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Beschreibung von Göttingen, Staats- und Universitätsbibliothek, 2° Cod. Ms. jurid. 139 [b]
Patrizia Carmassi: In Vorbereitung: Katalog der mittelalterlichen lateinischen Handschriften der SUB Göttingen, beschrieben von Patrizia Carmassi.

Bartholomaeus Brixiensis

Pergament — I, 35, I Bl. — 27 × 20 cm — Nordfrankreich — 13. Jh., Ende

Lagen: IV + 1 (10) 2 IV (26) IV (34) Fol. 1 und 35 bilden ein Bifolium. Moderne Foliierung (Bleistift). Oberer Teil des Kopfstegs um ca. 2 cm abgeschnitten. Spuren von Schimmelbildung an den unteren Blatträndern und Ecken. 34vb: Spuren eines Wachstropfens. Schriftraum: 23,5 × 16 cm Textualis. Verschiedene Hände.

Im 19. Jahrhundert neu gebunden. Pappeinband mit ockerfarbenem Papier überzogen. Der Rücken gestärkt mit einem Pergamentblatt aus einem früheren Antiphonar. Auf dem VD Papierschild mit moderner Signatur und Tintenfleck, der sich über den gesamten VD hinzieht. VS und fol. I aus Papier. Dazwischen vorgedrucktes Benutzungsverzeichnis eingeklebt. VS: Ex-Libris von Eduard Böcking (10 x 7 cm); moderne Signatur (Bleistift). Fol. II und HS aus Papier: Auf der oberen rechten Ecke des HS moderne Anmerkung It (Bleistift). Auf einen ursprünglich vorhandenen mittelalterlichen Holzdeckeleinband deuten Wurmfraßlöcher, die durch die ersten sechs Blätter gehen, und braune Abfärbungen von Leder auf fol. 1r. Da dies nicht bei den letzten Blättern der Fall ist, dürfte dieses Fragment als Vorspann zu einem oder mehreren Text(en) in einen umfangreicheren Codex gedient haben.

Fragment eines Antiphonars, 15. Jh., Textualis. Ca. 28 x 5 cm, als Rückenverstärkung benutzt. Quadratnotation auf vier Zeilen. Auf der sichtbaren Seite Antiphonen aus dem Officium für das Fest der Assumptio Mariae. Vgl. als erstes Gesangstück auf dem Fragment (oberste Zeile): CANTUS, Nr. 001566: Beata es virg[o Maria dei].

Herkunft: Schrift und Ausstattung sprechen für eine französische Herkunft aller Handscriftenteile. Anmerkungen, Zusätze und Benutzungsspuren weisen auf ein universitäres Milieu hin. — Die Handschrift stammt aus der Privatbibliothek des Rechtswissenschaftlers und Philologen Eduard Böcking (1802-1870), wie das Exlibris auf dem aktuellen VS zeigt. Dieser wurde 1822 in Göttingen zum Dr. jur. promoviert, dann Professor an der juristischen Fakultät in Berlin und ab 1835 in Bonn für Römisches Recht. Zu seiner Person siehe R. von Stintzing, Art. Böcking, Eduard, in: Allgemeine Deutsche Biographie, 2 (1875), S. 785-787. Seine Bibliothek wurde 1871 in Bonn versteigert. Die juristischen Bücher werden im 1. Band des Auktionskatalogs aufgelistet. Darin haben die Handschriften eine wichtige Stellung zu Beginn des Katalogs (Manuscripte, S. 1-3). Siehe: Eduard Böckings's Bibliothek. Erste Abtheilung Jurisprudenz: Versteigerung in Bonn, Montag den 5. Juni 1871 … im Auctionslokale von M. Lempertz in Bonn, Bonn 1871. Als Nr. 21 der Handschriftenliste wird folgendes Konvolut beschrieben: "Sammlung von Pergamentvorsatzblättern, von alten Handschriften u. Drucken abgelöst, theilw. Fragmente jurist. Inhalts. 36 Blätter in Umschlag. fol." Wahrscheinlich stimmen diese im Katalog beschriebenen ungebundenen Blätter mit dem heutigen Göttinger Fragment überein. Es handelt sich um die passendste Beschreibung unter den zum Verkauf stehenden Handschriften. Der erste Käufer hat sie vermutlich in der Zeit zwischen 1871 und dem Datum des weiteren Verkaufs, 1873, binden lassen. — Erwerb: Laut Meyer im Jahr 1873 von einem Antiquar in Bonn gekauft. Es handelte sich um einem Kauf am 20. Februar 1873 beim Antiquariat Matthias Lempertz. Dazu vgl. Bibliotheksarchiv, Manual 1873, S. 39: Bartholomaeus Brixiensis, [Korrektur aus Bernardus] Quaestiones dominicales. Cod. Ms. perg. Saec. XIII. Acc. 4. J. 9910., und ibid. S. 38: Febr. 20. Vom antiquar Lempertz in Bonn gekauft.. Unmittelbar davor wird eine weitere Handschrift verzeichnet, die mit dem heutigen 2° Cod. Ms. Theol. 101i zu identifizieren ist (Göttingen 2, S. 350): Petrus Damianus, Sermones, Tractatus et Epistolae. Cod. Ms. perg. et chart. saec. XIV. Acc. f. Th. 5249. Zu Matthias Lempertz (1821-1886), Brüder vgl. G. Jäger: Geschichte des deutschen Buchhandels im 19. und 20. Jahrhundert. Bd. 1. Das Kaiserreich 1871 - 1918. Teil 3, Berlin 2010, S. 266-268. In Bibliotheksarchiv, Kataloge, 67:4, in der Mappe IX, Jus camerale, unter der Signatur Cod. Ms. Jurid. 139 r [korrigiert in b] In Fol. Decis. befindet sich: Bartholomaeus Brixiensis, Summula quaestionum dominicalium, Cod. Ms. pergam. saec. XIV, 73.4.J. 9910.

Göttingen 1, S. 345f.

Ir Moderne bibliothekarische Anmerkungen zu Text und Edition: Abgedruckt in selectae Questiones juris variae. Colon 1570. Pag. 89-164; Zwischen Blatt 10 und 11 ist kein Defect, wie schon von der Hand des Schreiber selbst bemerkt ist. Geklebter Ausszug aus Meyers Katalog zu der Handschrift. (Iv) Leer bis auf ovalen schwarzen Stempel: EX BIBLIOTHECA REGIA ACAD. GEORGIÆ AUG:

(1ra-1vb und 35ra-35va) Versus de decretalibus. [P]ars prior officii parat ecclesieque ministros … — … quinque resolvunt fugiditas. Unleserliche Spuren einer späteren Inschrift in brauner Tinte auf dem Kopfsteg (durchgeschnitten). Memorialverse zu den Dekretalen Gregors IX. Walther I Nr. 13719, mit Erwähnung dieser Handschrift. Fortsetzung von fol. 1vb auf fol. 35rv, da das Doppelblatt als Umschlag für die vier Lagen der Handschrift benutzt wurde. Die Handschrift besteht aus zwei unterschiedlichen Hauptteilen.

Pars I

Zweispaltig. 53-57 Zeilen. Schriftraum: 23 × 15,5 cm Rubriziert. Paragraphenzeichen in roter Tinte. Eine erhaltene Initiale zu Beginn der Praefatio. 9ra sechs Zeilen hohe Fleuronnée-Initiale A (ohne Berücksichtigung der Ausläufer) in roter und blauer Tinte. Im Binnenfeld Knospenfleuronnée, nach Garben in spiralformigen Kreisen angeordnet. Buchstabenstamm mit Ausparungen in der Gegenfarbe: geometrische und vegetabile Motive (Dreiblatt). Besatzfleuronnée aus Perlenreihen, Knospen und Fäden. Fadenausläufer mit eingerolltem Ende. Vertikale Fleuronnéeleiste, in der Länge des Schriftraums, mit blauem und rotem Besatz: Kordelmuster, Keilform und kopfstempelförmige Silouhettenmotive.

2ra-7rb Bartholomaeus Brixiensis: Quaestiones dominicales et veneriales. (schematische, verkürzte Fassung). Utrum in secundo rescripto teneatur quis facere mentionem de primo annullato … — … dic[as]quod non in nomine … misericordie. ›Incipiunt questiones mag…‹ Diese Rubrik wurde nachträglich auf dem Kopfsteg geschrieben. ›Explicit‹. Diagrammatische Darstellung der Quaestiones, beginnend mit den veneriales. Vgl. Rubrik erst auf fol. 4rb: Incipiunt dominicales questiones magistri B. brixiensis de condicionibus apponitis abbreviate. Gelegentlich Rubriken mit Inhaltsangaben vor den jeweiligen Abschnitten. Jede Spalte in zwei weitere Spalten geteilt, um die Verbindung zwischen Quaestio (rechts) - immer mit Vtrum eingeführt -, und den Argumenten pro und contra (links) durch rote Linien zu ermöglichen. Auf der linken Seite von erster Hand in roter Tinte Zählung der Quaestiones (römische Zahlen). Dazu Paragraphenzeichen. Diese erste Zählung z. T. getilgt. Eine zweite Hand hat eine neue Zählung in brauner Tinte über die jeweiligen Quaestiones (arabische Zahlen) geschrieben. Diese ebenfalls gelegentlich korrigiert. Dieselbe Hand hat auf fol. 34v und 35r auch ein alphabetisches Register hergestellt, mit Verweis auf die jeweiligen Nummern der Quaestiones. Dafür wurden im Voraus die ungeschrieben gebliebenen Stellen (fol. 34vb und Fußsteg von fol. 35r) in drei bzw. zwei Spalten liniiert. Um die Blätter 3-8 ist ein kleiner Pergamentzettel (ca. 4 x 11 cm) mit zeitgenössischen Anmerkungen und Quellenzitaten eingebunden worden. Zum Verfasser und seinen Werk siehe: Schulte, S. 86, ohne Erwähnung dieser Handschrift. HQL 1, S. 379. CALMA 1, Nr. 3, S. 699. M. Bertram: Kanonistische Quästionessammlungen von Bartholomäus Brixiensis bis Johannes Andreae, in: Proceedings of the Seventh International Congress of Medieval Canon Law, hrsg. von P. Linehan, Città del Vaticano 1988 (Monumenta iuris canonici 8), S. 265-281, hier S. 268. (7va-8va) De usufructu religiosorum. Der Titel ist auf dem Fußsteg von fol. 8r geschrieben worden. Frater Thomas de Aquino in summa et in secunda parte secunde partis in quinta que de obedientia … Religiosi obedientiam profitentur quantum ad re … — … sicut ex textu et glossa patet. Quellensammlung zum Thema unter Verwendung von verschiedenen Autoritäten, darunter: Thomas de Aquino: Summae theologiae secunda secundae. Bernardus Claraevallensis: Liber de praecepto et dispensatione. Decretum Gratiani. Godefridus de Trano: Summa super titulis decretalium. Raimundus de Pennaforti: Summa de poenitentia. Ulricus de Argentina: Summa. (8va-b) Nachträgen von zwei Händen. Im letzten Abschnitt Verweis auf Papst Innozenz IV. (9ra-34rb) Bartholomaeus Brixiensis: Quaestiones dominicales et veneriales. Ad honorem omnipotentis Dei et ecclesiae Romanae cui presidet Gregorius IX … Quidam habens uxorem. Verglichen mit Selectae quaestiones iuris variae, vere aureae, cum in scholis ad exercenda ingenia, ac formandum iudicium studiosorum accomodatissime ..., Coloniae 1570, S. 89-138. Auf fol. 10vb nur die ersten fünf Zeilen geschrieben. Text endet in der Mitte von Quaestio dominicalis VII,3: ...inhire non est et XVIII q. II.: Selectae quaestiones iuris variae, S. 93. Eine zeitgenössische Hand hat am rechten Seitensteg die Anmerkung Hic non est defectus eingetragen.

Pars II

Zweispaltig. 52-53 Zeilen. Schriftraum: 23,5 × 16 cm Drei bis fünf Zeilen hohe, alternierende rote und blaue Initialen (Lombarden) zu Beginn der jeweiligen Quaestiones. Wenige Initialen auch in schwarzer Tinte. 14va,, 15va,, 34va: Der Rubrikator hat die Anweisung des Schreibers missverstanden und anstatt einer Initiale M (wie ein kleiner Buchstabe an der Stelle zeigte) in beiden Fällen eine Initiale H gemalt. Dies beweist die Teilung der Aufgaben bei der Herstellung dieses Teils der Handschrift.

11ra-34vb Bartholomaeus Brixiensis: Quaestiones dominicales et veneriales. II abbates et ita per consequens … — … per iura in prima parte allegata. ›Expliciunt quaestiones dominicales venerabilis magistri B[artholomaei] Brixiensis‹. Nachgetragene Zählung der Quaestiones (mit arabischen Zahlen) von gleicher Hand wie im ersten Teil der Handschrift. Pars II der Handschrift, die mit einer neuen Lage anfängt, stellt eine autonome kodikologische Einheit dar, auch wenn sie im selben Milieu und etwa in der gleichen Zeit wie Pars I entstanden ist. Die beiden Teile der Quaestiones ergänzen sich, aber sie sind nicht in einem Durchgang hergestellt worden (siehe Wiederholung der letzten und ersten Wort II). Wahrscheinlich hat man den zu Beginn lückenhaften Teil II mit der Abschrift von dem Beginn des Werkes im Teil I am Ende einer Lage und durch ein zusätzliches Blatt ergänzt. Dies würde auch erklären, warum der Text auf fol. 10v bis zu den ersten Zeilen der zweiten Spalte geschrieben wurde (Anknüpfung mit dem Text im Teil II), während fast die ganze zweite Spalte leer blieb. (26va) Auf dem Fußsteg mit Verweiszeichen auf die Stelle im Text Queritur utrum in secundo … wird notiert: Hic incipit summula brevior de qua mencionem facit supra in prohemio.. Die Stelle stimmt mit dem Beginn der Quaestiones veneriales ein: Vgl. Selectae quaestiones iuris variae..., S. 138. (34vb-35r) Nachtrag. Alphabetisches Verzeichnis von Advocatus bis Venditio, auf frei gebliebene Stellen (von Spalte und Fußsteg) geschrieben. (IIr-v) leer.


Abgekürzt zitierte Literatur

CALMA C.A.L.M.A. Compendium auctorum latinorum medii aevi, hrsg. von M. Lapidge u.a., Bd. 1–, Firenze 1999–
CANTUS CANTUS: A Database for Latin Ecclesiastical Chant. Indices of chants in selected manuscripts and early printed sources of the liturgical Office (http://cantus.uwaterloo.ca//)
Göttingen 1 Die Handschriften in Göttingen, Bd. 1: Universitäts-Bibliothek: Philologie, Literärgeschichte, Philosophie, Jurisprudenz, beschrieben von W. Meyer, Berlin 1893 (Verzeichniss der Handschriften im Preussischen Staate, Abt. 1: Hannover. Bd. 1: Die Handschriften in Göttingen 1)
Göttingen 2 Die Handschriften in Göttingen, Bd. 2: Universitäts-Bibliothek: Geschichte, Karten, Naturwissenschaften, Theologie, Handschriften aus Lüneburg, beschrieben von W. Meyer, Berlin 1893 (Verzeichniss der Handschriften im Preussischen Staate, Abt. 1: Hannover. Bd. 1: Die Handschriften in Göttingen 2)
HQL 1 Handbuch der Quellen und Literatur der neueren europäischen Privatrechtsgeschichte, Bd. 1: Mittelalter (1100–1500): Die gelehrten Rechte und die Gesetzgebung, hrsg. von H. Coing, München 1973 (Veröffentlichung des Max-Planck-Instituts für Europäische Rechtsgeschichte)
Schulte J. F. von Schulte, Die Geschichte der Quellen und Literatur des Canonischen Rechts…, Bd. 1: … von Gratian bis auf Papst Gregor IX. Stuttgart 1875; Bd. 2: … von Papst Gregor IX. bis zum Concil von Trient, Stuttgart 1877
Walther I H. Walther, Initia carminum ac versuum medii aevi posterioris Latinorum, Göttingen 1959 (Carmina medii aevi posterioris Latina 1)

Beschreibung erstellt im Rahmen des Projektes Katalogisierung der abendländischen mittelalterlichen Handschriften der SUB Göttingen Lateinische Handschriften.
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