Lukas Wolfinger: In Vorbereitung: Katalog der mittelalterlichen volkssprachigen Handschriften der SUB Göttingen, beschrieben von Lukas Wolfinger. (Vorläufige Beschreibung)

Göttingen, Staats- und Universitätsbibliothek, 8° Cod. Ms. theol. 201

Geistliche Sammelhandschrift

Papier — I, 250, I Bl. — 20-20,3 × 13,9-14,2 cm — Boppard (Augustiner-Eremiten-Nonnenkloster St. Maria zu Kamp) — 15. Jh., wohl 3. V.

Wasserzeichen: Dreiberg (WZIS DE3270-theol201_4; ähnlich: WZIS DE0960-Inc2120a_999 - vor 1475/nicht nach 1476, Straßburg); Dreiberg (WZIS DE3270-theol201_90); Dreiberg (WZIS DE3270-theol201_232; ähnliche Wasserzeichen für die Jahre 1470-1475 belegt); Ochsenkopf (WZIS DE3270-theol201_48); Ochsenkopf (WZIS DE3270-theol201_43); Ochsenkopf (WZIS DE3270-theol201_44); Ochsenkopf (WZIS DE3270-theol201_110); Ochsenkopf (WZIS DE3270-theol201_182); Ochsenkopf (WZIS DE3270-theol201_194); Ochsenkopf (WZIS DE3270-theol201_189); Ochsenkopf (WZIS DE3270-theol201_184); Ochsenkopf (WZIS DE3270-theol201_191); Ochsenkopf (WZIS DE3270-theol201_196); Ochsenkopf (WZIS DE3270-theol201_203; ähnlich WZIS DE1335-PO-72502 - 1474, Braunschweig); Ochsenkopf (WZIS DE3270-theol201_222; ähnlich WZIS DE3285_PO_72507 - 1475/76, Göttingen); Traube (WZIS DE3270-theol201_177; wohl eine Variante von WZIS DE3270-theol200_240); Traube (WZIS DE3270-theol201_71); Traube (WZIS DE3270-theol201_73; ähnlich WZIS DE3270-theol200_242); Traube (WZIS DE3270-theol201_94); 'P' (WZIS DE3270-theol201_109). Lagen: Außer einem modernen Vorsatzbl. und Nachsatzbl. setzt sich die Handschrift zusammen aus: II+1 (5). 4 VI (53). 4 (57). V (67). 3 VI (103). 3 V (133). IV+2 (143). 3 V (133). 3 (176). VI (188). VI+1 (200a). 4 V (240). V-1 (249); das alte Vorsatzbl. ist als Bl. 1 in die Foliierung einbezogen; bei Bl. 54-57 sowie Bl. 174-176 ist keine Lagenstruktur erkennbar, wenigstens aktuell scheinen sie als Einzelbl. eingebunden zu sein; an die 20. Lage bzw. nach Bl. 200 ist ein kleines Bl. angeklebt oder nachgebunden, das bei der Foliierung als 200a gezählt wurde; am Ende der letzten Lage ein leeres Bl. ausgeschnitten; auf letztem Bl. der Lagen zumindest in Teil III bisweilen noch Reklamanten oder Reste davon; im Falz der einzelnen Lagen ursprünglich regelmäßig Pergamentstreifen zur Verstärkung, davon sind jedoch nur mehr die unbeschriebenen Stücke im Kodex; die übrigen wurden ausgelöst und liegen nun in der Fragmentesammlung der SUB (s. unter Fragmente); die Handschrift hat vier Teile, die wohl von unterschiedlichen Händen geschrieben sind (I: Bl. 2-5, II: Bl. 6-57, III: Bl. 58-200, IV: Bl. 201-249), aber frühzeitig zu einer Einheit zusammengefügt wurden (s. unter Einband und Herkunft). Bleistiftfoliierung, modern: 1-249; in Teil III teilweise noch lageninterne Blattzählung erhalten (mittelalterlich; am unteren Seitenrand mittig oder links, in der Form I, II, III...), zumeist jedoch beim Beschnitt des Buchblocks weggefallen.

Spätmittelalterlicher Einband aus einer im 15. Jh. tätigen Werkstatt, die bei Schunke/Rabenau, S. 131 als Werkstatt der Kartause in Koblenz bezeichnet wird - allerdings ohne Angabe von weiteren Quellenbelegen für diese These (als einziges Exemplar, das aus dieser Werkstatt stammen soll, wird eben die vorliegende Göttinger Handschrift angegeben; vgl. dazu auch EBDB w007127); braunes Leder auf Holzdeckeln (restauriert; alte Einbanddecke auf neues Leder aufgezogen); ehemals eine Metallschließe; Streicheisenlinien und Blindstempel (1.: Löwe - stehend, vgl. EBDB s035936; 2.: Heilige - Barbara, vgl. EBDB s035933; 3.: Heilige - Katharina, vgl. EBDB s035934; 4.: Heilige - Mauritius, vgl. EBDB s035935; 5.: Lilie - Mittelblatt rhombisch - unterer Abschluss nicht oder nicht eindeutig lilienförmig, vgl. EBDB s035939; 6.: Maria - Madonna mit Kind - Mondsichelmadonna im Strahlenkranz, vgl. EBDB s035937; 7.: Maria - Verkündigung, vgl. EBDB s035938; 8.: Rosette, vgl. EBDB s035941; 9.: Rosette - mit einem Blattkranz - sechsblättrig - Blätter spitzoval, vgl. EBDB s035940; nicht zutreffend ist demnach die Angabe bei Koblenz 1, S. 431, dass der Einband Blindstempel mit einem 'rund umrandeten Pelikan' sowie einem 'Drachen, rechteckig umrandet' aufweise und damit dieselben Stempel wie folgende Handschriften: Landeshauptarchiv Koblenz, Best. 701 Nr. 179 und Landeshauptarchiv Koblenz, Best. 701 Nr. 209; die ebd. geäußerte Vermutung, der Einband sei der Mainzer Werkstatt des sogenannten 'Karmeliter-Meisters' zuzuweisen, ist damit wohl hinfällig); mittig am oberen Rand des Vorderdeckels zwei gekreuzte, schürhaken- oder dreschflegelförmige Einprägungen mit einem gleichfalls eingeprägten Ring darunter, die als Besitzzeichen zu deuten sein könnten; links daneben mit Tinte geschrieben der Name Jacobus (Vorbesitzer?); am Rücken aufgeklebtes Papierschildchen mit der modernen Göttinger Signatur; am neuen VS des restaurierten Einbandes eingeklebt das Exlibris des gelehrten Vorbesitzers und Büchersammlers, Schriftstellers und Staatsmannes Johann Michael von Loen (EX BIBLIOTHECA IOHANN. MICHAELIS A LOEN); darüber mit Bleistift eingetragen die moderne Signatur Cod. Ms. theol. 201.

Elf aus der Handschrift ausgelöste Fragmente: I-III waren Teil einer Papsturkunde, Maße: I: ca. 19,2-20 x 15,9-16,4 cm; II: ca. 20,3-20-6 x 10,5-11 cm. (in jüngerer Zeit zusammengeklebt aus sieben zusammengehörigen Einzelstreifen); III: ca. 19,2-19,8 x 15,3-15-7 cm; Pergament, einseitig beschrieben; kuriale Urkundenkursive (3. Jahrzehnt d. 15. Jhs.). Inhalt: Papst Martin V. (1417–1431) trifft Bestimmungen zugunsten des Laurenz von Ense/Laurentius de Entzen, Rektors der Pfarrkirche in Wisskirchen (Diöz. Köln), in der Angelegenheit einer Pfründe im Kloster Münstereifel, die durch den Tod des vorherigen Inhabers, Heinrich von Duren, frei geworden war (der Rechtsstreit des L. von Ense um besagte Pfründe spielte sich in den 1420er-Jahren ab; vgl. dazu die entsprechenden Einträge im Rep. Germ. IV, Nr. 10099, hier speziell jenen zum 13. März 1424). Die drei Stücke liegen in der Fragmentesammlung der SUB (Sign.: Fragm. Ms. 01871; Fragm. Ms. 01872, Fragm. Ms. 01873; darauf sind auch eingetragen die alten Göttinger Erschließungs-Nrn. 332 und 488). Die Fragmente IV-XI gehören gleichfalls zusammen und enthalten eine Passage aus den 'Flores grammaticae' des Ludolphus de Luco (mit Glossen); die schmalen Streifen aus Pergament (jeweils ca. 19,5-20 x 1,1-1,6 cm) wurden bei der Bindung der Handschrift wohl zur Falzverstärkung genutzt; sie liegen nun, aneinander geheftet, in der Fragmentesammlung der SUB (Sign.: Fragm. Ms. 00362; darauf eingetragen ist auch noch die alte Göttinger Erschließungs-Nr. 488); Haupttext in Textualis geschrieben, die Glossen in älterer gotischer Kursive (wohl Mitte 14. Jh.); die Versalien am Versbeginn teilweise rubriziert. Der Text der Flores grammaticae setzt auf der einen Seite ein mit Vers Nr. 384 bzw. Si personale uerbum datur hoc generare und bricht auf der anderen offenbar ab mit Vers Nr. 437 bzw. den Worten Argumentantes est ponendum raciones ; vgl. dazu die Edition bei Scheuer Ludolf de Luco, hier S. 311-312. Die Fragmente sind - wenigstens zum Teil - bereits bei Göttingen 2, S. 426 erwähnt (nicht zutreffend ist die dortige Aussage W. Meyers, die Papsturkunde, von der die Fragmente I-III stammen, beziehe sich auf die Kirche St. Andreas in Köln).

Herkunft: Der Codex stammt, wie der von W. Meyer (vgl. Göttingen 2, S. 425-426) nicht erwähnte Besitzvermerk auf 1r zeigt, aus dem Augustiner-Eremiten-Nonnenkloster St. Maria zu Kamp bei Boppard (zu diesem Kloster s. speziell Monschauer Das Augustiner-Eremiten-Nonnenkloster St. Maria, hier insbesondere S. 112-134 zur Bibliothek). Der Schreiber/die Schreiberin von Teil III (s. dazu die Beschreibung desselben) hat offenbar weitere Texte für diesen Konvent geschrieben, die allem Anschein nach in Boppard gebunden wurden. Deshalb dürfte die vorliegende Handschrift gleichfalls in St. Maria zu Kamp geschrieben sein, obwohl sie vermutlich andernorts gebunden wurde (s. unter Einband); einen Terminus post quem der Entstehung (wenigstens von Teil III) bildet das Jahr 1438, in dem der Brief des Silvester von Rebdorf verfasst wurde; ein weiterer Anhaltspunkt für die Datierung ergibt sich durch den Schreiber/die Schreiberin der Handschrift, der/die wohl identisch ist mit jener Person, die am 11. Sept. 1456 einen Text der Göttinger Handschrift 8° Cod. Ms. theol. 200 vollendet hat. Die Wasserzeichen der Handschrift sind vielfach stark fragmentiert und deshalb zumeist nicht genauer zu identifizieren, die ähnlichsten Vergleichsbeispiele stammen jedoch aus den 1470er-Jahren. Am plausibelsten erscheint deshalb eine Entstehung der unterschiedlichen Teile im dritten Viertel des 15. Jahrhunderts. — Ob der auf der Außenseite des Vorderdeckels mit Tinte geschriebene Name Jacobus als Hinweis auf einen Schreiber, Vorbesitzer oder Nutzer der Handscrhift zu verstehen ist, ist unklar. Im 16. Jh. war der Kodex vermutlich im Besitz der Bopparder Schleierschwester Maria Hilchen von Lorch; vgl. dazu den Eintrag Maria Heilgen von Lorich auf 249r bzw. Monschauer Das Augustiner-Eremiten-Nonnenkloster St. Maria, S. 124 mit Anm. 456 und S. 150. Um 1700 erwarb der Arzt und gelehrte Sammler Johann Kraft Hiegell, der zuerst in Mainz und dann als kurtrierischer Leibarzt in Koblenz tätig war und neben zahlreichen anderen Sammlungen auch eine umfangreiche Bibliothek besaß, diese Handschrift und andere vom Bopparder Konvent (vgl. den entsprechenden Eintrag auf 1r; zur Person J. K. Hiegells s. etwa Jöcher Allgemeines Gelehrten Lexicon, Ergbd. 2, Sp. 1998); vgl. dazu Garbe Sprachliche und dialektgeographische Untersuchungen, S. 22 ff.; im Jahr 1724 kaufte dann Johann Michael von Loen (geb. 1694, gest. am 24. Juli 1776; zu ihm s. etwa Elschenbroich Loën, Johann Michael von, S. 47-49) die Handschrift und mehrere andere des Bopparder Konvents von J. K. Hiegell (vgl. den entsprechenden Eintrag auf 1r sowie das Exlibris am VS) — Aus seinem Besitz dürfte(n) die Handschrift(en) dann an die Universität Göttingen gelangt sein - wann genau, ist bislang unbekannt, doch findet sich auf 1v der älteste Bibliotheksstempel der Georgia Augusta (die Handschrift ist offenbar nicht enthalten im Katalog der Auktion, auf der nach J. M. von Loens Tod dessen Bibliothek verkauft wurde; vgl. den Catalogus Librorum Omni Scientiarum Genere Praestantissimorum Nec Non Thesauri Librorum Antiquissimorum Et Rarissimorum Quos Magna Cura Industriaque Collegit Dum Vixerat ... D. Johannes Michael a Loen Potentissimi Boruss. Regis A Consiliis Secretioribus ... Nunc Publica Auctionis Lege Vendendorum Francofurti Ad Moenum ... , Frankfurt a. M. 1777).

Göttingen 2, S. 425-426 — Monschauer Das Augustiner-Eremiten-Nonnenkloster St. Maria, S. 124-126. — Handschriftencensus.

1r–1v Besitzvermerke und Inhaltsangabe: auf 1r spätmittelalterlicher Besitzvermerk Camp in die cluse; darüber der Eintrag Ex musaeo Hiegeliano ML. 1724; zudem die Wert- bzw. Preisangabe Estimat(um) 3 R. f.; darunter alte Inhaltsangaben zur Handschrift: Leben der Heiligen Frawen und wittibin Brigitten; von späterer Hand in je eigener Zeile hinzugefügt: it(em) Auslegung der 12 Artikel des Christl. Glaubens; Auslegung der X Gebotten Gottes; 65 Artickel von der Paßion unsers Jes. C.; der Schwestern Geistliche Apotheca darinn mancherley heilsam Craut in ist; dem Bl. vorangeklebt sind zudem ein Bl. mit dem Bearbeitungs-Formular der Preuß. Akademie der Wissenschaften in Berlin (Bearbeiter: Dr. L. Pfannmüller; Febr. 1912) sowie der Nutzerbogen und ein Bl. mit dem Katalogisat W. Meyers; auf 1v Besitzstempel der Göttinger Universitätsbibliothek.

I

15. Jh., wohl 3. V.

Schriftraum: 16-16,5 × 10-10,5 cm, 27-29 Zeilen; Bastarda mit stärker kursiven Elementen; schlichte Ausstattung: durchgehend rubriziert; zu Beginn der beiden Texte jeweils eine einfache Lombarde in Rot.

Herkunft: Der Schreibsprache nach zu schließen von einer Person geschrieben, die unterschiedliche sprachliche Einflüsse aufgenommen hatte (Rheinhessisch, Frankfurterisch, Nordbairisch, Hennebergisch). Da die Handschrift aus St. Maria zu Kamp in Boppard stammt, liegt die Annahme nahe, dass dieser Teil von einem Konventsmitglied stammt, das aus dem nordbairisch-hennebergischen Sprachraum kam, dann aber in den rheinfränkischen bzw. rheinhessisch-moselfränkischen Raum gelangt war.

2r-3v 'Kurze Legende' der hl. Birgitta von Schweden. ›Hie hebet sich an das leben der heilgen frauwen vnd widwyn Birgitten.Sancta Birgitta ist geboren von dem konigklichem stam vom gotlant vnd ist gewest eyn eliche frauwe her vlfon von vlfason … — … vnd als der almechtige got grose wonder mit ir lebendich hait vollenbracht also dut er nach degelich nach irme dode an manchen enden in mancherhande wonderwercken vnd zeichen etc. Zu diesem Text vgl. Montag Das Werk der heiligen Birgitta, hier speziell S. 39-40 sowie Montag Birgitta von Schweden, hier Sp. 869.

3v-4v Gebet zur Hl. Brigitta. ›Eyn gebet von sant Birgitten.Gegruset sis du wirdige heilge muder sancta Birgitta eyn behegeliche brut der heilgen driualdigkeit, Neyge din oytmudichkeit zu mynen ynnygen gebede … — … das din liebe brudegam Jhesus Christus wirt an sinem lesten gericht sprechen kommet ir gebenediten in das ewige rich myns hiemelschen vaders, das vns das allen geschie, des helff vns got vader got der son vnd got der heilge geist. Amen. Dieser Text ist in wenigstens noch einer weiteren Handschrift erhalten (Uppsala, Universitätsbibliothek, Kodex C 496, fol. 63r-64v; vgl. Uppsala, Bd. 5, S. 233-241, hier S. 238), einem niederdeutschen Gebetbuch, das gleichfalls aus einem Nonnenkloster stammen dürfte (vgl. ebd.). (5r-v) leer.

II

15. Jh., wohl 3. V.

Schriftraum: 16,3-7 × 10-10,5 cm, 30-35 Zeilen; Bastarda; nur sehr einfache Ausstattung: erster Teil rubriziert (bis 12r), nomina sacra, Namen von Heiligen sowie teilw. allgemein Personennamen rot unterstrichen; zu Beginn des Textes eine einfache Lombarde in Rot; bei Versalien teilweise Cadellen-artige Elemente (speziell in oberster Zeile oder zu Beginn von Absätzen).

Herkunft: Der Schreibsprache nach zu schließen von jemandem geschrieben unterschiedliche sprachliche Einflüsse aufgenommen hatte (Nordhessisch, Südhessisch, Moselfränkisch). Da die Handschrift aus St. Maria zu Kamp in Boppard stammt, liegt die Annahme nahe, dass dieser Teil von einer Nonne stammt, die aus dem nordhessischen Sprachraum kam, dann aber in den moselfränkischen - eben nach Boppard - gelangt war.

6r-57r Credo- und Zehn-Gebote Auslegung , nach lat. Vorlagen. Dye wile isz also ist, alsz vns schrijffet der apostel Pauwelsz zu den hebreyszen kynden in dem XI. cappittel dat it vnmogellich ist daz yemant behegellich moge werden gode ain den glauffen vnd die wile der glauffe doit ist ain die wercke … — … Leyder sii haynt gelogen vnd legent want sii flehent alle von dem herren dorch ir vngeystliche sontliche wercke weder ir eygenen wort vnd geloyffde vnd layszent den leyffen Iehsum. Zu dem Werk s. 2VL 10, Sp. 1492, Nr. 9. Auf 13v und 14v Korrekturen, die auf eine eigenständige Bearbeitung des Textes bzw. der Übersetzung hindeuten; der Text bricht mit dem 8. Gebot ab, doch da 57v leer ist, liegt kein Text- bzw. Blattverlust vor. (57v) leer.

III

15. Jh., wohl 3. V.

Zweispaltig; Schriftraum: 14,7-16,2 × 10-10,5 cm, 23-37 Zeilen; Bastarda, nur als Auszeichnungsschrift - speziell für Überschriften bzw. Rubriken - auch Textualis; der erste Abschnitt (58ra-61va) wohl abwechselnd von (zumindest) zwei Händen geschrieben, der Rest wohl (62r-176v) von der zweiten vollendet (s. dazu auch zur Herkunft dieses Teils der Handschrift). Bei Letzterer handelt es sich vermutlich um dieselbe Hand, die auch die Göttinger Handschrift 8° Cod. Ms. theol. 165 sowie fol. 1r-355v im Codex 8° Cod. Ms. theol. 200 der SUB Göttingen geschrieben haben dürfte. Dafür sprechen neben analog gestalteten Buchstabenformen (etwa bei 'a' und 'z') auch verschiedene bei den Initialen verwendete Gestaltungselemente; ebenso die bewohnte Initiale auf 153v, zu der sich in 8° Cod. Ms. theol. 200 Parallelen auf 20r, 143v, 169r finden; zudem ist hier auch das in den besagten beiden Handschriften verwendete Einfügungszeichen (drei Punkte in Dreiecksform mit einer Cauda) mehrfach vorhanden, so etwa auf 66r, 68r, 103r; regelmäßig geschrieben, allerdings zahlreiche Korrekturen (wohl vielfach noch von derselben Hand wie der Großteil des Haupttextes in diesem Teil der Handschrift). Einfache, aber sorgfältige Ausstattung: durchgehend rubriziert; Streichungen, nomina sacra, Namen von Heiligen sowie allgemein Personennamen teilw. in Rot oder rot unterstrichen; am Anfang der einzelnen Kapitel einfache Zierinitialen in Rot (nur an drei Stellen auch in Blau: 126r, 135r, 143v), teilweise mit Binnenornamentik oder floralem Schmuck bzw. Ansätzen zu einfachem Fleuronnée; Oberlängen in oberster Zeile bisweilen mit blümchenartigen Aufsätzen geschmückt (so auf 186v, 192v); zudem auf 153v eine sehr einfache bewohnte Initiale.

Herkunft: Wie bereits der paläographische Befund nahelegt, von (zumindest) zwei Händen geschrieben. Bei der ersten sind unterschiedliche sprachliche Einflüsse erkennbar (Nordhessisch, Südhessisch, Moselfränkisch). So wie beim vorangehenden Teil II der Handschrift wäre auch in diesem Fall zu vermuten, dass diese Schreiberin eine Nonne war, die - aus dem nordhessischen Sprachraum stammend - nach Boppard kam. Die/der zweite Schreiber/in hingegen scheint aus dem ripuarisch-moselfränkischen Raum gekommen zu sein.

58r-176v Jordan von Quedlinburg: Meditationes de passione Christi, dt. Übersetzung. ›Hie begynnen die LXV artikelen van der passien vns heren Jhesu Cristi vnd begynnet alsus Inspice et cetera.Inspice et fac secundum exempelar quod tibi monstratum est in monte Exodi capitulo vicesimo quarto. Sich jnwerts vnd doy na na dem exemplar dat dir vff de berge bewyst is Christus is in der heilger schrfft eyn berg geheissen vmb der hoeheit syner ouer wirdiger vollenkomenheit vnd nu vff diese zijt alre meist vmb dat he an dem crucze erhaben was … — … vnd in der ewicheit sunder ende syner glorien zo gebruchen, dat moisse vns verlenen der vader vnd der son vnd der heilge geist. Amen. He endent de LXV nutze artickel van der passien vns heren Jehsu Christi de sere nutze gelesen vnd ouer dacht sint etc.; auf 125v ein interessanter Eintrag bzw. Nachtrag zum Text (dese halsslege wol mit recht eynen sunderlicken artickel machent sins lydens der vmb veil reden willen vnder scheyden is van den eirsten mer de selue lerrunge de man vsz den artickelen zeyn mach de selue mach man ouch in disem mircken); zu dem Werk und seinem Autor s. Malm Art. Jordan von Quedlinburg, Sp. 127-131; Zumkeller Jordan von Quedlinburg, Sp. 857-858; Kemper Die Kreuzigung Christi, S. 141-142.

177r-183r Predigt zu Io 4,8 ff. (darüber von späterer Hand eingefügt: der ersten sondag ihn der fasten). Du salt an beden eynen got vnd salt eme alleyn dienen [Lc 4,8]; was nu anbeden sy dat hait ir dicke gehort vnd wir fynden in dem ewangelio Johannes etc. Der here sprach zo dem hiedenschen frougin gyp mir zo dryncken vnd dz fraugin sprach [Io 4,7] … — … Vnd der here antwert eme laisz dir genoich sin mit mynre genaden. Got ist in dem hemel er moisz rutter hauen de eme striden gen sin viende dat ist der bose geist der ist sin wedersache der fechtet vns an.

183r-184r Exempel. ›Exempel‹. Als man des lieset eyn exempel in der altfeder boch dat eynre von Thebene bekert wart vnd er sulde slaffen in eynre nacht in eyme tempel der aptgode vnd er sach de bossen geist zo samen komen … — … Dat wir nu got alleyn meynen vnd mynnen vnd vns vor des bossen geistes truginisz bewaren dz verlige vns allen der vader vnd der sun vnd der heilgen geist. Amen.

184r-194v Predigt zum Advent. ›Eyn sermon van dem advent‹. Dese wort sprach vnser lieber here zo her moses dem propheten itzunt vnd nu komen ich zo dir in eyme vynsteren wolcken vnd gaff in diesen worten gaff seluer der here moesi zo verstayn sine zo kunft … — … dat du neit in salt wissen we dir gescheit sy vnd salt nuwe genade van gode in dich intfangen dat wir diz alle geleren vnd vns vor bosser conciencien gehuden des helffe vns got allen, amen.

194v-198v Silvester von Rebdorf: Brief an die Nonnen von Pulgarn. ›Eygenschaft‹. Esz ist zo wissen dat alle geistliche orden als vil as irer sint in der heilger cristenheit we de genant sint vnd wer sy gefunden habe is si Basilius Augustynus Franciscus Bernardus so sint si doch gebuwet vnd gestiftet … — … in worten vnd in wercken na dem willen des almechtigen gotz son Jhesus Christi dem ir uch vermalit hait zo eyme ewigen brudigum dat ir vmmer vnd ewenclichen by eme uch fruowet. Zu diesem wohl 1438 entstandenen Werk und seinem Autor vgl. Jahn Art. Silvester von Rebdorf, Sp. 1042; Haage - Stöllinger-Löser Art. Privatbesitz, Sp. 847-848, Nr. V und Schneider Art. Silvester von Rebdorf, Sp. 1249-1250.

198v-200ar ›Eyn gude lere‹. Umb dat de geistlichen kynder na sent Bernhardus worten etwen betwenget werden mit ouerflussiger vorten so dz sy beduncket we sy ney recht gebicht haben … — … als oue ir also vollenkomen weret dat ir alle dage dru male in den dritten hemel mit sent paulus gezogen wordet he mit befelen ich uch alle dem mylden gode in syne genade ewenclichen. Amen.

IV

15. Jh., wohl 3. V.

Schriftraum: 14-17 × 10-11,5 cm, 25-33 Zeilen; schlichte Bastarda, relativ großzügig geschrieben; einfache aber ordentliche Ausstattung: durchgehend rubriziert, Überschriften, Namen von Heiligen bzw. genannte Personen rot unterstrichen, zudem sehr schlichte Zierinitialen oder Lombarden in Rot - in ähnlichen Formen wie in Teil III.

Herkunft: Der Schreibsprache nach zu schließen, dürfte die Schreiberin (oder der Schreiber) gleichfalls aus dem ripuarisch-moselfränkischen Raum gekommen sein.

201r-248r Apotheke der Schwestern. ›He begynnet der susteren geistliche apteke da mencherley heilsam krut inne is‹. Susteren alle sementlich gemynte in Christo der almechtge got willende vns deilhefftich machen vmb syner grundeloser gudertorenheit den anderen; syne gutheit schoiff eyne redeliche creature den menschen de da dat ouerste gut verstaynde … — … So moisz vns der selue here gunnen dat wir vns her na mails seyn mois mit frouden in dem ewigen leuen des gunne vch vnd mir der vader vnd der son vnd der hilge geist, amen. Zur Apotheke der Schwestern s. insbesondere Borries Schwesternspiegel, S. 429-434 (hier auch mit Abdruck längerer Textpassagen); Foidl Art. Apotheke der Schwestern, Sp. 1405-1406; Stammler – Illing Art. Die Apotheke der Schwestern I-II. (248v-249v) leer, jedoch Eintrag Maria Heilgen von Lorich m . h . Ist . z . p . d . a . auf 249r.


Abgekürzt zitierte Literatur

EBDB Einbanddatenbank (http://www.hist-einband.de/, besonders die Sammlung Wolfenbüttel)
Göttingen 2 Die Handschriften in Göttingen, Bd. 2: Universitäts-Bibliothek: Geschichte, Karten, Naturwissenschaften, Theologie, Handschriften aus Lüneburg, beschrieben von W. Meyer, Berlin 1893 (Verzeichniss der Handschriften im Preussischen Staate, Abt. 1: Hannover. Bd. 1: Die Handschriften in Göttingen 2)
Handschriftencensus Handschriftencensus. Eine Bestandsaufnahme der handschriftlichen Überlieferung deutschsprachiger Texte des Mittelalters. Online-Datenbank: https://handschriftencensus.de/
Koblenz 1 Die nichtarchivischen Handschriften der Signaturengruppe Best. 701 Nr. 1–190, ergänzt durch die im Görres-Gymnasium Koblenz aufbewahrten Handschriften A, B und C, bearbeitet von C. Meckelnborg, Wiesbaden 1998 (Mittelalterliche Handschriften im Landeshauptarchiv Koblenz 1)
Rep. Germ. Repertorium Germanicum. Verzeichnis der in den päpstlichen Registern … vorkommenden Personen, Kirchen und Orte des Deutschen Reiches …, Bd. 1–, Berlin 1916–
Scheuer Ludolf de Luco H. J. Scheuer, Ludolf de Luco, 'Flores grammaticae'. Text und Übersetzung, in: Schulliteratur im späten Mittelalter, hrsg. von K. Grubmüller, München 2000 (Münstersche Mittelalter-Schriften 69), 303–350
Uppsala Mittelalterliche Handschriften der Universitätsbibliothek Uppsala: Katalog über die C-Sammlung, Bd. 1–8, beschrieben von M. Andersson-Schmitt und M. Hedlund, Stockholm 1988–1995 (Acta Bibliothecae R. Universitatis Upsaliensis 26,1–8)
2VL Die deutsche Literatur des Mittelalters. Verfasserlexikon, Bd. 1–12, hrsg. von K. Ruh u. a., 2., völlig neu bearbeitete Aufl., Berlin, New York 1978–2005, Ergänzungsbde.: Deutscher Humanismus 1480–1520. Verfasserlexikon, Bd. 1–3, hrsg. von F. J. Worstbrock, Berlin, New York 2005–2015
WZIS Wasserzeichen-Informationssystem. Landesarchiv Baden-Württemberg, Hauptstaatsarchiv Stuttgart (http://www.wasserzeichen-online.de/wzis/index.php)