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Beschreibung von Cod. Guelf. 9.8 Aug. 4°
Die illuminierten Handschriften der Herzog August Bibliothek. Teil 1: 6. bis 11. Jahrhundert, beschrieben von Stefanie Westphal (in Bearbeitung)

Commentarii notarum tironiarum

Saint Amand — um 850

Provenienz: 1r Liber iste pertinet ad librariam …. Der Hinweis Bischoffs auf ein Exlibris der nordfranzösischen Bibliothek Saint Bertin bei Saint Omer lässt sich nicht mehr rekonstruieren (vgl. Bischoff Mittelalterliche Studien, Bd. 3, 302.). 1655/56 für die Bibliothek des Herzog August des Jüngeren von Braunschweig-Lüneburg erworben (Eintrag im Bücherradkatalog auf pag. 4355; Milde Erwerbungsjahre, 118).

Pergament — 98 Bl. — 23,9 × 15,5 cm

Lagen: Vorsatzblatt Papier I-III nicht foliiert. I (Papier). 5 IV (40). IV-1 (47). 2 IV (63). III (69). 3 IV (93). II+2 (99). Vorderes und hinteres Schmutzblatt (Pergament) aus einer kanonistischen Rechtshandschrift des 14. Jh. Neuere Tintenfoliierung. Guter Zustand. Schriftraum: 17,2 × 11 cm, dreispaltig, 23 Zeilen. Tironische Noten und karolingischen Minuskel von zwei Händen. Hand 1: Bl. 1–69; Hand 2: Bl. 70–98v. 1r Incipit in roter und schwarzer Capitalis Quadrata. Anschließende Notenbenennungen ebenfalls in Capitalis Quadrata.

Holzdeckel mit Oasenziegenleder überzogen (1956; Peter Hahne, Hamburg). Von den ursprünglich zwei Schließen ist noch eine erhalten. Auf dem Vorderdeckel ein Pergamentstreifen mit dem Titel Note Senecae Lib.

INHALT

1r98v Commentarii notarum tironiarum (G. Schmitz, Commentarii notarum Tironianarum. Cum prolegomenis, adnotationibus criticis et exegeticis, notarumque index alphabetico Osnabrück 1893 [Nachdruck 1968]). 99v Verzeichnis der Dies Aegyptiaci (W. Schmitz, Beiträge zur lateinischen Sprache und Literaturkunde, 1877, 307f.).

AUSSTATTUNG

2 Initialen. 1 Initialzierseite.

Initialen: Auf der Initialzierseite 3 Notae (1r zu: Ab, ad, con), im weiteren Verlauf die Notae prob (15r) und purpura (28r). Die Buchstaben, bzw. Notaezeichen, teils mit durchgängigem Randband (1r), dunkler Kontur (1r, 15r) eingefügten Flechtbandpaneelen (1r, 15r - an den Ecken verziert mit Herzblättern und Punkten) und bandförmigen Endgeflechten (1r - kombiniert mit antithetisch gesetzten Vogelköpfen, 15r). Als Gliederungsmotiv ein Medaillon mit ausgespartem Tier- bzw. Fabelwesen und Punktverzierungen (1r). Als Füllmotive in sämtlichen Initialen Flechtband und Achterschlingen im Aussparungstypus. Eine Besonderheit zeigt die Initiale "I" auf 1r mit ausgesparter Achterschlinge als Füllmotiv, die nach oben und unten durch ein Band mit den Endgeflechten der Initiale verbunden ist. Auf 1r als Initialstammendungen einfache Knospen und als Füllmotive eine Knospenstaude mit flankierenden Pfeilen. 2,6–15,6 cm.

Farben: Initialen in Tintenfarbe gezeichnet. Auf 1r anteilig rosa-/silberfarben koloriert (nachträglich).

STIL UND EINORDNUNG

Die Commentarii wurden von Bischoff paläographisch in die 1. Hälfte des 9. Jh. datiert und in das nordfranzösische Kloster Saint Amand lokalisiert (Bischoff Katalog 3, Nr. 7291). Der Buchschmuck weist die Handschrift als ein Werk der in Saint Amand beheimateten frankosächsischen Schule aus. Überzeugende Parallelen, u.a. der mittels Band verlängerte Achterknoten als Füllmotiv, liegen in den frühen Evangeliaren der Schule vor, deren Beginn von Mütherich in die Zeit gegen Mitte des 9. Jh. gesetzt wird (Koehler/Mütherich Karolingische Miniaturen VII, 49–52). Ebenso wie in der Wolfenbütteler Handschrift verzichten diese Codices noch auf den in späterer Zeit üppig auftretenden Goldauftrag und zeigen leicht lavierend gehaltene Farben oder gar unkolorierte Initialen (vgl. Saint Amand, um 850: Pruntrut/Porrentruy, Bibliothèque Cantonale jurassienne, Ms. 34; Koehler/Mütherich Karolingische Miniaturen VII, 129–133, Taf. 1–3 und Ivrea, Biblioteca Capitolare, Ms. XXIX (15); Koehler/Mütherich Karolingische Miniaturen VII, 134–137, Taf. 4–5). Zusätzlich zeigen die Commentarii Anklänge an die zeitlich vorausgehende, für Saint Amand stilbildende Schule von Saint Bertin bei Saint Omer (Knospen und Knospenendungen sowie die für das frühe Saint Amand noch untypischen Greifvogelköpfe; vgl. 1r mit Cod. Guelf. 81.17 Aug. 2°; Westphal, Nr. 1.2.1.2 A-E, 1.7.6 B, ). Aufgrund des Schulbeginns in Saint Amand gegen Mitte des 9. Jh., ist der paläographische Datierungsvorschlag von Bischoff auf diesen Zeitraum zu präzisieren.

Wolfenbüttel Aug., Nr. 2989 (Heinemann Nr.). — B. Bischoff, "Salzburger Formelbücher und Briefe aus Tassilonischer und Karolingischer Zeit", Sitzungsberichte der Bayerischen Akademie der Wissenschaften, Philosophisch-Historische Klasse (1973), Heft 4, 63. — Bischoff Mittelalterliche Studien, Bd. 1, 89. — Bischoff Mittelalterliche Studien, Bd. 3, 302. — Hellmann Tironische Noten, 262 — Bischoff Katalog 3, Nr. 7291. — Ganz Tironian Notes, 1, 44.


Abgekürzt zitierte Literatur

Bischoff Katalog 3 B. Bischoff, Katalog der festländischen Handschriften des neunten Jahrhunderts (mit Ausnahme der wisigotischen), Teil 3: Padua–Zwickau, aus dem Nachlass hrsg. von B. Ebersperger, Wiesbaden 2014
Bischoff Mittelalterliche Studien B. Bischoff, Mittelalterliche Studien. Ausgewählte Aufsätze zur Schriftkunde und Literaturgeschichte, 3 Bde., Stuttgart 1966/1967/1981
Ganz Tironian Notes D. Ganz, On the History of Tironian Notes, in: Tironische Noten, hrsg. von D. Ganz, Wiesbaden 1990 (Wolfenbütteler Mittelalter Studien 1), 35-51
Hellmann Tironische Noten M. Hellmann, Tironische Noten in der Karolingerzeit am Beispiel eines Persius-Kommentars aus der Schule von Tours, Hannover 2000
Koehler/Mütherich Karolingische Miniaturen VII W. Koehler/F. Mütherich, Die karolingischen Miniaturen VII. Die Frankosächsische Schule, unter Mitarbeit von K. Bierbrauer und F. Crivello, Wiesbaden 2009
Milde Erwerbungsjahre W. Milde, Die Erwerbungsjahre der Augusteischen Handschriften der Herzog August Bibliothek, Supplement zum Katalog von Otto Heinemann "Die Augusteischen Handschriften" Bd. 1-5, Wolfenbüttel 1890-1903, in: Wolfenbütteler Beiträge 14 (2006), 73-144
Westphal S. Westphal, Der Wolfenbütteler Psalter. Eine ornamentgeschichtliche Studie, Wiesbaden 2006 (Wolfenbütteler Mittelalter-Studien 19)
Wolfenbüttel Aug. Die Augusteischen Handschriften, beschrieben von O. von Heinemann, Teil 1-5, Frankfurt/M. 1890–1903, ND 1965–1966 (Kataloge der Herzog-August-Bibliothek Wolfenbüttel. Die alte Reihe 4–8)

Beschreibung erstellt im Rahmen des Projektes Katalogisierung der illuminierten Handschriften der Herzog August Bibliothek Wolfenbüttel Teil I (6.–11. Jh.).
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