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Beschreibung von Cod. Guelf. 557 Helmst.
geplant: Die mittelalterlichen Helmstedter Handschriften der Herzog August Bibliothek. Teil IV: Cod. Guelf. 462 bis 615 Helmst., beschrieben von Bertram Lesser.
Gefördert durch die Deutsche Forschungsgemeinschaft im Rahmen des Programms Erschließung und Digitalisierung handschriftlicher und gedruckter Überlieferung

Alexander de Villa Dei. Biblia sacra

Papier — 271 Bl. — 21,5 × 15,5 cm — Reinsdorf, Benediktinerkloster — 15. Jh., 2. Hälfte

Wasserzeichen: Lagen: VI–2 (10). 2 VI (34). VI–1 (45). VI–2 (55). VI–1 (66). 2 VI (90). VI–1 (101). VI (113). VI–1 (124). 7 VI (208). VI–1 (219). 4 VI (267). VI–8 (271). Reklamanten. Bleistiftfoliierung modern: 1271. Aus dem Codex wurden insgesamt 17 Bl. herausgerissen. Schriftraum: 15,5 × 10 cm, einspaltig, 29–31 Zeilen. Sehr regelmäßige jüngere gotische Kursive von zwei Händen, Hand 1: 1r–2v; Hand 2: 4r–271v (teilweise Textualis als Auszeichnungsschrift); in marg. Ergänzungen und Anmerkungen weiterer gleichzeitiger Hände. Rubriziert, rote Lombarden (am Beginn der Kapitel über 2 Zeilen, an den Anfängen der neutestamentlichen Episteln auf 4–6 Zeilen vergrößert) und lebende Seitentitel mit Buch- und Kapitelzählung (von dieser teilweise noch Repräsentaten auf dem oberen Seitensteg erkennbar). Am Beginn der Evangelien (Lc fehlt durch Blattverlust) und der paulinischen Briefe außergewöhnlich gestaltete Initialen: 4r, federgezeichnete braune Initiale M über 12 Zeilen in Unzialform mit geradem Mittelstamm und diversen floralen und abstrakten Zierformen, die den Eindruck eines Gesichts in Frontalansicht vermitteln, die als Haartracht angedeuteten seitlichen Teile des Buchstabenkörpers sind mit Knospenfleuronnée gefüllt und laufen in stilisierte Palmetten aus. 37v, Initiale M über 12 Zeilen in verzerrter Unzialform mit verschlungenen Ausläufern, blassrosa, die Textur des Farbauftrags ist aquarellartig. Gleichartig, aber noch schematischer ist die Initiale P (über 13 Zeilen) zur Vorrede der paulinischen Briefe auf Bl. 116r gestaltet. 90v federgezeichnetes Autorenbild des Evangelisten Johannes in einem stark abstrahierenden Stil: Der kreisrunde, riesige Kopf mit ebenfalls zu großen, runden Augen, die aus zwei konzentrischen Kreisen bestehen, ruht auf einem dreieckigen, beinlosen Körper, mit dünnen, zu kurzen Armen. Die Kleidung ist durch schräge Streifen angedeutet, die an heraldische Sparren erinnern.

Spätgotischer Holzdeckelband, mit braungefärbtem Kalbsleder überzogen, der Rückendeckel ist längs durchgebrochen sowie durch Nagekäferbefall und Gewalteinwirkung (?) perforiert. Streicheisenlinien. Einzelstempel: Granatapfel mit Hüllblättern: EBDB s004865. Laubstab ohne Astgabel, Blattansatz rechts: EBDB s005657. Rosette, ein Blattkranz, fünfblättrig: EBDB s006620. Rosette, zwei Blattkränze, sechsblättrig: EBDB s007465. Schrift, Maria: EBDB s008496. Blütenstaude, Blüte im Querschnitt, ohne Krause: EBDB s001035. Der sonst nicht weiter nachgewiesenen und möglicherweise ins Reinsdorfer Benediktinerkloster zu lokalisierenden Buchbinderoffizin mit dem Notnamen Werkstatt "Wolfenbüttel 557 Helmst.*" (EBDB w000849) zugewiesen. Drei Doppelbünde. Alle Verschlüsse und Beschläge (zwei Riemenschließen mit Fensterlager, 2 x 5 runde Schonernägel sowie umgreifende Eck- und Kantenbeschläge) sind entfernt.

Herkunft: Der Codex wurde in der zweiten Hälfte des 15. Jh. im Benediktinerkloster Reinsdorf (nahe Nebra, Diözese Halberstadt, seit 1491 Mitglied der Bursfelder Kongregation, 1539 säkularisiert, vgl. ausführlich Germania Benedictina 10, 1303–1354) geschrieben, vgl. den (nur noch unter UV-Licht lesbaren) Besitzvermerk auf dem VS: Liber [sancti] Johannis Baptiste in Reinsdorf. Es ist dies der bislang einzige sicher identifizierte Codex aus der Konventsbibliothek. — Wann und über welche Zwischenstationen der Codex in die Universitätsbibliothek Helmstedt gelangte, ist unbekannt. Da er im Katalog von 1644 fehlt und auch kein Signaturfähnchen aufweist, dürfte er erst gegen Ende des 18. Jh. erworben worden sein, möglicherweise auf einer Auktion in Oldenburg vor 1803, auf der auch ein Exemplar der Schedelschen Weltchronik aus dem Besitz des Klosters versteigert worden ist (Germania Benedictina 10, 1340). Ein genaues Datum geht aus den erhaltenen Bibliotheksrechnungen der Universität Helmstedt jedoch nicht hervor. Die Hs. wird erstmals 1797 im Handschriftenkatalog von P. J. Bruns (BA III, 52) unter Nr. 932 als Novum Testamentum versionis latinæ vulgatæ chart. 4to beschrieben.

Heinemann Nr. 605. — Gregory Prolegomena, 1072 Nr. 1577.

1r–2v Alexander de Villa Dei: Summarium biblicum partim, cum glossa interlineari. (1r–2v) Textus. (Text setzt ein bei ›Paulus ad romanos‹) … 1 Gentes 2 iudeos 3 utrosque 4 patrem 5 domini mors … — … 18 flebunt 19 ad cenam 20 surgunt 21 sponsus 22 venio iam etc. (1r–2v) Glossa interlinearis. (Text setzt ein) … "Gentes" scilicet romanos hic arguit Paulus. "Iudeos" hic arguit. "Utrosque" id est gentes et iudeos arguit … — … "Flebunt" reges terre meretricem. "Ad cenam" agni nupciarum vocati sunt beati. "Surgunt" mortui. "Sponsus" ornatam viro suo. "Venio iam" dicit sponsus. Der Text dürfte passend zum Inhalt der Hs. lediglich die Summarien zum NT enthalten haben, zumal zu Beginn nur zwei Bl. fehlen. Zu Ausgaben, Literatur und Parallelüberlieferung (mit jeweils abweichendem Kommentar) vgl. Cod. Guelf. 542 Helmst., 152r–161r. – 3r–v leer.

4r–262v Biblia sacra prologis aucta (NT). (4r–v) Prologi in evangelium secundum Matthaeum. ›Prologus‹. Stegmüller RB 590 und 589. (5r–37r) Mt. ›Sequitur Marcus‹. Durch Verlust eines Bl. nach Bl. 34 fragmentiert, es fehlen Mt 26,57–27,12. (37v–38r) Prologus in evangelium secundum Marcum. ›Prologus‹. Stegmüller RB 607. (38r–55v) Mc. Bl. 46r durch Beschnitt fragmentierte Randnotiz zu Mc 7,31 über die Zerstörung von Tyrus und Sidon durch Alexander den Großen. Durch Blattverlust am Schluss fragmentiert, Text endet: rursus qui astabant dicebant Petro: Vere tu ex illis nam [Mc 14,70] (Text bricht ab). (56r–90r) Lc. Durch Blattverlust am Beginn fragmentiert, Text setzt ein: … filiorum Israel convertet ad dominum deum ipsorum [Lc 1,16]. Der Text ist an einigen Stellen reich marginal glossiert, z. T. mit Auszügen aus der Glossa ordinaria. (90v–91r) Prologus in evangelium secundum Johannem. ›Prologus‹. Stegmüller RB 624. (91r–115v) Io. Durch Verlust jeweils eines Bl. nach Bl. 100 und Bl. 114 fragmentiert, es fehlen Io 8,5–37 und Io 20,15–21,10. (116r–118r) Prologi II in epistulas Pauli. ›Prologus super Paulum‹. Stegmüller RB 670 und 674. (118r–130v) Rm. (130v) Prologus in epistulam I ad Corinthios. ›Prologus‹. Stegmüller RB 685. (131r–143r) I Cor. (143r) Prologus in epistulam II ad Corinthios. ›Prologus‹. Stegmüller RB 699. (143v–152r) II Cor. (152r) Prologus in epistulam ad Galathas. ›Prologus‹. Stegmüller RB 707. (152r–156v) Gal. (156v) Prologus in epistulam ad Ephesios. ›Prologus‹. Stegmüller RB 715. (156v–161v) Eph. (161v) Prologus in epistulam ad Philippenses. ›Prologus‹. Stegmüller RB 728. (161v–165r) Phil. (165r–168r) Col. Für den (nicht ausgeführten) Prolog ist vor dem Text Raum ausgespart. (168r) Prologus in epistulam I ad Thessalonicenses. Stegmüller RB 747. (168v–171v) I Th. (171v) Prologus in epistulam II ad Thessalonicenses. Stegmüller RB 752. (171v–173v) II Th. (173v) Prologus in epistulam I ad Timotheum. Stegmüller RB 765. (173v–177r) I Tim. (177r) Prologus in epistulam II ad Timotheum. Stegmüller RB 772. (177v–180r) II Tim. (180r) Prologus in epistulam ad Titum. Stegmüller RB 780. (180r–181v) Tit. (181v–182r) Phlm. Für den (nicht ausgeführten) Prolog ist vor dem Text Raum ausgespart. (182v) Prologus in epistulam ad Hebraeos. Stegmüller RB 793. (182v–193v) Hbr. (194r) Prologus in Actus apostolorum. Stegmüller RB 640. (194r–229r) Act. Durch Verlust eines Bl. nach Bl. 216 fragmentiert, es fehlt Act 18,8–19,9. (229v) Prologus in epistulam Jacobi. Stegmüller RB 807. (229v–233r) Iac. (233r) Prologus in epistulam I Petri. ›Prologus‹. Stegmüller RB 812. (233r–236v) I Pt. (236v–237r) Prologus in epistulam II Petri. ›Prologus‹. Istam eisdem quibus et primam scribit epistolam electis proselitis dispersionis … — … hereticis non cedant. Der Prolog gehört zur Marginalglosse der Glossa ordinaria ad II Pt. Druck und Nachweis: Stegmüller RB 11848 (237r–239r) II Pt. (239v) Prologus in epistulam I Johannis. ›Prologus‹. In hac epistola fidei et caritatis perfectionem commendat Johannes apostolus … — … in cuius caritatis commendacione precipue moratur. In weitgehend identischer Textfassung als Prolog zur gleichen Epistel in der in Frankreich geschriebenen Hs. Jena, ULB, Ms. El. f. 33, 121r121v (Text auf beiden Bl. jeweils in der Marginalglosse; zur Hs. siehe Jena 1, 95). (239v–243r) I Io. (243r) Prologus in epistulam II Johannis. ›Prologus‹. Scribit ad quemdam Babiloniam que ipso nomine electa vocabatur … — … per filios eius minores in ecclesia. Der Prolog gehört zur Marginalglosse der Glossa ordinaria ad II Io. Druck und Nachweis: Stegmüller RB 11850. (243r–v) II Io. (243v) Prologus in epistulam III Johannis. ›Prologus‹. Gayus fide Christi suscepta bonus in actibus … — … et ne ab ea discederet. Der Prolog gehört zur Marginalglosse der Glossa ordinaria ad III Io. Druck und Nachweis: Stegmüller RB 11851. (244r) III Io. (244r) Prologus in epistulam Judae. ›Prologus‹. Judas qui et Thadeus contra eosdem fidei corruptores scribit … — … et castitatis gracia recedebant. Der Prolog gehört zur Marginalglosse der Glossa ordinaria ad Iud. Druck und Nachweis: Stegmüller RB 11852. (244v–245r) Iud. ›Sequitur Apokalipsis‹. (245v) Prologus in Apocalysim. ›Prologus‹. Stegmüller RB 835. (245v–262v) Apc. ›Deo gracias‹.

263r–271v Tabulae diversae. Mehrere Listen, die Aufstellungen zur liturigschen Lesung von Bibeltexten während der Gottesdienste enthalten: (263r) Tabula parabolarum Jesu Christi. Eine Liste von 19 Gleichnissen Jesu und die zugehörigen Kapitelzahlen der Evangelien. (263r–265v) Tabula lectionum evangeliorum epistularumque proprio missae de sanctis legendarum. Eine Aufstellung der Epistel- und Evangelienlesungen, die im Sanctorale und Commune sanctorum der Messe zu lesen sind. Die Auswahl der jeweils anzitierten Perikopen stimmt nur zum Teil mit dem Missale der Diözese Halberstadt überein (GW M24400, vergl.), die ausgewählten Heiligenfeste sind unspezifisch. (265v–267r) Registrum super evangelia IV. Ein Sachregister, das den Inhalt der Evangelien erschließt. Die insgesamt 77 Lemmata sind heilsgeschichtlich-chronologisch (von Nativitas Johannis baptiste bis Resurrectio Christi) geordnet. (267r–271v) Tabula lectionum evangeliorum epistularumque proprio missae de tempore legendarum. Eine Aufstellung der Epistel- und Evangelienlesungen, die während des Kirchenjahres im Temporale der Messe zu lesen sind. Die Auswahl der jeweils anzitierten Perikopen stimmt weitgehend mit dem Missale der Diözese Halberstadt überein (GW M24400, vergl.). Durch Blattverlust fragmentiert; die Aufstellung bricht in der Evangelienlesung zum Sonntag Trinitatis ab.


Abgekürzt zitierte Literatur

EBDB Einbanddatenbank (http://www.hist-einband.de/, besonders die Sammlung Wolfenbüttel)
Germania Benedictina Germania Benedictina, hrsg. von der Bayerischen Benediktiner-Akademie München in Verbindung mit dem Abt-Herwegen-Institut Maria Laach, Bd. 1–, St. Ottilien 1994–
Gregory Prolegomena Novum Testamentum Graece ad antiquissimos testes denuo recensuit apparatum criticum omni studio perfectum apposuit commentationem isagogicam praetexuit C. Tischendorf, Bd. 3: Prolegomena scripsit C. R. Gregory, editio octava critica maior, Leipzig und Berlin 1894
GW Gesamtkatalog der Wiegendrucke, Bd. 1–, Leipzig 1925–1938, Stuttgart 1978–
Heinemann O. von Heinemann, Die Helmstedter Handschriften, Bd. 1–3, Wolfenbüttel 1884–1888, ND Frankfurt/M. 1963–1965 (Kataloge der Herzog-August-Bibliothek Wolfenbüttel. Die alte Reihe 1–3)
Jena 1 Die mittelalterlichen lateinischen Handschriften der Electoralis-Gruppe, beschrieben von B. Tönnies, Wiesbaden 2002 (Die Handschriften der Thüringer Universitäts- und Landesbibliothek Jena 1)
Stegmüller RB F. Stegmüller, Repertorium biblicum medii aevi, Bd. 1–11, Madrid 1950–1980

Korrekturen, Ergänzungen:
  • Manuscripta Mediaevalia Objektnummer hinzugefügt (schassan, 2019-08-20)
  • Normdaten ergänzt bzw. korrigiert. (schassan, 2015-09-04)

Beschreibung erstellt im Rahmen des Projektes Katalogisierung der mittelalterlichen Helmstedter Handschriften Teil III.
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