 4r Nota-Vermerk mit Zeigehand, 6v, 13r und 14r hellrote Marginalien von der gleichen Hand des 16. Jh. wie die Überschriften auf Bl. Ir und 1r. Rubriziert, rote Lombarden, Überschriften, Marginalien und Seitentitel. Am Beginn der einzelnen Prologe und Bücher schlichte rote Initialen in Unzialform ohne jede Verzierung über 7 Zeilen.
Spätgotischer Holzdeckelband (Buche), laut Wasserzeichen des Vorsatzes um 1510 zu datieren, mit Halbbezug aus dunkelbraun gefärbtem, fast völlig abgeriebenem Schafsleder, Rückenüberzug nur noch an wenigen Stellen vorhanden, Bindung insgesamt lose. Der Überzug ist mit Streicheisenlinien, Einzel- und Rollenstempeln mit vorwiegend vegetabiler Ornamentik verziert, die jedoch aufgrund des Erhaltungszustandes nicht mehr identifiziert und einer Werkstatt zugeordnet werden können. Drei Doppelbünde. Eine Riemenschließe mit rechteckigem Fensterlager und der Aufschrift AM, Schließenriemen und -haken verloren, Gegenblech vorhanden. Auf dem rohen Holz des VD stark verblasste Aufschrift: Myeren …
Herkunft: Der Codex wurde nach Wasserzeichendatierung um 1450 in Norddeutschland, vermutlich in Lüneburg, geschrieben. Das in der Literatur (s. unten) immer wieder genannte Entstehungsdatum 1442 aus dem Prolog bezieht sich entweder auf die Vollendung des Glossenapparats durch Brand von Tzerstede oder auf die Fertigstellung der Vorlage Lüneburg, RB, Ms. Jurid. 1. Ob der 1r genannte Hans van Hachten der Auftraggeber, Schreiber oder einer der Besitzer der Hs. war, kann nicht mehr entschieden werden. — Wann und auf welchem Wege der Codex in die Wolfenbütteler Hofbibliothek gelangte, ist unbekannt, möglicherweise stammte er wie Cod. Guelf. 524 Helmst. und 14.13 Aug 4° aus dem Besitz von Herzog Julius selbst (die herzogliche Devise wurde nicht in allen Bänden eingetragen). In der Hofbibliothek ist er seit 1614 nachweisbar und im Gesamtkatalog des Liborius Otho (Cod. Guelf. A Extrav., p. 139 [135]) unter Nr. H.a 9 der Libri iuridici als Speculum Saxonicum manuscriptum elegantissimis literis Saxonicis aufgeführt. — Seit 1618 in der Universitätsbibliothek Helmstedt, 1644 in deren Handschriftenkatalog (Cod. Guelf. 27.2 Aug. 2°, 25r) als Speculum Saxonicum in Sächsischer Sprache, cum glossa unter den Juridici MSSti in folio nachgewiesen. Im Handschriftenverzeichnis von 1797 (BA III, 51) unter Nr. 138 genannt.
— , Die Genealogie der Handschriften des Sachsenspiegels, Berlin 1859 (Abhandlungen der Königlichen Akademie der Wissenschaften zu Berlin 1859), 81–204, hier 134f. Nr. 702. — , Geschichte der deutschen Rechtsquellen, Abth. 1: Bis zur Mitte des 15. Jahrhunderts, Braunschweig 1860 (Geschichte des Deutschen Rechts in sechs Bänden 1), 382f. Nr. 456. — — , Die Entwicklung der Landrechtsglosse des Sachsenspiegels VIII: Verzeichniss der Handschriften und Drucke, in: Sitzungsberichte der Kaiserlichen Akademie der Wissenschaften in Wien, Philosophisch-historische Klasse 114,2, Wien 1887, 309–370, hier nach dem ND in: , Die Entwicklung der Landrechtsglosse des Sachsenspiegels, hrsg. von , Aalen 1977 (Bibliotheca rerum historicarum, Neudrucke 9), 357–420, hier 408 Nr. 110. , 269 Nr. 1202. — Zwickauer Rechtsbuch, unter Mitarb. von — bearb. von , Weimar 1941 (Germanenrechte, Abteilung Stadtrechtsbücher 2), XLVI. , Sachsenspiegel und Glosse als Quellen des brandenburgisch- berlinischen Stadt- und Schöffenrechts, in: Jahrbuch für brandenburgische Landesgeschichte 41 (1990), 76–107 (106 Hs. genannt). — 2, 876 Nr. 1597. — Nr. 17107.
, 127–132. — , 24f. — , Rezension zu: Der Sachsenspiegel oder das sächsische Landrecht, hrsg. von [...], in: Allgemeine Literatur-Zeitung 43,3 (Sept.–Dez. 1827), 697–742, hier 711 Nr. 135. —Schreibsprache: Nordmittelniederdeutsch.
Ir von einer Hand des 16. Jh. in roter Capitalis der Titel ›Sassen Speigel‹, darunter folgende Notizen der Hand des Wolfenbütteler Bibliothekars K. P. C. Schönemann: mit der Glosse aus der Mitte des 15ten Jahrhunderts vgl. Bruns Beitr. z. d. deut. Recht S. 127–132. Nietzsche Recens. v. Homeiers Sachsenspiegel in d. Hall. Lit. Ztg. 1827 nr. 294sqq. – nr. 135. Diese Angaben fehlerhaft abgedruckt von Nr. 456. – Iv leer. 1r von der gleichen Hand wie der Titel vorn: ›Speculum Saxonicum‹, darunter die vermutlich auf den Katalog von 1614 bezügliche Angabe: Sub lit. G num. 8 in bibliotheca Jurisconsultorum; die eigentliche Signatur ist jedoch H.a 9 (s. oben). Auf dem Kopfsteg Federproben des 16. Jh.: In nomine domini Amen. Deme werdigen … Deme werdigen. Am vorderen Blattrand von oben nach unten (15. Jh.): Hans van Hachten. – 1v leer.
2r–243vb : Sachsenspiegel Landrecht mit der Glosse des Brand von Tzerstede. (2r–3r) Vorrede in Reimpaaren. God heft de sassen wol bedacht | Sint dit bok is vore gebracht … — … Des arbeydes vnde dede | Des edelen greuen Hoyers bede. Daran ohne Übergang: Des hilgen geystes mynne | Sterke myne synne … — … vnd syn gerichte gnedichliken over se gaen mote Amen (3r–v) ›De vorrede hern Eyken van Repegow in dat lantrecht van der heren bord vt deme lande to Sassen‹. Nu vornemet vmme der heren ghebord van deme lande to Sassen … — … vnde anders nergen to landrechte noch to lenrechte. (3v–5v) ›Glosa‹. De aller dorchluchtigeste forste ewiger dechtnisse konning Karolus de grote … — … Gode to love vnde deme gemenen rade to Lunenborch to eren … na godes bord verteynhundert jar dar na in deme twe vnde vertigesten jare. In diesem Prolog (5r) nennt sich Brand von Tzerstede als Rezensent bzw. Vermehrer der Glosse. (5v) ›Item vorrede‹. God de daer is begyn vnde ende aller guden dinge … — … Constantyn und Karle an de Sassen land noch synes rechtes thuth. (5v–7v) ›Glosa‹. Hir [huff] her Eyke an do he in dudeschen brachte dat priuilegium dat Constantyn vnd Karl de keysere den Sassen geuen … — … nu wy auer bekeret sy nu holde wy syne ee etc. de syne wyssagen gheleret hebben etc. (7v–73r) ›Hir na beghinnet sik dat erste bok des Sassen landrechtes. Articulus primus: Van geystliken und wertliken gerichte unde weme sy van gode beualen syn und wo se over eyn komen‹. Twe swerd let god in ertrijke to beschermende de cristenheyt … — … ok de greue mit syner vestinghe des konynges acht. (8r–74r) ›Glosa‹. Dit synt de swerd dar van ghescreven steyt in deme ewangelio Luce XXIII … — … ab hiis qui administracionem suscipiunt § 'Iuro ego' coll. II [Nov. 8,14]. (74r–136r) ›Incipit liber secundus. Wor ane vorsten vnde heren wedder dat rike don‹. Wor vorsten edder heren myt eeden to samene syk vorbynden … — … so is de borch schuldich an der dad. (74r–136v) ›Glosa‹. In desseme ersten titulo des anderen bokes huff he dat recht bilken van deme ersten an in deme herschilde … — … ut liceat matri et avie § 'Quia vero' [Nov. 117,15] et § 'Sin autem' coll. VIII [Nov. 89,6]. (136v–233r) ›Hir endet sik dat andere bok vnde beginnet dat dridde. Van nodtoge megede vnd wijff‹. Vmme neuerhande vngerichte schal men vp houwen dorp gebuwe … — … nen recht yp dat land setten id ne willekore dat land. (136v–233r) ›Glosa huius articuli primi libri tercii‹. Hir heuet sik an dat dridde bok des rechtes der Sassen … — … et Digestis de iurisdictione omnium iudicum lege 'Magistratibus' [D. 2,1,12]. ›Et sic est finis‹. – 233v–235v und 236v–237r leer, 236r Art. 3,92 mit Glosse wiederholt und von Schreiberhand gestrichen, Kolophon nicht vollständig ausgeführt: Anno domini millesimo … (Text bricht ab). (237va–243vb) ›Hir beginnet dat register uppe isliken artikel desses bokes‹. Vorrede. Van der heren gebord in Sassen lande. Item vorrede. Wor alle recht begyn van hefft … — … Wat de richter vppe dat land nicht setten mach ane des landes willen. ›Et sic est finis‹. Titel und Artikelnummern rubriziert. Der Text umfasst das Landrecht in drei Büchern zu 71, 72 und 92 Artikeln, eingeleitet von der Vorrede in Reimpaaren, vom Prolog von der Herren Geburt und dem eigentlichen Prologtext. Alle Artikel und die beiden Prosaprologe sind glossiert, die Glosse folgt unmittelbar auf den zugehörigen Paragraphentext in kleinerem Schriftgrad. In marg. Artikelzählung sowie Remissionen auf andere Kapitel des Landrechts, auf das Lehn- und das Kaiserrecht, jedoch nicht so vollständig wie in der Vorlage; Remissionen auf den Richtsteig Landrechts und das Goslarer Stadtrecht fehlen. Der Codex gehört zur Textklasse IIIc (Tzerstedische Glosse, 1, 73f.) und wurde von der für die Tzerstedische Glosse repräsentativen Hs. Lüneburg, RB, Ms. Jurid. 1 kopiert, dazu , 120f.; , 167 Nr. 740: "Aus dieser Hdschr. ist Nr. 1202 Wolfenbüttel geflossen"; so auch 2, 660f. Nr. 975, darin 863–879 Nr. 1564–1607 auch die übrige Wolfenbütteler Parallelüberlieferung des Sachsenspiegels. Druck: , Des Sachsenspiegels erster Theil oder das sächsische Landrecht nach der Berliner Handschrift vom Jahre 1369, 3., umgearb. Ausgabe, Berlin 1861, 128–137, 139–141, 138, 153–391, 142–152 (39 Nr. 702 Hs. genannt);Die Landrechtsglosse des Sachsenspiegels. Nach der Amsterdamer Handschrift hrsg. von , Teil 1: Einleitung und Glossenprolog, Wien 1925 (Denkschriften der Akademie der Wissenschaften in Wien, Philosophisch-Historische Klasse 65,1), 32 und 34 (Hs. genannt, Sigle T’); 1,1, 38–269 (Text des Landrechts); 7,1–3 (Buch'sche Glosse als Grundlage für Tzerstedes Bearbeitung, 7,3, 1536 Hs. genannt). Dazu , Die Entwicklung der Landrechtsglosse des Sachsenspiegels IV: Die Tzerstedische Glosse, in: Sitzungsberichte der Kaiserlichen Akademie der Wissenschaften in Wien, Philosophisch-historische Klasse 106,1, Wien 1884, 197–234, hier nach dem ND in: , Landrechtsglosse (s. oben), 145–184 (pass. Hs. genannt, bes. 152–154 ausführlich beschrieben); , 37 Anm. 231, 124 Anm. 97, 260 Anm. 82, 261 Anm. 83, 315 Anm. 189, 502 Anm. 195, 509 Anm. 223 (jeweils Hs. genannt). Zum Verfasser der Glosse vgl. 9, 1195f. (1196 Hs. genannt).
Abgekürzt zitierte Literatur
P. J. Bruns, Beyträge zu den deutschen Rechten des Mittelalters aus den Handschriften und Drucken der akademischen Bibliothek in Helmstädt, Helmstedt 1799 | |
F. A. Ebert, Handschriften der herzoglichen Bibliothek zu Wolfenbüttel zur älteren deutschen Geschichte, in: Archiv der Gesellschaft für ältere deutsche Geschichtskunde 6 (1831), 1–34 | |
Handschriftencensus. Eine Bestandsaufnahme der handschriftlichen Überlieferung deutschsprachiger Texte des Mittelalters. Online-Datenbank: https://handschriftencensus.de/ | |
O. von Heinemann, Die Helmstedter Handschriften, Bd. 1–3, Wolfenbüttel 1884–1888, ND Frankfurt/M. 1963–1965 (Kataloge der Herzog-August-Bibliothek Wolfenbüttel. Die alte Reihe 1–3) | |
G. Homeyer, Die deutschen Rechtsbücher des Mittelalters und ihre Handschriften, Weimar 1931/1934 | |
G. Homeyer, Die deutschen Rechtsbücher des Mittelalters und ihre Handschriften, Weimar 1931/1934 | |
B. Kannowski, Die Umgestaltung des Sachsenspiegelrechts durch die Buch'sche Glosse, Hannover 2007 (MGH Schriften 56) | |
Handschriften der Ratsbücherei Lüneburg, Bd. 3: Die theologischen Handschriften: Quartreihe. Die juristischen Handschriften, beschrieben von M. Stähli, Wiesbaden, 1981 (Mittelalterliche Handschriften in Niedersachsen 4) | |
Monumenta Germaniae Historica. Fontes iuris Germanici antiqui, Nova Series, Bd. 1,1–, Göttingen und Hannover 1933– | |
U.-D. Oppitz, Deutsche Rechtsbücher des Mittelalters, Bd. 1: Beschreibung der Rechtsbücher, Bd. 2: Beschreibung der Handschriften, Köln u. a. 1990 | |
Die deutsche Literatur des Mittelalters. Verfasserlexikon, 12 Bde., hrsg. von K. Ruh u. a., 2., völlig neu bearbeitete Aufl., Berlin/New York 1978–2005, Ergänzungsbde.: Deutscher Humanismus 1480–1520. Verfasserlexikon, Bd. 1–3, hrsg. von F. J. Worstbrock, Berlin/New York 2005–2015 | |
Wasserzeichen-Informationssystem. Landesarchiv Baden-Württemberg, Hauptstaatsarchiv Stuttgart (http://www.wasserzeichen-online.de/wzis/index.php) |
- Manuscripta Mediaevalia Objektnummer hinzugefügt (schassan, 2019-08-20)
- Normdaten ergänzt bzw. korrigiert. (schassan, 2015-09-04)
Beschreibung erstellt im Rahmen des Projektes Katalogisierung der mittelalterlichen Helmstedter Handschriften Teil II.