Beschreibung von Cod. Guelf. 76 Weiss. (Die illuminierten Handschriften der Herzog August Bibliothek. Teil 1: 6. bis 11. Jahrhundert, beschrieben von Stefanie Westphal (in Bearbeitung)) Katalogisiert durch Stefanie Westphal Elektronische Ausgabe nach TEI P5 TEI-P5 konforme Kodierung durch Stefanie Westphal Herzog August Bibliothek Wolfenbüttel Herzog August Bibliothek Wolfenbüttel Herzog August Bibliothek Wolfenbüttel

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Neukatalogisiert durch Stefanie Westphal.

Beschreibung erstellt im Rahmen des Projektes Katalogisierung der illuminierten Handschriften der Herzog August Bibliothek Wolfenbüttel Teil I (6.–11. Jh.) .

Wolfenbüttel Herzog August Bibliothek Weissenburger Handschriften Cod. Guelf. 76 Weiss. Julianus Pomerius, De vita contemplativa. Lectionarium gallicanum vetus (Palimpsest) Burgund Frankreich um 700 um 500 1r–100v Julianus Pomerius De vita contemplativa <note>(<bibl> <abbr>PL</abbr> 59, 415–520</bibl>; <bibl> <abbr>CPL</abbr> 998</bibl>).</note> 1r–100v Lectionarium gallicanum vetus<note> (Palimpsest, vgl. ausführlich <bibl> <abbr>Dold</abbr>, 1–86</bibl>).</note>

Pergament

100 Bl. 25,5 18,5 III (6). 5 IV (46). III (52). 4 IV (94). I (96). II (100). Die achte Lage als Ternio mit zwei eingelegten Doppelblättern (53–62). Lagenbezeichnungen in römischen Ziffern auf dem unterern Blattrand am Ende der Lage, davor der Buchstabe Q (vgl. Butzmann Weißenburg , 230; Dold, 18, 19, 31, 32). Einige mit Wellenverzierungen an allen vier Seiten (vgl. 52v).

Einige Blätter eingerissen. Teilweise Blaufärbung der Blätter durch versuchte Sichtbarmachung des Palimpsest-Textes mittels Reagenzien.

20 15 , einspaltig, 22–28 Zeilen.

Zweitschrift: Unzialis von mehreren Händen (auffälliger Händewechsel auf 96v, dann 96v–100v Unzialis mit halbunzialen Elementen). Erstschrift: Unzialis.

Zusätze: auf den Blatträndern von 23r, 32v, 39r, 41v, 42r, 43r, 80v, 84r, 85v und 88v Einträge in Luxeuil-Minuskel (8. Jh.); 5r und 46v–47r Textergänzung am Rand in karolingischer Minuskel (9. Jh.).

Kapitelüberschriften in vergrößerter Unzialis. Kapitelzählung am Rand. Zu hervorgehobenen Textpassagen schlichte, vergrößerte Anfangsbuchstaben. Zahlreiche Initialen.

Zu einigen Textanfängen Initialen als unkolorierte Hohlbuchstaben (27r, 30r, 31r 36r, 59r, 73r, 75r, 75v, 77r, 82r, 84r, 85r, 86r, 87v, 89r, 89v, 90v, 92r, 92v, 93r, 94v, 96v, 97r; 1–6,1 ). Initialstämme mit seitlichen Einrollungen an den verbreiterten, teils rhombischen (vgl. 77r) Enden und palmettenförmigen, teils ausgefranst wirkenden Abschlüssen. Hier häufig auch aufgelegte, gereihte Perlen (vgl. 87v). Als Füllmotive einfache Punkte in Kombination mit segmentierenden Querstrichen (31r, 86r, 89v, 92v 93r, 94v), Mauerwerk (87v), Zickzackverläufen (30r, 86r), Pfeilen (87v), Schuppen (75v), Seilband (89r) und Rauten (85r). Fische als Stützbalken von A-Initialen (27r, 36r, 89r) und als Bogenersatz (90v, 92v) mit dreieckigen Flossenansätzen (vgl. 77v) und lappiger Halskrause (vgl. 89r). Die Ausführungen teils etwas fahrig gezeichnet. Ab 96v eine 2. Hand. Hier als Füllmotiv das Seilband und im Besatz eine kleine Palmette (96v, 97r). Auf 3v, 5r, 6r angedeutetes Seilband mit Punktfüllungen als Zeilenfüller.

Buchschmuck, Ikonographie und Einbände Initialen Hohlbuchstabe (Hohlinitiale) Buchschmuck, Ikonographie und Einbände Buchschmuck 8.-9. Jh.

Farben: Initialen in Tintenfarbe ohne Kolorierung.

Roter Ledereinband (Nigerziegenleder; Neubindung 1956). Reste vom letzten Weißenburger Einband und der Wolfenbütteler Perz-Wiedemann-Einband sind noch erhalten.

Der paläographische Befund ergibt, nach Lowe, für die Erstschrift eine Lokalisierung nach Frankreich (?) mit einer Datierung in das frühe 6. Jh. ( CLA IX, Nr. 1392); Dold präzisiert die Lokalisierung auf eine Stiftung für eine Kathedrale im alten Septimanien (Mittelmeerküste, zwischen Rhonemündung und den Pyrenäen). Für die Zweitschrift wird eine Lokalisierung in ein französisches Zentrum, wahrscheinlich Burgund und eine Datierung um 700 vorgeschlagen ( CLA IX, Nr. 1391). Basierend auf der Initialornamentik ergeben sich für die Zweitschrift (die Erstschrift ist unverziert), sowie für den paläographischen Befund ebenfalls Parallelen zu französischen/burgundischen Handschriften aus dem 8. Jh. (Würzburg, UB, M. p. th. f. 64a, Burgund, unter Luxeuiler Einfluss, ca. 750, vgl. Zimmermann Miniaturen , 57, 173, 174, Taf. 57c - Luxeuil, um 700, vgl. CLA IX, Nr. 1419; Paris, BnF, lat. 10910, Ostfrankreich, Anfang des 8. Jh. (715?), vgl. Zimmermann Miniaturen , 75, 178, 179, Taf. 73a und b, 74a und b; Frankish Manuscripts, Nr. 7 - Frankreich (Burgund(?), 715, vgl. CLA V, Nr. 608; München, BSB, Clm 29302(1, Frankreich (Burgund?), 3.-4. Viertel 8. Jh., vgl. Bierbrauer Ill. Hss. , Nr. 250, Abb. 541, 542). Auch im Gundohinusevangeliar, das in der Literatur sowohl nach Fleury, als auch nach Burgund lokalisiert wird, ergeben sich Vergleichsmöglichkeiten (Autun, BM, Ms. 3 (Gundohinusevangeliar), Fleury(?), 754, vgl. Bischoff, in: Eckhardt Lex salica , 8, 10; L. Nees, The Gundohinus Gospels, Cambridge 1987 [Medieval Academy Books 95]; Autun, 9–13 - Burgund, vgl. CLA IX, Nr. 1395; Frankish Manuscripts, Nr. 9). Neben bestimmten Motiven, wie dem Seilband und der Vorliebe für palmettenförmig ausgefranste Endungen der Initialstämme und Fischflossen, sowie die lappige Halskrause und die kleinen dreieckigen Flossen der Fische (vgl. Gundohinusevangeliar), sind es die einfache, unkolorierte Verwendung der Buchstabentinte und die zum Teil fahrig wirkenden Ausführungen (vgl. insbesondere die Handschriften in Würzburg und Paris), die den Anschluss geben. Bemerkenswerter Weise liegt mit dem Würzburger-Augustinus Codex ebenfalls ein Palimpsest vor, bei dem eine italienische Handschrift des 5. Jh. wiederverwendet wurde ( CLA IX, Nr. 1418).

Ergänzungen auf den Blatträndern in Luxeuil-Minuskel (vgl. unten) bezeugen die Präsenz des Codex im 8. Jh. in der entsprechenden Region am Rand der Vogesen. Die Handschrift gehört zum Bestand des Benediktinerklosters Weißenburg, jedoch fehlt auf Bl. 1 der Weißenburger Signaturenbuchstabe und der Besitzeintrag. Der Codex wurde vermutlich in Weißenburg im 9. Jh. konsultiert (vgl. Einträge in karolingischer, jedoch nicht in Weißenburger Minuskel, s.u.) und gelangte 1690 mit den anderen Weißenburger Handschriften in den Besitz der Herzog August Bibliothek. Die Handschrift gelangte über Heinrich Julius von Blum 1690 in den Besitz des Herzogs Anton Ulrich von Braunschweig. Wiener Liste4°22 ( Butzmann Weißenburg , 3–18).

Die illuminierten Handschriften der Herzog August Bibliothek. Teil 1: 6. bis 11. Jahrhundert, beschrieben von Stefanie Westphal (in Bearbeitung) Wolfenbüttel Weiss., Nr. 4160 (Heinemann Nr.). CLA IX, Nr. 1391, Nr. 1392. Butzmann Weißenburg , 229–231. Lesne, 706. Dold. A. Dold, Ein einzigartiges Dokument der Karsamstagsliturgie, in: B. Fischer, J. Wagner, Paschatis sollemnia. Studien zu Osterfeier und Osterfrömmigkeit, Basel, Freiburg, Wien 1959, 179–187. Kleiber Otfrid von Weißenburg , 127. E. C. Ratcliff, Expositio antiquae liturgiae Gallicanae, London 1971 (Henry Bradshaw Society 98). Krämer, Bd. 1, 1.2, 824. R. G. Babcock, The Luxeuil Prophets and the Gallican Liturgy, in: Scriptorium 47 (1993), 52–55. P. Bernard, Du chant romain au chant grégorien, Paris 1996. P. Bernard, La "schola cantorum" romaine et les échanges liturgiques avec la Gaule au VIe siècle, in: Etudes Grégoriennes 27 (1999), 61–120. P. Bernard, Das Werden der Liturgie, in: L. Pietri, Der lateinische Westen und der byzantinische Osten (431–642), Freiburg, Basel, Wien 2001 (Die Geschichte des Christentums, Religion Politik Kultur 3), 1087–1089. P. Carmassi, Das Lektionar Cod. Guelf. 76 Weiss. Beispiel liturgischer Verwendung der Heiligen Schrift im frühmittelalterlichen Gallien, in: P. Carmassi, Präsenz und Verwendung der Heiligen Schrift im christlichen Frühmittelalter. Exegetische Literatur und liturgische Texte, Wiesbaden 2008 (Wolfenbütteler Mittelalter-Studien 20), 251–298. H. Yitzhak, Liturgical Palimpsests from the early Middle Ages, in: G. Declercq, Early medieval Palimpsests, Turnhout 2007 (Bibliologia. Elementa ad librorum studia pertinentia 26), 37–54, hier 39, 53.