Transkription

Wiedeburg, Heinrich: Christliche Leichpredigt/ Gehalten bey der Begräbnüs Des Ehrnvesten/ Achtbarn und Fürnemen Herrn Georg Bösens/ Kirchvatern der Kirchen in der Heinrich-Stadt / Durch. Henricum Wideburgium, Th. D. und General Superintendenten zu Wolffenbüttel.
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Christliche Leichpredigt / Gehalten bey der Begräbnüs Des Ehrnvesten / Achtbarn vnd Fürnemen Herrn Georg Bösens / Kirchvatern der Kirchen in der Heinrich-Stadt.
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Durch. HENRICUM VVIDEBURGIUM, Th. D. vnd General Superintendenten zu Wolffenbüttel.
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Wolffenbüttel / Gedruckt durch Eliam Holwein / Fürstl. Brauns. Buchdrucker vnd Formschneider daselbst. Im Jahr 1618.
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CVM CHRISTO IESV. TEXTUS. Act. 7. V. 58. 59. 60.
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VNd die Zeugen legten ab jhre Kleider zu denn Füssen eines Jünglings / der hieß Saulus / vnd steinigten Stephanum / der anrieff vnnd sprach: HErr JEsu / nimb meinen Geist auff. Er kniet aber nieder / vnd schrey laut: HErr behalt jhnen diese Sünde nicht. Vnd als er das gesagt / entschlieffer.

Tractatio.
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GEliebte vnnd andechtige Freunde in Christo dem HErrn / Man lieset in Historien von dem Großmechtigen vnd Hochlöblichen Käyser Friederico dieses Namens dem dritte̅ / da derselbige auff eine zeit von einem andren
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Potentaten gefragt wird / was doch das höheste vnnd beste gut auff Erden were / daß einem Mensch en wieder fahren könne / habe er darauff diese Christliche vnnd recht Fürstliche Antwort gegeben: Bene mori summum bonum est. Recht vnd Selig sterben ist das aller edleste vnd beste Gut. Freilich hat der löbliche Potentat recht Christlich vnnd Fürstlich geantwortet: Denn wenn ein Mensch gleich sonsten hette alle Güter / Gewalt / Ehr / Reichthumb der gantzen weiten Welt / vnd neme auch dermahl eins zu seiner zeit nicht einen seligen Abschied vnd Heimfart / so were jhm tausentmahl besser / daß er niemals ans Liecht dieser Welt kommen / ja in Mutterleibe empfangen were. Denn es heist ja nach dem alten Sprichwort: Entweder einmahl Seliglich gestorben / oder in alle ewigkeit verdorben. Wenn der Baum fället / er falle gegen Mittag oder Mitternacht / auff welchen Ort er fallet / da wird er liegen / sagt der Prediger Salamonis cap. 11. vers. 3. Darumb spricht auch der HErr Christus selber: Matth. 16. v. 26. 27. Was hülffs dem Menschen / so er die gantze Welt gewünne / vnnd neme doch Schaden an seiner Seele? Oder was kan der Mensche geben / damit er seine Seele wieder löse? denn es wird je geschehen / daß des Menschen Sohn kom̅e in der Herrligkeit seines Vaters mit seinen Engeln / vnd alßdann wird er einen jeglichen vergelten nach seinen Wercken. (Eccl. 9. v. 12.) Weil nun auch der Mensch seine zeit nicht weiß /
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vnnd viel weniger sich des Morgendes Tages zurümen hat / da er nicht stehet was sich heute begeben mag /(Prov. 27. v. 1.) wird ein jeglicher Christe / dem es vmb die Seligkeit zuthun / leichtlich bey jhme solle abnemen / wie hoch vnnd viel jhm daran gelegen / dasselbige sein gantzes Leben durch zulernen / welches nur einmahl practisiret vnd ins Werck gerichtet werden kan / nemblich wie man wol / Christlich vnnd Selig sterben solle / dieses wissen / muß ja die allerhöheste vnd beste Kunst sein alhie auff Erden / da einmahl seliglich sterben das aller höheste vnd beste ist / welches jhm ein Christen Mensch in dieser Welt wünschen mag. Das lehret vns Moses in seinem eiffrigen Gebet: HErr lehr vns bedencken / daß wir sterben müssen / auff das wir klug werden. Psalm 90. v. 12. Wo finden wir aber nun einen Lehrmeister / der vns vnterricht mittheilen könte / wie wir im sterben vns recht / vnd als Kindern GOttes gebühret verhalten sollen? Wollen wir denselben bey vnnd in vnserm Fleisch vnnd Blut / oder Vernunfft suchen / werden wir in alle Warheit einen grossen feil treffen / vnd vbel anlauffen: Denn solches ist dieser Christlichen vnnd Sterbekunst zu wieder / erzittert vnnd erschüttert / wenn man an den Tod gedencket. Weiß auch vberal nichts von Christo / ja helt jhn / die Predigte(Matt. 16. v. 17.) von jhm für eine Thorheit / da doch diese Kunst(I. Cor. 1. v. 23.) vnd deren praxis einig vnnd allein auff Christo vnserm
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Heiland gegründet stehet. Man findet wol rohe vnd freche Welthummelen / die achtens wenig wenn man vom Tode prediget / meinen es sey nur vmb ein böses Stündlein zuthun / wenn das herumb / so sey es geschehen / wie vns solche Leute beschrieben werden. Sap. 2. Es sind rohe Leute / die da sagen: Es ist ein kurtz vnd müheselig ding vmb vnser leben / vnnd wenn ein Mensch dahin ist / so ists gar aus mit jhm / so weiß man keinen nicht / der aus der Hellen wieder kommen sey. Wie auch in solchen Gedancken der Amalekiter König(1. Sam. 15.) Agag trotziglich für den Propheten Samuel trat vnd sprach: Also muß man des Todes bitterkeit vertreiben. Aber das ist ein armer vnd elender Trost / ja eine verstockung vnd Heydnische Blindheit / darauff nur Ach vnd Wehe erfolgen kan. Vielleicht wird mans bey den Philosophis vnnd Weltweisen Leuten vnd in jhren Büchern finden / wie wir mit dem sterben recht vmbgehen sollen? Sie lassen(plato in phaedone.) jhnen zwar solches treumen / wollen viel reden von der vnd seligen sterbe Kunst / beschreiben auch(.) jhre Weißheit eine stetige vnd fleissige betrachtung des Todes vnd wie man sterben wolle. Aber des elenden vnd erbärmlichen betrachtens. Sie waren ohn Chisto / ohn Gott / entfrembdet von dem Leben das aus GOtt ist / vnnd da es recht gelten solte / ward jhre Phantasey zu Wasser vnnd Rauch / blieb nichts / denn Zittern vnnd Zagen. Der Weise
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Heyde Cicero wil dafür angesehen seyn / alß frewete er (Lib. de se nectute.) sich zum absterben vnd spricht. O praeclarum diem, cum ad illud animorum concilium caetumque proficiscar, & cum ex hac turba & colluvione discedam. O welch ein herrlig Tag wird das seyn / da ich aus diesem mühseligen leben abscheiden vnnd zur versamblung der Seelen kommen werde. Aber dieser Wahn der voller zweifflung war / vnd gar keinen grund hatte / könte denn stich nicht halten / vnnd gewissen Trost wieder die grausame Gestalt des Toddes geben / daß er auch an seinem end selber bekennen müste: O me nunquam sapientem? O wie hat mir so weit an der rechten Weißheit gemangelt / vnd sonsten: Ego tentatis rebus omnibus, nihil invenio in quo acquiescam, &c. Ich habe alle meine Kunst herfür gesucht / die ich jemahls Studirt, vnd finde doch nicht darauff ich mich verlassen müge. Das mag ja wol heissen / was der Apostel Paulus von jhnen zeuget / daß sie keine Hoffnung haben. 1. Thes. 4. v. 13. Moses der fürtreffliche Prophete / Welchen doch Stephanus das Zeugnüß giebt / daß er geübet sey in aller Egiptischer Weißheit / setzet die Egiptische Weißheit bey seit / hat diese hohe vnnd edle Kunst darinnen nicht finden können / sondern nimbt zuflucht zu einem viel andern Lehrmeister / nemblich zu GOtt im Himmel selbsten. HErr lehre vns bedencken das wir sterben müssen / auff daß wir klug werden / vnnd lehret
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also mit seinem Exempel / daß diese Kluchheit / diese Kunst kein Mensche wissen könne / es sey dann das sie (Dicit. 18. Matt. 3. Ioh. 1.) vom HErrn / daß ist von dem grossen Propheten von dem Engel des Bunds / vnnd ewigem Wort des Vaters / geoffenbaret vnd auß dem Schoß seines Himlischen Vaters herfür gebracht werde. Daß auch kein Mensch / er sey auch so Spitzfindig vnd Gelert / wie er sönsten jmmer wolle / diese Kunst verstehen vnd gebürlich vben müge / es sey dann / daß dieser HErr mit seinem heiligen Geist sein Hertz erleuchte / vnd darinnen ein newes Liecht des Glaubens vnd der seligmachende̅ erkentnis GOttes anzünde vnd auch mitten im Tode erhalte. Wer derowegen in diesem hohen notwendigen Stücke seines Christenthumbs wil vnbetrogen seyn / vnd dermahl eins mit Fried vnnd Frewde dahin fahren / der halte sich an diesen Doctorem vnnd Lehrmeister / der weiß wie dem Tode zu begegnen / denn er hat jhn vberwunden vnnd verschlungen im Sieg. Er wil das auch gerne lehren / wenn du nur bey jhm anklopffest: Denn also spricht er selber Ioh. 14. Ich bin der Weg die Warheit vnd das Leben / niemand kompt zum Vater denn durch mich. Vnnd beim Propheten Esaia cap. 50. v. 4. Der HErr / HErr hat mir eine gelerte Zunge gegeben / daß ich wisse mit denn Müden zu rechter zeit zureden. Dieser Hochgelerter vnd holdselig Meister helt vns diese für nicht allein in hellen vnd cla
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ren Sprüchen seines Wortes / alß in dem Hauptspruch des Evangelii aus dem dritten Capittel Johannis v. 16. Also hat GOtt die Welt geliebet daß er seinen Eingebornen Sohn gab / auff das alle / die an jhnen gleuben nicht verloren werden / sondern das ewige Leben haben. Item aus dem fünfften cap. v. 24. Warlich / Warlich / sag ich euch: Wer mein Wort höret vnd gleubet dem / der mich gesand hat / der hat das ewige Leben / vnd kommet nicht in das Gerichte / sondern er ist vom Todte zum Leben hindurch gedrungen. Item aus dem elfften cap. v. 25. Ich bin die Aufferstehung vnnd das Leben / wer an mich gleubet / der wird leben ob er gleich stirbe. Item aus dem achten cap. v. 51. Warlich / Warlich sage ich euch / so jemand mein Wort wird halten / der wird den Tod nicht sehen ewiglich / etc. Sondern er zeiget vns auch dieselbe in herrlichen vnd anmütigen Exempeln der gleubigen / welche seliglich gestorbe̅ seyn / vn̅ daran also diese Kunst jhr experimentum vnd gewisse vnfeilbar probam gegeben hat. Sintemahl diese Kunst nicht stehet in blossen wissen / davon man viel grübelens vnd krügelens machen dürffe / sondern stehet in prax, i in der vbung vnnd wercke selbsten. Da man derowegen die Exempel der außerwehlten Kinder GOttes siehet / welche da durch seliglich aus dieser elenden Walfart heimgefahren seyn / da siehet man die Kunst / da siehet man der Kunst gewißheit / da siehet man praxin vnd vbung / vnnd wie wir darinnen
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zu vnser von GOtt bestimbten zeit / jhnen nach folgen mügen. Dieweil nun auch vnser in Christo seliger Mittbruder / dessen hinterlassenen Leichnamb wir jtzo zu seinem Ruhebette begleitet haben / an seinem Ende durch Hülff des heiligen Geistes krefftiglich hat sehen lassen / wie wol er diese Kunst gefasset gehabt habe / vn̅ also den vmbstehende̅ vn̅ anwesende̅ Verwante̅ vn̅ Freunde̅ ein augenscheinliches Beyspiel gegebe̅ / in dem er sein lebe̅ / zwar nicht auff solche Art des Todes / jedoch fast mit denselbigen Worten / wie der Gottselige Stephanus in verlesenen Worten / beschlossen vnnd geendet. Bin ich verursacht vnnd bewogen worden / selbiges Exemplum practicum in dieser Christlichen Leichpredigte / einfeltiglich nach der Richtschnur göttliches Wortes vns lebendigen zum vnterricht zuerkleren. Vnnd zwar vmb besser richtigkeit willen in den zween nachfolgenden Stücken. Erstlich wollen wir an Stephano lernen / wie er sich zum Tode geschicket habe. Zum andern wie er gestorben / vnnd wo für sein Tod von dem heiligen Geist gehalten werde. Der Vater aller gnaden vnnd Barmhertzigkeit / wolle vns hierzu verleihen vnd mittheilen die Hülffe vnnd Regierung GOttes des heiligen Geistes vmb seines lieben Sohns JEsu Christi / willen / Amen.
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Vom Ersten.
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DAs erste nun betreffend / wird vns nambhafft gemacht die Persohn / welcher heimfart vnnd abschieden vns hie beschrieben wird / nemblich / Stephanus(Act. 6.) der Fürnemeste vnter den sieben Männern / welche mit aufflegung der Hände von den Aposteln darzu bestellet vn̅ bestetiget / daß sie den Arme̅ Gütern vorstehen vnd gebürlicher weise die Almosen den Nottürfftigen außtheilen solten. Weil er aber war voll Glaubens vnnd Kräfften / Wunder vnd Zeichen zuthun vnter dem Volck / vn̅ also die Apostolische Lehr des heiligen Evangelii zubekrefftigen / muß er auch erfarn was Christus seinen trewen Dienern zuvor gesagt hatte: Der Knecht ist nicht grösser(Ioh. 15. ??? 20.) den̅ sein Herr. Haben sie mich verfolgt / sie werde̅ euch auch verfolgen / haben sie meine Wort gehalten / so werden sie ewres auch halten. Den̅ da wiedersetzen sich jhm nicht allein etliche von dem Jüdischen Schulen in einer harten vnnd scharffen Disputation, sondern da sie nicht vermöchten / zuwiederstehen der Weißheit vnnd dem Geist / der da redet / nach Christi verheissung: Luc. 21. 15. Ich wil euch Mund vnd Weißheit geben / welche nicht sollen wiedersprechen mögen noch wiederstehen alle ewre wiederwertigen / stelleten sie Falsche Zeugen auff / welche jhn beschüldigen
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müssen / alß wann er wieder GOtt vnnd das Gesetze lester Wort geredet hette. Vnd diese Art vnnd gewonheit behalten noch biß auff den heutigen Tag alle Kätzer vnd Schwermer / da sie dem heiligen Geist vnnd der Krafft seines Wortes nicht lenger wiederstehen mügen / so greiffen sie zur Lügen vnd vnterfangen sich die Warheit mit lestern zu vnterdrücken oder den einfeltigen verdechtig zumachen. Da wir aus Gottes Wort treiben die Lehr von vergebung der Sünden / daß wir gerecht werden ohn verdienst aus Gottes Gnade / (Rom. 3. v. 24. 25.) durch die erlösung so durch Christo JEsu geschehen ist / welchen GOtt hat für gestellet zu einem Gnadenstuel durch denn Glauben in seinem Blut / da ruffen vnd schreyen vns die Papisten aus / alß wen wir verbieten ein Gottseliges vnnd Christliches Leben / gute Werck vnd Frommigkeit. Da wir aus Gottes Wort Leren vnd Predigen / daß vnserm HErrn vnd Heyland JEsu Christo / in der zeit mit getheilet sein nach seiner Menschheit götliche eigenschafften / Göttliche Herrligkeit vnnd Mayestät / da müssen wir denn Calvenisten / Eutychianer seyn / welche die Menschheit gar zur Gottheit machen. Da wir ausden Worten der Einsatzung treiben vnnd beweisen die Lehr von der warhafftigen vnnd wesentlichen gegenwart des Leibs vnnd Bluts Christi in seinem Heiligen Abendmahl vnnd deren mündliche / jedoch Sacramentliche vnnd geheime Niesung / da müssen wir eben denselben Capernaitae, vnnd
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Blutdürstige Fleisch fresser seyn. Da wir aus GOttes Wort leren / daß durchs gepredigte Wort vnnd von GOtt eingesetzten Gebrauch / der Hochwürdigen Sacramente der verblendete vnnd Gottes Weißheit wiedriger Mensch / in krafft des heiligen Geistes erleuchtet mit lebendigem Glauben begabet / imselben krefftiglich erhalten / vnd also von Sünden vnnd aus dem Reich des Teuffels erlöset / auch zugleich in Gottes Reich vnnd endlich ins ewige Leben gebracht vnnd versetzet werde / da muß jhnen das Predigampt / vnnd dessen verrichtungen eine Zauberey sein vnnd heissen. Aber wir sehen alhie an dem Exempel des heiligen Stephani, daß es dem Vater aller Lügen vnd seinen Werckzeugen nicht newe sey / also zuverleumbden vnd die heylsameste Lehre für Gottes Lesterungen außzuruffen. Vnd sollen wir vns derhalben von der reinen Warheit nicht abschrecken lassen / sondern im gedechtniß behalten was Christus saget: Matt. 5. v. 11. Selig seid jhr / wenn auch die Menschen vmb meinet willen schmehen vnd verfolgen / vnnd reden allerley vbels wieder euch / so sie daran liegen. Seid frölich vnd getrost / es wird euch im Himmel belohnet werden. Ob wol aber der hoch erleuchte Diener Gottes / solche verleumbnung vnnd falsches angeben mit einer außführlichen vnd Geistreichen apologia vnd Schutzrede genugsam von sich abgelegt / dennoch kan solchs wieder die Verräter vnnd Mörder / wie er sie selber
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nennet / nicht helffen noch gelten: Ob sie schon sein Angesicht sehen / wie eines Engels Angesichte / jhnen auch die Predige durch Hertze ging vnd also vberzeuget würden / wolle̅ sie jhr Blutdürstiges Hertz doch nicht erweichen lassen / sondern bissen die Zäne zusammen vber jhn / hielten jhre Ohren zu / stürmeten einmütiglich zu jhm ein / stiessen jhn zur Stad hinaus / vnd die Zeugen legten jhre Kleider ab vnd steinigten Stephanum. Ebenmessigen processum vnnd Ordnung mit den trewen Lehrern / welche jhm an seinen Stul vnnd Küche greiffen / zuverfahren / hat auch der Bapst das Kind des Verderbens zu Rohm gelernet / auch so viel vnnd fleissig gebraucht / daß er truncken worden ist von dem Blut der Heyligen / vnd der Zeugen JEsu: Hette jhn auch für hundert Jahren gerne wieder den̅ tewren Mann GOttes Lutherum gebraucht / wenn es jhm durch verhengnus GOttes hette gelingen mügen. Aber es war die zeit kommen / da der Mensch der Sünden / vnnd das Kind des Verderbens solte offenbar werden / vnnd zwar wie es das Werck an jhm selber zeuget durch denn Dienst des Heyligen Lutheri, Warumb auch GOtt der HErr seine wunderbare Weißheit vnnd Allmacht in dem gantzen Werck mercklich hat sehen lassen / daß wir Christlich vnnd recht auff den Lutherum ziehen mügen / was der HErr zum Propheten Jeremia sagt: Cap. 15. Ich habe dich wieder diß Volck zur festen Ehrnen Mawren gemacht / ob sie wieder dich streiten
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sollen sie dir doch nichts anhaben / denn ich bin bey dir / daß ich dir helffe vnnd dich errette / spricht der HErr / vnd ich wil dich auch erretten aus der Hand der Bösen / vnd erlösen aus der Hand der Tyrannen. Wie verhelt sich aber Stephanus in diesem gewalthätigem grausamen Proces? Als ein Bestendiger hertzhaffter Ritter vnd Zeuge der Warheit / darinnen man die gegenwart vnd wirckungen des heiligen Geistes sonderlich zu mercken hat / wie den Lucas von jhm rümet / das er gewesen sey voll Glaubens vnnd heiliges Geistes. Denn siehe da die falschen Zeugen mit Steinen mechtig vnnd feindselich auff jhn zuwerffen / gedencket er nicht seine Vnschult lenger zuverthetigen / sondern helts jhm gleichsamb für einen Ruhm mit seinem Blut die Lehre des Evangelii zubekrefftigen / er gedencket nicht der grossen Schmertzen / sondern viel mehr an die Herrligkeit / gegen welche aller Welt Leiden nichts zuachten / vnd dazu er durch den Glauben an Christum gewißlich kommen würde. Er gedencket auch nicht an seinen Leib / wo der bleiben würde / ob er würde von Hunden gefressen werden / oder bey dem Steinhauffen liegen bleiben / noch an sonsten etwas in dieser Welt / welches jhn hette betrüben vnd trawrig machen können / sondern er vergisset alles dessen / daß dahinden war / vnd hub seine Augen auff gen Himmel / da er sahe die Herrligkeit Gottes vnd JEsum stehen zur rechten GOttes / den rieff er an vnd sprach: HErr JEsu nim meinen Geist auff.
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Vnnd da die Kreffte des Leibes dahin / vnnd die Beine denn Leib nicht mehr tragen wolten / da kniet er nieder / vnd schrey laut: HErr behalt jhnen diese Sünde nicht. Dieses Gebet hat zwey fürneme Stücke in sich / in dem ersten leuchtet die bestendigkeit eines rechtschaffenen Glaubens. Denn das schrecken des Todes lest er sich von Christo nicht reissen / sondern ist gewiß dadurch so viel neher zu jhm zukommen / daß er jhm auch seinen Geist zu trewen Händen befehlet. In dem andern leuchtet eine vngeferbte liebe aus dem Glauben herfliessend / gegen seine Nehesten: Denn er vergibt nicht allein von Hertzengrnnd seinen Feinden / sondern bittet auch für sie / daß jhnen Christus solche Sünde nicht behalten wolle. Bey dem ersten lernen wir von Stephano, warumb ein Christen Mensche sein gantzes Lebenlang / vnd fürnemlich in letzten Zügen sich bekümmern vnnd bemühen solle: Die Welt kan hie nichts gewisses finden noch zeigen / sondern zappelt / wie die Blinden in dem Finstern: Denn etliche wenden jhren höhesten fleiß an zeitliche Güter vnd Reichthumb dieser Welt / wie jener Mammons Knecht Luc. 12. der seine Schewren abbrechen vnd grösser machen will / vnd zu seiner Seelen spricht: Liebe Seele / du hast einen grossen Vorrat auff viel Jahr lang / iß vnd trinck / vnd habe
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einen guten Muth: Was wird jhm aber für eine Antwort? Du Narr / diese Nacht wird man deine Seele von dir fordern / vnd wes wirds seyn / daß du bereitet hast? Darauff macht auch der HErr selber eine feine application, vnd spricht: Also gehet es / wer jhm Schätze samblet / vnd ist nicht Reich in GOtt. Wen̅ es müglich were / daß einer die gantze Welt innen hette / könte jhm doch solcher Reichthumb wieder den Todt nichts helffen / noch wieder GOttes Zorn vber die Sünde / denn so spricht der Propheta Sophon. Cap. 1. Ihr Silber vnd Gold wird sie nicht erretten am Tage des Zorns / sondern das gantze Land soll durchs Fewr seines Eivers verzehrt werden. Der Apostel Paulus spricht 1. Tim. 6. Wir haben nichts in die Welt gebracht / offenbar ist es / wir werden auch nichts mit hinaus nemen / vnd Hiob in seinem Buch Cap. 1. Ich bin Nacket von meiner Mutterleibe kommen / Nacket werde ich wieder dahin fahren. Andere die nemen sich zwar jhrer selbst an / aber doch mehr des Leibes / den des Geistes oder der Seele / sehen nicht drauff / wie jhre Seele müge GOtt gefallen / vnd im Absterben in Abrahams Schoß getragen werden / sondern nur allein / wie alhie jhrem Leibe dem elenden Madensacke an essen vnd trincken / an andern Vppigkeiten vn̅ Wollüsten müge gütlich geschehen / wie er mit statlichen Kleidungen / Silber / Gold / Edelgestein vnnd anderm köstlichem Geschmeide müge auff
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das allerherrlichste heraus geputzet werden / wie der Reiche Epicurer Luc. 16. von welchem geschrieben stehet. Es war ein Reicher Mann / der kleidet sich mit Purpur vnd köstlichem Leinwand / vnd lebt alle Tage herrlich vnd in Frewden: Aber es nam diese vngebürliche pflege vnd wartung des Leibes ein böses Ende. Denn er starb / vnnd ward der Leib zwar begraben / aber die Seele muste in der Hellenflammen grosse Qual vnnd Pein leiden vnnd außstehen / wirds auch leiden müssen / in alle Ewigkeit. Darumb lasset vns alhie Stephanum ansehen / der vergisset seines Leibes auch mitten in der Angst vnd Schmertzen / nicht zweiffelend GOtt werde wissen / wo auch die Steublein bleiben / vnd am Jüngsten Tage daraus einen glorificirten Leib zuerbawen / vnd trachtet allein dahin / daß sein Geist / wenn er vom Leibe abscheide / wol müge verwahret seyn. Es ist allerdings nicht vnrecht / daß man auch des Leibes warte / doch daß er nicht Geil werde / wie der Apostel Paulus redet. Denn so spricht der Prediger Salomonis Cap. 9. v. 7. Gehe hin / vnnd iß dein Brod mit Frewden / trinck deinen Wein mit guten Muth / vnd Cap. 6. v. 12. Es ist ein Vnglück / daß ich sahe vnter der Sonnen / vnnd ist gemein bey den Menschen. Einer dem GOtt Reichthumb / Güter vnnd Ehre gegeben hat / vnd mangelt jhm keins / daß sein Hertz begehret / vnnd GOtt doch jhm nicht macht gibt / desselben zugenies
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sen / sondern ein ander verzehret es / daß ist eitel vnd eine böse Plage. Viel weniger ists aller dings vnrecht / dahin sich befleissigen bey seinem leben / daß nach absterben auch der Leib müge Christlicher weise zu seinem Ruhekämmerlein gebracht werden: Denn solches wird auch als ein sonderbare Wolthat GOttes gerümet / die einem verstorbenen Menschen in dieser Welt wiederfahren kan. Inmassen wir sehen Gen. 15. Da dem Abraham diese tröstliche verheissung geschiehet: Du solst fahren zu deinen Vätern / vnd in gutem Alter begraben werden. Da hergegen als ein sonderbare Straffe den Jüden gedräwet wird / Ierem. Cap. 9. Das jhre Leichnam sollen liegen wie der Mist auff dem Felde / vnd wie Garben hinter dem Schnitter / die niemand samblet. Warumb auch die gleubigen Kinder GOttes eine ehrliche sepultur vnd Begräbnis gewünschet haben. Jacob sprach zu seinen Söhnen Gen. Cap. 49. Ich werde versamblet zu meinem Volck / begrabet mich bey meine Väter / in der Höle auff dem Acker Ephron des Hethiters / in der zweyfachen Höle die gegen Mamre liegt / im Land Canaan / die Abraham kauffte / sampt dem Acker von Ephron dem Hethiter zum Erbbegräbnüs. So lesen wir auch im newen Testament von dem frommen vnd Gottßfürchtigen Rathßherrn zu Jerusalem / Joseph von Arimathia / daß er jhme auch noch bey seinem leben sein Gräbstetlein verfertigen lassen / vnnd zwar in seinem
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Lustgarten / auff das / wenn er etwa von schweren Amptssorgen so viel abgebrochen / vnd sich ein wenig erlüstigen wollen / er doch stets dabey seines Endes gedencken möchte. Aber es hilfft doch dieses nicht zur Seligkeit: Der Reiche Mann / Luc. 16. ward begraben / vnnd ohn allen zweiffel auff das aller statlichste: Dennoch muß seine Seele in der Hellen grosse Qual vnnd Pein leiden. Darumb muß ja noch etwas anders an dem Menschen seyn / dafür er sonderlich sorgen vnnd dessen er mehr / denn des leibes wahr nemen sol / fürnemlich wenn es zum Abdruck gehet. Das nennet hie Stephanum seinen Geist. HErr JEsu nim meinen Geist auff / vnnd verstehet dadurch nicht anders als seine Menschliche vnnd Vernünfftige Seele / den wir lesen Gen. 2. Das GOtt der HErr den Menschen aus zweyen stücken zusammen gesetzt / eins ist der Leib: Das ander ist die Seele / davon der Leib sein leben vnnd alle lebendige bewegungen vnnd vernünfftige wirckungen hat / inmassen Moses sagt: v. 7. GOtt der HErr machet den Menschen aus eim Erdenkloß / vnd er bließ jhm ein den lebendigen Athem in seine Nasen / vnd also ward der Mensch eine lebendige Seele. Nach dem derwegen durch den sündlichen Fal / das von GOtt vnaufflößlich erschaffenes Band der vereinigung zwischen Leib vnd Seele ist zertrennet worden / so muß der Leib wieder zur Erden werden / davon er genommen ist /
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laut dem Wort GOttes / Gen. 3. v. 19. Du bist Erden vnnd solt zur Erden werden. Die Seele / aber als ein Geistlich Weesen ist vnsterblich / vnd muß bleiben als ein seblstendig ding / auch wenn sie vom Leibe abgescheiden ist / wie hievon der Prediger Salomonis zeuget: Cap. 12. v. 7. Der Staub muß wieder zu der Erden kommen wie er gewesen ist / vnnd der Geist wieder zu GOtt / der jhn gegeben hat. Darumb so viel edler vnnd köstlicher des Menschen Geist ist als der Leib / so viel mehr wird auch daran gelegen seyn / desselben bey zeiten wahr zunemen / daß er auch ausser dem Leibe wol müge verwahret seyn: Daß haben alle Heiligen zu aller zeit gethan / inmassen solches zusehen aus dem ein vnnd dreyssigsten Psalm David / da er vns an seinem Exempel zeiget mit was seufftzen die lieben Ertzväter jhr leben beschlossen haben / in dem er also spricht: In deine Hände befehl ich meinen Geist. Du hast mich erlöset HErr du trewer GOtt / welche Wort auch vnser Heyland vnnd Seligmacher JEsus Christus gebraucht / da er seinen Geist auffgeben wolte / Luc. 23. v. 46. Vatter ich befehl meinen Geist in deine Hände / also nicht allein als vnser Hoherpriester sampt seiner Seelen / die vnseren seinem Himlischen Vater auffs trewlichste zu befehlen / sondern auch vns zu leren / mit was grossen fleis wir im letzten
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der Vnsern wahr nemen sollen. Denn Christi Seele war mit dem selbstendigen ewigen Wort GOttes Persöhnlich vereiniget / vnd wuste den Weg zum leben Ps. 16. v. 11. da die Vnseren wenn er wolte Sünde zurechnen / von GOtt gescheiden / vnd den Weg des Lebens von jhnen selber nicht treffen mügen / ja in grosser gefahr stehen / daß sie dem Teuffel in sein Netze lauffen / der wie ein Jäger vnnd Wildschütz in dem Wald hervmb fähret Ps. 91. Christi Seele war gantz heilig vnd vnbefleckt / vnd kunte der Teuffel daran nichts finden / deß er sich anzumassen / wie Christus zeuget Iohan. 14. v. 30. Es kompt der Fürste dieser Welt vnnd hat nichts an mir. Aber wenn vnsere Seele außfehret aus dieser gebrechlichen Hütten / bleibts doch war daß sie viel gesündiget habe / daß sie auch von wegen der Wercke muste in die ewige Finsternis verworffen werden / wenn sie nicht mit Christi Blut gereiniget were. Christi Seele kunte auch mit Göttlicher Macht / welche jhr in vnd durch die Persöhnliche vereinigung beyder Naturen wircklich mitgetheilet war / sich selbsten mit dem leibe wesentlich wieder vereinigen vnd den Tempel seines Leibes aus der Erden wieder auffrichten / wie er auch selber dahin siehet Iohan. 10. v. 17. Niemand nimmet mein Leben von mir / sondern ich lasse es von mir selber / ich habe es macht zulassen / vnd habe es macht wieder zunemen. Vnd Iohan. 2. v. 19. Brecht diesen Tempel ab / vnd am dritten Tage
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wil ich jhn auffrichten. Vnsere Seelen aber kunten in ewigkeit mit jhren Leibern nicht wieder vereiniget werden / wenn nicht GOttes Allmacht eine algemeine Aufferstehung verheissen hette. Darumb liebe Christen bedencket es wol / wie hoch von nöten vns sey vnsere Seele dahin zuvertrawen / da sie nicht allein wol verwart / ja da jhr wol / vnd sie aller Sünden frey / sondern da auch Macht vnnd Krafft / den Leib aus dem Staub der Erden heraus zuführen / vnd mit der Seel zuvereinigen / ja auch das zerrissene Band der vereinigung ewig vnd vnaufflößlich zumachen. Da stehet nun schon Sonnenklar genug / wem wir dieselbe recom mendiren sollen / wenn sie in dem verweßlichen Cörper nicht lenger hausen vnnd bleiben mag. Nemblich vnserm Heyland vnd Seligmacher JEsu Christo. Diesen hochnotwendigen vnd nützlichen Punct / wissen wir GOtt lob vnnd danck für allen Heyden. Denn wens hochkompt / so ruffen sie mit jhrem Praeceptore vnd Lehrmeister Aristotele: O Ens entium miserere mei. O du Weesen aller Weesen erbarm dich mein. Wer aber dis Weesen sey / wissen sie durch aus nicht / zugeschweigen daß sie nicht gewust ob die Seele vnsterblich were / oder ob sie wie ein Dampff vnd Rauch verginge / inmassen denn der Weltweise Heyde Cicero selber von jhm schreibet: Quod si hoc
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(Lib. de senecti.) erro, quod hominum animos immortales esse credo, libenter erro, non mihi hunc errorem, quo delector, dum vivo, extorqueri volo. So ich in dem irre / daß ich die Seelen der Menschen für vnsterblich halte / so wil ich gerne jrren. Weil mir aber solcher Irthumb wolgefellet / wil ich mir jhn nicht nemen lassen / so lang ich lebe. Wir wissen jhn für allen Papisten / wie hoch sie sich auch rühmen / sie sitzen auff Mosis Stul / vnnd haben allein den Schlüssel zur heiligen Schrifft / vnd deren rechten Verstand: Den sie weisen jhre sterbenden von Christo auff die verstorbene Heyligen / vnnd sonderlich auff die hochgebenedeite Jungfraw Mariam, mit grosser GOttes Lesterung fürgebend / daß sie bey denselben viel angenemlicher / auch viel besser verwahret sey. Daher beten sie in jhrem Hortulo animae.
Maria Mater gratiae, Mater misericordiae Tu nos ab hoste protege, in hora mortis suscipe. Maria du Mutter aller Gnad / die allein Erbarmung hat. Des Teuffels gewalt du von vns wend / nim vnser Seel in deine Händ. Aber diese Betrigerey kan bey sterbenden den stich nicht halten / muß lauter zweiffel vnnd schrecken des Todes bringen: Den Abraham weiß von vns nicht / vnd Israel kennet vns nicht / du aber HErr / bist vnser Vater vnd vnser Erlöser / von alters her ist das dein Name / sagt die Kirche GOttes im alten Testamente
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Esaiae Cap. 64. V. 16. Darumb auch jener Christlicher Hochweiser Rath / seinem Fürsten vnd Herrn in Todesnöten recht zu gesprochen / alß er vermerckte wie die Münch vmb jhn stunden / vnd einer jhn auff Paulum, der ander auff Petrum, der dritte an die Mutter GOttes weise: Denn da trat er herzu vnd sprach: Gnediger Fürst vnnd Herr / Ewer Fürstliche Gnade hat allewege bey gesunden lebtagen das Sprichwort geführet: Gerade zu ist der neheste vnnd beste Weg. Dessen wolle sich Ewer Fürstliche Gnade jetzund in der Todeßfahr erinnern / vnnd keinen Vmbschweiff machen / sondern gerade zu mit gleubigem Gebet / vnd festen Glauben den HErrn Christum ansprechen / vnd jhm als vnserm einigen Patron vnnd Heyland seine wechfertige Seele vertrawen. Dieses Stücks können wir vns auch für allen Calvinischen spitzfindigen vnnd hochtrabenden Geistern rühmen: Dann ob sie auch wollen dafür angesehen seyn / alß wenn sie jhre sterbenden zu Christo führen / auch deßhalben eine Christliche vnnd Geistliche Brüderschafft von vns begeren / so thun sie doch nichts weniger vnnd führen vnter dessen die jhrigen von jhrem Seligmacher am allermeisten ab. Denn wie sol ich deme mit einem gleubigen Gebet meine Seele befehlen / von welchem ich in grossen zweiffel stehen muß / ob er auch mein Heyland vnd Seligmacher sey / oder nicht / ob sich sein Mitlerßampt auch
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auff mich erstrecke / oder nicht? Ja denen ich bey höchster Vermaledeiung nicht darff anruffen nach seiner Menschheit / vnd so weit von mir abe / alß der höheste Himmel von der Erden? Der nichts mehr empfangen hat als endlich Gewalt vnnd Macht / so viel die Menschheit natürlicher fehigkeit nach hat theilhafftig werden können: Den also spintisiren sie aus jhrer natürlichen Vernunfft von jhrem einigen Heyland vnd Seligmacher. Vnnd kan sie nichts helffen / daß sie solches vnd dergleichen hohen Wirckungen vnd Wolthaten auff die Gottheit wollen ziehen: Denn so bald ich die Menschheit aus setze / vnnd von den Mitlerßampt verrichtungen außschliesse / habe ich schon denn Mitler verloren / vnnd die Menschwerdung vnsers Erlösers vernichtiget / wo nicht verneinet. Denn so solche wirckungen hetten sollen oder können verrichtet werden / von der blossen Gottheit warumb / ist den das Wort Fleisch worden? Paulus Schreibet nicht vmbsonst: 1. Tim. 2. V. 5. 6. Es ist ein GOtt vnnd ein Mitler zwischen GOtt vnd den Menschen: Nemlich der Mensch Christus JEsus / der sich selbst gegeben hat für alle zur erlösung / daß solches zu seiner zeit geprediget würde. Aber GOtt lob vnd danck / wir wissen nicht allein wem wir vnsere Seele zu trewen Händen befehlen sol len / sondern auch mit was Zuversicht vnd vertrawen wir solches thun können.
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Denn siehe der ist ein HErr / HErr JEsu nim meinen Geist auff sagt hie Stephanus. Er ist ein HErr nicht allein nach seiner Gottheit / wie er sagt Esaiae. 42. V. 8. Ich der HErr das ist mein Name / vnd wil meine Ehre keinem andern geben / noch meinen Rühmden Götzen: Cap. 43. V. 11. Ich ich bin der HErr vnd ist ausser mir kein Heyland / sondern auch nach seiner Menschheit / wie Petrus in seiner Pfingstpredige lehret: Cap. 2. V. 36. So weiß nun das gantze Hauß Israel gewiß / daß GOtt diesen JEsum / den jhr Gecreutziget habt / zu einem HErrn vnd Christ gemacht hat. Den̅ jhme ist ja gegeben alle Macht vnd Gewalt im Himmel vnd auff Erden: Matth. 28. V. 18. Vnnd er gebraucht auch solche Macht vnnd Gewalt wircklich: Denn er sitzet zur Rechten seines Vaters im Himmel / vber alle Fürstenthumb Gewalt / Macht / Herrschafft vnd alles was genant mag werden / nicht allein in dieser Welt / sondern auch in der zukünfftigen: Ephes. 1. V. 21. Vnnd verthetiget die Seinen / daß sie auch die Pforten der Hellen nicht vberweltigen mügen / laut seiner gnedigen zusage: Iohan. 10. V. 27. 28. Meine Schaffe hören meine Stimme / vnd ich kenne sie / vnd sie folgen mir / vnnd ich gebe jhnen das ewige Leben / vnd sie werden nimmer mehr vmbkommen / vnd niemand wird sie mir aus meiner Hand reissen. Der Vater der sie mir gegeben hat / ist grösser denn alles /
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vnd niemand kan sie aus meines Vaters Hand reissen. Er heist auch JEsus: HErr JEsu nim meinen Geist auff. Ein Name vber alle Namen: Phil. 2. V. 9. Ausser welchem kein ander Name dem Menschen gegeben ist / dadurch sie sollen Selig werden: Act. 4. V. 12. Den̅ er fasset in sich in einem hauffen alles was dieser JEsus vnser Heyland vnd Seligmacher an vnser Stad gethan vnd gelitten / vnnd dadurch erworben vnnd zuwegen gebracht / vnnd daß er solches als vergebung der Sünde / versöhnung mit Gott / Friede̅ des Gewissens / Gerechtigkeit / daß Pfand vnser Erlösung / nemblich den H. Geist / ja das Heil vnnd die Seligkeit / auch noch vns wircklich zueigne / gebe vnd mitheile / inmassen solchs der Him̅lische Gesand vnd interpres vns selber leret: Matth. Cap. 1. V. 21. Da er zu Joseph saget: Maria wird einen Sohn gebären / deß Namen solstu JEsus heissen. Den̅ er wird sein Volck Selig machen von jhren Sünden / vnd der Apostel Paulus auch drauff siehet / wenn er schreibet an seinen lieben Timothium 1. Cap. 1. V. 15. Das ist je gewißlich war / vnnd ein tewr wertes Wort / daß Christus JEsus kommen ist in die Welt / die Sünder Selig zumachen. Ist nun demselben also / daß dieser vnser Heyland in die Welt kommen / vns vnser Leib vnd Seele zuerretten aus dem Reich des Teuffels / der Sünden des Fluchs vn̅ eiwigen Todes /
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vnnd hinwiederumb wircklich in sein Gnadenreich der Gerechtigkeit / vnd ewigen Seligkeit zuversetzen / so hat ja ein jeglicher in seinem andechtigen Hertzen / bey jhm bald die Rechnung zumachen / mit was Frewdigkeit er mit dem lieben Stephano jhme seine Seele commendiren vnd befehlen künne. Er ist ein HErr: Niemand kan jhm deine Seele aus der Hand reissen: Er thut was er wil im Himmel vnd auff Erden: Er ist aber auch ein JEsus: Er wil vnnd muß Ampts halber / dazu er sich von Ewigkeit in dem Rath der Hochgelobten Dreyfaltigkeit aus lauter erbarmen gutwillig anerbotten / vnnd vns in dem heiligen Evangelio warhafftig versprochen / sich deiner Seele annemen / vnnd sie Selig machen. Denn diesen Namen hat er nicht von Menschen / welche darinnen offtermals feylen können / wie Eva die erste Mutter an dem ersten Mutterkind Cain / sondern es ist ein Name von GOtt gegeben / wie Petrus lehret Act. 4. V. 12. Vnd von dem Engel Gabriel Geoffenbahret / ehe dann er im Mutter Leibe empfangen ward Luc. 2. V. 21. Darumb können wir ja diesem Heyland vnsere Seele getrost committiren vnd befehlen / nicht allein bitlicher weise / sondern auch als ein Hochtewres / liebes vnnd wertes Depositum oder Beylage? Denn er hat
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ja dieselbe erlöset erworben vnnd gar tewr erkauffet / nicht mit vergenglichen Gold vnnd Silber / sondern mit seinem Göttlichen Blut / auff daßwir sein Eigenthumb seyn / vnd vnter jhm leben / vnnd jhm dienen in ewiger Vnschult Gerechtigkeit vnd Seligkeit. Davon der heilige Apostel Paulus diese herrliche vnnd tröstliche Wort füret Rom. 14. V. 7. 8. Vuser keiner lebet jhm selber / vnd keiner stirbet jhm selber. Leben wir / so leben wir dem HErrn / sterben wir / so sterben wir dem HErrn / darumb wir leben oder sterben / so sind wir des HErrn. Wenn vnser HErr JEsus das Werck der erlösung nicht hette gutwillig auff sich genommen / vnd in erfüllung der zeit verrichtet / durch seinen Todt die Macht genommen / denn der des Todes Gewalt hatte / daß ist dem Teuffel / vnnd vns erlöset die wir durch Furcht des Todes im gantzen Leben Knechte sein müsten / so were vnser Leib vnd Seel im sterben alßbald dem leidigen Teuffel vnnd dem eiwige Todt heimgefallen. Denn wir waren Kinder des Teuffels / vnd Knechte der Sünder. Aber siehe da heists nun besser / vnd einem andern gestorben / nemblich deme / der vns erlöset. Denn so lang einer vnter dem Türcken gefangen ligt / wenn er stirbet / so stirbet er dem Türcken / der gehet mit jhm seines gefallens vmb: Wann aber ein grosser Herr vnnd Potentat kompt / vnnd legt für den Gefangenen die Rantzion ab / so ist er nicht des
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Türckens mehr / sondern dessen / der jhn gekaufft hat / dem lebet vnd stirbet er. Eben also helt es sich auch alhier. Christus hat für vns eine starcke vnd schwere Rantzion außgelegt: Wer derwegen solch Rantzion vnd Lösegeld durch den Glauben für seine Gefängnis da legt / was hat an deme Teuffel / Sünde vnd Todt? Wem stirbet er billiger / den seinem Erlöser vnnd Seligmacher? Weme kan oder sol er auch mit grosser Zuversicht vnd Frewdigkeit seine Seel anheime schicken? Das verstande der heilige Dionysius wol / vnd war deßhalben diß sein einiger Wunsch in seienm Leben.
O Domine lesu, ultimum tuum Verbum in ???ruce, Sit ultimum meum Verbum in hac luce. Ach HErr JEsu / daß letzt Wort dein / Laß auch mein letzten Seufftzer seyn. Das letzte Wort Christi aber war: Vater ich befehl meinen Geist in deine Hände. Ob aber Stephanus diese Wort gefüret in seinem letzten / so ist doch kein zweiffel / daß er als ein Rechtgleubiges Kind vnd Diener GOttes / dieselbe zu Tag vnnd zu Nacht vnd allwege fleissig in vbung gehalten habe. Denn rechte ware ernstliche Christen gehen jmmerda mit dem Todt vmb / vnd halten ein jegliches Stündlein fürs letzte / befehlen demnach auch allezeit jhre Seele jhrem Erlöser vnd Seligmacher / auff daß sie ja nicht zur bösen zeit mügen vberrückt werden /
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Inmassen den auch der Königliche Prophete David bey gesundem Leibe diß gebet treibet: Psalm 31. In deine Hände befehlich meinen Geist / du hast mich erlöst HErr du trewer GOtt / vnd auch wir allesampt dazu auffgemuntert werden / durch vnsern HErrn JEsum Christum: Luc. 12. Lasset ewr Länden vmbgürtet seyn / vnd ewre Liechter brennen / vnd seit gleich den Knechten / die auff jhren Herrn warten / wenn er auffbrechen wird von der Hochzeit / auff daß / wenn er kompt vnd ankloffet / sie jhm bald auffthun. Selig sind die Knechte / die der HErr / so er kompt wachend findet. Warlich / ich sage euch / er wird sich auffschürtzen / vnd wird sie zu Tische setzen / vnd für jhnen gehen vnd jhnen dienen. Dessen sollen wir vns ja täglich erinneren bey vnserem Morgend vnd Abend Gebet / da wir zu vnserem Himlischen Vater sprechen: Ich befehle mich / mein Leib vnd Seele / vnnd alle ding in deine Hände / dein heiliger Engel sey mit mir / auff das der böse Feind keine Macht vber mich finde Amen. Dessen vergaß auch der Gottselige Münch Bernhardus nicht / wenn er sein tägliches Gebet verrichtete:
In cruore tuo lotum Me commendo tibi totum Tuae sanctae manus istae Me defendant Iesu Christe, Extremis in periculis. Der ich durch dein Blut greniget bin / Geb Leib vnd Seel dir gar dahin.
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HErr JEsu Christ / dein heilige Händ / Behüten mich an meinem End. Wie nun aber die gantze heilige Göttliche Schrifft ist ein vnaußschöpffliches Meer / also kunten aus diesem Vnterricht auch viel herrlicher Flüß vnnd Bächlein deducirt vnd geführet werden. Für dißmahl wollen wir mit einander betrachten / was für ein mechtiger Trost daraus erwachse. Wenn vns diese Lehre nicht bekand / vnnd in GOttes Wort gegründet were / so müchten wir ja aus verzagtem Hertzen sagen. Ich fahre vnd weiß nicht wohin / Mich wundert das ichfrölich bin. Nicht aber also. Ich fahre vnd weiß wol wohin / mich wundert das ich trawrig bin. Vnter den Heidnischen Philosophen waren / welche treumeten / daß die Seele / wenn sie aus einem Cörper außführe / alßbald in einen andern einkehrte / auch wol der vnvernünfftige Thiere: Welche Heidnische Phantasey auch vnter die Juden kommen war: Den̅ wie zusehen Matth. 4. Machte jhm Herodes die Gedancken / alß wenn Eliae deß Theßbiten Seele in Johannem den Teuffer gefahren / vnnd Johannis Seele nach seinem Todt in den Leib des HErrn Christi. Sol aber dem also seyn / wie es den nur ein lauterer Heidnischer Traum ist / was wolte schrecklicher sein als sterben? Denn die Gleubigen haben in dieser Welt kein grösser Elend als an jhnen selber / daß sie
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mit der anklebende Sünde jmmerda / so lang die Seele in dieser sterblichen Hütten wohnet / zu Feld liegen müssen / haben auch kein grösser begierde / als das im zeitliche̅ Tod solcher Krieg ein Loch krigen müge / jemale̅ den Paulus ein herrlich Seufftzen thut: 1. Cor. 7. V. 24. Ich elender Mensch / wer wird mich erlösen von dem Leibe dieses Todes? Vnd spricht: 2. Cor. 5. Wir sind getrost / vnd haben viel mehr Lust ausser dem leibe zu Wallen / vnd dahinnen zu sein bey dem HErrn. Nicht geringer Thorheit ereignet sich auch an den Bäpstlern / welche die Seelen der Menschen nach jhrem abscheid aus dem Leibe in das Fegfewr verweisen / daß sie darinnen so lang geprügelt vnnd gebraten werden / biß man jhr mit Vigilien oder Seelmessen heraus hilfft / oder sie sonsten darinnen gereiniget vnnd purgirt werde. Solte das wol heissen / Christus ist mein leben sterben ist mein gewin? Stephanus weis hie vom Fegfewr nichts / der befehlt seine Seele nicht dem Peinigern / sondern seinem HErrn JEsu / Heyland vnnd Seligmacher? Gilt auch kein einwendens / Stephanus sey vol Glaubens vnd Geistes gewesen / vnnd habe also einen Fürzug gehabt. Denn ob zwar der Geist vnnd Glaube seine vnterschiedene stärcke vnnd schwachheit in vnterschiedenen Menschen hat / so ist (Act. 15.) dennoch eine Seligkeit / vnd ein Glaube dadurch wir Selig werden / wie vnser Väter / vnd zwar der Vater aller Gleubigen Abraham: Rom. 4. Solte ein
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Papistisch Fegfewr seyn / wie hette dessen der Schechet am Creutze so wol bedürfft / alß der sein gantzes leben in mutwilligen Sünden zu gebracht / vnnd seine Bekehrung zu GOtt gesparet hatte / biß jhm die Seele auff der Zungen saß: Aber da wil der Herr JEsus von keinem solchen Fewr wissen / sondern spricht zu jhm: Heute wirstu mit mir im Paradiß seyn. Das ist ein krefftiger Trost / so bald die Seele abscheidet sol sie bey Christo seyn / Selig sind die Todten die im HErrn sterben von nun an / sagt eine Stimme vom Himmel: Apoc. 14. V. 13. Derwegen ist kein mittel / welche im HErrn entschlaffen / deren Seelen komm en alßbald aus der Vnruhe zu Ruhe vnnd Frieden / auß der Finsterniß zum Liechte / auß dem Trawren zur Frewde / auß der Mühseligkeit zur Herrligkeit / aus der Trübsaligkeit zur Volkommenheit. Denn davon sagt auch daß Buch der Weißheit Cap. 3. Die Seelen der Gerechten sind in GOttes Händ / vnnd keine Qual rüret sie an: Für den vnverstendigen werden sie angesehen / alß sterben sie / vnnd jhr abschied wird für eine Pein gerechnet / vnnd jhr Heimfart für ein Verderben / aber sie sind im Frieden: Im ersten Buch Samuelis: Cap. 25. V. 29. Wird die versamlung der Seelen genennet ein Bündlein der lebendigen bey GOtt dem HErrn / vnd: Luc. 23. Ein Paradiß anzuzeigen / daß die Seelen nicht da hinfallen in einen Schlaff / da sie weder lieb noch läid empfinden / wie
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etliche geschwermet haben / sondern daß sie leben bey GOtt dem HErn / vnnd also haben ein Himmlisch leben / dessen höheste Volkommenheit stehet im Erkentnis vnnd anschawen der Hochgelobten Dreyfaltigkeit / Iohan. 17. Vnd in vnvermeßlicher Frewde neben den heiligen Engelen für dem Stul GOttes stehen / vnnd mit lauter Stimm Lobsingen: Heyl sey dem der auff dem Stul sitzet / vnserm GOtt vnnd dem Lamb. Ists nun der gleubigen Seelen eine grosse Frewdigkeit in dieser sterblichen Hütten GOtt erkennen / vn̅ sehen in seinem Wort / vn̅ loben vn̅ preisen / wie viel grösser wird solche Frewde da seyn / da GOttes Angesicht für Augen stehet / da der Leib / da Fleisch vnnd Blut / da Teuffel vnd Welt nicht mehr gefehrlich / beschwerlich vnd hinderlich seyn? Da müchte einer ja freylich mit David wol einen hertzlichen Seufftzen gen Himmel schicken / auß dem 42. Psalm: Wie der Hirsch schreyet nach frischem Wasser / so schreyet meine Seele GOtt zu dir / meine Seele dürstet nach GOtt nach dem lebendigen GOtt / wenn werde ich dahin kommen / daß ich GOttes Angesicht schawe? Mit dem alten Kirchenlehr Augustino: Domine Iesu moriar, ut te videam. Ach mein lieber HErr JEsu laß mich sterben / auff daß ich sehe. Also von dem ersten stücke des Gebetes Christi.
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Bey dem andern aber da er bittet HErr behalte jhnen diese Sünde nicht / lernen wir auch zweyen notwendige Stücke / deren nach dem Exempel des heiligen Stephani sich ein jeglicher Christenmensch / dem es vmb ein Seliges Sterbstündlein allermeist zuthun ist / sich befleissigen sol. Erstlich daß er ja kein Feindseliges Hertz habe wider andere Menschen / fondern so viel an jhm ist / Fried vnnd Freundschafft halte mit jederman. Denn davon stehen zumahlen ernstliche Wort bey dem heyligen Apostel vnd Evangelisten Johanne / in seiner ersten Epistel: Cap. 4. V. 15. Wer den Bruder nicht liebet / der bleibet im Tode. Wer seinen Bruder hasset der ist ein Todschläger. Vnnd jhr wisset / das ein Todschläger hat nicht daß ewige Leben bey jhm bleibend. Cap. 5. V. 7. Ihr lieben lasset vns vnter einander lieb haben. Denn die liebe ist von GOtt / vnnd wer lieb hat der ist von GOtt geboren / vnnd kennet GOtt. Wer nicht lieb hat / der kennet GOtt nicht / denn GOtt ist die Liebe: V. 20. So jemand spricht: Ich liebe GOtt / vnd hasset seinen Bruder der ist ein Lügener. Denn wer seinen Bruder nicht liebet / denn er siehet / wie kan er GOtt lieben / denn er nicht siehet? Sehet da Sonnenklar / wo nicht ist die Liebe gegen den Nehesten / da ist nicht der Glaube / oder Seligmachende Erkentnis GOttes /
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Vnnd also lauter Zorn vnd Verdamnis: Denn wer da nicht gleubet / der ist schon gerichtet / denn er gleubet nicht an den Namen des eingebornen Sohns GOttes. Zum andern daß wir viel mehr ein versünliches Hertze haben sollen / vnd nicht allein vnseren Wiedersacheren von Hertzen gerne vergeben / sondern auch den lieben GOtt für sie anruffen / er wolle jhnen jhre Sünde vergeben / vnd Gnade verleihen / daß sie die Feindseligkeit fallen lassen / vnnd mit warer Busse sich zu GOtt bekehren. Also verbate vns vnserer eniger Hoherpriester bey seinem Him̅lischen Vater / da wir jhnen mit vnseren Sünden zum Fluch gemacht / vnd an das Creutz genagelt hatten. Wir solten jhm darin billig nachfolgen / da wir von vnserm Nehesten kaum 5. Groschen zufordern / da wir jhm mit zehentausent Pfund verhafftet? Aber es gehet vnserm Adamitischen vnd Adamantischen Fleisch vnd Blut / vber die massen schwer eingehen / das auch mennig voller Haß vnd Neid ist / wenn er schon einen Fuß in der Gruben hat / noch mit Rachirigen gedancken vnd Geberden vmbgehet / wenn jhm der Todt die Zunge schon gelemet. Gedencket demnach / waß Syrach saget Cap. 28. Ein Mensch wil mit dem andern Zorn halten / vnd bey dem HErrn Gnade suchen? Es ist vnbarmhertzig gegen seines gleichen / vnnd wil für seine Sünde bitten / er ist nur Fleisch vnd Blut / vnd helt den
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Zorn / wer wil jhm seine Sünde verzeihen? Gedencket was vns Christus hat leren täglich beten. Vergib vns vnser Schult / alß wir vergeben vnseren Schüldenern. Darumb wer nicht vergibt was betet der anders als wieder sich / vergib mir nicht meine Schuld / alß ich auch nicht vergebe meinen Schüldenern? Was ist aber mehr von nöten beim Sterbstündelein / als eben die vergebung der Sünden? Denn wie die Sünde vorbehalten ist / da hat der Teuffel fug vnd recht zu seiner Anklag / daß Gesetz zu verfluchung / der Todt zuwürgen / die Helle zuverschlingen. Ob aber Stephanus diese collecten für seinen Feinden eingelegt / da er jtzo loßdrücken solte / wil doch lange daraus nicht folgen / daß wir nicht zur brüderlichen versönung vnd vergebung vns sollen finden lassen / biß der terminus vnnd das ende heranner rücket / sondern diß haben wir dabey zu observiren, da die injuria vnd gewalthetigkeiten am aller grössesten vnnd hefftigsten war / daß er auch das leben zubüssen müste / siehe da lest er gleichwol sein Hertz vo̅ bösen nicht vberwinden / sondern er vberwindet mit gutem das böse / vns zum Exempel daß wir gleichmessig gegen vnsere Feinde sollen gesinnet seyn. Vnd solches ist die trewhertzige Vermanung Christi: Matth. 5. Sey Wilfärig deinem Wiedersacher bald / weil du noch mit jhm auff dem Wege bist / auff daß dich der Wiedersacher nicht dermal eins vberantworte dem Richter / vnd der
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Richter vberantworte dich dem Diener / vnd du werdest in den Kercker geworffen. Ich sage dir warlich du wirst nicht von dannen heraus kommen / biß du den letzten Heller bezahlest.

Vom andern.
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DA sich nun also Stephanus fein Christlich vnd Seliglich zum Tod schicket / wie stirbet er den̅ / vnd was ist von seinen Tod zu halten? Die Welt stellet vnd fellet ein schlechtes Vrtheil davon: Sap. 3. Für den vnverstendigen werden sie angesehen / alß stürben sie / vnnd jhr abscheid wird für ein Pein gerechnet / vnnd jhr Heimfart für ein verderben. Aber siehe vnd mercke hie / was der heilige Geist davon halte vnnd setze. Alß er das gesagt hatte entschlieff er. Das mag vnser Vernunfft nicht begreiffen / wie das solle ein Schlaff heissen / da man mit Gesundem leib / mit frischem Hertzen davon muß / vnd sein leben vnter den Steinen lassen / inmassen den̅ auch die in des Iairi Hause Christum verlacheten da er sagte / daß Kind ist nicht gestorben / sondern es schläfft. Aber der heiliger Geist ist vns ein Zeuge vber vnd wieder die Natur vnd Vernunfft / bey welches Wort ohn alles grübelen vnd klügelen alle Christen sagen / . Der hat diese algemeine Art zu reden / daß er den Tod gleubiger Menschen nennet einen süssen vnnd sanfften
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Schlaff: Dan. 12. V. 2. stehet: Viel so vnter der Erden schlaffen / werden auffwachen / etliche zum ewigen Leben / etliche zur ewigen Schmach vnnd Schande. Von dem vestorbenen Lazaro sagt Christus: Iohan. 12. Lazarus vnser Freund schläfft / aber ich gehe hin / daß ich jhn aufferwecke. Vnnd der Apostel Paulus schreibt 1. Cor. 15. Christus ist der Erstling worden vnter denen die da Schlaffen. Vnnd 1. Thes. 4. Wir wollen euch lieben Brüder nicht verhalten von denen / die da Schlaffen / auff daß jhr nicht trawrig seid / wie die andern die keine Hoffnung haben. Deut. 31. sagt GOtt zu Mose. Du wirst Schlaffen gehen zu deinen Vätern. Vnnd Nathan zu David 2. Sam. 7. Wen̅ nun deine Zeit hin ist / vnd du Liegen vn̅ Schlaffen wirst mit deinen Vätern / wird GOtt der HErr einen Samen erwecken / der von deinem Leibe kommen wird. Wie nun kein eintziges Wörtlein von dem Heyligen auff gezeichnet / welches nicht seinen sonderlichen Nachtruck habe / also sollen wirs auch gentzlich dafür halten / daß er auch nicht vmbsonst denn Tod der Frommen fürnemlich hat einen Schlaff nennen wollen. Erstlich ists geschehen zur stetigen erinnerung vnser sterbligkeit: Dann gleich wie alle Menschen Schlaffen müssen / vnnd dessen keines weges entraten können / sie sein Jung oder Alt / Arm oder Reich / also müssen auch alle Menschen sterben / vnnd keiner kan des Todes gevbriget seyn. Der Tod ist zu allen
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Menschen durchgedrungen / dieweil sie alle gesündiget haben: Rom. 5. Das ist der alte Bund / Mensche du must sterben / sagt Syrach Cap. 14. Denn Menschen ist gesetzt einmahl zusterben / sagt die Epistel an die Hebreer Cap. 9. Denn wo ist jemand der dalebet / vn̅ den Tod nicht sehe? Spricht David Psalm 89. Dessen haben wir vnstäglich zu erinnern bey vnserm Slaff / vnnd dabey mit Mose zu Seufftzen: Ps. 90. HErr lehr vns bedencken / daß wir sterben müssen auff das wir klug werden. Solche Gedancken sein vns sehr heylsamb vnd nützlich halten vns von sicherheit / vnnd menniger Sünde abe. Darumb vns auch Syrach vermanet: Cap. 7. Mensche / waß du thust so bedencke das Ende / so wirstu nimmermehr vbels thun. Zum andern zur Warnung / daß wir vns bey diesem leben nicht zu sehr in das Zeitliche vertieffen. Den gleich wie einer / der sich zu Bette wil Schlaffen legen / sich nicht vmb seine Kleider bekümmert / sondern wird fro / daß er sie mag ablegen / vnd scheidet sich also gleichsamb im Schlaff von allen seinem Haab vnnd Gütern / deren er auch im Schlaff gar nichts zugebrauchen oder zugeniessen. Also sollen wir vns auch zu einem sussen Schlaff des Zeitlichen Hintrits schicken / vns nicht viel Bekümmern machen / was wir hinterlassen müssen / sondern an das allein gedencken was daforn ist / vnd dazu wir durch diesen Schlaff zu
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gelangen verhoffen / vnnd also dem lieben GOtt noch dancken / daß wir mügen auffgelöset werden / vnsere Irrdische Hütten verlassen vnd ablegen / vnnd alles dahinden lassen / was vns in diesem leben auff dem engen Wege zur Seligkeit sehr beschwerlich vnd geferlich gewesen ist. Darinnen ist vns der heylig Apostel Paulus herrlich für gangen / laut seiner Wort: Phil. 3. V. 13. Eins sage ich: Ich vergesse was dahinden ist / vnnd strecke mich zu deme / das da fornen ist / vnnd jage nach dem fürgesteckten Ziel / nach dem Kleinot / welches fürhelt die Himmlische Beruffung GOttes in Christo JEsu. Weil solches aber bey Glück vnnd guten Tagen vnserm Fleisch vnd Blut gar nicht einwil / so ists sehr heylsamb vnnd nützlich / daß vns diß leben mit Creutz vnnd Trübsal wol gesaltzen vnnd verbittert werde. Denn gleicherweise wie die Epicurischen Helde zusauffen vnnd zufressen des Schlaffes weinig achten / sein des Morgens früh auff außzusauffen was eingeschenckent ist / vnnd sitzen des Nachts biß sie der Wein erhitze / vnd da sie schon einmahl einschlaffen / so liegen sie da doch in jhrem Treck / vnd Kleidern wie die Mastsäw. Also sagt auch Syrach von dem Schlaff des zeitlichen Todes: Cap. 41. OTod wie bitter bistu / wen̅ an dich gedencket ein Mensch / der gute Tag vnd genug hat vnd ohn Sorgen lebet / vnd deme es woll gehet in allen dingen vnd noch woll essen mag. Hergegen aber
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wenn einer seines Beruffs den̅ gantzen Tage gewartet vnnd sich woll abgemattet hatt / da ist jhm der Schlaff ein fein gewünschtes ding / der befehlt sich GOtt / vnd schlefft sanffte vnd susse ein: Inmassen den̅ auch solchs der Prediger Salomonis zeiget Cap. 5. wer arbeiet / dem ist der Schlaff süsse / er habe wenig oder viel gessen: Also wer alhier in dem Weinberg des Creutzes arbeiten muß / eine Wiederwertigkeit nach der ander vber sich lassen außgehen / deme ist der Todt ein hoch gewünschetes ding / der frewet sich seins Sterbstündeleins / vnd hatt lust ab zu scheiden / vnd wenn es heranner rücket / so befehlet er sich GOtt / vnd fehrt ohn alle sorgen / mit Friede vnnd Frewde in einem süssen Schlaff dahin. Inmassen auch Syrach sagt: Cap. 41. OTodt wie woll thustu dem Dürfftigen / der da Schwach vnd Alt ist der in allen Sorgen steckt / vnd nichs bessers zuhoffen noch zu gewarten hatt. Zum dritten ists geschehen zum mechtige̅ / krefftigen Trost / denen die da loßdrücken müsse̅. Den̅ fürs erste wie die Schlaffenden in dem Schlaff Ruhen von der Arbeit / vnd dazu offtermals verschlaffe̅ ein groß getrosch / viel deuten vnd Leutten / viel Klingen vnd Singen / viel Regen / Donner vnd Vngewitter / also gehets mit denen / welche im HErren Seliglich Entschlaffen: Se kommen zum Friede vnd Ruhe / da das köstlichste dieses lebens ist lauter Mühe vnnd Arbeit gewesen / aut des 90. Psalmen / verschlaffen viel Vnfal / Hertz
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leid / Betrübnis / viel Krieg vnd Kriegßgeschrey / viel Verfolgung / viel Anfechtunge / deren sie in jhrem Ruhbetlein nicht eins gewahr werden. Denn so stehet: Sap. 4. Der Gerechte / ob er gleich zu zeitlich Stirbt / so ist er doch in der Ruhe. Ja GOtt der HErr fordert die Seinen mannigmahl gar zeitig ab / auff das auch nicht vber sie der Zorn mit gehe / wie solches zusehen: Esa. Cap. 26. Da er zu seinem Volck saget: Gehe hin in dein Kämmerlein / mein Volck vnd schleus die Thür nach dir zu / verberge dich ein klein Augenblick / biß der Zorn fürvber gehe. Vnd Cap. 56. Die Gerechten werden weggerafft für dem Vnglück / vnnd die richtig für sich gewandelt haben / kom̅en zum Fried / vnd ruhen in jhren Kammern. Solches hat er allwege in der That mercklich sehen lassen / da er die erste Welt durch die Sindflutt straffen vnnd verderben wolte / da ließ er zuvor die frommen Patriarchen in jhr Ruhekämmerlein gehen. Da er das Volck Israel in die siebentzig Järige Babylonische Gefengnis wolte kommen lassen / nimpt er zuvor hinweg / den lieben Josiam vnd Ezechiam / vnd spricht: Ich wil dich lassen versamblet werden zu deinen Vätern / daß deine Augen das Vngluck nicht sehen sollen. Fürs ander / wie die Menschen / wenn sie sich in jhr Ruhekämmerlein verschliessen / vnnd zu Bette legen / deren gewissen zuversicht seyn / es werde jhnen vnter dessen an jhrem Leib nicht allein kein Schad
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schehen / sondern sie werden auch des Morgens so balt die Sonne herfür bricht / viel frischer vnd gleichsam mit newen Kräfften auffstehen / vnd sich wiedervmb willig vnnd frölich an jhres Beruffs Arbeit machen. Ebener massen können auch die Gleubigen dieser vnfeilbare Zuversicht haben / daß sie nicht allein gar nicht daß geringste verlieren sollen / alß Sünde vnnd was durch die Sünde auff des Menschen Leib kommen ist. Denn GOtt hat jhr Ruhekämmerlein verschlossen / daß auch davon David sagt: Ps. 4. Ich liege vnnd schlaffe gantz mit Frieden / denn du HErr hilffest mir / daß ich sicher wohne. Ja er ordnet auch seine Himmelß Fürsten die heilig Engel dabey / daß sie auch die Steublein vnnd Gebeinlein bewachen müssen / daß daran nicht eines verrückt vnnd verloren werde / wie aus dem 34. Psalm des Königlichen Propheten Davids zu verneme̅ ist. Sondern daß sie auch an dem frölichen Jüngsten Tage / wenn die Sonne der Gerechtigkeit JEsus Christus herfürbrechen wird / werden mit jhren Leibern / ja mit verneweten vnd clari ficirten Leibern aufferstehen / vnd alß dann erstlich zu jhrem Himmlischen Beruff schreiten / GOtt erkennen vnnd sehen / jhn jmmerda loben vnnd preisen. Denn so stehet Esa. Cap. 26. Deine Todten werden leben / vnnd mit dem Leichnam herfürgehen / wachet auff vnd rühmet die jhr lieget vnter der Erden. Vnnd 1. Cor. 15. Es
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wird gesäet verweßlich / vnnd wird aufferstehen vnverweßlich. Es wird gesäet in Vnehre / vnd wird aufferstehen in Herrligkeit. Es wird gesäet in Schwachheit / vnd wird aufferstehen in Krafft. Es wird gesäet ein Natürlicher Leib / vnd wird aufferstehen ein Geistlicher Leib. Was aber das nun für eine grosse Herrligkeit vnnd Himmlische Majestät sey an Leib vnnd Seele / daß mügen wir hie nicht verstehen / viel weniger außreden. Christus sagt: wir werden den Engeln gleich seyn: Matth. 22. Der Apostel Paulus schreibt davon: Phil. 3. V. 20. 21. Vnser Wandel ist im Himmel / von dannen wir auch warten des Heylands JEsu Christi des HErrn / welcher vnsern nichtigen Leib verklären wird / daß er ähnlich werde seinem verklärten Leibe / nach der Wirckunge / da er mit kan auch alle Ding jhm vntethänig machen. Vn̅ Marth. 23. Die Gerechten werde̅ leuchte̅ wie die Sonne in jhres Vaters Reich: Dan. Cap. 12. Die Lehrer werden leuchte̅ wie des Him̅els Glantz / vn̅ die / so viel zur Gerechtigkeit weisen / wie die Sterne̅ jmmer vnd ewiglich: 1. Ioh. 3. Meine lieben / wirsind nun Kinder GOttes / vnnd ist noch nicht erschienen / was wir sein werden / wir wissen aber / wenn es erscheinen wird / daß wir jhm gleich sein werden. Den̅ wir werden jhn sehen wie er ist. Sehet / geliebte Christen / des ist eine der fürnemsten Vrsach / warumb der Heylige Geist der seinigen absterben hat einen Schlaff nennen wollen: Wie man
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den̅ Kinderlein bey zufallende̅ Schwacheite̅ keine bittere Artzeyne kan bey bringe̅ / es werde sie dann mit zucker vberzogen / also / weil der Tod der Natur / die zum leben erschaffen / sehr herbe vnd erschrecklich fürkommet / hatt ers für Hochnot geachtet / denselben mit so einem Holdseligen Namen zu vberzuckeren / vnd also von aussen für zuhalten / was für heilsamen nutzen wir davon haben / wenn wir freimütig in diese vberzuckerte bittere Mandelen einmachl hinein beissen. Den̅ ists nicht ein Elend jem̅erelich ding vmb aller Menschen leben / am allermeisten zu dieser zeit da Bößheit vberhand genom̅en in allen Ständen / bey allen Mensche̅. Wenn du Entschlaffen bist / singetdie Kirche GOttes bey deinem Ruhe kämmerlein:
Sein Jammer / Trübsal vnd Elend / Ist kommen zu einem seligen End / Er hat getragen Christi Joch / Ist gestorben vnd lebet noch Was ist einem rechtschaffenen Christen doch beschwerlicher als sein eigen Leib vnd Leben / weil er weis / so lang er in dieser sterbliche̅ Hütten wohnet / tregt er seinen ärgesten Feind an seinem eigene̅ Hals / muß jhn hebentragen / nehren vnd pflegen / vn̅ jemehr er sein pfleget / je heftiger er auch dem heiligen Geist wiedersteht. Aber siehe der Todt reist die sterbliche Hütte nieder / vnd da er meinet dir zu schaden / da muß er dir ein Gewinn seyn / weil er seinen Stachel die Sünde in dem Sieg
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vnnd vberwindung deines Heylands verloren hat. Denn siehe deine Sterbligkeit / deine Gebrechligkeit / deine hinderstelligen Lüste vnd Begierde / ja die Wurtzel der Sünden vnnd alles was darauß entsprungen / das muß er vollen in der Erden auffheben Tödten vnd Verzehren / das wenn du die fröliche Stimme des HErrn JEsu Christi hören wirst / wieder herfür gehest / als ein newer Englischer Mensch / ohn alle gebrechen vnd gebrechligkeit / ohn alle Sünde vnd zunei gung zur Sünden. Ein recht schaffener Christen Mensche alhie auff Erden hat daran sein höheste Frewde / vnnd werthesten Schatz / daß er GOtt vnd den HErrn JEsum Christum erkennen mag / in massen der Heyliger Apostel Paulus alles für Schaden vnd Dreck rechnet / gegen der vberschwenglicher Erkentniß Jesu Christi Phil. 3. aber das macht jhm mannigmahll groß hertzenleit / des er alhier mit dem zweiffel vnnd vnglauben jm̅erdar zu Felde lieggen muß / aber siehe durch den Todt kömstu vom Glauben zum schawen / wie Paulus lehret 1. Cor. 13. wir sehen jetzt durch einen Spiegel in einem tunckelen wort / denn aber von Angesicht zu Angesicht. Jetzt erkenne ichs Stuckweisse / denn aber werd ich erkenne̅ / gleich wie ich erkennet bin. Was nun diese betrachtung in dem gleubigen Hertzen erwecken könne / das habe̅ wir an dem woll geplagten Job zu sehen Cap. 19. da er seines
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hertzens Frewde in diese Wort herausser brechen lesset: Ich weiß daß mein Erlöser lebet vnd wird mich hernach aus der Er den aufferwecken. Vnnd werde darnach mit dieser meiner Haut vmbgeben werden / vnd werde in meinem Fleisch GOtt sehen. Denselben werde ich mir sehen / vnnd meine Augen werden jhn schawen / vnd kein Frömbder. Die hinterlassene Verwante vnnd Freunde / haben aber dieses auch wolzubedencke̅ / wie trefflich wol mit jhrem vielgeliebten Vater Eheman vnnd Freunde gehandelt sey. In was für einen Seligen Zustandt er jtzo gekommen / denn sollen sie jhm ja von Hertzen gerne gönnen vnnd wünschen. Wenn fromme Kinder sehen / daß jhr lieber Vater nach grosser Mühe vnd Sorge süs / vnd sanfft Eingeschlaffen / da sein sie von Hertzen fro / befleissigen sich aller still / damit er ja in seiner gewünschten Ruhe nicht müge verhindert werden / wie vielmehr sollen sie jhm nun dieser begirlichen Frewde wegen Glückwünschen / vnnd denn lieben GOtt von Hertzen bitten / Er wolle auch zu rechterzeit Feyerabend mit jhnen machen / daß sie mügen hernacher folgen / vnd mit jhm einer Ruhe vnd Seligkeit theilhafftig werden / die wolle vns nun allen verleihen der Vater aller Gnaden vmb JEsu Christi seines lieben Sohnes / vnsers Heylands vnd Seligmachers willen Amen.
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Personalia.
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WAs nun anlanget vnsern lieben in Christo seliglich verstorbenen Mitbruder / den Weyland Ehrnvesten / Achtbarn vnd Fürnehmen Herrn Georg Bösen / so weiß Ewer Liebe / daß vnser Gebrauch alhie nicht ist / viel Wort von der verstorbenen Herkommen / Wesen vnd Wandel zumachen. Das ist das allermeiste vnnd fürnemeste / warumb wir im Klaghauß Gottes zusam̅en kom̅en / daß wir sehen / wie sie seliglich gestorben / vnd wir jhnen zu der von GOtt bestimbten zeit im Friede folgen mügen. Ein wenig davon zuberüren / so hat er aus sonderlicher schickung GOttes seinem Beruff oder Gewerbe nach / sein Vaterland / da er von frommen vnd fürnehmen Eltern geboren / in der Jugent bald verlassen müssen / vnnd aus geheiß vnnd gnedigen willen des Weyland Durchleuchtigen / Hochgebornen Fürsten vnd Herrn / Herrn Julii Hertzogen zu Braunschweig vnnd Lüneburg / etc. Sich alhie bey vns zu Wolffenbüttel niederlassen müssen / vnnd also auch diesem Ort mit seiner Kauffmanschafft vnnd ehrlichem Gewerbe behülfflich vnd dienlich seyn / darinnen er den̅ auch keine Mühe vn̅ Fleiß gesparet / sondern sich dahin zu Tag vnd zu Nacht zum trewligsten bemühet vnd beflissen. GOtt hat auch solchen seinen Fleiß gesegnet / vnd an jhm augenschein
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lich sehen lassen / was er verheissen: Ps. 128. Wol dem der denn HErrn fürchtet / vnnd auff seinen Wegen gehet / du wirst dich nehren deiner Hände Arbeit / wol dir du hast es gut. Er hat auch GOtt für solchen seinen Segen mit Jacob gedancket / vnd jhm miltiglich davon gedienet / so viel Kirchen / Schulen vnnd Armen betreffen thut / inmassen er solche piam liberialitatem an beförderung des newen Kirchengebews mercklich hat sehen vnd spüren lassen. Sonsten sein Christenthumb belangend / so müssen wir jhm das Zeugnis geben / daß er kein Maul-Christ gewesen / sondern es jhm vmb die Seligkeit habe lassen ein rechten ernst seyn. GOttes Wort hat er geliebet / gerne gehöret vnd sich fleissig zu dem Hochwirdigen Abendmahl gehalten / mit fleissigem Gebet / daß GOtt durch diese seine Ordentliche Mittel denn Glauben in jhm erhalten vnd stärcken wolle. Welchen Glauben er denn auch in die Wercke hat herfürbrechen lassen / nicht allein in gemeinem leben gegen seinen Nehesten / sondern auch fürnemlich in Amptsverrichtungen. Denn da er in ansehen seines richtigen Gemütes für zwenzigste halb Jahr zu einem Kirch-Vater vnnd Vorsteher alhie ist erwehlet worden / hat er sich die Kirchensachen dermassen lassen angelegen seyn / daß er für andern wegen fleisses / vnd Freundligkeit gegen die / welche bey jhm zu fördern gehabt / einen rümlichen Namen gehabt / vnnd wir Kirchen vnnd
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Schuldiener jhm alle mit einander gerne ein lengers leben gewünschet hetten. Als ein Christ hat er auch nicht sollen ohn Creutz seyn / denn GOtt hat jhm nicht allein fünff liebe Kinderlein / sondern auch zweyen hertzliebe Ehegenossen von der seiten hinweg genom̅e̅ / daß er auch nach GOttes willen vnnd schickung zur dritten Ehe hat schreiten müssen / in welcher er nun die hochbetrübte Witwe hinter sich verlassen hat / sampt einen Sohn vnd Tochter aus der ersten / Sohn vnd Tochter aus der andern / vnnd zwo Söhnlein aus der dritten Ehe / GOtt der heilige Geist wolle sie alle Trösten. Für wenig Tagen aber hat jhn GOtt der HErr mit Leibes Schwachheit beleget / vnnd ob man zwar nicht vermeinet / daß sein seliges Ende so nahe sein soll / hat er sich doch nach aller gebür dazu geschicket / vn̅ nochmals von mir begeret zu einem selige̅ Abscheid mit dem Hochwirdigen Abendmahl versehen zu werden. Welches er den̅ auch acht Tage für seinem Ende mit Christlicher devotion, vnd befrewdigung auff vor gehaltene Evangelische Sprüche empfangen hat. Aber bald hernacher hat er selber augenscheinlich beginnen zumercken / daß jhn GOtt heim holen wolle / hat sich des zeitlichen begeben / vnd allein auff Christum gedacht: Denn da er am verschienen Sontag etwas schwecher worden / hat er mich für Tage zu jhm fördern lassen / durch Trost des heiligen Geistes seine hinfahrende
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Seele zuerquicken / vnd da ich wegen zweyer Predigen nicht so bald wieder zu jhm kommen können / hat jhm zeit vnnd weile wollen zu lang werden. So bald ich aber zu jhm kommen / habe ich jhm die Sprüche des heiligen Geistes für gehalten / darauff er sonderlich acht gehabt / sich mit keiner Irrdischen Speise Laben vnd Erquicken lassen wollen / sondern standhafft gesagt / er wolte sich von dem Angesicht Christi bald ersettigen / der solte in jhm alles seyn / denn wolte er sehen / wenn die Glocke würd fünff schlagen. Vnter dessen haben wir gebetet vnnd er mit vns / vnd sonderlich geführet die Wort / HErr JEsu meinen Geist befehl ich dir in deine Hände / damit jhm auch endlich die Zunge beliegen blieben / biß er jrgent eine halbe Stunde hernach gerade vmb fünff vnter vnserm der anwesenden Gebet fein sanfft vnd still im Frieden dahin gefahren. Da ist nun die Seele in der ruhe / vnnd in der Hand GOttes / vnnd der Leib erwartet eine fröliche Aufferstehung zum Ewigen Leben. Daß gebe jhm GOtt / vnnd verleihe der Wittiben Kinderen vnnd Freunden Gedult vnd Trost des heiligen Geistes / vnd vns auch zu rechter zeit ein Selige Heimfart in das rechte Vaterland vmb JEsu Christi seines Eingebornen Sohns / vnsers enigen Seligmachers vnd Mitlers willen. Amen.
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LESSUS in Maestissim um obitum Viri integerrimi & candidi Dn. Georgii Bösen.
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STat sua cuique dies, mortis fera tela caduco, Effugiet natus sanguine, nemo virûm. Sed maledicta dies, & longo tempore maesta, Qua vitam Bösius deserit ipse suam. Qua decus omne meum, mea spes & magna voluptas lam jacet in tenui, morte necatus humo. Hinc ingens macerat praecordia tristia luctus, Quod parcae tantum surripuêre virum. Qui dignus fuerat, numerasset tem pora vitae Tempora longa senis, vivere dignus erat Dignus erat Pylios vitam producere in annos, Sed corrupta vetant, vivere secla diu. Ast quorsum maestis Dominum sequor ipse querelis? Quem tenet aula poli: Nos lacrymosa dies. Ergò, quod super est, cum Christo vivito felix Nunc & in aeternos, vive valeque dies: Demisse nec non grati animi ergòfundebat Iohannes Buscherus Aeglensis saxo filioli Pracept: FINIS.


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