Katalog der mittelalterlichen und frühneuzeitlichen Handschriften in Halberstadt. Verzeichnis der Bestände der Kulturstiftung Sachsen-Anhalt, Domschatz zu Halberstadt, und des Historischen Archivs der Stadt Halberstadt, bearbeitet von P. Carmassi, Wiesbaden 2018 (Vorläufige Beschreibung)

Halberstadt, Domschatz, Inv.-Nr. 493

Antiphonale

Pergament — 234 Bl., I — 43,5 × 29 cm — Halberstadt — 1319

Hintere Vorsatzblätter aus neuerem Papier. Wasserzeichen: Dreiblättriger Kleeblattstängel, beseitet mit aufrechten Schildhalterlöwen, alles auf Tafel mit Buchstaben und Blüte in der Mitte. Links der Buchstabe C. Zweiter Buchstabe unleserlich. Nicht nachweisbar. Lagen: IV-1 (48). 2 IV (64). IV-2 (72). 5 IV (112). IV-1 (120). 19 IV (272). III (278). I. Lagenzählung mit römischen Zahlen und Reklamanten am Ende der Lagen. Am Anfang Lücke von fünf Lagen. Lücke von zwei Blättern auch zwischen fol. 69 und 70, von einem Blatt zwischen fol. 119 und 120. Moderne Restaurierung mit einer Kartonage, als Ersatz für die fehlenden Lagen am Buchblock befestigt. Die letzte Lage besteht aus einem Bifolium (Papier), von dem das zweite Bl. als HS dient. Moderne Foliierung (Bleistift). Bl. 126 doppelt vergeben. Bl. 133 übersprungen. Zweite Foliierung mit rotem Stift. VD vom Buchblock gelöst. Häufige Risse im Pergament. Starke Gebrauchsspuren. Schriftraum: 35,5 × 22 cm. 13 Zeilen. Textualis. Vgl. Inv.-Nr. 45. Hufnagelnotation auf fünf Linien. Gelegentlich f- und c-Linie rot. Bezeichnung mit den Buchstaben c und f am linken Ende der entsprechenden Zeilen. Rubriziert. Initialen mit Fleuronnéebesatz und Aussparungen. 88r: A(lleluia). 88v: A(ngelus). 102r: V(eni). 102v: D(um). Rote Lombarden mit Punktverdickung, gelegentlich Aussparungen. Rot-schwarze cadellen-artige Initialen, mit menschlichen Gesichtern, Fischen, Hundeköpfen, schlangenartigen Knoten, Vögeln, geometrischen und vegetabilen Motiven als Besatz- und Binnenfeldornamentik.

Renaissance-Einband. Holzdeckel mit Leder bezogen. Streicheisenlinien und Rollenstempel. Palmettenfries und weitere vegetabile Motive. Von außen nach innen Rollen mit figürlichen Motiven: I. Vier Köpfe in Medaillons inmitten von Laubwerk, ein Riegel. Monogramm H K, hier nur K lesbar. II. Verkündigung; Taufe Christi; Kreuzigung; Auferstehung; Abraham bei der Opferung Isaaks. Bei der Kreuzigung Initialen des Stechers H K (hier nur K lesbar) und Jahreszahl 1557. Vgl. für Inschriften und Literatur siehe Halberstadt, Historisches Stadtarchiv, M 100. Eckkantenbeschläge mit Durchbrucharbeit und Buckeln, nur zwei auf VD und zwei auf HD erhalten. Spuren von einem verlorenen Mittelbeschlag (quadratisch). Metallbuckel (Hutform), nur zwei (von vier) auf dem VD und drei auf dem HD erhalten. Ein loser Buckel separat in einer Schachtel mit dem Codex aufbewahrt. Spuren von zwei Langriemenschließen. Der Einband wurde im Laufe der frühen Neuzeit durch einen Lederumschlag (mit Rollenstempeln) um den Rücken und durch eine neue massive Stangenschließe (heute ist die Stange gebrochen) restauriert. HS aus Papier. Darunter kann man an einer Ecke den Abklatsch einer mittelalterlichen Handschrift sehen (anders als VS). Signaturschild aus Papier auf dem Rücken, zu Teil abgebrochen, mit der Signatur [X]VII in brauner Tinte. Auf VD war innen ursprünglich ein Pergamentblatt als Spiegel geklebt. Abklatsch von brauner Tinte auf dem Holz sichtbar (12. Jh., zweispaltig, Carolino-Gothica. Text: Ex 12,34-13,9). Reste derselben Handschrift im Rücken, hinter dem Lederüberzug, Teil der frühneuzeitlichen Restaurierung. Abklatschsspuren auch auf dem VD. Vgl. auch Halberstadt, Domschatz, Inv.-Nr. 492. Blattweiser aus Leder. Reste des alten Einbandes und weitere Materialien sind in einer Extra-Mappe im Domschatz aufbewahrt. Darunter Vorderspiegel aus Papier mit ehem. Signatur Nro 17 ; einzelne Papierblätter (18. Jh.?), mit Notation: 1. In festo S. Matthiae Apostoli Ad nonam antiphona, responsorium, in secundis vesperis. 2. In festo S. Matthiae ad 2dis vesperis Responsorium. 3. Antiphona ad psalmos feriales in 2dis vesperis Festum omnium Santorum; Schedula In Choro Summae aedis per Annum 1770 distribuendarum. Praesentiae per annum singulis terminis in choro Summae aedis praesentibus distribuendarum editi [!] a Christ[ian] Frider[ich]Cölln Sen. Choralium 1770 (mit Nachträgen bis 1789). Vgl. auch Halberstadt, Domschatz, Inv.-Nr. 492; Gewebestücke aus Kapital und Hinterklebung des Buchblockes; Originalheftfaden; Pergamentfragmente aus einer Bibelhandschrift (12. Jh., Ex 12, 29).

Herkunft: Der Kalendar verweist auf die Diözese Halberstadt. Im Proprium de sanctis sind hervorzuheben: In adventu reliquiarum sancti Stephani (139r); Inventio sancti Stephani (164v); De sancto Livino (216v); De sancto Karulo (248v). Gedächtnis der Dedicatio ecclesiae im Oktober (205v). Andererseits ist bemerkenswert, dass allein das Fest des Hl. Martinus mit Vigil und Oktav gefeiert wurde (213v und 217r). Diese Tatsache könnte ein Indiz dafür sein, dass der Codex aus dem ursprünglichen Handschriftenbestand der Kirche St. Martini stammt und erst nach Einführung der Reformation in den Dom kam. Eine Neubindung der Handschrift erfolgte mit Sicherheit in der zweiten Hälfte des 16. Jh. Die lange Benutzung des Codex ist duch Randnotizen und Restaurierungsmaßnahmen des Einbandes bezeugt. Die Kirche St. Martini war im Hochmittelalter dem Bischof unterstellt und wurde mit einer Urkunde vom 25.07.1311 von Bischof Albrecht dem Johanniskloster geschenkt. Der Pleban der Kirche Hinricus wird dort als verstorben bezeichnet. Vgl. UB Stadt Halberstadt, 1, 336, S. 261-263. Siehe zu dieser Person auch Halberstadt, Domschatz, Inv.-Nr. 478. Im Zusammenhang der Übergabe sind Schenkungen oder eine neue Ausstattung in den unmittelbaren Folgejahren denkbar. Im 15. Jh. wurde die Vigil anscheinend als großes Fest mit einem Markt bei der Pfarrkirche vom Volk gefeiert. Die Tatsache aber, dass die Bürger deswegen an diesem Tag dem Gottesdienst nicht mehr beiwohnten, führte den Bischof zur Entscheidung, das Fest auf den Sonntag zu verschieben, der dem Martinsfest am nächsten lag: UB Stadt Halberstadt, 2, 1140, S. 391-392. Ein Ablass wurde im Jahr 1300 gewährt, wenn die Gläubigen an bestimmten Tagen zum Gottesdienst kamen, u. a. St. Martini: UB Stadt Halberstadt, 1, 286, S. 216-217. Zur Martinikirche vgl. Schrader, Franz, Gestalt und Entstehung der mittelalterlichen Pfarrorganisation der Stadt Halberstadt und die Gründung des Bistums Halberstadt, in Id., Stadt, Kloster und Seelsorge = Studien zur katholischen Bistums- und Klostergeschichte 29 (Leipzig 1988), S. 1-54, hier S. 6-7; Siebrecht, Uta, St. Martini - Die Kirche der Bürger, in Siebrecht, Halberstadt, S. 235-243.

Odenthal, Die Ordinatio cultus divini, S. 281.

42r-278v Antiphonale. Zu Beginn lückenhaft.

42r-131r Proprium de tempore. Von der Oktav von Epiphanias (wegen Lücke) bis zum 25. Sonntag nach Pfingsten. ›In octava epyphanie‹. (47v-48v) Sonntage I-IIII post epyphaniam. (48v) ›Dominica in septuagesima‹. (51r) ›Dominica in LX‹. (53v) ›Dominica in quinquagesima‹. (56r) ›In capite ieiunii‹. (56v) ›Dominica in XL‹. (60r) ›Dominica II‹. (63v) ›Dominica III‹. (71r) ›Dominica in passione‹. (75r) ›Dominica in palmis‹. (82v) ›In parasceve‹. (89r-v) Osterspiel. Lipphardt, Lateinische Osterfeiern und Osterspiele 3, 579, S. 951. (89r) ›Ad visitandum sepulchrum‹. Maria Magdalena et alia Maria ferebant diluculo aromata dominum querentes in monumento.Duo Marie eundo ad sepulchrum‹. Quis revolvet nobis ab hostio lapidem quem tegere sanctum cernimus sepulchrum.Duo angeli cantantes respondent eis‹. Quem queritis o tremule mulieres in hoc tumulo plorantes.Mulieres‹. Ihesum Nazarenum crucifixum querimus.Angeli‹. Non est hic quem queritis sed cito euntes nunciate discipulis eius et Petro quia surrexit Ihesus.Mulieres‹. Ad monumentum venimus gementes angelum domini sedentem vidimus et dicentem quia surrexit Ihesus. (89v) ›Mulieres‹. Currebant duo simul et ille alius discipulus precucurrit citius Petro et venit prior ad monumentum alleluia.Postea vero cantent alta voce‹. Surrexit dominus de sepulchro qui pro nobis pependit in ligno alleluia.Deinde hec antiphona‹. (89v-131r) Proprium de tempore (Fortsetzung). (94r) ›In octava‹. (97r-99r) Sonntage I-VI nach der Oktav. (99r) ›In ascensione domini‹. (102r) ›In vigilia pentecosten‹. (109r) ›De corpore Christi‹. Sacerdos in eternum. (113r) ›Dominica prima‹. (115v) ›De libro sapientie antiphona‹. 126r(bis)-130v Sonntage I-XXV post pentecosten. (130v) ›Dominicis diebus‹.

131r-265r Proprium de sanctis. Vom Apostelfest Philippus und Jacobus (03.05.) bis zur Mariä Verkündigung (25.03.). (131r) ›De sanctis post pascha‹. (131r-133v) Responsorien De uno martire, De martiribus. (133v) ›Philippi et Iacobi‹. (134v) ›Invencione sancte crucis‹. (135v) ›De spinea corona‹. (137r) ›De sancto Georgio‹. (139r) ›In adventu reliquiarum sancti Stephani‹. (141r) ›De domina nostra antiphona‹. ›Marcellini et Petri martirum‹. (141v) ›Medardi‹. (142r) ›Viti martiris‹. (145v) ›De sancto Albano‹. ›In vigilia sancti Iohannis baptiste‹. (149r) ›Iohannes et Pauli‹. (152r) ›De sancto Petro et Paulo‹. (155v) ›In octava apostolorum Petri et Pauli‹. ›Maria Magdalena‹. (159r) ›De sancta Anna‹. (163r) ›De sancta Martha‹. (164r) ›De sancto Petro‹. (164v) ›De sancto Iustino‹. ›Invenctio [!] sancti Stephani‹. (169r) ›De sancto Syxto‹. (172r) ›Laurentii martiris‹. (175r) ›Tyburcii martiris‹. (176v) ›In vigilia assumpcionis sancte Marie virginis‹. (181r) ›De sancto Magno‹. ›De sancto Bartholomeo‹. (182r) ›Decollatio sancti Iohannis baptiste‹. (186r) ›De sancto Egidio‹. ›In festo nativitatis sancte Marie‹. (189r) ›Exaltatio sancte crucis‹. (190v) ›De sancto Lamberto‹. (192v) ›Mathei apostoli‹. (193r) ›De sancto Mauricio‹. (197v) ›De sancto Michaele‹. (200v) ›Remigii abbatis‹. (201v) ›Dyonisii martyris‹. (205v) ›De dedicatione templi‹. (208v) ›Decem milium virginum‹. (211r) ›Severi et Severini‹. (212r) ›De omnibus sanctis‹. (213v) ›In vigilia sancti Martini‹. (216v) ›De sancto Livino‹. (217r) ›Octava Martini‹. (218r) ›[De sancta Elyzabeth]‹. (220v) ›Cecilie virginis‹. (223v) ›De sancto Clemente‹. (224v) ›De sancta Katherina‹. (227v) ›De sancto Andrea‹. (231r) ›De sancta Barbara‹. ›De sancto Nycolao‹. (234v) ›In octava Andree‹. (235r) ›De conceptione sancte Marie‹. (238v) ›De sancta Lucia virgine‹. (240r) ›De sancto Sebastiano‹. (243r) ›In feste [!] sancte Agnetis‹. (245r) ›In conversione sancte [!] Pauli‹. (248v) ›De sancto Karulo‹. (252r) ›In vigilia purificacionis‹. (258r) ›De sancto Gregorio‹. (261r) ›In annunciacione beate Marie virginis‹.

265r-277v Commune sanctorum. (265r) ›[De apostolis]‹. (267v) ›De martyribus‹. (273r) ›De confessoribus‹. (275v) ›De virginibus‹.

277v-278r Gloria patri. Mit 14 verschiedenen Melodien.

278v ›De sancto Ieronimo‹. Nachgetragen von anderer zeitgenössischer Hand.

Auf dem selben Bl. von erster Hand: Anno domini MCCC X et nono completus est iste liber. Es folgt unmittelbar darauf eine nachgetragene Antiphon: CAO 5465. Auf dem Kopfsteg nachgetragener Name: Wilhelmus (16. Jh.).

Ir-v leer.


Abgekürzt zitierte Literatur

CAO R.-J. Hesbert, Corpus antiphonalium officii, Bd. 1–6, Rom 1963–1979 (Rerum ecclesiasticarum documenta. Series maior 7–12)