Ps.-Beda, In Matthaei evangelium expositio. Glossarium in Evangelia
Weißenburg, Benediktinerkloster — 9. Jh., 4. Viertel
Provenienz: 2r und 61r Benediktinerkloster Weißenburg, Besitzvermerke: Exposicio evangeliorum (2r). Unterer Blattrand Codex monasterii s. P. in Wissenburg ordinis sancti Benedicti (15. Jh.; ebenfalls von dieser Hand die interlineare Übersetzung des Textes auf 77r). 61r Liber monasterii s. Petri in Wissenburg ordinis sancti Benedicti. 2r Weißenburger Signaturenbuchstabe: .E. (14. Jh.). Die Handschrift gelangte über Heinrich Julius von Blum 1690 in den Besitz des Herzogs Anton Ulrich von Braunschweig. 2°55 ( , 3–18).
Pergament — 135 Bl. — 27 × 21,5 cm
Lagen: IV (8). II (12). 11 IV (100). III (106). I (108). 3 IV (132). I+1 (135). Pergamentblätter 1 und 135 (Schutzblätter) mitgezählt. Lagenbezeichnungen am unteren Blattrand am Ende der Lage beschnitten (Reste der oberen Rahmung zum Teil noch zu erkennen). Neuere Tintenfoliierung. Guter Zustand. Bl. 101 genähter Riss. Falzreste zwischen den Blättern 41/42 und 132/133. 129v-135v Schriftverlust. Schriftraum: 21 × 17 cm, einspaltig, 26 Zeilen. Karolingische Minuskel von mehreren Händen. 77r Zusatz, Text um 900. 134v Gedichte von zwei verschiedenen Händen (Weißenburg, spätes 9. oder frühes 10. Jh.; Hand 1, Z. 1–14; Hand 2, Z. 15–26). Schutzblätter 1 und 135 neumierte Brevierfragmente von zwei Händen, Weißenburg (?), 2. Hälfte 11. Jh. Bl. 1 dieselbe Hand wie in 45 Weiss. und in 75 Weiss. (hier vorderes Schutzblatt und Bl. 122). Bl. 135 von derselben Hand wie das Fragment 404.7 Novi (3) und die Fragmente in 92 Weiss. Auf beiden Blättern Majuskeln und Rubriken von einer Hand sowie Zusätze von einer Hand des 13. oder 14. Jh.s. , 313. Buchtitel und Textanfänge (vgl. 2r) wechselnd mit Capitalis Quadrata und Capitalis Rustica. 77r den Text rahmend die Buchstaben A und ω (oben links und rechts), sowie unten Υ. Im Text farbig hinterlegte 2–4zeilige Initialmajuskel (vgl. 88v).
Roter Ledereinband (Nigerziegenleder; Neubindung 1968).
INHALT
2r–76v : In Matthaei evangelium expositio ( 92,9–119. Text bricht ab in Kap. 26, vgl. Sp. 119, Abs. 7). 77r Versus in Christum, Zusatz (77v leer. 5, 454, Nr. 28; zum Text, vgl. , 313; , 199). 78r–99r Glossarium in Mt und Mc. 99v–133v Glossarium in Lc. 133v–134r ›Nomina pretiosorum lapidum XII‹. Edelsteine aus der Apokalypse 21, 19–20. 134r Responsorium. Über die theologische Bedeutung der Edelsteine, mit Neumen (Hand des 12. und 13. Jh.). 134v Epistula elegiaca in poetam iuvenem ( 4, 2/3, 1092).
AUSSTATTUNG
Hohlbuchstaben. Eine Zierinitiale. Zwei kleine Initialen.Initiale: 2r zum Textbeginn eine kolorierte Randbandinitiale (10,5 cm). Die Initialstammenden mit lose verschlungenen Randbandverflechtungen, die Hörner spitz zulaufend. Die obere Initialendung mit antithetisch gesetzten Tierköpfen mit stumpfen Schnäbeln/Mäulern. Aus letzteren zeigt jeweils eine aufwärts weisende Profilpalmette. Als Initialstammfüllung Flechtband im Aussparungstypus vor diagonal antithetisch versetzten Farbfeldern (vgl. Abb. 2r+). 78r und 80r Textanfänge mit je einer kleinen Initiale. Die Hohlbuchstaben (78r, einzeilig und farbig gefüllt) mit Profilpalmette als Bogenersatz (78r) und dreieckigen Einsätzen an den Initialstammenden (80r, zweizeilig und unkoloriert).
Farben: Randbänder, Hintergrundfelder und Ziermotive der Initiale in den Farben Dunkelrot, Gelb und Blau. Die schwarzen oder roten Initialmajuskeln gelegentlich mit denselben Farben hinterlegt. Die griechischen Buchstaben auf 77r in Orange (ehemals Goldauftrag?).
STIL UND EINORDNUNG
Der Matthäuskommentar wurde von 48 Weiss., vgl. hier 10r). Dieser Initialtypus erscheint mit 48 Weiss. das erste Mal innerhalb des Weißenburger Skriptoriums und zeigt enge Verwandtschaft zu Handschriften aus dem St. Galler Kunstkreis und der Reichenau. Das Hinterlegen mit diagonal antithetisch gesetzten Farbfeldern und die Verwendung von antithetisch gesetzten Vogelköpfen begegnen in Weißenburg einsetzend mit dem nach Fuldaer Vorbild ausgestatteten Evangeliar 61 Weiss. Die Initialmajuskel mit Palmette als Bogenersatz (10v) ist bekannt aus Weißenburger Handschriften der Waldmann-Gruppe und der Otfrid-Zeit (46 Weiss., 170v; 4 Weiss., 32v und 74v; 49 Weiss., 1v und 197v; 66 Weiss., 7v; 63 Weiss., 10v und 22 Weiss., 197v).
, Nr. 7406. nach Weißenburg gegeben und in das (3.) oder 4. Viertel des 9. Jh. datiert. Die Zusätze (Bl. 77r und 134v) konnten von , 313 für Weißenburg, um 900 und kurze Zeit später in Anspruch genommen werden. In der Ausstattung schließt sich die Initiale zum Textbeginn nahtlos an die Weißenburger Initialornamentik beginnend im 2. Viertel des 9. Jh. Der verschlungene Randbandtypus findet Parallelen in den gegen Mitte des 9. Jh. in Weißenburg entstandenen Acta Apostolorum apocrypha (48, Nr. 114. — , 198–200. — , Nr. 4144 (Heinemann Nr.). — , 134. — , Bd. 1,1.2, 824. — , Nr. 7406. — , 313. — , 92, 97 Anm. 38. — , 369.
Abgekürzt zitierte Literatur
G. Becker, Catalogi bibliothecarum antiqui, Hildesheim, New York 1885, ND Hildesheim, Bonn 1973 | |
B. Bischoff, Katalog der festländischen Handschriften des neunten Jahrhunderts (mit Ausnahme der wisigotischen), Teil 3: Padua–Zwickau, aus dem Nachlass hrsg. von B. Ebersperger, Wiesbaden 2014 | |
H. Butzmann, Die Weissenburger Handschriften, Frankfurt/M. 1964 (Kataloge der Herzog-August-Bibliothek Wolfenbüttel. Die Neue Reihe 10) | |
C. Grifoni, Auf Otfrids Spuren in der frühmittelalterlichen Bibliothek Weißenburg, in: | , 79-101|
H. Hoffmann, Schreibschulen des 10. und 11. Jahrhunderts im Südwesten des Deutschen Reichs, 2 Bde., Hannover 2004 (MGH Schriften 53) | |
W. Kleiber, Otfrid von Weißenburg. Untersuchungen zur handschriftlichen Überlieferung und Studien zum Aufbau des Evangelienbuches, Bern/München 1971 (Bibliotheca Germanica 14) | |
S. Krämer, Handschriftenerbe des deutschen Mittelalters, Bd. 1–3, München 1989–1990 (Mittelalterliche Bibliothekskataloge Deutschlands und der Schweiz. Ergänzungsband 1) | |
Monumenta Germaniae Historica. Poetae Latini aevi Carolini, Bd. 1–4, Berlin 1880–1923 | |
Patrologiae cursus completus. Series Latina, Bd. 1–221, hrsg. von J. P. Migne, Paris 1844–1865 | |
S. Westphal, Karolingische Buchmalerei aus dem elsässischen Kloster Weißenburg, in: Die Handschriften der Hofschule Karls des Großen. Individuelle Gestalt und Europäisches Kulturerbe, Tagung Trier 2018, Trier 2019, 357–391 | |
Liste der von H. J. Blum im Jahre 1673 der Wiener Hofbibliothek angebotenen Handschriften meist Weissenburger Herkunft, in: T. Gottlieb, Die Weissenburger Handschriften in Wolfenbüttel, Wien 1910 (Sitzungsberichte der Akademie der Wissenschaften in Wien, Philosophisch-Historische Klasse 163,6) | |
Die Handschriften der Herzoglichen Bibliothek zu Wolfenbüttel, Abt. 3: Die Weissenburger Handschriften, beschrieben von O. von Heinemann, in: Die Handschriften der Herzoglichen Bibliothek zu Wolfenbüttel, Abt. 2 Teil 5, Wolfenbüttel 1903, 268–443 |
Beschreibung erstellt im Rahmen des Projektes Katalogisierung der illuminierten Handschriften der Herzog August Bibliothek Wolfenbüttel Teil I (6.–11. Jh.).