Die illuminierten Handschriften der Herzog August Bibliothek. Teil 2: 12. Jahrhundert, beschrieben von Stefanie Westphal (in Bearbeitung) (Vorläufige Beschreibung)
Wolfenbüttel, Herzog August Bibliothek, Cod. Guelf. 718 Helmst.
Theologische Sammelhandschrift
Lamspringe — 12. Jh., 4. Viertel
Provenienz: Erstes ungezähltes Blatt: Unten rechts Signatur A 36, oben links alte Helmstedter Signatur T 4° 56, Besitzvermerk Liber sancti Adriani in Lamspringe, Inhaltsangabe (13./14. Jh.), Bemerkung Sed presens volumen registratum est ita. Registrentur omnes libri monasterii per dominas virgines sanctimoniales, obedientes bonitati, ancillas Christi doctiores et benivolas in monasterio Lamespringensi, vel saltem petant vel procurent hoc fieri per eorum sacerdotes et scolares vel per extraneos sacerdotes vel rectores scolarium in vicino de Hildensem, Boclem, Gandersem, Embecke, Allevelde, qui ad hoc fere ad quatuor dies benigniter invitentur. Fiat, fiat. Nulla excusat se per aliam nec aliqua per cantricem, ad quam specialiter pertinet, quia servire deo et communi sororum bono quelibet in isto potest. Est enim volumen sine registro, ut nauta sine gubernaculo, instita non exposita sed venalia in sacco.
Pergament — 97 Bl. — 21,5 × 13,5 cm
Lagen: V (9). 9 IV (79). II-1 (82). IV (90). IV (90). IV-1 (97). Zwischen Bl. 38 und Bl. 39 eingefügt Bl. 38b. Bl. 52 doppelt foliiert. Die ersten Lagen mit Lagenzählung: 17v I.; 25v II.; 33v III. Neuere Tintenfoliierung. Schriftraum: 16,7 × 9,5 cm, einspaltig, 34 Zeilen. Carolino-Gothica von einer Hand der Scriptrix-Gruppe (zur Gruppe gehörig: 443 Helmst., 447 Helmst., 482a Helmst. [1r-81v], 510 Helmst., 511 Helmst., 519 Helmst., 723 Helmst., 903 Helmst. [1r-75r], 943 Helmst., 1030 Helmst.). Einleitend zu den Textabschnitten 2-3zeilige rote Lombarden mit Punktverdickungen. Textanfänge teilweise mit roten Begleitstrichen oder rubriziert. Satzanfänge gelegentlich mit roten Begleitstrichen. Bogenförmige, rubrizierte Zeilenfüller und Marginalien (Textfelder) mir roter und grüner Umrisslinie.
Ledereinband (flexibel) aus rötlichem Ziegenleder. Im Spiegel von VD und HD Pergamentblätter (10 Jh.; Psalterfragment, zum Text vgl. vorläufige Beschreibung in der Handschriftendatenbank der HAB).
, Kat. Nr. 12; , in Vorb.,INHALT
1r-18v Sermo de assumptione beatae Mariae. 9v-10r leer. 18v Epistola de vitanda missa uxoratorum sacerdotum (). , 148-162 18v-26v Libellus de symoniacis (. 165; , 103-104, Anm. 4, 5) 26v-33v Quaestio de sacramentis heareticorum ( , 162-174). 33v-57v Prologus de obedientia. Quod distet inter dominicam orationem. 59v-81r Prologus in tractatum de praeconiis Christi et beati martiris Christi Laurentii. 81v-97r : Disputatio Iudaei cum Christiano (vorläufige Beschreibung in der Handschriftendatenbank der HAB). 159, 1005-1036). Zu den Texten vgl. (in Vorb.,
AUSSTATTUNG
Eine Spaltleisteninitiale. 5 Silhouetten-Lombarden. 2 Skizzen.Initiale und Silhouetten-Lombarden: Zu Beginn des Gilbertus Crispinus eine Spaltleisteninitiale mit einfach und fünfach genagelten Spangen (81v; 3,6 cm). Aus einer Spange entspringend ein das Binnenfeld füllender Palmettentrieb, ein weiterer als Initialstammendung. In den Endungen befinden sich gekernte Palmetten und Knospen. Die Blattrücken mit Schraffur. Zu weiteren hervorgehobenen Textanfängen Lombarden mit einfachem schaftbegleitendem Silhouettendekor (1r, 10v, 58r, 59v, 60r; 2,0-3,9 cm). Die Lombarde auf 10v im Stamm angedeutet als Spaltleisteninitiale.
Skizzen: Auf 10r in der rechten oberen Ecke ein fahrig gezeichnter Kopf (en face) mit haubenartiger Kopfbedeckung (von nachträglicher Hand; 5,5 cm). Auf einem eingelegten Pergamentstreifen die Federzeichnung einer um den Hals angeketteten Hand (zeitgleiche Hand; 3,6 cm).
Farben: Die Spaltleisteninitiale ist mit roter Feder gezeichnet, die Initialstammspalten sind grün gefüllt. Die im Binnenfeld befindliche Ranke ist in grüner Farbe, die Initialstammendung im Rot der Initiale ausgeführt. Die Lombarden in Rot und Grün mit Silhouettendekor in der Gegenfarbe.
STIL UND EINORDNUNG
Die vorliegende theologische Sammelhandschrift 718 Helmst. wurde von Härtel paläographisch der hauptsächlich im 3. Viertel des 12. Jahrhunderts tätigen Lamspringer Scriptrix-Gruppe zugeordent (zur Gruppe vgl. 943 Helmst.; , 83). Der Initialschmuck mit der üppigen Knospenranke sowie die in der Gegenfarbe beigegebenen schaftbegleitenden Silhouettenstriche der Initialmajuskeln (rot/grün) mit ihren einfachen Knospenverzierungen hat ihre Parallele in der Evangelienhandschrift 447 Helmst. und ist dementsprechend ins 4. Viertel des 12. Jahrhunderts zu datieren (1180/90). Die Textvorlage für diesen Codex dürfte mit ziemlicher Sicherheit aus dem Benediktinerinnenkloster Lippoldsberg stammen, in dessen Bibliothekskatalog ein Codex verzeichnet ist, der nahezu dieselben Texte beinhaltet (die Handschrift ist nicht mehr erhalten, vgl. , 187f. Nr. 46 und , 75-78; zum Text vgl. [in Vorb., vorläufige Beschreibung in der Handschriftendatenbank der HAB]). Für die Vermittlung der in beiden Hss. enthaltenen, im südostdeutschen bzw. Salzburger Raum entstandenen Streitschrift dürften die Reformverbindungen der Hamerslebener Augustiner-Chorherren, die in der zweiten Hälfte des 12. Jh. zeitweilig in Lippoldsberg und in Lamspringe die Pröpste stellten, zu Erzbischof Konrad I. von Salzburg entscheidend gewesen sein, vgl. dazu bei S. Weinfurter, Salzburger Bistumsreform und Bischofspolitik im 12. Jahrhundert. Der Erzbischof Konrad I. von Salzburg (1106–1147) und die Regularkanoniker, Köln, Wien, 1975 (Kölner historische Abhandlungen 24), 11–23.vorläufige Beschreibung in der Handschriftendatenbank der HAB).
, 70. — , Nr. 782 (Heinemann Nr.). — , 62f., 75, 85. — , 476 — , Kat.Nr. 12. — , 75, Anm. 79-83. — (in Vorb.,Abgekürzt zitierte Literatur