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Beschreibung von Cod. Guelf. 826 Helmst. (geplant: Die mittelalterlichen Helmstedter Handschriften der Herzog August Bibliothek. Teil V: Cod. Guelf. 616 bis 927 Helmst., beschrieben von Bertram Lesser.)
Die mittelalterlichen Helmstedter Handschriften der Herzog August Bibliothek. Teil V: Cod. Guelf. 616 bis 927 Helmst., beschrieben von Bertram Lesser (in Vorbereitung).
Gefördert durch die Deutsche Forschungsgemeinschaft im Rahmen des Programms "Erschließung und Digitalisierung handschriftlicher und gedruckter Überlieferung"

Johannes Milicius

Papier — 152 Bl. — 20,5 × 14 cm — Hildesheim (?) — um 1400

Wasserzeichen: Ochsenkopf mit Augen und Maul, darüber einkonturige Stange: WZIS DE2730-PO-78210 (1403). Ochsenkopf mit Augen und Maul, darüber einkonturige Stange, darüber Stern: WZIS DE4500-PO-78591 (1401), DE4500-PO-78592 (1402), DE4200-Donaueschingen513_138, NL0360-PO-78637 (beide 1401), DE5580-Clm3822_145, DE5580-Clm3822_147 (beide 15. Jh., 1. Viertel), NL0360-PO-78534 (1401), DE6255-PO-78529, DE4500-PO-78636 (beide 1402). Lagen: 6 VI (71)! IV–6 (73). 6 VI (145). VI–6 (151). IV–8. Reklamanten. Lagenmitte jeweils mit Pergamentfalzen als Heftverstärkung (s. Fragmente). Bleistiftfoliierung modern: 1151, Zählfehler: Zwischen Bl. 11 und 12 ein Bl. übersprungen. Am Schluss des Codex wurden 14 Bl. entfernt, Textverlust. Schriftraum: 16 × 10,5 cm, einspaltig, je nach Hand 34–46 Zeilen. Kleine, stark abgekürzte Bastarda mit Merkmalen der Kursive von einer Hand. Rubriziert, rote Lombarden, am Beginn der einzelnen Predigten zu schlichten sekundären Initialen vergrößert.

Spätgotischer Holzdeckelband, mit dunkelbraun gefärbtem Schafsleder überzogen. Streicheisenlinien (nur rechteckige Muster, keine Rautung). Einzelstempel Blattwerk im Quadrat: EBDB s000627. Herz, von Pfeil durchbohrt: EBDB s005442. Fabelwesen (Greif laufend): EBDB s004645. Der bislang nicht näher lokalisierbaren und nur hier nachgewiesenen Werkstatt mit dem Notnamen "Ornamental Helmst. 826" (EBDB w000990) zugewiesen. Vier Doppelbünde, Kapital an Kopf und Schwanz mit rot gefärbten Lederstreifen umflochten. Zwei Langriemenschließen, Schließenriemen und Dornen verloren, Gegenbleche am HD mit Riemenresten erhalten. Liber catenatus, nur noch die beiden Befestigungslöcher der rechteckigen Kettenöse und Rostspuren an Spiegel und hinterem Vorsatz erkennbar.

Fragmente:
  1. Spiegel. 14. Jh. Pergament. 1 Bl. 20,5 × 14 cm. Die beiden Abschnitte stammen aus dem rechten oberen (VS) und linken unteren (HS) Bereich der Urkunde, der auch die in den Lagen zwischen Bl. 74r und 145v verwendeten sechs pergamentenen Heftverstärkungen entnommen wurden. Die Spiegelbl. sind mitgeheftet und um die erste bzw. letzte (entfernte) Lage gehängt. Schriftraum: 15,5 × 14 cm, einspaltig (beschnitten), 32 Zeilen erhalten. Regelmäßige Bastarda von einer Hand. Keinerlei Buchschmuck. VS, HS Littera apostolica de praesidio et defensione cuiusdam ecclesiae sive monasterii. (Text setzt ein) … cum ab eo vel procuratoribus suis aut eorum … locorum iurisdictionum iurium et bonorum nobilium et immobilium reddituum … — … futuris et predictis procedere ac si predicta omnia et singula … legitime extitisset constitutione praedicta super conservatoribus e … (Text bricht ab). Nach dem Formular stammen die Fragmente aus einer päpstlichen Schutzurkunde (Initium: 'Militanti ecclesiae licet immeriti disponente domino praesidentes'), wobei der (oder die) Empfänger vom ausstellenden Pontifex maximus als Konservator(en) einer (oder mehrerer) dritter Einrichtungen bestellt wurden. Da Beginn und Schluss fehlen, sind Aussteller und Empfänger der Urkunde ebensowenig bekannt wie das Datum des Dokuments. Auf dem HS findet sich kopfständig im Marginalbereich des Fragments ein auf den Inhalt des Codex bezüglicher Eintrag des 16. Jh.: Liber de predicatione Verbi divini. Druck einer Urkunde mit identischem Formular. Die Urkunden des Stiftes Walkenried aus den Originalen des Herzoglisch Braunschweigischen Archivs zu Wolfenbüttel und sonstigen Quellen zusammengestellt von C. L. Grotefend, Abth. 2.1: Bis 1400, Hannover 1852 (Urkundenbuch des historischen Vereins für Niedersachsen, H. 3), 116–120 Nr. 783 vom 23.6.1319.
  2. Vorsatz. 14. Jh. Pergament. 1 Bl. 20 × 14 cm. Die beiden Abschnitte stammen aus dem zentralen Bereich der Urkunde, der auch die in den ersten sechs und in den beiden letzten Lagen verwendeten acht pergamentenen Heftverstärkungen entnommen wurden. Die Vorsatzbl. sind mitgeheftet (vorn kopfständig) und um die erste bzw. letzte (entfernte) Lage gehängt. Schriftraum identisch, einspaltig (beschnitten), ca. 30 Zeilen erhalten. Regelmäßige Kanzleikursive (Notula) von einer Hand. Keinerlei Buchschmuck. Ir, I*v Instrumentum notarii publici. (Text setzt ein) … et executor predictus volentis mandatum apostolicum nobis … personarum ecclesie Hildesemensis predicte … idem Gheroldum … acceptandum … — … et si contingat nos in aliquo super … (Text bricht ab). Da Beginn und Schluss fehlen, sind das Jahr (erkennbar ist auf dem HS das Tagesdatum XVII kalendas Decembris [15.11.]) und der Aussteller der Urkunde (erkennbar ist auf dem HS Nos igitur Hermannus …) ebensowenig mehr genau zu identifizieren wie der nur mit dem Vornamen bekannte Empfänger, der offenbar eine Expektanz auf eine Stelle im Hildesheimer Domkapitel mit juristischen Mittel zu erlangen suchte. Geringe Reste des Notarssignets und des Notarsvermerks sind in den Heftfalzen erhalten; der Name des Notars fehlt. (Iv) Auf der sonst leeren Rückseite der Urkunde befindet sich ein Titelvermerk von der Hand des Wolfenbütteler Bibliothekars Liborius Otho: Sermones.

Herkunft: Der sorgfältig hergestellte Codex wurde um 1400 geschrieben; die als Vorsatz verwendete makulierte Urkunde verweist auf den Hildesheimer Raum als mögliche Schriftheimat. Eine genauere Lokalisierung ist anhand der paläographischen und kodikologischen Merkmale nicht möglich. — Ebenfalls unbekannt sind mögliche weitere Vorbesitzer; die bei Bollbuck, 228, geäußerte These, der Codex könnte sich im Besitz von Matthias Flacius Illyricus befunden haben, ist zwar nicht unwahrscheinlich, aber auch nicht eindeutig belegbar, da der Kirchenhistoriker die Postillen des Johannes Milicius zwar gesucht und bei Korrespondenten angefragt, aber mindestens bis 1562 kein Exemplar erhalten hatte (vgl. Flacius Catalogus 1556, 914; Flacius Catalogus 1562, 525f.). Ob der nur noch mit Hilfsmitteln erkennbare Vermerk auf dem unteren Teil des VS tatsächlich als das sonst bei mehreren Codices Flaciani zu findende Φ zu definieren ist, mit dem der habsburgische Diplomat Caspar von Nidbruck die für seinen Freund (Φίλος) Flacius bestimmten Bände kennzeichnete, ist vor allem aufgrund der abweichenden Gestalt des Zeichens mindestens zweifelhaft. Der Vorbesitz des Flacius bleibt daher eine Hypothese. — Sofern diese zutrifft, erwarb Herzog Heinrich Julius von Braunschweig-Lüneburg den Codex am 20.4.1597 zusammen mit der übrigen Bibliothek des Matthias Flacius für die Wolfenbütteler Hofbibliothek. Der Band ist eindeutig 1614 im Gesamtkatalog von Liborius Otho (Cod. Guelf. A Extrav., p. 290 [285]) unter den Papalia Miscellanea gemäß dem eigenen Titeleintrag (s. oben) als Sermones Magistri Militzii ist der titel forn und hinten viel bletter weg mit der Signatur W 45 nachgewiesen. 1618 in die Universitätsbibliothek Helmstedt überführt, 1644 in deren Handschriftenkatalog (Cod. Guelf. 27.2 Aug. 2°, 19r) in einem Sammeleintrag unter den Varii Sermones Dominicales et de Sanctis Zwanzig exemplaria, worunter 5 auf pergamen vnd 2 ohne band, die ubrigen vf papier geschrieben unter den Theologici MSSti in quarto subsumiert. Im Handschriftenverzeichnis von 1797 (BA III, 52) unter Nr. 726 aufgeführt.

Heinemann Nr. 922. — Bollbuck, 97, 228.

1r149r Johannes Milicius: Postilla sive Liber sermonum 'Abortivus' nuncupatus. ›Sermones magistri [Johannis] Militzii de s[anctis]. Sermo de sancto [Andrea apostolo]‹. Venite post me … [Mt 4,19]. Quanta dignacio salvatoris nostri Ihesu ut simplices piscatores non horreret ad apostolatus dignitatem vocare … — … Christum secuntur ad nupcias regni celestis ad quas nos perducat etc. Enthält insgesamt 54 Sermones zu den Herren- und ausgewählten Heiligenfesten, gemäß Schneyer 3, 578–600 sind mit Incipit nachweisbar: Nr. 137, 139, 142–146, 148, 150, 155, 157, 159, 161, 164, 168, 170–175, 179, 180, 182, 183, 185, 187–189, 196, 198, 200, 202, 203, 205, 206, 209, 212, 214, 217, 218, 220, 221, 223–226, 230, 233–235, 237, 238 und 241. Ungedruckt. Literatur: J. Tříška, Příspěvky k středověké literární universitě (III), in: Acta universitatis Carolinae. Historia universitatis Carolinae Pragensis 10.1 (1969), 7–48, bes. 13–18; Tříška Repertorium, 277f.; Spunar RAB, 172f. Nr. 441 (ohne Kenntnis dieser Hs.); Morée, 99–117 und 159–167; 2VL 6, 522–527.

149r151v Johannes Milicius: Sermo de corrupto ecclesiae statu (partim). ›Sermo ad clerum in synodo‹. Sacerdotes contempserunt legem meam … [Ez 22,16]. Reverendi patres et domini sicut deus omnipotens pro salute gentis humani misit patres sanctos prophetas videlicet et apostolos … — … Quicquid enim avaricia congregat hoc luxuria in omni vanitate expendit. Ecce enim si diversimode patrimonium Christi male … (Text bricht ab). Der Textschluss fehlt aufgrund von Blattverlust; ob sich auf den herausgeschnittenen Bl. am Schluss des Codex auch die übrigen beiden Synodalpredigten befanden, kann nicht mehr entscheiden werden. Edition: Herold/Mráz, 49–70, hier bis 66 Z. 417 (ohne Kenntnis dieser Hs.). Zu weiteren Ausgaben und Literatur vgl. bei Cod. Guelf. 771 Helmst., 172ra–177rb.


Abgekürzt zitierte Literatur

Bollbuck H. Bollbuck, Wahrheitszeugnis, Gottes Auftrag und Zeitkritik. Die Kirchengeschichte der Magdeburger Zenturien und ihre Arbeitstechniken, Wiesbaden 2014 (Wolfenbütteler Forschungen 138)
EBDB Einbanddatenbank (http://www.hist-einband.de/, besonders die Sammlung Wolfenbüttel)
Flacius Catalogus 1556 M. Flacius Illyricus, Catalogus testium veritatis, qui ante nostram ætatem reclamarunt Papæ…, Basel 1556 (VD16 F 1293)
Flacius Catalogus 1562 M. Flacius Illyricus, Catalogus testium veritatis, qui ante nostram ætatem Pontifici Romano eiusque erroribus reclamarunt, iam denuo longe quam antea & emendatior & auctior editus…, Basel und Straßburg 1562 (VD16 F 1294)
Heinemann O. von Heinemann, Die Helmstedter Handschriften, Bd. 1–3, Wolfenbüttel 1884–1888, ND Frankfurt/M. 1963–1965 (Kataloge der Herzog-August-Bibliothek Wolfenbüttel. Die alte Reihe 1–3)
Herold/Mráz V. Herold, M. Mráz, Johannis Milicii de Cremsir Tres sermones synodales (Jana Milíče z Kroměříže Tři řeči synodní), Prag 1974
Morée P.C.A. Morée, Preaching in fourteenth-century Bohemia. The life and ideas of Milicius de Chremsir (died 1374) and his significance in the historiography of Bohemia, Slavkov 1999
Schneyer J. B. Schneyer, Repertorium der lateinischen Sermones des Mittelalters für die Zeit von 1150–1350, Bd. 1–11, Münster/Westf. 1969–1990, Bd. 1–4 ebd. 21973–1974 (Beiträge zur Geschichte der Philosophie und Theologie des Mittelalters 43,1–11)
Spunar RAB P. Spunar, Repertorium auctorum Bohemorum provectum idearum post Universitatem Pragensem conditam illustrans, Bd. 1 und 2, Bratislava u. a. 1985 und 1995 (Studia Copernicana 25 und 35)
Tříška Repertorium J. Tříška, Repertorium biographicum Universitatis Pragensis praehussiticae 1348–1409, Prag 1981 (Knižnice archívu Univerzity Karlovy 12)
2VL Die deutsche Literatur des Mittelalters. Verfasserlexikon, Bd. 1–12, hrsg. von K. Ruh u. a., 2., völlig neu bearbeitete Aufl., Berlin, New York 1978–2005, Ergänzungsbde.: Deutscher Humanismus 1480–1520. Verfasserlexikon, Bd. 1–3, hrsg. von F. J. Worstbrock, Berlin, New York 2005–2015
WZIS Wasserzeichen-Informationssystem. Landesarchiv Baden-Württemberg, Hauptstaatsarchiv Stuttgart (http://www.wasserzeichen-online.de/wzis/index.php)

Beschreibung erstellt im Rahmen des Projektes Katalogisierung der mittelalterlichen Helmstedter Handschriften Teil IV.
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