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Beschreibung von Halberstadt, Domschatz, Inv.-Nr. 467 (olim M 46)
Katalog der mittelalterlichen und frühneuzeitlichen Handschriften in Halberstadt. Verzeichnis der Bestände der Kulturstiftung Sachsen-Anhalt, Domschatz zu Halberstadt, und des Historischen Archivs der Stadt Halberstadt, bearbeitet von P. Carmassi, Wiesbaden 2018

Evangeliar

Pergament — 163 Bl. — 29 × 21 cm — Fulda — 9. Jh. Zweites Viertel

Lagen: IV (8). IV-1 (15). 5 IV (55). IV-1 (62). 2 IV (78). III (84). II (88). IV-1 (95). 2 IV (111). 2 III (123). 3 IV (147). IV-1 (154). IV+1 (163). Zwischen fol. 14 und 15 (Beginn von Mt) ist ein leeres Blatt abgeschnitten worden. Spuren von Einschnitten im Pergament befinden sich auf fol. 14v. Auf Grund solcher Spuren (56r) ist dies sicher auch zwischen fol. 55 und 56 (vor Prolog zu Mc) der Fall. Dies lässt vermuten, dass auch zwischen 88v und 89r (Beginn von Lc) ursprünglich ein leeres Blatt gestanden hat. Tatsächlich sind auch 57v (vor Mc-Beginn) und 123v (vor Io-Beginn) leer gelassen worden. Moderne Foliierung (Bleistift), korrigiert bei fol. 2-16 wegen ursprünglicher Auslassung von fol. 1. Zweite, letzte und vorletzte Lagen gelockert. Gelegentlich Löcher und braune Flecken im Pergament, z. B. 117, 119, 162. 155r-163r: zweispaltiges Capitulare evangeliorum. 27-28 Zeilen. Karolingische Minuskel. Verschiedene Hände. Kapitelzahlen und Konkordanzen zwischen den Evangelien am Rande notiert. Kopftitel. Fehlt aber in der Lage 89-95. Fehler auch beim Wechsel eines Quaternio (140r: secundum - secundum). Auszeichnungsschriften: "schlankere Capitalis von hochrechteckigem Umriss" (Spilling) und Unziale, beide mit Farbenfüllung in Gelb, Hellblau, Braun bei den Initialzierseiten. Zur Entwicklung der karolingischen Schrift und zum Skriptorium in Fulda in der ersten Hälfte des 9. Jhs., mit Erwähnung dieser Handschrift, vgl. Spilling, Herrad, Das Fuldaer Skriptorium zur Zeit des Hrabanus Maurus, in Kottje, Raymund - Zimmermann, Harald (Hg.), Hrabanus Maurus. Lehrer, Abt und Bischof = Akademie der Wissenschaften und der Literatur. Abhandlungen der Geistes- und Sozialwissenschaftlichen Klasse. Einzelveröffentlichung 4 (Wiesbaden 1982), S. 165-181. Spilling, Herrad, Die frühe Phase karolingischer Minuskel in Fulda, in Schrimpf, Gangolf (Hg.), Kloster Fulda in der Welt der Karolinger und Ottonen = Fuldaer Studien 7 (Frankfurt am Main 1996), S. 249-284. Gelegentlich zeitgenössische Korrekturen und Ergänzungen am Rande durch Verweiszeichen: Darunter Kreis mit Punkt in der Mitte, auch in Wolfenbüttel, Herzog August Bibliothek, Cod. Guelf. 92 Weiss., fol. 191v (Fulda 9. Jh.). 139v: auf dem Kopfsteg Alphabet a-g (karolingische Minuskel). Später nachgetragene Kapiteleinteilung (frühneuzeitlich). 1v: adiastematische Neumen auf dem nachgetragenen Vers Mt 9,9. Rubriziert. Buchschmuck: 6r-13v: Kanontafeln (Bogentypus). Sechzehnseitige Folge. 24-25 × 17-17,5 cm. Deckfarbenmalerei. Farben: Rot, Orange, Gelb, Blau, Hellblau, Grün, Braun. Basen: Platten mit eingezogenen Kugeln, Sechsecken, Trapezen, zum Teil marmoriert oder mit geometrischen Elementen verziert. Kapitelle: korinthisierende Kapitelle mit farbigem Blattwerk, außer 13r-v (ionische Kapitelle). Säulen: Marmorierungs- und Porphyrmuster, auch Diagonalstreifen, Zickzackband und andere geometrische Muster. Schattierungseffekte in Basen und Säulen. Arkaden: übergreifende Bögen breiter als die kleineren Bögen zwischen den Säulen. Bogenfüllungen: Mäandermuster, Zickzack-, Schlangenband und weitere Repetitionsmuster (Blüte, Ranke, Staude, Stern und andere geometrische Motive). In der Gesamtdekoration der Kanonbögen Bemühung um korrespondierende/antithetische Farben und Ornamente bei aufgeschlagener Doppelseite. Initialzierseiten zu Beginn der Evangelien (bei Mc und Lc ganze Seite ausschließlich mit Auszeichnungsschriften). Evangelieninitialen in schwarzer Federzeichnung (12,5-25 cm). Ausläufer mit Flecht-, Tierkopf-, Halbpalmette- und Blütenornamentik. Stammfüllung: Farbige Kompartimente mit Flechtband, Schlüsselbartmuster, Blattwerk. Abkürzungsstrich (89r) in Form einer Schlange, die Feuer aus dem Drachenkopf auswirft. Farben: Rot, Gelb, Hellblau, Braun. Die Initialen sind in zweifacher Zeile umpunktet (Rot), an der äußeren Zeile befinden sich aus Punkten gebildete Dreiecke. Zweizeilige Prologinitiale (56r) in schwarzer Federzeichnung mit Besatzmotiven im Binnenfeld (Vögelköpfe, Faden mit angerolltem Ende). 2v: kleine Taube mit Olivenzweig, eingeritzt auf der oberen Ecke des Bundstegs. 16r: L(iber generationis). 56r M(arcus). 58r: I(nitium evangelii). 84v: An beiden Enden des Explicit (Explicit evangelium secundum Marcum) jeweils ein rotes Kreuz. Ein rotes Kreuz auch in der Mitte der vier folgenden leer gebliebenen Zeile. 89r: Q(uoniam). 124r: I(n principio). Zur Ausstattung: Micheli, Geneviève L., L'enluminure du haut Moyen Age et les influences irlandaises. Histoire d'une influence (Bruxelles 1939), S. 131, Abb. 183 (58r). Rothe, Buchmalerei, S. 186, 237, Abb. 8 (58r) Hinz, Gegenwärtige Vergangenheit, S. 223, Abb. S. 224 (89r). Holter, Kurt, Kunstschätze der Gründungszeit, in Haider, Siegfried (Hg.), Die Anfänge des Klosters Kremsmünster = Ergänzungsband zu den Mitteilungen des Oberösterreichischen Landesarchivs 2 (Linz 1978), S. 111-143. Mütherich, Florentine, Die Fuldaer Buchmalerei in der Zeit des Hrabanus Maurus, in Böhne, Winfried (Hg.), Hrabanus Maurus und seine Schule. Festschrift der Rabanus-Maurus-Schule 1980 (Fulda 1980), S. 31-34; 94-125, Abb. 33 (58r). Kanontafel aus dem Bernig-Evangeliar, in Domschatz zu Halberstadt, S. 108-109, Abb. fol. 9r.

Einband wahrscheinlich karolingisch, mit Bearbeitungen aus späterer Zeit (z. B. Lederbezug). Holzdeckeleinband mit weißgegerbtem Leder bezogen. Verlängerte Kapitale (Lappenkapital). Spuren von nicht mehr vorhandenen Schließen. Silbernägel für verlorene Beschläge und Metallrahmen. Resten von Stoffbezug, darunter ein Fragment aus dem gleichen Stoff (Farben: Violett und Dunkelgrün), das auch im Inneren des Rückens zu sehen ist und für den Schmuck der Kapitale verwendet wurde.1r klebte ursprünglich als Spiegel dem jetzigen oder einem anderen Vorderdeckel: Vgl. Spuren von Leim 1r und Abdrücke vom Leder auf fol. 1v. Auf diesem Bl. befinden sich auch Wurmfraßlöcher, die nicht mit dem aktuellen VS korrespondieren. Zwei aufeinander geklebte Rückenschilder (Papier), das letzte mit der alten Signatur M 46. HS: Moderne bibliothekarische Angaben (Bleistift) aus den Jahren 1962, 1974.

Herkunft: Fulda, Benediktinerabtei. Die Verbindung zwischen Fulda und Halberstadt ist in der ersten Hälfte des 9. Jhs. durch den Episkopat Haimos von Halberstadt (840-853) gegeben: GEH, S. 81. Haimo war Mönch in Fulda und Hersfeld gewesen, und ihm widmete Hrabanus Maurus sein Werk De rerum naturis: MGH Epistolae 5. Epistolae Karolini aevi 3, ed. Ernst Dümmler (Berlin 1899), ep. 36, S. 470-472. Als Bischof von Mainz war Hrabanus ab 847 Metropolit über die Diözese Halberstadt. Die Evangelienhandschrift könnte eine Schenkung zur Einsetzung Haimos oder eine Bestellung des neuen Bischofs beim Fuldaer Skriptorium gewesen sein. Der Vermerk des Schreibers Bernig 163ra unterscheidet sich in Tintenfarbe und Schrift von der Hand des Capitulare-Schreibers. Paläographisch ist die Hand Bernigs eher mit den Ergänzungen (Korrekturen von liturgischen Perikopen) zwischen den Spalten 156v-157r (karolingische Minuskel, 10. Jh.) vergleichbar. Dementsprechend kann Bernig nicht als Schreiber des Evangeliars identifiziert werden. — Die Handschrift befand sich ab dem 9. Jh. im Dom zu Halberstadt, wie die ältesten Nachträge im Capitulare belegen. Weitere Nachträge in Halberstadt und fol. 163r-v. Ob der Kodex identisch mit dem 1465 verzeichneten evangeliarium ist, das damals in armario des Halberstädter Doms aufbewahrt wurde (Diestelkamp, Inventarium, S. 193), kann nicht verifiziert werden.

Waitz, Handschriften, 46, S. 654-655. — Schmidt (1878), 46, S. 22-23. — Klauser, Das römische Capitulare 109, S. XLV. — Krämer, Handschriftenerbe, S. 310. — Dom und Domschatz zu Halberstadt, S. 250-251, Abb. 112 (16r). — Weiner, Andreas, Die Initialornamentik der deutsch-insularen Schulen im Bereich von Fulda, Würzburg und Mainz = Quellen und Forschungen zur Geschichte des Bistums und Hochstifts Würzburg 43 (Würzburg 1992), S. 24-38, 139-140, Abb. 21-24 (16r, 58r, 89r, 124r). — Bischoff, Katalog 1, 1473, S. 308. — Krause, Hans-Joachim, Evangeliar des Schreibers Bernig, in Kostbarkeiten aus dem Domschatz, S. 72-73, mit zwei Abbildungen (9r, 58r). — Winterer, Christoph, Das Fuldaer Sakramentar in Göttingen: benediktinische Observanz und römische Liturgie = Studien zur internationalen Architektur- und Kunstgeschichte 70 (Petersberg 2009), S. 38, 44, 152. — Carmassi, Patrizia, The Program of a Book. The Fulda - Halberstadt Connection in the First Half of the 9th Century, in Wolfenbütteler Beiträge 15 (2009), S. 103-127.

1r leer.

1v Nachtrag (karolingische Minuskel): Mt 9,9. Federprobe.

2r-154v Evangelia. Mit Prologen, Capitula und Kanontafeln. (2r) Prolog. Plures fuisse. Stegmüller RB 596. (4r) Prolog. ›Beatissimo papae Damaso Hieronimus‹. Novum opus. Stegmüller RB 595. Biblia sacra iuxta vulgatam, S. 1515-1516. (6r-13v) Kanontafeln. (14r-14v) Prolog. Matheus ex Iudea. Stegmüller RB 591. (14v-15v) Capitula. (16r-55r) Mt. (55r) Für ca. 12 Zeilen in der unteren Hälfte des Blattes Spuren karolingischer Minuskel. Der Text wurde abradiert und ist heute auch mit UV-Lampe nicht mehr zu lesen. — 55v leer. (56r-56v) Prolog. Marcus evangelista. Stegmüller RB 607. (56v-57r) Capitula. — 57v leer. (58r-84v) Mc. (85r-v) Prolog. Lucas syrus. Stegmüller RB 620. (85v-88r) Capitula. (89r-121v) Lc. (122r-122v) Prolog. Hic est Iohannes. Stegmüller RB 624. — 123v leer. (124r-154v) Io.

155r-163ra Capitulare evangeliorum. ›Incipit breviarium lectionum evangeliorum‹. (Temporale und Sanktorale gemischt). Gelegentlich Ergänzungen von liturgischen Perikopen (9. und 10. Jh.). (155ra) ›In vigilia natalis domini horae nonae ad sanctam Mariam‹. (161va) ›Sabbato ad sanctum Petrum in XII lectiones‹. Das Fest Adnuntiatio domini fehlt. (161va-162ra) Commune sanctorum. (162ra-163ra) Votivmessen.

163ra Nachtrag zwischen dem letzten Eintrag und dem Explicit des Capitulare: Bernig scripsit hoc.

163v ursprünglich leer. Nachträge (Karolingische Minuskel, 10.-11. Jh.). Sanctus Hildiwardus episcopus huic mundo subtractus, celesti familiae adnumeratur iam sine fine cum Christo victurus: Hildeward Bischof von Halberstadt († 996). Nullius nobilitas proficit nisi quem sole virtutes nobilem faciunt. Darüber Titelzeile späterer Hand (12. Jh.): Burchardus episcopus. Bischöfe von Halberstadt vor dem 12. Jh. mit diesem Namen: Burchard I. (1036-1059); Burchard II. (1059-1088). Hil und andere kurze Texte abradiert. Igi peccator (zweimal, 10. Jh.). Zu seiner Person vgl. Hoffmann, Igi von Halberstadt.


Abgekürzt zitierte Literatur

MGH Monumenta Germaniae Historica inde ab anno Christi quingentesimo usque ad annum millesimum et quingentesimum …, Hannover u.a. 1826–
Stegmüller RB F. Stegmüller, Repertorium biblicum medii aevi, Bd. 1–11, Madrid 1950–1980

Beschreibung erstellt im Rahmen des Projektes Katalogisierung der Halberstädter Handschriften
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