de :: en
Permalink: PURL

Suche

Anzeigen als: OAI :: XML :: Print

Beschreibung von 8° Cod. Ms. theol. 123
Lukas Wolfinger: In Vorbereitung: Katalog der mittelalterlichen volkssprachigen Handschriften der SUB Göttingen, beschrieben von Lukas Wolfinger.

Geistliche Sammelhandschrift

Papier — 184 Bl. — 14,2-14,6 × 10,4-10,7 cm — (Boppard, Augustiner-Eremiten-Nonnenkloster St. Maria zu Kamp?) — 15. Jh. (2. oder 3. V.)

Papier; Wasserzeichen: Ochsenkopf (WZIS DE3270-theol123_94; ähnlich WZIS DE3270-theol165_224); Ochsenkopf (WZIS DE3270-theol123_161); Ochsenkopf (WZIS DE3270-theol123_158); Ochsenkopf (WZIS DE3270-theol123_139; Motive mit ähnlicher Ausprägung finden sich in den 1440er Jahren); Ochsenkopf (WZIS DE3270-theol123_140); Ochsenkopf (WZIS DE3270-theol123_73);Ochsenkopf (WZIS DE3270-theol123_69); Ochsenkopf (WZIS DE3270-theol123_32); Ochsenkopf (WZIS DE3270-theol123_48); Ochsenkopf (WZIS DE3270-theol123_63); Ochsenkopf (WZIS DE3270-theol123_64); Traube (WZIS DE3270-theol123_172; die ähnlichsten Wasserzeichen stammen aus den 1440er Jahren, wobei die Motivgruppe im Zeitraum 1351-1510 vorkommt, wenn auch mit einem deutlichen Schwerpunkt Mitte des 15. Jhs.); Traube (WZIS DE3270-theol123_105; ähnliches Wasserzeichen oder Variante in der vorliegenden Handschrift: WZIS DE3270-theol123_113); Traube (WZIS DE3270-theol123_113). Die Wasserzeichen sind stark fragmentiert; aufgrund ihrer Lage – nicht im Falz, sondern an den äußeren Rändern der Bl. – lässt häufig nicht sicher bestimmen, ob Wasserzeichen-Teile zusammengehören oder welche zusammengehören; somit kann auch die Zuordnung der einzelnen Wasserzeichen bzw. Wasserzeichen-Teile zu den Motivgruppen nicht als gesichert gelten. Ähnlichkeiten mit bekannten Stücken sind nur in Teil II und III einigermaßen wahrscheinlich zu machen.; der äußerste und/oder innerste Bogen bei mehreren Lagen aus Pergament (Bl. 42, 43, 49, 54, 55, 59, 65, 66, 77, 78, 89, 90, 100, 101, 14, 152, 163). Lagen: 8 VI (95!). V (104a!). IX-6 (116). VI (126b!). V (136). 2 VI (160). II (162b!). VIII (175); in der 10. Lage (Bl. 105-116) sind 6 Bl. herausgeschnitten; auf dem letzten Bl. der Lagen meist Reklamanten oder Reste davon; die Handschrift hat vier Teile (I: Bl. 1-126, II: Bl. 127-148, III: Bl. 149-162e, IV: Bl. 163-175), die von unterschiedlichen Händen geschrieben, aber wohl bereits frühzeitig zu einer Einheit zusammengefügt wurden (s. Einband und Geschichte). Bleistiftfoliierung (modern): 1-175 (dabei sind neun vormals ungezählte, leere Bl. nun mit Unternummern bezeichnet: 55a, 104a, 126a-b, 162a-e); in den ersten beiden Teilen der Handschrift sind in einigen Lagen am unteren Seitenrand mittelalterliche lageninterne Blattzählungen oder Reste davon erhalten (in Teil I in zwei unterschiedlichen Formen: I, II, III, ... sowie a, b, c, ...; in Teil II: a1, a2, a3, ...), vielfach jedoch beim Beschnitt des Buchblocks weggefallen; zu Beginn der einzelnen Handschriftenteile bzw. Textabschnitte am Seitenrand lederne Blattweiser (erhalten – wenigstens teilweise – auf Bl. 127 und Bl. 163; ab- bzw. ausgerissen auf Bl. 105 und wohl auch Bl. 149).

Spätma. Einband einer sonst nicht nachgewiesenen Werkstatt: rotes Leder auf Holzdeckeln (restauriert; Spiegel erneuert); ehemals eine Metallschließe, Reste der Metallbefestigung und des Lederbandes noch vorhanden; Streicheisenlinien und Blindstempel (Blatt - Dreiblatt, ohne Zwischenblätter; EBDB s037742); am Rücken aufgeklebtes Papierschildchen mit der modernen Göttinger Signatur; diese auch am erneuerten VS des restaurierten Einbandes mit Bleistift eingetragen (Cod. Ms. theol. 123).

Herkunft: Zur Herkunft der Handschrift sind bislang keine Nachrichten bekannt, allerdings weist sie Änlichkeiten mit jener Gruppe von Codices der SUB Göttingen auf, die aus dem Augustiner-Eremiten-Nonnenkloster St. Maria zu Kamp bei Boppard stammen (s. zum Bopparder Konvent Monschauer Das Augustiner-Eremiten-Nonnenkloster St. Maria, hier insbesondere S. 112-134 zur Bibliothek); auffällig sind nämlich mehrere Analogien bei der Gestaltung der Initialen und anderer Elemente; Teil I könnte sehr gut sogar von derselben Hand geschrieben sein, die wohl auch in den Göttinger Handschriften 8° Cod. Ms. theol. 165, 8° Cod. Ms. theol. 200 und 8° Cod. Ms. theol. 201 tätig war (s. diesbezüglich bei Teil I); dadurch ergäbe sich zugleich ein Anhaltspunkt für die Datierung der vorliegenden Handschrift, denn der/die betreffende SchreiberIn vollendete am 11. Sept. 1456 einen Text in 8° Cod. Ms. theol. 200. Zudem würde die Handschrift nicht nur aufgrund ihres inhaltlichen Profils zu einem Frauenkonvent bzw. zu den Bopparder Augustiner-Eremitinnen passen, sondern auch aufgrund des Umstandes, dass sie dieselbe(n) Schreibsprache(n) aufweist, die auch für die anderen Bopparder Stücke typisch sind (Ripuarisch, Moselfränkisch). Die Wasserzeichen, die sich mit gewisser Wahrscheinlichkeit identifizieren und genauer einordnen lassen (in Teil II und III vorkommend), scheinen am ehesten aus der Zeit um 1450 zu stammen; insgesamt dürften die verschiedenen Teile des Bandes etwa um diese Zeit entstanden sein. — Ist die Zuordnung nach St. Maria zu Kamp zutreffend, wird die Handschrift gemeinsam mit den anderen dieses Klosters zuerst in den Besitz des Gelehrten Johann Kraft Hiegell und dann über Johann Michael von Loen an die Bibliothek der Universität Göttingen gelangt sein (vgl. dazu die Besitzgeschichte folgender Göttinger Codices: 8° Cod. Ms. theol. 165, 8° Cod. Ms. theol. 200, 8° Cod. Ms. theol. 201, 8° Cod. Ms. theol. 215); zu dieser Annahme passt, dass sich auf 1v der älteste Bibliotheksstempel der Georgia Augusta befindet.

Göttingen 2, S. 363-364. — Hofmann Seuses Werke, S. 135 (Nr. 7). — Handschriftencensus.

I

15. Jh., Mitte

Schriftraum: 9,6-11,3 × 6,5-8 cm, 21-28 Zeilen; schleifenlose Bastarda, vielleicht von derselben Hand, die mehrere Handschriften aus St. Maria zu Kamp bei Boppard teilweise oder zur Gänze schrieb (s. dazu oben); für die Identität der Hand sprechen neben der Gestaltung der einzelnen Buchstaben- und Schriftformen etwa auch das Einfügungszeichen in Form dreier Punkte mit einer Cauda (s. etwa 26v, 32v, 39v), das auch aus den genannten anderen Bopparder Handschriften bekannt ist, sowie die hier gleichfalls wiederkehrende D-Initiale mit stilisierten Wundmalen Christi im Binnenfeld der Initiale (1v, 5r); ebenso die Ähnlichkeit bei der Gestaltung der Verzierungen von Textübergängen (s. etwa 68r, 98r, 100r, 103v, 104r); sonst schlichte Ausstattung: einfache Initialen in Rot, bisweilen auch Grün (so etwa auf 1r, 9r) und Schwarz (78r), manchmal mit Blättern, Blüten oder Ansätzen zu einfachem Fleuronnée geschmückt; rubriziert (allerdings in sehr unterschiedlicher Intensität); Streichungen in Rot, nicht selten auch Nomina sacra bzw. allgemein Namen rot unterstrichen; ein Tintenklecks zu Blüte umgestaltet (125v).

1r-104r Heinrich Seuse: Vita. Eeyn prediger was in dutschem lande van geburde eyn swaffe sin name geschreuen ist in dat buch des leuens der hait begert dat he worde geheissen eyn diener der ewiger wisheit … — … vnd wart dem menschen sin antzlitze da ynne also luter dat sy sich da ynne sagen vnd van desem gesicht wart der mensch in syme liden also wol getroist vnd gefestiget in eyme heilgen leuen. Ed.: Bihlmeyer Heinrich Seuse, S. 7-153 (ebd. S. 10* zur vorliegenden Handschrift; zu dieser auch Hofmann Seuses Werke, S. 135, Nr. 7). Der Text der Vita reicht in der vorliegenden Fassung nur bis zum 44. Kapitel und ist auch sonst deutlich gekürzt. Lit. zum Autor und seinem Werk: 2VL 8, Sp. 1109-1129, hier Sp. 1117-1120; Jahn Art. Seuse, Sp. 180-189, hier Sp. 184-185 zur Vita. (104v-104av) leer.

105r-126v (Ps.-)Beda: De meditatione passionis Christi, dt.He geit an dat boch des heilgen vaders sente Bernhardes ober de contempliren der passien vnseren Jhesus Christus der sieben gezide des dages. Dit is der anfanck‹. Sieben werff han ich dir loff gesait du hais mich gebeden dat ich dir eyn masz vnd eyn wisse zo contempeleiren van der pinen dins godes bewisen wolde na den sieben geziden des dages … — … vnd mit inbrunstiger lieffden vnd innicheit saltu sitzen by dem graue dins heren vnd dins godes der da leuet vnd regeirt nu vnd ewenclichen, AMEN. Wie in der vorliegenden Handschrift wird dieser Text auch sonst mehrfach Bernhard von Clairvaux zugeschrieben; Lit.: 2VL 1, Sp. 660-663, hier Sp. 662, Nr. 8 (ebd. auch zu weiterer Überlieferung) sowie 2VL Bd. 1,Sp. 754-762, hier Sp. 759. (126ar-126bv) leer.

II

15. Jh., Mitte

Schriftraum: 9-9,7 × 6-6,7 cm, 16-18 Zeilen; Bastarda; sehr einfache Ausstattung: teilweise rubriziert (allerdings in sehr unterschiedlicher Intensität); schlichte Initialen in Rot, bisweilen auch Grün (127v, 145v), öfters jedoch nicht ausgeführt.

127r-148v Die zwölf Räte Jesu Christi. Tsint XII raede der heilichen ewangelien die den menschen zo dem ewichen leuen brengen sonder mittel vnd sunder vegefuyr … — … vnd sii zieent zo doit sunden dat is dat boiste; hierum in sal der mensche nit vnachtsam siin cleynre gebrech. Deo gracias. Ed.: Werlin Die zwölf Räte, S. 156-168; Lit.: 2VL , Bd. 10, Sp. 1643-1645; Foidl Die zwölf Räte, Sp. 459-460. (148v) Zusatz von anderer Hand, direkt in der nächsten Zeile auf den vorangehenden Text folgend eingetragen: vnse leue here sprycht och leyff kynt gyff myr dyn hercz want it was myr lychter den bytteren doyt zo sterven dan myr dyns herczen myn zo daruen vnse leue here Jhesus Christus spricht den ich mynnen den kastyen ich

III

15. Jh., Mitte

Schriftraum: 9,8-10,3 bzw. 9,5-10,7 × 7-7,5 bzw. 7-8 cm; 21-24 bzw. 18-21 Zeilen; die zwei Texte bzw. Teile sind von zwei unterschiedlichen Händen in Bastarda geschrieben (in beiden Fällen schleifenlose Bastarda mit unruhigem Schriftbild; die erste etwas breiter und grober, die darauffolgende in zarteren Strichen, schmäler und höher); sehr schlichte Ausstattung: der erste Text nur partiell rubriziert, teilweise simple rote Initialen (mehrfach jedoch nur klein in normaler Tinte vorgeschrieben und nicht ausgeführt oder überhaupt fehlend); im zweiten Text fehlen Rubrizierung und Initialen oder Lombarden gänzlich (selbst die einzige Initiale, die zu Beginn des Textes geplant war – erkennbar an der Lücke zu Beginn auf 155r – ist nicht ausgeführt).

149r-155r In dem hilgen auent essen da du vil leuer here Jhesus Christus dynen jungeren hattes gewesschen ir fusse do houes du vff dine heilge ougen in den hemel vnd spereches … — … zo troist zo eyner aue weschunge des ewigen dodes so musz vns dyn luter doit zo staden stayn vnd zo hulffen vnd zo troist comen an vnsem lesten end, Amen. Darunter in kleinerer Schrift noch hinzugefügt: Och I Aue Maria vor eynen armen sunder durch got; der Text ist zumindest überliefert in Berlin, Staatsbibliothek zu Berlin – Preußischer Kulturbesitz, Ms. germ. oct. 253, fol. 300r ff. (vgl. Degering 3, S. 86); Greifswald, Universitätsbibliothek Greifswald, nd. Hs. 4, fol. 264r-274r (vgl. Deutsch Die Handschriften, S. 13-14); Darmstadt, Hessische Landes- und Hochschulbibliothek, Hs 1923, fol. 54v ff. (hier unter der Rubrik/dem Titel 'Van deme ynwendigen liden uns lieuen here Ihu Xre'; vgl. Darmstadt 1, S. 231); zudem vielleicht überliefert in Berlin, Staatsbibliothek zu Berlin - Preußischer Kulturbesitz, Ms. germ. oct. 323, fol. 1r ff. (vgl. Degering 3, S. 100-101).

155r-162v Predigt. [A] dolescens tibi dico surge [Lc 7,14]; Luce, in dem VII capittel. De over gaynde kunst syner mynnen van der sanctus Paulus spricht in deser intgegenwordiger Epistelen de hait vnse lieue here Jhesus Christus bewist an desem jungelynge … — … dese dynck synt geware vrkunde gesicherdes grundes vnd keyn vnsicher grunt in mach dese dynck geleisten, jungelynck dir sayn ich stant vff, ere is gode vnd den synen ewenclich, Amen. Deo gracias. (162ar-162ev) leer.

IV

15. Jh., Mitte

Schriftraum: 9,8-10,3 × 7-7,5 cm, 20-23 Zeilen; Bastarda (deutlich kursiver als die Schriften der vorangehenden Handschriftenteile); keine besondere Ausstattung, nicht rubriziert; nur zu Beginn des Textes eine I-Initiale mit (wohl nachträglich eingefügtem) grobem rotem Rankenwerk (163r; hier auch ein paar Buchstaben rot angemalt sowie eine grobe Streichung im Text mit schwarzer Tinte).

163r-167v Beichte. In dem namen des vaders vnd des sons vnd des heilgen geistes Amen; ich komen hude zo lucht gode dem almechtigen vnd der junffrauwen Marien vnd allen gotz heilgen vnd uch preister in gotz stat vnd ich geuen mich schuldich dat ich dick vnd manichueldenclichen gesundigit hain van mynen kyntlichen dagen an vader vnd an moder … — … mit desem gelouben geben ich mich schuldich alle der sunden de der almechtige got an mir erkennet de synt doitlich oder degelich heymelich oder offenbair de sy mir alle leit vnd biden genade. (168r-175v) leer, abgesehen von Federproben auf 175v.


Abgekürzt zitierte Literatur

Darmstadt 1 Deutsche und niederländische Gebetbuchhandschriften der Hessischen Landes- und Hochschulbibliothek Darmstadt, beschrieben von G. Achten und H. Knaus, Wiesbaden 1959 (Die Handschriften der Hessischen Landes- und Hochschulbibliothek Darmstadt 1)
Degering 3 Kurzes Verzeichnis der germanischen Handschriften der Preussischen Staatsbibliothek, Bd. 3: Die Handschriften in Oktavformat, bearbeitet von H. Degering, Leipzig 19232(Mitteilungen aus der Preußischen Staatsbibliothek 9)
EBDB Einbanddatenbank (http://www.hist-einband.de/, besonders die Sammlung Wolfenbüttel)
Göttingen 2 Die Handschriften in Göttingen, Bd. 2: Universitäts-Bibliothek: Geschichte, Karten, Naturwissenschaften, Theologie, Handschriften aus Lüneburg, beschrieben von W. Meyer, Berlin 1893 (Verzeichniss der Handschriften im Preussischen Staate, Abt. 1: Hannover. Bd. 1: Die Handschriften in Göttingen 2)
Handschriftencensus Handschriftencensus. Eine Bestandsaufnahme der handschriftlichen Überlieferung deutschsprachiger Texte des Mittelalters. Online-Datenbank: https://handschriftencensus.de/
2VL Die deutsche Literatur des Mittelalters. Verfasserlexikon, Bd. 1–12, hrsg. von K. Ruh u. a., 2., völlig neu bearbeitete Aufl., Berlin, New York 1978–2005, Ergänzungsbde.: Deutscher Humanismus 1480–1520. Verfasserlexikon, Bd. 1–3, hrsg. von F. J. Worstbrock, Berlin, New York 2005–2015
WZIS Wasserzeichen-Informationssystem. Landesarchiv Baden-Württemberg, Hauptstaatsarchiv Stuttgart (http://www.wasserzeichen-online.de/wzis/index.php)

Beschreibung erstellt im Rahmen des Projektes Katalogisierung der abendländischen mittelalterlichen Handschriften der SUB Göttingen Volkssprachige Handschriften.
Dieses Dokument steht unter einer Creative Commons Namensnennung-Weitergabe unter gleichen Bedingungen 3.0 Deutschland Lizenz (CC BY-SA). Für die Nutzung weiterer Daten wie Digitalisaten gelten gegebenenfalls andere Lizenzen. Vgl. die Copyright Information der Herzog August Bibliothek Wolfenbüttel.