|| [ID00001]
Christliche Leichpredigt / Gehalten bey der Begräbnüs Des Ehrnvesten /
Achtbarn vnd Fürnemen Herrn Georg Bösens / Kirchvatern der Kirchen in der
Heinrich-Stadt.
Wolffenbüttel / Gedruckt durch Eliam Holwein / Fürstl. Brauns. Buchdrucker vnd
Formschneider daselbst. Im Jahr 1618.
|| [ID00002]
|| [ID00003]
CVM CHRISTO IESV. TEXTUS. Act. 7. V. 58. 59. 60.
VNd die Zeugen legten ab jhre Kleider zu denn Füssen eines Jünglings / der hieß
Saulus / vnd steinigten Stephanum / der anrieff vnnd sprach: HErr JEsu / nimb
meinen Geist auff. Er kniet aber nieder / vnd schrey laut: HErr behalt jhnen
diese Sünde nicht. Vnd als er das gesagt / entschlieffer.
Tractatio.
GEliebte vnnd andechtige Freunde in Christo dem HErrn / Man lieset in Historien
von dem Großmechtigen vnd Hochlöblichen Käyser Friederico dieses Namens dem
dritte̅ / da derselbige auff eine zeit von einem andren
|| [ID00004]
Potentaten gefragt wird / was doch
das höheste vnnd beste gut auff Erden were / daß einem Mensch en wieder fahren
könne / habe er darauff diese Christliche vnnd recht Fürstliche Antwort gegeben:
Bene mori summum bonum est. Recht vnd Selig sterben ist das aller edleste vnd
beste Gut. Freilich hat der löbliche Potentat recht Christlich vnnd Fürstlich
geantwortet: Denn wenn ein Mensch gleich sonsten hette alle Güter / Gewalt / Ehr
/ Reichthumb der gantzen weiten Welt / vnd neme auch dermahl eins zu seiner zeit
nicht einen seligen Abschied vnd Heimfart / so were jhm tausentmahl besser / daß
er niemals ans Liecht dieser Welt kommen / ja in Mutterleibe empfangen were.
Denn es heist ja nach dem alten Sprichwort: Entweder einmahl Seliglich gestorben
/ oder in alle ewigkeit verdorben. Wenn der Baum fället / er falle gegen Mittag
oder Mitternacht / auff welchen Ort er fallet / da wird er liegen / sagt der
Prediger Salamonis cap. 11. vers. 3. Darumb spricht auch der HErr Christus
selber: Matth. 16. v. 26. 27. Was hülffs dem Menschen / so er die gantze Welt
gewünne / vnnd neme doch Schaden an seiner Seele? Oder was kan der Mensche geben
/ damit er seine Seele wieder löse? denn es wird je geschehen / daß des Menschen
Sohn kom̅e in der Herrligkeit seines Vaters mit seinen Engeln /
vnd alßdann wird er einen jeglichen vergelten nach seinen Wercken.
(Eccl. 9. v. 12.)
Weil nun auch der Mensch seine zeit nicht weiß /
|| [ID00005]
vnnd viel weniger sich des
Morgendes Tages zurümen hat / da er nicht stehet was sich heute begeben mag
/(Prov. 27. v. 1.) wird ein jeglicher
Christe / dem es vmb die Seligkeit zuthun / leichtlich bey jhme solle abnemen /
wie hoch vnnd viel jhm daran gelegen / dasselbige sein gantzes Leben durch
zulernen / welches nur einmahl practisiret vnd ins Werck gerichtet werden kan /
nemblich wie man wol / Christlich vnnd Selig sterben solle / dieses wissen / muß
ja die allerhöheste vnd beste Kunst sein alhie auff Erden / da einmahl seliglich
sterben das aller höheste vnd beste ist / welches jhm ein Christen Mensch in
dieser Welt wünschen mag. Das lehret vns Moses in seinem eiffrigen Gebet: HErr
lehr vns bedencken / daß wir sterben müssen / auff das wir klug werden. Psalm
90. v. 12.
Wo finden wir aber nun einen Lehrmeister / der vns vnterricht mittheilen könte /
wie wir im sterben vns recht / vnd als Kindern GOttes gebühret verhalten sollen?
Wollen wir denselben bey vnnd in vnserm Fleisch vnnd Blut / oder Vernunfft
suchen / werden wir in alle Warheit einen grossen feil treffen / vnd vbel
anlauffen: Denn solches ist dieser Christlichen vnnd
Sterbekunst zu wieder / erzittert vnnd erschüttert / wenn man an den Tod
gedencket. Weiß auch vberal nichts von Christo / ja helt jhn / die Predigte(Matt. 16. v. 17.) von jhm für eine Thorheit / da
doch diese Kunst(I. Cor. 1. v. 23.) vnd deren
praxis einig vnnd allein auff Christo vnserm
|| [ID00006]
Heiland gegründet stehet. Man
findet wol rohe vnd freche Welthummelen / die achtens wenig wenn man vom Tode
prediget / meinen es sey nur vmb ein böses Stündlein zuthun / wenn das herumb /
so sey es geschehen / wie vns solche Leute beschrieben werden. Sap. 2. Es sind
rohe Leute / die da sagen: Es ist ein kurtz vnd müheselig ding vmb vnser leben /
vnnd wenn ein Mensch dahin ist / so ists gar aus mit jhm / so weiß man keinen
nicht / der aus der Hellen wieder kommen sey. Wie auch in solchen Gedancken der
Amalekiter König(1. Sam. 15.) Agag trotziglich
für den Propheten Samuel trat vnd sprach: Also muß man des Todes bitterkeit
vertreiben. Aber das ist ein armer vnd elender Trost / ja eine verstockung vnd
Heydnische Blindheit / darauff nur Ach vnd Wehe erfolgen kan.
Vielleicht wird mans bey den Philosophis vnnd Weltweisen Leuten vnd in jhren
Büchern finden / wie wir mit dem sterben recht vmbgehen sollen? Sie lassen(plato in phaedone.) jhnen zwar solches treumen /
wollen viel reden von der vnd seligen sterbe Kunst /
beschreiben auch(.) jhre
Weißheit eine stetige vnd fleissige betrachtung des
Todes vnd wie man sterben wolle. Aber des elenden vnd erbärmlichen betrachtens.
Sie waren ohn Chisto / ohn Gott / entfrembdet von dem Leben das aus GOtt ist /
vnnd da es recht gelten solte / ward jhre Phantasey zu Wasser vnnd Rauch / blieb
nichts / denn Zittern vnnd Zagen. Der Weise
|| [ID00007]
Heyde Cicero wil dafür angesehen
seyn / alß frewete er (Lib. de se nectute.) sich
zum absterben vnd spricht. O praeclarum diem, cum ad illud animorum concilium
caetumque proficiscar, & cum ex hac turba & colluvione discedam.
O welch ein herrlig Tag wird das seyn / da ich aus diesem mühseligen leben
abscheiden vnnd zur versamblung der Seelen kommen werde. Aber dieser Wahn der
voller zweifflung war / vnd gar keinen grund hatte / könte denn stich nicht
halten / vnnd gewissen Trost wieder die grausame Gestalt des Toddes geben / daß
er auch an seinem end selber bekennen müste: O me nunquam sapientem? O wie hat
mir so weit an der rechten Weißheit gemangelt / vnd sonsten: Ego tentatis rebus
omnibus, nihil invenio in quo acquiescam, &c. Ich habe alle meine Kunst
herfür gesucht / die ich jemahls Studirt, vnd finde doch nicht darauff ich mich
verlassen müge. Das mag ja wol heissen / was der Apostel Paulus von jhnen zeuget
/ daß sie keine Hoffnung haben. 1. Thes. 4. v. 13.
Moses der fürtreffliche Prophete / Welchen doch Stephanus das Zeugnüß giebt / daß
er geübet sey in aller Egiptischer Weißheit / setzet die Egiptische Weißheit bey
seit / hat diese hohe vnnd edle Kunst darinnen nicht finden können / sondern
nimbt zuflucht zu einem viel andern Lehrmeister / nemblich zu GOtt im Himmel
selbsten. HErr lehre vns bedencken das wir sterben müssen / auff daß wir klug
werden / vnnd lehret
|| [ID00008]
also mit
seinem Exempel / daß diese Kluchheit / diese Kunst kein Mensche wissen könne /
es sey dann das sie (Dicit. 18. Matt. 3. Ioh.
1.) vom HErrn / daß ist von dem grossen Propheten von dem Engel des Bunds /
vnnd ewigem Wort des Vaters / geoffenbaret vnd auß dem Schoß seines Himlischen
Vaters herfür gebracht werde. Daß auch kein Mensch / er sey auch so Spitzfindig
vnd Gelert / wie er sönsten jmmer wolle / diese Kunst verstehen vnd gebürlich
vben müge / es sey dann / daß dieser HErr mit seinem heiligen Geist sein Hertz
erleuchte / vnd darinnen ein newes Liecht des Glaubens vnd der seligmachende̅ erkentnis GOttes anzünde vnd auch mitten im Tode erhalte. Wer
derowegen in diesem hohen notwendigen Stücke seines Christenthumbs wil
vnbetrogen seyn / vnd dermahl eins mit Fried vnnd Frewde dahin fahren / der
halte sich an diesen Doctorem vnnd Lehrmeister / der weiß wie dem Tode zu
begegnen / denn er hat jhn vberwunden vnnd verschlungen im Sieg. Er wil das auch
gerne lehren / wenn du nur bey jhm anklopffest: Denn also spricht er selber Ioh.
14. Ich bin der Weg die Warheit vnd das Leben / niemand kompt zum Vater denn
durch mich. Vnnd beim Propheten Esaia cap. 50. v. 4. Der HErr / HErr hat mir
eine gelerte Zunge gegeben / daß ich wisse mit denn Müden zu rechter zeit
zureden.
Dieser Hochgelerter vnd holdselig Meister helt vns diese
für nicht allein in hellen vnd cla
|| [ID00009]
ren Sprüchen seines Wortes / alß in dem Hauptspruch des Evangelii aus
dem dritten Capittel Johannis v. 16. Also hat GOtt die Welt geliebet daß er
seinen Eingebornen Sohn gab / auff das alle / die an jhnen gleuben nicht
verloren werden / sondern das ewige Leben haben. Item aus dem fünfften cap. v.
24. Warlich / Warlich / sag ich euch: Wer mein Wort höret vnd gleubet dem / der
mich gesand hat / der hat das ewige Leben / vnd kommet nicht in das Gerichte /
sondern er ist vom Todte zum Leben hindurch gedrungen. Item aus dem elfften cap.
v. 25. Ich bin die Aufferstehung vnnd das Leben / wer an mich gleubet / der wird
leben ob er gleich stirbe. Item aus dem achten cap. v. 51. Warlich / Warlich
sage ich euch / so jemand mein Wort wird halten / der wird den Tod nicht sehen
ewiglich / etc. Sondern er zeiget vns auch dieselbe in herrlichen vnd anmütigen
Exempeln der gleubigen / welche seliglich gestorbe̅ seyn / vn̅ daran also diese Kunst jhr experimentum vnd gewisse vnfeilbar
probam gegeben hat. Sintemahl diese Kunst nicht stehet in blossen wissen / davon
man viel grübelens vnd krügelens machen dürffe / sondern stehet in prax, i in
der vbung vnnd wercke selbsten. Da man derowegen die Exempel der außerwehlten
Kinder GOttes siehet / welche da durch seliglich aus dieser elenden Walfart
heimgefahren seyn / da siehet man die Kunst / da siehet man der Kunst gewißheit
/ da siehet man praxin vnd vbung / vnnd wie wir darinnen
|| [ID00010]
zu vnser von GOtt bestimbten zeit /
jhnen nach folgen mügen.
Dieweil nun auch vnser in Christo seliger Mittbruder / dessen hinterlassenen
Leichnamb wir jtzo zu seinem Ruhebette begleitet haben / an seinem Ende durch
Hülff des heiligen Geistes krefftiglich hat sehen lassen / wie wol er diese
Kunst gefasset gehabt habe / vn̅ also den vmbstehende̅ vn̅ anwesende̅ Verwante̅ vn̅ Freunde̅ ein augenscheinliches Beyspiel gegebe̅ / in dem er sein lebe̅ / zwar nicht auff solche
Art des Todes / jedoch fast mit denselbigen Worten / wie der Gottselige
Stephanus in verlesenen Worten / beschlossen vnnd geendet. Bin ich verursacht
vnnd bewogen worden / selbiges Exemplum practicum in dieser Christlichen
Leichpredigte / einfeltiglich nach der Richtschnur göttliches Wortes vns
lebendigen zum vnterricht zuerkleren. Vnnd zwar vmb besser richtigkeit willen in
den zween nachfolgenden Stücken.
Erstlich wollen wir an Stephano lernen / wie er sich zum Tode geschicket
habe.
Zum andern wie er gestorben / vnnd wo für sein Tod von dem heiligen Geist
gehalten werde.
Der Vater aller gnaden vnnd Barmhertzigkeit / wolle vns hierzu verleihen vnd
mittheilen die Hülffe vnnd Regierung GOttes des heiligen Geistes vmb seines
lieben Sohns JEsu Christi / willen / Amen.
|| [ID00011]
Vom Ersten.
DAs erste nun betreffend / wird vns nambhafft gemacht die Persohn / welcher
heimfart vnnd abschieden vns hie beschrieben wird / nemblich / Stephanus(Act. 6.) der Fürnemeste vnter den sieben Männern
/ welche mit aufflegung der Hände von den Aposteln darzu bestellet vn̅ bestetiget / daß sie den Arme̅ Gütern vorstehen
vnd gebürlicher weise die Almosen den Nottürfftigen außtheilen solten.
Weil er aber war voll Glaubens vnnd Kräfften / Wunder vnd Zeichen zuthun vnter
dem Volck / vn̅ also die Apostolische Lehr des heiligen Evangelii
zubekrefftigen / muß er auch erfarn was Christus seinen trewen Dienern zuvor
gesagt hatte: Der Knecht ist nicht grösser(Ioh. 15.
??? 20.) den̅ sein Herr. Haben sie mich verfolgt / sie
werde̅ euch auch verfolgen / haben sie meine Wort gehalten /
so werden sie ewres auch halten. Den̅ da wiedersetzen sich jhm
nicht allein etliche von dem Jüdischen Schulen in einer harten vnnd scharffen
Disputation, sondern da sie nicht vermöchten / zuwiederstehen der Weißheit vnnd
dem Geist / der da redet / nach Christi verheissung: Luc. 21. 15. Ich wil euch
Mund vnd Weißheit geben / welche nicht sollen wiedersprechen mögen noch
wiederstehen alle ewre wiederwertigen / stelleten sie Falsche Zeugen auff /
welche jhn beschüldigen
|| [ID00012]
müssen /
alß wann er wieder GOtt vnnd das Gesetze lester Wort geredet hette. Vnd diese
Art vnnd gewonheit behalten noch biß auff den heutigen Tag alle Kätzer vnd
Schwermer / da sie dem heiligen Geist vnnd der Krafft seines Wortes nicht lenger
wiederstehen mügen / so greiffen sie zur Lügen vnd vnterfangen sich die Warheit
mit lestern zu vnterdrücken oder den einfeltigen verdechtig zumachen. Da wir aus
Gottes Wort treiben die Lehr von vergebung der Sünden / daß wir gerecht werden
ohn verdienst aus Gottes Gnade / (Rom. 3. v. 24.
25.) durch die erlösung so durch Christo JEsu geschehen ist / welchen
GOtt hat für gestellet zu einem Gnadenstuel durch denn Glauben in seinem Blut /
da ruffen vnd schreyen vns die Papisten aus / alß wen wir verbieten ein
Gottseliges vnnd Christliches Leben / gute Werck vnd Frommigkeit. Da wir aus
Gottes Wort Leren vnd Predigen / daß vnserm HErrn vnd Heyland JEsu Christo / in
der zeit mit getheilet sein nach seiner Menschheit götliche eigenschafften /
Göttliche Herrligkeit vnnd Mayestät / da müssen wir denn Calvenisten /
Eutychianer seyn / welche die Menschheit gar zur Gottheit machen. Da wir ausden
Worten der Einsatzung treiben vnnd beweisen die Lehr von der warhafftigen vnnd
wesentlichen gegenwart des Leibs vnnd Bluts Christi in seinem Heiligen Abendmahl
vnnd deren mündliche / jedoch Sacramentliche vnnd geheime Niesung / da müssen
wir eben denselben Capernaitae, vnnd
|| [ID00013]
Blutdürstige Fleisch fresser seyn. Da wir aus GOttes Wort leren / daß durchs
gepredigte Wort vnnd von GOtt eingesetzten Gebrauch / der Hochwürdigen
Sacramente der verblendete vnnd Gottes Weißheit wiedriger Mensch / in krafft des
heiligen Geistes erleuchtet mit lebendigem Glauben begabet / imselben
krefftiglich erhalten / vnd also von Sünden vnnd aus dem Reich des Teuffels
erlöset / auch zugleich in Gottes Reich vnnd endlich ins ewige Leben gebracht
vnnd versetzet werde / da muß jhnen das Predigampt / vnnd dessen verrichtungen
eine Zauberey sein vnnd heissen. Aber wir sehen alhie an dem Exempel des
heiligen Stephani, daß es dem Vater aller Lügen vnd seinen Werckzeugen nicht
newe sey / also zuverleumbden vnd die heylsameste Lehre für Gottes Lesterungen
außzuruffen. Vnd sollen wir vns derhalben von der reinen Warheit nicht
abschrecken lassen / sondern im gedechtniß behalten was Christus saget: Matt. 5.
v. 11. Selig seid jhr / wenn auch die Menschen vmb meinet willen schmehen vnd
verfolgen / vnnd reden allerley vbels wieder euch / so sie daran liegen. Seid
frölich vnd getrost / es wird euch im Himmel belohnet werden.
Ob wol aber der hoch erleuchte Diener Gottes / solche verleumbnung vnnd falsches
angeben mit einer außführlichen vnd Geistreichen apologia vnd Schutzrede
genugsam von sich abgelegt / dennoch kan solchs wieder die Verräter vnnd Mörder
/ wie er sie selber
|| [ID00014]
nennet / nicht
helffen noch gelten: Ob sie schon sein Angesicht sehen / wie eines Engels
Angesichte / jhnen auch die Predige durch Hertze ging vnd also vberzeuget würden
/ wolle̅ sie jhr Blutdürstiges Hertz doch nicht erweichen lassen /
sondern bissen die Zäne zusammen vber jhn / hielten jhre Ohren zu / stürmeten
einmütiglich zu jhm ein / stiessen jhn zur Stad hinaus / vnd die Zeugen legten
jhre Kleider ab vnd steinigten Stephanum. Ebenmessigen processum vnnd Ordnung
mit den trewen Lehrern / welche jhm an seinen Stul vnnd Küche greiffen /
zuverfahren / hat auch der Bapst das Kind des Verderbens zu Rohm gelernet / auch
so viel vnnd fleissig gebraucht / daß er truncken worden ist von dem Blut der
Heyligen / vnd der Zeugen JEsu: Hette jhn auch für hundert Jahren gerne wieder
den̅ tewren Mann GOttes Lutherum gebraucht / wenn es jhm durch
verhengnus GOttes hette gelingen mügen. Aber es war die zeit kommen / da der
Mensch der Sünden / vnnd das Kind des Verderbens solte offenbar werden / vnnd
zwar wie es das Werck an jhm selber zeuget durch denn Dienst des Heyligen
Lutheri, Warumb auch GOtt der HErr seine wunderbare Weißheit vnnd Allmacht in
dem gantzen Werck mercklich hat sehen lassen / daß wir Christlich vnnd recht
auff den Lutherum ziehen mügen / was der HErr zum Propheten Jeremia sagt: Cap.
15. Ich habe dich wieder diß Volck zur festen Ehrnen Mawren gemacht / ob sie
wieder dich streiten
|| [ID00015]
sollen sie dir
doch nichts anhaben / denn ich bin bey dir / daß ich dir helffe vnnd dich
errette / spricht der HErr / vnd ich wil dich auch erretten aus der Hand der
Bösen / vnd erlösen aus der Hand der Tyrannen.
Wie verhelt sich aber Stephanus in diesem gewalthätigem grausamen Proces? Als ein
Bestendiger hertzhaffter Ritter vnd Zeuge der Warheit / darinnen man die
gegenwart vnd wirckungen des heiligen Geistes sonderlich zu mercken hat / wie
den Lucas von jhm rümet / das er gewesen sey voll Glaubens vnnd heiliges
Geistes. Denn siehe da die falschen Zeugen mit Steinen mechtig vnnd feindselich
auff jhn zuwerffen / gedencket er nicht seine Vnschult lenger zuverthetigen /
sondern helts jhm gleichsamb für einen Ruhm mit seinem Blut die Lehre des
Evangelii zubekrefftigen / er gedencket nicht der grossen Schmertzen / sondern
viel mehr an die Herrligkeit / gegen welche aller Welt Leiden nichts zuachten /
vnd dazu er durch den Glauben an Christum gewißlich kommen würde.
Er gedencket auch nicht an seinen Leib / wo der bleiben würde / ob er würde von
Hunden gefressen werden / oder bey dem Steinhauffen liegen bleiben / noch an
sonsten etwas in dieser Welt / welches jhn hette betrüben vnd trawrig machen
können / sondern er vergisset alles dessen / daß dahinden war / vnd hub seine
Augen auff gen Himmel / da er sahe die Herrligkeit Gottes vnd JEsum stehen zur
rechten GOttes / den rieff er an vnd sprach: HErr JEsu nim meinen Geist
auff.
|| [ID00016]
Vnnd da die Kreffte des Leibes dahin / vnnd die Beine denn Leib nicht mehr tragen
wolten / da kniet er nieder / vnd schrey laut: HErr behalt jhnen diese Sünde
nicht.
Dieses Gebet hat zwey fürneme Stücke in sich / in dem ersten leuchtet die
bestendigkeit eines rechtschaffenen Glaubens. Denn das schrecken des Todes lest
er sich von Christo nicht reissen / sondern ist gewiß dadurch so viel neher zu
jhm zukommen / daß er jhm auch seinen Geist zu trewen Händen befehlet. In dem
andern leuchtet eine vngeferbte liebe aus dem Glauben herfliessend / gegen seine
Nehesten: Denn er vergibt nicht allein von Hertzengrnnd seinen Feinden / sondern
bittet auch für sie / daß jhnen Christus solche Sünde nicht behalten wolle.
Bey dem ersten lernen wir von Stephano, warumb ein Christen Mensche sein gantzes
Lebenlang / vnd fürnemlich in letzten Zügen sich bekümmern vnnd bemühen solle:
Die Welt kan hie nichts gewisses finden noch zeigen / sondern zappelt / wie die
Blinden in dem Finstern: Denn etliche wenden jhren höhesten fleiß an zeitliche
Güter vnd Reichthumb dieser Welt / wie jener Mammons Knecht Luc. 12. der seine
Schewren abbrechen vnd grösser machen will / vnd zu seiner Seelen spricht: Liebe
Seele / du hast einen grossen Vorrat auff viel Jahr lang / iß vnd trinck / vnd
habe
|| [ID00017]
einen guten Muth: Was wird jhm
aber für eine Antwort? Du Narr / diese Nacht wird man deine Seele von dir
fordern / vnd wes wirds seyn / daß du bereitet hast? Darauff macht auch der HErr
selber eine feine application, vnd spricht: Also gehet es / wer jhm Schätze
samblet / vnd ist nicht Reich in GOtt. Wen̅ es müglich were / daß
einer die gantze Welt innen hette / könte jhm doch solcher Reichthumb wieder den
Todt nichts helffen / noch wieder GOttes Zorn vber die Sünde / denn so spricht
der Propheta Sophon. Cap. 1. Ihr Silber vnd Gold wird sie nicht erretten am Tage
des Zorns / sondern das gantze Land soll durchs Fewr seines Eivers verzehrt
werden. Der Apostel Paulus spricht 1. Tim. 6. Wir haben nichts in die Welt
gebracht / offenbar ist es / wir werden auch nichts mit hinaus nemen / vnd Hiob
in seinem Buch Cap. 1. Ich bin Nacket von meiner Mutterleibe kommen / Nacket
werde ich wieder dahin fahren.
Andere die nemen sich zwar jhrer selbst an / aber doch mehr des Leibes / den des
Geistes oder der Seele / sehen nicht drauff / wie jhre Seele müge GOtt gefallen
/ vnd im Absterben in Abrahams Schoß getragen werden / sondern nur allein / wie
alhie jhrem Leibe dem elenden Madensacke an essen vnd trincken / an andern
Vppigkeiten vn̅ Wollüsten müge gütlich geschehen / wie er mit
statlichen Kleidungen / Silber / Gold / Edelgestein vnnd anderm köstlichem
Geschmeide müge auff
|| [ID00018]
das
allerherrlichste heraus geputzet werden / wie der Reiche Epicurer Luc. 16. von
welchem geschrieben stehet. Es war ein Reicher Mann / der kleidet sich mit
Purpur vnd köstlichem Leinwand / vnd lebt alle Tage herrlich vnd in Frewden:
Aber es nam diese vngebürliche pflege vnd wartung des Leibes ein böses Ende.
Denn er starb / vnnd ward der Leib zwar begraben / aber die Seele muste in der
Hellenflammen grosse Qual vnnd Pein leiden vnnd außstehen / wirds auch leiden
müssen / in alle Ewigkeit.
Darumb lasset vns alhie Stephanum ansehen / der vergisset seines Leibes auch
mitten in der Angst vnd Schmertzen / nicht zweiffelend GOtt werde wissen / wo
auch die Steublein bleiben / vnd am Jüngsten Tage daraus einen glorificirten
Leib zuerbawen / vnd trachtet allein dahin / daß sein Geist / wenn er vom Leibe
abscheide / wol müge verwahret seyn. Es ist allerdings nicht vnrecht / daß man
auch des Leibes warte / doch daß er nicht Geil werde / wie der Apostel Paulus
redet. Denn so spricht der Prediger Salomonis Cap. 9. v. 7. Gehe hin / vnnd iß
dein Brod mit Frewden / trinck deinen Wein mit guten Muth / vnd Cap. 6. v. 12.
Es ist ein Vnglück / daß ich sahe vnter der Sonnen / vnnd ist gemein bey den
Menschen. Einer dem GOtt Reichthumb / Güter vnnd Ehre gegeben hat / vnd mangelt
jhm keins / daß sein Hertz begehret / vnnd GOtt doch jhm nicht macht gibt /
desselben zugenies
|| [ID00019]
sen /
sondern ein ander verzehret es / daß ist eitel vnd eine böse Plage. Viel weniger
ists aller dings vnrecht / dahin sich befleissigen bey seinem leben / daß nach
absterben auch der Leib müge Christlicher weise zu seinem Ruhekämmerlein
gebracht werden: Denn solches wird auch als ein sonderbare Wolthat GOttes
gerümet / die einem verstorbenen Menschen in dieser Welt wiederfahren kan.
Inmassen wir sehen Gen. 15. Da dem Abraham diese tröstliche verheissung
geschiehet: Du solst fahren zu deinen Vätern / vnd in gutem Alter begraben
werden. Da hergegen als ein sonderbare Straffe den Jüden gedräwet wird / Ierem.
Cap. 9. Das jhre Leichnam sollen liegen wie der Mist auff dem Felde / vnd wie
Garben hinter dem Schnitter / die niemand samblet. Warumb auch die gleubigen
Kinder GOttes eine ehrliche sepultur vnd Begräbnis gewünschet haben. Jacob
sprach zu seinen Söhnen Gen. Cap. 49. Ich werde versamblet zu meinem Volck /
begrabet mich bey meine Väter / in der Höle auff dem Acker Ephron des Hethiters
/ in der zweyfachen Höle die gegen Mamre liegt / im Land Canaan / die Abraham
kauffte / sampt dem Acker von Ephron dem Hethiter zum Erbbegräbnüs. So lesen wir
auch im newen Testament von dem frommen vnd Gottßfürchtigen Rathßherrn zu
Jerusalem / Joseph von Arimathia / daß er jhme auch noch bey seinem leben sein
Gräbstetlein verfertigen lassen / vnnd zwar in seinem
|| [ID00020]
Lustgarten / auff das / wenn er
etwa von schweren Amptssorgen so viel abgebrochen / vnd sich ein wenig
erlüstigen wollen / er doch stets dabey seines Endes gedencken möchte. Aber es
hilfft doch dieses nicht zur Seligkeit: Der Reiche Mann / Luc. 16. ward begraben
/ vnnd ohn allen zweiffel auff das aller statlichste: Dennoch muß seine Seele in
der Hellen grosse Qual vnnd Pein leiden. Darumb muß ja noch etwas anders an dem
Menschen seyn / dafür er sonderlich sorgen vnnd dessen er mehr / denn des leibes
wahr nemen sol / fürnemlich wenn es zum Abdruck gehet. Das nennet hie Stephanum
seinen Geist. HErr JEsu nim meinen Geist auff / vnnd verstehet dadurch nicht
anders als seine Menschliche vnnd Vernünfftige Seele / den wir lesen Gen. 2. Das
GOtt der HErr den Menschen aus zweyen stücken zusammen gesetzt / eins ist der
Leib: Das ander ist die Seele / davon der Leib sein leben vnnd alle lebendige
bewegungen vnnd vernünfftige wirckungen hat / inmassen Moses sagt: v. 7. GOtt
der HErr machet den Menschen aus eim Erdenkloß / vnd er bließ jhm ein den
lebendigen Athem in seine Nasen / vnd also ward der Mensch eine lebendige Seele.
Nach dem derwegen durch den sündlichen Fal / das von GOtt vnaufflößlich
erschaffenes Band der vereinigung zwischen Leib vnd Seele ist zertrennet worden
/ so muß der Leib wieder zur Erden werden / davon er genommen ist /
|| [ID00021]
laut dem Wort GOttes / Gen. 3. v.
19. Du bist Erden vnnd solt zur Erden werden. Die Seele / aber als ein Geistlich
Weesen ist vnsterblich / vnd muß bleiben als ein seblstendig ding / auch wenn
sie vom Leibe abgescheiden ist / wie hievon der Prediger Salomonis zeuget: Cap.
12. v. 7. Der Staub muß wieder zu der Erden kommen wie er gewesen ist / vnnd der
Geist wieder zu GOtt / der jhn gegeben hat.
Darumb so viel edler vnnd köstlicher des Menschen Geist ist als der Leib / so
viel mehr wird auch daran gelegen seyn / desselben bey zeiten wahr zunemen / daß
er auch ausser dem Leibe wol müge verwahret seyn: Daß haben alle Heiligen zu
aller zeit gethan / inmassen solches zusehen aus dem ein vnnd dreyssigsten Psalm
David / da er vns an seinem Exempel zeiget mit was seufftzen die lieben
Ertzväter jhr leben beschlossen haben / in dem er also spricht: In deine Hände
befehl ich meinen Geist. Du hast mich erlöset HErr du trewer GOtt / welche Wort
auch vnser Heyland vnnd Seligmacher JEsus Christus gebraucht / da er seinen
Geist auffgeben wolte / Luc. 23. v. 46. Vatter ich befehl meinen Geist in deine
Hände / also nicht allein als vnser Hoherpriester sampt seiner Seelen / die
vnseren seinem Himlischen Vater auffs trewlichste zu befehlen / sondern auch vns
zu leren / mit was grossen fleis wir im letzten
|| [ID00022]
der Vnsern wahr nemen sollen. Denn
Christi Seele war mit dem selbstendigen ewigen Wort GOttes Persöhnlich
vereiniget / vnd wuste den Weg zum leben Ps. 16. v. 11. da die Vnseren wenn er
wolte Sünde zurechnen / von GOtt gescheiden / vnd den Weg des Lebens von jhnen
selber nicht treffen mügen / ja in grosser gefahr stehen / daß sie dem Teuffel
in sein Netze lauffen / der wie ein Jäger vnnd Wildschütz in dem Wald hervmb
fähret Ps. 91. Christi Seele war gantz heilig vnd vnbefleckt / vnd kunte der
Teuffel daran nichts finden / deß er sich anzumassen / wie Christus zeuget
Iohan. 14. v. 30. Es kompt der Fürste dieser Welt vnnd hat nichts an mir. Aber
wenn vnsere Seele außfehret aus dieser gebrechlichen Hütten / bleibts doch war
daß sie viel gesündiget habe / daß sie auch von wegen der Wercke muste in die
ewige Finsternis verworffen werden / wenn sie nicht mit Christi Blut gereiniget
were. Christi Seele kunte auch mit Göttlicher Macht / welche jhr in vnd durch
die Persöhnliche vereinigung beyder Naturen wircklich mitgetheilet war / sich
selbsten mit dem leibe wesentlich wieder vereinigen vnd den Tempel seines Leibes
aus der Erden wieder auffrichten / wie er auch selber dahin siehet Iohan. 10. v.
17. Niemand nimmet mein Leben von mir / sondern ich lasse es von mir selber /
ich habe es macht zulassen / vnd habe es macht wieder zunemen. Vnd Iohan. 2. v.
19. Brecht diesen Tempel ab / vnd am dritten Tage
|| [ID00023]
wil ich jhn auffrichten. Vnsere
Seelen aber kunten in ewigkeit mit jhren Leibern nicht wieder vereiniget werden
/ wenn nicht GOttes Allmacht eine algemeine Aufferstehung verheissen hette.
Darumb liebe Christen bedencket es wol / wie hoch von nöten vns sey vnsere Seele
dahin zuvertrawen / da sie nicht allein wol verwart / ja da jhr wol / vnd sie
aller Sünden frey / sondern da auch Macht vnnd Krafft / den Leib aus dem Staub
der Erden heraus zuführen / vnd mit der Seel zuvereinigen / ja auch das
zerrissene Band der vereinigung ewig vnd vnaufflößlich zumachen.
Da stehet nun schon Sonnenklar genug / wem wir dieselbe recom mendiren sollen /
wenn sie in dem verweßlichen Cörper nicht lenger hausen vnnd bleiben mag.
Nemblich vnserm Heyland vnd Seligmacher JEsu Christo.
Diesen hochnotwendigen vnd nützlichen Punct / wissen wir GOtt lob vnnd danck für
allen Heyden. Denn wens hochkompt / so ruffen sie mit jhrem Praeceptore vnd
Lehrmeister Aristotele: O Ens entium miserere mei. O du Weesen aller Weesen
erbarm dich mein. Wer aber dis Weesen sey / wissen sie durch aus nicht /
zugeschweigen daß sie nicht gewust ob die Seele vnsterblich were / oder ob sie
wie ein Dampff vnd Rauch verginge / inmassen denn der Weltweise Heyde Cicero
selber von jhm schreibet: Quod si hoc
|| [ID00024]
(Lib. de senecti.) erro, quod hominum animos
immortales esse credo, libenter erro, non mihi hunc errorem, quo delector, dum
vivo, extorqueri volo. So ich in dem irre / daß ich die Seelen der Menschen für
vnsterblich halte / so wil ich gerne jrren. Weil mir aber solcher Irthumb
wolgefellet / wil ich mir jhn nicht nemen lassen / so lang ich lebe.
Wir wissen jhn für allen Papisten / wie hoch sie sich auch rühmen / sie sitzen
auff Mosis Stul / vnnd haben allein den Schlüssel zur heiligen Schrifft / vnd
deren rechten Verstand: Den sie weisen jhre sterbenden von Christo auff die
verstorbene Heyligen / vnnd sonderlich auff die hochgebenedeite Jungfraw Mariam,
mit grosser GOttes Lesterung fürgebend / daß sie bey denselben viel
angenemlicher / auch viel besser verwahret sey. Daher beten sie in jhrem Hortulo
animae.
Maria Mater gratiae, Mater misericordiae Tu nos ab hoste protege, in hora mortis suscipe. Maria du Mutter aller Gnad / die allein Erbarmung hat. Des Teuffels gewalt du von vns wend / nim vnser Seel in deine Händ. Aber diese Betrigerey kan bey sterbenden den stich nicht halten / muß lauter zweiffel vnnd schrecken des Todes bringen: Den Abraham weiß von vns nicht / vnd Israel kennet vns nicht / du aber HErr / bist vnser Vater vnd vnser Erlöser / von alters her ist das dein Name / sagt die Kirche GOttes im alten Testamente
|| [ID00025]
Esaiae Cap. 64. V. 16. Darumb
auch jener Christlicher Hochweiser Rath / seinem Fürsten vnd Herrn in Todesnöten
recht zu gesprochen / alß er vermerckte wie die Münch vmb jhn stunden / vnd
einer jhn auff Paulum, der ander auff Petrum, der dritte an die Mutter GOttes
weise: Denn da trat er herzu vnd sprach: Gnediger Fürst vnnd Herr / Ewer
Fürstliche Gnade hat allewege bey gesunden lebtagen das Sprichwort geführet:
Gerade zu ist der neheste vnnd beste Weg. Dessen wolle sich Ewer Fürstliche
Gnade jetzund in der Todeßfahr erinnern / vnnd keinen Vmbschweiff machen /
sondern gerade zu mit gleubigem Gebet / vnd festen Glauben den HErrn Christum
ansprechen / vnd jhm als vnserm einigen Patron vnnd Heyland seine wechfertige
Seele vertrawen.
Dieses Stücks können wir vns auch für allen Calvinischen spitzfindigen vnnd
hochtrabenden Geistern rühmen: Dann ob sie auch wollen dafür angesehen seyn /
alß wenn sie jhre sterbenden zu Christo führen / auch deßhalben eine Christliche
vnnd Geistliche Brüderschafft von vns begeren / so thun sie doch nichts weniger
vnnd führen vnter dessen die jhrigen von jhrem Seligmacher am allermeisten ab.
Denn wie sol ich deme mit einem gleubigen Gebet meine Seele befehlen / von
welchem ich in grossen zweiffel stehen muß / ob er auch mein Heyland vnd
Seligmacher sey / oder nicht / ob sich sein Mitlerßampt auch
|| [ID00026]
auff mich erstrecke / oder nicht?
Ja denen ich bey höchster Vermaledeiung nicht darff anruffen nach seiner
Menschheit / vnd so weit von mir abe / alß der höheste Himmel von der Erden? Der
nichts mehr empfangen hat als endlich Gewalt vnnd Macht / so viel die Menschheit
natürlicher fehigkeit nach hat theilhafftig werden können: Den also spintisiren
sie aus jhrer natürlichen Vernunfft von jhrem einigen Heyland vnd Seligmacher.
Vnnd kan sie nichts helffen / daß sie solches vnd dergleichen hohen Wirckungen
vnd Wolthaten auff die Gottheit wollen ziehen: Denn so bald ich die Menschheit
aus setze / vnnd von den Mitlerßampt verrichtungen außschliesse / habe ich schon
denn Mitler verloren / vnnd die Menschwerdung vnsers Erlösers vernichtiget / wo
nicht verneinet. Denn so solche wirckungen hetten sollen oder können verrichtet
werden / von der blossen Gottheit warumb / ist den das Wort Fleisch worden?
Paulus Schreibet nicht vmbsonst: 1. Tim. 2. V. 5. 6. Es ist ein GOtt vnnd ein
Mitler zwischen GOtt vnd den Menschen: Nemlich der Mensch Christus JEsus / der
sich selbst gegeben hat für alle zur erlösung / daß solches zu seiner zeit
geprediget würde.
Aber GOtt lob vnd danck / wir wissen nicht allein wem wir vnsere Seele zu trewen
Händen befehlen sol len / sondern auch mit was Zuversicht vnd vertrawen wir
solches thun können.
|| [ID00027]
Denn siehe der ist ein HErr / HErr JEsu nim meinen Geist auff sagt hie Stephanus.
Er ist ein HErr nicht allein nach seiner Gottheit / wie er sagt Esaiae. 42. V.
8. Ich der HErr das ist mein Name / vnd wil meine Ehre keinem andern geben /
noch meinen Rühmden Götzen: Cap. 43. V. 11. Ich ich bin der HErr vnd ist ausser
mir kein Heyland / sondern auch nach seiner Menschheit / wie Petrus in seiner
Pfingstpredige lehret: Cap. 2. V. 36. So weiß nun das gantze Hauß Israel gewiß /
daß GOtt diesen JEsum / den jhr Gecreutziget habt / zu einem HErrn vnd Christ
gemacht hat. Den̅ jhme ist ja gegeben alle Macht vnd Gewalt im
Himmel vnd auff Erden: Matth. 28. V. 18. Vnnd er gebraucht auch solche Macht
vnnd Gewalt wircklich: Denn er sitzet zur Rechten seines Vaters im Himmel / vber
alle Fürstenthumb Gewalt / Macht / Herrschafft vnd alles was genant mag werden /
nicht allein in dieser Welt / sondern auch in der zukünfftigen: Ephes. 1. V. 21.
Vnnd verthetiget die Seinen / daß sie auch die Pforten der Hellen nicht
vberweltigen mügen / laut seiner gnedigen zusage: Iohan. 10. V. 27. 28. Meine
Schaffe hören meine Stimme / vnd ich kenne sie / vnd sie folgen mir / vnnd ich
gebe jhnen das ewige Leben / vnd sie werden nimmer mehr vmbkommen / vnd niemand
wird sie mir aus meiner Hand reissen. Der Vater der sie mir gegeben hat / ist
grösser denn alles /
|| [ID00028]
vnd niemand
kan sie aus meines Vaters Hand reissen. Er heist auch JEsus: HErr JEsu nim
meinen Geist auff. Ein Name vber alle Namen: Phil. 2. V. 9. Ausser welchem kein
ander Name dem Menschen gegeben ist / dadurch sie sollen Selig werden: Act. 4.
V. 12. Den̅ er fasset in sich in einem hauffen alles was dieser
JEsus vnser Heyland vnd Seligmacher an vnser Stad gethan vnd gelitten / vnnd
dadurch erworben vnnd zuwegen gebracht / vnnd daß er solches als vergebung der
Sünde / versöhnung mit Gott / Friede̅ des Gewissens /
Gerechtigkeit / daß Pfand vnser Erlösung / nemblich den H. Geist / ja das Heil
vnnd die Seligkeit / auch noch vns wircklich zueigne / gebe vnd mitheile /
inmassen solchs der Him̅lische Gesand vnd interpres vns selber
leret: Matth. Cap. 1. V. 21. Da er zu Joseph saget: Maria wird einen Sohn
gebären / deß Namen solstu JEsus heissen. Den̅ er wird sein Volck
Selig machen von jhren Sünden / vnd der Apostel Paulus auch drauff siehet / wenn
er schreibet an seinen lieben Timothium 1. Cap. 1. V. 15. Das ist je gewißlich
war / vnnd ein tewr wertes Wort / daß Christus JEsus kommen ist in die Welt /
die Sünder Selig zumachen. Ist nun demselben also / daß dieser vnser Heyland in
die Welt kommen / vns vnser Leib vnd Seele zuerretten aus dem Reich des Teuffels
/ der Sünden des Fluchs vn̅ eiwigen Todes /
|| [ID00029]
vnnd hinwiederumb wircklich in sein
Gnadenreich der Gerechtigkeit / vnd ewigen Seligkeit zuversetzen / so hat ja ein
jeglicher in seinem andechtigen Hertzen / bey jhm bald die Rechnung zumachen /
mit was Frewdigkeit er mit dem lieben Stephano jhme seine Seele commendiren vnd
befehlen künne. Er ist ein HErr: Niemand kan jhm deine Seele aus der Hand
reissen: Er thut was er wil im Himmel vnd auff Erden: Er ist aber auch ein
JEsus: Er wil vnnd muß Ampts halber / dazu er sich von Ewigkeit in dem Rath der
Hochgelobten Dreyfaltigkeit aus lauter erbarmen gutwillig anerbotten / vnnd vns
in dem heiligen Evangelio warhafftig versprochen / sich deiner Seele annemen /
vnnd sie Selig machen. Denn diesen Namen hat er nicht von Menschen / welche
darinnen offtermals feylen können / wie Eva die erste Mutter an dem ersten
Mutterkind Cain / sondern es ist ein Name von GOtt gegeben / wie Petrus lehret
Act. 4. V. 12. Vnd von dem Engel Gabriel Geoffenbahret / ehe dann er im Mutter
Leibe empfangen ward Luc. 2. V. 21.
Darumb können wir ja diesem Heyland vnsere Seele getrost committiren vnd befehlen
/ nicht allein bitlicher weise / sondern auch als ein Hochtewres / liebes vnnd
wertes Depositum oder Beylage? Denn er hat
|| [ID00030]
ja dieselbe erlöset erworben vnnd
gar tewr erkauffet / nicht mit vergenglichen Gold vnnd Silber / sondern mit
seinem Göttlichen Blut / auff daßwir sein Eigenthumb seyn / vnd vnter jhm leben
/ vnnd jhm dienen in ewiger Vnschult Gerechtigkeit vnd Seligkeit. Davon der
heilige Apostel Paulus diese herrliche vnnd tröstliche Wort füret Rom. 14. V. 7.
8. Vuser keiner lebet jhm selber / vnd keiner stirbet jhm selber. Leben wir / so
leben wir dem HErrn / sterben wir / so sterben wir dem HErrn / darumb wir leben
oder sterben / so sind wir des HErrn.
Wenn vnser HErr JEsus das Werck der erlösung nicht hette gutwillig auff sich
genommen / vnd in erfüllung der zeit verrichtet / durch seinen Todt die Macht
genommen / denn der des Todes Gewalt hatte / daß ist dem Teuffel / vnnd vns
erlöset die wir durch Furcht des Todes im gantzen Leben Knechte sein müsten / so
were vnser Leib vnd Seel im sterben alßbald dem leidigen Teuffel vnnd dem eiwige
Todt heimgefallen. Denn wir waren Kinder des Teuffels / vnd Knechte der Sünder.
Aber siehe da heists nun besser / vnd einem andern gestorben / nemblich deme /
der vns erlöset. Denn so lang einer vnter dem Türcken gefangen ligt / wenn er
stirbet / so stirbet er dem Türcken / der gehet mit jhm seines gefallens vmb:
Wann aber ein grosser Herr vnnd Potentat kompt / vnnd legt für den Gefangenen
die Rantzion ab / so ist er nicht des
|| [ID00031]
Türckens mehr / sondern dessen / der jhn gekaufft hat / dem lebet vnd stirbet
er. Eben also helt es sich auch alhier. Christus hat für vns eine starcke vnd
schwere Rantzion außgelegt: Wer derwegen solch Rantzion vnd Lösegeld durch den
Glauben für seine Gefängnis da legt / was hat an deme Teuffel / Sünde vnd Todt?
Wem stirbet er billiger / den seinem Erlöser vnnd Seligmacher? Weme kan oder sol
er auch mit grosser Zuversicht vnd Frewdigkeit seine Seel anheime schicken? Das
verstande der heilige Dionysius wol / vnd war deßhalben diß sein einiger Wunsch
in seienm Leben.
O Domine lesu, ultimum tuum Verbum in ???ruce, Sit ultimum meum Verbum in hac luce. Ach HErr JEsu / daß letzt Wort dein / Laß auch mein letzten Seufftzer seyn. Das letzte Wort Christi aber war: Vater ich befehl meinen Geist in deine Hände. Ob aber Stephanus diese Wort gefüret in seinem letzten / so ist doch kein zweiffel / daß er als ein Rechtgleubiges Kind vnd Diener GOttes / dieselbe zu Tag vnnd zu Nacht vnd allwege fleissig in vbung gehalten habe. Denn rechte ware ernstliche Christen gehen jmmerda mit dem Todt vmb / vnd halten ein jegliches Stündlein fürs letzte / befehlen demnach auch allezeit jhre Seele jhrem Erlöser vnd Seligmacher / auff daß sie ja nicht zur bösen zeit mügen vberrückt werden /
|| [ID00032]
Inmassen den auch der
Königliche Prophete David bey gesundem Leibe diß gebet treibet: Psalm 31. In
deine Hände befehlich meinen Geist / du hast mich erlöst HErr du trewer GOtt /
vnd auch wir allesampt dazu auffgemuntert werden / durch vnsern HErrn JEsum
Christum: Luc. 12. Lasset ewr Länden vmbgürtet seyn / vnd ewre Liechter brennen
/ vnd seit gleich den Knechten / die auff jhren Herrn warten / wenn er
auffbrechen wird von der Hochzeit / auff daß / wenn er kompt vnd ankloffet / sie
jhm bald auffthun. Selig sind die Knechte / die der HErr / so er kompt wachend
findet. Warlich / ich sage euch / er wird sich auffschürtzen / vnd wird sie zu
Tische setzen / vnd für jhnen gehen vnd jhnen dienen. Dessen sollen wir vns ja
täglich erinneren bey vnserem Morgend vnd Abend Gebet / da wir zu vnserem
Himlischen Vater sprechen: Ich befehle mich / mein Leib vnd Seele / vnnd alle
ding in deine Hände / dein heiliger Engel sey mit mir / auff das der böse Feind
keine Macht vber mich finde Amen. Dessen vergaß auch der Gottselige Münch
Bernhardus nicht / wenn er sein tägliches Gebet verrichtete:
In cruore tuo lotum Me commendo tibi totum Tuae sanctae manus istae Me defendant Iesu Christe, Extremis in periculis. Der ich durch dein Blut greniget bin / Geb Leib vnd Seel dir gar dahin.
|| [ID00033]
HErr
JEsu Christ / dein heilige Händ / Behüten mich an meinem End.
Wie nun aber die gantze heilige Göttliche Schrifft ist ein vnaußschöpffliches
Meer / also kunten aus diesem Vnterricht auch viel herrlicher Flüß vnnd Bächlein
deducirt vnd geführet werden.
Für dißmahl wollen wir mit einander betrachten / was für ein mechtiger Trost
daraus erwachse. Wenn vns diese Lehre nicht bekand / vnnd in GOttes Wort
gegründet were / so müchten wir ja aus verzagtem Hertzen sagen. Ich fahre vnd
weiß nicht wohin / Mich wundert das ichfrölich bin. Nicht aber also. Ich fahre
vnd weiß wol wohin / mich wundert das ich trawrig bin.
Vnter den Heidnischen Philosophen waren / welche treumeten / daß die Seele / wenn
sie aus einem Cörper außführe / alßbald in einen andern einkehrte / auch wol der
vnvernünfftige Thiere: Welche Heidnische Phantasey auch vnter die Juden kommen
war: Den̅ wie zusehen Matth. 4. Machte jhm Herodes die Gedancken /
alß wenn Eliae deß Theßbiten Seele in Johannem den Teuffer gefahren / vnnd
Johannis Seele nach seinem Todt in den Leib des HErrn Christi. Sol aber dem also
seyn / wie es den nur ein lauterer Heidnischer Traum ist / was wolte
schrecklicher sein als sterben? Denn die Gleubigen haben in dieser Welt kein
grösser Elend als an jhnen selber / daß sie
|| [ID00034]
mit der anklebende Sünde jmmerda /
so lang die Seele in dieser sterblichen Hütten wohnet / zu Feld liegen müssen /
haben auch kein grösser begierde / als das im zeitliche̅ Tod
solcher Krieg ein Loch krigen müge / jemale̅ den Paulus ein
herrlich Seufftzen thut: 1. Cor. 7. V. 24. Ich elender Mensch / wer wird mich
erlösen von dem Leibe dieses Todes? Vnd spricht: 2. Cor. 5. Wir sind getrost /
vnd haben viel mehr Lust ausser dem leibe zu Wallen / vnd dahinnen zu sein bey
dem HErrn.
Nicht geringer Thorheit ereignet sich auch an den Bäpstlern / welche die Seelen
der Menschen nach jhrem abscheid aus dem Leibe in das Fegfewr verweisen / daß
sie darinnen so lang geprügelt vnnd gebraten werden / biß man jhr mit Vigilien
oder Seelmessen heraus hilfft / oder sie sonsten darinnen gereiniget vnnd
purgirt werde. Solte das wol heissen / Christus ist mein leben sterben ist mein
gewin? Stephanus weis hie vom Fegfewr nichts / der befehlt seine Seele nicht dem
Peinigern / sondern seinem HErrn JEsu / Heyland vnnd Seligmacher? Gilt auch kein
einwendens / Stephanus sey vol Glaubens vnd Geistes gewesen / vnnd habe also
einen Fürzug gehabt. Denn ob zwar der Geist vnnd Glaube seine vnterschiedene
stärcke vnnd schwachheit in vnterschiedenen Menschen hat / so ist (Act. 15.) dennoch eine Seligkeit / vnd ein Glaube
dadurch wir Selig werden / wie vnser Väter / vnd zwar der Vater aller Gleubigen
Abraham: Rom. 4. Solte ein
|| [ID00035]
Papistisch Fegfewr seyn / wie hette dessen der Schechet am Creutze so wol
bedürfft / alß der sein gantzes leben in mutwilligen Sünden zu gebracht / vnnd
seine Bekehrung zu GOtt gesparet hatte / biß jhm die Seele auff der Zungen saß:
Aber da wil der Herr JEsus von keinem solchen Fewr wissen / sondern spricht zu
jhm: Heute wirstu mit mir im Paradiß seyn. Das ist ein krefftiger Trost / so
bald die Seele abscheidet sol sie bey Christo seyn / Selig sind die Todten die
im HErrn sterben von nun an / sagt eine Stimme vom Himmel: Apoc. 14. V. 13.
Derwegen ist kein mittel / welche im HErrn entschlaffen / deren Seelen komm en
alßbald aus der Vnruhe zu Ruhe vnnd Frieden / auß der Finsterniß zum Liechte /
auß dem Trawren zur Frewde / auß der Mühseligkeit zur Herrligkeit / aus der
Trübsaligkeit zur Volkommenheit. Denn davon sagt auch daß Buch der Weißheit Cap.
3. Die Seelen der Gerechten sind in GOttes Händ / vnnd keine Qual rüret sie an:
Für den vnverstendigen werden sie angesehen / alß sterben sie / vnnd jhr
abschied wird für eine Pein gerechnet / vnnd jhr Heimfart für ein Verderben /
aber sie sind im Frieden: Im ersten Buch Samuelis: Cap. 25. V. 29. Wird die
versamlung der Seelen genennet ein Bündlein der lebendigen bey GOtt dem HErrn /
vnd: Luc. 23. Ein Paradiß anzuzeigen / daß die Seelen nicht da hinfallen in
einen Schlaff / da sie weder lieb noch läid empfinden / wie
|| [ID00036]
etliche geschwermet haben / sondern
daß sie leben bey GOtt dem HErn / vnnd also haben ein Himmlisch leben / dessen
höheste Volkommenheit stehet im Erkentnis vnnd anschawen der Hochgelobten
Dreyfaltigkeit / Iohan. 17. Vnd in vnvermeßlicher Frewde neben den heiligen
Engelen für dem Stul GOttes stehen / vnnd mit lauter Stimm Lobsingen: Heyl sey
dem der auff dem Stul sitzet / vnserm GOtt vnnd dem Lamb.
Ists nun der gleubigen Seelen eine grosse Frewdigkeit in dieser sterblichen
Hütten GOtt erkennen / vn̅ sehen in seinem Wort / vn̅ loben vn̅ preisen / wie viel grösser wird solche Frewde da seyn
/ da GOttes Angesicht für Augen stehet / da der Leib / da Fleisch vnnd Blut / da
Teuffel vnd Welt nicht mehr gefehrlich / beschwerlich vnd hinderlich seyn? Da
müchte einer ja freylich mit David wol einen hertzlichen Seufftzen gen Himmel
schicken / auß dem 42. Psalm: Wie der Hirsch schreyet nach frischem Wasser / so
schreyet meine Seele GOtt zu dir / meine Seele dürstet nach GOtt nach dem
lebendigen GOtt / wenn werde ich dahin kommen / daß ich GOttes Angesicht schawe?
Mit dem alten Kirchenlehr Augustino: Domine Iesu moriar, ut te videam. Ach mein
lieber HErr JEsu laß mich sterben / auff daß ich sehe. Also von dem ersten
stücke des Gebetes Christi.
|| [ID00037]
Bey dem andern aber da er bittet HErr behalte jhnen diese Sünde nicht / lernen
wir auch zweyen notwendige Stücke / deren nach dem Exempel des heiligen Stephani
sich ein jeglicher Christenmensch / dem es vmb ein Seliges Sterbstündlein
allermeist zuthun ist / sich befleissigen sol.
Erstlich daß er ja kein Feindseliges Hertz habe wider andere Menschen / fondern
so viel an jhm ist / Fried vnnd Freundschafft halte mit jederman. Denn davon
stehen zumahlen ernstliche Wort bey dem heyligen Apostel vnd Evangelisten
Johanne / in seiner ersten Epistel: Cap. 4. V. 15. Wer den Bruder nicht liebet /
der bleibet im Tode. Wer seinen Bruder hasset der ist ein Todschläger. Vnnd jhr
wisset / das ein Todschläger hat nicht daß ewige Leben bey jhm bleibend. Cap. 5.
V. 7. Ihr lieben lasset vns vnter einander lieb haben. Denn die liebe ist von
GOtt / vnnd wer lieb hat der ist von GOtt geboren / vnnd kennet GOtt.
Wer nicht lieb hat / der kennet GOtt nicht / denn GOtt ist die Liebe: V. 20. So
jemand spricht: Ich liebe GOtt / vnd hasset seinen Bruder der ist ein Lügener.
Denn wer seinen Bruder nicht liebet / denn er siehet / wie kan er GOtt lieben /
denn er nicht siehet? Sehet da Sonnenklar / wo nicht ist die Liebe gegen den
Nehesten / da ist nicht der Glaube / oder Seligmachende Erkentnis GOttes /
|| [ID00038]
Vnnd also lauter Zorn vnd
Verdamnis: Denn wer da nicht gleubet / der ist schon gerichtet / denn er gleubet
nicht an den Namen des eingebornen Sohns GOttes.
Zum andern daß wir viel mehr ein versünliches Hertze haben sollen / vnd nicht
allein vnseren Wiedersacheren von Hertzen gerne vergeben / sondern auch den
lieben GOtt für sie anruffen / er wolle jhnen jhre Sünde vergeben / vnd Gnade
verleihen / daß sie die Feindseligkeit fallen lassen / vnnd mit warer Busse sich
zu GOtt bekehren. Also verbate vns vnserer eniger Hoherpriester bey seinem
Him̅lischen Vater / da wir jhnen mit vnseren Sünden zum Fluch
gemacht / vnd an das Creutz genagelt hatten. Wir solten jhm darin billig
nachfolgen / da wir von vnserm Nehesten kaum 5. Groschen zufordern / da wir jhm
mit zehentausent Pfund verhafftet? Aber es gehet vnserm Adamitischen vnd
Adamantischen Fleisch vnd Blut / vber die massen schwer eingehen / das auch
mennig voller Haß vnd Neid ist / wenn er schon einen Fuß in der Gruben hat /
noch mit Rachirigen gedancken vnd Geberden vmbgehet / wenn jhm der Todt die
Zunge schon gelemet. Gedencket demnach / waß Syrach saget Cap. 28. Ein Mensch
wil mit dem andern Zorn halten / vnd bey dem HErrn Gnade suchen? Es ist
vnbarmhertzig gegen seines gleichen / vnnd wil für seine Sünde bitten / er ist
nur Fleisch vnd Blut / vnd helt den
|| [ID00039]
Zorn / wer wil jhm seine Sünde verzeihen? Gedencket was vns Christus hat leren
täglich beten. Vergib vns vnser Schult / alß wir vergeben vnseren Schüldenern.
Darumb wer nicht vergibt was betet der anders als wieder sich / vergib mir nicht
meine Schuld / alß ich auch nicht vergebe meinen Schüldenern? Was ist aber mehr
von nöten beim Sterbstündelein / als eben die vergebung der Sünden? Denn wie die
Sünde vorbehalten ist / da hat der Teuffel fug vnd recht zu seiner Anklag / daß
Gesetz zu verfluchung / der Todt zuwürgen / die Helle zuverschlingen.
Ob aber Stephanus diese collecten für seinen Feinden eingelegt / da er jtzo
loßdrücken solte / wil doch lange daraus nicht folgen / daß wir nicht zur
brüderlichen versönung vnd vergebung vns sollen finden lassen / biß der terminus
vnnd das ende heranner rücket / sondern diß haben wir dabey zu observiren, da
die injuria vnd gewalthetigkeiten am aller grössesten vnnd hefftigsten war / daß
er auch das leben zubüssen müste / siehe da lest er gleichwol sein Hertz vo̅ bösen nicht vberwinden / sondern er vberwindet mit gutem das
böse / vns zum Exempel daß wir gleichmessig gegen vnsere Feinde sollen gesinnet
seyn. Vnd solches ist die trewhertzige Vermanung Christi: Matth. 5. Sey Wilfärig
deinem Wiedersacher bald / weil du noch mit jhm auff dem Wege bist / auff daß
dich der Wiedersacher nicht dermal eins vberantworte dem Richter / vnd der
|| [ID00040]
Richter vberantworte dich dem
Diener / vnd du werdest in den Kercker geworffen. Ich sage dir warlich du wirst
nicht von dannen heraus kommen / biß du den letzten Heller bezahlest.
Vom andern.
DA sich nun also Stephanus fein Christlich vnd Seliglich zum Tod schicket / wie
stirbet er den̅ / vnd was ist von seinen Tod zu halten? Die Welt
stellet vnd fellet ein schlechtes Vrtheil davon: Sap. 3. Für den vnverstendigen
werden sie angesehen / alß stürben sie / vnnd jhr abscheid wird für ein Pein
gerechnet / vnnd jhr Heimfart für ein verderben. Aber siehe vnd mercke hie / was
der heilige Geist davon halte vnnd setze. Alß er das gesagt hatte entschlieff
er. Das mag vnser Vernunfft nicht begreiffen / wie das solle ein Schlaff heissen
/ da man mit Gesundem leib / mit frischem Hertzen davon muß / vnd sein leben
vnter den Steinen lassen / inmassen den̅ auch die in des Iairi
Hause Christum verlacheten da er sagte / daß Kind ist nicht gestorben / sondern
es schläfft. Aber der heiliger Geist ist vns ein Zeuge vber vnd wieder die Natur
vnd Vernunfft / bey welches Wort ohn alles grübelen vnd klügelen alle Christen
sagen / . Der hat diese algemeine Art zu reden / daß er
den Tod gleubiger Menschen nennet einen süssen vnnd sanfften
|| [ID00041]
Schlaff: Dan. 12. V. 2. stehet:
Viel so vnter der Erden schlaffen / werden auffwachen / etliche zum ewigen Leben
/ etliche zur ewigen Schmach vnnd Schande. Von dem vestorbenen Lazaro sagt
Christus: Iohan. 12. Lazarus vnser Freund schläfft / aber ich gehe hin / daß ich
jhn aufferwecke. Vnnd der Apostel Paulus schreibt 1. Cor. 15. Christus ist der
Erstling worden vnter denen die da Schlaffen. Vnnd 1. Thes. 4. Wir wollen euch
lieben Brüder nicht verhalten von denen / die da Schlaffen / auff daß jhr nicht
trawrig seid / wie die andern die keine Hoffnung haben. Deut. 31. sagt GOtt zu Mose. Du wirst Schlaffen gehen zu deinen Vätern. Vnnd
Nathan zu David 2. Sam. 7. Wen̅ nun deine Zeit hin ist / vnd du
Liegen vn̅ Schlaffen wirst mit deinen Vätern / wird GOtt der HErr
einen Samen erwecken / der von deinem Leibe kommen wird.
Wie nun kein eintziges Wörtlein von dem Heyligen auff gezeichnet / welches nicht
seinen sonderlichen Nachtruck habe / also sollen wirs auch gentzlich dafür
halten / daß er auch nicht vmbsonst denn Tod der Frommen fürnemlich hat einen
Schlaff nennen wollen.
Erstlich ists geschehen zur stetigen erinnerung vnser sterbligkeit: Dann gleich
wie alle Menschen Schlaffen müssen / vnnd dessen keines weges entraten können /
sie sein Jung oder Alt / Arm oder Reich / also müssen auch alle Menschen sterben
/ vnnd keiner kan des Todes gevbriget seyn. Der Tod ist zu allen
|| [ID00042]
Menschen durchgedrungen / dieweil
sie alle gesündiget haben: Rom. 5. Das ist der alte Bund / Mensche du must
sterben / sagt Syrach Cap. 14. Denn Menschen ist gesetzt einmahl zusterben /
sagt die Epistel an die Hebreer Cap. 9. Denn wo ist jemand der dalebet / vn̅ den Tod nicht sehe? Spricht David Psalm 89. Dessen haben wir
vnstäglich zu erinnern bey vnserm Slaff / vnnd dabey mit Mose zu Seufftzen: Ps.
90. HErr lehr vns bedencken / daß wir sterben müssen auff das wir klug werden.
Solche Gedancken sein vns sehr heylsamb vnd nützlich halten vns von sicherheit /
vnnd menniger Sünde abe. Darumb vns auch Syrach vermanet: Cap. 7. Mensche / waß
du thust so bedencke das Ende / so wirstu nimmermehr vbels thun.
Zum andern zur Warnung / daß wir vns bey diesem leben nicht zu sehr in das
Zeitliche vertieffen. Den gleich wie einer / der sich zu Bette wil Schlaffen
legen / sich nicht vmb seine Kleider bekümmert / sondern wird fro / daß er sie
mag ablegen / vnd scheidet sich also gleichsamb im Schlaff von allen seinem Haab
vnnd Gütern / deren er auch im Schlaff gar nichts zugebrauchen oder zugeniessen.
Also sollen wir vns auch zu einem sussen Schlaff des Zeitlichen Hintrits
schicken / vns nicht viel Bekümmern machen / was wir hinterlassen müssen /
sondern an das allein gedencken was daforn ist / vnd dazu wir durch diesen
Schlaff zu
|| [ID00043]
gelangen verhoffen
/ vnnd also dem lieben GOtt noch dancken / daß wir mügen auffgelöset werden /
vnsere Irrdische Hütten verlassen vnd ablegen / vnnd alles dahinden lassen / was
vns in diesem leben auff dem engen Wege zur Seligkeit sehr beschwerlich vnd
geferlich gewesen ist. Darinnen ist vns der heylig Apostel Paulus herrlich für
gangen / laut seiner Wort: Phil. 3. V. 13. Eins sage ich: Ich vergesse was
dahinden ist / vnnd strecke mich zu deme / das da fornen ist / vnnd jage nach
dem fürgesteckten Ziel / nach dem Kleinot / welches fürhelt die Himmlische
Beruffung GOttes in Christo JEsu.
Weil solches aber bey Glück vnnd guten Tagen vnserm Fleisch vnd Blut gar nicht
einwil / so ists sehr heylsamb vnnd nützlich / daß vns diß leben mit Creutz vnnd
Trübsal wol gesaltzen vnnd verbittert werde. Denn gleicherweise wie die
Epicurischen Helde zusauffen vnnd zufressen des Schlaffes weinig achten / sein
des Morgens früh auff außzusauffen was eingeschenckent ist / vnnd sitzen des
Nachts biß sie der Wein erhitze / vnd da sie schon einmahl einschlaffen / so
liegen sie da doch in jhrem Treck / vnd Kleidern wie die Mastsäw. Also sagt auch
Syrach von dem Schlaff des zeitlichen Todes: Cap. 41. OTod wie bitter bistu /
wen̅ an dich gedencket ein Mensch / der gute Tag vnd genug hat
vnd ohn Sorgen lebet / vnd deme es woll gehet in allen dingen vnd noch woll
essen mag. Hergegen aber
|| [ID00044]
wenn einer
seines Beruffs den̅ gantzen Tage gewartet vnnd sich woll
abgemattet hatt / da ist jhm der Schlaff ein fein gewünschtes ding / der befehlt
sich GOtt / vnd schlefft sanffte vnd susse ein: Inmassen den̅ auch
solchs der Prediger Salomonis zeiget Cap. 5. wer arbeiet / dem ist der Schlaff
süsse / er habe wenig oder viel gessen: Also wer alhier in dem Weinberg des
Creutzes arbeiten muß / eine Wiederwertigkeit nach der ander vber sich lassen
außgehen / deme ist der Todt ein hoch gewünschetes ding / der frewet sich seins
Sterbstündeleins / vnd hatt lust ab zu scheiden / vnd wenn es heranner rücket /
so befehlet er sich GOtt / vnd fehrt ohn alle sorgen / mit Friede vnnd Frewde in
einem süssen Schlaff dahin. Inmassen auch Syrach sagt: Cap. 41. OTodt wie woll
thustu dem Dürfftigen / der da Schwach vnd Alt ist der in allen Sorgen steckt /
vnd nichs bessers zuhoffen noch zu gewarten hatt.
Zum dritten ists geschehen zum mechtige̅ / krefftigen Trost / denen
die da loßdrücken müsse̅. Den̅ fürs erste wie die
Schlaffenden in dem Schlaff Ruhen von der Arbeit / vnd dazu offtermals
verschlaffe̅ ein groß getrosch / viel deuten vnd Leutten /
viel Klingen vnd Singen / viel Regen / Donner vnd Vngewitter / also gehets mit
denen / welche im HErren Seliglich Entschlaffen: Se kommen zum Friede vnd Ruhe /
da das köstlichste dieses lebens ist lauter Mühe vnnd Arbeit gewesen / aut des
90. Psalmen / verschlaffen viel Vnfal / Hertz
|| [ID00045]
leid / Betrübnis / viel
Krieg vnd Kriegßgeschrey / viel Verfolgung / viel Anfechtunge / deren sie in
jhrem Ruhbetlein nicht eins gewahr werden. Denn so stehet: Sap. 4. Der Gerechte
/ ob er gleich zu zeitlich Stirbt / so ist er doch in der Ruhe. Ja GOtt der HErr
fordert die Seinen mannigmahl gar zeitig ab / auff das auch nicht vber sie der
Zorn mit gehe / wie solches zusehen: Esa. Cap. 26. Da er zu seinem Volck saget:
Gehe hin in dein Kämmerlein / mein Volck vnd schleus die Thür nach dir zu /
verberge dich ein klein Augenblick / biß der Zorn fürvber gehe. Vnd Cap. 56. Die
Gerechten werden weggerafft für dem Vnglück / vnnd die richtig für sich
gewandelt haben / kom̅en zum Fried / vnd ruhen in jhren Kammern.
Solches hat er allwege in der That mercklich sehen lassen / da er die erste Welt
durch die Sindflutt straffen vnnd verderben wolte / da ließ er zuvor die frommen
Patriarchen in jhr Ruhekämmerlein gehen. Da er das Volck Israel in die
siebentzig Järige Babylonische Gefengnis wolte kommen lassen / nimpt er zuvor
hinweg / den lieben Josiam vnd Ezechiam / vnd spricht: Ich wil dich lassen
versamblet werden zu deinen Vätern / daß deine Augen das Vngluck nicht sehen
sollen.
Fürs ander / wie die Menschen / wenn sie sich in jhr Ruhekämmerlein verschliessen
/ vnnd zu Bette legen / deren gewissen zuversicht seyn / es werde jhnen vnter
dessen an jhrem Leib nicht allein kein Schad
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schehen / sondern sie werden auch
des Morgens so balt die Sonne herfür bricht / viel frischer vnd gleichsam mit
newen Kräfften auffstehen / vnd sich wiedervmb willig vnnd frölich an jhres
Beruffs Arbeit machen. Ebener massen können auch die Gleubigen dieser vnfeilbare
Zuversicht haben / daß sie nicht allein gar nicht daß geringste verlieren sollen
/ alß Sünde vnnd was durch die Sünde auff des Menschen Leib kommen ist. Denn
GOtt hat jhr Ruhekämmerlein verschlossen / daß auch davon David sagt: Ps. 4. Ich
liege vnnd schlaffe gantz mit Frieden / denn du HErr hilffest mir / daß ich
sicher wohne.
Ja er ordnet auch seine Himmelß Fürsten die heilig Engel dabey / daß sie auch die
Steublein vnnd Gebeinlein bewachen müssen / daß daran nicht eines verrückt vnnd
verloren werde / wie aus dem 34. Psalm des Königlichen Propheten Davids zu
verneme̅ ist. Sondern daß sie auch an dem frölichen Jüngsten
Tage / wenn die Sonne der Gerechtigkeit JEsus Christus herfürbrechen wird /
werden mit jhren Leibern / ja mit verneweten vnd clari ficirten Leibern
aufferstehen / vnd alß dann erstlich zu jhrem Himmlischen Beruff schreiten /
GOtt erkennen vnnd sehen / jhn jmmerda loben vnnd preisen. Denn so stehet Esa.
Cap. 26. Deine Todten werden leben / vnnd mit dem Leichnam herfürgehen / wachet
auff vnd rühmet die jhr lieget vnter der Erden. Vnnd 1. Cor. 15. Es
|| [ID00047]
wird gesäet verweßlich / vnnd wird
aufferstehen vnverweßlich. Es wird gesäet in Vnehre / vnd wird aufferstehen in
Herrligkeit. Es wird gesäet in Schwachheit / vnd wird aufferstehen in Krafft. Es
wird gesäet ein Natürlicher Leib / vnd wird aufferstehen ein Geistlicher Leib.
Was aber das nun für eine grosse Herrligkeit vnnd Himmlische Majestät sey an
Leib vnnd Seele / daß mügen wir hie nicht verstehen / viel weniger außreden.
Christus sagt: wir werden den Engeln gleich seyn: Matth. 22. Der Apostel Paulus
schreibt davon: Phil. 3. V. 20. 21. Vnser Wandel ist im Himmel / von dannen wir
auch warten des Heylands JEsu Christi des HErrn / welcher vnsern nichtigen Leib
verklären wird / daß er ähnlich werde seinem verklärten Leibe / nach der
Wirckunge / da er mit kan auch alle Ding jhm vntethänig machen. Vn̅ Marth. 23. Die Gerechten werde̅ leuchte̅ wie die
Sonne in jhres Vaters Reich: Dan. Cap. 12. Die Lehrer werden leuchte̅ wie des Him̅els Glantz / vn̅ die /
so viel zur Gerechtigkeit weisen / wie die Sterne̅ jmmer vnd
ewiglich: 1. Ioh. 3. Meine lieben / wirsind nun Kinder GOttes / vnnd ist noch
nicht erschienen / was wir sein werden / wir wissen aber / wenn es erscheinen
wird / daß wir jhm gleich sein werden. Den̅ wir werden jhn sehen
wie er ist.
Sehet / geliebte Christen / des ist eine der fürnemsten Vrsach / warumb der
Heylige Geist der seinigen absterben hat einen Schlaff nennen wollen: Wie man
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den̅ Kinderlein
bey zufallende̅ Schwacheite̅ keine bittere Artzeyne
kan bey bringe̅ / es werde sie dann mit zucker vberzogen / also /
weil der Tod der Natur / die zum leben erschaffen / sehr herbe vnd erschrecklich
fürkommet / hatt ers für Hochnot geachtet / denselben mit so einem Holdseligen
Namen zu vberzuckeren / vnd also von aussen für zuhalten / was für heilsamen
nutzen wir davon haben / wenn wir freimütig in diese vberzuckerte bittere
Mandelen einmachl hinein beissen. Den̅ ists nicht ein Elend jem̅erelich ding vmb aller Menschen leben / am allermeisten zu dieser
zeit da Bößheit vberhand genom̅en in allen Ständen / bey allen
Mensche̅. Wenn du Entschlaffen bist / singetdie Kirche GOttes
bey deinem Ruhe kämmerlein:
Sein Jammer / Trübsal vnd Elend / Ist kommen zu einem seligen End / Er hat getragen Christi Joch / Ist gestorben vnd lebet noch Was ist einem rechtschaffenen Christen doch beschwerlicher als sein eigen Leib vnd Leben / weil er weis / so lang er in dieser sterbliche̅ Hütten wohnet / tregt er seinen ärgesten Feind an seinem eigene̅ Hals / muß jhn hebentragen / nehren vnd pflegen / vn̅ jemehr er sein pfleget / je heftiger er auch dem heiligen Geist wiedersteht. Aber siehe der Todt reist die sterbliche Hütte nieder / vnd da er meinet dir zu schaden / da muß er dir ein Gewinn seyn / weil er seinen Stachel die Sünde in dem Sieg
|| [ID00049]
vnnd vberwindung deines Heylands
verloren hat. Denn siehe deine Sterbligkeit / deine Gebrechligkeit / deine
hinderstelligen Lüste vnd Begierde / ja die Wurtzel der Sünden vnnd alles was
darauß entsprungen / das muß er vollen in der Erden auffheben Tödten vnd
Verzehren / das wenn du die fröliche Stimme des HErrn JEsu Christi hören wirst /
wieder herfür gehest / als ein newer Englischer Mensch / ohn alle gebrechen vnd
gebrechligkeit / ohn alle Sünde vnd zunei gung zur Sünden.
Ein recht schaffener Christen Mensche alhie auff Erden hat daran sein höheste
Frewde / vnnd werthesten Schatz / daß er GOtt vnd den HErrn JEsum Christum
erkennen mag / in massen der Heyliger Apostel Paulus alles für Schaden vnd Dreck
rechnet / gegen der vberschwenglicher Erkentniß Jesu Christi Phil. 3. aber das
macht jhm mannigmahll groß hertzenleit / des er alhier mit dem zweiffel vnnd
vnglauben jm̅erdar zu Felde lieggen muß / aber siehe durch den
Todt kömstu vom Glauben zum schawen / wie Paulus lehret 1. Cor. 13. wir sehen
jetzt durch einen Spiegel in einem tunckelen wort / denn aber von Angesicht zu
Angesicht. Jetzt erkenne ichs Stuckweisse / denn aber werd ich erkenne̅ / gleich wie ich erkennet bin. Was nun diese betrachtung in dem
gleubigen Hertzen erwecken könne / das habe̅ wir an dem woll
geplagten Job zu sehen Cap. 19. da er seines
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hertzens Frewde in diese Wort
herausser brechen lesset: Ich weiß daß mein Erlöser lebet vnd wird mich hernach
aus der Er den aufferwecken. Vnnd werde darnach mit dieser meiner Haut vmbgeben
werden / vnd werde in meinem Fleisch GOtt sehen. Denselben werde ich mir sehen /
vnnd meine Augen werden jhn schawen / vnd kein Frömbder.
Die hinterlassene Verwante vnnd Freunde / haben aber dieses auch wolzubedencke̅ / wie trefflich wol mit jhrem vielgeliebten Vater Eheman vnnd
Freunde gehandelt sey. In was für einen Seligen Zustandt er jtzo gekommen / denn
sollen sie jhm ja von Hertzen gerne gönnen vnnd wünschen. Wenn fromme Kinder
sehen / daß jhr lieber Vater nach grosser Mühe vnd Sorge süs / vnd sanfft
Eingeschlaffen / da sein sie von Hertzen fro / befleissigen sich aller still /
damit er ja in seiner gewünschten Ruhe nicht müge verhindert werden / wie
vielmehr sollen sie jhm nun dieser begirlichen Frewde wegen Glückwünschen / vnnd
denn lieben GOtt von Hertzen bitten / Er wolle auch zu rechterzeit Feyerabend
mit jhnen machen / daß sie mügen hernacher folgen / vnd mit jhm einer Ruhe vnd
Seligkeit theilhafftig werden / die wolle vns nun allen verleihen der Vater
aller Gnaden vmb JEsu Christi seines lieben Sohnes / vnsers Heylands vnd
Seligmachers willen Amen.
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Personalia.
WAs nun anlanget vnsern lieben in Christo seliglich verstorbenen Mitbruder / den
Weyland Ehrnvesten / Achtbarn vnd Fürnehmen Herrn Georg Bösen / so weiß Ewer
Liebe / daß vnser Gebrauch alhie nicht ist / viel Wort von der verstorbenen
Herkommen / Wesen vnd Wandel zumachen. Das ist das allermeiste vnnd fürnemeste /
warumb wir im Klaghauß Gottes zusam̅en kom̅en / daß
wir sehen / wie sie seliglich gestorben / vnd wir jhnen zu der von GOtt
bestimbten zeit im Friede folgen mügen.
Ein wenig davon zuberüren / so hat er aus sonderlicher schickung GOttes seinem
Beruff oder Gewerbe nach / sein Vaterland / da er von frommen vnd fürnehmen
Eltern geboren / in der Jugent bald verlassen müssen / vnnd aus geheiß vnnd
gnedigen willen des Weyland Durchleuchtigen / Hochgebornen Fürsten vnd Herrn /
Herrn Julii Hertzogen zu Braunschweig vnnd Lüneburg / etc. Sich alhie bey vns zu
Wolffenbüttel niederlassen müssen / vnnd also auch diesem Ort mit seiner
Kauffmanschafft vnnd ehrlichem Gewerbe behülfflich vnd dienlich seyn / darinnen
er den̅ auch keine Mühe vn̅ Fleiß gesparet / sondern
sich dahin zu Tag vnd zu Nacht zum trewligsten bemühet vnd beflissen. GOtt hat
auch solchen seinen Fleiß gesegnet / vnd an jhm augenschein
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lich sehen lassen / was er
verheissen: Ps. 128. Wol dem der denn HErrn fürchtet / vnnd auff seinen Wegen
gehet / du wirst dich nehren deiner Hände Arbeit / wol dir du hast es gut. Er
hat auch GOtt für solchen seinen Segen mit Jacob gedancket / vnd jhm miltiglich
davon gedienet / so viel Kirchen / Schulen vnnd Armen betreffen thut / inmassen
er solche piam liberialitatem an beförderung des newen Kirchengebews mercklich
hat sehen vnd spüren lassen.
Sonsten sein Christenthumb belangend / so müssen wir jhm das Zeugnis geben / daß
er kein Maul-Christ gewesen / sondern es jhm vmb die Seligkeit habe lassen ein
rechten ernst seyn. GOttes Wort hat er geliebet / gerne gehöret vnd sich
fleissig zu dem Hochwirdigen Abendmahl gehalten / mit fleissigem Gebet / daß
GOtt durch diese seine Ordentliche Mittel denn Glauben in jhm erhalten vnd
stärcken wolle. Welchen Glauben er denn auch in die Wercke hat herfürbrechen
lassen / nicht allein in gemeinem leben gegen seinen Nehesten / sondern auch
fürnemlich in Amptsverrichtungen. Denn da er in ansehen seines richtigen Gemütes
für zwenzigste halb Jahr zu einem Kirch-Vater vnnd Vorsteher alhie ist erwehlet
worden / hat er sich die Kirchensachen dermassen lassen angelegen seyn / daß er
für andern wegen fleisses / vnd Freundligkeit gegen die / welche bey jhm zu
fördern gehabt / einen rümlichen Namen gehabt / vnnd wir Kirchen vnnd
|| [ID00053]
Schuldiener jhm alle mit einander
gerne ein lengers leben gewünschet hetten.
Als ein Christ hat er auch nicht sollen ohn Creutz seyn / denn GOtt hat jhm nicht
allein fünff liebe Kinderlein / sondern auch zweyen hertzliebe Ehegenossen von
der seiten hinweg genom̅e̅ / daß er auch nach GOttes
willen vnnd schickung zur dritten Ehe hat schreiten müssen / in welcher er nun
die hochbetrübte Witwe hinter sich verlassen hat / sampt einen Sohn vnd Tochter
aus der ersten / Sohn vnd Tochter aus der andern / vnnd zwo Söhnlein aus der
dritten Ehe / GOtt der heilige Geist wolle sie alle Trösten.
Für wenig Tagen aber hat jhn GOtt der HErr mit Leibes Schwachheit beleget / vnnd
ob man zwar nicht vermeinet / daß sein seliges Ende so nahe sein soll / hat er
sich doch nach aller gebür dazu geschicket / vn̅ nochmals von mir
begeret zu einem selige̅ Abscheid mit dem Hochwirdigen Abendmahl
versehen zu werden. Welches er den̅ auch acht Tage für seinem Ende
mit Christlicher devotion, vnd befrewdigung auff vor gehaltene Evangelische
Sprüche empfangen hat. Aber bald hernacher hat er selber augenscheinlich
beginnen zumercken / daß jhn GOtt heim holen wolle / hat sich des zeitlichen
begeben / vnd allein auff Christum gedacht: Denn da er am verschienen Sontag
etwas schwecher worden / hat er mich für Tage zu jhm fördern lassen / durch
Trost des heiligen Geistes seine hinfahrende
|| [ID00054]
Seele zuerquicken / vnd da ich
wegen zweyer Predigen nicht so bald wieder zu jhm kommen können / hat jhm zeit
vnnd weile wollen zu lang werden. So bald ich aber zu jhm kommen / habe ich jhm
die Sprüche des heiligen Geistes für gehalten / darauff er sonderlich acht
gehabt / sich mit keiner Irrdischen Speise Laben vnd Erquicken lassen wollen /
sondern standhafft gesagt / er wolte sich von dem Angesicht Christi bald
ersettigen / der solte in jhm alles seyn / denn wolte er sehen / wenn die Glocke
würd fünff schlagen. Vnter dessen haben wir gebetet vnnd er mit vns / vnd
sonderlich geführet die Wort / HErr JEsu meinen Geist befehl ich dir in deine
Hände / damit jhm auch endlich die Zunge beliegen blieben / biß er jrgent eine
halbe Stunde hernach gerade vmb fünff vnter vnserm der anwesenden Gebet fein
sanfft vnd still im Frieden dahin gefahren.
Da ist nun die Seele in der ruhe / vnnd in der Hand GOttes / vnnd der Leib
erwartet eine fröliche Aufferstehung zum Ewigen Leben. Daß gebe jhm GOtt / vnnd
verleihe der Wittiben Kinderen vnnd Freunden Gedult vnd Trost des heiligen
Geistes / vnd vns auch zu rechter zeit ein Selige Heimfart in das rechte
Vaterland vmb JEsu Christi seines Eingebornen Sohns / vnsers enigen Seligmachers
vnd Mitlers willen. Amen.
|| [ID00055]
LESSUS in Maestissim um obitum Viri
integerrimi & candidi Dn. Georgii Bösen.
STat sua cuique dies, mortis fera tela caduco, Effugiet natus sanguine, nemo virûm. Sed maledicta dies, & longo tempore maesta, Qua vitam Bösius deserit ipse suam. Qua decus omne meum, mea spes & magna voluptas lam jacet in tenui, morte necatus humo. Hinc ingens macerat praecordia tristia luctus, Quod parcae tantum surripuêre virum. Qui dignus fuerat, numerasset tem pora vitae Tempora longa senis, vivere dignus erat Dignus erat Pylios vitam producere in annos, Sed corrupta vetant, vivere secla diu. Ast quorsum maestis Dominum sequor ipse querelis? Quem tenet aula poli: Nos lacrymosa dies. Ergò, quod super est, cum Christo vivito felix Nunc & in aeternos, vive valeque dies: Demisse nec non grati animi ergòfundebat Iohannes Buscherus Aeglensis saxo filioli Pracept: FINIS.