Gefördert durch die Deutsche Forschungsgemeinschaft im Rahmen des Programms Erschließung und Digitalisierung handschriftlicher und gedruckter Überlieferung
Alexander de Villa Dei. Computus magistri Jacobi. Computus sacerdotalis
Papier — 43 Bl. — 22,5 × 16 cm — Nord- oder Mitteldeutschland — 1475–1480
Wasserzeichen: Dreiberg, darüber zweikonturige Stange, darüber Stern: DE1335-PO-151894 (1479, weiterer Typ nicht nachweisbar). Ochsenkopf mit Augen, darüber einkonturige Stange, darüber Blume, darunter Beizeichen – Marke aus Schaft, zwei Kreuzsprossen und Dreieck: DE4620-PO-66109, DE4620-PO-66135 (beide 1478). Ochsenkopf mit Augen, darüber zweikonturige Stange, darüber Blume, darunter Beizeichen – zweikonturiges Kreuz (zwei Typen, nicht nachweisbar). Lagen: VII+2 (21)! VI–7 (20)! VI+2 (35). VI–5+1 (43). Die zweite Lage ist zwischen das vorletzte und das letzte Bl. der ersten Lage geheftet; Lagenmitte jeweils mit Pergamentfalzen verstärkt. Bleistiftfoliierung modern: 1–43. Schriftraum: 15–18 × 8,5–10,5 cm, einspaltig, je nach Hand und Text 13–45 Zeilen. Jüngere gotische Kursive von drei Händen, Hand 1: (Johannes Winstert?): 1r–20v, 43r ; Hand 2: 21v–42v; Hand 3: 43v. Keine Rubrizierung; der in Tintenfarbe federgezeichnete Buchschmuck des ersten Textes – 1r, Fleuronnéeinitiale S über 4 Zeilen mit dem inskribierten Namenszug Johannes Winstert und mehrere astronomische Schemata auf Bl. 4v, 5r, 6v, 7r, 10r und 11r – wurde vom Schreiber selbst ausgeführt.
Spätgotischer Koperteinband, durch Gebrauch erheblich beschmutzt und beschädigt. Die Lagen sind mittels Langstichheftung auf zwei Heftverstärkungen aus gefalteten Pergamentbl. geheftet, an welchen der Umschlag mit zwei gedrehten Kordeln befestigt ist. Eine Rückenverstärkung fehlt, ebenso die mittig an der weitgehend erhaltenen Umschlagklappe angebrachte Kordel des Wickelverschlusses. Der Umschlag ist aus Fragmenten dreier verschiedener Codices zusammengenäht, s. unten.
Fragmente, 1. Hauptteil des Umschlags: Pergament, Teile von zwei Doppelbl., ca. 35 × 20 cm. Der Schriftraum ist anhand der erhaltenen bzw. aufgrund der starken Verschmutzung noch lesbaren Passagen nicht mehr eindeutig zu ermitteln. Textualis, 14. Jh. De partibus orationis ars minor (spätmittelalterlicher Normaltext). Auf der Innenseite der Umschlagklappe ist noch ein Teil von cap. 16 zu entziffern, Druck: , 40. — 2. Oberer Teil des Umschlags und zwei Heftverstärkungen: Pergament, gefaltete Teile von mindestens drei Doppelbl.; Blattgröße und Schriftraum sind anhand des erhaltenen Materials (Streifen von jeweils ca. 10–12 cm Breite) nicht mehr eindeutig zu ermitteln. Ältere gotische Kursive, rubriziert, 14. Jh. Auctoritates Aristotelis. Erkennbar sind Auszüge aus den Büchern der Metaphysik und der Physik, vgl. zu diesen Sammlungen bei Cod. Guelf. 560 Helmst., 95r–104r. — 3. Innerer Umschlag: Pergament, Teile eine Doppelbl., ca. 11 × 10 cm. Schriftraum: ca. 9,5 x 6–6,5 cm, einspaltig, noch 19 Teilen erhalten. Textualis, um 1300. Schreibsprache: "…neben vereinzelten niederdeutschen Formen [überwiegt] das Hochdeutsche…" ( , Durch reimen gute lere geben. Untersuchungen zu Überlieferung und Rezeption Freidanks im Spätmittelalter, Göppingen 1978 [Göppinger Arbeiten zur Germanistik 238], 24). Freidank: Bescheidenheit. Erhalten sind insgesamt 48 Verse, Abdruck des Textes: , Aus zerschnittenen Wolfenbüttler Handschriften, in: Zeitschrift für deutsches Altertum und deutsche Literatur 32 (1888), 69–123, hier 88–90 Nr. VIII. Literatur: , 137; , Bruchstücke einer westfälischen Freidankhandschrift vom Ende des 13. Jahrhunderts, in: Jahrbuch des Vereins für niederdeutsche Sprachforschung 94 (1971), 83–98 (96f. Hs. genannt); , Durch reimen gute lere geben (s. oben, 24, 30, 32, 238, 241, 290 Hs. genannt); , Lering en stichting op klein formaat. Middelnederlandse rijmteksten in eenkolomsboekjes van perkament, Bd. II: Handschriften, Leuven 2005 (Miscellanea Neerlandica 31), 180 und 374 Nr. D 75 (jeweils diese Hs.); 2, 898–903 und 11, 461; , Freidank. Die Sprüche über Rom und den Papst, Göppingen 2013 (Göppinger Arbeiten zur Germanistik 775), 42. Das Doppelbl. wurde von O. von Heinemann vor 1888 aus dem Codex herausgelöst und wird jetzt separat als Cod. Guelf. 404.9 Novi (15), 1r–v, aufbewahrt, vgl. dazu , 319; Nr. 1362.
:Herkunft: Der Codex wurde nach Ausweis der Wasserzeichen zwischen 1475 und 1480 im nord- oder mitteldeutschen Raum geschrieben. Der Inhalt lässt auf eine Entstehung und Verwendung zu Schul- bzw. Unterrichtszwecken schließen. — Wann und über welche Vorbesitzer der Codex in die Universitätsbibliothek Helmstedt gelangte, ist unbekannt. Die in der Literatur (s. unten) geäußerte Annahme, er habe sich im Besitz von Matthias Flacius befunden, ist nicht verifizierbar, da die Hs. 1614 im Wolfenbütteler Gesamtkatalog des Liborius Otho (Cod. Guelf. A Extrav.) nicht nachweisbar ist. — Sie ist erstmals 1644 im Handschriftenkatalog der Universitätsbibliothek Helmstedt (Cod. Guelf. 27.2 Aug. 2°, 31r) unter den Miscellanei MSSti in quarto als Computus Ecclesiasticus beschrieben; im Handschriftenverzeichnis von 1797 (BA III, 52) unter Nr. 683 aufgeführt.
Nr. 592. — , 236.
1r–v, 43r Doctrinale (partim). Scribere clericulis paro doctrinale novellis | Pluraque doctorum sociabo scripta meorum … — … In derivatis neutris producitur aris | primicialis erit vox in qua dicitur esse … (Text bricht ab). Enthalten sind die Verse 1–25 (1r–v) und 110–122, Druck: , 7f. und 12f. Zu Parallelüberlieferung und Literatur vgl. Cod. Guelf. 518 Helmst., 1r–32v.
:2r–20v Computus magistri Jacobi. (2r–v) Prologus. Quia ars computistica diversorum autorum libris multis prolixitatibus et obscuritatibus capacitate studencium obviis sit involuta … — … sed ciclus solaris et lunaris ad multa valent ergo videbitur de utroque ciclo et primo in generali. Der Prolog gehört zur Textfassung B (s. die Ausgabe unten). (2v–20v) Textus. Ciclus solaris annos tenet octoviginti | Ciclus lunaris decem tenet atque novenos. Hic est pars executiva que dividitur in duas partes principales. In quarum prima de distinctione temporum solis et lune … — … Sedes facta tenet necho xbo iurat ymet ligant | Et an misquent aken ven cet nore minuta. Circa hos versus notandum quod … (Text bricht ab). Der Text weicht z. T. erheblich von der Ausgabe ab; der Schluss (ab § 137) fehlt, ebenso alle astronomischen Schemazeichnungen des zweiten Werkteils, für die meist Raum ausgespart ist. Auch in Cod. Guelf. 696 Helmst., 2r–20r (gekürzte Fassung, Anfang fehlt); 874 Helmst., 1r–25v (mit Prolog B, am Schluss modifiziert); 248 Gud. lat., 28r–58r (mit Prolog A, vollständig). Edition: , 48–179, hier 50–136 (39, 201f. Hs. genannt und beschrieben). Literatur: , 1213.9 (Hs. genannt) und 362.15; 4000 (Hs. genannt). – 21r leer.
21v Tabula multiplicationum. Die Übersicht enthält die Vielfachen der arabischen Zahlen von 1 bis 9; vgl. dazu , 30 Nr. 32 (diese Hs.). Der untere, nicht ausgefüllte Teil der Tabelle ist teilweise mit grammatischen Notizen zum Casus rectus bzw. obliquus überschrieben.
21v Tractatus sive Summulae logicales (partim). Diffinicio est oracio indicans quod est esse rei per essencialia … — … est eius genus. Der Text enthält einen Auszug aus tract. 5,6: De definitione und weicht von den Ausgaben ab, hier vergl.: M32376, CXCVIIIr; , 60f. Traktat 1–4 (mit Kommentar) und der Beginn von Traktat 7 auch in Cod. Guelf. 800 Helmst., 1r–81r; Traktat 1–7 und 8–11 (mit knappem Kommentar) in Cod. Guelf. 873 Helmst.; Traktat 6, 7 und 8–11 in Cod. Guelf. 1054 Helmst.; 1ra–41va; Traktat 1 und 4 mit Kommentar in Cod. Guelf. 892 Helmst., 120r–151r.
:22r Probationes pennae. Die gesamte Seite ist dicht mit diversen Federproben und Textauszügen bedeckt, darunter auch Abschnitte des auf 22v vollständig wiedergegebenen Accessus zum Computus sacerdotalis.
22v–42v Computus sacerdotalis cum commento Ludolfi de Wida. (22v) Accessus ad textum. ›In nomine domini Amen‹. Sacerdotes scire computum tenentur alias in eis vix nomen sacerdotis constare potest. Verba proposita scribit beatus Augustinus in libro de vita et honestate clericorum … — … causa finalis est cognicio eorum. Der Verf. des Kommentars wird hier fälschlich folgendermaßen charakterisiert: Sed titulis presentis libri est computus sacerdotalis magistri Johannis [!] de Wida tractans de motibus solis et lune qui dicitur fuisse plebanus in quedam villa dicta Schatenslewe prope civitatem Magdeborch… (24r–42v) Textus. Quoniam quidem ut viderim quam plures antiquorum magistros et modernorum in doctrinando computistice artis subtilitate diligencia graviter laborasse … — … correspondens de ordine sillabarum … (Text bricht ab). Der Schluss des Textes fehlt, möglicherweise aufgrund von Blattverlust. (24r–32r) : Commentum. Circa inicium computi sacerdotes computum scire tenentur alioquin in eis nomen sacerdotis vix constabit. Augustini sunt verba et quam in predictis verbis sufficienter tangit necessitatem … — … hic autem intendit dicere de diebus superfluis in intervallo qui dicuntur concurrentes ebdomadarum. Die marginale Kommentierung ist nur unvollständig und nicht bis zum Schluss des Textes durchgeführt. Auch in Cod. Guelf. 764 Helmst., 15r–45v (vollständig), sowie im handschriftlichen Teil des Mischbandes 88 Quodl. 2°, 1r–9v (unvollständig). Ungedruckt; zum Kommentar vgl. , 1367.2.
43r Doctrinale (partim, pars finalis). Siehe oben, 1r–v.
:43v Versus. Die Sammlung von insgesamt 27 Versen, zumeist Distichen, enthält vor allem aus dem Schulkontext bekanntes Material, wie z. B. aus dem 'Cornutus': Claviculis firmis theos [et] anthropos in pos et ir mis | Figor ob infirmo cosmos delicta patirmi (Druck: , 28 Nr. I) oder das modifizierte Distichon 22709. Zu den übrigen Versen vgl. 30883 (2 Verse), 9999, 7248a, 26313, 19418, 26042, 10871 und 8069.
Abgekürzt zitierte Literatur
C. Borchling, Mittelniederdeutsche Handschriften in Norddeutschland und den Niederlanden. Erster Reisebericht, Göttingen 1899 (Nachrichten von der Königl. Gesellschaft der Wissenschaften zu Göttingen. Philologisch-Historische Klasse 1898, Heft 2) | |
H. Butzmann, Die mittelalterlichen Handschriften der Gruppen Extravagantes, Novi und Novissimi, Frankfurt a.M. 1972 (Kataloge der Herzog-August-Bibliothek Wolfenbüttel. Die Neue Reihe 15) | |
Colophons de manuscrits occidentaux des origines au XVIe siècle, Bd. 1–6, ed. par les Bénédictins du Bouveret, Fribourg/Schweiz 1965–1982 (Spicilegii Friburgensis Subsidia 2–7) | |
Computus Magistri Jacobi. Een schoolboek voor tijdrekenkunde uit 1436, editie van de tekst, met een inleiding en een samenvattende parafrase door M. Gumbert-Hepp, Hilversum 1987 (Middeleeuwse studies en bronnen 7) | |
Der Cornutus des Johannes de Garlandia, ein Schulbuch des 13. Jahrhunderts, in den dt. Übers. des Mittelalters zum ersten Male hrsg. von E. Habel, Berlin 1908 (Der deutsche Cornutus 1) | |
M. Folkerts, Mittelalterliche mathematische Handschriften in westlichen Sprachen in der Herzog August Bibliothek Wolfenbüttel. Ein vorläufiges Verzeichnis, in: Centaurus 25 (1981), 1–49 | |
Gesamtkatalog der Wiegendrucke, Bd. 1–, Leipzig 1925–1938, Stuttgart 1978– | |
Handschriftencensus. Eine Bestandsaufnahme der handschriftlichen Überlieferung deutschsprachiger Texte des Mittelalters. Online-Datenbank: https://handschriftencensus.de/ | |
M. Hartmann, Humanismus und Kirchenkritik. Matthias Flacius Illyricus als Erforscher des Mittelalters, Stuttgart 2001 (Beiträge zur Geschichte und Quellenkunde des Mittelalters 19) | |
O. von Heinemann, Die Helmstedter Handschriften, Bd. 1–3, Wolfenbüttel 1884–1888, ND Frankfurt/M. 1963–1965 (Kataloge der Herzog-August-Bibliothek Wolfenbüttel. Die alte Reihe 1–3) | |
Peter of Spain, Tractatus called afterwards Summule logicales. First critical edition from the manuscripts by L. M. de Rijk, Assen 1972 (Philosophical Texts and Studies = Wijsgerige teksten en studies 22) | |
Das Doctrinale des Alexander de Villa-Dei. Kritisch-exegetische Ausgabe mit Einleitung, Verzeichniss der Handschriften und Drucke nebst Registern, bearbeitet von D. Reichling, Berlin 1893 (Monumenta Germaniae paedagogica 12) | |
P. Schwenke, Die Donat- und Kalender-Type. Nachtrag und Übersicht, mit einem Abdruck des Donattextes nach den ältesten Ausgaben und mit 7 Tafeln im Lichtdruck, Mainz 1903 (Veröffentlichungen der Gutenberg-Gesellschaft 2) | |
L. Thorndike, P. Kibre, A catalogue of incipits of mediaeval scientific writings in latin, revisited and augmented edition, London 21963 (Mediaeval Academy of America publication 29) | |
Die deutsche Literatur des Mittelalters. Verfasserlexikon, 12 Bde., hrsg. von K. Ruh u. a., 2., völlig neu bearbeitete Aufl., Berlin/New York 1978–2005, Ergänzungsbde.: Deutscher Humanismus 1480–1520. Verfasserlexikon, Bd. 1–3, hrsg. von F. J. Worstbrock, Berlin/New York 2005–2015 | |
H. Walther, Initia carminum ac versuum medii aevi posterioris Latinorum, Göttingen 1959 (Carmina medii aevi posterioris Latina 1) | |
H. Walther, Proverbia sententiaeque Latinitatis medii aevi, Bd. 1–6; P. G. Schmidt, Proverbia sententiaeque Latinitatis medii aevi. Nova series, Bd. 7–9, Göttingen 1963–1986 (Carmina medii aevi posterioris Latina 2,1–9) | |
Wasserzeichen-Informationssystem. Landesarchiv Baden-Württemberg, Hauptstaatsarchiv Stuttgart (http://www.wasserzeichen-online.de/wzis/index.php) |
Beschreibung erstellt im Rahmen des Projektes Katalogisierung der mittelalterlichen Helmstedter Handschriften Teil III.