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Beschreibung von Cod. Guelf. 60 Weiss.
Die illuminierten Handschriften der Herzog August Bibliothek. Teil 1: 6. bis 11. Jahrhundert, beschrieben von Stefanie Westphal (in Bearbeitung)

Ps.-Beda, In Matthaei evangelium expositio. Glossarium in Evangelia

Weißenburg, Benediktinerkloster — 9. Jh., 4. Viertel

Provenienz: 2r und 61r Benediktinerkloster Weißenburg, Besitzvermerke: Exposicio evangeliorum (2r). Unterer Blattrand Codex monasterii s. P. in Wissenburg ordinis sancti Benedicti (15. Jh.; ebenfalls von dieser Hand die interlineare Übersetzung des Textes auf 77r). 61r Liber monasterii s. Petri in Wissenburg ordinis sancti Benedicti. 2r Weißenburger Signaturenbuchstabe: .E. (14. Jh.). Die Handschrift gelangte über Heinrich Julius von Blum 1690 in den Besitz des Herzogs Anton Ulrich von Braunschweig. Wiener Liste 2°55 (Butzmann Weißenburg, 3–18).

Pergament — 135 Bl. — 27 × 21,5 cm

Lagen: IV (8). II (12). 11 IV (100). III (106). I (108). 3 IV (132). I+1 (135). Pergamentblätter 1 und 135 (Schutzblätter) mitgezählt. Lagenbezeichnungen am unteren Blattrand am Ende der Lage beschnitten (Reste der oberen Rahmung zum Teil noch zu erkennen). Neuere Tintenfoliierung. Guter Zustand. Bl. 101 genähter Riss. Falzreste zwischen den Blättern 41/42 und 132/133. 129v-135v Schriftverlust. Schriftraum: 21 × 17 cm, einspaltig, 26 Zeilen. Karolingische Minuskel von mehreren Händen. 77r Zusatz, Text um 900. 134v Gedichte von zwei verschiedenen Händen (Weißenburg, spätes 9. oder frühes 10. Jh.; Hand 1, Z. 1–14; Hand 2, Z. 15–26). Schutzblätter 1 und 135 neumierte Brevierfragmente von zwei Händen, Weißenburg (?), 2. Hälfte 11. Jh. Bl. 1 dieselbe Hand wie in 45 Weiss. und in 75 Weiss. (hier vorderes Schutzblatt und Bl. 122). Bl. 135 von derselben Hand wie das Fragment 404.7 Novi (3) und die Fragmente in 92 Weiss. Auf beiden Blättern Majuskeln und Rubriken von einer Hand sowie Zusätze von einer Hand des 13. oder 14. Jh.s. Hoffmann Schreibschulen Südwesten, 313. Buchtitel und Textanfänge (vgl. 2r) wechselnd mit Capitalis Quadrata und Capitalis Rustica. 77r den Text rahmend die Buchstaben A und ω (oben links und rechts), sowie unten Υ. Im Text farbig hinterlegte 2–4zeilige Initialmajuskel (vgl. 88v).

Roter Ledereinband (Nigerziegenleder; Neubindung 1968).

INHALT

2r76v Ps.-Beda Venerabilis: In Matthaei evangelium expositio (PL 92,9–119. Text bricht ab in Kap. 26, vgl. PL Sp. 119, Abs. 7). 77r Versus in Christum, Zusatz (MGH Poetae 5, 454, Nr. 28; zum Text, vgl. Hoffmann Schreibschulen Südwesten, 313; Butzmann Weißenburg, 199). 77v leer. 78r99r Glossarium in Mt und Mc. 99v133v Glossarium in Lc. 133v134rNomina pretiosorum lapidum XII‹. Edelsteine aus der Apokalypse 21, 19–20. 134r Responsorium. Über die theologische Bedeutung der Edelsteine, mit Neumen (Hand des 12. und 13. Jh.). 134v Epistula elegiaca in poetam iuvenem (MGH Poetae 4, 2/3, 1092).

AUSSTATTUNG

Hohlbuchstaben. Eine Zierinitiale. Zwei kleine Initialen.

Initiale: 2r zum Textbeginn eine kolorierte Randbandinitiale (10,5 cm). Die Initialstammenden mit lose verschlungenen Randbandverflechtungen, die Hörner spitz zulaufend. Die obere Initialendung mit antithetisch gesetzten Tierköpfen mit stumpfen Schnäbeln/Mäulern. Aus letzteren zeigt jeweils eine aufwärts weisende Profilpalmette. Als Initialstammfüllung Flechtband im Aussparungstypus vor diagonal antithetisch versetzten Farbfeldern (vgl. Abb. 2r+). 78r und 80r Textanfänge mit je einer kleinen Initiale. Die Hohlbuchstaben (78r, einzeilig und farbig gefüllt) mit Profilpalmette als Bogenersatz (78r) und dreieckigen Einsätzen an den Initialstammenden (80r, zweizeilig und unkoloriert).

Farben: Randbänder, Hintergrundfelder und Ziermotive der Initiale in den Farben Dunkelrot, Gelb und Blau. Die schwarzen oder roten Initialmajuskeln gelegentlich mit denselben Farben hinterlegt. Die griechischen Buchstaben auf 77r in Orange (ehemals Goldauftrag?).

STIL UND EINORDNUNG

Der Matthäuskommentar wurde von Bischoff Katalog 3, Nr. 7406. nach Weißenburg gegeben und in das (3.) oder 4. Viertel des 9. Jh. datiert. Die Zusätze (Bl. 77r und 134v) konnten von Hoffmann Schreibschulen Südwesten, 313 für Weißenburg, um 900 und kurze Zeit später in Anspruch genommen werden. In der Ausstattung schließt sich die Initiale zum Textbeginn nahtlos an die Weißenburger Initialornamentik beginnend im 2. Viertel des 9. Jh. Der verschlungene Randbandtypus findet Parallelen in den gegen Mitte des 9. Jh. in Weißenburg entstandenen Acta Apostolorum apocrypha (48 Weiss., vgl. hier 10r). Dieser Initialtypus erscheint mit 48 Weiss. das erste Mal innerhalb des Weißenburger Skriptoriums und zeigt enge Verwandtschaft zu Handschriften aus dem St. Galler Kunstkreis und der Reichenau. Das Hinterlegen mit diagonal antithetisch gesetzten Farbfeldern und die Verwendung von antithetisch gesetzten Vogelköpfen begegnen in Weißenburg einsetzend mit dem nach Fuldaer Vorbild ausgestatteten Evangeliar 61 Weiss. Die Initialmajuskel mit Palmette als Bogenersatz (10v) ist bekannt aus Weißenburger Handschriften der Waldmann-Gruppe und der Otfrid-Zeit (46 Weiss., 170v; 4 Weiss., 32v und 74v; 49 Weiss., 1v und 197v; 66 Weiss., 7v; 63 Weiss., 10v und 22 Weiss., 197v).

Becker 48, Nr. 114. — Butzmann Weißenburg, 198–200. — Wolfenbüttel Weiss., Nr. 4144 (Heinemann Nr.). — Kleiber Otfrid von Weißenburg, 134. — Krämer, Bd. 1,1.2, 824. — Bischoff Katalog 3, Nr. 7406. — Hoffmann Schreibschulen Südwesten, 313. — Grifoni, 92, 97 Anm. 38. — Westphal Buchmalerei Weißenburg, 369.


Abgekürzt zitierte Literatur

Becker G. Becker, Catalogi bibliothecarum antiqui, Hildesheim, New York 1885, ND Hildesheim, Bonn 1973
Bischoff Katalog 3 B. Bischoff, Katalog der festländischen Handschriften des neunten Jahrhunderts (mit Ausnahme der wisigotischen), Teil 3: Padua–Zwickau, aus dem Nachlass hrsg. von B. Ebersperger, Wiesbaden 2014
Butzmann Weißenburg H. Butzmann, Die Weissenburger Handschriften, Frankfurt/M. 1964 (Kataloge der Herzog-August-Bibliothek Wolfenbüttel. Die Neue Reihe 10)
Grifoni C. Grifoni, Auf Otfrids Spuren in der frühmittelalterlichen Bibliothek Weißenburg, in: Marginalien in Bild und Text. Essays zu mittelalterlichen Handschriften, hrsg. von P. Carmassi und C. Heitzmann, Wiesbaden 2019 (Wolfenbütteler Forschungen 156), 79-101
Hoffmann Schreibschulen Südwesten H. Hoffmann, Schreibschulen des 10. und 11. Jahrhunderts im Südwesten des Deutschen Reichs, 2 Bde., Hannover 2004 (MGH Schriften 53)
Kleiber Otfrid von Weißenburg W. Kleiber, Otfrid von Weißenburg. Untersuchungen zur handschriftlichen Überlieferung und Studien zum Aufbau des Evangelienbuches, Bern/München 1971 (Bibliotheca Germanica 14)
Krämer S. Krämer, Handschriftenerbe des deutschen Mittelalters, Bd. 1–3, München 1989–1990 (Mittelalterliche Bibliothekskataloge Deutschlands und der Schweiz. Ergänzungsband 1)
MGH Poetae Monumenta Germaniae Historica. Poetae Latini aevi Carolini, Bd. 1–4, Berlin 1880–1923
PL Patrologiae cursus completus. Series Latina, Bd. 1–221, hrsg. von J. P. Migne, Paris 1844–1865
Westphal Buchmalerei Weißenburg S. Westphal, Karolingische Buchmalerei aus dem elsässischen Kloster Weißenburg, in: Die Handschriften der Hofschule Karls des Großen. Individuelle Gestalt und Europäisches Kulturerbe, Tagung Trier 2018, Trier 2019, 357–391
Wiener Liste Liste der von H. J. Blum im Jahre 1673 der Wiener Hofbibliothek angebotenen Handschriften meist Weissenburger Herkunft, in: T. Gottlieb, Die Weissenburger Handschriften in Wolfenbüttel, Wien 1910 (Sitzungsberichte der Akademie der Wissenschaften in Wien, Philosophisch-Historische Klasse 163,6)
Wolfenbüttel Weiss. Die Handschriften der Herzoglichen Bibliothek zu Wolfenbüttel, Abt. 3: Die Weissenburger Handschriften, beschrieben von O. von Heinemann, in: Die Handschriften der Herzoglichen Bibliothek zu Wolfenbüttel, Abt. 2 Teil 5, Wolfenbüttel 1903, 268–443

Beschreibung erstellt im Rahmen des Projektes Katalogisierung der illuminierten Handschriften der Herzog August Bibliothek Wolfenbüttel Teil I (6.–11. Jh.).
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