geplant: Die mittelalterlichen Helmstedter Handschriften der Herzog August Bibliothek. Teil V: Cod. Guelf. 616 bis 927 Helmst., beschrieben von Bertram Lesser. (Vorläufige Beschreibung)

Wolfenbüttel, Herzog August Bibliothek, Cod. Guelf. 700 Helmst.

Alexander de Villa Dei

Papier — 82 Bl. — 21 × 13,5–14,5 cm — Südniedersachsen — um 1460

Aus zwei Teilen zusammengesetzt: I 1r–46v; II 47ra–71v. Lagen: VI+6 (13)! VI+6 (26)! VI (38). VI–4 (46). VI+2 (59)! VI (71). Bleistiftfoliierung modern: 171, ingesamt 11 Schaltzettel ungez.

Der ursprüngliche Einband, wahrscheinlich ein spätgotischer Koperteinband, ist verloren. Jetzt in einen Pappdeckelband mit gebrochenem Rücken und Kiebitzpapierüberzug des ausgehenden 18. oder frühen 19. Jh. aus der Werkstatt des Buchbinders Anton Friedrich Wirck in Helmstedt gebunden, vgl. bei Cod. Guelf. 629 Helmst.

Herkunft: Die beiden Teile des Codex wurden um die Mitte des 15. Jh. vermutlich im südostniedersächsischen Raum geschrieben. Eine Entstehung im Kontext des städtischen Schulbetriebs, vielleicht in Hildesheim oder Braunschweig, ist aufgrund des Inhalts und der Textgestaltung wahrscheinlich. Ob der 1r in der Initiale genannte und bislang nicht näher identifizierbare Hans Hoge der Hauptschreiber, Rubrikator oder Vorbesitzer des Codex war, ist nicht mehr sicher festzustellen. — Wann und über welche Vorbesitzer die Hs. in die Wolfenbütteler Hofbibliothek gelangte, ist unbekannt. Sie ist dort erstmals 1614 im Gesamtkatalog von Liborius Otho (Cod. Guelf. A Extrav., p. 6 [10]) unter Nr. B 45 der Libri Grammatici nachgewiesen: Grammatica manuscripta in 4° ut supra num. 41. Diese haben hinder der rohen materia gelegen. Der Verweis gilt für den heute als Cod. Guelf. 604 Helmst. aufbewahrten Codex, vgl. dort. Beide Bände waren nicht regulär eingestellt, sondern lagen quer auf anderen Büchern, wie folgende Zwischenüberschrift zeigt: NB: Folgende Bücher liegen in die Quere vber dem Repositorio B. 1618 in die Universitätsbibliothek Helmstedt überführt. 1644 in deren Handschriftenkatalog (Cod. Guelf. 27.2 Aug. 2°, 31v) vermutlich als eine der Duæ Grammaticæ Latinæ beschrieben, im Handschriftenkatalog von P. J. Bruns (BA III, 52) unter Nr. 828 genannt.

Heinemann Nr. 764. — Bursill-Hall Census, 281 Nr. 310.14.

I

Papier — 56 Bl. — 21 × 14,5 cm — 1459

Wasserzeichen: Lateinisches Kreuz, darunter Stange (zwei Typen, nicht nachweisbar). Ochsenkopf mit Augen und Nasenlöchern, darüber einkonturige Stange, darüber Stern (nicht nachweisbar). Lagen: VI+6 (13)! VI+6 (26)! VI (38). VI–4 (46). Insgesamt zwei gez. und zehn ungez. Schaltzettel: Zettel nach Bl. 1 (7 x 10 cm), Bl. 2 (15,5 x 11 cm), Zettel nach Bl. 4 (11 x 13 cm, kopfständig eingeheftet), drei Zettel nach Bl. 12 (15,5 x 3,5 cm, 7 x 9,5 cm und 13 x 13 cm, letzterer leer), Zettel nach Bl. 16 (11 x 10,5 cm), Bl. 17 (15 x 11,5 cm), Zettel nach Bl. 18 (9,5 x 9,5 cm), Zettel nach Bl. 19 (11,5 x 12,5 cm), Zettel nach Bl. 23 (5–6 x 12,5 cm) und Zettel nach Bl. 25 (10,5 x 10 cm). Das erheblich beschädigte und stark beriebene und verblasste Bl. 1 ist mittels angeklebtem Papierstreifen restauriert, dadurch im Marginalkommentar Textverlust. Schriftraum: 15–16 × 8–9 cm, einspaltig (breiter Rand für Kommentar), Text 11–13 Zeilen mit vergrößertem Abstand für den Interlinearkommentar. Der Text (unregelmäßige Bastarda mit Schlaufen) und der Großteil des marginalen und interlinearen Kommentars (jüngere gotische Kursive) stammen von einer Hand ; die Nachträge auf den Schaltzetteln und einige Zusätze im Kommentar dagegen von mehreren weiteren Händen. Stellenweise und unregelmäßig rubriziert, rote Lombarden an den Anfängen der Abschnitte und Kapitel, einige mit weißen Mustern im Binnenfeld, andere nur in roter Umrisszeichnung; 1r eine solche vergrößerte Lombarde S über 3 Textzeilen mit der roten Inschrift Hans Hoge im Binnenfeld.

1r–46r Alexander de Villa Dei: Doctrinale (pars I cum commento).
(1r–46r) Textus. Scribere clericulis paro doctrinale novellis | Pluraque doctorum sociabo scripta meorum … — … Parturio facere sic debes esurioque | Verborumque data sit declinacio quarta. Explicit prima pars Allexandri anno domini Mo CCCCo LIXo feria quarta post festum circumcisionis domini [4.1.1459] ante prandium completa de quo gloriosus deus sit benedictus. Enthält die Verse 1–1073 der Ausgabe (siehe unten) mit folgenden Abweichungen: Die Verse 30 und 31 wurden irrtümlich vertauscht und durch die marginal nachgesetzten Minuskelbuchstaben a und b korrekt geordnet; die Verse 69 und 70, 483 und 484, 780 und 781 sind vertauscht, die Verse 78, 134, 399, 421, 422, 706, 740, 844 und 975 fehlen, die Verse 236, 276 und 703 sind in marg. nachgetragen. Vers 81 steht nach 84, Vers 172 steht nach 168, die Verse 370 und 369 stehen nach Vers 375, die Verse 378 und 379 stehen nach 384, Vers 387 steht nach 394, die Verse 899 und 900 stehen nach Vers 896, die Verse 904 und 904 stehen bereits nach 803, wurden aber 38r an der korrekten Stelle nachträglich wieder eingefügt, Vers 945 steht nach 938. Nach Vers 356 folgen zwei Zusatzverse (Is suis ipse sui referunt sed cetera monstrant | Ille refert monstrat non facit hoc aliud); nach Vers 445 folgt ein Zusatzvers (Ri rorum cantat re rarum tympona [!] pulsat); nach Vers 477 folgt ein Zusatzvers (siehe Apparat der Ausgabe); nach Vers 491 folgen vier Zusatzverse (Strennuus et dubius pius arduus egregiusque | Per magis ista suum formabunt comparativum | Ante senex iuvenis adolescens quatuor ista | Sola quidem solis utuntur comparativis); nach Vers 517 ein Zusatzvers in marg. (N chorus angelicus m denotat angelus unus); Vers 606 doppelt; nach Vers 772 in marg. ein Zusatzvers (siehe Apparat der Ausgabe); nach Vers 831 ein Zusatzvers (Tendo tetendi pendo pependi dat quoque pendi); nach Vers 949 zwei Zusatzverse (Hec tria si dicas orior morior pociorque | Declinando potes iris vel eris reperire); nach Vers 977 ein Zusatzvers (Prandeo cum mero neutro predictis adnumerabis); nach Vers 989 ein Zusatzvers (Et cum predictis sum potes addere si vis); nach Vers 987 ein Zusatzvers (Sumunt preterita sumunt aliunde supina). Die Textgliederung erfolgt durch Seitentitel gemäß der (der Ausgabe entsprechenden) Kapitelzählung, wobei am Anfang des Kapitels jeweils auf der ersten Versoseite eine Überschrift in Majuskeln (KAPYTULUM mit Zählung), und dann auf jeder Rectoseite die Kapitelüberschrift angegeben sind. Druck des Textes: Reichling Doctrinale, 7–70 (CLVIII Nr. 188 Hs. genannt). Zu weiteren Ausgaben, zur Parallelüberlieferung des Haupttextes und zur Literatur vgl. Cod. Guelf. 625 Helmst., 1r–48r.
(1r–46r) Commentum. Iste liber … Item quod scibitur … — … redeatis ad versum. Der ungedruckte Kommentar wird z. T. auch interlinear und auf den Schaltzetteln von mehreren Händen fortgesetzt, ist aber stark selektiv, lückenhaft und nicht durchgehend ausgeführt. Der marginal und interlinear ausgeführte Text 1r ist aufgrund des starken Abriebs und der Restaurierung des Blattes selbst mit Hilfsmitteln nicht mehr genau lesbar.

46v Probationes pennae. Die stark angeschmutzte Seite ist dicht mit Federproben verschiedener Hände bedeckt, darunter auch folgender Ausführung: Item subiectum est terminus communissimus in aliqua sciencia consideratus non excedens limites illius sciencie … oder auch Invokationen wie Sancti spiritus assit nobis gracia …, daneben und darunter weitere, häufig wiederholte einzelne Worte und Satzfragmente.

II

Papier — 26 Bl. — 21 × 13,5 cm — um 1460

Wasserzeichen: Ochsenkopf mit Augen und Nasenlöchern, darüber einkonturige Stange, darüber Stern: WZIS DE6405-PO-75599 (= DE8280-Hs.187.1208_220, 1461), DDE8280-Hs.187.1208_198 (1450–1500). Lagen: VI+2 (59)! VI (71). Schaltzettel: Bl. 49 (15 x 14 cm), Zettel nach Bl. 57 (9 x 6 cm). Schriftraum: 17–19 × 11–13 cm, 47ra–vb zweispaltig (Spalten 5 cm breit), sonst Zwei-Spalten-Klammerform, Textspalte misst meist 12 x 7 cm mit 8 Zeilen mit breitem Abstand für Interlieanrglossierung, Kommentar meist über dem Rest der Seite, bis zu 56 Zeilen. Der Text (unregelmäßige Bastarda mit Schlaufen) und der Großteil des marginalen und interlinearen Kommentars (jüngere gotische Kursive mit grober Textualis als Auszeichnungsschrift der kommentierten Lemmata) stammen von einer Hand; die Nachträge auf den Schaltzetteln und einige Zusätze im Kommentar dagegen von mehreren weiteren Händen. Mit grobem Strich rubriziert, am Beginn der Kapitel rote oder rot konturierte Lombarden. 47ra federgezeichnete, rot konturierte Fleuronnéeinitiale C über 13 Zeilen, Buchstabenkörper gelblich gefüllt mit vegetabilem ausgespartem Muster im Binnenfelder; das umlaufend in Textualis geschriebene Incipit des Textes dient als Rahmen für die Initiale, der mit einem groben Strichelungsmuster gefüllt ist. 48r federgezeichnete Initiale H über 3 Textzeilen, der Buchstabenkörper ist von Rot und Weiß geviert und steht in einem dünnen federgezeichneten Rahmen, der mit Strichelung gefüllt ist.

47ra–71v Alexander de Villa Dei: Doctrinale (pars II cum commento).
(47ra–b) Prologus commenti. Circa inicium secunde partis pro quo [!] Allexandri item nota quinque sunt notanda … — … ut sonus quem fecit lapis in casu …. Sequitur textus libri.
(47rb–71v) Commentum. 'Hic iubet ordo libri'. Item nota duo sunt capitula secunde partis Allexandri. Primum capitulum tractat de regimine casuum … — … fuit meditacio tua per … (Text bricht ab). Der ungedruckte Kommentar ist ausführlicher als für den ersten Teil und marginal sowie interlinear durchgängig ausgeführt, bricht aber wie der Text mitten im Satz ab. (48r–71v) Textus. Hic iubet ordo libri vocum regimen reserari | Vult intransicio rectum supponere verbo … — … Cum diversorum verbum rectis numerorum | Interponatur utrolibet equiparatur … (Text bricht ab). Enthält die Verse 1074–1440 mit folgenden Abweichungen: Die Verse 1094 und 1095 sind vertauscht, Vers 1102 steht nach 1104, nach Vers 1201 steht ein Zusatzvers (siehe Apparat der Ausgabe), nach Vers 1343 folgender Zusatzvers: Roma Rothomacho Vernone meabit Athenis, Vers 1385 fehlt. Die Verse 1441–1549 mit dem zugehörigen Kommentar fehlen aufgrund von Blattverlust. Druck des Textes: Reichling Doctrinale, 70–91.


Abgekürzt zitierte Literatur

Bursill-Hall Census G. L. Bursill-Hall, A census of medieval latin grammatical manuscripts, Stuttgart-Bad Cannstatt 1981 (Grammatica speculativa 4)
Heinemann O. von Heinemann, Die Helmstedter Handschriften, Bd. 1–3, Wolfenbüttel 1884–1888, ND Frankfurt/M. 1963–1965 (Kataloge der Herzog-August-Bibliothek Wolfenbüttel. Die alte Reihe 1–3)
Reichling Doctrinale Das Doctrinale des Alexander de Villa-Dei. Kritisch-exegetische Ausgabe mit Einleitung, Verzeichniss der Handschriften und Drucke nebst Registern, bearbeitet von D. Reichling, Berlin 1893 (Monumenta Germaniae paedagogica 12)
WZIS Wasserzeichen-Informationssystem. Landesarchiv Baden-Württemberg, Hauptstaatsarchiv Stuttgart (http://www.wasserzeichen-online.de/wzis/index.php)