Katalog der mittelalterlichen und frühneuzeitlichen Handschriften in Halberstadt. Verzeichnis der Bestände der Kulturstiftung Sachsen-Anhalt, Domschatz zu Halberstadt, und des Historischen Archivs der Stadt Halberstadt, bearbeitet von P. Carmassi, Wiesbaden 2018 (Vorläufige Beschreibung)
Halberstadt, Domschatz, Inv.-Nr. 473 (olim M 3)
Biblia sacra (Pars I)
Pergament — 254 Bl. — 47 × 33 cm — Halberstadt — 13. Jh. Anfang
Lagen: 5 IV (40). IV-2 (46). IV (54). III-1 (59). IV-2 (65). 8 IV (129). IV-2 (135). 4 IV (167). III (173). 3 IV (197). IV-1 (204). 6 IV (252). I (254). Der Text ist an mehreren Stellen wegen fehlender Blätter lückenhaft. Dazu ist die versetzte Ordung der Lagen bei der aktuellen Bindung zu berücksichtigen. Moderne Foliierung (Bleistift). Wachstropfen. Gelegentlich Risse im Pergament und Schnitte, zum Teil genäht, als Folge von ganz abgeschnittenen, nun fehlenden Blättern. Schriftraum: 39 × 25 cm. Zweispaltig. 41 Zeilen. Carolino-Gothica. Mehrere Hände. Gelegentlich spätmittelalterliche Randnotizen (Bastarda), z.B. fol. 31r: Exemplum quod bona clericorum debent esse libera. Einteilung in liturgische Lesungen für das Offizium mit römischen Zahlen am Rande I-VI (fol. 6v-7r, 60r, 174v-175r, 204rv-205r, 231rv). Rubriziert. Einteilung in Capitula. Sechs- bis fünfundzwanzigzeilige Initialen. Zierinitialen und eine erhaltene Figureninitiale in Deckfarbenmalerei. Mindestens zwei verschiedene Künstler. I: fol. 1-120,, II: fol. 174-254. Rankeninitialen auf gerahmtem Feld. Schwarze Federzeichnung und Deckfarbenmalerei. Ranken und große Blätter mit Keilschnitt als Ersatz- und Füllornamentik. Beim ersten Künstler feinere Zeichnung und auch Tiere als Ersatzmotive (Drachen, Schlangenkörper in Zopfgeflecht mit Drachenkopf). Auf dem Grund bei Künstler I feines Rankenmotiv in weißer Farbe, gelegentlich mit Früchten; bei Künstler II Dreipunktornament. Farben: Rot, Gelb, Blau, Grün, Ocker, Braun-Rosa, Weiß, Gold (1v, 6v). 78v: Im Palmettenblatt am Fuß der rechten H-Haste: Darstellung einer nicht tonsurierten Halbfigur mit Mantel. Nach Braun-Niehr Selbstdarstellung des Laien und Wanderkünstlers, der im ersten Teil des Codex tätig war. Anfangsbuchstaben: Lombarden, mit Aussparungen, Punktverdickung und Silhouettenornament. Auszeichnungschrift: Capitalis und Unzialis gemischt, rote und braun/schwarze Buchstaben oder Zeilen alternierend. Gelegentlich Angaben über die zu malenden Buchstaben zwischen den Spalten. 1va: F(rater). 5rb: D(esiderii). 6va: I(n principio). Figureninitiale: Stehende Gestalt Gottes, Christus gleichend, mit Kreuznimbus auf goldenem Hintergrund. In der rechten Hand hält er eine Schriftrolle, mit der offenen linken Hand weist auf den Anfang des in Gold geschriebenen Textes: In principio creavit deus celum et terram. Federzeichnung Rot und Braun. Farben: Rot, Blau, Grün, Braun, Ocker, Rosa, Weiß, Gold. 33vb: H(ec). 57vb: I(n diebus). 78va: H(ec). 97va: T(andem). 98rb: E(t). 120v: V(ocavit). 174va: H(iezechiel). 174vb: E(t). 204va: A(nno). 214vb: A(bdias); V(isio). 215ra: I(onas); E(t). 218va: N(aum); O(nus). 219va: A(bacuc); O(nus). 220va: S(ophonias); V(erbum). 221vb: A(ggeus); I(n). 222va: Z(acharias); I(n). 226vb: M(alachias); O(nus). 230v: N(emo). 231r: V(ysio).
Spätmittelalterlicher Einband, stark beschädigt und nach Restaurierung zum Teil durch modernen Ledereinband ersetzt. VD und HD mit Streicheisenlinien und Einzelstempeln weitgehend erhalten: 1. Rautengerank, mit Besatz, gefiedert (); 2. Laubstab, mit Astgabel, drei Blattansätze rechts (); 3. Rosette, drei Blattkränze, sechsblättrig, Blätter breit, gebuchtet (); 4. Staude, Knospenstaude, Knospe spitz zulaufend, mit einer Krause, zwei Blattpaare oberhalb der Krause (); 5. Staude, Knospenstaude, Knospe spitz zulaufend, mit einer Krause, ein Blattpaar oberhalb der Krause, nach oben innen gebogen (). Werkstatt "Stil Hildesheim" (). Vgl. auch die Handschriften Halberstadt, Domschatz, Inv.-Nr. 480 und Inv.-Nr. 545. Zwei Metallschließen (modern). Spuren von Beschlägen und einer alten Metallschließe. VS und HS aus Pergament (modern). Fotos des Zustandes vor der Restaurierung im Domschatz vorhanden. Abklatsch einer hebräischen Prophetenhandschrift mit Mi 7,18-20 und Za 14,1-13 wurde bei der Restaurierung des Einbandes entdeckt, ist aber wieder überklebt worden. Vgl. Lehnardt, Andreas, Handschriftenfragmente in Halberstadt, in Gemeinnützige Blätter 17 (2008), S. 58-64, hier S. 58.
Herkunft: Höchstwahrscheinlich Halberstadt. Der Dekorationsstil der Zier- und Figureninitialen wird in der Region um Halberstadt lokalisiert. Die Anfertigung der Bibel setzt ein geübtes Skriptorium voraus, auch wenn einzelne wandernde Künstler an der Buchausstattung beteiligt gewesen sein konnten (s.o.). Schon zur Zeit Schmidts waren die heutigen Verluste eingetreten, was sich daran zeigt, dass er die gleiche Blattzahl (254) nennt. Ein Fragment aus dem Buch Idc dieser Bibel wird heute in Washington, National Gallery of Art, Inv. Nr. 1950.17.5. aufbewahrt. Provenienz: Nachlass Lessing Rosenwald. Auf dem Recto: Idc, 1,1-5 und Figureninitiale P(ost). Dazu: Ferguson, Carra - Stevens Schaff, David S. - Vikan, Gary (ed.), Medieval and Renaissance Miniatures from the National Gallery of Art (Washington 1975), S. 109-112, mit Abbildung des Fragmentes und von fol. 6v der Halberstädter Bibel; Braun-Niehr, Beate, Kat.-Nr. G 50, in Luckhardt, Jochen - Niehoff, Franz (Hg.), Heinrich der Löwe und seine Zeit. Herrschaft und Repräsentation der Welfen 1125-1235, Katalog der Ausstellung Braunschweig 1995 (München 1995), 1, S. 540, mit Abbildung. Ein zweites Fragment mit einer Zierinitiale aus dem Incipit von Ier wurde 2002 in einem Londoner Katalog publiziert: Kat.-Nr. 4. Jeremiah, Initial V from a Giant Romanesque Bible, in Ry, Marc Antoine du, Medieval Art. Catalogue two. Forms of Salvation (London 2002), S. 14-15, mit Abbildung. Das Fragment ist jüngst vom Land Sachsen-Anhalt erworben worden (heute im Domschatz zu Halberstadt). Zuweisung: Künstler I.
, 3, S. 9. — , S. 311 (aber als Misc., s. XII., bezeichnet). — , S. 318-320, Abb. 11 (fol. 6v). — , S. 225-226, mit Abb. fol. 6v. — Belting, Hans, Zwischen Gotik und Byzanz. Gedanken zur Geschichte der sächsischen Buchmalerei im 13. Jh., in Zeitschrift für Kunstgeschichte 41 (1978), S. 217-257, Abbildungen 11 und 12 (fol. 6v, Washington, Einzelblatt). — Kroos, Renate, Kat.-Nr. 1031a, in Meckseper, Cord (Hg.), Stadt im Wandel. Kunst und Kultur des Bürgertums in Norddeutschland 1150-1650. Ausstellungskatalog (Stuttgart 1985), 2, S. 1182-1183. — , S. 195, 246, Abb. 35 (fol. 6v). — , 5, S. 251-252. — Braun-Niehr, Beate, Kat.-Nr. G 49, in Heinrich der Löwe und seine Zeit. Herrschaft und Repräsentation der Welfen 1125-1235. Katalog der Ausstellung Braunschweig 1995 (München 1995), 1, S. 538-540 (Abb. fol. 6v, 33v, 57v, 78v). — , S. 27, 29, 289, 318, 325-326, 328, Abb. 170 (fol. 178v). — , S. 72. — Braun-Niehr, Beate, Das Brandenburger Evangelistar (Regensburg 2005), S. 28, 93, Abb. 7 (Washington, Einzelblatt). — Braun-Niehr, Beate, Kat.-Nr. 53, in , S. 188-191, mit neun Abb. — Wolter-von dem Knesebeck, Harald, Ein unbekanntes Einzelblatt der Halberstädter Bibel (Domschatz, Cod. MS 3), in , S. 275-286, mit acht Abbildungen. — Braun-Niehr, Beate, Die sächsische Buchmalerei und Magdeburger Skriptorien im 13. Jahrhundert, in , 1, S. 220-233. — Ead., Kat.-Nr. V. 3, in , 2, S. 179-180.
1v-254v Vetus Testamentum prologis auctum (Pars I). Erster Band einer ehemals wohl zweibändigen Bibel. Die ursprüngliche Reihenfolge der biblischen Bücher im erhaltenen Codex kann wie folgt rekonstruiert werden: Gn – Ex – Lv – Nm – Lücke zwischen Ende der Capitula und Nm 1,18 – Dt – Ios – Lücke zwischen Ios 19,19 und Ios 21,18 – Lücke zwischen Ios 24,27 und Idc 2,1 – Idc – Rt – Ier – Lücke zwischen Ier 1,1 und Ier 1,9 – Lücke zwischen Ier 12,5 und Ier 14,11 – Bar – Lam – Ez – Lücke zwischen Ez 48,8 und dem Anfang des Dn-Prologs – Dn – Lücke zwischen Dn 12,5 und Am 4,1 – Am – Abd – Ion – Mi – Na – Hab – So – Agg – Za – Mal – Is. Die Stelle von Is wird durch kodikologische Gegebenheiten bestätigt. Es gibt korrespondierende Wachstropfen/Flecken zwischen den beiden naheliegenden Lagen 228r-229r, auch wenn beide Blätter leer sind. Auf dem letzten Blatt sind Oxidationsspuren der Metallbuckel zu erkennen. Diese sind in einer Phase vor der aktuellen Restaurierung entstanden. Darüber hinaus gäbe es durch diese Rekonstruktion eine Kontinuität in der Arbeit vom ersten Künstler zwischen den Initialen in Rt und Ier. — 1r leer. Nachgetragene Zeichnung einer knienden Nonne mit der Inschrift modo (15. Jh.). (1va) ›Incipit epistola sancti Iheronimi ad Paulinum presbiterum de omnibus divinis historie libris‹. Frater Ambrosius. 284. (5r) ›Incipit prefatio sancti Iheronimi presbiteri‹. Desiderii mei desideratas. 285. (5vb) ›Incipiunt capitula in librum geneseos‹. (6va) Gn. (32vb) ›Incipiunt capitula libri Exodi‹. (33vb) ›Incipit liber Exodus‹. (40vb) Endet abrupt mit: … abstulit illud dominus flante ven// = Ex 14,21. (41ra) Beginnt mit: //tis Ephron. Inclinatusque in Bala … = Ios 15,9. (42vb) Endet mit: … et Asaraym Seron// = Ios 19,19. (43ra) Beginnt mit: //civitates quattuor. Porro … = Ios 21,18. (44vb) Endet mit: ne forte postea negare velitis et mentiri domino deo// = Ios 24,27. (45ra) Beginnt mit: //Ascenditque angelus domini … = Idc 2,1. (57vb) Rt. (59va) ›Explicit liber Ruth‹. — 59vb leer. (60ra) Beginnt mit: //um Et dixit dominus ad me. Ecce dedi verba mea more tuo … = Ier 1,9. (65vb) Endet mit: … poteris cum equis. Cum autem// = Ier 12,5. (66ra) Beginnt mit: //nas et affigat altari … = Nm 16,39. (77ra) ›Incipiunt capitula libri deuteronomii‹. (78rb) Dt. (97rb) ›Incipit prologus Ihesu Nave‹. (97va) Tandem finito. 311. (97vb) ›Explicit prologus. Incipiunt capitula‹. (98ra) ›Incipit liber Ihesu Nave‹. (105vb) Endet mit: … pervenit usque ad vicos mo// = Ios 15,9. (106ra) Beginnt mit: //to vehementi et urente tota nocte … = Ex 14,21 (119vb) ›Incipiunt capitula libri levitici‹. (120rb) Lv. ›Incipit liber leviticus hebrayce vaiecra, latine ministerialis‹. (133vb) ›Incipiunt capitula in librum numeri‹. (134ra) Beginnt mit: //pita et nomina singulorum a vicesimo anno … = Nm 1,18. (143vb) Endet mit: … peccatorum. Producatque ea in lami// = Nm 16,38. (144ra) Beginnt mit: //num Cum ieiunaverint non exaudiam … = Ier 14, 11-12. (166vb) Bar. ›Liber Baruch notarii Iheremie‹. (169rb) ›Incipit exemplum epistole quam misit Ieremias propheta ad abductos captivos in Babiloniam ut annunciaret illis secundum quod preceptum est illi a domino‹. = Bar 6,1a. (170va) Lam. ›Et factum est postquam in captivitatem ductus est Israel et Ierusalem destructa est sedit Iheremias propheta flens et plangens desolationem populi sui et subversionem civitatis dicens‹. (173ra) ›Oratio Iheremie prophete‹. (Vor Lam 5,1). (173va) ›Incipiunt capitula in Ezechielem prophetam‹. (174va) ›Incipit prologus Hiezechielis prophete‹. Hiezechiel propheta cum Ioachim. 492. (174vb) Ez. (Lückenhaft). (203vb) Endet mit: xxv milibus latitudinis et longitu// = Ez 48,8. (204ra) Beginnt mitten im Prolog: //que magis prudentiam sollertis viri quam … 494. ›Incipiunt capitula Danielis prophete‹. (204va) Dn. (Lückenhaft). (207rb) ›Huc non habetur in hebreo que posuimus de theodicionis editione translata sunt‹. (vor Dn 3,91). (212vb) Endet mit: … vidi ego Daniel et ecce quasi du// = Dn 12, 5. (213ra) Beginnt mit: //lumpniam facitis egenis … = Am 4,1. (214vb) ›Incipit prologus Abdie prophete‹. Abdias qui interpretatur. 516. (214vb) Abd. (215rb) ›Incipit prologus Ionę prophetę‹. Ionas columba pulcherrima. 522. (215rb) Ion. (216rb) ›Incipit prologus Michee prophete‹. Micheas de Morasthum. 525. (216rb) Mi. (218va) ›Incipit prologus Naum prophete‹. Naum consolator. 527. (218va) Na. (219va) ›Incipit prologus Abacuc prophete‹. Abacuc luctator. 529. (219va) Hab. (220va) ›Incipit prologus Sophonię prophete‹. Sophonias speculator. 532. (220va) So. (221vb) Aggeus festivus et letus. 535. (221vb) Agg. (222va) ›Incipit prologus Zacharie‹. Zacharias memor domini. 540. (222va) Za. (226vb) ›Incipit prologus Malachie prophete‹. Malachias in fine. 544. (226vb) Mal. — 228rb leer. — 228v leer. (229v) Capitula zu Is. (230v) ›Incipit prologus sancti Hieronimi in Isaiam prophetam‹. Nemo cum prophetas. 482. (231ra) Is.
Abgekürzt zitierte Literatur