geplant: Die mittelalterlichen Helmstedter Handschriften der Herzog August Bibliothek. Teil IV: Cod. Guelf. 462 bis 615 Helmst., beschrieben von Bertram Lesser.
Gefördert durch die Deutsche Forschungsgemeinschaft im Rahmen des Programms Erschließung und Digitalisierung handschriftlicher und gedruckter Überlieferung (Vorläufige Beschreibung)

Wolfenbüttel, Herzog August Bibliothek, Cod. Guelf. 504 Helmst.

Passiones II

Pergament — 36 Bl. — 24,5 × 18 cm — Braunschweig — 14. Jh., 2. Hälfte

Lagen: 3 V (30). III (36). Tintenfoliierung modern: 136. Schriftraum: 18 × 13 cm, einspaltig, in der ersten Lage 25, sonst 23 Zeilen. Tintenliniierung, Punkturen an den Blatträndern sichtbar. Sehr regelmäßige Textura von einer Hand. Rubriziert. Am Beginn der beiden Texte schlichte rote Initialen in Unzialform über 3 Zeilen mit roten Konturbegleitstrichen und Knospenfleuronnéebesatz.

Gotischer Holzdeckelband, mit ungefärbtem und unverziertem Schweinsleder überzogen, Deckel stark verkrümmt. 3 Doppelbünde. 1 Langriemenschließe, Schließenriemen und -öse verloren, nur noch Gegenblech mit Riemenrest erhalten.

Fragmente, VS und HS: Pergament, je ein Doppelbl., ca. 24,5 × 16 cm. Schriftraum: 13,5 × 12,5 cm,einspaltig, 19 Zeilen. Carolino-Gothica, 12. Jh., 2. Hälfte. Rubriziert, rote Satzmajuskeln, auf dem VS am Beginn von Ps. 109 eine weiße Spaltleisteninitiale D mit roter Spaltfüllung und zwei genagelten Schnallen über 8 Zeilen mit vegetabilen Ausläufern im Binnenfeld und an den Endstellen vor einem grün-blauen Hintergrund. Psalterium non feriatum. VS: Ps 106,28–40 und Ps 108,28–109,4, darüber ein Titelvermerk des 15. Jh. (Bastarda, gleiche Hand wie in Cod. Guelf. 475 Helmst., 1r): Passionale sancti Blasii. HS: Ps 105,44–106,7 und Ps 110,8–111,9.

Herkunft: Der Codex wurde in der zweiten Hälfte des 14. Jh.s im südniedersächsischen Raum geschrieben; Vorbesitz- oder Provenienzvermerke fehlen. Die Zusammenstellung der beiden Passiones könnte auf das Braunschweiger Kollegiatstift St. Blasius als Bestimmungs-, vielleicht sogar als Entstehungsort hinweisen, das neben dem Hauptpatrozinium seit 1328 auch über einen Katharinenaltar verfügte (vgl. Krumwiede, 83f.; Bierhals, 110f.). — Nach Ausweis der oben zitierten Inhaltsangabe auf dem VS befand sich der Codex im 15. Jh. im Benediktinerinnenkloster Lamspringe (zwar kein Blasiuspatrozinium, aber ein Katharinenaltar nachgewiesen, vgl. Krumwiede, 124). Wie der Codex dorthin gelangte, ist nicht mehr nachvollziehbar. — Am 10.4.1572 mit den übrigen Lamspringer Codices in die Hofbibliothek nach Wolfenbüttel überführt, 1588 von Eberhard Eggelinck unter den Pergamenthandschriften der Hofbibliothek (NLA – StA Wolfenbüttel, 1 Alt 22, 83, 22r–35v) nicht eindeutig nachweisbar, 1614 im Gesamtkatalog von Liborius Otho (Cod. Guelf. A Extrav., p. 299 [294]) unter Nr. Z 6 der Papalia miscellanea nachgewiesen: Passio sancti Blasii episcopi et martyris. — 1618 in die Universitätsbibliothek Helmstedt überführt; 1644 in deren Handschriftenkatalog (Cod. Guelf. 27.2 Aug. 2°, 13r) als Passio Sancti Blasii Episcopi et Martyris. In membrana unter den Theologici MSSti in quarto beschrieben, im Handschriftenverzeichnis von 1797 (BA III, 52) unter Nr. 466 aufgeführt.

Heinemann Nr. 544. — Kat. Illuminierte Hs. HAB 1.

1r–10r Passio sancti Blasii. ›Incipit passio sancti Blasii episcopi et martiris‹. Temporibus Lucinii [!] imperatoris qui Constantini augusti sororem habebat et rerum summam in oriente tenebat dira in christianos persecucio facta est … — … sub preside Agricolao regnante domino nostro Ihesu Christo cui est cum patre et spiritu sancto honor et gloria in secula seculorum Amen. Druck: AA SS Feb. I, 339F–344A. Literatur: BHL 1377.

10r–36r Passio beatae Catharinae Alexandrinae. ›Incipit passio sancte Katherine virginis et martiris‹. Tradunt annales hystorie quod Constantinus qui gubernacula imperii a patre Constancio suscepit … — … Christus pro mundi redempcione ad passionem properavit cui honor et laus gloria et potestas est per immortalia [!] secula seculorum Amen. Der Prolog fehlt. Auch in Cod. Guelf. 396 Helmst., 169ra–183ra (mit Prolog). Drucke: GW M16051, 52r–65v; M16057, 72r–88v; Knust Katharina, 231–314. P. Zimmermann, Bruchstücke einer Katharinenlegende, in: Germania 25 (1880), 198–209 (200 Hs. genannt); BHL 1663; Bierhals, 109f., 351 (Hs. genannt). – 36v leer.


Abgekürzt zitierte Literatur

AA SS Acta Sanctorum, quotquot toto orbe coluntur, vel a Catholicis scriptoribus celebrantur…, Bd. 1–67, Antwerpen u. a. 1643–
BHL Bibliotheca hagiographica Latina antiquae et mediae aetatis, 2 Bde., ed. Socii Bollandini, Bruxelles 1898 und 1901 (Subsidia hagiographica 6), Bd. 3: Supplementi editio altera, Bruxelles 1911 (Subsidia hagiographica 12)
Bierhals S. A. Bierhals Jefferis, Ein spätmittelalterliches Katharinenspiel aus dem Cod. Ger. 4 der University of Pennsylvania. Text und Studien zu seiner legendengeschichtlichen Einordnung, Göppingen 2007 (Göppinger Arbeiten zur Germanistik 430)
GW Gesamtkatalog der Wiegendrucke, Bd. 1–, Leipzig 1925–1938, Stuttgart 1978–
Heinemann O. von Heinemann, Die Helmstedter Handschriften, Bd. 1–3, Wolfenbüttel 1884–1888, ND Frankfurt/M. 1963–1965 (Kataloge der Herzog-August-Bibliothek Wolfenbüttel. Die alte Reihe 1–3)
Kat. Illuminierte Hs. HAB 1 Geplant: Die illuminierten Handschriften der Herzog August Bibliothek. Teil 1, 6.-11. Jh., beschrieben von Stefanie Westphal
Knust Katharina H. Knust, Geschichte der Legenden der h. Katharina von Alexandrien und der h. Maria Aegyptiaca nebst unedirten Texten, Halle/S. 1890
Krumwiede H.-W. Krumwiede, Die mittelalterlichen Kirchen- und Altarpatrozinien Niedersachsens, Bd. 1–3, Göttingen 1960–1988 (Studien zur Kirchengeschichte Niedersachsens 11)