|| [ID00001]
REFVTATIO Irenaej. Gründtlicher Bericht auff das Examen M. Christophori Irenej
/ so er Anno 1581. wider den ersten Artickel deß Christlichen Concordi Buchs /
von der Erbsünde / durch offenen Druck außgesprenget: Vnd beständiger Beweiß /
daß gemeldter Artickel in Gottes Wort noch starck vnd fest stehe.
Gestellet durch etliche hier zu verordnete Theologen / Im Jar nach der Geburt
vnsers lieben HERRN vnd Heylandts Jesu Christi / 1583.
Mit Churfürstlicher Pfaltz Gnad vnd Freyheit. Gedruckt in der Churfürstlichen
Statt Heydelberg / durch Johan Spies. M. D. LXXXIII.
|| [ID00002]
|| [ID00003]
Vorrede an den Christlichen Leser.
DEmnach M. Christophorus Irenaeus ein groß Buch wider den ersten Artickel deß
Christlichen Concordi Buchs / Von der Erbsünde / durch öffentlichen Druck / Anno
Christi 1581. in die gantze Christenheit außgesprenget / in welchem er sich
vnterstehet gemeldten Artickel / wo nicht gantz vnd gar vmbzustossen / jedoch
zum wenigsten bey eynfältigen / vnd dieses Streits nicht gnugsam berichteten vnd
erfahrenen Hertzen / in Verdacht oder Zweiffel zu ziehen / Gemeldtes sein Buch
auch mit grewlichen vnd vnerhörten Läster / Schmähe vnd Iniuri Worten erfüllet /
vnd ohne Schew / wo er nur kan / allen reinen Lehrern Schandflecken anzuhencken
/ vnd die gantze Christenheit zu verwirren vnd porturbieren / Als hat die
höchste Notturfft vnserer Kirchen vnnd deß Christlichen Concordibuchs erheischet
/ solch sein Buch nicht allein in der Furcht Gottes lesen zu lassen / vnd
fleissig zu er
|| [ID00004]
wegen / Sondern
auch eine gegründte Refutation-Schrifft darauff zu verfassen vnd zu
publicieren.
Dann von vielen Orten angelanget / daß eynfältige Christen / so durch diese vnd
dergleichen Schrifften eyngenommen / oder jrre gemacht / Christlichen Bericht
begerten / vnd der gezeygeten Warheit gern beypflichten wolten.
Weil vns dann vnverborgen / was dieser vnd seines gleichen vurühige Leut für
Jammer vnd Ergernüß hin vnd wider bey vielen ansehenlichen Kirchen mit jren
außgesprengeten Schrifften ein zeitlang angerichtet / vnd wie sie auff alle
Gelegenheit lauren / jre jrrige Meynung vnd gefaßte Schwärmerey weiter vnd
weiter außzubreyten / ist es vmb so viel desto mehr für heilsam angesehen /
diese Refutation Schrifft / oder gründtlichen vnd beständigen Gegenbericht / zu
Rettung der Warheit / in libro Concordiae, so viel gemeldten Articulum, de
peccato Originis, anlangt / durch den Druck außgehen zu lassen.
Bekennen derwegen frey für der gantzen Christenheit / daß das Buch Irenaej,
Examen genandt / so er wider das Christliche Concordi Buch / Anno 1581. hat
drucken lassen / vnd was er dergleichen vor mehr Bücher in diesem Streit hat
außgehen lassen / voller grewlicher Gottslästerung vnd Schwärmerey / wider
|| [ID00005]
die Artickel vnsers Christlichen
Glaubens / Von der Schöpffung / Menschwerdung / Heyligung / vnnd Aufferstehung
deß Fleisches / stecken / wie solchs in dieser Refutation Schrifft oder
Gegenbericht gründtlich vnd außführlich dargethan vnd erwiesen wirdt / dafür
sich billich alle fromme Hertzen / als für einem schädlichen vnnd verderblichem
Seelengifft / hüten sollen.
Bezeugen hiemit ferrner / als für Gott vnd der gantzen Christenheit / daß wir
gleicher Gestalt auch mit Flaccij Illyrici seinen Büchern / Nosce te ipsum,
Demonstrationes, grosser Bekändtnüß / vnd was er hiervon in seinem Claue
Scripturae, vnnd andern Schrifften / in die Gemeine GOTtes außgeschrieben vnd
diuulgiert hat / dadurch Irenaeus vnd andere jre Rottgesellen / erstlich in
disen schädliche̅ Schwarm geführet vnd eyngewickelt / keines weges
zu frieden seyn / sintemal sie voller greifflicher / schädlicher Irrthumb vnd
Gottslästerlicher Lehre sindt / vnd derwegen als vnreine / gifftige /
schwärmerische Bücher / von männiglich außzusetzen vnd zu meyden sindt.
Solcher gestalt warnen wir auch alle Christen / welchen jhre Seligkeit ein Ernst
ist / sie wöllen M. Cyriaci Spangenbergs lästerliche / jrrige Bücher / so er zu
Fortsetzung vnd Außbreytung deß Manicheischen
|| [ID00006]
Schwarms / daß die Erbsündt ein
Substantz / oder die Menschliche verderbte Natur selbst sey / fliehen / als in
denen der Artickel / von der Erbsünde / grewlich / vnd wider GOTTes Wort /
verkehret / auch D. Lutheri Schrifften schändtlich beschmitzet werden. Er will
zwar viel schreiben von der Blindtheit Teutschlandes / vnd ist er doch selbst
stock vnd starr blindt / tappet vnd greiffet vmb sich / vnd weiß doch nit / was
er setzet oder saget / Nur ist es jhme darumb zu thun / daß die Christenheit
nicht mercken soll / wie weit er jrre gangen / vnd wie schändtlich er viel
eynfältiger / frommer Hertzen hinder das Liecht geführet. Damit nuhn ja niemand
die Augen auffthue / vnd sehe / mit was Blindtheit er selbst geschlagen sey /
vnterstehet er sich andere neben jhme zu verblenden / vnd von dem hellen Liecht
der Warheit in erschreckliche Finsternüß eynzuführen / daß sie Liecht Finsternüß
/ vnd Finsternüß Liecht / mit vnd neben jhme heissen sollen. Der allmächtige /
barmhertzige Gott wölle allen Irrgemachten vnd Verwirrten zu recht helffen / vnd
seine warheit für solcher schädlichen Scribenten Büchern gnädiglich schützen vnd
erhalten.
Es ist auch ein Büchlein außgesprenget / mit dem Titel / Formula veritatis, in
welchem sich die Authores dem Manicheischen Schwarm / vnd der jrrigen fal
|| [ID00007]
schen Lehre Flaccij Illyrici /
wider die Christliche Formulam Concordiae, auff die Bein zu helffen vnterstehen.
Weil aber in demselbigen eben die Argumenta geführet / welche Irenaeus in seinem
grossen Com̅ent führ et / ist es vnnötig geachtet / dasselbige
insonderheit zu widerlegen: Wer sich wil warnen lassen / wirt durch Gottes Gnade
Grundts gnug in vielgemeldter Refutation Schrifft / oder gründtlichem
Gegenbericht / finden.
Man hette wol zu weilen in Widerlegung deß Examinis Irenaei abbrechen können /
demnach Irenaeus ein Ding wol mehr als zehen mal in seinem Buch repetiert /
damit er aber nicht zu sagen / man hette jm darauff nicht geantwortet / oder
antworten können (wie dieser Leut Art vnd Brauch ist) hat man deß mehrertheils
alles mitgenommen / wie mans funden hat / vnd dieses auch vmb der Eynfältigen
willen / welche durch solche Repetitiones offt jrregemacht / sich nicht wol zu
recht finden / vnd zwischen der Warheit vnd Vnwarheit vnterscheiden können /
wann sie der Sachen nicht gnugsam berichtet sindt.
Ob auch Irenaeus in seinem Examine fast der fürnembsten Lehrer / so noch am Leben
sindt / Schrifften grewlich herdurch zeucht / vnd mit Namen auffs aller
schändtlichste vnd heßlichste außgehet / doch hat man
|| [ID00008]
in dieser Schrifft fürnemblich auff
das gesehen / was er in genere wider das Christliche Concordien Buch geschrieben
/ vnd dasselbige auß Grundt der Warheit verantwortet. Das ander / so priuatas
personas, vnd derselben Schrifften angehet / den Authoribus selbsten reseruiert
/ als die sonder allen Zweiffel / da sie es für nötig erachten / sich wol / vnd
mit beständigem Grunde der Warheit / gegen diesen Lästerer werden schützen
können.
Der Christliche Leser wölle alles zum besten vermercken / vnnd der gezeygeten
Warheit Raum vnd statt geben / Amen.
|| [ID00009]
I. Punct.
BEweiß daß die Erbsünde nicht deß Menschen gantz verderbte Natur vnnd Wesen /
Leib / Seel / Hertz / etc. sey: Vnd Widerlegung der Gründe / damit das
Gegentheil seine jrrige Meynung bestättigen will.
II. Punct.
Widerlegung der Gründe / damit das Gegentheil erweisen will / daß kein Vnterscheidt zwischen der verderbten Natur / vnd zwischen der Erbsünde sey: Vnd Christlicher Gegenbeweiß / daß gemelter Vnterscheidt solle vnd müsse in der Kirchen erhalten werden. Fol. 8. & deinceps.
Verantwortung auff die Beschüldigung / daß das Concordibuch vnrecht auß dem Artickel von der Schöpffung / einen Vnterscheidt mache zwischen der Natur vnd zwischen der Erbsünde: Vnd Christlicher Beweiß / daß deß Concordi Buchs Grundt auß gemeldtem Artickel genommen / noch fest stehe. Fol. 20.
Gründtlicher Bericht auff die Anklag / daß das Concordi Buch vnrecht auß dem Artickel von der Erbsünde erweisen solle / daß ein Vnterscheidt zwischen der verderbten Natur selbst / vnnd zwischen der Sünde sey: Vnd Christlicher Beweiß / daß gemeldter Grundt vnvmbstößlich sey. Fol. 33. vnnd hernach.
Beweiß / daß Christus die Erbsünde nicht erlöset. Fol. 36.
|| [ID00010]
Verantwortung deß Grundes auß dem dritten Artickel deß Glaubens / von der Heiligung / daß die Erbsünde nicht vnserverderbte Natur selbst sey: Sondern eine tieffe Verderbung derselben / darvon wir abgewaschen vnd gereiniget werden. Fol. 47.
Beweiß daß Gott der Erbsünde nicht gnädig sey. Fol. 56.
Beweiß / daß die Erbsünde weder getaufft noch selig werde. Fol. 65.
Verantwortung deß Beweiß / welchen das Christliche Concordi-Buch / auß dem Artickel von der Aufferstehung deß Fleisches genommen hat. Fol. 69. vnd hernacher.
Daß der Vnterscheidt zwischen der verderbten Natur / vnnd zwischen der Erbsünde / in der Theologia keinen Schaden thue. Fol. 79. vnd hernacher.
III. Punct.
Verantwortung der Gründe / darauß erwiesen / daß die Erbsünde ein malum Accidens, oder böser Zufall im Menschen sey. Fol. 84. vnd hernacher.
IIII.
Gründtliche warhafftige Verantwortung deß Concordi Buchs / daß es weder Pelagianische / noch Manicheische Irrthumb lehre oder vertheydige. Fol. 135. biß zu Ende.
|| [ID00011]
|| [ID00012]
|| [1]
Gründtlicher Bericht / auff das Examen vnnd Wirbel Geist / M. Christophori
Irenaei, so er / Anno 1581. wider den ersten Artickel deß Christlichen Concordi
Buchs / von der Erbsünde / durch offenen Druck außgesprenget / Vnd beständiger
Beweiß / daß gemeldter Artickel in Gottes Wort starck vnd noch fest stehe /
etc.
DIe tägliche Erfahrung bezeuget es / daß leider kein Irrthumb so vngehewer vnnd
schrecklich kan auff die Ban gebracht werden / der nicht seine Beypflichter vnd
Verfechter in der Christenheit finden solte. Also ist es bißhero auch gangen mit
dem Gottslästerlichen Schwarm / daß die Erbsünde deß Menschen gantz verderbte
Natur vnd Wesen / Leib / Seel / Hertz / Vernunfft / Verstandt / Wille / etc.
selbst sey. Dann alsbaldt derselbige von vnrühigen Leuten außgesprenget / haben
sich viel gefunden / so demselben / auch wider jhre vorige Bekändtnüß vnd Lehre
/ zugefallen / vnd als die Himmlische vnbetriegliche Warheit angenommen vnnd
vertheidiget haben / vnd was man dawider auß vnd nach Gottes Wort geschrieben /
hat alles nichts vberall helffen müssen. Da auch gleich in Formula Concordiae
die Christenheit für ermeltem Manicheischen Irrthumb trewlich gewarnet / vnd die
Warheit von erwehnter Controuersia deutlich vnnd vnterschiedtlich an Tag gegeben
/ jedoch ist es alles vmbsonst gewest / vnd haben sich Zancksüchtige Köpff
gefunden / welche sich vnterstanden / der offenbahren Warheit zu widersetzen /
vnd / so viel an jhnen / auß Liecht Finsternüß zu machen.
|| [ID00014]
Damit nun die liebe Christenheit zum Vberfluß errinnert werde / vnd niemandt sich
zu entschüldigen hab / es sey jhm die helle Warheit nicht gezeiget: Als wöllen
wir abermals vnserer Kirchen Lehre von der Erbsünde widerholen / vnd was von dem
Gegentheil darwider fürbracht / mit vnwidersprechlichem Grunde der Warheit
widerlegen. Der Allmächtige Gott verleihe seinen Segen darzu / daß es nicht ohne
sonderlichen Nutz der betrübten Kirchen abgehe / sondern zu vieler verführeten
Besserung gereiche / Amen.
Vnd weil Irenaeus in seinem Buch fürnem̅lich nachfolgende vier
Punct in dieser Sache / wider das Christliche Concordi-Buch / handelt / als
nem̅lich:
I. Daß die Erbsünde deß Menschen verderbte Natur vnd Wesen / Leib / Seel / Hertz
/ Vernunfft / Verstandt / Wille / etc. selbst sey.
II. Daß kein Vnterscheidt zwischen deß Menschen gantz verderbten Natur vnd Wesen
/ vnd zwischen der Erbsünde selbst sey.
III. Daß die Erbsünde kein malum accidens, oder böser Zufall in deß Menschen
Natur vnd Wesen sey.
IIII. Daß die Christliche Concordia solle Pelagianische vnd Manicheische Irrthümb
vertheidigen / etc. So wöllen wir darauff ordentlich / gründtlich vnd deutlich
antworten / daß der Christliche Leser verstehen soll / wie weit das Gegentheil
von der in Gottes Wort offenbarten Warheit abgehet / vnd was für grewliche vnd
Gottslästerliche Irrthümb es in die Christenheit / vnter dem Schein eines
Gottseligen Eiffers / für die Warheit (Psalm.
94.) eynführet. Der trewe Gott wölle den Leuten die Augen auffthun /
daß sie die rechte Warheit sehen / vnd der zufallen / AMEN.
|| [2]
Geweiß / daß die Erbsünde nicht deß Menschen gantz verderbte Natur vnnd Wesen
/ Leib / Seel / Hertz / Vernunfft / Verstandt oder Wille sey / wie das
Gegentheil fürgibt / Vnd Widerlegung der Gründe / damit es seine jrrige Meynung
bestettigen will.
DAs Christlich Concordi Buch thut recht vnd wol daran / daß es stracks vnnd rundt
herauß verneint / daß die Erbsünde / eygentlich zu reden / deß Menschen
verderbte Natur / Substantz oder Wesen / Leib vn̅ vernünfftige
Seele selbst sey / etc. was auch das Gegentheil darwider schreibet / dichtet vnd
schreyet. Dan̅ solches lehret die gantze heilige Schrifft /(Irenaeus in exam. B. iij. fac.
2.) der wir dißfalls billich folge̅ / als Ro.
3. Sie sind allzumal Sünder / vnd mangeln deß Ruhms / den sie an Gott habe̅ sollen. Da der Apostel nicht spricht: Wir sind allzumal die
Erbsünde selbst / sondern / wir sindt Sünder. Nennet auch die Erbsünde einen
Mangel / vnd nicht die Natur oder Wesen deß Menschen selbst. So sind ja Sünde
vnd Mangel keine Substantz oder Wesen nicht: son dern Defectus oder Schaden /
dadurch das Wesen deß Menschen grewlich verderbt ist. Da auch gleich das Wort
Sünde vnd Mangel also erkläret werden / daß die Erbsünde eine gegenwertige
Boßheit im Menschen sey / vnnd nicht allein ein Mangel oder Darbung / dannoch
folget darauß nicht / daß sie das Wesen deß Menschen selbst
|| [ID00016]
ist / sondern ein Gebrechen vnd
Schaden / der warhafftig im Menschen gegenwertig ist.
Roman. 5. spricht der Apostel: Die Sünde ist durch einen Mensche̅
in die Welt kom̅en: Die Welt heist er das gantz Menschliche
Geschlecht / oder alle Menschen. Von diesen allen schreibt er / daß die Sünde in
sie kommen sey durch Adam. Was nuhn von Gott nicht erschaffen ist in dem
Menschen / sondern erst nach der Schöpffung in denselben kommen ist / vnnd jhn
in Grundt verderbet hat / das ist ja deß Menschen Wesen / Leib vnd Seel selbst
nicht / sondern etwas Zufälliges. Die Sünde aber / wie Paulus lehret / ist in
den Menschen nach der Schöpffung kommen / derwegen ist sie ja deß Menschen
Substantz / Wesen / Natur / Leib oder Seele selbst nicht. Das kan das Gegentheil
nicht vmbstossen / wann es auch alle seine Kunst daran versuchete.
Verstehen aber das nicht also: Daß die Erbsünde als ein sonderliche Substantz
oder Wesen / wie die alten Manicheer gelehret / in die Menschen kom̅en sey: sondern als eine iniusticia oder Vngerechtigkeit / Verführung /
Verderbung / vnd erschrecklicher Schade / durch welchen die Menschliche Natur
numehr jäm̅erlich durch vnd durch verderbt ist.
Rom. 7. gehet fast das gantze Capitel dahin / daß die Erbsünde nicht sey das
verderbte Wesen deß Menschen selbst / sondern viel mehr ein zufälliger Schade /
oder jämmerliche Verderbung. Dan̅ also schreibt der Apostel: Da
wir im Fleisch waren / da war das Wüten der Sünde (welche durchs Gesetz sich
erregt) kräfftig in vnsern Gliedern / de̅ Tode Frucht zu bringen /
etc. Das Wüten der Sünde war kräfftig in vnsern Gliedern / spricht er / Darum̅ muß ja freylich die Erbsünde deß Menschen Wesen oder verderbte
Natur selbst nicht seyn / sondern ein solcher Schaden / der kräfftig ist in den
Gliedern deß Menschen / vnd der vns zum Bösen hefftig reytzet. Verstehet durch
das Wort (Glieder) nicht allein Hände vnd Füsse / etc. sondern auch die Seele in
allen jhren höchsten Kräfften / Verstand
|| [3]
vnd Willen. Item: So thue ich
nun dasselbige nicht: sondern die Sünde / die in mir wohnet / dann ich weiß daß
in mir / das ist / in meine̅ Fleisch / wohnet nichts guts / etc.
Welcher Spruch abermal deutlich vnter dem Wesen oder Natur deß Menschen / vnnd
vnter der Erbsünde vnderscheidet / daß / wer sich diesen Spruch nicht will
weisen lassen / der will mutwillig verführet vnnd betrogen seyn. Dann Paulus
nennet sich selbst / als ein Subiectum. Item / sein Fleisch / vnd sagt / in jhme
oder in seinem Fleisch wohne nichts gutes / das ist / die Sünde. Darumb muß ja
ein anders Paulus selbst / oder sein Wesen vn̅ Fleisch oder Natur
seyn: Vnd ein anders das Böse / so darinnen wohnet / vnd jme dasselbige so
schändtlich verderbet. Vnd abermals: Die Sünde erkannte ich nicht / ohn durchs
Gesetze / dann ich wuste nichts von der Lust / wo das Gesetze nicht hette
gesagt: Laß dich nicht gelüsten. Da nam aber die Sünde Vrsach am Gebott / vnd
erregte in mir allerley Lust / etc. Der Streit ist: Ob die Erbsünde deß
verderbten Menschen Natur vnd Seele selbst sey / oder aber eine Verderbung der
Seelen / etc. Nuhn ist es vnzweiffelhafftig / da Paulus spricht: Ich erkandte
die Sünde nicht / ohn durchs Gesetz / daß er nicht gemeynt hat / er habe durchs
Gesetz erkandt / daß er eine Seele oder Menschliche Natur vnnd Wesen hab / etc.
sondern von dem Schaden redet er / der in seiner Seelen oder Menschlichem Wesen
war / daß er den nicht verstanden hab / ohne das Gesetz. Nennet auch die Sünde
eine Lust. Da verstehet ja menniglich / daß die Substantz deß Menschen Natur
oder Seele / vnnd die böse Lust nicht einerley sindt. Dann die Substantz der
Seelen ist von Gott / die böse Lust aber vom Teuffel. Also spricht er auch
desselben Ohrts: Wir wissen / daß das Gesetz geistlich ist / ich bin aber
fleischlich / vnter die Sünde verkaufft.
Da S. Pauli Lehr were / daß die Erbsünde deß verderbten Menschen Natur vnd Seele
/ etc. selbst / so hette er müssen also schreiben: Ich bin mit Leib vnd Seel
vnter meine Seel oder Wesen verkaufft / welches auch abschewlich zu hören.
|| [ID00018]
Rom. 8. spricht er: Fleischlich gesinnet seyn / ist eine Feindtschafft wider
Gott. Durchs Wort (Feindtschafft wider Gott) verstehet er freylich die Erbsünde.
Feindtschafft aber wider Gott ist ja nicht deß Menschen verderbte Natur vnd
Wesen selbst: sondern eineböse Art vnd Verderbung im Hertzen / Seel / Wesen oder
Natur deß Menschen. Derwegen kan ja die Erbsünde nicht deß Menschen Natur oder
Wesen selbst seyn: sondern ist eine schändtliche Verderbung / so derselben
anhangt.
1. Johan. 1. spricht S. Johannes: Das Blut Jesu Christi seines Sohns reiniget vns
von aller Sünde: Redet freylich auch von der Erbsünde / dieweil erspricht: von
Aller Sünde: Darauß schleust sich aber vnwidersprechlich / daß das jenige die
Erbsünde selbst nicht sey / davon das Blut Christi den Menschen oder sein Natur
vnnd Wesen rein machet. Dann offenbar ists / daß der Sohn Gottes nicht
erschienen sey / die Substantz oder Wesen der Seelen vnd Leibs zu tilgen /
sondern viel mehr zu reinigen / zu heilen vnd selig zu machen / Die Erbsünde ist
aber das Böse / von welchem vns das Blut Christi reiniget / derentwegen so ist
sie nicht deß Menschen Natur vnnd Wesen selbst / sondern ein böser Anhang
desselbigen.
1. Johan. 3. Die Sünde ist das Vnrecht: Peccatum est :
Hie bedarff es nicht viel Wort: sondern es sihet jedermann / daß , das Vnrecht oder viel mehr die Vngerechtigkeit keine
Substantz oder Wesen ist / oder daß es nicht so viel heist als deß Menschen
Natur vnnd Wesen selbst / sondern als ein böser Zufall. Daß sie fürgeben /
Anomia oder Vngerechtigkeit heisse so viel / als deß Menschen verderbte Natur
vnnd Wesen selbst / ist eine schändtliche Verkehrung / die ein jeder für sich
selbst mercken kan.
So spricht auch S. Johannes in gemeltem 3. Cap. Christus sey erschienen / daß er
die Sünde wegnemme / etc. Was nuhn Christus vom Menschen wegnimpt / das ist ja
sein Substantz oder
|| [4]
Wesen
selbst nicht / oder ist sein Leib / Seele vnd Vernunfft selbst nicht: Sondern
ist ein anhangendes Böses oder Vbel. Dann der Sohn Gottes ist nicht kommen / daß
er die Substantz oder Wesen deß Menschen hinweg nemme oder vertilge / sondern
daß er vnser Leib vnnd Seele selig mache / so kan ja deß Menschen verderbte
Natur die Erbsünde selbst nicht seyn / sie verdrehen sich wie sie wöllen.
David Psalm. 51. da er betet: Tilge meine Sünde nach deiner grossen
Barmhertzigkeit / bittet er freylich nicht / daß Gott sein Leib vnnd Seele
vertilgen / sondern daß er die anklebende Sünde (welchs Wort Lutherus Heb. 13.
gebraucht) seines Leibs vnd Seelen tilgen / oder jme gnädig vergeben vnd
außfegen wölle.
Psalm. 25. bittet David: HERR gedencke nicht der Sünde meiner Jugent / noch
meiner Vbertrettung / etc. da er freylich auch von der Erbsünde handelt. Nun
sindt es ja vnterschiedene Sachen / das jenige / dessen Gott gedencken / vnd
dessen er nicht gedencken soll. Davids soll der HERR gedencken / aber der Sünde
seiner Jugendt / das ist / der Erb: vnd angebornen Sünde soll er nicht
gedencken. Darvmb muß ja die Erbsünde deß Menschen Wesen / Leib vnd Seele selbst
nicht seyn.
Also Psalm. 38. spricht er: Meine Sünde gehen vber mein Haupt / wie eine schwere
Last sind sie mir zu schwer worden / etc. Da er auch von allen Sünden / vnd also
auch von der Erbsünde redet. Da nu die Erbsünde deß Menschen Wesen / Natur /
Leib vnd Seele selbst were / würde er nicht sprechen / seine Sünde giengen vber
sein Haupt / vnd weren jhm als eine schwere Last zu schwer worden / etc. Dann
sonst müst er sprechen: Mein verderbte Natur vnd Wesen / so die Erbsünde selbst
ist / gehet vber mein Wesen vnnd Natur / vnd mein verderbte Natur vnd Wesen ist
meiner verderbten Natur vnnd Wesen zu schwer worden / etc. Welches aber zumahl
seltzam lauten wolte. Derwegen kan die Erbsünde deß Menschen Natur vnnd Wesen
selbst nicht seyn.
|| [ID00020]
Sondern ist ein
Schade vnd grewlicher Jammer / der vber die Natur gehet / vnd als ein schwere
Last dieselbige auffs allerhefftigste drücket vnd belästiget.
Matth. 1. erkläret der Engel / daß die Erbsünde nicht deß verderbten Menschen
Natur vnd Wesen selbst sey. Dann er spricht außdrücklich / daß Jesus sein Volck
werde selig machen von jhren Sünden. Die Sünde / spricht er / werde der Sohn
Gottes wegnemmen / die Menschen aber werde er von Sünden selig machen. Daher
auch August: de natura & gratia, cap. 20. recht colligiert: Peccata quippe,
à quibus dicit Euangelion saluum faciendum populum Christi, Substantiae non
sunt. Das ist: Die Sünden / von welchen das Euangelion sagt / daß Christi Volck
soll selig gemacht werden / sindt nicht Substantiae, das ist / Wesen / etc.
1. Timoth. 1. spricht der Apostel: Christus Jesus sey in die Welt kom̅en / die Sünder selig zu machen / sagt nicht: Die Sünde selig zu
machen / wie er dann müste gethan haben / wo er gehalten / daß die Erbsünde deß
Menschen Wesen / Natur / oder Leib vnd Seele selbst were.
Dieser Sprücheweren / beyde auß dem alten vnd newen Testament / viel mehr wider
die grewliche Lehr / daß die Erbsünde deß verderbten Menschen Natur vnd Wesen
selbst sey / eynzuführen / wöllens aber an diesem Ohrt bey erzehlten Zeugnüssen
bewenden lassen. Dann der Christliche Leser auß vorermelten gnugsam vernemmen
kan / was er von deß Gegentheils Lehre halten soll / wann er sich nicht
mutwillig will verführen vnd betriegen lassen.
(Examen Irenaei. B. ij. fac.
2.)
Es beschüldigtaber das Gegentheil das Concordi Buch bald zum Anfang / als solte
es keine außdrückliche Beschreibung der Erbsünde nach dem Gesetz Gottes setzen:
Sondern erst im 6. Artickel / vom dritten Gebrauch deß Gesetzes / erklären / was
Erbsünde sey / etc. Nun bedarff diese Calumnia nicht viel Widerlegens / sintemal
der Artickel von der Erbsünde dermassen die Erbsünde / was sie eygentlich sey /
auß vnd nach Gottes Wort beschreibet / daß
|| [5]
es nicht wol klärer in solcher
Kürtze geschehen köndte / Dann pag. 259. fac. 1. setzet es diese Beschreibung.
Daß die Erbsünde sey eine grewliche / tieffe / vnaußsprechliche Verderbung der
Menschlichen Natur / Leibs / Seelen / vnd aller Kräfften / also daß der Mensch
der Gerechtigkeit / darinnen er Anfangs erschaffen / mangele / in Geistlichen
Sachen zum guten erstorben / vnd zu allem bösen verkehret / vnd das also auß
solcher Verderbung vnd angeborner Sünde / so in der Natur stecket / auß dem
Hertzen alle würckliche Sünde herfliessen / etc. Vnd ibidem fac. 2. vnd pag.
260. wird Stückweyse auß der Apologia der Augspurgische̅
Confession erzehlet / was die Erbsünde sey / etc. Wie solches der Christliche
Leser an ermeltem Ort selbst lesen kan.
Sonderlich tadelt vnser Gegentheil auch / das im Concordi Buch in dem Artickel
von der Erbsünde nicht eben die Wort 1. Johan. 3. angezogen: Die Sünde ist
anomia, oder die Sünd ist alles / das wider dz Gesetz Gottes ist / vn̅ gibt für / daß auß diesem Spruch allein recht könne verstanden
werden was die Erbsünde eygentlich sey: Nem̅lich / die Natur /
Wesen / oder Leib vnd Seel deß verderbten Menschen selbst / sintemal dieselbe
dem Gesetz zu wider sey / etc. Führet auch etliche Sprüch D. Lutheri ein / in
welchen er bezeuget / das Sünde ist vnd heisset / alles was dem Gesetz oder
zehen Gebotten Gottes nicht gemeß / sondern denselben zuwider ist / etc. Nu
gestehet das Concordibuch / das Sünde sey alles was wider das Gesetz Gottes ist
/ auch daß die verderbte Natur dem Gesetz Gottes widerstrebe. Aber darauß
schleust sichs noch lange nicht recht: Sünde ist alles was wider das Gesetz
Gottes ist / die verderbte Natur ist wider das Gesetz Gottes: Ergo so ist sie
die Erbsünde selbst. Vrsach ist diese / das Minor dieses Argume̅ts
nicht bestehet in Signo vniuersali. Den̅ das verderbte Wesen im
Mensche̅ / ist wol dem Gesetz Gottes zu wider / ist aber
darum̅ die Sünde selbst nicht / wie hernacher / außführlich
soll dargethan werden. So stehet auch solchs weder in deß Apostels noch in
Lutheri Worte̅. Da es auch sonderlich
|| [ID00022]
in vnd bey D. Lutheri angezogenen
Worten im geringsten zubefinden / würde es das Gegentheil freylich nicht
vorbeygangen: sondern mit grossen Versal Buchstaben darzu geschrieben / vnd mit
hohen prächtigen Worten gescherffet haben.
Ist aber bey dieser Sophisterey erstlich zumercken / daß in dem Griechische̅ Text stehet das Wörtlein . Welchs so
viel heist / als Vngerechtigkeit / nach welchem der Text also lauten müste / die
Sünde ist die Vngerechtigkeit / welches am aller deutlichsten ist. Wir lassen
zwar jhr Deutsch gerne Passiern / nemlich daß Sünde ist alles was wider Gottes
Gesetz ist / brauchen es auch selbst / doch mit dem Vnterscheide / daß es nicht
wider deß Apostels Wort vnd Meynung / als von jhnen geschicht / mißbraucht
werde.
Da auch D. Lutherus den Spruch Johan. also verdeutschet hette wie jhn das
Gegentheil führet: lieber Gott / wie würden sie drauff pochen vnd dringen. Nu er
jhn aber nicht zu jhrem Vortheil verdolmetschet hat / sondern also: die Sünde
ist das Vnrecht / schweigen sie fein stille / vnnd brauchen vnter deß einer
solchen Version / die jhn zu jhrem Vortheil am bequemsten sein will. In Summa
was darffs viel Wort / für Augen ist es / daß das Wörtlein oder Vngerechtigkeit für sich selbst / klar mit sich bringt
/ daß die Erbsünd deß Menschen wesen selbst nicht sey: Sondern die böse Vnart
oder Vngerechtigkeit / böse Neygungen / Lüsten / Begierde̅ /
Mangel der Erkändtnüß Gottes / Finsternuß im Verstandt / verkehrung deß Willens
/ vnnd die schendtliche Vnordnung deß Hertzens / etc. Derhalben auch wider die
Papisten dieses recht vnd wol getrieben wirdt / daß Sünde ist / nicht allein
Vnrecht thun / sondern auch / wie gemeldt / alle Vngerechtigkeit / Gottlosigkeit
/ Finstersternüß / Mangel vnd böse Lüsten im Menschen / so dem Gesetz zuwider
ist.
Dabey aber lest es das Gegentheil nicht bleiben: Sondern tringet auff die Wort:
Alles was streitet / oder was dem Gesetz zu
|| [6]
wider ist / das ist
Sünde. Vnd folget darauß: das Menschliche Wesen ist dem Gesetz zuwider oder
streitet mit demselbigen / Ergo so ists die Erbsünde selbst. Da es billich
wissen solte / daß minor dieses argumenti cum signovniuersali, mit nichten (als
kurtz zuvor gemeldt) passiert. Confundiert also offentlich vnd müschet
betrieglich vntereinan der die Menschliche Natur selbst / so fern sie jetzo auch
nach dem fall / Gottes Werck / vnnd Geschöpff ist / vnnd die Erbsünde dadurch
sie verderbt / vnd derwegen sie Gottes Gesetz zuwider ist / vnnd mit demselben
streitet. Der Apostel aber vnterscheydet deutlich vnter der verderbten Natur /
vnnd der Vngerechtigkeit / so jhr von Adam her angeboren. Spricht nicht: Die
Sünde ist etwas das dem Gesetz zuwider ist / quiddam ,
Wie er denn hette thun müssen / wenn er deß Gegentheils Lehre hette bekräfftigen
wöllen / Sondern spricht es sey , das ist
Vngerechtigkeit. Vnnd kan kein rechter Christ sagen / das oder die Vngerechtigkeit / etwas wesentliches bedeute / oder von dem
verderbten Wesen deß Menschen selbst müsse oder solle verstanden werden.
Also lassen wir D. Lutheri Wort / da er schreibet / die(Tom 1. Je nensi fol. 303. vnnd anderstwo.) Sünde könne eygentlicher
nicht genennet werden / denn das / was wider Gottes Gesetz ist / etc. gerne zu.
Aber die folgerey so Lutherus selbst nicht hinzu setzt / sondern sie D. Lutheri
Worten antichten / gestehen wir jhnen keines Weges / Sintemal / wann man
eygentlich reden will was die Erbsünde sey / mit nichten kan gesagt werden / daß
sie deß Menschen verderbte Natur vnnd Wesen selbst sey / Sondern viel mehr muß
man sagen / das sie sey eine Verderbung der Natur oder Menschlichen Wesens /
denn das verderbte Wesen oder verderbte Natur / vnnd die Verderbung Corrupta
natura, & corruptio sind nicht eines sondern zweyerley / wie auch die Kinder
in Schulen wissen vnnd verstehen / so die adiectiua vnnd substantiua voneinander
scheiden können.
|| [ID00024]
Das es wol zu
erbarmen ist / das solche Leute auff diesen nichtigen Grundt also hart dringen /
vnd so viel fürnehmer Leut sich auch darmit sollen bethören lassen.
Ja spricht vnser Gegentheil: Die Concordia gestehet vnnd muß bekennen / daß vnser
Natur vnd Wesen verderbt sey / vnd wider Gottes Gesetz feindtlich strebt /
ziehen deß auch etliche Zeugnüß darauß an / Ergo so muß es ja auch gestehe̅ / das vnser verderbte Natur die Sünde selbst sey. Darauff ist
zuwissen / das wir gemelter Wort gern gestehen / nem̅lich das
Menschlich Natur vnd Wesen verderbet sey. Wir beklagen vns aber hergegen nicht
vnbillich vber jhre schendtliche vnnd nichtige folgerey / so sie darauß
anstellen. Dann lieber wie schleust sich daß: Menschlich Natur vnd Wesen ist
verderbt / Ergo so ist sie die Verderbung oder Erbsünde selbst. Die Schüler so
nur ein wenig jhr Dialecticam studiert / sehen das es Kindisch vnd vnrecht
geschlossen sey. Dann sie wissen wie kurtz zuvor gemeldt / daß in solcher
Volgerey adiectiuum & substantiuum das ist / die Natur oder Wesen selbst so
verderbet ist / vnnd die Verderbung derselben / natura & corruptio / zur
Vnbilligkeit ineinander vermengt werden / welche doch sollen vnd müssen von
einander gescheiden̅ seyn / mann wölle dann mutwillig eine Babel
oder Vermischung der Wörter vnnd Sprachen einführen / vnd also auß weiß schwartz
machen.
(C. ij. fac. 1. Vnnd folgendts / etc.)
Solcher Gestallt zeucht es auch Sprüche auß der Concordien an / daß vnser Hertz
in seinen höchsten Kräfften stracks wider GOtt gesinnet sey / Item deß
Natürlichen Menschen Hertze / sey von GOTT nicht allein abgewendet / sondern
auch wider Gott zu allem bösen verkehret / etc. Vnnd was dergleichen mehr sind.
Vnnd will darauß erzwingen / Ergo so sey das verderbte Hertz die Erbsünde
selbst. Da verstehet Männiglich was dieses für eine nichtige folge sey. Daß deß
Menschen Hertz wider Gott sey / daß es von Gott abgewendt / vnd wider jhn
|| [7]
gerichtet sey zu allem Bösen /
lassen wir gerne zu / vnd ist die vnwandelbare Warheit: Daß es aber darumb die
Erbsünde selbst sey / können wir diesen Leuten nicht zulassen: Vrsach ist / daß
viel ein anders ist / verderbt oder verkehret seyn / vnd die Verderbung oder
Verkehrung selbst seyn. Das menschliche Hertz ist verderbt durch die Erbsünde /
Genes. 6. Psal. 14. Es ist aber darumb nicht die Verderbung selbst. Dann solches
leidet weder die Art zu reden / wie fromme Hertzen leicht verstehen / noch die
Schrifft oder Warheit selbst.
Also bekennet die Formula Concordiae, daß die Erbsünde warhafftig Sünde / ja die
Hauptsünde vnd Wurtzel aller wircklichen Sünde sey: Item / daß auß dem
verderbten Hertzen alle wirckliche Sünde herfliessen: Item / daß die Vernunfft
vnd Verstandt im Menschen Vnwissendt / Blindt / Verkehrt / etc. sindt. Aber auß
dem allem läst sichs (wie das Gegentheil fürgibt) keines wegs schliessen: Ergo,
so ist die verderbte Natur / das verkerte Hertz / der blinde vnd verkehrte
Verstandt / etc. die Erbsünde selbst. Dann es bleibt für vnd für der Vnterscheid
/ vnder dem das verderbt ist durch die Sünde / Nem̅lich / vnter
deß Menschen verderbten Hertzen vnd Verstandt / vnd vnter der Verderbung selbst.
Das Wesen deß Hertzens / etc. ist verderbt / aber die Verderbung selbst ist es
nicht: Dann wann es die Verderbung selbst were / köndt nicht recht darvon gesagt
werden / daß es verderbt were / gleich wie nicht recht könte gesagt werden / deß
Menschen Natur oder Leib ist mit der Pestilentz behafft / eyngenommen / vnd
gefährlich vergifftet vn̅ verderbt / wann sein Natur vnd Wesen /
die Pestilentz selbst oder wesentlich were. Aber bey Ehristlich verständigen
Hertzen / darff dieses nicht viel Wort / vnd müste der gantz verruckt seyn / der
solchen Vnterscheidt nicht verstehen solte / noch muß es diesen Leuten eitel
lautere Vnwarheit seyn. Aber Gott wirt sie zu seiner Zeit wol finden.
Gibt das Gegentheil für / Cui tribuitur propria definitio, ei(D. 1. fa. 2.) etiam tribuitur definitum &
contra. Wer da zugibt / daß deß
|| [ID00026]
Menschen gantz verderbte vnd verkehrte Natur vnnd Wesen dem Gesetz Gottes zu
wider ist / der müsse auch zu geben / daß solche gantz verderbte / vnd dem
Gesetz widerstrebende Natur vnd Wesen deß Menschen Sünde sey / etc. Vnnd meynet
/ dieser Grundt könne nicht vmbgestossen werden. Aber es ist leicht hierauff zu
antworten / die erste Rede sey wahr / nem̅lich / daß deß Menschen
gantz verderbte Natur dem Gesetz Gottes zu wider sey / etc. Aber die ander so
sie darauß folgen wöllen / sey nicht wahr. Vrsach ist / daß die Natur oder Wesen
deß Menschen / als es von GOtt erschaffen ist / nicht für sich selbst wider
Gottes Gesetz streittet: Sondern vmb vnnd von wegen der jämmerlichen Verderbung
willen / damit sie durch Adams Fall behafftet vnnd beladen ist. Wann die Natur
als Gottes Geschöpff / an vnd für sich selbst Gottes Gesetz zu wider were / so
schlüsse sichs recht / daß sie die Erbsünde selbst were. Weil aber das nicht
wahr ist / sondern sie ist dem Gesetz GOttes darumb vnnd daher zu wider /
dieweil sie durch die Erbsünde verderbet ist / so schleust sichs auch nicht
recht / daß sie die Erbsünde selbst sey. Solches will aber das Gegentheil weder
hören noch sehen. Nuhn müssen wir Blinde lassen blindt seyn / biß so lang sie
Gott sehend machet.
Thun demnach recht daran / daß wir in rechtem Verstandt zugeben / daß alles was
wider das Gesetz streitet / Sünde sey / verstehe so ferrn / als es an vnnd für
sich selbst wider das Gesetz streitet. Vnnd doch nicht zulassen / daß das
Menschliche Wesen / oder die verderbte Natur / die Erbsünde selbst sey /
alldieweil die Natur nicht sim pliciter an vnnd für sich selbst / als ein Natur
vnnd Geschöpff wider GOttes Gesetz streitet: Sondern von deß wegen / daß sie
durch die Erbsünde durch vnd durch verderbt ist. Vnnd derhalben ein Vnterscheidt
vnter der verderbten Natur vnd der Verderbung damit sie behafft / daher sie auch
wider Gottes Gesetz zu streiten angetrieben wirdt / ist vnnd bleibet. Vnnd ist
ein lauter Gedicht / daß
|| [8]
wir
sollen das antecedens bonae consequentiae, passieren lassen / das consequens
aber antecedentis in bona consequentia verneinen. Dann wir beweisen
vnwidersprechlich / daß das Antecedens, wann es ein bestendiger Grundt dieses
Arguments seyn solte / also heissen müste: Alles was an vnd für sich selbst
wider Gottes Gesetz streitet / das ist Sünde / vnd müste darauff gesagt werden /
die Natur deß Menschen streitet an vnd für sich selbst / als eine Natur / wider
Gottes Gesetz / darumb ist sie die Sünde selbst. Da sihet jedermann daß der
Minor oder die ander Propositio falsch sey / dann die Natur deß Menschen nicht
an vnd für sich selbst / als eine Natur oder Substantz vnd Geschöpff Gottes /
wider Gottes Gesetz streitet / sondern von wegen der Verderbung / damit sie
verderbet ist. Wer darauff acht gibt / kan deß Gegentheils Irregeist vnd Betrug
leichtlich mercken vnd verstehen. Vnnd so viel vom ersten Theil.
|| [ID00028]
Widerlegung der Grün de / damit das Gegentheil erweisen will / Daß kein
Vnterscheidt zwischen der verderbten Natur / vnd zwischen der Erbsünde sey / vnd
Christlicher Beweiß / daß gemeldter Vnderscheidt solle vnd müsse in der Kirchen
Christi / auß vnd nach Gottes Wort steiff vnd fest behalten werden.
(D. 4. fa. 1. vnd hernach.)
HIE vnderstehet sich das Gegentheil abermals (aber vergeblich) auß dem Concordi
Buch selbsten zu erzwingen / daß die Menschliche Natur / oder verderbte Wesen
vnnd Erbsünde ein Ding / vnd mit nichten vnderschieden sey.
Bringt erstlich diesen Grundt: Das Concordi Buch gestehet / der Mensch sey
Anfangs zu Gottes Bilde / das ist / gantz Heilig / rein vnd Gerecht
erschaffen.
Darauß aber sey zu verstehen / daß nicht nur etwas sonderlichs oder
vnderschiedenes am Menschen / sondern der gantze Mensche mit Leib vnd Seel zu
Gottes Bilde / das ist / wesentlich / heilig erschaffen sey / etc.
Auß welchem dann ferrner folge / daß der gantze Mensch selbst / oder sein gantze
Natur vnd Wesen für dem Fall Gottes Bilde oder die Erbgerechtigkeit / das ist /
durchauß vnd allerding wesentlich heilig / etc. gewesen.
Die Application läßt es aussen / nem̅lich weil der Mensch für dem
Fall / wesentlich an Leib vnd Seel selbst Gottes Eben Bildt
|| [9]
gewesen / so müsse auch nun
mehr nach dem Fall der Mensch selbst nach seinem Wesen / eine wesentliche Larue
deß Sathans / vnd also die Erbsünde selbst worden seyn.
Diesen Grundt müssen wir ein wenig besehen. Daß der Mensch zu Gottes Bilde Anfänglich / das ist / gantz rein vnd gerecht erschaffen sey / ist kein Zweiffel / dann die Schrifft / Genes. 1. vnd. 2. bezeugt das. Eben dieselbige Schrifft bezeuget auch Ephes. 4. daß nicht deß Menschen Natur oder Wesen / oder deß Menschen Hertz / Seele / Verstandt vnd Wille / welche wesentliche Theil deß Menschen sindt / selbsten das Bilde Gottes wesentlich gewest: Sondern das Bilde Gottes sey gewest rechtschaffene Gerechtigkeit vnd Heiligkeit / in welchen der Mensch erschaffen ist. Nuhn verstehet sichs selbst / daß ein anders sey / nach Gottes Bilde erschaffen seyn / vnd wesentlich an Leib vnd Seel das Bilde GOttes selbst seyn. Der Mensch ist zwar nach GOttes Bilde gantz heilig / rein vnd gerecht erschaffen. Er ist aber darumb die Heiligkeit / Reinigkeit vnd Gerechtigkeit selbst wesentlich nicht gewest. Heilig / rein vnd gerecht seyn / vnd die Heiligkeit / Reinigkeit vnd Gerechtigkeit selbst wesentlich seyn / sindt nicht einerley / sondern vnderschiedene Sachen. Die Heiligkeit / Reinigkeit vnd Gerechtigkeit sindt in dem Menschen / oder in seiner Seel / als in einem Subiecto gewest / aber nicht die Natur deß Leibs vnnd der Seelen selbst. Mensch seyn / nach Gottes Bilde erschaffen seyn / heilig / rein / gerecht vnnd Grundtgut seyn / oder in rechtschaffener Gerechtigkeit vnd Heiligkeit erschaffen seyn / sollen vnd müssen vnterschieden / vnd nicht für eines genommen werden. Ob nuhn wol die Schrifft oder Moses / Genes. 1. nicht sagt / daß etwas vnderschiedenes am Menschen / heilig vnnd rein von Gott erschaffen sey / sondern der gantz Mensch / etc. So sihet doch menniglich auß Mosis Worten / da er Genes. 1. spricht: Daß Gott den Menschen jhm zum Bilde geschaffen / etc. Daß er vnterscheide
|| [ID00030]
zwischen dem Menschen so
viel sein Wesen / Leib vnd Seel belangt / vnd dem Bilde Gottes / dazu er
erschaffen. Darumb nennet er zweyerley / den Menschen mit Leib vnnd Seel / als
das Subiectum, das nach Gottes Bilde erschaffen / vnd das Bilde Gottes / zu
welchem er erschaffen ist. Wie solchs auch auß der jäm̅erlichen
Verlierung deß Bildes Gottes zuvernemmen ist / da freylich ein anders ist der
Mensch / welcher Gottes Bilde verloren / vnnd das Bilde Gottes / so vom Menschen
ist verloren worden.
Paulus aber machets noch deutlicher / da er Eph. 4. wie gemeldt / vom Bilde
Gottes nicht sagt / daß es der Verstandt der Seelen / oder Wille selbst
wesentlich sey / sondern rechtschaffene Gerechtigkeit vnd Heiligkeit / nach
welcher der newe Mensch von Gott erschaffen sey. Mit welchen Worte̅ er klar bezeuget / daß der Mensch so viel sein Natur vnd Wesen anlangt /
nicht das Bilde Gottes selbst sey / sondern daß das Bilde Gottes / welches ist
rechtschaffene Gerechtigkeit vnd Heiligkeit / im Menschen sey / vnd der Mensch
darzu oder darnach erschaffen sey.
Derwegen es nicht recht geschlossen ist: Der Mensch ist nach Gottes Bilde
anfänglich rein vnd heilig erschaffen: Ergo, so ist er wesentlich das Bilde
Gottes selbst gewest. Dann ein anders ist der Mensch nach Gottes Bilde
erschaffen / vn̅ das Bilde Gottes / nach welchem er erschaffen
ist. Wie dann auch ein anders ist / rein oder heilig vnd Grundtgut erschaffen
seyn / vnd die Reinigkeit oder Heiligkeit selbst seyn. Rein vnd heilig seyn /
zeigen auff ein Subiectum, in welchem Reinigkeit vnd Heiligkeit sindt / vnnd
bedeuten nicht die Reinigkeit oder Heiligkeit selbst / wie menniglich
verstehet.
Wann nun deß Gegentheils Grundt bestehen solte: so müste er also lauten:
Warnach der Mensch Anfangs erschaffen ist / das ist er auch selbst
wesentlich:
Der Mensch ist Anfangs nach Gottes Bilde erschaffen:
Darumb so ist er auch das Bild Gottes selbst wesentlich / oder:
|| [10]
So ist das Bildt Gottes das
Menschliche Wesen / Leib vnd Seele selbst.
Nuhn ist die erste Propositio nicht simpliciter oder durchauß wahr / daß der
Mensch wesentlich das sey / darnach er erschaffen ist. Dann wo das solte wahr
seyn / müsten der Mensch vnnd das / nach welchem er erschaffen ist / durchauß
einerley seyn / das ist aber falsch vnd vnrecht / darumb auch Moses selbst den
Menschen / vnnd das Bilde / zu de̅ er erschaffen ist /
vnterscheidet / in dem er den Menschen vnd das Bilde / nach dem er erschaffen
ist / vnderschiedlich nennet.
Item / Wann diese Propositio bestehen solte / so müste folgen / das Heiligkeit
vnd Gerechtigkeit / in welchen das Bilde Gottes stehet / vnd deß erschaffenen
Menschen Natur vnd Wesen / oder Leib vnnd Seel selbst ohne Vnderscheidt einerley
weren / welches durchauß nicht wahr ist. Sintemal die Wort Gerechtigkeit vnnd
Heiligkeit kein Wesen bedeuten / sondern etwas daß im Wesen oder im Menschen vnd
seiner Natur oder Seele ist.
Kan also deß Gegenthels Grundt mit nichten bleiben / sonder muß hernider
fallen.
Wie es dann auch selbst sich mercken läst / da es concludiert vnnd spricht:
Darauß klar / daß der gantze Mensch selbst / oder sein gantz Natur vnd Wesen vor
dem Fall / Gottes Bilde oder die Erbgerechtigkeit / das ist durchauß vnd
allerding Grundgut / wesentlich / heilig / gerecht / dem Willen vnd Gesetz
Gottes gleichförmig vnnd vnsterblich gewesen / etc. Da die Conclusio viel mehr
also lauten müst / wann jhre Grillen solten stadt haben: Darauß folgt / daß der
gantze Mensch oder sem gantz Natur vnd Wesen vor dem Fall / wesentlich Gottes
Ebenbilde selbst gewest / vnnd nicht also wie sie formieret. Dann durchauß rein
vnd gut seyn / gerecht vnnd heilig seyn / vnd wesentlich die Reinigkeit /
Gütigkeit / Gerechtigkeit vnnd Heiligkeit selbst seyn / sindt weit von einander
vnderschieden / vnnd werden nim̅ermehr einerley Dinge oder Sachen
/ Welches so klar vnd wahr ist / daß es auch ein Blinder / wie man sagt / an der
Wandt greiffen köndte.
|| [ID00032]
Der ander Grundt / welchen vnser Gegentheil fürbringt / ist dieser: Das Concordi
Buch gestchet an vielen Orten / daß deß Men schen Natur vnd Wesen so gantz vnd
gar verderbt sey / daß in geistlichen Sachen nichts gutes oder gesundes / auch
nicht ein Füncklein gutes mehr an derselben vbrig sey / etc. Ergo, so muß es
auch gestehen / daß kein Vnderscheidt zwischen der verderbten Natur / vnd der
Erbsünde selbst sey.
Sünde vnd Schande ist es für Gott / daß man in dieser grossen Sach also spielen
soll. Dann menniglich sihet / daß es vnderschiedene Ding sindt / gantz verderbt
seyn / vnd die Verderbung selbst seyn. Daß die Menschliche Natur durch vnd durch
gantz vn̅ gar verderbt sey / das lehren vnd bekennen wir im
Concordi Buch beständig vnd von Hertzen. Daß wir aber darumb vnd daher mit
diesen Leuhten schliessen vnd schwermen solten / die gantz verderbte Natur sey
die Verderbung oder Erbsünde selbst / können wir nit thun / wir wolten dann der
öffentlichen vnd greifflichen Warheit widersprechen / vnd Lügen Warheit
heissen.
Gleichfalls gestehen wir gerne / daß der gantze Mensch in seinem ersten Fall mit
Leib vn̅ Seele gesündiget habe. Item / daß der gantze Mensch
geistlich zum Guten erstorben sey / Daß durch Adams Fall Menschlich Natur vnd
Wesen gantz verderbt sey / etc. Aber darauß folgt nicht / wie das Gegentheil
gern erzwingen wolte / daß das verderbte Wesen oďverderbte Natur deß Menschen /
die Verderbung oder Erbsünde selbst sey. Dz folgt wol / der gantz Mensch hat
gesündiget: Ergo, so ist er gantz sündig oder vnrein vn̅ verderbt.
Aber nicht die Sünde / Vnreinigkeit vnd Verderbung selbst wesentlich. Dan̅ viel ein anders ist gantz sündigen mit Leib vn̅
Seelen / vnd wesentlich gantz die Sünde vnd Vnreinigkeit selbst seyn.
Das ist recht geredt: Der gantze Mensch sey geistlich zum Guten erstorben: Aber
das schleust nicht. Ergo, so ist der Mensch wesentlich zur Sünde selbst worden.
Zum Guten erstorben / vnd wesentlich die Erbsünde selbst worden seyn / sindt so
weit von einanď vnterschieden / als der Auffgang vom Nidergang.
|| [11]
Wie dann dieses auch wahr vnd recht ist: Durch Adams fall ist gantz verderbt
Menschlich Natur vnd Wesen / das aber darauß folgen solte: Ergo, so ist die
verderbte Menschliche Natur vnd Wesen / die Verderbung vnnd Verkerung selbst /
reymet sich eben / wie der Schne zum Glocken giessen.
Daß / wie Lutherus in Genesi redet / Totius naturae facta sit immutatio, &c.
Die gantze Natur durch de̅ sall Adae verendert sey / ist recht /
dann der Reinigkeit / Heiligkeit vnd Gerechtigkeit der Natur sind gefolget
Vnreinigkeit / Vnheiligkeit / vnd Vngerechtigkeit / vnnd ist die Natur / die vor
dem Fall rein / heilig vnnd gerecht gewest / nach dem Fall vnrein / vnheilig
vnnd vngerecht worden / aber nicht die Vnreinigkeit / Vnheiligkeit vnd
Vngerechtigkeit selbst. Dann D. Lutherus selbst Genes. cap. 3. schreibet: Manet
natura, manent eadem membra, sed multis modis vitiata. Es bleibt die Natur vnd
alle Gliedmaß / aber sie sind in viel Wege jämmerlich zerrüttet vnd verderbet.
Das aber die Natur durch den Fall wesentlich in die Vnreinigkeit / Vnheiligkeit
vnd Vngerechtigkeit selbst solte verwandelt sein / ist ein Pur lauter Gedicht
deß Gegentheils / welchs sie in alle Ewigkeit nicht erweisen werden.
Also ist recht daß D. Lutherus in der Vorrede der Epistel an die Römer schreibt:
Sünde heist nicht allein / das eusserliche Werck am Leibe / sondern alle das
Geschefft das sich mit reget zu dem eusserlichen Werck / nem̅lich
deß Hertzen Grundt mit allen Kräfften / etc. Aber das heist noch lange nicht /
das Hertz ist die Erbsünde selbst wesentlich. Dann allweg ein anders ist das
Hertz / vnd daß sich im Hertzen wegen der Verderbung desselben reget / oder
derentwegen das Hertz zum argen geneigt ist / vnd würckliche Sünde thut.
So verhelt sichs auch mit dem Scholio marginali D. Luthers Roman. 3. da er
schreibt / daß alles Sünde ist / was nicht durch das Blut Christi erlöset / etc.
Denn Lutherus da das Wörtlein / Sünde / braucht für das Wort / sündig / oder
schüldig sein der ewigen Verdamniß. Wie es denn wahr ist / das alles was durch
Christi Blut
|| [ID00034]
nicht erlöset ist /
Sünde / das ist / sündig / verderbt / vnd der Verdamniß vnterworffen ist. Daß
aber dar auß recht solt geschlossen werde̅: Es ist alles Sünde /
was durch Christi Blut nicht erlöst ist / Ergo so ist deß verderbten Menschen
Natur / Wesen Leib vn̅ Seel die Sünde selbst / Das sagt D.
Lutherus nicht / sondern das Gegentheil dichtet jhm solchs fälschlich auff. Dann
Genes. 38. erkläret er sich außdrücklich das Sünde vnnd Todt im Menschen mala
separabilia sind / das ist / solche Schäden / so können von deß Menschen Natur
gescheiden werden / welchs er nicht würde gesagt haben / wo fern er eygentlich
gehalten / daß die Erbsünde deß verderbten Menschen Natur vnd Wesen selbst
were.
Das D. Lutherus Psal. 51. spricht: Sünde ist alles was von Vatter vnd Mutter
geboren wirdt. Item / Sünde ist mein gantze Natur vnd Wesen / etc. hat eben den
Verstandt / wie kurtz zuvor gemeldet / daß die gantze Natur sündig / das ist /
durch die Sünde verderbet / Gottes Zorn / der Tyran̅ey deß Sathans
/ verfluchung deß Gesetzes / dem Tode vn̅ ewiger Verdamniß
vnterworffen sey. Vn̅ daß dieses D. Lutheri Meynung sey /
erscheinet darauß / daß er bald darauff an gemeltem Ort diese Wort setzet: Tota
natura primum per peccatum corrupta & aeternae morti subiecta est: Die
gantze Natur ist erst durch die Sünde verderbt / vnd dem ewigen Todt
vnterworffen. Dar auß zu vornemen / daß wenn D. Lutherus schreibet: Das alles
sey Sünde was von Vatter vn̅ Mutter geboren ist / vnd Sünde sey
seine ga̅tze Natur / etc. dz er anderst nichts damit verstehe /
dan̅ daß er mit folgende̅ Worten sagt: meine
gantze Natur ist durch die Erbsünde verderbet / vnd das er abermals an
gemelte̅ Ort schreibet: Dauid sic definit peccatu̅ ut significet peccatu̅ esse corruptionem omnium virium,
interioru̅ & exteriorum, adeo vt nullum membrum ita
officium suum nunc faciat sicut in paradiso ante peccatum, &c. Dauid
defimert die Erbsünde also / das sie sey eine Verderbung aller Kräfften im
Menschen / der jnnerlichen vnd eusserlichen / also daß kein Glidt mehr sein Ampt
dergestalt verrichte / wie es im Paradiß vor der Sünde gethan hat.
|| [12]
Eben also verhelt es sich mit den Sprüchen / welche das Getheil / auß D. Lutheri
seiner Kirchen Postill / Psal. 51. 1. Tom. Islebiensi pag. 470. vnd auß der
Haußpostill am tage Johannis deß Täuffers anzeucht. Dan̅ sie alle
miteinander dahin deuten / daß die Menschliche Natur durchauß sündig / oder
durch die Sünde verderbt sey. Daß aber deß Menschen Natur vn̅
Wesen / reipsa wesentlich vnnd in der that solte die Sünde selbst sein / das
sagt D. Luther nicht / ist auch seine Meynung nicht: Sondern weil die
Schullehrer vnter dem Bapstumb die Erbsünde verkleinert haben / vnnd nur einen
schlechten gemeinen Schaden darauß gemacht haben / dadurch die naturalia oder
die Natur vnd Kräfften derselben nicht solten verderbt / sondern gantz
vnuerderbt gebliebe̅ sein / hat D. Lutherus solche emphatica verba
gebraucht / vnnd die Natur die Sünde selbst genandt / nicht das er hielte / das
sie / eygentlich zu rede̅ / die Sünde selbst wehre / sondern
anzuzeygen / das sie durch die Sünde durch vnnd durch / gantz vnd gar verderbet
/ vnd daß nicht alleine die würcklichen Sünden / Sünde wehren / sondern auch das
vbel oder der Schade / der vns allen von Adam angeborn wirdt / vnd damit die
Natur selbst durch vnd durch verderbt ist / Daher sie auch sündiget / vnd
würckliche Sünde herfür bringt.
Diese Meynung hat es auch mit den Worten D. Lutheri / so auß dem 3. Capitel / an
die Galater Tom. 4. eitiert werden: Der Mensch ist nicht allein adiectiuè &
concretiuè ein Sünder / sondern auch substantiuè & abstractiuè die Sünde
selbst / das ist / durchauß / durch vnd durch voller Sünde: dann Lutherus alda
nicht eyge̅tlich redet / was die Sünde sey / auch nicht lehret daß
der Mensche oď die Menschliche Natur / eigentlich zu rede̅ / die
Sünde selbst sey: Sondern Figürlich / oder wie mans in Schulen nennet per
Epitasin, wie dann solchs auß seinen eygenen Worten zu sehen ist / Welche also
lauten: Cum peccator reuera venit in notitiam sui, non solum sentit se
peccatorem concretiuè seu adiectiuè, sed etiam abstractiuè seu substantiuè, hoc
est, non solùm videtur sibi cala
|| [ID00036]
mitosus, sed ipsa calamitas, non solum peccator & maledictus, sed
ipsum peccatum & maledictum. Vt & in latina lingua, cum excellenter
volumus aliquem significare scelestum, vocamus eum scelus. Das ist / ein Sünder
wenn er rechtschaffen zu seim selbs Erkäntniß kompt / bedünckt jhn nicht alleine
das er ein Sünder sey / concretiuè seu adiectiuè, oder Sündig sey vnd Sünde
habe: Sondern auch abstractiuè seu substantiuè, das ist / Es bedünckt jhn nicht
alleine / das er ein elender Mensch sey / sondern das Elendt selbst / vnd nicht
allein / daß er ein Sünder sey / sondern die Sünde vnd der Fluch selbst. Als
wenn wir in der Lateinischen Sprach anzeigen wollen / daß einer ein sehr arger
vnd böser Schalck sey / nennen wir in scelus die Schalckheit oder Boßheit
selbst.
Zwey Stück sind in diesen Worten Lutheri / darauß wie er seine Wort wölle
verstanden haben / kan erkent werden. Das erste ist / das er spricht: Wenn der
Sünder rechtschaffen zu seim selbst Erkäntnüß kompt (sentit videtur) so bedünckt
jnen / es ist jhm also zu sinn oder muht nicht alleine / als sey er ein Sünder:
sondern es dünckt jhnen von wegen der grossen Trawrigkeit vnd Anfechtung die er
in seinem Hertzen empfindet / als sey er die Sünde selbst. Das ander das er
spricht / wenn man den Menschen die Sünde selbst nennet / geschehe das nicht
eigentlich / das man wölle das er die Sünde selbst sey: sondern es geschehe also
oder auff die Weise / als wenn man in der Lateinischen Sprache / einen argen
Schalck / den man sehr schelten will / nicht scelestum einen Schalck heisset /
sondern scelus / das ist die Boßheit selbst. Wann diese zwey Stück erwogen
werden / ist leicht zu vrtheilen das Lutherus hie nicht propriè eigentlich /
sondern Figürlich oder per Epitasin den sündigen Menschen die Sünde selbst
genandt habe / nem̅lich weil er sich in hohen Anfechtungen also
bedüncken lest / er sey nicht alleine ein Sünder / sondern die Sünde selbst /
etc. nicht das er eigentlich zu reden die Sünde selbst were.
(E. iiij. fac. 2.)
Wirdt die schöne Gleichnüß fürbracht: Wann einer fürgebe /
|| [13]
ein Eisen Huffnagel ist durch
vnd durch Eisen / etc. Vnd wolt doch gleichwol ein Vnterscheid machen zwischen
dem Huffnagel vnd Eysen / der thet Vnrecht: Also sey es auch mit der Erbsünde /
Weil wir bekennen daß die Natur mit der Sünde durch vnnd durch verderbet sey /
vnd wöllen doch nicht bekennen / das sie die verderbte Natur selbst sey / so
könne solchs nicht bestehen. Vnnd was derselben Gleichnüssen vom jrrdischen
Hafen / vom Kamb / vom Strick / etc. mehr angezogen.
Darauff ist vnser bestendige Antwort / daß Eyserne Huffnägel vnnd Eysen einerley
Materien sindt / darumb wer bekendt daß Eyserne Huffnägel durch vnd durch Eysen
sindt / der kan keinen Vnterscheidt / so viel die Materiam anlangt / zwischen
Huffnagel vnd Eysen machen. Aber dieses tölpische Gleichnüß / wie auch die
andern / reimen sich zu dieser controuersien oder Sreit von der Erbsünde gar
nichts. Vrsach ist / denn deß Menschen verderbte Natur / vnd die Verderbung oder
Erbsünde selbst / sind nicht einerley Materien Substantz oder Wesens / wie die
Huffnägel vn̅ das Eysen / sondern sind vnterscheiden. Der Schmidt
schmiedet die eyserne Huffnägel anß dem Eysen / die Erbsünde aber ist nicht auß
vnser Natur / Substantz oder Wesen als einer Materia gemacht / sondern ist in
dieselbige kommen / Rom. 5. Vnd ist mit nichten mit derselben einerley Materien
Substantz oder Wesens / wie die Eyserne Huffnägel mit dem Eysen.
Aber wie das Gleichnüß ist / so sindt auch die Sachen / so solche vngehewre Leut
verteidigen.
Vns ist auch / Gott lob / Vnuerborgen / daß die Eytelkeit vn̅(F. jo fac. 2.) Blindheit deß Hertzen / davon Eph.
4. geschrieben stehet / nicht ein halbe / zerstückte oder zertheilte Finsternüß
ist / sondern eine gantze / etc. Wie reimet sichs aber / darauß folgern wölle̅: Ergo so ist die verderbte Natur / oder Seele die Eytelkeit /
Blindtheit oder Finsterniß selbst. Dann der Sinn oder Hertz deß Menschen / vnd
die Eytelkeit oder Blindtheit darinnen / sind ja nicht einerley / sondern
vnter
|| [ID00038]
schieden. Der
Sin̅ oder Verstandt ist ein wesentlich Theil der vernünfftigen
Seele / vnd ist wol / wie der Apostel recht redet / eytel vnd verfinstert / ist
aber darumb nicht die Eytelkeit vn̅ Finsternüß selbst / wie diese
Tichter tichten.
(F. ij. fac. j.)
Das Concordi Buch brauchet / pag. 259. wol die Art zu reden / deß Menschen Natur
vnd Person ist sündig / aber pag. 263. 264. erkläret es auß D. Luthero was es
darmit meyne: Nem̅lich daß nicht allein die Wort / Gedancken vnnd
Werck im Menschen Sünde sein / sondern daß die gantze Natur / Person vnnd Wesen
deß Menschen durch die Erbsünd zu Grundt gäntzlich verderbt sey.
(F 2. fac. j.)
Auff diese Weise behelt es auch die Art zu reden: Wir sind selbst sündig / aber
darauß folgt keines Weges (wie das Gegentheil tringet) Ergo so sind wir
wesentlich die Sünde selbst. Dann sündig sein / vnd die Sünde selbst wesentlich
sein / sind nicht einerley.
So nennet auch das Concordi Buch pag. 262. vnsere Natur eine sündliche Massam,
aber nicht in dem Verstande / welchen das Gegentheil drauß erzwinge̅ will / nem̅lich / das vnser Natur wesentlich die Sünde selbst
sey. Dann eine sündtliche oder verderbte Massa oder klumpe̅ der
Sünde̅ seyn / vn̅ die Sünde selbst wesentlich
seyn / bleiben für vn̅ für vnterschieden vnd werden nimmermehr
einerley.
Gleich also verhelt es sich auch mit den Worten deß Concordi Buchs pag. 260. fac.
1. daß wir von Art vnd Natur solch Hertz / Sinn vnd Gedancken auß Adam ererben /
welchs nach seinen höchsten Kräfften stracks wider Gott ist / etc. Darauß vnser
Gegentheil schliessen will / daß vnser Hertz natürlich oder wesentlich die Sünde
selbst sey. Dann die Wörtlein Art vnd Natur / nicht das wöllen / daß vnser Natur
vnd Wesen die Erbsünde selbst sey: Sondern daß wir nun mehr von wegen der
Verderbung / so vns von Adam ange. boren / diese böse Vnart im Hertzen oder
vnser Natur haben / daß wir Gott widerstreben. Nicht / wie gemeldt / daß vnser
Art vnnd Natur die Erbsünde selbst sey / vnd daß die Wörtlein (Art vnd Natur) da
so viel heissen sollen / als das Wesen vnser Natur selbst / sondern die
|| [14]
Vnart die nun mehr nach dem
Fall darinnen verborgen ist / daß gleich wie wir von vnsern Eltern die Natur
oder Wesen erben / also erben wir auch zugleich mit die sündige Art / damit die
Natur wegen deß Falls Adae vergifftet vnnd verderbet ist. Wie solchs auch pag.
263. fac. 2. deutlich im Concordi Buch erkläret wird.
Wendet das Gegentheil ein / Moses vnnd Christus nennen(F. 3. fac. j.) nicht ein vnterschieden Art in Vngläubigen Menschen /
sondern nennen die Vngläubigen Menschen selbst eine böse Ehebrecherische Art vnd
Schandtflecken. Es ist aber vnleugbar / daß in solchen(Deut. 5. Cap. 32. Matt. 12.) Sprüchen der Schrifft das concretu̅ oder subiectum, das ist / der Mensch selber mit Leib vn̅ Seele / in welchem die Sünde oder Verderbung ist / genent wirdt.
Vnd daß solchs vom gantzen Menschen recht vnd wol gesagt wirdt / von wegen der
Verderbung / damit die Menschliche Natur beschmitzt ist. Den̅ daß
die Menschen eine verkerte Art sindt / von Gott abfallen / Item eine
Ehebrecherische Art / ist nicht ein anzeygung daß die Menschliche Natur
wesentlich die Verkehrung oder Schande selbst sey / sondern / daß sie von wegen
der angebornen Verkehrung vnd Vnart / Schandflecken / verkehret / abfellig vnd
Ehebrecherisch sind. Vnd das noch mehr ist / so brauchen Moses vnd Christus
nicht deß Worts (Natur) sondern deß Wors / generationis oder Geburt / welche
Wort von deß Menschen Wesen oder Natur / so fern sie ein Wesen vnd Natur ist /
an keinem Ort in der Schrifft genommen werden.
Deß Apostels Petri Wort (2. Petri 2.) Sie sind Schande vnd Laster (labes ac
maculae ) wöllen keines Wegs daß die Vngleubigen
wesentlich die Schand vnd Laster selbst sein / sondern wie Ephes. 5. zusehen /
da auch die phrasis stehet / , non habentes maculam die
keinen Flecke̅ habe / daß sie mit Schand vnd Laster behafftet
sind.
Im 116. Psal. wird nicht gesagt / daß die Menschen die Lügen(F 3. fac. ij.) selbst seind / wie es vom
Gegentheil fälschlich auß dem Hebrei
|| [ID00040]
schen Text angezo̅gen: Sondern es stehet: Alle
Mensche̅ sind mendaces Lügner. Vnd ist freylich ein
mercklicher grosser Vnderscheid vnder den zweyen Worten / Cazat mendaciu̅, die Lügen selbst seyn / vn̅ Cozet, mendacem das
ist / ein Lügner seyn. Wie es den̅ auch die sibentzig Dolmetscher
im Griechischen vertirt haben / , mendax, Einjeder
Mensch ist ein Lügener / Vnnd nicht / ein jeder Mensch ist , das ist / die Lügen selbst.
So spricht auch Salomon prouerb. 21. nicht / der Gottlose sey die Sünde selbst /
sondern der stoltze Mut der Gottlosen sey Sünde.
Hiob 25. nennet nicht den Menschen die Verderbung vnnd Greuwel selbst / sondern
ein̅en vermiculum eine Made / ein Menschen kind / einen Wurm /
etc.
Dauid Psal. 51. nennet sich nicht die Sünde selbst / sondern seine Wort lauten in
der Heiligen Sprach also: Für dir alleine hab ich gesündiget / etc. Wie es auch
die sibentzig Dolmetscher geben haben / deßgleichen D. Lutherus in seinem
Psalter.
Mit Augustini vnd Chrysostomi Sprüchen: Totus homo est peccatum, der gantze
Mensch ist Sünde / hat es eben die Gelegenheit / wie droben von Lutheri Worten
angezeigt / nem̅lich das sie darmit zuuerstehen geben / der gantze
Mensch sey durch die Sünde sündig worden / das ist / durch vnnd durch verderbet
/ zerrüttet / dem Zorn Gottes vnd ewigen Todt vnterworffen.
So viel auch die Wort deß Concordi Buchs pag. 161. das nicht etwas anders oder
frembdes im Menschen sündige / etc. betreffen thut / haben sie nicht diesen
Verstandt / das die verderbte Natur die Erbsünde selbst sey / sondern sind
gerichtet wider die Manicheer / welche geschwermet haben / das etwas frembdes in
der Natur deß Menschen sey / (wie Augustinus von jhnen schreibet) so da sündige
/ vnd nicht die Natur selbst. Wir sagen frey herauß / daß die Natur selbst
sündige / aber nicht so fern sie eine erschaffene Natur vn̅ Werck
Gottes ist: sondern weil sie durch die Erbsünde durch vnnd durch vergifftet vnd
verderbet ist.
|| [15]
Bleibet demnach fest vnd vnwidersprechlich wahr / daß die verderbte Natur nicht
die Erbsünde selbst sey / sondern eine Verderbung derselben.
Wir machen auch in geistlichen Sachen keinen Vnderscheid / sprechen nicht daß in
solchen noch etwas gutes in der verderbten Natur vbrig sey (dann sie ist gar zum
guten erstorben) aber darauß kan nicht mit Warheit geschlossen werden / daß
darumb das verderbte Wesen / oder menschliche Natur die Sünde selbst sey.
Der dritte Grundt / das Concordi Buch gestehe / daß das Gesetz(G. 1. fa. 1.) die gantze Natur anklage / etc.
Ergo, so müsse auch die gantze Natur die Sünde selbst seyn.
Daß das Gesetz die gantze Natur von wegen der Sünde anklage / ist
vnzweiffelhafftig. Daß aber daher solte können mit Grunde der Warheit
geschlossen werden: Ergo, so ist die gantze Natur die Sünde selbst / ist ein pur
lauter Gedicht vnsers Gegentheils. Sintemal das Gesetz nicht die gantze Natur
anklagt / als eine Natur / oder als ein Geschöpff Gottes an vnd für sich selbst:
Sondern darvmb vnd daher / daß sie sündig vnd böse ist. In Summa / das Gesetz
Gottes beschüldiget vnnd verdammet die Natur vnd das Wesen deß Menschen auch
nach dem Fall nicht so ferrn / als es ein Werck / Geschöpff vnd Creatur Gottes
ist: Sondern darumb vnd so ferrne es durch die Sünde vergifftet vnd verderbt
ist. Darumb Rom. 1. deutlich stehet / daß Gottes Zorn vom Himmel (durchs Gesetz)
offenbaret werde vber alles gottloses Wesen vnd Vngerechtigkeit der Menschen /
die die Warheit in Vngerechtigkeit auffhalten / etc. mit welchen Worten klar
angezeigt / daß die Menschen vom Gesetz beschüldiget werden / nicht darumb daß
sie Menschen oder Gottes Geschöpff sindt: Sondern darumb / daß sie Gottloß vnnd
Vngerecht oder Sünder sindt / oder daß sie Gottlosigkeit oder Vngerechtigkeit an
sich oder in jhrer Natur vnd Wesen haben.
Vnd Rom. 7. Die Sünde nam Vrsach am Gebott / vnnd betrog mich / vnd tödtet mich
durch dasselbige Gebott. Da der Apo
|| [ID00042]
stel abermals deutlich anzeigt / das Gesetz habe die Sünde in jhme
erregt / oder lebendig gemacht / vnd habe jhn getödtet / vnd zugleich weiset /
daß das Gesetz den Menschen anklage vnd tödte / nicht als einen Menschen oder
Geschöpff Gottes: sondern als einen verderbten Sünder / oder sündigen Menschen /
vmb der Sünde willen / so in jhme oder in seinem Fleische wohnet.
Also klagt nuhn das Gesetze nicht etwas vnderschiedenes am Menschen an / sondern
den gantzen Menschen mit Leib vnnd Seele / thuts aber darumb vnnd daher / daß
der gantze Mensch oder die gantze Menschliche Natur mit Sünden behafftet vnd
verderbet ist.
Vnd also bleibt es auch recht vnd wahr / wie Lutherus Tom. 2. Ienensi, pag. 497.
schreibet / daß wir auß dem Gesetz lernen / daß eitel Sünde an vnd mit vns ist /
was wir sindt vnd thun / dieweil das Gesetz die gantze Natur / als durch die
Sünde verderbt / beschüldiget / vnd vns Menschen dahin führet / daß wir vnsere
sündige Art / vnd wirckliche Vbertrettungen rechtschaffen erkennen vnd beweinen
lernen. Rom. 3. durchs Gesetz kompt Erkändtnüß der Sünde / oder deß Mangels der
Ehre / die wir für GOTT haben solten / etc.
Wann vns auch Paulus Ephes. 2. Kinder deß Zorns von Natur nennet / hat es nicht
diesen Verstandt / daß vnsere Natur der Zorn oder die Sünde selbst sey / sondern
/ daß vnsere Natur durch vnnd durch / von wegen der Erbsünde verderbet sey /
vnnd daß wir eine verderbte Natur auß Mutterleibe mitbringen / welcher
Verderbung halben wir auch von Natur Kinder deß Zorns / das ist dem Zorn Gottes
vnterworffen sind / wo vns nicht durch Christum Gnad widerfähret.
Deuter. 27. Galat. 3. verflucht das Gesetz den gantzen Menschen / aber nicht
darumb / daß er ein Mensch ist / oder Mensch liche Natur hat: Sondern von
deßwegen / daß er vnter der Sünde ist / Rom. 3. Fleischlich ist / vnd vnter die
Sünde verkaufft ist / daß in
|| [16]
seinem Fleische böses wohnet / Rom. 7. Vnd in Summa / dieweil er durch die Sünde
gantz verderbt ist / vnd nicht bleibet in allem dem / das geschrieben stehet im
Gesetz / das ers thüe.
Auß welchem allem klar vnd offenbar / daß auß deß Gesetzes Anklag nicht erwiesen
werde / daß die verderbte Natur oder Wesen deß Menschen / vnd die Erbsünde ein
Ding sey / sonder / wie gemeldt // daß die Menschliche Natur darumb vnd daher
vom Gesetz Gottes beschüldiget werde / weil sie in Grund durch die Sünde
vergifftet vnd verderbet ist.
Vnd folget keines Weges / wann die verderbte Natur nicht die Sünde selbst sey /
so könne sie auch das Gesetz nicht beschüldigen / vnd wo sie nicht an vnnd für
sich selbst Sünde sey / bedürff sie keines Mittlers / etc. Dann kurtz zuvor auß
S. Pauli Worten gar das Gegenspiel dargethan / Rom. 1. 7. So wirdt auch Rom. 8.
eben diese Vrsach angezeiget / daß Gott seinen Sohn gesandt / vnd vnter das
Gesetz gethan habe / quia impossibile erat legi, &c. eò quòd infirmabatur
per carnem, daß dem Gesetz vnmüglich war vns zu helffen / weil es durch das
Fleisch geschwächet wardt. Vnd sagt der Apostel nicht / daß Gott seinen Sohn
vnter das Gesetz gethan habe / daß vnser verderbte Natur oder Fleisch die
Erbsünde selbst were / etc. sondern daß das Gesetz durchs Fleisch geschwächet
wardt / oder daß dem schwachen Fleisch der Menschlichen verderbten Natur
vnmüglich war / dasselbige zu erfüllen. Darauß augenscheinlich zusehen / daß ob
wol die Natur die Erbsünde selbst wesentlich nicht ist / vnd das ein anders ist
die Schwachheit / dardurch das Fleisch oder die Natur geschwächet wirdt /
dannoch gleichwol eines Mittlers bedürffe / vnd Gott eben seinen Son darumb
gesandt / daß er die Menschliche Natur von solcher Schwachheit erlöse.
Daher gehöret daß die Christliche Kirche singet: Er Gedacht an seine
Barmhertzigkeit / er wolt mir helffen lassen. Vn̅ daß D. Luther
Tom. 6. Germ. pag. 269. schreibet: Gott ist nicht der Natur
|| [ID00044]
feindt / sondern zeiget daß er jhr
helffen will. Item / an dem will er sich rechen / als an seinem eygenen Feinde /
der jhme sein Werck vergifftet vnd verderbet hat. Vnnd daß Augustinus de peccato
origiginis, cap. 40. schreibet: Ac per hoc Deus hominem damnat propter vitium,
quo natura dehonestatur: non propter naturam, quae vitio non aufertur, Das ist /
Gott verdampt den Menschen vmb der Sünde willen / mit welcher die Natur
vervnehret ist / nicht vmb der Natur willen / welche durch die Sünde nicht
weggenommen wirdt.
Item, Hypognost. 5. Ipsi enim quòd homines, opus DEI sunt: Quod verò in ipsis est
peccatum, opus diaboli est, hoc est, quod in illis odit Deus, non ipsos opus
suum. Das ist / Daß sie Menschen sindt / sindt sie Gottes Werck / das aber in
jhnen Sünde ist / das ist deß Teuffels Werck / vnd das hasset Gott / vnd nicht
sie selbst als sein Werck. Auß welchen Sprüchen augenscheinlich zu vernemmen /
daß Gott die Natur durchs Gesetz nicht angreiffe vnd verdamme / daß sie eine
Natur ist: Sondern darumb / daß sie durch die Sünde verderbt ist. Vnnd wirdt mit
solchem Vnterscheidt keines weges die Natur gut gemacht / vnnd von dem
jämmerlichen Schaden / damit sie behafftet ist / gefreyet: Sondern nuhr Gottes
Werck / vnnd die Sünde / durch welche die Natur verderbet ist /
vnterschieden.
(G. iij. fa. 2.)
Den vierten Grund nimpt das Gegentheil auß den Schmalcaldischen Artickeln / in
welchen folgende Wort D. Lutheri stehen: Diese Busse lehret vns die Sünde
erkennen / nem̅lich / daß mit vns allen verloren / Haut vnnd Haar
nicht gut ist / vnnd müssen schlechts newe vnd andere Menschen werden. Diese
Busse ist nicht stücklich vnd bettelisch / wie jene / so die wircklichen Sünde
büsset. Vnd ist auch nicht vngewiß / wie jene / dann sie disputiert nicht /
welches Sünde oder nicht Sünde sey / sonder stösset alles in Hauffen / Spricht:
Es sey alles vnd eitel Sünde mit vns. Was wöllen wir lange suchen / theilen vnd
vnterscheiden. Darumb so ist auch hie die
|| [17]
Rew nichts vngewiß / dann es
bleibt nichts da / darmit wir mögen etwas gutes gedencken / die Sünde zu
bezahlen / sondern ein bloß / gewiß Verzagen an allem / daß wir sindt /
gedencken / reden oder thun / etc.
Deßgleichen kan die Beicht auch nicht falsch / vngewiß oder stücklich seyn / Dann
wer bekennet / daß alles mit jhm eitel Sünde sey / der begreifft alle Sünde /
lässet keine aussen / vnd vergisset auch keine. Also kan die Gnugthuung auch
nicht vngewiß seyn / dann sie ist nicht vnsere vngewisse / sündtliche Werck /
sondern das Leyden vnnd Blut deß vnschüldigen Lämbleins Gottes / das der Welt
Sünde tregt.
Von dieser Busse prediget Johannes / vnd hernach Christus im Euangelio / vnd wir
auch / Mit dieser Busse stossen wir Bapst vnd alles was auff vnsere gute Werck
gebawet ist / zu boden. Dann es ist alles auff einen faulen nichtigen Grundt
gebawet / welcher heist gute Werck oder Gesetze / so doch kein gut Werck da ist
/ sondern eitel böse Werck / Vnd niemandt das Gesetz thut (wie Christus Johan.
7. sagt) sondern allzumal vbertretten. Darumb ist das Gebäw eitel Lügen vnnd
Heucheley / wo es am allerheiligsten / vnd aller schönsten ist.
Vnd vnderstehet sich auß oberzelten Worten darzuthun / daß der Vnderscheidt /
zwischen der verderbten Natur vnd zwischen der Erbsünde selbst / vnrecht sey /
machet auch viel vergeblicher Wort davon / aber welches der rechte Verstand der
Wort D. Lutheri sey / ist darauß zu vernemmen: Daß nem̅lich D.
Lutherus an diesem Ort streitet wider die Papisten / welche mancherley Rew /
mancherley Beichte / vnnd mancherley Gnugthuungen / für diese vnnd jene Sünde
ertichtet haben. Vnd die betrübten Gewissen mit jrer Sün de dahin gewiesen / daß
sie alle Sünde zehlen / stücken vnd theilen solten. Wie dann vnter andern in
jhren Canonibus stehet / daß auff ein jede Todtsünde sieben gantzer Jahr zu
büssen gelegt sindt / da doch vnter deß die rechten Sünden wider GOTTES Gebott
nicht
|| [ID00046]
geachtet / viel weniger
rechtschaffen erkandt worden sindt.
Hergegen sind etliche Büsser so vermessen gewest / daß sie fürgegeben / sie
hetten so vielguter Werck / daß sie nit alleine für sich selbst one Sünde vnd
Heiligweren / sondern auch andern die vbermasse jhrer guten Werck mittheilen vnd
verkauffen köndten.
Von diesen sagt D. Lutherus / kompt der fewrige Engel S. Johannes / der rechte
Bußprediger / vn̅ schlecht mit einem Donner alle beyde in einen
hauffen / spricht Thut Busse.
Nochmals beschleust er / vnd zeiget an / was zur rechten Busse gehöre / nem̅lich daß sich der Mensch durchauß verderbet / arg / böse / auch
alle seine Werck verloren / vnd für Gottes Gericht vntüchtig / etc. erkenne.
Solche Busse spricht er ferrner / ist nicht stücklich vnnd bettelisch wie jene /
so die wircklichen Sünden büsset oder büssen will / sie ist auch nicht vngewiß /
wie jene / dann sie disputiert nicht / welches Sünde oder nicht Sünde sey /
sonder stösset alles in hauffen / spricht es sey alles vnd eitel Sünde mit vns /
was wöllen wir lange suchen / theilen vnd vnderscheiden / etc.
Darauß nuhn klar erscheinet / daß D. Lutherus in gemeldten Worten keines Wegs von
dem Vnderscheidt zwischen der Natur vnd jhrer Verderbung oder der Erbsünde redet
(welchen Vnterscheidt er anderswo fleissig treibet) sondern / wie gemeldt / von
den vnnützen vnnd vergeblichen Theilungen der Sünden / wie sie von den Papisten
erdacht / vnd den armen Gewissen eyngeblewet / vnd jhrer stücklichen vnnd
bettelischen Busse / welche er verwirfft. Was thut aber dieses zu dem Streit /
da von dem Vnterscheid zwischen der verderbten Natur deß Menschen / vnd zwischen
der Erbsünde selbst / gehandelt wirdt?
Wir sagen mit den Schmalcaldischen Artickeln / daß weder Haut noch Haar an vns
gut ist / daß es alles mit vns verloren. Das heist aber noch lange nicht so viel
/ Als / es sey kein Vnderscheidt zwi
|| [18]
schen der Erbsünde vnd verderbten Natur. Dann viel ein
anders ist / vnter der verderbten Natur vnd vnter der Sünde / damit sie verderbt
ist / vnterscheiden / vn̅ zwischen den Sünden / in der waren Busse
vn̅ Bekehrung zu Gott / auff papistische Weise vnterscheiden /
etc. Davon D. Lutherus eygentlich handelt.
So bekennen wir auch / daß es alles vnnd eitel Sünde mit vns sey / vnnd daß man
in der Busse nicht lange mit den Papisten vnter den Sünden vnterscheiden solle /
etc. Was thut aber dieses darzu / daß die Erbsünde vnd verderbte Natur deß
Menschen sollen ein Ding seyn. Viel ein anders ists erkennen / daß alles eitel
Sünde mit vns sey / dann erkennen / daß die verderbte Natur die Erbsünde selbst
sey / sintemal Lutherus deutlich vnterscheidet / an vns sey es alles vnnd eitel
Sünde. Darauß aber mit nichten folget / daß darvmb die verderbte Natur vnd die
Sünde ein Ding / vnd nicht von einander vnterscheiden sindt / sondern viel mehr
folget das Gegenspiel.
Daß die Schmalcaldischen Artickel die Rew nicht auff den Vnderscheidt der
Menschlichen Natur ziehen: Sondern auff die papistische Theilung der Sünden /
ist für sich offenbar. Dann Lutherus da nicht den Vnderscheidt der Erbsünde vnd
der verderbten Natur / welchen er anderswo in seinen Schrifften dürr vnnd klar
bestättiget / widerficht: Sondern / wie gemeldt / die Bäpstische Theilung der
stücklichen bettelischen Busse / davon er am gemelten Ohrt redet.
Ist sich derwegen vber die vnverschämpte Künheit deß Gegentheils wol zu
verwundern / das sich vnderstehet Lutheri Worten einen solchen Verstandt
anzutichten / welcher doch darinnen durchauß nicht zu befinden ist.
Daß auch D. Lutherus den Vnderscheidt zwischen der Natur vnd jhrer Verderbung
deutlich lehre vnd führe / bezeugen nachfolgende Zeugnüssen / so auß seinen
Schrifften genommen.
|| [ID00048]
Genes. 3. Hoc venenum sic latè per carnem, corpus, animam, neruos, sanguinem, per
ossa & medullas ipsas, in voluntate, in intellectu, in ratione diffusum est,
vt non solùm eximi plenè non possit, sed ne quidem agnoscatur peccatum esse. Das
heist ja klar vnd deutlich den Leib / Seel / Willen / Verstandt / vnnd alles was
im Menschen ist von der Erbsünde vnterscheiden.
Ibid: Manet quidem natura, Sed multis modis corrupta, Siquidem fiducia erga Deum
amissa est, & cor plenum diffidentia, metu, pudore. Sic mane̅t
quidem in natura membra eadem, Sed quae antea nuda & cum gloria
conspiciebantur, nunc tanquam turpia & inhonesta velantur, propter
interiorem defectum, quòd natura fiduciam in Deum per peccatum amisit. Si enim
crederemus, non erubesceremus.
Da spricht er abermals / daß die Natur blieben sey / sie sey aber vielfältiger
Weise verderbt / etc. Wie kans dann wahr seyn / daß er die verderbte Natur / vnd
die Verderbung oder Erbsünde für eins halten solte?
Genes. 1. cap. schreibt er: Manserunt intellectus & voluntas, sed valdè
vitiata vtraque. Der Verstandt vnd Wille sindt geblieben / sindt aber beyde vber
die Masse sehr verderbt. Diese Wort Lutheri vnterscheiden außtrücklich zwischen
dem Verstande vnnd Willen / vnd zwischen der Verderbung / damit sie behafftet
sind.
Genes. 2. Corpus concupiscentia defoedatum est, Der Leib ist mit böser Lust
besudelt oder beschmützt. Vnd / In animaamissa est cognitio Dei: In der Seelen
ist das Erkändtnüß Gottes verlohren / etc. Welche Wort abermals ein klaren
Vnderscheidt machen zwischen deß Menschen Leib vnd Seel / vnd den bösen Lüsten /
Finsternüß vnd Schaden / so sie empfangen haben.
Vnd Genes. 3. Habemus voluntatem quoque & rationem, sed quàm multipliciter
vitiatam? &c. Wir haben zwar den Willen vnd Vernunfft / aber wie grewlich
sindt dieselbe verderbt? etc.
|| [19]
Item Natura violata est, die Natur ist geschwechet. Naturalia corrupta sunt per
peccatum. Voluntas & ratio per peccatum vitiata est. Die Naturalia oder die
Natur vnd natürliche Kräfften / sind durch die Sünde verderbt. Der Wille vnd die
Vernunfft sind durch die Sünde geschendet.
Ibidem. Hîc ea corruptio describitur, quae successit originali iusticiae. Das ist
/ da wirdt die Verderbung beschrieben / welche auff die Verlierung der
Erbgerechtigkeit erfolgt oder kommen ist.
Item. Peccatum ipsum naturam non solùm deformauit turpissimè, sed etia̅ pessimè corrupit. Das ist. Die Sünde selbst hat die Menschliche
Natur nicht allein grewlich geschendet / sondern auch schändtlich verderbet /
etc. Da kan ja menniglich den Vnterscheyd zwischen der verderbten Natur / vnnd
der Verderbung selbst sehen / vnd klar verstehen / daß Lutherus die verderbte
Natur vnd die Erbsünde nicht für einerley gehalten habe.
Genes. cap. 4. brauchet er folgende Wort: Spirituales homines debent distinguere
inter peccatum originale & naturam. Opus generationis est creatura Dei bona
& sancta, Est enim ex Deo benedicente &c. Das ist / Geistliche Menschen
sollen ein Vnterscheid machen zwischen der Erbsünde vnnd zwischen der Creatur.
Das Werck der Geburt ist Gottes Güte vnnd Heilige Creatur / Denn sie kompt von
Gottes seinem Segen.
Lieber wie köndte doch der Vnderscheid zwischen der verderbten Natur deß Menschen
/ vnd zwischen der Verderbung oder Erbsünde selbst verständtlicher dargethan
werden / dann es mit erzehleten Worten D. Lutheri fürgestellet wirdt?
Genes. cap. 38. sprichter: Peccatum & mors sunt mala separabilia. Sünde vnd
Todt sind sölche Vbel / so von der Natur können gescheiden werden. Wann nun D.
Lutherus gehalten / daß die verderbte Natur / vnnd die Erbsünde ein Ding weren /
würde er sie nicht ein malum separabile / das ist / ein solch Vbel / das von der
Natur köndte gescheiden werden / genennet haben.
|| [ID00050]
Psalm. 90. nennet er die Erbsünde qualitatem, &c. Seine Wort / wie sie auch
im Concordi Buch angezogen / lauten also: Siue igitur peccatum originis
qualitatem, siue morbum vocauerimus, profectò extremum malum est, &c. Das
ist / wir nen̅en die Erbsünde eine qualitet Vnart oder böse Seuche
/ so ist sie fürwar der eusserste Schaden / etc. Darauß abermals zu vernehmen /
daß er nicht gewolt / das die Erbsünde deß verderbten Menschen Wesen selbst sey
/ sondern eine böse qualitas, Vnart oder böse schreckliche vn̅
vnaußsprechliche Seuche in Menschlicher Natur oď Wesen / etc.
Augustinus Psal. 68. füret vnd behelt den Vnderscheid auch da er Spricht:
Iniquitas quippe ipsa non est substantia. Non enim iniquitas est natura quam
fecit Deus, sed iniquitas est peruersitas quam fecit homo: Das ist / die
Vngerechtigkeit ist kein Wesen / Denn die Vngerechtigkeit ist keine Natur die
Gott erschaffen hette / sondern ist die boßheit / die vom Menschen herkompt.
De nuptiis & concupiscentia lib. 1. cap. 17. Carnis autem pudenda
concupiscentia non est nuptiis imputanda, sed toleranda. Non est enim ex
naturali connubio veniens bonum, sed ex antiquo peccato accidens malum: Das ist
/ schendliche Lust deß Fleisches ist der Hochzeit der Eheleute nicht
zuzuschreiben / sondern zu dulden. Denn sie ist nicht etwas gutes / das auß dem
natürlichen Ehelichen Leben keme / sondern ein zufelliges Vbel / das auß deß
ersten Menschen Sünde entspringet, Ambros. in Hexaem. lib. 1. cap. 8. Non enim
malas arbitror intelligendum potestates, quòd dominus earum malitiam creauerit,
cum utique non substantialis, sed accidens fit malitia, quae à naturae bonitate
deflexit.
Das ist / ich halte nicht daß man böse Herrschafften hie verstehen soll / gleich
als hette der HERR die Boßheit geschaffen / sintetemal die Boßheit ist nicht
etwas wesentliches / sondern ein zufellig Ding / als das von der Gütigkeit der
Natur abgewichen ist.
Ioh. Maxentius in Catholica professione: Quapropter anathematisamus eos qui
naturale aut substantiam aliquam dicunt
|| [20]
esse peccatum: das ist / darumb verfluchen wir die jenigen / so da
sagen dörffen / daß die Sünde eine Natur oder ein Wesen sey.
Dergleichen Zeugnüß der alten Rechtglaubigen Kirchenlehrer von dem Vnderscheid
zwischen der Natur vn̅ zwischen der Erbsünde / weren noch viel
einzuführen / wenn es die Gelegenheit dieser Schrifft zu liesse / sind aber
anderßwo zusammen getragen / da sie der Christliche vnd Warheit begierliche
Leser suchen kan.
Bleibt also der Vnderscheid zwischen der Natur vnnd Erbsünd / wider alles
anfeinden deß Gegentheils / fest stehen.
Verantwortunge auff die Beschüldigunge / daß das Concordi Buch vnrecht auß dem
Artickel von der Schöpffung einen Vnderscheid mache zwischen der Natur vnnd
zwischen der Erbsünde: Vnd Christlicher Beweiß daß deß Concordi Buchs Grundt auß
gemeltem Artickel genommen / noch fest stehe.
DEr Wirbelgeist / von welchem das Gegentheil(H. ij. Vnd
hernacher durch viel Bletter.) vmbgetrieben wirdt / machets in diesem
Stück so grob / daß es auch die Catechismus Schüler greiffen können daß er
getroffen sey.
Dann erstlich wendet er in Gemein ein / was Sünde sey müsse auß dem Gesetz
erkendt werden / vnd nicht auß den Artickeln deß Glaubens / welche das
Enangelium predigen. Ergo so thue das Concordi Buch Vnrecht / daß es auß den
Glaubens Artickeln erweise / daß ein Vnterscheid sey zwischen der verderbten
Natur vnnd zwischen der Erbsünde.
|| [ID00052]
Nu lehret das Concordi Buch mit dem geringsten nicht / daß man auß dem Euangelio
/ eigentlich zureden / was Sünde sey / erkennen solle / etc. Sondern demnach das
Gegentheil für vnnd für drauff gedrungen / vnnd noch / das kein Vnderscheidt
zwischen der Natur deß Menschen / vnnd zwischen der Erbsünde zu machen sey /
etc. haben die vnsern nohtwendig auß den Artickeln deß Glaubens von der
Schöpffung / Erlösung / Heiligung / Aufferstehung deß Fleisches / etc. hergegen
beweisen sollen vnnd müssen / daß / wer den Vnterscheidt zwischen der verderbten
Natur deß Menschen vnnd zwischen der Erbsünde gantz vnd gar auffhübe /
derselbige hübe auch zugleich die Artickel deß Christlichen Glaubens auff / in
welchen solcher Vnderscheid klar vnnd deutlich an Tag gegeben / vnnd der gantzen
Christenheit fürgestellet würde.
Vnnd ist keines Weges einerley / auß dem Gesetz eigentlich zeigen was Sünde sey /
vnd auß den Artickeln deß Glaubens / welche das Euangelium Predigen / darthun /
daß die verderbte Natur deß Menschen / vnd die Erbsünde nicht einerley / sondern
vnterschieden sind. Darumb denn auch dem Concordi Buch dißfalls keine
Vermischung der beyder Lehren / Gesetzes vnd Euangelij / kan zugemessen werden /
all dieweil viel ein anders ist eygentlich auß dem Gesetz zeigen vnd berichten
was Sünde sey / vnd aber ein anders auß den Artickeln deß Glaubens erweisen /
daß Natur vnd Sünde nicht eins / sondern vnderschieden sind.
Zum andern / macht das Gegentheil viel Wort (die sich aber nichts vberall zu
Erörterung dieses Streits reime̅) vber den beyden Reden: deß
Menschen Natur vnd Wesen sey durch die Erbsünde verderbt / vnd deß Menschen
Natur vnd Wesen sey durch Adams Fall verderbt. Denn Adams Fall vnnd die Erbsünde
seyn nicht ein Ding. Weil Adams Fall eine wirckliche Sünde / die Erbsünde aber
nicht eine wirckliche Sünde / sondern deß Menschen gantz verderbte Natur vn̅ Wesen sey / etc. Gibt für / es gestehe daß ein Vnderscheyd sey
zwischen Adams fall / vn̅ der Erbsünde. Den Vnder
|| [21]
scheid aber gestehe es
nicht / welchen das Concordi Buch zwischen der Erbsünde / vnd zwischen deß
Menschen verderbten Natur vnnd Wesen machet / vn̅ was
dergleiche̅ Laruen vn̅ Lappenwerck mehr ist.
Der Christliche Leser merckt aber von stund an / daß das Gegentheil getroffen /
vnnd im Hirn jrre ist / weiß sich sonst nicht zu euolvieren / vn̅
der gegründten Warheit zu widerspreche̅. Derowegen muß es solche
Winckelzüge vn̅ außflucht suchen / so doch nichts vberall zur
Sachen thun.
Dann beyde Reden sind wahr vnnd recht diuerso respectu, das ist / wenn eine jede
nach jhrer Artrecht erkläret wirdt. Die erste redet von dem Menschen wie er nun
mehr ist / vnd von seinen Eltern in Sünden empfangen vn̅ geboren
wirdt. Da es freylich wahr ist / daß seine Natur durch die Erbsünde / so er von
Vatter vn̅ Mutter an ererbet / vnd in welcher jhn seine Mutter
empfieng vnd gebar / verderbet sey.
Die ander Rede ist auch recht / wann man den Menschen betrachtet / woher er
vrsprünglich solchen Schaden oder Verderbung der Natur vberkommen habe / dann da
ists freylich war / daß durch Adams Fall Menschlich Wesen vnnd Natur verderbt
seyn. Lauffen also gedachte Reden im geringsten nicht widereinander / heben auch
den Vnderscheid zwischen Adams Fall vnnd zwischen der Erbsünde / in welcher alle
Menschen entpfangen vnnd geboren werden / nicht auff. Hette demnach das
Gegentheil solchs vergeblichen Geschwetzes / daß es dieses Orts ohne noth
treibet / wol können geübriget seyn.
Daß es aber meldet den Vnderscheid zwischen Adae Fall vnd der Erbsünde gebe es
wol zu / aber den Vnderscheidt zwischen der Natur vnnd Erbsünde könne es nicht
zugeben / etc. sind nur eytele Wort. Dann es ligt nicht an jhrem zu: oder
nachgeben: Sondern an Gottes Wort / was das darzu sagt / vnnd was dasselbige zu
gibt vnd setzet. Nun haben wir droben auß Gottes vnfehlbarem Wort den ermelten
Vnderscheid zwischen der Verderb
|| [ID00054]
ten Natur vnnd zwischen der Erbsünd vnwidersprechlich erwiesen / da
wird es auch wol bey bleiben / vnser Gegentheil gebe es zu oder lasse es. Dann
Gottes Wort bleibet ewiglich / Menschen gebens zu oder gebens nicht zu / nemens
an oder werffen es von sich.
Es kommet auch dieses Orts wider getrollet mit seinen Eysernen Huffnageln vnd
Eysen / vnd andern mehr Gleichnüssen. Dieweil wir aber droben an seinem Ort sie
mit solchen jhren tölpischen vnnd vngereimbten Gleichnüssen abgefertigt haben /
lassen wirs billich dabey bewenden.
Zum dritten / damit sie aber gleichwol dafür möchten angesehen werden / als
hetten sie den Grundt deß Concordi-Buchs / auß dem Artickel von der Schöpffung
genommen / gewaltig vmbgestossen / fehet es an ein lang vnd vngereimbtes
dicentes zu machen / vom Vnderscheid der Natur vor vnd nach dem Fall / verstehet
vnnd sihet vnter deß nicht / daß alles solch Geschwetz nur ein lauter
Spiegelfechten ist / so zur Sach nichts vberall dienet.
Dann wenn man von der Menschlichen Natur an vnnd für sich selbst fragt vor oder
nach dem Fall / ob sie einerley oder vnderschieden sey / etc. ists
vnwidersprechlich wahr / daß der Mensch jetzo / so viel seine Natur an vnd für
sich selbst / als ein Creatur vnnd Geschöpff Gottes betrachtet / anlangt / eben
dieselbe vnnd keine andere Natur oder Wesen habe / dann Adam vor dem Fall
gehabt. Dann / wie D. Lutherus Genes. 3. vnnd sonsten an vielen Orten mehr
schreibet / bleibet die Natur / manet natura, manet intellectus, manet voluntas,
sed corrupta & vitiata, &c. Es bleibt der Verstandt vnd Wille / alleine
daß sie verderbt vnnd geschendet sind. Adam hat in vnd durch den Fall nicht ein
andere Natur oder Wesen kriegt / als er zuuor gehabt / sondern hat eben die
vorige Natur behalten / seine Natur ist durch den Fall nicht in eine andere /
vnnd von der vorigen vn
|| [22]
derschiedene Natur (so viel das Wesen anlangt) verwandelt: sondern
verderbet vnd zerrüttet worden.
Ist derwegen ein pur lauter Gedicht vnnd Fabelwerck / was das Gegentheil vom
Vnderscheid der Natur deß Menschen an jhr selbst / oder das Wesen betreffendt
vor vnnd nach dem Fall / fürbringt. Dann ob wol Adae Natur / so vor dem Fall
gerecht / heylig / rein / dem Gesetz GOTTes gleichförmig vnnd grundtgut gewest /
durch den jämmerlichen Fall vngerecht / vnheilig / vnrein / dem Gesetz GOTtes
vngleichförmig worden / vnnd also gar andere Eigenschafften vnnd Arten an sich
bekommen hat / als sie vor dem Fall gehabt: Jedoch ist sie wesentlich zu keiner
andern Natur worden. Als wenn ein gesunder Mensch mit der Pest angegriffen wirdt
/ so wird sein Natur wol schwach / kranck / gebrechlich vnnd gefehrlich
durchgifftet / sie bleibt aber gleichwol / so viel das Wesen anlangt / die
vorige Natur / vnd wird wesentlich nicht verändert in eine andere Natur
(verstehe dem Wesen nach) Also da Adams gute Natur durch den Fall verderbet ist
/ ist sie nicht zu einer andern Natur wesentlich worden / sondern sie hat
Schäden vnd gantz beschwerliche Mängel durch vnd durch / so sie zuvor nicht
gehabt / entpfangen / derwegen sie nunmehr ein verderbte / sündige / vngerechte
/ vnreine / vnheilige / sträffliche vnd verdam̅liche Natur
ist.
Da versteht sichs aber selbst / daß in viel Wege ein anders ist / die Reinigkeit
/ Heiligkeit / Gerechtigkeit vnd dergleichen verlieren / vn̅ an
statt derselben vnrein / vnheilig / vngerecht werden / oder Vnreinigkeit /
Vnheiligkeit vnd Vngerechtigkeit vberkommen: Vnd ein andere Natur vberkom̅en / oder in die Vnreinigkeit / Vnheiligkeit / vnd
Vngerechtigkeit wesentlich verwandelt / Vnnd also zur Vnreinigkeit /
Vnheiligkeit vnd Vngerechtigkeit selbst wesentlich werden.
Ist auch sonderlich mit Fleiß zu mercken / daß vnser Gegen
|| [ID00056]
theil in seinem langen Comment
offtmals diese Wort erholet / Menschliche Natur sey zur Sünde / das ist /
vngerecht worden / als J. j. fac. ij. K. j fac. ij. K. ij. fac. ij. K. iiij.
fac. j. L. iij. fac. j. L. iiij. fac. 2. Vn̅ an vielen Orte̅ mehr / mit welche̅ Worte̅ es gnugsam
zuuerstehen gibt / daß es in seinem Gewissen geschlagen sey / Vnd daß es die
Rede: Die Sünde ist ein Wesen / oder die verderbte Natur ist die Sünde selbst /
etc. nicht getraw zuerhalten. Dann wo sein Meynung vnnd Lehre / daß kein
Vnderscheid zwischen der Sünde vnd dem verderbten Wesen oder Natur deß Menschen
/ gewiß vnfeilbar vnd wahr wehre / dürfft es keines Wegs seine Rede also
messigen / das Menschliche Wesen oder Natur ist zur Sünde / das ist / vngerecht
worden. Sintemal / wann die verderbte Natur deß Menschen die Sünde selbst wehre
(wie es sonst ohne Vnterlaß darauff dringet) nicht müste gesagt werden / die
Menschliche Natur were zur Sünde / das ist / Vngerecht worden / sondern es müste
stracks gesagt werden / die Menschliche Natur wehre zur Sünde / das ist / zur
Vngerechtigkeit selbst worden. Dann es ist ein grosser Vnterscheid vnder den
Worten vngerecht / vnnd Vngerechtigkeit. Vnd heist das Wort Sünde / in dem
Verstandt / da sie es jnnen gebrauchen / wann sie den Vnderscheidt zwischen der
verderbten Natur vnd zwischen der Erbsünde auffheben / keines Wegs so viel / als
vngerecht: sondern so viel als die Vngerechtigkeit selbst wesentlich. Da sie nun
jhre jrrige Meynung bestendig vorteidigen wollen / müssen sie nothwendig der
eins thun: Entweder frey herauß sagen / der Mensch sey zur Sünde / das ist / zur
Vngerechtigkeit selbst wesentlich worden / oder aber sie müssen das Wort Sünde /
nicht durch das Wort vngerecht / erklären. Dann zur Sünde werden nach jhren
falschen verstandt heist nicht vngerecht / sondern die Vngerechtigkeit selbst
werde̅. Derwegen müssen sie entweder frey herauß sagen / vnd
jhren Schwarm mit runden Worten richtig bekennen / oder wo sie das nicht thun
wollen / die Glossam
|| [23]
fahren
lassen (Zur Sünde / das ist / vngerecht worden) dieweil im Grunde beydes bey
einander keines Wegs bestehen kan.
Es ist aber solche Glossa eine vnbetriegliche Anzeigung / daß jhnen selbst bey
der Sachen schwanet / vnnd sich fürchten / sonsten würden sies eben so mehr
rundt vnnd dürre herauß sagen / wie sie es meynen / als daß sie Brey im Maul
behalten / wöllen sagen / daß der Mensch zur Sünden vnnd Vngerechtigkeit selbst
wesentlich worden / vnd doch auff der Zungen die Wort verbrechen / vnd also mit
einem Wort geben / baldt mit dem andern wider nemmen / wie solcher Leut / so
böse Sachen vertheidigen / Brauch vnd Art ist.
Befindet sich demnach wol ein grosser Vnderscheidt im(J. 1. fa. 1. vnd 2.) Menschen vor vnnd nach dem Fall / aber nicht an
deß Menschen Natur selbst / so ferrn sie Gottes Geschöpff vnd Werck ist / sonder
an der Reinigkeit / Heiligkeit / Gerechtigkeit vnd dergleichen / damit die Natur
vor dem Fall in Adam gezieret vnd geschmücket gewest / nun mehr aber derselben
alle miteinander beraubet / vnd an statt derselben Vnreinigkeit / Vnheiligkeit
vnnd Vngerechtigkeit vberkommen hat / vnd also vngerecht worden ist.
Dann sich von Gott abwenden / gottloß vnd böß werden / der Gewalt deß Teuffels
vnterworffen seyn / schuldig seyn vnd werden an Gottes Zorn / Bösewichter /
verdampt vnnd verlohren werden / wie D. Lutherus den sündigen Menschen
beschreibet / gehen nicht dahin / daß Adam durch den Fall eine andere Natur
kriegt nach dem Wesen / als er zuvor gehabt: Sondern dahin / daß er in seiner
Natur anders oder verkehrt worden / daß seine Natur wendig worden / Gottloß /
Böse / der Gewalt deß Teuffels vnterworffen / etc. oder daß in seiner Natur / an
statt der Gottsfurcht / Gottlosigkeit / an statt der Gütigkeit / Boßheit / an
statt der Freyheit / Dienstbarkeit / an statt der Freude / Gottes Zorn / an
statt der Gerechtigkeit / Heiligkeit vnd Reinigkeit / Vngerechtigkeit /
Vnheiligkeit vnd Vnreinigkeit vorhanden sey / das heist aber nicht ein andere
Natur wesentlich kriegen: sonder in der von Gott erschaffnen Natur andere
Eygenschafften /
|| [ID00058]
Schäden / Gebrechen
/ Mängel / Verderbung / Zerrüttung vn̅ dergleichen bekommen. Also
bleibt die Natur deß Menschen / alleine daß sie grewlich vnd jämmerlich
geschendet vnd verderbt ist.
Kan demnach diese vnsere verderbte Natur gar wol ein Würtzel / Vrsprung /
Quelbrunn vnd Thäterin aller Sünde seyn / von wegen der grewlichen Verderbung /
damit sie behafftet ist / darff aber darumb nicht die Sünde oder die Erbsünde
vnd Vngerechtigkeit selbst seyn / wie das Gegentheil / J. iij. fac. 2. vnd
sonsten ohne Vnterlaß treibet vnd dringet.
(J. iiij. f. 1.)
Zum vierdten / kompt das Gegentheil auff die zweyerley Betrachtung deß Menschen
Physicam & Theologicam, was nem̅lich der Mensch sey / wann er
natürlicher Weise betrachtet / vnnd was er sey / wann er geistlicher Weise vnd
nach Gottes Wort betrachtet / vn̅ vermeynet dar auß zu erhalte̅ / daß die verderbte Natur deß Menschen vnd die Sünde ein Ding
sey / aber es richtet nichts auß.
Dann wann man von dem Wesen oder Natur deß Menschen redet / es rede ein
Philosophus oder Theologus darvon / oder wer er sey / so ist es doch einerley
Natur oder Wesen / vnd machet die Betrachtung im Wesen selbst keine Enderung.
Das ist wol wahr / daß der Philosophus, ď Gottes Wort nicht für sich hat / viel
anders von dem Menschen redet vnd vrtheilet / als er thun solte / vn̅ als der Theo logus thut / der Gottes Wort für Augen hat. Daß
sich aber derenthalbe̅ das Wesen ändern solte / oder kein
Vnderscheid seyn zwischen der verderbten Natur vn̅ zwischen der
Sünde / ist ein pur lauter Gedicht deß Gegentheils / welches auß der
vnderschiedlichen Betrachtung deß Menschen nimmermehr kan erzwungen werden.
(Lutherus Tom. 3. Ienensi latin. in 1. cap. ad Galatas.)
Vnd ist recht von Luthero gesagt / wann der Mensch Metaphysicè / nach seinem
Wesen / betrachtet wirdt / so finde sich viel an jme / das zu loben ist: Wan̅ er aber Theologicè, vnd wie er vor Gottes Augen ist / betrachtet
/ nach Anzeigung der Schrifft / so sey es fast eine Schande / ein Mensch
genennet werden. Dann es ja wahr ist / daß auch nach dem Fall viel am Menschen /
wan̅ er nach seine̅
We
|| [24]
sen betrachtet wirdt /
das zu loben ist / als daß er Vernunfft hat / recht vnnd vnrecht vnderscheiden
kan / daß er ein Gedächtnüß / Augen / Oren vn̅ dergleichen hat /
daß er reden kan / etc. Wie auch dises wahr ist / daß wan̅ der
Mensch Theologicè oder geistlich für Gottes Gericht betrachtet wirdt / daß in
geistlichen Sachen nichts gutes an jhme erfunden wirdt: Sondern daß er viel mehr
zum guten erstorben sey / daß der freye Wille Gottes Gericht hasse / die
Vernunfft Gottes Feindin sey / denselben hasse / etc. Vnd daß er deßwegen seines
Namens / daß er Mensch heist / sich billich schemen muß. Dann ob er wol ein
Mensch / so ist er aber für Gottes Gericht ein böser / vnreiner / vnheiliger /
vngerechter / gottloser / verderbter / sündiger vn̅ verdampter
Mensch / Gottes Zorn vnd ewigem Tode / von wegen seiner Verderbung /
vnterworffen. Noch macht solches nicht / daß darvmb vnter seiner verderbten
Natur vnd Sünde selbst kein Vnderscheidt sey: Sonder es läst gemeldten
Vnderscheid bleiben / beschüldiget jhn aber darbey von wegen der jäm̅erlichen Verderbung / damit er durch vnd durch gantz vnd gar
beladen ist / vnd drawet jm das ewige Verdamnüß / wo er nit Busse thut / etc.
Solches solten solche Wirbelgeister betrachten / aber Blinde müssen nit sehen.
Gott gebe jnen erleuchtete Augen deß Verstandts vmb Christi willen / Amen.
Ja / sprechen sie / wann jhr solcher Gestallt von der Natur deß Menschen reden
vnd vnderscheiden wolt / macht jhr sie fromb / etc. Heist dann das die Natur
fromb machen / wann wir sagen / die gantze Natur deß Menschen sey gantz vnd gar
durch vnd durch verderbet / vnd sey nichts Guts in geistlichen Sachen / nach dem
Fall / an jr vbrig. D. Lutherus Genes. 3. vnd anderswo / da er schreibet / daß
die Natur bleibe / alleine daß sie jämmerlich verderbt sey / macht ja damit die
Natur nicht gut / sondern schreibet jhr zu / was jhr nach Gottes Wort
zuzuschreiben ist. Er läst sie aber dabey die Natur bleiben / die Gottes
Geschöpff ist / vnd macht sie nicht zur Sünde oder Verderbung selbst. Das thun
wir auch.
Daß aber in der Augspurgischen Confession stehen solte / wer(K. 1. fac. 8)
|| [ID00060]
die Natur nach dem Fall nicht wolte
Erbsünde seyn lassen / etc. der schmälere das Leiden vnd Verdienst Christi /
etc. ist eine solche grewliche Vnwarheit / daß sie nicht wol grewlicher köndte
fürbracht werden / vnd eine gewisse Anzeigung / daß das Gegentheil mit bösem
Gewissen diese Sache führe: Wie sie dann auch solches auß der Augspurgischen
Confession nicht mit dem geringsten Wörtlein erweisen können / vnd sey jhnen
deßwegen Trutz gebotten.
Zum fünfften / kompt das Gegentheil auff den Vnderscheid (K. 1. fac. 2.) zwischen der ersten Schaffung deß
Menschen vor dem Fall / vnnd zwischen der Fortpflantzung deß Menschen nach dem
Fall / machet eben seltzam Geschirr darvon / vnnd kan sich selbst nicht darauß
wickeln.
Daß der Mensch kein Sünder sey / von wegen der ersten Schöpffung / sondern von
wegen deß Falls vnnd Verderbung / bedarff keines disputierens / Deßgleiche̅ auch / das Gott nochmals den Menschen erschaffe / dann niemand
vnter vns solchs verneynt. Aber darmit ist auff deß Concordi Buchs Grundt noch
nicht geantwortet / daß Gott die Sünde selbst nicht schaffe / welches er aber
thun müste / wo ferrn die verderbte Natur die Sünde selbst / vnd kein
Vnterscheidt zwischen der verderbten Natur selbst vnd der Sünde were / dieweil
er ein Schöpffer ist Menschlicher Natur vnnd Wesens: Vnd thut das alles nichts
zur Sache / daß das Gegentheil hie viel Sprüche D. Lutheri von der Erbsünde /
vnd gäntzlicher Verderbung deß Menschens accumuliert oder zusammen schreibet.
Dan̅ hie ist eygentlich der Streit vnnd Frage: Ob Gott die
Sünde selbst schaffe oder nicht. Wann nun deß Gegentheils Lehre bestehen solte /
daß die verderbte Natur die Sünde selbst / vnnd kein Vnderscheidt zwischen der
verderbten Natur selbst / vnd zwischen der Sünde were / so müste
vnwidersprechlich nach deß Gegentheils Irrsal folgen / daß Gott die Sünde selbst
schaffete / dieweil er vnser Natur vnnd Wesen schaffet / so / deß Gegentheils
Fürgeben nach / die Sünde selbst ist. Da dringet nun das Concordi Buch billich
auff / vnd wir
|| [25]
auch. Vnd ist
dem Gegentheil vnmüglich / sich solcher Gotteslästerung zu erwehren / wann sie
jhre Lehre halsstarrig vertheidigen wöllen / daß das verderbte Wesen oder Natur
deß Menschen die Sünde selbst sey / vnd daß kein Vnderscheidt zwischen der
verderbten Natur selbst vnd zwischen der Erbsünde sey. Wann sie auch noch
hundert tausendt Bücher schrieben / ist es doch alles vmb sonst / sie können
nicht fürvber / sie müssen sich gefangen geben / vnnd entweder jhre Lästerung
fallen lassen / oder aber frey rundt die grewliche Gotteslästerung verfechten /
daß Gott die Sünde selbst erschaffe / wider den ersten Artickel der
Schöpffung.
Was sie auß Luthero vnd Philippo von der Fortpflantzung vn̅
Erhaltung der Natur / wie sie jetzo ist / nem̅lich verderbt / etc.
anziehen / macht jre Lästerung nicht zur Warheit. Dann ob es wol wahr(Philip. in lo cis An. 36.
editis.) ist / wie Lutherus vnnd Philippus recht geschrieben
/ daß Gott die Natur / wie sie jetzo nach dem Fall ist / erhelt vnd
fortpflantzet / so folget aber darumb nicht / daß die verderbte Natur die Sünde
selbst sey / Lutherus vnd Philippus haben das auch nicht gesetzt. Sintemal / wo
das folgen solte / Gott die Sünde selbst schaffen vnd erhalten müste / welches
auch zu hören abschewlich ist / vnd weder Luthero noch Philippo jemals geträumet
hat / geschweige / daß sies solten also gelehret haben.
So thut auch dieses nichts zur Sachen / daß das Gegentheil fürgibt / ob gleich
Gott die verderbte Natur / welche die Sünde selbst sey / erhalte vnd
fortpflantze / so sey er derhalben kein Vrsacher der Sünde / dann er pflantze
sie fort / wie sie nuhnmehr sey / etc. Daß Gott die verderbte Natur erhalte vnnd
fortpflantze / ist vnzweiffelhafftig / wie dann auch dieses / daß er solcher
Fortpflantzung wegen kein Vrsacher der Sünden sey / daß aber die verderbte Natur
die Sünde selbst seyn solle / das ist streittig. Vnd da sagen wir rundt Nein zu.
Dann wo es wahr were / wie das Gegentheil dringet / müste freylich auch dieses
wahr seyn / daß Gott ein Schöpffer der Sünde selbst were / dieweil er die
verderbte Natur schaffet /
|| [ID00062]
da kan das
Gegentheil nicht fürvber / es verdrehe sich so wünderlich als es jmmer
wölle.
Vnnd zwar D. Lutherus hat sich selbst diß Falls gnugsam̅ verwahret
/ da er in seinem seruo arbitrio schreibet: Der HERR machet auch Pharaonem, non
quidem formando in eo malitiam, sed ex malo semine formando eum & regendo,
Das ist / Der HERR machet auch Pharaonem nicht also / daß er die Boßheit in jhme
formierte / sondern daß er jhn auß bösem Samen machet vnd regieret. Item: Licet
Deus peccatum non faciat, tamen naturam peccato (subtracto Spiritu) vitiatam non
cessat formare & multiplicare, tanquam si faber ex ligno corrupto statuas
faciat. Das ist / Ob wol Gott die Sünde nicht machet / so läst er dannoch nicht
abe / die Natur / so nun durch die Sünde (nach dem der Geist weg) verderbt ist /
zu formieren vnd vermehren / als wann ein Meyster auß faulem Holtz Bilder
machete.
Darauß zwey Ding zu mercken: Erstlich daß D. Lutherus die verderbte Natur vnnd
die Sünde nicht für eins hält / sondern klar vnderscheidet. Zum andern / daß ob
er wol zugibt / daß Gott die verderbte Natur schaffe vnnd erhalte / dannoch das
nicht zuläst / daß er die Sünde selbst schaffe / etc. sondern er schaffe den
Menschen auß verderbtem Samen / gleich als wann ein Meyster auß faulem Holtz
Bilder machete / etc. Welches er aber mit diesen Leuten gestehen müste / wann er
hielte / daß die verderbte Natur die Sünde selbst / vnd kein Vnderscheidt vnter
der verderbten Natur selbst / vnd vnter der Sünde were. Dann wo die verderbte
Natur die Sünde selbst were / vnd bekandt ist / daß Gott die Natur schaffet / so
müst freylich folgen / daß er die Sünde schaffete.
Derwegen alles das jenige / so das Gegentheil nach der länge durch etliche
paginas dieses Orts fürwendet / vnsern Grundt nicht alleine nicht vmbstosset /
sondern auch bestättiget vnd stercket. Dann weil der Meister / der auß faulem
Holtze Bilder machet / kein Vrsach ist der Fäule deß Holtzes / so kan jm
dieselbige auch nicht schuldt
|| [26]
gegeben werden. Wann aber das Holtz die Fäule selbst were / vnnd der Meister
hette das Holtz erschaffen / so müste ja menniglich gestehen / daß der Meister
an der Fäule schuldig were. Eben also verhält sichs auch in diesem Streit: Daß /
weil Gott kein Vrsacher ist der Sünde in der verderbten Menschlichen Natur / so
kan noch soll jhme auch dieselbige nicht zugeschrieben werden / Wann aber die
Menschliche verderbte Natur / oder das verderbte Menschliche Wesen die Sünde
selbst were / wie das Gegentheil für vnnd für schreyet / vnd Gott hette sie
erschaffen / so köndte man nicht fürvber / man müste bekennen / daß er Schöpffer
der Sünde selbst were / weil er deß Menschen Natur / so die Sünde selbst were /
erschaffen.
Wer nuhn dieser Gotteslästerung entlauffen will / der muß den Vnderscheidt
zwischen der verderbten Natur vnd der Sünde behalten / Wo nicht / so muß er
Hertz / Mundt vnnd Finger an erwehnter Gotteslästerung (daß nem̅lich GOtt die Sünde selbst schaffe) verbrennen / da wirdt nicht anders
auß.
Viel ein andere Rede ists. In Menschlicher Natur ist Sünde / Menschliche Natur
ist verderbt / darauff Lutheri vnnd Philippi Sprüche gehen: Als wann man sagt:
Die verderbte Natur ist die Sünde selbst. Auß den vorigen folgt keines Wegs /
daß Gott ein Vrsacher der Sünden sey / ob er gleich die verderbte Menschliche
Natur schaffet vnd erhält / wie solches auß der Gleichnüß D. Lutheri vom Meister
vnnd faulen Holtz / deutlich vnnd klar zu vernemmen ist. Auß der andern Rede
aber folgt vnwidersprechlich / daß GOTT ein Vrsach / Schöpffer vnnd Erhalter der
Sünde selbst sey. Dann ist jhrem Gedicht nach die verderbte Natur die Sünde
selbst / vnd Gott erschaffet vnd erhält sie / so müssen sie ja bekennen / daß
Gott die Sünde selbst schaffe vnnd erhalte. Aber daß wöllen diese verwirrete
Leuht entweder auß Blindtheit oder muhtwillig nicht mercken.
|| [ID00064]
Das Gegentheil gestehet / daß Gott auch nach dem Fall deß Menschen Schöpffer sey
/ vnd daß er nicht ein Schöpffer vnd Vrsacher der Sünde sey / vnnd will doch
gleichwol verneinen / daß ein Vnderscheid vnter der verderbten Natur selbst vnd
vnter der Sünde sey / etc. Welches sich im geringsten nicht zusammen reymet /
wie bißhero augenscheinlich erwiesen.
Dieses aber ist zumal seltzam / daß es spricht / wann wir sagen / daß die
verderbte Natur nicht die Sünde selbst sey / etc. so sey es eben so viel gesagt
/ als wann wir sprechen: Der verderbte Mensch kan nicht ohn allen Vnderscheidt
vngerecht vnd dem Gesetz GOttes zuwider seyn / dieweil diese beyde Reden / so
weit als Himmel vnnd Erden / oder Warheit vnd Lügen von einander vnderschieden
sind. Dan̅ das ist fimpliciter vnd durchauß falsch / daß die
verderbte Natur die Sünde selbst sey / vnd muß verworffen werden / man wölle
dann diese grewliche Gotteslästerung wider den articulum der Schöpffung
bestättigen / daß Gott die Sünde selbst schaffe / sintemal er vnser verderbte
Natur schaffet. Die ander Rede aber / wann sie recht erkläret wirdt / passieret.
Dann der Mensch (von wegen der angebornen Verderbung) ist on allen Vnderscheid
vngerecht / aber doch nicht die Vngerechtigkeit oder Sünde selbst. So ist er
auch on allen Vnterscheid in geistlichen Sachen dem Gesetz Gottes zuwider.
Darbey bleibt aber für vnd für / daß er darumb / seiner Natur vnd Wesen nach /
nit die Sünde selbst sey. Oder aber da solchs bleiben solte / so müste auch
dieses bleiben / daß Gott die Sünde selbst schaffete / dieweil er die Natur
schaffet.
Daß auch fürbracht wirdt / D. Lutherus habe gesagt / Es sey kein Mittel
zwische̅ Gerechtigkeit vn̅ Sünde / etc. Ergo, so
müsse die verderbte Natur die Sünde selbst seyn / etc. ist nur ein lauter
Thandt. Dann D. Lutherus nicht sagt / daß kein Mittel sey zwischen der
Menschlichen verderbten Natur selbst vnnd zwischen der Sünde / sonder es sey
kein Mittel vnter der Gerechtigkeit vnd Sünde oder Vngerechtigkeit.
|| [27]
So kan nun die Menschliche Natur wol vngerecht seyn / aber muß darumb nicht die
Vngerechtigkeit oder Sünde selbst seyn. Wann Lutherus sagte / daß kein Mittel
were zwischen der verderbten Menschlichen Natur vnd zwischen der Sünde / so
hetten sie etwas für sich. Das thut er aber nicht: sondern von der Gerechtigkeit
vnd Sünde redet er. Bleibt also / dieser Wort Lutherihalben / der Vnderscheid
zwischen der verderbten Natur selbst vnnd zwischen der Sünde richtig bestehen /
vnd pranget das Gegentheil vergeblich mit Lutheri Worten / die von diesem Streit
nichts melden.
Es wird auch / wann man sagt / der Mensch sey wol ein Sünder / sündig vnnd
vngerecht / sey aber die Sünde vnd Vngerechtigkeit selbst nicht / mit nichten
verneinet / daß der Mensch ein Sünder vnd vngerecht für Gott sey. Dann ein
anders ist / ein Sünder / sündig vnd vngerecht für Gott seyn / welchs wahr ist /
vnnd aber ein anders / die Sünde oder Vngerechtigkeit wesentlich selbst seyn.
Das erste ist recht vnd wahr / das ander ist Irrthumb / Vnwarheit vnnd
Gottslästerung. Lassen vns demnach deß Gegentheils Geschrey nicht jrren: sondern
bleiben bey der erkandten vnd bekandten Warheit fest vnd beständig.
So bedarffs auch keines Aristotelischen oder Nicodemischen Adiaphorons / daß die
Natur an jhr selbst wesentlich weder gut noch böse sey / etc. Dann die Natur ist
böse / daß ist / verderbt / vergifftet vnnd verunreyniget durch die Sünde / vnnd
ist doch nicht die Boßheit selbst / wie nun offt vnwidersprechlich dargethan vnd
erwiesen ist.
Gern wolte das Gegentheil das Argument aufflösen: Was(L. iij. fac. j. Vnd hernach.) Gott schaffet / das ist nicht die Sünde
selbst: Gott schaffet Leib vnd Seel deß Menschen / Ergo so kan Leib vnd Seel deß
Menschen die Sünde selbst nit seyn / etc. Kom̅t abermals auff
Fortschaffung oder Fortpflantzung der Natur / daruon es zuvor viel vergeblicher
Wort verloren / muß aber das Argument an jhm selbst vngebissen lassen. Dann wann
Leib vnnd Seele deß Menschen die Sünde selbst ist /
|| [ID00066]
wie sie streiten / so muß es folgen
daß Gott die Sünde schaffe / denn er schaffet Leib vnnd Seele / vnnd müssen sie
zugeben / das sie sonst verläugnen wöllen / nem̅lich daß GOtt die
Sünde selbst nicht schaffet: Schaffet er aber Leib vnd Seel / schaffet aber die
Sünde nicht / so können sie nicht fürüber / sie müssen bekennen / daß Leib vnnd
Seele die Sünde selbst nicht seyn / wie sie doch sonst streiten. Summa sie
verdrehen sich wie sie wöllen / so sind sie verstrickt vnd geschlagen.
(L. iiij. fac. j.)
Es spielet auch mit den Worten Sünde vnnd Sünder / vnd nimpt sie für eines.
Verstehet aber menniglich / daß das Wort Sündervom gantzen Menschen vnnd seiner
Verderbung in concreto zugleich redet: Das Wort Sünde aber / von der
Vngerechtigkeit vnd Bösen (in abstracto wie man in Schulen redet) damit
Menschliche Natur verderbt ist / vnnd daher der Mensch ein Sünder ist vnd
heisset.
Also wolte das Gegentheil sich gerne einer inuersion gebrauchen / vnnd auß vnsern
eygnen Worten vns vnser Recht zu vnrechtem machen. Ir bekennet / sprechen sie /
im Concordi Buch / daß der Same darauß der Mensch formiert wird / sündig vnd
verderbt sey / Ist nun das wahr / so muß ja auch auß ewer eygen Bekändtniß
folgen / daß Gott ein Schöpffer der Sünden sey / damit jhr vns belagen wollet /
etc. Sehen aber vnter deß nicht / wie droben erwiesen / daß es viel ein anders
ist / gestehe̅ daß der Sam / darauß der Mensch formiert wird /
sündig vnd verderbt sey / vnd ein anders / die Sünde oder Verderbung selbst
seyn.
Wenn gesagt wird / daß Gott auß sündigem Samen vnser Natur erschaffe / folgt
nicht daß er ein Schöpffer der Sünden sey / dieweil ein Vnderscheid vnter dem
Samen selbst vn̅ vnter der Vnart oder Verderbung ist / damit der
Same behafftet. Schaffet also GOtt wol den Menschen auß sündigem Samen / weil
aber der Same nicht die Sünde selbst ist / so schaffet er auch die Sünde nicht /
wie solchs zuuor deutlich außgeführet.
|| [28]
Da man aber mit dem Gegentheil / etc. schwermete / daß der Same die Sünde selbst
were / so müsse nohtwendig folgen / daß GOtt ein Erschaffer der Sünden were.
Aber dauon ist droben gnugsam berichtet.
Ist demnach alles verloren / was sie dieses Orts mit vielen Worten
fürbringen.
So viel aber das Tauffbüchlein anlangt / daß solchs dem Concordi Buch nit mit
einuorleibet / hat nit die Meynung / daß es solte außgemustert seyn / oder daß
man die Lehre von der Erbsünde hiedurch verkleinern wolte. Dann die Concordia
nicht auff die Ceremonien (so hin vnd wider in den Kirche̅ / so
dem Concordi Buch vnterschrieben / vngleich seind) gerichtet / sondern auff die
Lehre selbst / Also ist es auß dem Concordi Buch aussen gelassen. Den̅ man niemands wöllen an die Ceremonien binden / die in solchem
Büchlein begriffen: Sondern viel mehr jeder Kirchen jhre Ceremonien für sich
selbst frey lassen. Stehet auch noch bevor allen Kirchen / so hie beuor solches
Büchleins oder Ceremonien sich gebrauchet / oder ferner gebrauchen wöllen / daß
sie es wol ohne der an̅dern Kirchen Einrede mögen behalten.
Das Dilemma betreffendt / Gott schaffet neben vnd mit der(N. j. fac. ij.) Natur auch die Qualitates vn̅ Accidentia. Nun sagen wir die Erbsünde sey ein Qualitas,
accidens oder böser Schade / zu fall vn̅ Seuche. Ergo / müssen wir
bekennen / daß er auch die Erbsünde schaffe / etc. Oder aber / weil die Erbsünde
ein Werck deß Teuffels / daß der Teuffel dieselbige schaffen müsse / etc.
Antwort: Die erste propofition vnderscheiden wir / vnd sagen daß Gott die gute̅ qualitates oder Kräfften in vn̅ mit der Natur
schaffe vnd erhalte / aber nicht die Erbsünde welche ein böse qualitas, Seuche
oder böser zufall ist / so nicht von Gott herkompt oder geschaffen wirdt /
sondern vom Teuffel vnnd deß Menschen willen jhren Vrsprung hat / vnnd in die
erschaffene Menschliche Natur / Rom. 5. kommen ist.
|| [ID00068]
In Summa / wie droben gemeldt / Gott schaffet wol die verderbte Natur / aber die
Sünde in derselbe̅ / welche eine böse Qualitas oder Seuche ist /
schaffet er nicht. Gleich wie der Meister die Feule im Holtz nicht schaffet /
sondern darinnen findet: Also schaffet Gott die Sünde / die in der Natur ist /
vn̅ damit sie verderbt ist / nicht / sondern er findet sie
darinnen / vnd ob er wol auß bösem oder verderbten Samen den Menschen schaffet /
so schaffet er darumb die Boßheit vnnd Verderbung selbst nicht / welche ohn sein
Zuthun oder Geschöpff darinnen ist.
Derwegen fällt diß gantz Dilemma in Kot hinein / darauß es her genommen ist.
Ob auch die Erbsünde ein Werck deß Teuffels genannt wirdt / heißt doch (Werck) in
dieser Rede nicht ein Creatur / sie ein Substantz oder qualitet, dann der
Teuffel nichts solcher Gestallt schaffen kan / sondern darumb wird sie also
genannt / weil er ein Aufänger vnd Verursacher derselben ist. Vnd ist ein
schändtliche Sophisterey / der sich das Gegentheil in diesem Stück befleissiget
/ die keines Weges zu loben ist.
Wann man auch dieses Orts wolte das Gegentheil bezahlen / were es nicht schwer /
auß jhren Schrifften zu erweisen / daß sie den Teuffel zum Schöpffer machen /
etc. Aber dauon an seinem Ort.
(N. 1. fac. ij. Vnd hernach.)
Wie Philippi vnd D. Lutheri Wort / welche sie an diesem Ort auß seinem seruo
arbitrio anziehen: Ob wol Gott die Sünde nicht schaffet / etc. der wir auch
droben erwehnet / jhre falsche vnd jrrige Meynung / daß die verderbte Natur die
Sünde selbst sey / widerlegen / ist daselbst gründtlich dargethan / derwegen hie
von vnnöten ferrner darauff zu antworten.
(N. iij. fac. ij.)
Ja / sagt das Gegentheil / GOTT strafft offt Sünde mit Sünden / vnd ist doch
nicht ein Vrsach der Sünden. Ergo so folgt es nicht / ob wir sage̅
/ daß die verderbte Natur die Sünde selbst sey / daß er derenthalben müst ein
Vrsacher der Sünden seyn.
Hie antworten wir per distinctionem: Gott straffe Sünde
|| [29]
mit Sünden nicht / so fern sie
Sünden sind / sondern so fern sie straffen der Sünden sind / denn Gott ist nicht
der Sünden Vrsacher / sondern der straffen. Darumb sich diese obiectio hieher
nit reimet.
Zum sechsten / wolte sich das Gegentheil gern erwehren / daß(O. j. fac. j. Vnnd folgendts.) auß seiner Lehre
nicht folgen solte / daß der Teuffel ein Schöpffer der verderbten Natur were /
etc. Vnd eben dieselbige Beschuldigung auff vns selbst vnd das Concordi Buch
treiben. Es tollisiert aber in diesem Stück (daß wir seines eignen Worts
brauchen) dermassen / daß menniglich / wer es nur lieset / greiffen kan / daß es
im Hirn vnrichtig sey / vnd selbst nicht verstehe was es setzet oder saget.
Den Vnterscheid zwischen Gottes vnd deß Sathans Werck will es gestehen (denn es
sieht daß es nicht für vber kan) vnd vnderstehet sich doch denselben zu
eludieren / vnd vmbzustossen.
Wann durch das Wörtlein (Sünde) Adams Fall verstanden wird / spricht das
Gegentheil / so sey es war / daß ein Vnderscheid sey zwischen Gottes vnd deß
Teuffels Werck / vn̅ daß die Schöpfffung alleine Gottes / vnnd
keines Weges deß Teuffels Werck sey / etc. Lieber was ist doch das für ein
Wirrewerck? Vn̅ was ist doch das gesagt? heißt das deß Concordi
Buchs Grundt vmbstossen? oder sich erwehren / daß man nicht lehre / daß der
Teuffel ein Schöpffer der verderbten Natur sey? Das Vrtheil hieruon sey allen
frommen Hertzen heimgestellet.
Die Frage ist ja nicht / ob die erste Schöpffung Adae Gottes oder deß Teuffels
eygen Werck sey / sondern darüber ist der Streit / weil sie lehren / daß die
verderbte Natur die Sünde selbst sey / vnnd aber bekandt / daß die Sünde selbst
nicht Gottes sondern deß Teuffels Werck ist / oder von jhme anfänglich her
rühre: Ob nit vnwidersprechlich darauß folge̅ müsse / wann die
verderbt Natur die Sünde selbst sey / daß sie auch deß Teuffels vnnd nicht
Gottes Werck sey / dieweil Gott die Sünde selbst nicht schaffet / oder aber weil
die Sün de von jhme im geringsten nicht herkömbt / sondern vom leydigen Sathan /
etc.
|| [ID00070]
Da solte das Gegentheil richtig antworten / so kompt es getrollet vnd sagt / die
erste Schöpffung Adae sey nicht deß Teuffels Werck.
Demnach dann das Gegentheil nicht richtig zu antworten will oder kan / so wöllen
wir auff vnsern beständigen Grund dringen / vnd sagen nochmals: Sie verstellen
sich wie sie wöllen / so müssen sie gestehen / daß der Teuffel ein Schöpffer der
verderbten Natur sey / wenn sie diese rede zu verfechten nit ablassen / daß
nem̅lich die verderbte Natur die Sünde selbst sey / vnnd daß
kein Vnderscheid sey zwischen der verderbten Natur selbst / vnnd zwischen der
Sünde. Dann so lang als das bleibet / daß die verderbte Natur die Sünde selbst
ist / vnd daß kein Vnderscheid zwischen der verderbten Natur selbst vnd zwischen
der Sünde sey / so lang muß auch dieses bleiben / daß der Teuffel ein Schöpffer
dieser verderbten Natur sey: Sintemal mit Bestandt vnnd Warheit nimmer kan
gesagt werden / daß Gott die Sünde selbst schaffe. Weil nun die Sünde selbst vom
Teuffel herrüret vnd kompt / vnnd nicht von Gott / vnnd sie lehren vnnd schreyen
/ daß die verderbte Natur die Sünde selbst sey: So können sie nicht fürüber /
sie müssen zugeben vnnd sagen / daß der Teuffel dieser Natur / welche / jhrem
Fürgeben vn̅ Geschrey nach / die Sünde selbst ist / geschaffen
habe oder derselben Schöpffer sey. Hie ist der Platz / hie sollen sie antworten
/ vnd nicht springen / wie einer / der die heissen Kolen nit gern anrüret /
einen weiten Lufftsprung zu thun pflegt. Es ist jhnen aber vnmüglich / daß sie
sich herauß wickeln vnd gemelter Gottslästerung erwehren solten / wo ferrn sie
auff jhrem gefasten Irrsall / daß die verderbte Natur die Sünde selbst sey /
verharren.
Daß sie einwenden / der Teuffel / als ein Lügner vnnd Mörder / habe Adams Natur
ermordet / vnd daß die Menschliche Natur deß Teuffels Werck genandt werde / was
die Verfürung / Verderbung / Zerstörung oder Ermordung derselben anlangt /
dieweil er
|| [30]
sie zum Fall
gebracht vnnd ermordet / etc. Das taug für sich selbs nicht / reimet sich auch
nichts vberall zu dieser Sach. Vrsach ist / dann erstlich ist es nit wahr / daß
der Verkehrung oder Verderbung halben / so der Sathan in der Menschlichen Natur
angericht / die Menschliche Natur ein Werck deß Teuffels heisse. Sintemal viel
ein anders ist / Gottes Werck im Menschen zerstören / verderben / vnnd / wie sie
reden / ermorden / vnd deß Teuffels Werck selbst seyn. Der Mensch oder
Menschliche Natur bleibet für vnd für Gottes Werck / vnd kan nimmermehr recht
deß Teuffels Werck auff keinerley Weise genennet werden / wie wunderlich auch
der Sathan damit vmbgangen / vnd wie grewlich er sie auch durch den Fall oder
Sünde verderbet hat.
Ist sich also nicht wenig zu verwundern / daß diese Leut solche grewliche
Lästerungen zu verfechten sich vnterstehen dürffen.
So ist es auch nicht wahr / daß ein schön Glaß / welchs ein böser Bube zerbricht
/ solchs Zerbrechens halbe̅ / desselben bösen Buben Werck recht
vnnd warhafftig könne genennet werden. Dann zerbrechen / vnd sein Werck seyn /
sind / eygentlich zu reden / so weit voneinander vnderscheiden / als der
Auffgang vom Nidergang. Ein Zerbrecher deß Wercks / das der Glaser gemacht hat /
kan ein solcher Bube wol genennet werden / das zerbrochene Glaß aber ist drumb
sein Werck nicht / kan auch vnnd mag auff keinerley Weise eygentlich vnnd mit
Warheit sein Werck genennet werden. Also kan man den Teuffel wol ein Zerbrecher
oder Zerstörer GOTtes Wercks / das ist / der Menschlichen Natur heissen / daß
aber vmb vnnd von wegen solcher Zerstörung oder Zerbrechung die verderbte
Menschliche Natur selbst mit Bestandt vnnd Warheit solt können deß Teuffels
Werck genandt werden / kan in Ewigkeit nicht beybracht noch mit Grundt vnd
Bestandt erwiesen werden.
|| [ID00072]
Solcher Gestallt klagt wol D. Lutherus / daß der Mensch durch den Fall zur
schändtlichen Laruen deß Teuffels worden / daß er aber die verderbte Menschliche
Natur selbst solte darumb deß Teuffels Werck nennen / das thut er nicht / vnnd
wir gedenckens auch nicht zuthun / vnser Gegentheil tollisiren vnd schwermen so
lang als sie wollen.
Zum andern / steckt in dem Wort (Ermorden) dieser Irrsal deß Gegentheils / als
sey die Menschliche Natur durch den Teuffel also verkehret / daß sie wesentlich
verwandelt / vnnd zu deß Teuffels Laruen worden / daß nunmehr nach dem Fall die
verderbte Natur selbst wesentlich die Sünde sey / etc. Solcher Irrsall ist
droben auß vnwidersprechlichem Grunde widerlegt vnd vmbgestossen. Vnnd da auch
dieser deß Gegentheils Irrsall solte stadt haben vnd gelten / so müste der
Sathan freylich ein solcher Herr sein / der die von Gott erschaffene Naturen
wesentlich verwandeln / vnd zu andern Naturen machen oder in andere Naturen
transformieren könte / welchs nicht weniger GOTT alleine zu zuschreibe̅ / als die Schöpffung selbst: Derhalben dan̅
abermals bleiben müste / daß der Sathan ein Schöpffer were vnnd Göttliche
Allmacht hette / weil niemandt / ausserhalb GOTT alleine / die Naturen solcher
Gestallt wesentlich auß einer Natur in die ander verwandeln kan. So weiß auch
vnd lehret die Heilige Schrifft nichts vberall von solcher wesentlichen
Verwandlung der guten Menschlichen Natur / wie sie in Adam gewest / in eine
wesentliche böse Natur / welche nunmehr die Sünde selbst wesentlich were. Trotz
daß sie solchen jhren erträwmeten Wahn / mit eynigem Spruch der Schrifft (recht
angezogen) begrundfestigen vnnd wahr machen: Sie haben wol viel hieruon
geschwärmet vn̅ gedichtet / aber in Warheit nie nichts erwiesen /
werdens auch nimmer nicht erweisen.
Zum dritten bleibt noch jmmerdar deß Concordi Buchs
|| [31]
Grundt fest stehen / daß wann
die verderbte Natur die Sünde selbst were / daß nohtwendig vnd vnverneinlich
folgen müsse / daß der Sathan der verderbten Natur Schöpffer were / sintemal
Gott die Sünde selbst nicht schaffet / vnd die Sünde selbst deß Teuffels vnd
nicht Gottes Werck ist. Dann ob sie gleichlang vom Zerbrechen / Verderben vnd
Ermorden disputieren vnd kollern / so kan noch vermag derhalben die verderbte
Natur auff keinerley Weise oder Weg deß Teuffels Werck mit Warheit genennet
werden. So ist auch die Frage nicht von Zerstöru̅g oder Verderbung
der Natur / wie sie Gott anfangs geschaffen hat: Sondern darvon / ob die
verderbte Natur die Sünde selbst sey / vnd da sie die Sünde selbst sey / ob dann
nicht vnwidersprechlich folgen müste / weil Gott die Sünde selbst nicht schaffet
/ sondern vom Sathan herrühret / daß er auch derselben Schöpffer sey / welches
dann vnverneinlich folgen muß / wann deß Gegentheils jrrige Meynung / daß die
verderbte Natur die Sünde selbst sey / soll platz haben.
Zum vierdten / so gilt der Wirbel vnd Lufftsprung nicht / den(O. ij. fa. 2.) es hie thut / da es für gibt / wir
solten deß Teuffels Werck in die Schöpffung mengen vnnd darnach jhnen zumessen /
als lehreten sie daß der Teuffel ein Schöpffer wehre dieser Natur / so sie doch
außtrucklich lehren / daß Gott den Menschen geschaffen habe vnd erhalte / vnd
nicht der Teuffel / etc.
Antwort: Wir vermengen keines weges deß Teuffels Werck mit der Schöpffung /
sonder viel mehr klagen vnd erweisen wir vber sie / daß sie solchs thun. Dann
wer dalehret / daß die verderbte Natur die Sunde selbst sey / der vermengt
freylich die Schöpffung vnd deß Teuffels Werck in einander. Solches aber thut
vnser Gegentheil. Ergo. Daß solches wahr sey / erfindet sich darauß / daß es
vnwidersprechlich wahr ist / daß wo die verderbte Natur die Sunde selbst ist /
vnd aber gestanden werden muß / daß nicht Gott die Sünde selbst schaffet /
sondern daß sie vom bösen Feindt herkom̅e / So muß auch zu gleich
mit gestanden werden / daß der Teuffel der verderbten Na
|| [ID00074]
tur / welche / jrem Gedicht
nach / die Sünde selbst ist / Schöpffer vnd Fortpflantzer. Das können sie nit
leugen / wann sie sich gleich mehr als ein Chamaeleon oder Protheus verändern
köndten.
Deß Gegentheils Betrug steckt darinnen / daß es meynet / es habe sich trefflich
wol verantwortet / wann es sagt: Die Menschliche Natur in Adam sey nicht deß
Teuffels Werck / vnnd der Teuffel habe dieselbe nicht erschaffen / sondern Gott
alleine / etc. Aber das heist den Zweck verrücket / vnd nicht gerade zu auff den
Hauptstreit geantwortet. Dann der Hauptstreit ist nicht von der Menschlichen
Natur / wie sie GOtt in Adam erschaffen / sondern darvon / obs wahr sey / daß
die verderbte Natur die Sünde selbst sey / da vnser Gegentheil Ja / wir aber
Nein zu sagen. Darumb ist es nicht geantwortet / wann sie lange schwetzen: Der
Teuffel sey nicht ein Schöpffer der Menschlichen Natur / sondern Gott. Dann
darvon ist kein Streit vberal: Sondern / wie gemeldt / von der fürgestellten
Rede / daß sie lehren / die verderbte Natur sey die Sünde selbst / vnnd sey kein
Vnderscheidt zwischen der verderbten Natur selbst vnnd zwischen der Sünde.
Wöllen sie nuhn antworten / müssen sie sich viel anderst zur Sach stellen / vnd
nicht mit solchen Lufftsprüngen ins weite Feldt außschweiffen.
(O. iij. fa. 1.)
Wir argumentieren nicht also: Der Teuffel hat Adam zum Fall bracht / verderbet
vnd ermordet / Darumb ist der Teuffel sein Schöpffer / So vnverständig sindt wir
/ Gott Lob / nicht / darumb dürfft es jhres Spottens gar nicht / daß sie dieses
Orts treiben / sondern also argumentieren wir wider sie:
Wer da lehret / daß die verderbte Natur die Sünde selbst sey / der muß auch
zugleich mit bekennen vnd lehren / daß der Sathan der verderbten Natur / welche
die Sünde selbst seyn soll / Schöpffer ist / Sintemal Gott die Sünde selbst nit
schaffet. Sie lehren also / daß die verderbte Natur die Sünde selbst sey /
Derhalben.
Item: Wer da fürgibt / daß die verderbte Natur die Sünde selbst sey / vnd will
nicht zulassen / daß einiger Vnderscheidt zwischen
|| [32]
der verderbten Natur selbst /
vnd zwischen der Sünde sey / der kan nicht fürvber / er muß zugleich gestehen /
daß der Sathan deß verderbten Menschens Natur / welche die Sünde selbst seyn
soll / schaffet. Dann das Principium ist vnfehlbar / daß Gott die Sünde selbst
nicht schaffet.
Sie aber geben solches für / vnnd vertheidigens mit aller Macht. Ergo.
Schaffet Gott die Sünde selbst nicht / vnd die verderbte Natur ist die Sünde
selbst / vnd bekandt ist / daß sie von sich selbst nicht seyn kan / sondern muß
einen Schöpffer haben / Gott aber derselbe nicht ist (sintemal Gott die Sünde
selbst nicht schaffet) so muß ja / deß Gegentheils Schwarm̅ nach /
der Teuffel solcher Schöpffer seyn / von welchem die Sünde selbst herrühret /
etc. Vnd eben zu diesem Ende widersprechen wir deß Gegentheils Lehre / daß wir
Gottes vnnd deß Teuffels Werck nicht wöllen ineinander vermenget haben. Derwegen
auch jhre inuersio, da sie vns gern solche Vermischung zumessen wolten / ein
lauter Fabelwerck ist.
Zum siebenden / gibt das Gegentheil für / daß nicht alle die Sprüche / so das
Concordi Buch / zu erweisen / daß auch nach dem Fall Menschliche Natur eine
Creatur vnd Werck Gottes sey / etc. angezogen / eygentlich darvon lauten /
sondern eines Theils auch von der Widergeburt deß Menschen außgelegt werden. Was
thut aber dieses zu Erörterung deß Streits / ob die verderbte Menschliche Natur
die Sünde selbst sey? Dann da gleich etliche der angezogenen Sprüche / als
Jesai. 54. 64. von der Widergeburt außgelegt würden oder werden köndten: So
saluiert doch solche Außlegung jhren Irrthumb nicht: Daß die verderbte Natur die
Sünde selbst sey / vnnd daß kein Vnderscheidt zwischen der verderbten Natur
selbst vnd zwischen der Sünde sey. Hette demnach sein langes Geschwätz hiervon
wol können anstehen lassen.
|| [ID00076]
Zum achten. Das aber ist erstlich lächerlich zu hören / daß das Gegentheil
fürgibt: Es sey ein absurdum rationis non fidei, Das ist / die Vernunfft stosse
sich dran / vnd nicht der Glaube / wan̅ man lehret / die verderbte
Natur sey die Sünde selbst / etc. So müsse entweď Gott ein stiffter der Sünden /
oder der Teuffel ein Schöpffer der jetzigen Natur seyn / etc. Dann der keines
folge darauß / etc. Wer hat doch sein Lebenlang kindischer Fürgeben gehört?
Freilich ists absurdum fidei, oder laufft stracks wider den Artickel deß
Glaubens von der Schöpffung / wann man lehret / daß die verderbte Natur die
Sünde selbst sey / vnnd daß kein Vnderscheidt zwischen der verderbten Natur vnnd
zwischen der Sünde sey. Dann wo das wahr / so muß der eines vnwider sprechlich
folgen / weil Gott die verderbte Natur schaffet / daß er auch müsse die Sunde
selbst schaffen / weil jhrer Lehre nach die verderbte Natur die Sünde selbst
ist. Oder aber so das nicht sein oder folgen soll / weil Gott die Sünde selbst
nicht schaffet / So muß ja daß ander folgen / weil die verderbte Natur ohn einen
Schöpffer nicht sein kan / vnd dann bekandt / daß die Sünde selbst vom Teuffel
herrühre / daß der Teuffel die verderbte Natur schaffe / welche jhrer Meynung
nach die Sünde selbst ist.
Eben so reymet sich auch dieses / das sie auß vnser Lehre folgern wollen: Ist
vnsere verderbte Natur nicht die Sünde oder die Erbsünde selbst / so ist sie
nicht vngerecht / vnd dem Gesetz Gottes widerspenstig. Schande ist es / daß man
solch dölpisch Ding für die Leuhte bringen / vnnd so viel eynfältige Hertzen
darmit auffhalten soll. Keines Wegs folget das auß vnser Lehre. Dann wann wir
verneinen / daß die verderbte Natur nicht die Sünde selbst sey / streiten wir
nichts mehr / als daß der nohtwendige vnd warhafftige Vnderscheidt zwischen der
verderbten Natur / die auch jetzo Gottes vnd nicht deß Teuffels Werck ist /
bleibe / etc. Vnd daß wir weder Gott zum Schöpffer der Sünden / noch den Teuffel
zum Schöpffer der verderbten Natur machen. Daß aber die Natur verderbt /
vngerecht / vnheilig vnnd vnrein sey / etc. bekennen vnnd lehren wir von
|| [33]
gantzem Hertzen starck vnd
fest / vnd hat mit dem vorigen nichts zuschaffen.
Bleibt also der Grundt deß Concordi Buchs auß dem Artickel von der Schöpffung
genommen / wider alles sophisticieren vnd tollisieren deß Gegentheils / fest vnd
vnwidersprechlich wahr.
Gründtlicher Bericht auff die Anklag / daß das Concordi Buch vnrecht auß dem
Artickel von der Erlösung erweisen solle / daß ein Vnderscheidt zwischen der
verderbten Natur selbst vnd zwischen der Sünde sey: Vnnd Christlicher Beweiß /
daß gemeldter Grundt vnvmbstößlich sey.
DEß Concordi Buchs Argument vnd Grundt ist:
Was Christus angenommen / das ist nicht die Sünde selbst:
Christus hat vnsere Menschliche Natur angenommen / etc.
Darumb ist sie nicht die Sünde selbst / sondern es ist ein Vnterscheidt zwischen
der verderbten Natur selbst / vnd zwischen der Sünde.
Diesen vnwidersprechlichen Grundt vnderstehet sich das Gegentheil mit dieser
Sophisterey vmbzustossen: Christi angenom̅ene(P. iij. fa. 2) Menschliche Natur sey nicht die
Sünde selbst / das ist / vngerecht / dann Gottes Sohn habe nicht die Erbsünde /
das ist ein gantz verderbte Natur angenommen / etc.
Heist aber das geantwortet / oder heist es nicht viel mehr seine grobe
Vnwissenheit / oder mutwilligen Betrug an Tag ge
|| [ID00078]
geben? Dann die Frage ist
nicht / Ob der Son Gottes eine vngerechte Menschliche Natur angenommen / sondern
ob er vnsere Menschliche Natur ohne die Sünde angenommen. Wann der Christliche
Leser darauff acht gibt / befindet er / daß deß Gegentheils vielfältiges
Entschüldigen ein lauter Spiegelfechten sey / dardurch es im wenigsten auff den
Hauptstreit in dieser Sachen nicht antwortet.
Vnsere Menschliche Natur hat der Sohn Gottes angenommen / aber die
Vngerechtigkeit / damit sie behafft ist / hat er nicht angenommen / sondern in
der Menschwerdung als ein malum separabile, wie es D. Lutherus Genes. cap. 38.
recht nennet / darvon abgescheiden. Darauß vnwidersprechlich folget / daß die
verderbte Menschliche Natur selbst / vn̅ die Verderbung / so
darinnen ist / nicht eynerley / sondern vnderschieden sindt.
So viel nuhn deß Gegentheils Fürgeben / vom wesentlichen Vnderscheidt zwischen
Christi vnnd vnser Menschlichen Natur / anlangt / welchen es durch etliche
paginas treibet / ist / mit einem Wort zu antworten / eine solche erschreckliche
Gotteslästerung / daß / wann sie dem Gegentheil solte eyngeräumet werden /
einmal den Grundt vnsers Christlichen Glaubens / vnnd also auch der ewigen
Seligkeit gantz vnd gar auffhübe vnd auß dem Weg räumete. Wir sagen auß Gottes
vnfehlbarem Wort / daß kein Vnderscheidt sey zwischen der angenommenen
Menschlichen Natur Christi vnd vnser Natur / so viel das Wesen der Natur selbst
belangen thut / wie baldt soll angedeutet werden.
Ausserhalb der Substantz ist wol Vnderscheidt in andern Sachen / aber nicht im
Wesen selbst. Dann dem Wesen nach ist er mit vns seinen Brüdern eines Wesens vnd
durchauß gleich / allein die Sünde außgenommen. Hebr. 4. Darumb Johan. 1.
stehet: Das Wort wardt Fleisch / das ist / Es nam vnser warhaffte Menschliche
Natur an. Vnnd Luce 1. Was auß dir geboren
|| [34]
wirdt. Vnnd Hebr. 2. Nach dem
die Kinder Fleisch vnd Blut haben / ist ers gleicher Masse theilhafftig worden.
Item: Er nimbt nicht die Engel an sich / sondern den Samen Abrahe nimbt er an
sich. Rom. 1. Der geboren ist von dem Samen Dauid nach dem Fleisch. Jesai. 9.
Ein Kindt ist vns geboren / ein Sohn ist vns gegeben / etc. Solches bekennt auch
die gantze Christenheit im Symbolo Nyceno, daß er vmb vnser Menschen vnnd vmb
vnsers Heils willen Mensch worden sey. Item / das Symbolum Athanasij: Aequalis
Patri secundùm diuinitatem, aequalis nobis secundùm humanitatem. Das ist / vnd
wie die alte Kirche recht geredt hat / daß Christus nach seiner angenommenen
Menschheit mit vns seinen Brüdern eines Wesens sey / etc Wer das Gegenspiel
lehret vnd hält / der sey Anathema oder verflucht.
Das Gegentheil zeucht wol fünfferley Vnderscheidt zwischen CHRISTI vnnd vnser
Menschlichen Natur an. Es gehet aber derselben keiner darauff / erweiset auch
keiner / daß im Wesen selbst ein Vnderscheidt zwischen Christi vnnd vnser
Menschlichen Natur sey. Wie dann auch im Grundt (so viel das Wesen der Natur
anbetrifft) keiner ist / sondern gehen alle dahin / daß Christi angenommene
Menschliche Natur / die vns im Wesen durchauß gleich ist / viel praerogatiuas
oder Vorzuge habe / welche vnsere Natur nicht hat. Welche Vorzüge aber das nicht
anzeigen / daß darvmb die Natur selbst nach dem Wesen von vnser Menschlichen
Natur wesentlich vnterscheiden sey. Aber zur Sache.
Die Vnderschiede / darauff das Gegentheil pochet / lauten also:
I. Daß Christi Menschliche Natur von vnser vnterschieden sey / was die Eltern
oder Werckzeug anlanget / darauß wir vnnd Christus geboren.
II. Daß Christus ohne Mannes Zuthun empfangen.
|| [ID00080]
III. Daß sie persönlich mit der Göttlichen Natur deß Sons Gottes vereyniget.
IIII. Daß Christus mit seiner Natur von Gott nicht abgewichen vnd vntüchtig
worden / wie wir.
V. Daß Christus / nach seiner angenommenen Menschlichen Natur / nicht ein Kindt
deß Zorns sey / als wir sindt.
Diese Vnterschiede gestehen wir allzumal gerne / daß sie aber Christi vnd vnsere
Menschliche Natur selbst / so viel das Wesen betrifft / vnterscheiden soll /
gestehen wir keines Wegs / könnens vnnd sollens auch nimmermehr gestehen.
I. Der Sohn Gottes ist wol von einer Jungfraw geboren / Jesai. 7. Vnnd wir werden
von Vatter vnd Mutter ordentlicher Weise geboren. Aber was thut dieses zum
Vnderscheid der Mensch lichen Natur selbst? Nichts vberall. Dann ob er wol von
einer Jungfrawen geboren / ist darumb seine Menschliche Natur von vnser nicht
vnderschieden / oder wesentlich eine andere Natur / als vnsere Natur / ist.
II. Also / ob er wol ohne Zuthun eines Mannes durch Vberschattung deß H. Geistes
Menschliche Natur angenommen / so machet doch auch dises keine Vnderscheid der
Natur oder Wesens / zwischen Christi vnd vnser Natur: Sonder gehet dahin / daß
er ohne Sünde wahrer Mensch empfangen vnd geboren / welches bey vns nicht seyn
kan / weil wir auß sündigen Eltern / vnd auß sündtlichem Samen / vnd nicht durch
Vberschattung deß H. Geistes empfangen vnd geboren werden.
Lutheri Spruch / welchen das Gegentheil hie allegiert: Christus ist vns allerding
gleich worden / vnnd dasselbige Fleisch vnnd Blut / daß wir sindt / aber hie
scheidet sichs / daß wir nicht kommen durch den H. Geist / sondern auß
sündtlichem Fleisch vnd Blut / etc. bestättiget mit nichten / daß zwischen
Christi vnd vnserer Menschlichen Natur ein Vnderscheidt sey / sondern das lehret
er / daß der
|| [35]
Same oder Geblüt
/ auß welche̅ Christus nach seiner angenom̅enen
Menschlichen Natur entpfangen / durch den Heiligen Geist gereiniget / daß er
ohne Sünde hat können Mensch entpfangen vn̅ geboren werden / etc.
Darumb schlegt er deß Gegentheils Irrsall / vnnd nicht vnsere ware Bekändtnüß zu
boden.
III. Die Persönliche Vereynigung macht auch keinen Vnderscheid zwischen Christi
vnnd vnser Menschlichen Natur / so viel das Wesen der Naturen selbst angehet:
Sondern erhöhet die angenommene Menschliche Natur / die vnser Natur am Wesen
durchauß gleich ist (außgenommen die Sünde) für aller anderer Menschen Natur /
daß dergleichen keiner mehr erfunden / welchs Natur der Sahn Gottes jhme
persönlich vnd vnzertrennlich vereyniget / als diese Natur alleine.
IIII. Also das Christi angenommene Menschliche Natur durch auß rein / heilig /
gerecht / dem Gesetz gleichförmig / vnnd nie gesündiget hat / etc. Hebt gleicher
gestallt die Gleichheit Menschlicher Natur Christi vnd vnserer Natur / so viel
das Wesen anlangt / nicht auff: Sintemal Gerechtigkeit / Reynigkeit / Heiligkeit
vnd Gleichförmigkeit mit dem Gesetz das Wesen der Menschlichen Natur Christi
nicht ändern / oder von dem Wesen vnserer Natur vnterscheiden: sondern nur das
anzeigen / daß Christi Menschliche Natur / welche dem Wesen nach vnser Natur
gleich ist / für vnser Natur / die in Sünden entpfangen / diesen Vorzug habe /
daß sie gerecht / rein / heilig / dem Gesetz gleichförmig / da vnser Natur
vngerecht / vnrein / vnheilig / vnd dem Gesetz widerwertig ist. Solche
Gerechtigkeit vnnd Reinigkeit aber machet nicht einen Vnderscheid der Naturen
nach dem Wesen / sondern nach den Gaben.
Solcher Gestallt vnderscheidet auch dieses nicht das Wesen der Natur / daß
Christi Natur das Ebenbildt Gottes gehabt / daß jhr alle Propheten vnnd Aposteln
das Gezeugnüß der Vnschuldt vnd Gerechtigkeit mitgetheilet: Sintemal das
Ebenbildt Gottes / die Vnschuld vnd Gerechtigkeit / nicht das Wesen der Natur
selbst
|| [ID00082]
sind / sondern Geschenck vnd
Gaben / so der Natur deß Menschen vor dem Fall auß Gnaden eingepflantzt
gewesen.
V. Daß Christus auß seiner Menschlichen Natur nicht ein Kind deß Zorns vnnd der
Verdamniß / als wir sind / beweiset auch nicht / daß ein Vnderscheidt sey
zwischen Christi vnnd vnserer Menschlichen Natur / so viel das Wesen der Natur
selbst betrifft / sondern bezeugt nur dieses / daß Christus / weil er nach
seiner angenommenen Menschlichen Natur nicht in Sünden entpfangen vnd geboren /
als wir / auch dem Zorn Gottes vnd der ewigen Verdamniß nicht vnderworffen sey.
Was thut aber dieses zum Vnderscheid der Natur selbst / welchen das Gegentheil
dar auß darthun vnd erzwingen will?
Ferrner kompt das Gegentheil auff vnsern Grundt / vn̅ wolte
denselben gerne vmbstossen / richtet aber mehr nicht auß / als daß es sich
selbst mehr vnd mehr zu schanden machet.
I. Christus habe die Erbsünde nit erschaffen / etc. Spricht es / das sey wahr /
nem̅lich / daß die Erbsünde für sich selbst ein besonder vnder
schiedenes selbstendig Wesen im Menschen sey / Solchs aber ist jhr eygen
Gedicht. Dan̅ wir stracks Nein darzu sagen / daß die Erbsünde im
Menschen ein besonders vnderschiedenes selbstendig Wesen seyn solle / etc. So
habe̅ wol die alten Manicheer vor zeiten geschwermet / wir
aber verdammen solchen Schwarm von Grundt vnsers Hertzens. Darumb sie dann auch
mit dieser jhrer Calumnien nichts außrichten.
Was hie fürbracht wird / daß Fleisch / alter Adam vnd Erbsünde einerley seyn /
thut nichts zur Sache.
Dann Fleisch heist in der Schrifft nicht alleine die Erbsünd / sondern begreifft
zweyerley / nem̅lich das Wesen deß Menschen vnd die Boßheit / so
darinnen ist. Johan. 3. 6. Das Wesen deß Fleisches hat Christus angenommen /
aber die Boßheit vnd Vnart deß Fleisches hat er nit angenom̅en.
Dann sein Fleisch ist in der Entpfängnüß vo̅ aller Boßheit /
Vnreinigkeit vn̅ Sünde durch den H. Geist gereiniget vnd
geheiliget worden. Luc. 1.
|| [36]
Also das Wort / alter Adam / Rom. 6. ob es wol vom gantzen Menschen vnnd der
alten Boßheit / die jhm anhanget / gebraucht / jedoch eygentlich zu reden /
heist es nicht die Menschliche Natur selbst: Sondern die alte Boßheit vnd
Verderbung / dardurch die Menschliche Natur an Leib vnd Seel verunreiniget ist.
Vnd hat Christus wol die Menschliche Natur angenommen / aber nicht den alten
Adam oder die Boßheit / mit welcher die Menschliche Natur behafftet vnd beladen
ist.
II. Das ander / daß Christus die Erbsünde nicht angenom̅en / ist
kurtz zuuor gnugsam erwiesen.
III. Daß Christus die Erbsünde an den ausserwehlten nicht erwecken werde / etc.
wird hernach an seinem Ort gehandelt werden.
IIII. Das Christus die Erbsünde nicht erlöset / soll nun hinfürter erwiesen vnd
erstritten werden.
Beweiß daß Christus die Erbsünde nicht erlöset.
DAs Gegentheil aber will mit vier Argumente̅ erweisen / daß
Christus die Erbsünde erlöset. Erstlich auß Gottes Wort. 2. Auß der Apologia der
Augspurgische̅ Confession. 3. Auß de̅
Catechismo. 4. Auß D. Lutheri Zeugnüssen. Diese Argument wöllen wir kürtzlich in
der Furcht deß HERRN erwegen.
Daß (Welt) Johan. 3. so viel heisse als die Erbsünde / ist ein pur lauter
Gedicht. Menschen heist es oder verderbte Menschen / vnd nicht die Sünde selbst.
Christus ist kommen in die Welt / daß er sie selig mache / das ist / daß er die
verderbte Menschen von der Sünde freye erlöse vn̅ selig mache.
Wann es so viel hiesse / als die Sünde selbst / müst folgen / daß Christus
kommen were / die Sünde selbst selig zu machen / da es doch heist: Qui propter
nos homines der vmb vnser Menschen willen / vnnd nicht der vmb der Sünde selbst
willen Mensch worden.
|| [ID00084]
Hat Christus / sprechen sie / die Welt oder Menschen / welche eine verderbte
Natur sind / erlöset / etc. So hat er auch die Erbsünde erlöset / etc.
Vnderscheide recht so hastu die Antwort. Verderbte Menschen vnd Erbsünde sind
nicht einerley / wie droben erwiesen. Derwegen ob wol wahr ist / das Christus
kom̅en ist die Welt oder verderbte Menschen zu erlösen / so
ists aber darum̅ nit war / daß er die Erbsünde selbst erlöset.
Dann verderbte Menschen vnd Erbsünde sind nicht einerley.
Matth. 18. stehet / deß Menschen Sohn ist kommen sälig zumachen das verloren war.
Da mengen sie aber die verlorne Menschen vnd die Sünde ineinander. Nun spricht
Christus nicht / daß die Erbsünde verloren sey / vnnd daß er kommen sey
dieselbige selig zumachen: Sondern die Menschen / so vmb vnd von wegen der
Erbsünde willen verloren vnnd der Verdamniß vnterworffen waren.
So verhelt sichs auch mit den Sprüchen Ephes. 1. & Colos, 1. Wir haben die
Erlösung durch sein Blut / nem̅lich die vergebung der Sünden. Wann
Paulus hielte / daß die verderbte Natur vnd Sünde einerley weren / müste er
nicht geschrieben haben / wir haben die Erlösung durch sein Blut / sondern die
Erbsünde selbst hat die Erlösung durch sein Blut / nem̅lich /
vergebung der Sünden.
Also auch 1. Timoth. 1. Christus ist kommen die Sünder selig zumachen. Sünder vnd
Sünde sind vnderscheiden. Die Sünder von der Sünde selig zumachen ist Christus
kommen / aber nicht die Sünde selbst. Vn̅ das ist auch aller
anderer Sprüch Verstand / so das Gegentheil / seine jrrige Meynung zubefestigen
/ dieses Orts auff die Ban bringet.
II. Auß dem dritten articulo der Augspurgischen Confession ziehen sie an:
Christus sey nicht allein ein Opffer worden für die Erbsünde / sondern auch für
die wircklichen Sünde / Ergo so hab er ja die Erbsünde erlöset.
Für die Erbsünde ist er ein Opffer worden / aber nicht daß er
|| [37]
sie erlösete / dann da weiß
die gantze Schrifft nichts von / ist auch in der Augspurgische̅
Confessio̅ vn̅ Apologia nit ein Buchstab von zu
befinden: Sonder daß er vns verderbte vnd verlorne Menschen von der Erb: vnd
wircklichen Sünden erlösete / damit wir selig würden.
III. Der Catechismus sagt: Christus hat mich von allen Sünden erlöset.
Ergo so hat er die Erbsünde erlöset.
Das heist ja beweiset. Der Catechismus vnderscheidet / vnnd spricht nit: Christus
hat die Erbsünde erlöset / sondern: Er hat mich verdampten Menschen von allen
Sünden erlöset. Mich verdampten Menschen erlösen von allen Sünden / vnnd die
Erbsünde selbst erlösen / ist vnd wird nimmermehr einerley. Aber so soll es
gehen / daß man mit greifflicher Blindtheit geschlagen sey / wann man die Liebe
zur Warheit nicht haben will.
IIII. D. Lutherus spricht vber den Spruch Tit. 2. in der Kirchen Postill /
Christus hat sich selbst für vns gegeben: Darauß folget / daß alle dein Wesen
nichts dan̅ Vnreinigkeit / etc. ausser Christo ist / etc. Ergo so
ists eben so viel / als wenn er spreche: Christus hat die Erbsünde erlöset.
Antwort: Lutherus redet daselbst vom vnreinen Leben vnnd Nichtigkeit deß freye̅ Willens / so deutets vnser Gegentheil auff die Erbsünde / vnd
folgert drauß / Christus habe die Erbsünde erlöset. Das heist ja fein gefolgert
/ oder viel mehr redlich geschwermet.
Item: Lutherus sagt in der Haußpostilla am Tage der Reynigung: Alles was ausser
Christo ist / das ist eitel Sünde / Ergo hat Christus die Erbsünde erlöset.
Reime dich. Daß es ausser Christo alles eitel Sünde sey / ist nicht streitig.
Daß aber darauß folgen solte / Christus habe die Erbsünde erlöset / ist
Fabelwerck.
Item: Christus hat sich nicht für ein böß accidens oder zufelligen Schaden in
Todt geben / sondern für den verderbten Menschen. Ergo so hat er die Erbsünde
erlöset.
|| [ID00086]
Die Schrifft sagt / Rom. 8. Gott habe seines eygen Sohns nicht verschonet /
sondern für vns alle dahin gegeben / vn̅ das darum̅
/ daß er vns von der Sünde errettete. Also hat er sich nicht nur für einen
blossen Zufall dahin gegeben / sondern für vns verlorne vnd verdampte Menschen /
auff daß er vns von dem bösen vnnd schädlichen Zufall der Sünden erlösete.
Darauß schleust sich aber nicht / daß er darumb die Erbsünde selbst erlöset habe
/ sondern vns Menschen hat er von der Sünde erlöset. Die Schrifft spricht auch
nicht / Gott habe seinen Sohn für die Erbsünde dahin gegeben / daß er die
erlösete: Sondern er habe seinen Sohn für vns dahin gegeben / daß er vns
erlösete.
Item / 2. Cor. 5. GOtt hat Christum für vns zur Sünde gemacht. Ergo so müssen wir
wesentlich die Sünde selbst seyn.
Antwort: Sünde heißt in gemeltem Spruch ein Opffer für die Sünde / wie Rom. 8. zu
sehen / vnd nicht / daß Christus wesentlich für vns zur Sünde sey gemacht. Dann
Christus weder zur Erbsünde noch zur wircklichen Sünde gemacht. Darumb dieser
Spruch zu deß Gegentheils Fürhaben / daß die verderbte Natur die Sünde selbst
sey / vnd daß Christus die Erbsünde erlöset / im wenigsten nicht dienet. Folget
auch darauß nicht / daß wir die Sünde selbst seyn. Wie auch Christus nicht für
vns zur Sünde selbst gemacht / daß wir in jhm die wesentliche Gerechtigkeit
würden / sondern daß vns per imputatione̅ seine Gerechtigkeit
zugerechnet würde. Also ist vnsere verderbte Natur nicht wesentlich die Sünde
selbst: Sondern durch die Sünde verderbt / vo̅ welcher Verderbung
vns zu entledigen / Christus für vns zur Sünde / das ist / zum Opffer für die
Sünde gemacht / auff daß vns durch den Glauben seine Gerechtigkeit zugerechnet
würde.
Vns ist auch nicht zu wider / wie das Gegentheil bößlich fürgibt / daß wir die
Sünde genannt werden / aber doch in rechtem Verstande. Wir sind Sünde / das ist
/ sündig / verderbt / vnge
|| [38]
recht / vnheilig vnd vnrein / etc. Vnd in solchem rechten Verstande
ist vns das Wort (Sünde) nicht zuwider: Aber in dem Gottslästerlichen Verstande
/ daß es so viel heissen soll / als die Sünde selbst seyn / können noch sollen
wirs nicht passieren lassen / wir wolten dann die Artickel deß Glaubens / von
der Schöpffung / Menschwerdung / Erlösung vnnd Heiligung / etc. wegwerffen vnnd
gantz vernichtigen.
Auff die leppische obiection / wann vnser Natur vnnd Wesen nicht Sünde oder die
Erbsünde were / etc. So müste sie gerecht vnnd heilig / etc. seyn / ist droben
bestendig geantwortet / vnnötig dieses Orts zu erwidern.
Lutherus (spricht das Gegentheil) dringet in seinem Genesi vn̅
seruo arbitrio drauff / daß / wo deß Menschen Natur vnnd Wesen nach dem Fall
nicht Sünde / das ist / vngerecht sey / etc. So sey Christus ein vergeblicher
Erlöser / etc.
Antwort: Lutheri Lehr in diesem Stück ist recht vnd wahr / daß / wann der Mensch
nicht Sünde / das ist / vngerecht were / daß Christus ein vergeblicher Erlöser
were. Aber wie beweiset das / daß die verderbte Natur die Sünde selbst sey / vnd
daß Christus die Erbsünde selbst erlöset / welchs jhm das Gegentheil zu beweisen
fürgenommen? Denn Sünde / das ist / vngerecht seyn / heißt noch lange nicht so
viel / als die Vngerechtigkeit oder Sünde selbst seyn / wie nun offt
angezeigt.
Stellet das Gegentheil ein lang Geschwetz an / daß wir nach(V. 3. fac. 2.) dem Fall ein verdorben Werck seyn
/ welches kein rechtschaffener Christ oder Lehrer verleugnet. Es beweiset aber
dadurch seine proposition im geringsten nicht / daß nem̅lich
darauß folgen müsse / daß wahr sey / daß Christus die Erbsünde erlöset.
Dann / lieber / wie schleust sich das: Wir sind nach dem Fall ein verdorben Werck
/ Ergo so hat Christus die Erbsünde erlöset / Daß wir ein verdorben Werck sind
nach
|| [ID00088]
dem Fall / ist Leyder allzuwahr.
Daß sich aber darauß recht schliessen solte: Ergo so hat Christus die Erbsünde
erlöset / vrtheile wer vrtheilen kan / ob solchs im Grundt vnd Warheit recht
geschlossen sey vnd darauß folge.
Lutheri vnd der Schrifft Sprüche / so das Gegentheil dieses Orts einfüret / sind
wol gut / vnd bezeugen / daß wir jämmerlich / der Sünde wegen / durch vnd durch
verderbt sind / etc. Sie dienen aber darzu nicht / darzu sie das Gegentheil
allegirt: Nem̅lich / daß sie die fürgestelte proposition: Christus
habe die Erbsünde erlöset / erweisen sollen.
(X. 3. fac. ij.)
Fellet das Gegentheil mit der Thür gar ins Hauß hinein vnd streitet mit hefftigen
Worten / daß nicht nur ein Accidentale, sondern ein Essentiale discrimen vnter
Christi vnd vnser Menschlichen Natur sey / vnd kompt doch wider auff die vorige
Geige / daß Christi Natur nicht verderbt sey / wie vnser Natur / sondern aller
Ding von Natur oder wesentlich gerecht / vnd dem Gesetz Gottes gleichförmig.
Hierauff muß vnderschiedlich geantwortet werden / vnd erstlich / daß es vnrecht
geredt sey / daß die Menschliche Natur wesentlich gerecht / welchs das
Gegentheil für vnd für treibt. Dann wesentlich gerecht seyn / ist eben als viel
als die Gerechtigkeit selbst seyn / Solchs aber kan der Menschlichen Natur / an
oder für sich selbst / weder in Adam noch in Christo oder vns Menschen
zugeschrieben werde̅. Sintemal Gott alleine eygnet vnd gebüret /
daß er per essentia̅ oder wesentlich gerecht sey: Vnd GOTT vnnd
Gerechtigkeit conuertibiles termini seyn / wie man in Schulen redet. Dann in
Gott ist nichts zufelliges / vnnd wenn GOtt köndte vngerecht seyn oder werden /
so were er nicht GOTT. Was aber die Creaturen anlangt / so ausserhalb dem
Göttlichen Wesen sind / in denselben ist ein anders das Wesen / ein anders die
Gütigkeit oder Gerechtigkeit deß Wesens. Vnd also ist in den erschaffenen
Creaturen keines Weges einerley das Wesen selbst / vnnd die Gütigkeit
|| [39]
oder Gerechtigkeit deß Wesens.
In Summa / die Gütigkeit oder Gerechtigkeit sindt nicht vom Wesen deß Menschen /
eygentlich zu reden / sonst were ein böser Mensch kein Mensch: Sondern sie sindt
von dem Wesen eines guten Menschen. Das gute aber begreifft ein Ding / das
Gütigkeit oder Gerechtigkeit in sich hat / welche von jhme können gescheiden
werden.
Zum andern / daß kein wesentlicher Vnderscheidt vnter Christi vnd vnser
Menschlichen Natur sey / ist droben mit Sprüchen der Heiligen Schrifft
vnwidersprechlich dargethan. Da auch vnsere Menschliche Natur / deß Wesens
halben / Christi angenommenen Menschlichen Natur vngleich / köndt er vnser
Bruder nicht heissen. Wann er auch am Wesen vnser Natur vngleich / müst folgen /
daß er vnser Natur / als die jhme am Wesen vngleich / nicht erlöset. Dan̅ wie Nazianzenus recht redet: Was er nicht angenommen hat / das
hat er auch nicht erlöset. Ist er vns nun am Wesen vngleich / so muß er vnser
Fleisch vnd Blut nicht angenommen haben / vnd muß also auch vnser Fleisch vnd
Blut nicht erlöset seyn. Ist es nicht erlöset / so sindt wir noch vnder der
Sünde vnd Todt / vnd ist das Predigen vnd vnser gantzer Christlicher Glaube
vergebens / 1. Cor. 15.
Die Verheissung deß Euangelij gehet vns auch gar nichts an / wo ferrn ein
Vnderscheidt were zwischen Christi vnnd vnser Menschlichen Natur. Dann das
Euangelion beut denen Gnadt an / welcher Fleisch vnd Blut Christus in seiner
Menschwerdung angenommen / welcher Bruder er ist / Psalm. 22. Johan. 20. vnnd
nicht jemandts anders.
Nie ist solche Lästerung in der Kirchen Christi von einigem reinen Lehrer gehöret
worden / daß ein wesentlicher Vnderscheidt sey zwischen Christi vnnd vnser
Menschlichen Natur / das Gegentheil kan es auch mit keinem beständigen Grunde
darthun / daß die alte rechtgläubige Kirche / oder auch die reinen Lehrer zu
vnser Zeit also gelehret haben solten / wie sie schwermen.
Die Verderbung / darauff das Gegentheil dringet / machet
|| [ID00090]
keinen Vnderscheidt zwischen dem
Wesen Christi vnnd vnserer Menschlichen Natur: Sondern gehet nur allein auff die
Gerechtigkeit / Heiligkeit / Reinigkeit vnd Gütigkeit / daß nem̅lich Christi Menschliche Natur ohne Vngerechtigkeit / Vnreinigkeit /
Vnheiligkeit vnd Boßheit empfangen / Vnsere aber hergegen in der Sünde /
Vngerechtigkeit vnd Vnheiligkeit / wie hiebevor auch gemeldet worden. Solches
aber vnderscheidet die Naturen nach dem Wesen nicht / sondern nach den Gaben /
vnd nach den Mängeln vnnd Gebrechen.
Daß der Engel Luce 1. nicht spricht: Das accidens, so auß dir geboren / soll
heilig seyn / etc. Sonder der gantze Christus mit Leib vn̅ Seel
soll heilig vnd gerecht seyn / beweiset nichts in dieser Sachen. Dann hie wirdt
nicht gestritten / ob Christus nach seiner Menschlichen Natur gantz heilig vnd
gerecht sey / das alle fromme Hertzen bekennen: Sondern darvon: Obs wahr sey /
daß Christi Menschliche Natur vnserer Natur / dem Wesen nach / vngleich sey /
darvon deß Engels Spruch / Luc. 1. kein Wort sagt.
Daß Christus ein gerecht Gewächs Dauids / von wegen seiner wesentlichen guten
gerechten Natur / etc. Jerem. 23. genandt / beweiset zum theil den Vnderscheidt
nicht / welchen das Gegentheil zu erweisen fürgenommen / zum theil ist es auch
nicht recht oder propriè geredt / daß Christi Menschliche Natur wesentlich
gerecht sey. Dann / wie droben vernommen / gehöret / wesentlich gerecht seyn /
allein der Gottheit zu / vnnd sonst keiner Creatur. Gerecht ist die Menschliche
Natur Christi oder hat Gerechtigkeit: Per essentiam aber / oder wesentlich
gerecht ist sie nicht / sonst müst sie die Gerechtigkeit selbst wesentlich /
vnnd also Gott selbst seyn.
Der Spruch Augustini contra 2. Epistolas Pelagianorum, cap. 2. welchen das
Gegentheil hie wider vnsere Lehre eynführet / nem̅lich: Manichaei
carnem Christi exhonorant, partum virginis blasphemando: Pelagiani autem carnem
redimendo
|| [40]
rum
Redemptoris aequando: Das ist / Die Manicheer vervnehren deß HERRN Christi
Fleisch / daß sie Gotteslästerlich von der Geburt Mariae reden: Die Pelagianer
aber / in dem sie das Fleisch derer / die da sollen erlöset werden / mit dem
Fleisch deß Erlösers vergleichen / etc. reymet sich zu jrem Fürhaben durchauß
nichts. Zu dem / daß sie Augustini Wort auch nicht gantz / sondern nuhr zu jhrem
Vortheil verstümmelt anziehen. Dann Augustinus streitet nicht wider die
Pelagianer / daß es vnrecht oder eine Gotteslästerung sey / lehren / daß kein
Vnderscheidt zwischen Christi vnd vnserer Menschlichen Natur sey / so viel das
Wesen selbst betrifft: Sondern das streitet er: Daß die Pelagianer in deme die
Menschliche Natur mit Christi deß Erlösers angenommenen Menschlichen Natur
verglichen / daß gleich wie Christi Fleisch oder Menschliche Natur ohne die
Erbsünde empfangen / vnd also durchauß reine vnd gerecht: Also würde vnser
Fleisch auch ohne die Erbsünde empfangen / vnnd were also / nicht alleine deß
Wesens halben / sondern auch der Reinigkeit vnd Gerechtigkeit oder Gütigkeit
nach / der Menschlichen Heiligen Natur Christi gleich. Solches sagt Augustinus
sey eine falsche vnnd jrrige Lehr (wie wir dann auch sagen) vnd das bezeugen
seine eygne Wort / welcher er dieses Orts brauchet / vnnd auff die vorigen
gleich folgen: Propterea quippe natus est Christus, non vtique in carne peccati,
sed in similitudine carnis peccati, quia caeteroru̅ hominum
nascitur caro peccati. Manichaei ergo omnem carnem penitus detestantes, auferunt
carni Christi perspicuam veritatem: Pelagiani verò nullam carnem peccati nasci
asseuerantes auferunt carni Christi propriam dignitate̅, &c.
Das ist / Darum̅ ist Christus geboren / freylich nicht in einem
sündige̅ Fleisch / sonder in der Gestallt deß sündlichen
Fleisches. Dan̅ aller anderer Menschen Fleisch wirdt sündig oď ein
sündthafftig Fleisch geboren. Darum̅ die Manicheer / weil sie
alles Fleisch verwerffen / berauben sie das Fleisch Christi seiner Warheit:
|| [ID00092]
die Pelagianer aber / weil sie für
geben / daß kein sündig Fleisch geboren werde / nem̅en sie dem
Fleisch Christi seine Hochheit / oder seinen Vorzug / welchen es für aller
anderer Menschen Fleisch hat / Nem̅lich / daß es alleine ohne
Sünde empfangen sey. Darauß menniglich verstehet / daß Augustinus die Pelagianer
nicht darumb strafft / daß sie lehreten / daß Christi Fleisch vnd vnser Fleisch
/ dem Wesen nach / einander gleich / oder eines Wesens weren: Sondern dieweil
sie schwermeten / daß aller anderer Menschen Fleisch auch in diesem Stück
Christi Fleisch gleich were / daß es nicht weniger ohne Sünde empfangen / als
Christi Fleisch / vnd also dem Fleisch Christi seine dignitatem oder Hochheit /
so es für aller Menschen Fleisch hat / nem̅lich / daß es ohne
Sünde empfangen / entzogen.
(Y. 1. fac. 1.)
Gibt das Gegentheil für: Christus köndte nicht vnser Heylandt seyn / wann wir an
vnserm natürlichen Wesen in geistlichen Sachen seinem Menschlichen Wesen
allerding eben vnd gleich / etc. Wer sagt aber das? Sein eygen Gedicht ist es.
Wir lehren nicht daß vnser Fleisch in geistlichen Sachen Christi Fleisch gleich
sey: Sondern das Gegenspiel lehren wir mit der Schrifft vnnd Augustino / daß
nem̅lich eben die Vngleichheit darinnen stehe / nicht daß deß
Wesens halben Christi Fleisch ein anders sey / als vnser Fleisch ist: Dann wann
das were / köndte er vnser Erlöser nicht seyn (sintemal / was er nicht
angenommen / das hat er auch nicht erlöset) sondern daß vnser Fleisch ein sündig
/ vnrein / verderbt vnd böse Fleisch ist. Christi Fleisch aber hergegen ein rein
/ heilig vnd gerecht Fleisch / vnd ohne Sünde empfangen. Ist derwegen ein
grosser Muhtwille / daß das Gegentheil solch Ding fürgeben darff.
Ob wir auch nach dem Fall stinckende Creaturen worden / ist dannoch vnser Fleisch
nicht wesentlich in die Sünde selbst verwandelt worden / wie das Gegentheil
schreyet / sondern sündig vnnd vnrein ist es worden. Dann da es solte wesentlich
in einander Fleisch verwandelt / vnd zur Sünde selbst worden seyn / so müste
folgen / daß vier Adam gewest / so deß Wesens halben von einander
vnterschei
|| [41]
den /
vn̅ were also Adam / der zum Ebenbilde Gottes erschaffen war /
nach dem Fall nicht ebe̅ derselbige Adam / der gefallen war /
sondern ein anderer wesentlich vom vorigen vnderschieden. Da er nun bekeret vnd
new geboren / müst abermals ein ander Adam auß jhm worden seyn / der nach dem
Wesen wesentlich vom vorigen Adam vnderschieden / wenns nem̅lich
wahr were / daß der gefallene vnd widergeborne Mensch / dem Wesen nach /
essentia & forma substantiali vnderschieden. Es würde auch der verstorbene
Adam nicht aufferwecket / wo fern es wahr / daß ein ander Wesen were deß von
Todten aufferweckten Adams / als deß verstorbnen Adams gewesen.
In solche grewliche Irrthumb gerhaten die Leut / welche sich auß Gottes Wort
nicht wöllen zurecht weisen lassen / sondern stracks jhrem einmal gefasten Wahn
folgen.
Das Gegentheil füret auch ein D. Lutheri Spruch auß der Kirchen Postill den 18.
Sontag Trinitatis: Christus ist der einige Mensch / der das Gesetz hat können
halten vnd erfüllen / er ist allen andern Menschen gleich der Natur halben / vnd
doch nicht in derselben Schuldt / etc. Wie beweisets aber darauß / daß Christi
Menschliche Natur / dem Wesen nach / von vnser Natur vnderschieden sey? Das
lehret D. Lutherus in gemelten Worten / daß Christus der einige Mensch sey / der
das Gesetz halten könne: Sonst sey keiner mehr / vnnd das lehren wir auch
beständig. Aber darauß folgt kein Vnderscheid der Naturen nach dem Wesen. Dann
wo solchs köndte recht darauß gefolgert werden / so hette Lutherus nicht bald
drauff schreiben dörffen: Er ist allen andern Menschen gleich der Natur halben
(welchs vnser Bekändtniß auch ist) alleine daß er vnter der Schuldt deß Gesetzes
nicht ist / wie vnser Natur / auch nicht also verderbt ist / nach der
Menschlichen Natur / als vnsere Menschliche Natur verderbt ist. Darmit nun das
Gegentheil seinen Irrsal bestätigen will / stöst es denselben vmb. Dann D.
Lutherus gar das Widerspiel wider sie lehret.
Gestehet das Gegentheil / daß Christus warer Mensch mit(Y. 2. fac. j.)
|| [ID00094]
vns eiusdem generis & speciei
physicè natürlicher Weise gewesen sey / er sey aber nicht eiusdem speciei / das
ist / eben deß Wesens mit vns Theologicè vel spiritualiter, so er in Geistlichen
Sachen betrachtet wird / etc.
Antwort: Diese Leut sind dermassen mit Blindheit von Gott geschlagen / daß sie
selbst nicht wissen / was sie setzen oder sagen. Denn ist das wahr / daß Christi
Fleisch eiusdem generis & speciei, eines Wesens mit vnserm Fleische
Natürlicher Weise gewest / wie es dann auch noch ist / so muß es ja nicht wahr
seyn / was das Gegentheil bißher von dem wesentlichen Vnderscheyd zwischen
Christi vnd vnser Menschlichen Natur gestritten hat. Beides zugleich kan nicht
wahr seyn / wie solchs alle fromme Hertzen wol verstehen.
Es fühlet auch das Gegentheil wol / daß es geschlagen sey / vn̅
eine böse Sach führe / aber es hat eine vnuerschämpte Stirn / kan vnd will sich
nicht schämen / vnd Gott zu ehren die Warheit bekennen / wie wolt es sonst
dieses Orts gestehen / daß Christi vnd vnsere Menschliche Natur / dem Wesen nach
/ natürlicher Weise gleich / welches es bald drauff / vnnd sonst hin vnd wider /
rundt vnd dürre verleugnet / vnd das heißt sich ja selbs in die Backen
hawen.
Wann das Gegentheil sonst keinen Irrthumb mehr hett / den̅ diesen
allein / daß Christi Fleisch mit vnserm Fleisch nicht eines Wesens / hetten doch
fromme Hertzen an gemeltem Stück eine gnugsame Warnung jhre Predig / Schrifften
vnd Bücher als ein Gifft zu meide̅. Dan̅ dieser
Irrthumb reisset den Grundt vnsers Christlichen Glaubens vmb. Ist Christi
Fleisch vnserm Fleisch dem Wesen nach nicht gleich / oder mit demselben nicht
eines Wesens / wie es bißher hefftig gestritten / so ist Christus vnser Bruder
nicht / so können wir vns auch nicht rühmen / daß vnser Fleisch vnnd Blut zur
Rechten Handt Gottes sitzet.
Die Theologica oder spiritualis consideratio / das ist / die Geistliche
Betrachtung deß Fleisches Christi / daruon das Gegentheil hie vn̅
anderßwo so viel vergeblicher Wort machen / reimet sich
|| [42]
gar nit zu dieser Sache /
beweiset auch nichts vberall: sondern ist nur ein pur lauter Gedicht / damit das
Gegentheil sich vn̅ ander einfältige Leut äffet vn̅
verfüret. Dan̅ das Fleisch Christi werde Natürlich oder Geistlich
betrachtet / so ändert doch solche Betrachtung dz Wesen selbst nit. Es betrachte
den Menschen ein gelehrter Philosophus, oder Theologus, so bleibt er / de̅ Wesen selbst nach / jm̅er der eynige Mensch / vnd
macht solche Betrachtung nicht zweierley Wesen in jme. Der Philosophus
betrachtet jn wol anderst als der Theologus, der auß Gottes Wort die jäm̅erliche Verderbung der Menschliche̅ Natur etlicher
Massen verstehet / daruon aber der Philosophus nichts weiß / sondern allein
de̅ folgt daß er weiß der Me̅sch sey animal
rationale, eine vernünfftige Creatur / etc. Aber es wird auß solcher vn
derschiedliche̅ Betrachtung darum̅ kein ander
Wesen am Mensche̅ / ob wol der Philosophus, wie gesagt / nicht
weiß daß esverderbt / der Theologus aber weiß es. Also auch in Christo machet
die Theologische oder Geistliche Betrachtung kein ander Wesen der Menschlichen
Natur Christi / nach welchem es von vnser Natur vnderschiede̅ /
sondern läßt ebe̅ dasselbige Wesen vnserm Fleisch / wie die Kirche
singet / gleich bleibe̅ / carne nobis fimilis, peccato sed
dissimilis / Er ist vns gleich nach dem Fleisch / der Sünde̅ nach
ist er vns nit gleich / alleine / daß die Theologische Betrachtung für der
Philosophischen oder vernünfftigen das siehet / daß Christi Fleisch / welchs
vnserm Fleisch nach de̅ Wesen gleich ist / gerecht / heilig / rein
vn̅ ohne Sünde ist empfangen vn̅ gebore̅ / vnser Fleisch aber dargege̅ vnrein / in Sünden
entpfange̅ vn̅ geboren / de̅ Fluch
deß Gesetzes vnd der Verdam̅niß vnderworffen / wo es nicht durch
Christum erlöset würde.
Lutheri Spruch auß dem 45 Ps. von der Geistliche̅ Schönheit deß
Leibs Christi / hebet die Gleichheit der Menschliche̅ Natur
Christi vnd vnserer Natur / so viel das Wesen anlangt / nit auff / sondern
bestätigt dieselbe. Alleine dz sagt er / daß Christi Fleisch ohne Sünde sey /
vnser Fleisch aber dargegen verderbt sey vnd sündig / welchs wir auch sagen /
darumb gemelter Spruch nichts wider vns beweiset.
|| [ID00096]
Vnd was darffs viel Wort / schreibet nicht Lutherus Gene̅. 38. daß
Christi Menscheit sey von dem sündlichen vnnd vnreinen verfluchten Samen der
grössesten Sünder genommen / aber durch den Heiligen Geist gereyniget? Wie solt
er dann deß Gegentheils grewliche Lästerung vom Vnderscheid Christi vnd vnser
Menschlichen Natur / so viel das Wesen betrifft / bestätigen? Seine Wort lauten
also: Hîc describitur semen benedictum, quod de semine & carne maledicta,
perdita, damnata ortum est, ipsum tamen sine peccato & corruptione: Secundum
naturam eadem est Christi caro cum nostra; Sed in conceptione eius accessit
spiritus sanctus, obumbrans & purificans illa̅ massam, qua̅ accepit de virgine, vt coniungeretur cu̅ diuina
natura. In Christo igitur sanctissima, purissima, mundissima caro est, in nobis
autem & omnibus hominibus corruptissima, nisi quantu̅ in
Christo reparatur. Das ist: Hie wird der gesegnete Samen beschrieben / der von
dem verfluchten / verderbten / verdampten Samen vnd Fleisch ist herkommen / der
aber doch ohne Sünde vnnd Verderbung ist: Was die Natur antrifft / ist Christi
Fleisch einerley Fleisch mit vnserm Fleisch: Aber in der Entpfengnüß ist der
Heilige Geist dazu kommen / der den klumpen vberschattet vnd gereyniget hat /
den er von der Jungfrawen Maria genommen hat / daß er mit der Göttlichen Natur
vereinbaret würde. Darumb ist in Christo das aller heiligste / reineste / sauber
Fleisch / in vns aber vnd in allen Menschen ists das aller verderbste / ohn so
viel es in Christo wird ernewert.
Das heißt ja deutlich vnnd offentlich deß Gegentheils Irrthumb widersprechen /
noch dürffen diese Leut so küne seyn / vnd Lutherum für jhre falsche Meynung
anziehen.
(Z. 2. fac. j.)
Also ist auch dieses ein Gedicht deß Gegentheils / daß gleich wie zwischen den
guten vnnd bösen Engeln / der Natur vnnd Wesen nach / jetzo ein Vnderscheid sey:
Also sey auch ein Vnderscheid / der Natur vn̅ Wesen nach /
zwischen Adam vor dem Fall vn̅
|| [43]
Adam nach dem Fall / etc. Dann
auch die bösen Engel durch die Sünde vn̅ jren Abfall von Gott
nicht eine andere Natur oder ander Wesen / wesentlich von dem vorigen
vnderschieden / bekommen / als sie vor dem Fall gehabt: Sondern eine böse
verderbte Natur / vnnd sind / der Boßheit vnd Vnreinigkeit wegen / von den guten
Engeln vnderschieden.
Hiervon sindt zu mercken Augustini Wort / Lib. 1. Hypo. gnost. Diabolus natura
est Angelus, sed quòd natura est, opus Dei est, quòd verò Diabolus, vitio suo
est, vtendo malè naturae suae bono, & c. Das ist / Der Teuffel ist von Natur
ein Engel / aber daß er von Natur ist / das ist Gottes Werck / daß er aber ein
Teuffel ist / das ist er durch seine Boßheit / dieweil er das / so von Natur an
jhm gut ist / vbel gebraucht.
Wie auch Adam vor vnnd Adam nach dem Fall nicht / dem Wesen oder Natur nach /
vnderschieden sindt. Dann wo das wahr / so were Adam nach dem Fall idem numero,
eben der vorige Adam dem Wesen nach nicht gewest oder geblieben / sondern were
gantz vnd gar in eine andere speciem oder Wesen verwandelt. Der Güte /
Heiligkeit vnnd Gerechtigkeit nach ist er wol der vorige Adam nicht / dann er
ist nuhn böse vnnd verderbt / vnnd hat Boßheit / Vnreinigkeit vnd
Vngerechtigkeit an sich oder in seiner verderbten Natur: Aber so viel das Wesen
oder die Natur selbst antrifft / ist er eben der vorige Adam / vnd kein
ander.
In Summa die heilige Schrifft weiß von keinem wesentlichen Vnderscheidt
geistlicher / wesentlicher Gestallt / Form oder Art / darvon das Gegentheil so
viel vergebliches Geschreyes machet. D. Lutherus Psalm. 45. da er sonst das
Wörtlein Form braucht / nennet es auch keine wesentliche Form / sondern
pulchritudinem spiritualem, eine geistliche Schönheit / darnach Christus von vns
vnderschieden ist / nem̅lich / daß er geistlich an seiner
angenommenen Menschlichen Natur rem / schöne / heilig / gerecht / dem Gesetz
gleichförmig / da wir hergegen an vnserm Fleisch oder Natur
|| [ID00098]
vnrein / heßlich / vnheilig /
vngerecht / dem Gesetz vngleichförmig sindt. Das macht aber noch lange keinen
Vnderscheid der Menschlichen Natur Christi vnnd vnserer Natur / nach dem Wesen /
sondern läst das Wesen gleich bleiben / vnderscheidet aber nach der
Gerechtigkeit vnnd Vngerechtigkeit / Heiligkeit vnd Vnheiligkeit / Vnreinigkeit
vnnd Reinigkeit / etc. welchs zufällige Dinge / vnnd nicht das Wesen der Natur
selbst sindt / sondern können darvon gescheiden werden.
(Z. iij. fac. 1.)
Also gebraucht das Gegentheil einer grewlichen Verkehrung am Spruch Pauli /
Roman. 8. Gott sandte seinen Sohn in der Gestallt deß sündtlichen Fleisches /
etc. in dem es darauß fürgibt / Christi Fleisch sey / dem Wesen nach / ein
anders Fleisch / als vnser Fleisch ist: So doch der Apostel an gemeldtem Ohrt
nicht saget / daß Christi Fleisch vnserm Fleisch / der Natur vnd Wesen nach /
nicht gleich sey / sondern der Sünden nach / daß es nicht ein sündig Fleisch ist
/ wie vnser Fleisch / als wir auch droben auß Augustini Worten contra 2.
Epistolas Pelagianorum cap. 2. gehöret. Viel ein anders ist es / dem Wesen nach
vnderscheiden / welches das Gegentheil thut / Paulus aber nicht: vnd der Sünden
nach vnterscheiden / welches Paulus thut. Darumb er dann spricht: In
similitudine carnis peccati, Das ist / Daß Christus vnser Fleisch vnnd Blut
wahrhafftig angenommen / welches für den Menschen anderst nicht / als ein ander
sündig Fleisch anzusehen / ists aber nicht gewest / dann es ohne Sünde empfangen
durch Vberschattung deß Heiligen Geistes.
Vnd heist das Wort similitudo oder Gestallt / wie es D. Lutherus verdeutschet hat
/ mit nichten ein Bildnüß oder phantastische Gestallt / wie etwa die
Valentinianer / Marcioniten vnnd Manicheer dieses Wörtlein erkläret / vnd darauß
erzwingen wöllen / daß Christus kein wahrhafftiges / sondern nuhr ein Gestallt
oder Gespenst deß Fleisches angenommen: Sonder es heist ein warhafftiges Fleisch
/ das für der Menschen Augen / welche die Empfängnüß
|| [44]
ohne Sünde vnd jnnerliche
Reinigkeit desselben auß vnd von sich selbst nicht haben sehen noch verstehen
können / vnserm sündigen Fleisch gleich geschienen hat / weil Christus zur Zeit
der Ernidrigung in vnser armen Gestallt gangen / vnd seine Maiestet verborgen
gehalten. Als dann auch Tertullianus de carne CHRISTI, wider die Marcioniten /
solches Wörtlein also außgelegt / daß Christi Fleisch vnserm Fleisch gleich
genere, nach dem Wesen / aber nicht vitio Adae, das ist / der Sünden nach.
Darumb dann dieses Spruchs Anziehung vnd Verkehrung / die das Gegentheil drunter
versteckt / auch nichts vberall zu seinem Fürhaben / wider die Gleichheit
Christi vnnd vnsers Fleisches nach dem Wesen / etc. beweyset.
Daß aber ferrner fürgewandt / man könne wol sagen / daß Christus nach seiner
Menschlichen Natur vnser Natur gleich sey / aber nicht eines Wesens / sintemal
das Wort Consubstantialis, eines Wesens / alleine von den dreyen Personen der
heiligen Dreyfältigkeit recht vnnd eygentlich gesagt / aber nicht von Christi
vnd vnserer Menschlichen Natur. Vn̅ die Schrifft / Philip. 2. vnd
Hebr. 4 sagt / Christus sey vns gleich worden / aber nicht / er sey / seiner
Menschlichen Natur nach / mit vns eines Wesens / etc. läufft im Grunde alles da
hinauß / daß der Marcioniten vnd Manicheer Schwarm gemächlich vnterstützet /
vnnd vnvermerckt wider eyngeschleychet werde / daß Christus keine wahre
Menschliche Natur habe / sondern sey nuhr ein Gespenst. Dann etwa dieselben
Ketzer / wie auß den Patribus zu vernemmen / welche jhre Irrthumb widerlegt /
eben diese Sprüche / die Menschliche Natur Christi zu verleugnen / geführet /
welche jetzo vnser Gegentheil führet / vnnd das Wörtlein () gleich / etc. eben auff diesen Schlag außgelegt / als sich diese Leut jetzo
vnderstehen / mögen demnach wol zu sehen / wo sie endtlich hinauß kommen
werden.
Die Cauillation / so auß dem Wörtlein , coëssentialis,
eines Wesens / welchs im Artickel von der heiligen Drey
|| [ID00100]
fältigkeit gebraucht wirdt /
etc. genommen ist / erweiset nicht alleine nichts nicht für das Gegentheil /
sondern ist jhme auch zum hefftigsten zu wider. Dann ob wol in der heiligen
Dreyfältigkeit die Coëssentialitas, die Eynigkeit deß Wesens viel tieffer /
neher / innerlicher vnnd vnaußsprechlicher ist / als wann man von Christi vnnd
vnser Menschlichen Natur redet / jedoch ist Christi Fleisch wahrhafftig Fleisch
von vnserm Fleisch / vnd Bein von vnsern Beinen / etc. Daher auch Tertullianus
de carne Christi recht gesagt / daß es par sey nostrae naturae genere, sed non
vitio Adae, Das ist / Daß es mit vnser Natur eines Wesens oder Art sey / aber
vngleich / so viel die Erbsünde / so von Adam herrühret / belangen thut. Dann
Christus ist seinen Brüdern gleich worden / doch ohne Sünde / Heb. 2. 4.
Dann es heist in diesem Artickel / da von Christi angenommener Menschlichen Natur
gehandelt / das Wörtlein consubstantialis, eines Wesens seyn / eygentlich so
viel / als daß Christi Fleisch vnserm Fleisch / dem Wesen oder der Natur nach /
wie es von Gott erschaffen / durchauß gleich / vnd daß kein Vnderscheidt sey
zwischen demselben / so viel das Wesen der Natur anlangt. Dann wo ein
Vnderscheidt dem Wesen nach were / so köndt CHRISTVS vnser Bruder / vnser
Fleisch vnnd Blut / weder seyn noch genennet werden.
So ist auch das Wörtlein (similis) Gleich / Philip. 2. Hebr. 4. nicht dem
Wörtlein Consubstantialis, eines Wesens seyn / entgegen gesetzt / also daß es
solt einen Vnderscheidt zwischen Christi vnd vnser Menschlichen Natur / dem
Wesen nach / machen oder anzeigen / das sey ferrne: Sondern dahin ist es
gerichtet / daß es zu verstehen gebe / Christus sey nach seiner angenommenen
Menschlichen Natur nicht alleine / so viel das Wesen der Natur selbst anlangt /
vns gleich ein warhafftiger Mensch geboren / sondern er habe auch alle
Schwachheiten / so Menschlicher Natur / von wegen der Sünde / anhangen / doch
freywillig an sich genommen / vn̅ sey an Geberden als ein ander
Mensch erfunden / sey müde / traurig / betrübt / etc.
|| [45]
worden / doch alles ohne Sünde
/ Hebr. 4. Vnd das alles darumb / damit er vns von solchen Schwachheiten / so
vns Menschen oder vnser Menschlichen Natur / der Sünde wege̅ /
auffligen / gnädig erlösete vnd recht frey machete. Was thut aber dieses darzu /
daß kein Vnderscheid zwischen Christi vn̅ vnserer Natur / dem
Wesen nach / seyn solle / so doch der Apostel an gemeldten Orten davon gar nicht
redet / sondern eben das Widerspiel beweist?
Also gehet auch Augustini Spruch contra Iulian. Arianum: (Totus homo
transgrediendo peccauit, & si totus transgrediendo peccauit, totus peccati
sui vitio perijt, & c. Si autem totus perijt, totus beneficio Saluatoris
indiguit, totum Christus veniendo saluauit, non corpus aut animam, sed corpus
& animam, quibus constat totus homo, & quibus peccasse ante videtur,
assumsit. Das ist: Der gantze Mensch hat durch seine Vbertrettung gesündiget /
vnnd weil er gantz gesündiget / so ist er auch gantz / von wegen seiner Sünde /
verdorben / Ist er aber gantz verdorben / so bedarff er auch gantz der Wolthat
deß Erlösers / vnd Christus hat jhn durch sein Zukunfft in die Welt vnd
Menschwerdung gantz errettet / nicht den Leib oder die Seele / sondern Leib vnd
Seele / damit der gantze Mensch gesündiget hatte / angenommen) nicht wider vnser
Lehre / sondern bestettigt viel mehr vnser Kirchen Bekändtnüß von diesem
Artickel.
Dann wir bekennen / daß der gantze Mensch mit Leib vnnd Seel gesündiget habe vnnd
verdorben sey / doch nicht also / wie das Gegentheil deutet / nem̅lich / daß er durch die Sünde also verderbt / daß die Menschliche Natur in ein
newe speciem durch solche Verderbung verwandelt / der Gestallt / daß nun kein
Vnderscheidt mehr zwischen der Sünde vnd verderbten Natur vbrig. Dann wo das
Wörtlein Verderbung in dem Verstande hie solte genom̅en werden /
müste vnwidersprechlich folgen / daß Adam durch die Sünde gantz vertilgt / vnnd
ein ander newes vom vorigen vnderschiedenes Wesen vberkommen / welches durchauß
falsch vnd vnrecht: Son
|| [ID00102]
dern
also / daß die gantze Natur deß Menschen durch vnd durch verderbt / sündig /
vngerecht / vnheilig / vnrein vnd böse worden ist / aber doch nicht die
Vngerechtigkeit / Vnheiligkeit / Vnreinigkeit vnnd Boßheit selbst wesentlich.
Dann gleich wie die Gerechtigkeit / Heiligkeit / Reinigkeit vnd Gütigkeit in
Menschlicher Natur vor dem Fall nicht wesentlich die Natur selbst gewest /
sondern in der erschaffenen Natur / als hohe herrliche Gaben geleuchtet / mit
welchen der Mensch / sonderlich in der vernünfftigen Seel vnd Hertzen /
gezieret: Also ist auch die Menschliche Natur nach dem Fall / durch welchen
solche hohe Gaben oder das Ebenbilde Gottes in geistlichen Sachen verlohren /
nicht zur Sünde oder Vnreinigkeit selbst worden / sondern vnrein / vngerecht /
vnheilig / etc. wie sie vor dem Fall / gerecht / heilig vnd rein gewest ist.
Wann dieses vom Gegentheil in Gottes Furcht betrachtet würde / were dieser Streit
baldt auffgehaben. Aber es ist bey diesen halßstarrigen Köpffen vmb sonst. So
sindt sie auch durch Gottes Verhängnüß mit greifflicher Blindheit geschlagen /
daß sie weder sehen noch verstehen wöllen / daß ein anders ist / sündig / vnrein
/ vngerecht / dem Gesetz Gottes vngleichförmig worden seyn / vn̅
die Sünde / Vnreinigkeit vn̅ Vngerechtigkeit selbst worden seyn.
Vnrein / vngerecht. etc. worden seyn / begreifft zwey vnderschiedliche Dinge /
nem̅lich das subiectum oder die Menschliche Natur / vnnd die
Vnreinigkeit / dadurch sie durch vnd durch vervnreiniget vnd verderbt ist.
Also ist es wahr vnd recht / daß Augustinus schreibt / der gantze Mensch sey
durch die Sünde verdorben / Das ist / gantz vnrein vnd vngerecht worden / aber
nicht die Vnreinigkeit vnd Vngerechtigkeit selbst. Dan̅ wie vor
dem Fall oď der Verderbung Adams Natur wol gerecht / heilig vnd rein war / aber
nit die Gerechtigkeit / Heiligkeit vnnd Reinigkeit selbst: Also auch nach dem
Fall ist seine Natur wol vnrein / vngerecht vnd vnheilig an Leib vnd Seele
worden / aber nicht die Vnreinigkeit / Vnheiligkeit vnnd Vngerechtigkeit
|| [46]
selbst / welchs doch seyn
müste / wo ferrn deß Gegentheils Meynung bestehen solte.
Solcher Gestallt bestettiget auch dieses vnser Bekändtnüß / daß Augustinus fein
rundt vnd deutlich schreibet / daß Christus die gantze Menschliche Natur / damit
der Mensch gesündiget / angenommen vnd gantz erlöset habe. Hat er die
Menschliche Natur / damit der Mensch gesündiget / angenommen / vnd hat sie gantz
erlöset / wie kans dan̅ wahr seyn / daß Christi angenom̅ene Menschliche Natur / so viel das Wesen betrifft / vnser
Menschlichen Natur soll vngleich vnd von derselben wesentlich vnd nicht alleine
nach der Sünde vnderschieden seyn?
Da auch kein Vnderscheid zwischen der Sünde vnd Menschlichen Natur selbst / wie
köndte es wahr seyn / daß Augustinus schreibet vnnd lehret / der HERR Christus
habe vnser Leib vnnd Seel / damit wir gesündiget / welche er auch angenommen /
gantz erlöset?
Wir bekennen gantz gerne / daß Christus die verderbte / vngerechte vnnd gantz
vnheilige Menschliche Natur erlöset habe vnnd selig mache / dann das lehret die
gantze heilige Schrifft. Aber darauß schleust sich nicht / daß er die Sünde
selbst erlöset habe / wie das Gegentheil streitet. Die vnheilige Natur hat er
erlöset von der Vnheiligkeit vnd Sünde / auff daß die erlösete Natur selig würde
/ die Sünde selbst aber hat er nicht erlöset. Sündige Natur / vnreine Natur /
die Sünde vnnd Vnreinigkeit selbst / sindt nicht einerley. Dann wo sie einerley
weren / so hiesse es nicht: Er hat die Menschliche Natur von der Sünde vnd
Vnreinigkeit erlöset / daß sie möge selig werden: Sondern es müßte heissen: Er
hat die Sünde vnd Vnreinigkeit selbst erlöset / daß sie selig werde. Wo bliebe
aber das / das die gantze Schrifft lehret / daß Christus vmb vnser Menschen vnd
vnser Seligkeit willen Mensch worden sey? Item / daß er kommen sey / die Sünder
selig zu machen von jhren Sünden. Sünder / sagt er / vnd nicht die Sünde.
|| [ID00104]
Endtlich / was D. Lutheri Wort Genes. cap. 3. anlanget: Die Erbsünde sey von dem
Wesen deß Menschen / erkläret er sich selbst / wie er das (Wort) Wesen allda
wölle verstanden haben / nem̅lich nicht darvon / daß die Erbsünde
deß verderbten Menschen Wesen vnd Natur selbst sey / wie das Gegentheil jhm
seine Wort deutet: Sonder daß sie sey eine gantz tieffe vnnd grewliche
Verderbung der gantzen Menschlichen Natur vnd Wesens. Dann also schreibt er an
gemeldtem Ort / das Gifft der Erbsünde sey dermassen durch vnser Fleisch / Leib
/ Seele / Adern / Blut / Bein vnd Marck / im Willen / im Verstande / in der
Vernunfft außgebreitet / daß es nicht alleine nicht vollköm̅lich
darauß könne getilget werden / sonder auch nicht erkandt wirdt / daß es Sünde
sey. Vnd abermals: Die Natur bleibe wol / aber in viel Wege verderbt. Vnd Genes.
1. schreibet er: Manserunt quidem intellectus & voluntas, sed valde vitiata
vtraque. Der Verstandt vnnd Wille sindt blieben / aber beyde vber die Massen
sehr verderbt. Wie dann dergleichen Sprüche droben mehr auß Luthero eyngeführet.
Also schreibt er auch 1. Tomo Ienensi: Essentiale voco, quia per natiuitatem
contrahimus, nec cessat aliquando, sicut actuale. Das ist / Ich heisse die
Erbsünde eine wesentliche Sünde / derwegen / daß wir sie durch die Geburt oder
Empfängnüß vberkommen / vnd daß sie nicht also auffhöre / als die wirckliche
Sünde. Darauß vberflüssig erscheinet / daß Lutherus mit dem Wort / essentiale
oder wesentlich / das nicht wölle verstanden haben / daß nem̅lich
die Erbsünde deß verderbten Menschen Wesen oder Natur selbst sey: Sondern daß
der Mensch in der Empfängnüß vnd Geburt in seinem Wesen die Erbsünde vberkomme /
vnnd daß sie nicht auffhöre / wie die wircklichen Sünden zu weilen auffhören /
vnnd nicht allzeit im Gang oder Lauff sindt.
Bleibet demnach fest vnnd vnwidersprechlich wahr / daß Christus die Erbsünde
selbst nicht erlöset / sondern daß er vnser verderbte Natur von der Erbsünde
erlöset habe / vnnd daß / wann
|| [47]
man der Schrifft nach also vnderschiedlich von der Erbsünde vnnd Erlösung der
Menschlichen Natur von der Erbsünde redet / Christo seine gebürliche Ehre
gegeben werde. Vnd werden diese Leut freylich zu seiner Zeit einen harten Standt
darumb außstehen müssen / wo sie nicht in der Gnaden Zeit Busse thun / daß sie
solche grewliche Lästerung / daß nem̅lich Christus die Erbsünde
selbst erlöset habe / so halsstarrig vnd ohne eynigen Grundt der Warheit
verteidiget haben.
Verantwortunge deß Grundes auß dem dritten Artickel deß Glaubens von der
Heiligung / daß die Erbsünde nicht vnser verderbte Natur selbst sey / sondern
eine tieffe Verderderbung derselben / daruon wir abgewaschen vnd gereiniget
werden / etc.
VNser oder deß Christlichen Concordi Buchs Argument ist dieses:
Woruon Gott den Menschen abweschet / reyniget vnd heyliget / das ist der Mensch
selbst nicht: Von der Erbsünde aber weschet vns Gott der Heilige Geist abe /
reyniget vnd heiliget vns.
Derwegen so kan ja die Erbsünde der Mensch selber nicht seyn. Dieses Argument ist
vnaufflößlich vnnd vnwidersprechlich wahr / wie es hernach ferrner soll
dargethan werden.
Das Gegentheil bekennet auch selbst / daß vnser Schlußrede gut / wanns wahr were
/ daß ein Vnderscheid zwischen der verderbten Natur vnd der Erbsünde selbst /
etc. were. Vermeynt aber / es sey keiner. Darumb könne es nicht bestehen.
|| [ID00106]
Daß aber ein Vnderscheid sey / ist bißhero dermassen gründtlich erwiesen / soll
auch hinfürter der Gestallt dargethan werde̅ / daß / welchs fromb
Hertz nur Lust zur Warheit hat / solchs greiffen könne.
Ist demnach zumal kindisch / daß das Gegentheil / gleich als hette es seinen
Gottslästerlichen Schwarm schon erhalten / zufähret / vnd will vnser beständige
Schlußrede oder Argument vmbkehren vnd also folgern:
Was getaufft / geheiliget / etc. wird / das ist vnnd kan anders nicht / denn
Sünde oder Erbsünde / das ist / vngerecht vnd dem Gesetz Gottes zu wider seyn /
ausser Christo vor der Widergeburt.
Der gantze Mensch oder deß gantzen Menschen widerstrebende Natur wirdt getaufft /
geheiliget.
Darumb kan sie nichts dann Erbsünde seyn / etc.
Denn erstlich nimpt es vergeblich pro confirmato & concesso, als erwiesen vnd
gestanden / an / das doch im Grunde sein pur lauter Gedicht vnd nichts ist.
Wen̅ man deß Concordi Buchs Argument verwerffen wolte / so müst
mans zuuor mit Grunde vnd Bestande widerlegt habe̅ / ehe den̅ man sich solcher Inuersion / welche doch auch für sich nichts
vberall taug / gebraucht hette / aber da fehlets alles an / dann solchs nicht
geschehen / auch nimmermehr geschehen wird.
Zum andern / so viel aber die erste Proposition oder Rede deß Gegentheils in
jhrem Argument anlangt / ist dieselbige durchauß falsch / kan auch in alle
Ewigkeit mit keinem beständigen Grunde der Warheit auß der Heiligen Schrifft
befestiget werden. Sintemal die Heilige Schrifft an keinem Ort / auch nicht mit
einigem Wörtlein / sagt oder lehret das / was getaufft vnd geheiliget werde /
das sey die Erbsünde selbst: Sondern das sagt sie / daß alle Heiden oder / das
eben so viel ist / alle Menschen sollen getaufft vnd geheyliget werden. Matt.
28. Vnd Johan. 3. spricht der HERR Christus nicht: Es sey dann / daß die
Erbsünde widergeboren werde / so kan sie nicht ins Himmelreich kommen: Sondern:
Es sey denn / daß je
|| [48]
mands (redet von erschaffnen Menschen) auß dem Wasser vnnd Geist new
geboren werde / so kan er nicht ins Himmelreich kommen. Actor. 2. spricht
Petrus. Es lasse sich ein jeglicher täuffen zu Vergebung der Sünde / etc. Das
heißt ja nicht so viel / wie solchs alle fromme Hertzen verstehen / als: Es
lasse ein jeglicher die Erbsünde täuffen zur Vergebung der Sünden. Vnnd Galat.
3. spricht Paulus: Wie viel ewer getaufft sindt / die haben Christum angezogen.
Da kan ja das Wörtlein (Quotquot) wie viel ewer getaufft sind / etc. nimmermehr
also gedeutet werden: Wie viel Erbfünden getaufft sind / die haben Christum
angezogen / man wolle dan̅ alles mutwillig vnd fürsetzlich
verkehren.
Zum dritten ordnet das Gegentheil seine erste Proposition also / daß es damit
gnugsam zuuerstehen gibt / daß es selbst nicht verstehet / was es setzet oder
saget. Dann so lautet die erste propositio oder Rede: Was getaufft / geheiliget
/ von Sünden abgewaschen / gereinigt vnd selig gemacht soll werden / das ist
vn̅ kan anders nichts denn Sünde oder Erbsünde / das ist /
vngerecht / dem Gesetz zuwider / verloren vnd verdampt seyn / ausser Christo vor
der Widergeburt vnd Seligmachung.
Dan̅ das Wort (Abwaschen) gibt ja vnwidersprechlich / daß ein
subiectum sey / welchs abgewaschen wirdt in der Tauffe / etc. Vn̅
ein anders / das von demselbe̅ subiecto oder Menschen / der
getaufft / abgewaschen wirdt / wie solchs menniglich verstehet.
Eben diesen Verstandt gibt auch das Wort (Reinigen) da ja freylich ein
Vnderscheid ist vnter dem subiecto oder Menschen / der in der Tauffe von Sünden
soll gereiniget werden / vnnd vnter der Sünde / dauon der Mensch gereiniget
wirdt.
Also auch das Wort (Seligmachen von Sünden) kan anderst nicht gedeutet werde̅ / als vom Mensche̅ / welcher in der Tauffe von
Sünden soll gewaschen vnd gereinigt werden / daß er die Seligkeit vberkomme.
|| [ID00108]
Sonderlich aber ist dieses zu mercken / daß das Gegentheil seine eygene Rede also
deutet: Was getaufft vnnd von Sünden abgewaschen wird / das ist Sünde oder
Erbsünde / das ist / vngerecht / de̅ Gesetz zu wider / etc. Da es
entweder selbst nit verstehet / was es saget / oder aber befindet / daß es
geschlagen sey / vn̅ demnach wider sein eygen Gewissen seine
jrrige Meynung verteydiget. Dann ist das verderbte Wesen deß Menschen die
Erbsünde selbst / vnd kan nichts anders seyn / wie es sonst für vnnd für
streitet / so bestehet die Glossa oder Deutung nicht / die es hie seinen eygnen
Worten anschmieret / nem̅lich: Was getauffet etc. wird / ist Sünde
/ das ist / vngerecht / dem Gesetz zuwider / etc. Denn Sünde selbst seyn / vnd
vngerecht vnnd dem Gesetz zuwider seyn / sind vnd werden nim̅ermehr einerley / wie solchs bißhero außführlich dargetha̅. Wil
es nun seine jrrige Meynung / daß kein Vnderscheid vnter der Sünde vnnd der
verderbten Menschlichen Natur sey / behalten / so muß es diese Glossam oder
Deutung entweder gantz vnd gar fahren lassen (Was getaufft wird ist Sünde / das
ist / vngerecht / vnnd dem Gesetz zu wider) oder aber es muß gestehen / daß die
Erbsünde vnd der Mensch / der getaufft wird / nicht einerley sind. Ist der
verderbte Mensch die Sünde oder Verderbung selbst / so stehet die Glossa nicht
(Der Mensch ist vngerecht / das ist / Sünde) Dan̅ das Wort /
Vngerecht / begreifft zweierley / nem̅lich deß verderbten vnd
vngerechten Menschen Natur / vnd die Verderbung oder Vngerechtigkeit / so in der
verderbten Natur ist. Vngerecht seyn / vnd die Vngerechtigkeit selbst wesentlich
seyn / sind vnderschiedene Ding. Soll aber die Glossa oder Deutung: Der
getauffte Mensch ist die Sünde oder Erbsünde / das ist / vngerecht / etc. fest
stehen vnnd recht seyn / so fellet jhr gantze jrrige Meynung zu Grundt vnnd zu
Boden / da sie streiten / es sey kein Vnderscheid zwischen der Sünde vnnd der
verderbten Natur deß Menschen. Item: Die Erbsünde selbst werde getaufft vnnd von
Sünden abgeweschen. Dann / wie gemeldt / die Sünde selbst oder Vngerechtigkeit
selbst seyn / vnd vngerecht seyn / bleiben für vnd für
|| [49]
vnderschieden / vnd werden
nimmermehr einerley / darauff sie doch mit aller Macht dringen.
Schleust also jhr Argument durchauß nichts. Dan̅ behalten sie jhren
Irrthumb / darüber sie bißher so viel Gewirres angerichtet haben / daß Erbsünde
vnd verderbte Natur einerley sind / vnd nicht können vnderschieden werden / so
müssen sie jhre erste Proposition ändern / vnd die Glossam: Das getaufft wird /
das ist Sünde / das ist / vngerecht / etc. aussen lassen. Wollen sie aber
ermelte Glossam behalten / so müssen sie gestendig seyn / daß jhre Lehre / da
sie verläugnen den Vnderscheid zwischen der Erbsünde vnnd der verderbten Natur /
falsch vnd jrrig sey. Dann beydes kan nicht heyeinander bestehen / sie verdrehen
sich wie sie wöllen.
Vber das schreibt auch das Gegentheil selbst / der Mensch(C. j. fac. ij.) oder sein verderbte Natur werde
getaufft / vnnd vom Heiligen Geist newgeboren / etc. Ist nun das wahr / so muß
ja das ander falsch vnd vnrecht seyn / daß die Sünde oder Erbsünde selbst
getaufft vnnd vom Heyligen Geist newgeboren werde / sintemal Erbsünde / Mensch
oder sein verderbte Natur zweierley vnnd nicht einerley seyn.
Kompt das Gegentheil drauff vnd will erweisen / das Concordi(C. 2. fac. 2.) Buch erkläre die phrases
scripturae oder die Art zu reden in Heiliger Schrifft nicht recht / da die
Schrifft sagt: GOTT wäschet ab vnd reyniget den Menschen von der Sünde. Dann es
lege sie also auß / daß GOTT in der Tauffe die Erbsünde / als ein zufälliges
böses Ding / von der verderbten Natur abwasche vnd reynige / etc. Vnnd muß doch
selbst eben an erwehntem Ort bekennen / daß es wahr sey / daß von Sünden waschen
vnd reynigen heisse eben so viel / als Sünde vmb Christi willen auß Gnaden
vergeben / zudecken / nicht zurechnen / sondern die Gerechtigkeit Christi
zurechnen durch den Glauben / welchs dann die gewisse Warheit ist.
|| [ID00110]
Hie wird billich gefragt: Wann von Sünden reynigen eben so viel heißt / als Sünde
vmb Christi willen auß Gnaden vergeben / zudecken / nicht zurechnen / sondern
die Gerechtigkeit Christi zurechnen durch den Glauben / etc. Wem dann vmb
Christi willen die Sünde auß Gnaden vergeben / zugedeckt / vnd nicht zugerechnet
werde / etc. Sprechen sie / solchs widerfahre der Erbsünde selbst / die / jhrer
Meynung nach / getaufft wird / so were die Erbsünde selbst das subiectum,
welchem die Sünde auß Gnaden vergeben würde / so müste folgen / daß die Erbsünde
bliebe / als ein subiectum, die Sünden aber würden jhr vergeben vnnd vmb Christi
willen nicht zugerechnet. Vnnd müsten also der Erbsünde jhre wirckliche Sünde
vmb Christi willen auß Gnaden nicht zugerechnet werden. Auff diese Weise / wie
gemeldt / bliebe die Erbsünde gantz stehen / vnnd würden allein die wircklichen
Sünden / als Früchte / von jhr genommen: Es würde auch / dieser Meynung nach /
die Erbsünde selbst ewig selig / dann was Vergebung der Sünden hat / das ist vnd
wirdt ewig selig.
Deß Gegentheils Schwarm nach hat vnnd vberkompt die Erbsünde selbst vmb Christi
willen Vergebung der Sünden. Ergo so wird sie selbst ewig selig vnnd besitzt das
ewige Leben.
Es müste auch dieses folgen: Welchem die Gerechtigkeit Christi durch den Glauben
zugerechnet wird / das ist GOTT lieb / vnnd wirdt von jhm zur Erbschafft deß
ewigen Lebens angenommen / etc. Der Erbsünde wirdt die Gerechtigkeit Christi /
nach dieser Leut falschem Fürgeben / durch den Glauben zugerechnet. Ergo so ist
sie GOTT lieb / vnnd wird von jhm zur Erbschafft deß ewigen Lebens auffgenommen.
Sprechen sie aber / die verderbte Natur / welche vngerecht / sündig vnnd vnrein
ist / werde getaufft zur Vergebung der Sün
|| [50]
den / vnd derselben
werde vmb Christi willen auß Gnaden die Sünde vergeben / zugedeckt vnnd die
Gerechtigkeit Christi durch den Glauben zugerechnet / können sie nicht fürüber /
sie müssen den Vnderscheid zwischen der verderbten Menschlichen Natur vnnd
zwischen der Erbsünde bleiben lassen / vnnd mit vns bekennen / daß nicht die
Erbsünde selbst / sondern die ver derbte Natur das subiectum sey / das zur
Vergebung der Sünden getaufft wird / dem die Sünde vmb Christi willen nicht
zugerechnet werde. Müssen auch ferrner als Gottslästerlich wegwerffen vnnd
fahren lassen / da sie fürgeben / die Erbsünde selbst werde getaufft zur
Vergebung der Sünden / vnnd es sey kein Vnderscheid zwischen der verderbten
Natur vnnd zwischen der Erbsünde.
Darumb / wann der Prophet Zacharias Cap. 13. spricht / die Tauffe sey ein offner
Brunn wider die Sünde / redet er ja von Menschen / welchen zu gut solcher
Heylbrunn wider die Sünde im Newen Testament solte angerichtet werden / vnd
lehret mit nichten / daß die verderbte Menschliche Natur vnd die Erbsünde ein
Ding sind: sondern daß die Heilige Tauffe den verderbten Menschen oder
Menschliche Natur reynigen soll von der Sünde.
Dem Menschen verheißt er solchen Trost wider die Erbsünde / vnnd nicht der
Erbsünde selbst. Dann sonst tröstet GOtt durch Zachariam nicht die armen Sünder
/ vmb welcher Seelen Heyl vnd Seligkeit willen es dem lieben Gott zu thun ist /
sondern die Sünde selbst / welchs auch abschewlich zu hören ist.
Ebner Massen verhält sichs auch mit den andern Sprüche̅ / Luc. 3.
da die Tauff eine Tauff zur Vergebung der Sünden genannt. Vn̅ Act.
2. Lasset euch täuffen zur Vergebung der Sünde̅ / etc. Vnd was
dergleiche̅ mehr sind. Da alle verständige vn̅
erleuchtete Hertze̅ bald sehe̅ / daß die Tauffe
eingesetzt sey zu Vergebung der Sünden.
|| [ID00112]
Lieber wem zu gut ist sie dann darzu eingesetzt? der Erbsünde selbst? Keines
Weges. Dann der Heilige Geist spricht nicht / daß die Tauffe der Erbsünde oder
für die Erbsünde selbst solte eingesetzt seyn / zur Vergebung der Sünden /
sondern den verderbten Menschen / daß denselbigen die Sünde in vnnd durch die
Tauffe / als ein Bad der Widergeburt / vergeben werden. Wo auch deß Gegentheils
vngereimbte Deutung bestehen solte / so müsten der Erbsünde in der Tauff jhre
Sünde vergeben werden. Dann wo die Erbsünde selbst zur Vergebung der Sünden
getaufft würde / müste ja vnwidersprechlich folgen / daß der Erbsünde selbst in
der Tauffe Vergebung der Sünden widerführe / welchs ein grausame Gottslästerung
vn̅ Tauffschändung ist / vnd dem armen Sünder / der getaufft
wird zur vergebung der Sünden / auff einmal allen Trost auß dem Hertzen raubet
vnd hinweg nimpt.
Summa / die Wörter der Schrifft: Lasset euch täuffen zur Vergebung der Sünden:
Vnd wer getaufft wird / der wird selig / etc. die lassen sich keines Weges also
schändtlich vnnd Gottslästerlich vorkehren / daß sie eben so viel heissen solten
/ als die Erbsünde selbst lasse sich täuffen zur Vergebung der Sünden. Item:
Welche Erbsünde getaufft wird / die wird selig. Dann also müsten diese Sprüche
der Schrifft lauten / wan̅ deß Gegentheils Meynung solte Grundt
haben. Die Art zu reden: Ein jeglicher vnter euch lasse sich täuffen / etc. kan
nicht so viel heissen / als die Erbsünde selbst lasse sich täuffen. Dann der
Heilige Geistredet ja außdrücklich von den armen verderbten Sündern / die sich
zur Vergebung der Sünden / oder daß jhnen die Sünden vergeben werden / sollen
täuffen lassen / vnd nicht von der Erbsünde selbst / welche jhnen in der Tauffe
soll vergeben werden. Weil dann dem also ist / so muß ja auch wahr seyn vnd
bleiben / daß ein Vnderscheid sey zwischen den sündigen Menschen / welche
Vergebung der Sünden bedürffen / vn̅ zwischen der Sünde / so jhnen
in der Tauffevergeben werden. Dieses ist so klar / daß es mit Grundt der Warheit
nicht kan vmbgestossen werden.
|| [51]
Also das Wörtlein (wer getaufft wirdt) heist freylich nicht die Erbsünde selbst /
sondern es redet von Menschen / so mit vnnd durch die Erbsünde verderbt sindt /
vnnd demnach / wo sie wöllen selig werden / der Vergebung der Sünden oder
Seligkeit / so durch die Tauffe / als ein Mittel vnd Werckzeug Gottes darzu
verordnet / mitgetheilt wirdt / von nöhten haben. Darumb ist es wol zu erbarmen
/ daß diese elende blinden Leyter beydes sich selbs vnd andere mit jhrer
schändtlichen Gauckeley so jämmerlich verführen vnd auffhalten sollen. Wolan
verständige Hertzen werden dieses mercken.
Demnach aber das Gegentheil etlicher Massen vernimbt / daß sein Plauderwerck
nicht Grundt hat / so fähret es fort / vnd vnderstehet sich zu erweisen / daß
die Widergeburt deß Menschen eine wesentliche Widergeburt sey / darinnen der
Mensch / der vorhin vor der Tauffe die wesentliche Sünde oder Erbsünde selbst
gewest / wesentlich widergeboren / vnd wesentlich zum newen Menschen werde /
dessen Natur wesentlich von deß vorigen Natur vnterschieden sey / etc. Welches
abermal ein teuffelische Gotteslästerung ist / vnnd weder mit heiliger Schrifft
/ noch sonst mit einigem Grunde kan gut gemacht werden.
Das bekennen wir mit der gantzen heiligen Schrifft vnd allen reinen Lehrern / daß
nem̅lich der gantze Mensch / der vngerecht / sündig / verderbt
vnd vervnreiniget ist / an seiner gantzen Natur vnd Wesen / Leib vnd Seel /
durch die heilige Tauff / als ein Mittel / widergeboren vnd von Sünden
gereyniget werde / vnd daß die heilige Tauffe den gantzen Menschen an Leib vnd
Seele wider vnd new gebere. Daß er aber also in der Tauffe solte newgeboren
werden / daß sein Wesen oder Natur selbst solte wesentlich verändert / vnd in
ein newes vnnd ander / vom vorigen vnderschieden / Wesen geändert werden / etc.
Da sagen wir rundt vnd dürre Nein zu. Dann solches ein Gedicht ist dieser
verwirreten vnnd halßstarrigen Leute / ausser vnd ohne Gottes Wort / das sie
auch in alle Ewigkeit auß demselben nicht erweisen können.
|| [ID00114]
Da Dauid Psal. 51. betet: Schaffe in mir Gott ein rein Hertz vnd gib mir ein
newen gewissen Geist / bittet er nicht simpliciter vnd ohne Vnderscheid vmb
Schaffung eines newen Hertzens / das wesentlich von dem vorigen vnderschieden
sey / sondern vmb ein rein Hertz / oder / das eben so viel ist / vmb rechte
wahre Reinigkeit seines durch die Sünde verderbten vnnd vnreinen Hertzens. Dann
Hertz vnd rein Hertz sindt vnderschiedene Dinge / wie er auch baldt in folgenden
Worten / da er sagt: Et spiritum rectum in visceribus meis innoua, vnd gib mir
einen newen gewissen Geist / etc. sich dahin erkläret: Gib mir (spricht er)
einen newe̅ gewissen Geist / da er ja sein Leib vnd Seel mit
meynet / on̅ bittet / daß dieselbige mögen geistlich vernewert /
vnd mit geistlichen Gaben gezieret werden.
Vnd hieher gehöret der Spruch Basilij contra Eunom. lib. 4. Dauid inquiens: Cor
mundum crea in me Deus, non aliud cor petit, sed vt id, quod iam esset,
purgaret. Dicta est etiam creatura noua, non velut alia fieret creatura, sed
quòd hi, qui illuminantur, ad meliora opera praeparantur, Das ist / Wann Dauid
betet: Gott schaffe in mir ein new Hertz / bittet er nit ein ander Hertz /
sonder daß dieses / das schon da ist / gereiniget werde. Es wirdt ein newe
Creatur genannt / nicht daß es gleich ein ander Creatur werde / sondern / daß
damit angezeiget werde / daß die / so also erleuchtet / zu bessern Wercken
bereitet werden. Vnd abermals in sermone, quòd Deus non sit author malorum
schreibt er: Non alium occîdit, alium viuficat, sed eundem, per id quod occîdit,
viuificat & percutiendo sanat. Das ist / Er tödtet nicht einen also / daß er
den andern lebendig mache: Sondern eben denselbigen / dadurch daß er jn tödtet /
machet er jhn auch lebendig / vnd in dem er jhn schlecht / heilet er jhn /
etc.
Wie auch D. Lutheri Spruch vber das dritte Capitel Joelis / welchen das
Gegentheil hie für sich eynführet / wider dasselbige bezeuget: Dauid bittet /
daß jhm ein rein Hertz geschaffen werde.
|| [52]
Das ist ein öffentlich
Bekändtnüß / daß er ein Hertz habe / das vnrein / das ist / dem Gesetz nicht
gemeß / sondern zu wider ist / etc. Nuhn begeret Dauid / daß solch sein Hertz
verändert vnd new geschaffen werde / also daß es nicht mehr vnrein sey / das ist
/ daß jhme diese Vnreinigkeit auß Gnaden vergeben vnd verzeihen werde / etc.
Dann da vnderscheidet D. Lutherus außdrücklich / daß Dauid bekenne / daß er ein
Hertz habe / das aber vnrein vnnd dem Gesetz zu wider sey / vnnd bittet / daß
solch sein Hertz verändert vnd new geschaffen werde / das ist / daß diese
Vnreinigkeit jhme auß Gnaden vergeben vnd abgethan werde.
Das Gegentheil streitet / Dauid bete vmb wesentliche Schaffung oder Enderung deß
Hertzens in ein wesentlich new Hertz / will auch haben / daß dieses D. Lutheri
Meynung sey. Der Christliche Leser sihet aber für sich selbst / daß solches eine
falsche zugenöhtigte vnnd auffgedrungene Deutung sey. Fragstu / was da heisse
ein new Hertz schaffen. Antwortet D. Lutherus mit Dauids Worten / es heisse so
viel / als die Vnreinigkeit der Sünde / die im Hertzen ist / vnnd derwegen es
auch vnrein ist vnd heisset / damit es nicht mehr vnrein sey / auß Gnaden
vergeben. Da kan ja menniglich greiffen / daß Lutherus Dauids seine Wort nicht
in deß Gegentheils Verstandt / von Erschaffung eines neuwen Hertzens nach dem
Wesen selbst / sondern nuhr nach der Reinigkeit gebraucht habe.
Eben das bestättiget auch das Hebreische Wort Chiddesch / quod restaurare
significat, das da heist etwas zu recht bringen / wie es auch D. Lutherus Psal.
51. erkläret. Nun ists aber vnleugbar / daß das Hertz zu recht bringen / vnd dem
Wesen nach ein anders newes Hertz erschaffen / so weit von einander
vnderschieden sindt / als der Auffgang vom Nidergang.
Solches geben auch die Wörtlein (in mir / gib mir) welche vnverneinlich Dauids
sein Hertz / nach dem Wesen / vnnd
|| [ID00116]
Die Enderung oder Ernewerung / so darinn geschicht oder geschehen soll /
vnderscheiden.
Dieses bekräfftigen auch Lutheri Wort / Psal. 51. Tom. 4. Ienensi, fol. 397. Non
est in potestate nostra, tale cor assumere, sed est ereationis diuinae, & c.
Daß wir ein solch rein Hertz bekommen / stehet nicht in vnsern Kräfften /
sondern Gott der HERR muß es schaffen / etc. Tale cor: Ein solch Hertz / spricht
er / da er ja eygentlich mit zu verstehen gibt / daß er nit dem Wesen nach ein
new Hertz verstehe / welches wesentlich von dem vorigen vnderscheiden sey /
sondern von wegen der Reinigkeit vnd Heiligkeit. Aber es muß diesen Leuten alles
/ was sie nur erwischen / jhren falschen vnd jrrigen Wahn bestättigen.
Also Ezech. 11. da Gott spricht: Ich will euch ein eintrechtig Hertz geben / etc.
vnd einen newen Geist in euch geben / vnnd will das steinern Hertz wegnemmen auß
ewerm Leibe / vn̅ ein fleischern Hertz geben / etc. Vnd abermals
Ezech. 36. Ich will euch ein new Hertz vnnd einen newen Geist in euch geben /
vnnd will das steinern Hertz auß ewerm Fleisch wegnemmen / vnd euch ein
fleischern Hertz geben / ich will meinen Geist in euch geben / etc. hat auch
nicht den Verstandt / welchen diese verwirrete Leute Gottes Worten andeuten /
Nem̅lich / daß in der Widergeburt deß Menschen Hertz / nach
dem Wesen / selbst wesentlich solt weggenommen / vnd / dem Wesen nach / jhme ein
ander new Hertz gegeben werden. Dann die phrasis oder Art zu reden: Das steinern
Hertz wegnemmen / vnd fleischern Hertz an die statt geben / heist nichts anders
/ als ein rein / gut / vnnd solch Hertz geben / das Gott vertrawet / glaubet /
vnd nach seinen Gebotten wandelt / oder die Vnreinigkeit / Boßheit /
Hartneckigkeit vnd Halsstarrigkeit deß Menschlichen Hertzens wegnemmen / vnd an
statt derselben im Hertzen Reinigkeit / Heiligkeit / etc. schaffen / oder wahren
Glauben an Christum geben / dardurch wir hernach in seinen Gebotten wandlen
können. Vnd das ist auch Jeremiae Meynung / Cap. 31. da Gott spricht: Ich will
mein Gesetz in jhr Hertz
|| [53]
geben
/ vnnd in jhren Sinn schreiben / wie Christliche Hertzen sehen vnd verstehen.
Dann so lang das Hertz oder Seele / als der König vnnd Regent / nicht gut ist /
so folget das ander nicht: Wann aber das Hertz oder die Seele gut gemacht / das
ist / durch den Glauben gereiniget vnd geheiliget wirdt / da folget der Gehorsam
gegen Gott / vnd die Liebe gegen dem nechsten gewißlich hernacher. Darzu aber
ist nicht von nöhten / daß dem Wesen nach / das Hertz wesentlich new geschaffen
werde / wie vnser Gegentheil schwermet / sondern daß die vorige Vnreinigkeit
vergeben / vnd das Hertz durch den heiligen Geist gereyniget vnnd gläubig
gemacht werde. Also bleibet wol das Hertz dem Wesen nach / aber so viel die
jnnerliche vnd geistliche Reinigung oder Newschaffung anlangt / wirdt es
geändert / das ist / Es wirdt rein / da es vorhin vnrein war / es wirdt gläubig
/ da es vorhin vngläubig war / es wirdt heilig / da es vor vnheilig war / es
fähet an Gott zu lieben / dem es vorhin feind war. Die se Reinigung aber wirdt
erst im Ewigen Leben vollkommen.
Das Gegentheil zeucht an den Spruch Johan. 3. Es sey dann daß der Mensch auß
Wasser vnd Geist wider oder new geboren werde / etc. vnnd will damit bewehren /
daß die Widergeburt wesentlich geschehe / vnd daß die Erbsünde selbst oder die
verderbte Natur / welche seinem Vorgeben nach die Erbsünde selbst wesentlich ist
/ getaufft / gereiniget vnnd new geboren werde. Wer sihet aber nicht / wie grob
vnd greifflich es mit solcher Verkehrung der Wort Christi anläufft? Dann
Christus spricht klar / es sey dann daß der Mensch newgeboren werde. Nuhn heist
aber Mensch in diesen Worten nicht / so viel als die Erbsünde selbst: sondern
das ist Christi intent / der verderbte Mensch müsse an Leib vnd Seele newgeboren
werden / wo er anderst ins Himmelreich kommen solle. Wohin ist aber die
Widergeburt gerichtet? Ist sie dahin / oder zu dem Ende gerichtet / daß sie deß
Menschen gantze Natur / dem Wesen nach / wesentlich vertilgen vnnd ein new Wesen
/ das von dem vorigen Wesen deß vngetäufften Menschen wesentlich vnterscheiden
ist /
|| [ID00118]
machen solle? Trawen Nein:
Sondern dahin / daß die verdampte / vngerechte / sündige Menschliche Natur von
der Sünden durch Vergebung zur Gnaden komme / durch den Glauben gereiniget vnd
geheiliget werde / vnd dann auch durch den Heiligen Geist new Liecht / Leben
vnnd Gehorsam in deß Widergebornen Menschen Hertzen angezündet vnd erschaffen
werde / damit er nach Gottes Geboten wandeln könne.
Ob auch Christus nicht außdrücklich spricht: Es sey dann daß ein vnterschieden
accidens oder zufällige Verderbung newgeboren werde etc. gibt oder nimpt der
Sachen an jr selbst nichts vberall / Sintemal der gantze Mensch an Leib vnd Seel
soll vnnd muß new geboren werden: Nicht aber / wie das Gegentheil tichtet / daß
dz Wesen des Alten Menschens / welchs die Erbsünde selbst seyn soll / abgetilget
/ vnd ein new Wesen / welchs wesentlich von dem vorigen vnterschieden sey /
geschaffen werde / Dann solchs hat der HERr in seinem Wort nicht gelehret:
Sondern das hat er gelehret / daß dem verderbten alten Menschen / der durch die
Sünde an Leib vnd Seel vervnreiniget ist / dieselbige Vnreinigkeit vnd
Verderbung auß Gnaden vmb Christi willen vergeben vnnd nicht zugerechnet werden
solle / vnnd dann auch / daß der Heilige Geist das Hertze verneweren / Glaube̅ / Erkändtnüß Gottes / Anruffung / Friede / Freude / Trost /
Gedult / Hoffnung / Liebe Gottes vnnd deß Nechsten / etc. darinnen erschaffen
solle / darmit es Gott rechtschaffenen Gehorsam / der jme gefällig sey /
hinfürter leisten könne / biß daß es im künfftigen Leben gar vnd vollkömmlich
rein vnd heilig werde.
Also verhält sichs auch mit dem Spruch Pauli / Tit. 3. Durch das Bad der
Widergeburt / etc. Dann er sagt deutlich / Gott mache vns selig durch das Badt
der Widergeburt. Was heist aber da das Wort (Vns) Gott machet vns selig /
freylich nicht die Erbsünd selbst / sondern vns Menschen. Warvon aber machet vns
Gott selig durch das Badt der Widergeburt? Machet er vns
|| [54]
darvon selig durch die
Widergeburt / daß das Wesen deß alten Menschens wesentlich vertilget vnd
abgethan / vnd ein newes Wesen von dem vorigen / der Substantz nach /
vnderschieden / erschaffen vnd der Mensch also wesentlich ein newer Mensch werde
/ vnd eine wesentlich / der Substantz nach / newe Natur vberkomme / wie das
Gegentheil haben will? Keines Wegs. Sondern er machet vns Menschen selig /
spricht der Apostel / Vns Menschen gebieret er new. Warvon macht er vns dann
selig? Darauff antwortet der Engel / Matth. 1. Er wirt sein Volck selig machen
von jhren Sünden. Das heist jha deutlich gnug zu erkennen gegeben / daß in der
Widergeburt oder Rechtfertigung deß Sünders für Gott der Mensch nicht wesentlich
in eine newe Natur verwandelt / sondern daß die alte böse vnnd verderbte Natur
von den Sünden / damit sie vergifftet vnnd verderbt ist / gereiniget oder selig
gemacht werde. Wer das nicht verstehen will / der ist mutwillig Blind / vnd will
betrogen seyn.
Solche richtige vnd warhafftige Außlegung bekräfftigen auch D. Lutheri seine
Sprüche / so das Gegentheil dieses Ohrts eynführet.
Als da er sagt / Paulus spreche / der Mensch müsse eine newe Creatur werden /
etc. ist recht / vnnd wir sagens auch. Lutherus aber sagt nicht / daß die
Erbsünde selbst wesentlich müsse new geboren oder ein newe Creatur werden. Summa
/ Mensch vnd Erbsünde sindt nicht eynerley / wie nuhn vielmals erwiesen.
Derwegen Lutheri Spruch nicht für sie vnd wider vns / sonder wider sie vn̅ für vns ist.
Item / da er spricht / Tom. 5. Ienensi, pag. 248. Der Mensch müsse newgeboren
werden / auß der Sünde zur Gerechtigkeit / auß der Schuld vnd Verdamnüß zur
Vnschuld vnd Gnade / etc. Dan̅ mit disen Worten erkläret er
deutlich / daß er die Widergeburt nicht verstehe / von einer wesentlichen
Veränderung ďverderbten Natur in ein newes vn̅ anders Wesen / das
de̅ vorigen am Wesen vngleich sey / sondern darvon / daß der
Mensch newgeboren werde auß der
|| [ID00120]
Sünde
zur Gerechtigkeit / auß der Schuldt vnd Verdamnüß / zur Vnschuldt vnd Gnade. So
bleibt nun der Mensch / der Natur vnd Wesen nach / der vorige Mensch / aber an
stadt der Sünde bekompt er durch die Widergeburt / Gerechtigkeit / an statt der
Schuldt vnd Verdamnüß / Vnschuldt vnd Gnade / wird also new geboren. Der Mensch
(sagt Lutherus) bekompt diese Ding / vnd nicht die Erbsünde selbst.
(E. ij. fa. 1.)
Das Gegentheil zeucht sonderlich an ein Sprüchlein Lutheri / auß dem andern
Lateinischen Tomo, da er wider Latomum also schreiben soll: Gratia Dei renouat,
mutat, & in nouos homines transformat de die in diem, & res ista seriò
agitur, non respectibus tollendis, sed substantia & vita mutandis. Nun
stehet aber gemeldter Spruch nicht im Buch Lutheri wider Latomum, darauß er
eyngeführet wirdt. Da er auch gleich drinnen stünde / benemme er doch der
Warheit nichts. Dann es ist wahr / daß Gott vnser Wesen vnnd Leben durch seine
Gnade ändert / in dem er die Hertzen der Gläubigen von Tage zu Tage vernewert /
vnd was er für Gaben in denselben angezündet / vermehrert. Daß er aber das Hertz
wesentlich in ein ander Hertz / dem Wesen nach / verwandeln solte / das sagt
Lutherus nicht / sondern ist dieser Leut eigen Gedicht. Also schreibet auch
Hieronymus in 13. Cap. Matth: In ista non mutatur substantia sed voluntas. In
der Erden (oder im Menschen der bekeret) wirdt nicht die Substantz oder das
Wesen verwandelt / sondern der Wille: verstehe in einen newen Willen / oder der
newe Kräfften hat.
(E. iiij. f. 2. vnnd hernach.)
Es ist auch die Frage nicht von der Krafft der heiligen Tauffe / darvon das
Gegentheil viel Wort machet / vnnd wir nicht verneinen / sondern von Hertzen
bekennen: Sondern darvon ist die Frage / Ob die Erbsünde selbst zur Vergebung
der Sünden getaufft vn̅ wider geboren werde. Vnd köndten alleine
die einigen Wort Lutheri diesen gantzen Streit entscheiden / so das Gegentheil
selbst für sich / aber doch fälschlich / anzeucht:
|| [55]
Das Aug allein schlecht Wasser sihet Wie Menschen Wasser giessen / Der Glaub im Geist die Krafft verstehet Deß Blutes Jesu Christi / Vnd ist für jhm ein Rote Flut Von Christi Blut geferbet / So allen Schaden heylen thut Von Adam her geerbet Vnd von vns selbst begangen. Dann in diesen Worten D. Luther sich fein rundt erkläret / daß in der Tauffe die Menschen widergeboren werden / vnd daß die Heilige Tauff allen Schaden heyle von Adam her geerbet / vnd von vns selbst begangen. Da verstehen alle Gottfürchtige vn̅ der Warheit liebhabende Hertze̅ / dz D. Luther erstlich zwische̅ der Erbsünde / welche er eine̅ Schade̅ nen̅et von Ada̅ her geerbet / etc. vnd zwischen vns Menschen / die wir in der Heiligen Tauffe von solchem Schaden sollen geheylet werden / vnderscheide. Zum andern / daß die Heilige Tauffe den Menschen der getaufft wird / dem Wesen selbst nach / nicht ändere / oder in ein anders Wesen wesentlich tranßformiere / sondern den Schaden damit Menschlich Natur vnd Wesen geschlagen vnd verderbt ist / heyle / oder auß gnaden verzeihe vnd wegneme / etc. Zum dritten / daß es Luthero nie in Sinn kommen / daß er halten solte / die verderbte Natur were die Erbsünde selbst wesentlich. Dann wo dieses sein Meynung oder Lehr gewest / so würde er nicht geschrieben haben / daß der Mensch in der Tauff vom Schaden der Erbsünde vnnd wircklichen Sünden geheilet würde: Sondern er würde vnd müste geschrieben haben / daß die Erbsünde selbst von jhrem Schaden / der jhr von Adam angeerbet were / geheilet würde. Das wolte aber zumal eine vngehewre /
|| [ID00122]
Gottslästerliche Lehre seyn. Der
liebe Gott thue einfältigen Hertzen die Augen auff / daß sie die helle Warheit
sehen / vnd sich von diesen Wahnsinnigen Leuten nicht länger also mit der Nasen
vmbfüren lassen.
(F. j. fac. ij.)
Lieber wie reimpt sich auch dieses / daß das Gegentheil schreibet: Wann einer
sagen wolte: Der Mensch kan die Sünde selbst nicht seyn / were das ebe̅ so viel geredt / als der Mensch kan nicht selbst vngerecht vn̅ dem Gesetz Gottes zu wider seyn? Wer hat doch vngereimpter vnnd
kindischer Ding jemals gehöret? Dann die Sünde selbst seyn / vnd selbst
vngerecht vnnd dem Gesetz Gottes zuwider seyn / sind vn̅ werden
nim̅ermehr eynerley Reden vnd Sachen. Fürgebe̅ /
daß der Mensch die Sünde selbst sey / ist Gottslästerung vnd Vnwarheit / lehren
aber / daß der Mensch selbst vngerecht vnd dem Gesetz Gottes zuwider sey / ist
die Warheit vnd recht. Daß aber beyde Reden durchauß einerley seyn solten / wenn
man spricht / der Mensch sey die Sünde selbst / vnnd der Mensch selbst sey
vngerecht / etc. kan noch mag in Ewigkeit mit Warheit vnnd Bestande nicht
beygebracht werden / wie solchs auch die Kinder in Schulen verstehen / welche so
viel gelernet habe̅ / daß sie wissen / was für ein Vnderscheid sey
vnter einem substantiuo vnd adiectiuo. Iniusticiam esse, das ist / die Sünde
selbst sein / ist substantiuum: Iniustu̅ esse, das ist / vngerecht
seyn / ist adiectiuum vnnd begreifft zweierley / den vngerechten Mensche̅ als ein subiectum, vnd die Vngerechtickeit / so im Menschen oder
ins Menschen Natur / als ein böser verderblicher Zufall ist. Da auch folgen
solte / das die Sünde oder Vngerechtigkeit selbst seyn / vnnd vngerecht seyn /
einerley weren vnnd nicht vnderschieden / so müste vor dem Fall der gerechte
Adam nicht ein Me̅sch / sondern Gott selbst gewesen seyn. Sintemal
allein in Gott / vnnd sonst in keiner Creatur weder Engel noch Menschen gerecht
seyn vnd Gerechtigkeit seyn einerley seind / dieweil Gott die Gerechtigkeit
selbst ist / vnnd die Gerechtigkeit in Gott nichts anders ist / dann sein
Göttlich Wesen selbst. Ist aber vor dem Fall die Gerech
|| [56]
tigkeit nicht Adams
Wesen selbst gewest / sondern etwas in seiner Natur vnd Wesen / wie es dann wahr
ist vnd bleibet in Ewigkeit (Es were dann / daß wir in die grewliche
Vnsinnigkeit gerhaten wolten / daß Adam vor dem Fall Gott gewest) so muß auch
vnwidersprechlich folgen / daß Vngerechtigkeit / Boßheit / Vnreinigkeit vnnd
Sünde in Adam vnnd allen Menschen / nach dem Fall / mit nichten Adams verderbte
Natur oder der Menschen verderbte Natur selbst / sondern daruon vnderscheyden
sey. Dieses ist gewißlich wahr.
Das Gott der Erbsünde nicht gnädig sey.
NOchmals kompt das Gegentheil auff die grewliche Gottslästerung(H. j. fac. ij. Vnd hernach.) (wie dann jmmer eins
auß dem andern folgen muß) daß Gott der Sünden selbst gnädig sey / die Sünde
selbst zu Gnaden anneme / vnd vorteydiget dieselbe durch viel Blätter nach
einander. Wir wöllen kürtzlich vnd mit Bestande darauff antworten.
Erstlich aber / was D. Lutheri Sprüche anlangt / da er sich die Sünde selbst
nennet / etc. geben wir diesen warhafftige̅ Bericht / den Lutherus
selbst zeiget / Tom. 4. lenensi ad Galat. Cap. 3. Da er schreibet / wenn man den
Menschen peccatum oder die Sünde heisse / das sey eben so viel geredt / als /
wenn man in latina lingua, anzudeuten / daß einer ein arger böser Schalck oder
scelestus ist / jn ein scelus heisset. Darauß erscheinet / daß das Wort Sünde in
solchen Sprüchen nicht eygentlich heisse die Sünde selbst seyn / sondern so viel
/ als durch die Sünde jämmerlich verderbt seyn.
Wann nun Lutherus hin vnnd wider in seinen Büchern sich die Sünde selbst nennet /
hastu auß diesen seinen eignen Worten die
|| [ID00124]
rechte Erklärung wie du es verstehen
sollest / nem̅lich nicht daß er wesentlich seiner Natur oder Wesen
nach die Sünde selbst sey: sondern dieweil sein Natur gantz vnrein durch die
Sünde vber alle massen verderbt vnd an Gottes Zorn schuldig ist. Vnd das heißt
er abstractiuè geredt seyn / wie seine Wort laute̅ Galat. 3. Da er
also schreibet: Cu̅ peccator venit revera in noticia̅ sui non solu̅ sentit se peccatore̅ co̅cretiuè seu adiectiuè, sed etia̅ abstractiuè, hoc
est, no̅ solu̅ videtur sibi calamitosus, sed ipsa
calamitas, no̅ solu̅ peccator & maledictus, sed
ipsum peccatu̅ & maledictum. Vt in lingua latina cùm
excellenter volumus aliquem significare scelestum, vocamus eum scelus. Das ist /
Wenn ein Sünder recht zu seim selbst Erkändtniß kompt / dunckt jn nicht anders /
dann daß er nicht allein concretiuè, sondern auch abstractiuè ein Sünder sey /
das ist / Es ist jm nit allein also zu Sin̅ / als sey er
calamitosus vnglückhafftig / sondern ipsa calamitas das Vnglück selbst / vnnd
daß er nicht allein ein Sünder vnd verflucht sey / sondern es dünckt jhn er sey
die Sünde vnnd der Fluch selbst. Wie in der Lateinischen Sprache / wenn man
einen auffs aller ärgste schelten will / so spricht man / du bist nicht allein
scelestus ein böser Schalck / sondern auch scelus / das ist / die Schalckheit
selbst.
Wer darauff acht gibt / kan leicht auff alle Sprüche D. Lutheri / so in diesem
Streit vom Gegentheil verkehrlich angezogen werden / antworten / vnd die jrrige
Meynung / welche vnter Lutheri phrasibus, so in concreto vom Sünder vnd Sünde
zusammen reden / eingeschleufft / von sich abweisen / auch andere dafür
bescheidentlich verwarnen.
Fürs ander / so viel aber deß Gegentheils Freffel anlangt / da es vns beschüldigt
/ als solten wir von der Erbsünde auff Manicheisch lehren / daß die Erbsünde ein
abgesondert Wesen were von der Menschlichen Natur / vnd von aussen in dieselbige
kom̅en / etc. Vnd das Gott einer solchen Sünde nicht gnedig
sey / etc. soll hernach im vierdten Theil beständig auff geantwortet werden.
Wöllen hie von
|| [57]
der Häuptsach
handeln / vnd deß Gegentheils Beweiß / damit es darthun will / daß Gott der
Erbsünde gnädig sey / besehen.
Das lange Gewäsch / Gott sey wol der Sünden nicht gnädig nach dem Gesetz / aber
nach dem Euangelio sey er jhr gnädig. Item / nach dem Euangelio bleibe er nicht
der Sünden in Ewigkeit feindt vnnd vngnädig / etc. begreifft eine solche
Gottslästerung vn̅ Verkehrung deß Gesetzes vnd Euangelij in sich /
daß sie auch nicht wol erschrecklicher köndte fürgebracht werden.
Wir sagen rundt herauß / daß weder Gesetz noch Euangelium der Sünde selbst gnädig
sey oder werde in alle Ewigkeit.
Das Gesetz kan der Sünde nicht hold werden / weil es kommen ist die Sünde zu
offenbaren / Rom. 3. dieselbe groß zu machen im Gewissen / Rom. 7. vnd Fühlen
deß Zorns Gottes im Hertzen der Sünden halben zu erregen / Rom. 4. Ja den
Menschen zu tödten. Rom. 7. 2. Corinth. 3.
Das Euangelium aber / ob es wol Gnade vnd Vergebung der Sünden predigt / dannoch
ist solche Predigt nicht dahin gerichtet / daß Gott der Sünde selbst wolle
gnädig feyn oder werden / sondern den Sündern. Christus Matth. 9. spricht nicht:
Ich bin kommen die Sünde zur Busse zu ruffen / derselben gnädig zu werden / vnd
selig zumachen / sondern peccatores, die Sünder oder sündige Menschen. Johan. 3.
Spricht er nicht / Gott habe seinen Sohn gesandt / der Sünden gnädig zu werden /
vnd sie selig zu machen / sondern der Welt / daß sie von jhren Sünden selig
werde.
Der Engel Matth. 1. spricht nicht: Er soll Jesus heissen / das er die Sünde selig
mache oder derselben Gnad erzeige / sondern daß er sein Volckselig mache von
jhren Sünden. Paulus 1. Timoth. 1. spricht nicht / Christus Jesus sey in diese
Welt kommen / der Sünden gnädig zu werden oder Barmhertzigkeit zu erzeigen /
sondern jhme selbst. Mir / sprichter / ist Barmhertzigkeit widerfahren / etc.
Item / er spricht nicht / Jesus Christus sey in die Welt kommen die Sünde selig
zu machen / sondern die Sünder. Darumb ist es
|| [ID00126]
eine grewliche Gottslästerung /
tichten / daß das Euangelion der Sünden Gnade predige / oder daß Gott der Sünden
selbst gnädig sey oder werde / dafür sich alle fromme Hertzen mit Ernst hüten /
vnnd dieselbige als ein recht Teuffels Gifftmeiden vnd fliehen sollen.
Die Zeugniß der Schrifft / so vom Gegentheil / ermeldte Gottslästerung zu
bestätigen / eyngeführet werden / beweisen durchauß nichts in dieser Sache.
Psal. 25. betet wol Dauid vnd spricht (wie es D. Lutherus vertiert hat) Sey
gnädig meiner Missethat / die da groß ist. Wan̅ man aber
eigentlich wissen will / obs Dauidis vnd Lutheri Meynung sey / daß Gott der
Sünden selbst gnädig seyn wölle / oder aber viel mehr / daß er den Menschen /
die vmb Gnade bitten / die Sünde vergeben wölle / so gibt solchs zum theil die
Heilige Sprach selbst / zum theil auch die Version / so D. Lutherus gebrauchet.
Denn das Wort Hahselicha, Condonabis peccatum meum / du wirst mir meine Sünde
vergeben / welches dieses Orts im Hebreischen Text stehet / heißt eigentlich
nicht so viel / als: Der Sünden selbst gnädig seyn / sondern dem sündigen
Menschen / der mit grossen Sünden behafftet / Gnade beweisen oder
Barmhertzigkeit widerfahren lassen / da jhme sonst der Sünden halb nichts denn
Zorn vnnd Straffe gebürete. Die versio Lutheri aber / ob sie wol hat: HERR sey
gnädig meiner Missethat / die da groß ist / verstehet sies doch nicht von der
Sünden selbst / daß Gott derselben wölle gnädig seyn / sondern von Dauid vnnd
allen betrübten Hertzen / so vmb Vergebung jhrer Missethat ernstlich bitten /
daß jhnen GOTT jhre Missethat nicht zum Verdamniß zurechnen / sondern Gnade
erzeigen wolte / vnnd auß Barmhertzigkeit auff vnnd annehmen. Heist also: Sey
gnädig meiner Misserhat / anders nichts / als: Rechne mir meine Misse
|| [58]
that nicht zu / sondern
vergib mir dieselbe auß Gnaden. Dann Dauid betet vmb Gnade oder Verzeihung der
Missethat / vnd nicht die Sünde selbst.
Zu dem so hat auch Lutherus dieses Wort Psal. 103. da es auch stehet / auff diese
Weise gegeben: Der dir alle deine Sünde vrgibt. Vnd Psal. 130. Dann bey dir ist
die Vergebung.
Darauß klar erscheinet / daß weder Dauid noch Lutherus gehalten haben / daß Gott
der Sünde selbst gnädig werde.
Vnd zwar daß Dauid nicht gelehret habe / daß GOtt der Sünden selbst gnädig sey
oder werde / erscheinet auß gemeltem 25. Psalm vberflüssig / dann da
vnderscheydet er mit deutlichen Worten zwischen dem Sünder vnnd der Sünde: Da er
spricht: Gedenck nicht der Sünden meiner Jugendt vnnd meiner Vbertrettung:
Gedencke aber mein nach deiner Barmhertzigkeit / vmb deiner Güte willen.
Deßgleichen auch auß dem 51. Psal. Da er spricht: GOTT sey mir gnädig nach
deiner Güte / vnnd tilge meine Sünde nach deiner grossen Barmhertzigkeit. Er
bittet ja / GOTT wölle jhme / als einem armen Sünder / gnädig seyn / die Sünde
aber wölle er abtilgen nach seiner Barmhertzigkeit: Das heist ja nicht gelehret
/ daß GOTT der Sünde oder Erbsünde selbst gnädig sey. Exodi 32. stehen diese
Wort: Kehre dich von dem Grimm deines Zorns / vnnd sey gnädig vber die Boßheit
deines Volcks. Vnnd abermal: Ach das Volck hat eine grosse Sünde gethan / vnd
haben jhnen güldene Götter gemacht / nun vergib jhnen jhre Sünde. Das soll nun /
deß Gegentheils Fürgeben nach / so viel heissen / als: GOTT ist der Sünden
gnädig. Wenn deß HERREN Grimm dermal eins angehen wirdt / wirdt er solche
Verkehrer zu Grundt verderben / wo ferrn sie nicht bey Zeit Busse thun.
|| [ID00128]
Mit einem Wort auff ermelte Verkehrung zu antworten / ist es gewiß / daß der
erste Spruch in Mose nicht von dem malo culpae, oder von der Sünde selbst rede /
sondern von dem malo poenae, das ist / von den Straffen der Sünden / wie solchs
für sich selbst klar ist auß Mosis Worten / so er an gemeltem Ort in der
Heiligen Sprache brauchet. Dann so lauten die Wort eigentlich nach der Heiligen
Sprache: Poeniteat te mali huius contra populum tuum, &c. Ach HERR laß die
Straff fallen / so du vber dein Volck beschlossen / oder jhm gedrawet hast. Wie
solchs der Sprach verständigen wol wissen / vnd auch auß bald folgenden Worten
zu vernemen ist / da Moses schreibet vnnd spricht: Es gereuwet den HERRN das
Vbel / das er drewete seinem eigenen Volck zu thun. Dann in der Heiligen Sprache
allda eben dasselbige Wort stehet / malum oder Vbel oder Straffe / das in Mosis
Gebet kurtz zuuor gebraucht wird / vnd von D. Luthero durchs Wort (Boßheit)
gegeben worden. Heißt also / eigentlich zu reden: Erlaß oder vergib deinem Volck
die woluerdiente Straff / so sie mit Auffrichtung deß gülden Kalbes vnnd
Anbetung desselben verwircket haben.
Daß aber das ander Gebet: Nun vergib jhnen jhre Sünde / diesen wünderlichen
verwirreten Köpffen eben so viel heissen muß / als: Biß jhrer Sünden gnädig /
vn̅ daß darauß erfolge / Gott sey der Sünden selbst gnädig /
verstehen vnnd sehen alle fromme Hertzen / daß es ein lauter Gedicht vnd
schändtliche Verkehrung sey Göttliches Worts / welche Gott an diesen Leuten
nicht wirdt vngestrafft lassen. Dann Moses (wie es Lutherus vertirt hat) spricht
deutlich: Vergib jhnen jhre Sünde / vnd nicht: Biß der Sünde selbs gnädig. Das
Wörtlein (jhnen) welches Lutherus in seiner Tranßlalation hat / leidet auch
solche Verkehrung nicht. Zu dem daß auch die Heilige Sprache an gemeltem Ort
braucht die Wort Thissa Chatthatham, das ist / nim weg jhre Sünde.
Exodi cap. 34. wirdt das geringste nicht befunden / das dahin könte gedeutet
werden / als solte Gott der Sünden selbst gnädig
|| [59]
seyn: Sondern die Wort gehen
dahin / daß / weil Gott barmhertzig vnd gnädig / gedültig vnd von grosser Gnade
vnd Trewe sey / auch Sünde vnd Vbertrettung vergebe / so wölle er gnädig seyn /
vnnd Sünde nicht zurechnen / gegen vns armen Menschen / das heist aber noch
lange nicht so viel / als der Sünden selbst gnädig seyn.
Daß aber das Gegentheil fürwendet / Gott sey auch vnserer Erbsünde / das ist /
vnserm alten Adam oder gantz verderbten Wesen / etc. gnädig / ist sein Gedicht /
dadurch es für vnd für die verderbte Menschliche Natur vnnd die Verderbung oder
Erbsünde selbst mit schrecklicher Gotteslästerung vntereinander menget. Gott
vergibt der verderbte̅ Natur die Sünde / so jr vom alten Adam
anhangen / vmb Christi willen. Der Erbsünde aber vergibt er nichts / oder ist
jhr nicht gnädig / sondern er tilget sie auß / vnd tödtet sie in vns / biß wir
am jüngsten Tage gantz vnd gar darvon erledigt werden.
Dauid Psalm. 143. bittet nicht / daß Gott der Erbsünde wölle gnädig seyn / wie
das Gegentheil fabuliert / sondern er bittet / daß Gott vmb der Erbsünde vnnd
andern seinen wircklichen Sünden willen nicht wölle mit jhme in sein Gericht
gehen.
Die Wort Mosis / Exod. 34. Der HERR gehe mit vns / dann es ist ein halsstarrig
Volck / daß du vnser Missethat vnd Sünden gnädig seyest / vn̅
lassest vns dein Erbe seyn / bestättigen deß Gegentheils Lästerungen im
wenigsten nicht. Dann Moses selbst in seinen eygnen Worten sich erkläret / was
er meyne / nem̅lich / daß Gott der Kinder Israel Missethat wölle
gnädig seyn / das ist / dieselben von jhnen wegnemmen / wie das Hebreische Wort
/ Nasa, das er an gemeldtem Ohrt brauchet / klar zu verstehen gibt. Item / da er
fein rundt sagt: Lasse vns dein Erbe seyn. Darauß vnverneinlich folget / das
Moses Meynung nicht gewest / daß Gott der Sünden selbst gnädig sey: sondern daß
er den Menschen / welche mit Sünden behafft / wölle gnädig seyn vnnd jhre
Missethat vergeben oder wegnemmen / daß sie sein Erbe seyn vnd bleiben mögen.
Dann wo das Mosis eygentliche Meynung gewest / daß Gott der Sünde
|| [ID00130]
selbst solte gnädig seyn / so müste
er also gebetet haben / daß GOtt der Sünden selbst wolte gnädig seyn / Vnd das
Wort (Vnser) aussen gelassen haben. Also müst er auch gebetet haben: Vnd lasse
die Missethat oder die Sünde selbst dein Erbe seyn / vnd nicht: Lasse vns dein
Erbe seyn. In Summa / das Wort (Missethat) kan da nicht von der Substantz /
Natur vnd Wesen deß Menschen verstanden werden. Dann sonst were das Wörtlein
(Vnser) vergebens / das Wort (Erbe) deßgleichen. Es were dann / daß wir mit
diesen Leuten schwermen wolten / daß Gottes Volck seyn / sein Erbe seyn / Sünde
vnd Missethat seyn / einerley vnd nicht vnderschieden weren / welches wir / ob
Gott will / nimmermehr thun werden oder wöllen.
Mit Salomonis Gebet 1. Regum 8. hat es eben die vorige Meynung: Biß der Sünde
deines Volcks gnädig: Das ist / vergib deinem Volck jhre Sünde. Dann wo Salomons
Intent gewest / daß GOtt der Sünden selbst gnädig seyn solte / so hette er nicht
für deß Volcks Sünde vmb Gnade bitten dürffen: Sondern hette mit diesen
Schwermern schwermen vnd sagen müssen: Gott sey deiner Sünde gnädig / vnd das
Wörtlein (deines Volcks) gar aussen lassen.
Jeremiae 31. Erkläret der HERR selbst / was er mit seinen Worten meyne / da er
spricht: Ich will gnädig seyn jhrer Vntugendt vnd jhren Sünden / vnd jhrer
Vngerechtigkeit will ich nicht mehr gedencken: Nem̅lich / daß er
den Gläubigen jhre Sünde nicht zurechnen / sondern auß Gnaden verzeihen will.
Dann also ist er der Sünden gnädig / nicht daß er die Sünde selbst zu Gnaden
auffnemme (dann das geschicht nim̅ermehr) sondern wan̅ er den Gläubigen / wie gemeldt / jhre Sünde auß Gnaden erläst / vnd
derselbigen vmb Christi willen nicht mehr gedencket. Summa die Wörtlein (jrer
Sünde) vnderscheiden klärlich zwischen der Sünde selbst / der Gott nicht gnädig
wirdt / sonder die er vergibt vnd nicht zurechnet / vn̅ vnter den
Menschen / welchen er gnädig ist / vnd jnen jre Sünde vnd Missethat
schenckt.
|| [60]
Also bleibt es vnverneinlich wahr / daß Gott den Sündern wol Gnade erzeige / aber
der Sünden selbst nimmermehr / sondern bleibe jhr in alle Ewigkeit feindt.
Ist derhalben eine grosse Boßheit / daß das Gegentheil die schönsten Sprüche der
Schrifft so schendtlich verkehren / vnnd so fälschlich / der Warheit zu wider /
mißdeuten soll.
Wir bekennen gerne mit D. Luthero in der Jenischen Haußpostill im dritten Theil /
am Tage Johannis deß Täuffers / daß die Welt durch Vergebung der Sünde soll vnd
müsse selig werden / etc. Darauß folget aber / eygentlich zu reden / mehr nicht
/ dann daß die Welt ausser Christo vngerecht vnnd eytel Sünde sey oder voller
Sünden sey. Dann wo D. Lutheri Sinn gewest / daß die Welt / eygentlich zu reden
/ die Sünde selbst were / hette er nicht sagen können / die Welt solle vnd müsse
durch Vergebung der Sünden selig werden. Sintemal das Wort (Welt) das Subiectum
zeiget / welches soll selig werden durch Vergebung der Sünden / mit nichten aber
lehret / daß die Sünde selbst solle Gnade erlangen vnd selig werden. So were es
auch ohne das vngehewer geredt: Die Sünde soll vnnd muß durch Vergebung ď Sünden
selig werden. Dan̅ also müste es heissen / wann Welt vnd Sünde
einerley bedeuteten / vnd kein Vnderscheidt vnder der Welt oder vnter den
Menschen vnd vnter der Sünde selbst were.
Das Gegentheil zeucht auch selbst an Pauli Wort / Ephes. 2. Auß Gnaden seidt jhr
selig worden / vn̅ schreibet mit grossen Buchstaben (VOS) Ihr
seidt oder werdet selig. Fragt auch / wer die Vos: oder jhr sindt / etc. vnnd
antwortet: Ihr / die jhr weilandt todt waret in Sünden / etc. Hie bedarffs nicht
viel Wort / wann das Gegentheil Augen hette zu sehen / vnd Ohren zu hören / die
es leider nicht hat / so hette dieser einige Spruch es bewegen sollen / von
seinem schwermerischen Gottslästerlichen Wahn abzustehen.
|| [ID00132]
Dann eben das Pronomen (Vos oder jhr) hell vnd klar den Vnderscheidt zwischen der
verderbten vnnd durch die Sünde zum guten erstorbenen Menschlichen Natur vnnd
zwischen der Erbsünde selbst anzeigt. Ihr (spricht er) seidt oder werdet selig.
Warvon dann? Freylich von der Sünde. Matth. 1. So muß ja ein anders die Sünde
seyn / darvon wir selig werden / vnnd wir Menschen / so die Seligkeit durch den
Glauben an Christum auß Gnaden erlangen.
(J. ij. fa. 1.)
Spricht das Gegentheil / es sey wol für der Vernunfft eine ärgerliche Rede: Gott
ist der Sünden gnädig / etc. Wir sagen aber dargegen / daß diese Rede dem
Glauben ärgerlich vnd für sich selbst Gotteslästerlich sey / dieweil sie in
Gottes Wort nicht alleine keinen Grundt hat / sondern dasselbige auch
schändtlich verkehret vnnd in einander menget / da doch das Wort außtrücklich
vnderscheidet.
Alle Sprüche von der Rechtfertigung deß armen Sünders für Gott / welche das
Gegentheil hie mit Hauffen eynführet / als Rom. 3. Wir sindt allzumal Sünder /
etc. werden aber auß Gnaden gerecht. Rom. 4. Gott macht die Gottlosen gerecht.
Rom. 5. Wir sindt Gottversönet. Wir werden für dem Zorn behalten / vnd was
dergleichen mehr sind / streiten klar wider deß Gegentheils Lästerung. Wir
werden gerecht / spricht der Apostel / nicht die Erbsünde selbst. Den Gottlosen
macht Gott gerecht / aber die Gottlosigkeit vnd Sünde selbst nicht. Wir sindt
Gott versönet / aber nicht die Erbsünde. Wir werden behalten für dem Zorn / aber
nicht die Erbsünde selbst.
(K. iij. fa. 2.)
Disputiert das Gegentheil von dem Spruch Johan. Cap. 3. Darzu ist erschienen der
Son Gottes / daß er die Werck deß Teuffels zerstöre / gibt vns schuldt / als
lehreten wir in dem vnrecht / da wir die Erbsünde ein Teuffels Gifft heissen /
oder / das eben so viel ist / mit einem schrecklichen Gifft vergleichen /
dardurch Menschliche Natur vnd Wesen zu Grunde verderbt sey Vergisset aber
vn
|| [61]
ter deß / daß
der Heilige Geist selbst / Rom. 3. Da er beweisen will / daß alle Menschen
Sünder sindt / vnd durch die Erbsünde verderderbet / die Sünde dem Gifft / auß
dem 140. Psalmen / vergleichet / da er spricht: Ottern Gifft ist vnter jhren
Lippen. Hat nun der Heilige Geist durch den Mundt Dauids vnnd Pauli keine schew
gehabt / die Erbsünde mit einem Ottern Gifft zu vergleichen / warvmb solten wirs
dann nicht auch thun dürffen / vnnd warumb solts vnrecht seyn / wann wirs
theten? Die Erbsünde ist Otterngifft vnter den Lippen / darumb ist sreylich die
Erbsünde nicht die Lippen selbst. Die Erbsünde aber ist in einem Gliede wie im
andern / dann der gantze Mensch mit Leib vnd Seel ist durch die Erbsünde / durch
vnd durch verderbt. Sind nuhn die Lippen die Erbsünde selbst nicht / so ist auch
das Hertz / die Seele / die Vernunfft / der Verstandt / der Wille / vnd wie das
andere mehr heist / das am Menschen ist / die Erbsünde selbst nicht / sondern
die Erbsünde ist in den allen / vnd gehet durch Adern / Marck / Bein / Leib /
Seel / Kräfften / vnd alles / etc. Ist nuhn deß Menschen Leib / Seel / Hertz /
Verstandt / Wille / etc. die Erbsünde selbst nicht / so muß ja die Erbsünde
keine Substantz im Menschen seyn: Ausser de̅ Menschen ist sie auch
nicht / so folget ja vnwidersprechlich / daß sie ein accidens oder gefährlicher
schedlicher böser Zufall im Menschen sey.
So nennet auch D. Lutherus an vielen Ohrten die Erbsünde ein Giff / wie droben
auch gehöret. Sonderlich aber Genes. 42. spricht er: Hoc autem capite
memorabilis est descriptio horribilis illius mali seu peccati, quod est
profundum venenum in anima & corpore, ita vt etiam velit pro iusticia
haberi. Das ist / In diesem 42. Cap. ist eine denckwirdige Beschreibung / deß
grausamen Vbels oder Sünde / welche ist ein tieffes Gifft in der Seelen vnnd im
Leibe / also daß sie auch will für Gerechtigkeit geachtet seyn. Vnd Genes. cap.
3. Homo peccati venenum à Satana infusum, hausit. Das ist / Der Mensch hat das
Gifft der Sünden /
|| [ID00134]
vom Teuffel
eyngegossen / geschöpfft. Noch darff das Gegentheil ein groß Geschrey vber
dieser Art zu reden machen.
Ja / sprechen sie / Gifft aber ist ein sonderliche Substantz oder Wesen. Ist nuhn
die Erbsünde ein Gifft / so muß sie auch eine sonderliche Substantz oder Wesen
seyn / so zu deß Menschen Wesen kommen ist / vnnd also haben ja die Manicheer
vor Zeiten gelehret.
Wann diese jrrige Leut gelernet hetten / was Metaphoricae locutiones, figürliche
Reden weren / so bedürffte es dieser Obiection gar nicht. Dann in solchen Reden
nimpt man Gleichnissen von den Substantijs, vnd accommodiert sie ad accidentia,
das ist / auff zufällige Dinge / vnd ersolgt doch keines Weges / daß die
zufälligen Dinge darumb alsbaldt Wesen oder Substantz seyn müsten. Gleichniß
Weise ist es geredt / wann man die Erbsünde ein Gifft nennet / vnd nicht
fimpliciter oder eygentlich / wie das alle verständige Hertzen wol mercken.
Etwan hat Julianus Augustino gleicher Gestallt Schulde geben / er lehrete mit den
Manicheern / daß die Sünde ein Substantz oder Wesen were / weil er sie einem
frutici oder Stauden verglieche / welcher ein Substantz ist / so doch die
Erbsünde keine Substantz were: Aber Augustinus hat jhm sehr fein geantwortet /
contra lulianum lib. 6. cap. 8. Propter quod ego vitio, quod generi humano
diabolus tanquam vulnus inflixit, quam uis nullo modo substantia sit, rectè
tamen adhibui de substantia similitudinem, vt fruticem dicerem. Das ist /
Derwegen hab ich den Schaden / welchen der Teuffel dem Menschlichen Geschlecht /
gleich als eine grewliche Wunden geschlagen / ob er wol keine Substantz oder
Wesen ist / dannoch mit einem Stauden / der eine Substantz ist / vergliechen /
etc. Dann solche Metaphorae oder Gleichnissen sindt gar gemein vnd bekandt.
|| [62]
Eben also thun jetzo diese Leuhte vnsern Kirchen auch / daß / weil sie die
Erbsünde ein Gifft nennen / das ein Substantz ist / vnd damit vergleichen /
geben sie für / es müsse auch von stundt an folgen / daß sie lehren / die
Erbsünde sey eine sonderliche Substantz im Menschen / wie vor Zeiten die alten
Manicheer gelästert haben / so es doch vnsere Kirchen nur Metaphoricè oder
Gleichniß Weise / vnd nicht eygentlich also nennen.
Wie nuhn Augustinus dem Juliano dazumal richtig vnter Augen gangen vnd
gründtlichen Bescheidt gegeben / warumb er die Erbsünde mit einem Stauden / der
ein Substantz ist / vergliechen / vnd doch beständig halte / daß die Erbsünde
nullo modo substantia, Das ist / auff keinerley Weise eine Substantz sey: Also
sagen wir dem Gegentheil rundt herauß / daß wir zwar der Gleichniß vom Gifft /
welches für sich selbst ein Substantz ist / gestehen / vnd doch mit Augustino /
zu forderst aber mit der gantzen heiligen Schrifft altes vnd newen Testaments /
halten vnd lehren / daß die Erbsünde nullo modo substantia, Das ist / auff
keinerley Weise eine Substantz im Menschen sey / sondern sey ein böser
schädlicher Zufall / der von deß Menschen Natur vnnd Wesen könne gescheiden
werden.
Deß Teuffels Werck / welche der Sohn Gottes zerstören soll / sindt nicht die
wesentliche Verwandlung deß Menschen oder der Seelen / deß Verstandts / deß
Willens in jhrem höchsten Grad / in ein ander böses Wesen / das nuhnmehr die
Erbsünde selbst wesentlich sey / solches ist deß Gegentheils schändtlich Gedicht
/ vnnd nicht Göttlichs Worts Lehre. Sintemal der Teuffel keine solche
wesendtliche Verwandlunge der Menschlichen Natur oder der Seelen / deß
Verstandts / deß Willens / etc. Weder in jhrem höchsten / mittelsten oder
nidersten Grad zu wegen bringen kan. Dann wesentliche Form geben oder
wesentliche Verwandelung deß Leibs vnnd der Seelen anrichten / alleine Gott
zustehet / vnd nicht dem Teuffel. Was sinds dann? Antwort:
|| [ID00136]
Es sindt die Erbsünde / oder die
gantze Verderbung im Menschen an Leib vnd Seele / mit sampt allen Früchten der
Erbsünden / so auß der Erbsünde / als auß einem Brunnquell herfliessen. Welche
der böse Feindt mit seinem Anreitze̅ vervrsachet / welcher Schaden
auch durch Adam auff alle Menschen geerbet wirdt.
Wann die verderbte Natur deß Menschens die Erbsünde selbst were / wie das
Gegentheil dichtet / so müst sie der Sohn Gottes / als ein Werck deß Teuffels /
das er vervrsachet / zerstören / vertilgen / vnnd müst einen newen Menschen
schaffen / der wesentlich vnd der Natur nach vom vorigen vnderschieden were.
Nuhn ist er aber nicht kommen / die verderbte Natur deß Menschen zu zerstören /
vnd einen newen Menschen / der / wesentlich vn̅ der Natur nach /
vom vorigen Mensche̅ vnterscheiden were / zu erschaffen: Sondern
denselben Menschen / vnnd dieselbige Natur / die er geschaffen hat / von der
Sünde / so vom Teuffel vervrsachet ist / vom Zorn Gottes vnd ewiger Verdamnüß zu
erretten / vnd selig zu machen.
Derwegen so muß ja ein Vnderscheidt zwischen der verderbten Natur / vnnd zwischen
der Verderbung selbst seyn / welche vom Teuffel vervrsachet ist / vnd kan die
verderbte Natur die Erbsünde selbst nicht seyn / die der Son Gottes zerstören /
vn̅ die verderbte Natur darvon erretten soll.
So heist auch destruere, dissoluere, zerstören / mit nichten so viel / als eine
Substantz vom Teuffel formieret oder wesentlich verwandelt / zerstören / vnnd
auß derselben wesentlich eine andere Substantz machen / die Gott ehnlich / vn̅ dem Gesetz gleichförmig: Sondern / wie gesagt / es heist die
Erbsünde / vnd was der anhängig / damit der Mensch an Leib vnd Seel verderbt ist
/ auß Gnaden verzeihen / vmb Christi willen vergeben / vnd durch den Heiligen
Geist anfangen zu creutzigen / außzufegen / zu tödten / biß so lang / daß der
gläubig Mensch in der Aufferstehung der Todten gantz vnnd gar darvon erlöset /
vnd vollköm̅lich an Leib vnd Seel / vnd allen Kräfften rein vnd
heilig werde.
|| [63]
D. Lutheri Sprüchlein Dom. 12. Trinit. in der Jenischen Postill / da er sagt: Der
Sohn Gottes zerbricht dem Teuffel sein Werck / die Sünde / den Tod / vnd die
Helle / etc. bekräfftiget vnsere Lehr / vnnd nicht deß Gegentheils Schwarm / wie
menniglich verstehet.
Eine grewlige Verkehrung der Schrifft ist es / da das Gegentheil(L. 2. fac. 2.) fürgibt / es seyn aequipollentia
vocabula gleichgeltende Reden / der Sünden gnädig seyn / die Sünde vertilgen /
ins tieffe mehr werffen / etc. vnnd zu Gnaden auff vnd annemen / Sünde vergeben
/ etc. sonderlich weil sie vnterm Schein dieser Reden jhr schädliches Gifft
vertuschen / daß Gott der Sünden selbst gnädig sey / etc. Von welchen Reden wir
kurtz zuuor gehöret / daß sie in Gottes Wort keinen Grundt vnnd Bestandt habe /
sondern eine schändtliche verkehrung desselben sey.
Nochmals / wo es wahr were / daß die verderbte Natur die Erbsünde selbst were /
vnd aber die Schrifft bezeuget / daß Gott dieselbe sampt jhren Früchten
vertilget / vnnd in die tieffe deß Meers wirffet / so müst / deß Gegentheils
schändtlichen Gedicht nach / die verderbte Natur selbst vertilget vn̅ in die tieffe deß Meers geworffen werden. Das wolte nun ein
feine Rechtfertigung vnd Seligmachung deß armen Sünders seyn / da vns der liebe
Gott gnädig für behüten wölle / Amen.
Bringt das Gegen theil dieses Argument für / das es offt zuerholen(L. 3: fac. 2.) pflegt / vnnd vermeint es sey vns
vnmüglich drauff zuantworten:
Sünde ist alles / was wider Gottes Gesetz ist / vnd das gestehet das Concordi
Buch selbst.
Deß Menschen verderbte Natur ist wider das Gesetz.
Derhalben ist deß Menschen verderbte vnnd dem Gefetz widerstrebende Natur / Oder
/ welches gleich so viel ist / der verderbte vn̅ dem Gesetz
widerstrebende Mensch die Sünde. Nun kan ein solcher dem Gesetz widerstrebender
Mensch oder Natur / nicht wirck
|| [ID00138]
liche Sünde seyn / sondern muß die Erbsünde / das ist ein Wurtzel /
Vrsprung vnd Thäter aller wircklichen Sünde seyn / etc.
Droben / baldt im Anfang dieser Schrifft / ist angezeiget / daß maior dieses
Arguments cum signo vniuersali nicht passiert / vnd daß eine grewliche confusio
oder Vermischung vnderschiedener Sachen im selben begangen werde / derwegen auch
das gantze Argument nicht bestehen könne.
Vnnd zwar wer dieses Argument nur ein wenig recht ansihet / der mercket / daß es
nicht passiert / dieweil / wie man in Schulen zu reden pflegt / vnnd allbereit
angezeiget / maior cum signo vniuersali keines Weges wahr ist / sintemal nicht
alles was dem Gesetz zu wider / ohne allen Vnderscheid die Sünde selbst ist /
darumb dieses gantze Argument im geringsten nicht schleusset. Wann die verderbte
Natur vnd die Erbsünde ohne allen Vnderscheid einerley weren / so hette
gemeldtes Argument einen Schein. Nun aber dieses nicht ist / können sie mit
demselbigen Argument nichts erhalten.
Wann sie nun gleich fürwenden / das Gesetz Gottes klage die gantze Natur an
(welchs wir auch lehren) vnnd nicht etwas vnreines an der Natur / als ein
zufälliges Vbel / etc. So hilfft sie doch dieses auch nicht. Dann ob wol GOTT
der HERR durchs Gesetze die gantze Natur / wie billich / anklagt / so klagt er
sie doch nicht an / so ferrn sie ein Natur oder sein Geschöpff vnnd Werck ist:
Sondern dieweil sie durch die Erbsünde durch vnnd durch verderbet ist. Darumb
spricht der Prophet Jesaias Cap. 59. Ewere Vntugendt scheiden euch vnd ewern
GOTT von einander / vnd ewer Sünde verbergen das Angesicht von euch / daß jhr
nicht gehöret werdet. In diesen Worten wirdt ja außdrücklich etwas gezeiget /
welchs weder GOTT noch Mensch ist / auch
|| [64]
weder von Gottes noch von deß
Menschen Wesen ist / nemblich die Sünde / vnnd wirdt der Mensch angeklagt nicht
von wegen seines Wesens / sondern von wegen der Sünde / welche zum theil der
Natur anhanget / zum theil von derselben außgehet.
Ja / sprechen sie / Ihr müst je selbst gestehen / das Euangelion sey eine
Verkündigung der Hulde vnnd Gnade Gottes / vnnd eine Gnadenreiche Verheissung
von der Vergebung der Sünden / etc. Ergo so muß ja wahr seyn / daß GOTT der
Sünde gnädig sey.
Antwort: Daß das Euangelion sey eine Verkündigung der Hulde Gottes / vnnd eine
Gnadenreiche Verheissung von Vergebung der Sünden / ist wahr / aber darauß
schleust sichs nicht recht: Ergo, so muß es wahr seyn / daß GOTT der Sünden
gnädig sey. Denn das Euangelion verkündiget den Menschen die Hulde vnnd Gnade
Gottes. Marci. 16. Prediget das Euangelion allen Creaturen / vnnd nicht der
Erbsünde. Rom. 1. Das Euangelion ist eine Krafft Gottes / die selig machet alle
so daran gläuben / etc. vnnd nicht die Sünde selbst. Also verheißt es Vergebung
der Sünde den sündigen Menschen / aber nicht der Sünde selbst. Dann das
Euangelion spricht nirgendt / daß Christus kommen sey vmb der Sünden willen /
derselben gnädig zu seyn vnd sie selig zu machen / sondern vmb der Sünder oder
verlornen Menschen willen / dieselbe selig zumachen. Darumb bleibt das
Antecedens wahr / daß das Euangelion Gnade vnnd Vergebung der Sünden predige:
Das Consequens aber falsch / daß GOTT der Sünden selbst gnädig sey. Dieweil das
Euangelion den Sündern / nicht aber der Sünde selbst Gnade anbeut.
Auff diese Weise bleibt den betrübten Gewissen der beständige Trost deß Euangelij
von Gottes Gnade fest / da er
|| [ID00140]
hergegen wancken würde / wann das Euangelion lehrete / daß Gott der Sünde selbst
gnädig were. Denn da würde als bald im Gewissen dieser Zweiffel angehen: Wo
bleibe aber ich / als ein armer Sünder? Aber was darffs viel Wort? Diese Lehre
ist so hell vnd klar / daß das Euangelion nicht lehre / daß Gott der Sünde /
sondern den Sündern gnädig sey / vn̅ jhre Sünde vergebe / daß auch
das Gege̅theil selbst seine schwermerische Rede / daß Gott der
Sünden gnädig sey / an diesem Ort also erklären muß (oder die Sünde jhnen (N. 4. fac. 2.) vmb Christi willen vergebe) da
menniglich verstehet / daß es viel ein anders ist / den Menschen vmb Christi
willen gnädig seyn / vnd jhre Sünde vergeben / denn der Sünde selbst gnädig
seyn.
Wo auch diese richtige Lehre nicht behalten wirdt / da wirdt freylich die gantze
Lehre deß Euangelij vmbgestossen vnnd schändtlich vorkehret. Denn ja die Predigt
deß Euangelij nicht vmb der Sünde selbst willen / daß derselbe̅
Gnade widerfahren solle / geordnet ist / sondern vm̅ der armen
Sünder willen / daß denselbige̅ Gnad erzeigt / vnnd jhnen jhre
Sünde auß Gnaden vmb Christi willen mögen verziehen oder erlassen werden.
Freylich ists eine greiffliche Blindtheit / da das Gegentheil also schleust: Gott
vergibt Sünde vmb Christi willen / auch die Erbsünde / Ergo so ist er ja der
Sünden gnädig / etc. Denn diese Leute können für grosser erschrecklicher
Blindtheit / damit sie geschlagen sind / weder sehen noch verstehen / daß ein
anders sey / den Sündern gnädig seyn / vnd alle Sünde vergeben / vnd aber ein
anders der Sünden selbst gnädig seyn. Den armen Sündern ist Gott gnädig / vnnd
vergibt jhnen alle jhre Erb vnnd wirckliche Sünde / auff daß sie beständigen
Trost haben / vnd versichert seyn mögen der ewigen Seligkeit. Der Sünden selbst
ist er nicht gnädig / sondern er vergibt sie den Sündern / oder rechnet sie
jhnen nicht zu zur Verdamniß / welches er thun köndte / wenn er nach seiner
strengen Gerechtigkeit / vnd nicht nach seiner grossen Barmhertzigkeit mit jnen
handeln solte.
|| [65]
Daß die Erbsünde weder getaufft noch selig werde.
NAch diesem vnderstehet sich das Gegentheil zuerweisen /(M. 2. fac. 2. Vnd hernacher durch etliche
Blätter.) daß die Erbsünde getaufft / geheiligt / vnd selig gemacht
werde / etc. braucht dieses Argument:
Das Fleisch wirdt auß Gnaden getaufft / auß Wasser vnnd Geist new geboren /
geheiliget / erleuchtet / lebendig vnnd selig vmb Christi willen durch den
Glauben gemacht.
Fleisch vnd Erbsünde sind vnd heissen einerley / vnnd wirdt eines für das ander
gesetzt vnd genommen / wie auß Paulo vnnd Luthero zu sehen / etc.
Derwegen wirdt die Erbsünde auß Gnaden getaufft / auß Wasser vnd Geist
widergebore̅ / geheiliget / erleuchtet / lebendig / vn̅ vmb Christi willen durch den Glauben selig gemacht.
Wöllen probationem minoris besehen / da sichs befinden wirdt / das minor gantz
falsch / vnd Gottslästerlich sey.
Paulus (spricht das Gegentheil) Rom. 7. nimpt Fleisch vnd(N. 3. fac. ij.) Erbsünde für ein Ding / da er
sagt: Die Sünde erregt in mir allerley Lust. Vn̅ Galat. 5. Das
Fleisch gelüstet wider den Geist. Item / Rom. 6. sagt Paulus / daß die Christen
der Sünden in jhren Lüsten nicht Gehorsam leisten sollen. Vnd Galat. 5. Deß
Fleisches Lüste oder Werck sind Ehebruch / Hurerey / etc. Ergo weil Fleisch vnnd
Erbsünde ein Ding seind / vnd das Fleisch getaufft wirdt / so muß ja wahr seyn /
daß die Erbsünde getaufft werde / etc.
Hie vernemen aber alle Gottfürchtige vnd verständige Christen / daß eine
grewliche verkehrung in den angezogenen Sprüchen Pauli begangen werde. Dann Rom.
7. nimpt der Apostel nicht Fleisch vnnd Erbsünde für ein Ding / sondern
vnderscheidets mit deutlichen klaren Worten. Wie solchs auß den angezogenen
Worten augenscheinlich zu sehen ist. Denn er spricht nicht: Fleisch vnnd
|| [ID00142]
Erbsünde sind ein Ding / vnnd es ist
kein Vnderscheidt zwischen dem Fleisch vnnd der Erbsünde: Sondern die Sünde
erreget in mir allerley Lust. In mir / spricht er / oder in meinem Fleische
(denn dieser Art zu reden braucht er auch Rom. 7.) erreget die Sünde allerley
Lust. So folgt ja vnwidersprechlich / daß er Fleisch oder Menschliche Natur vnnd
die Erbsünde nicht für ein Ding nimpt / wie jhm das Gegentheil fälschlich
antichtet. Vnd folget also auch ferner / daß auß Pauli Worten nimmermehr könne
erwiesen werden / daß die Erbsünde selbst getaufft werde / wie das Gegentheil
schwärmet.
Galat. 5. Das Fleisch gelüstet wider den Geist. Hie heißt der Apostel Fleisch den
gantzen Menschen / mit allen seinen Kräfften / vnnd mit sampt der Verderbung
oder Lustseuche / so dem Fleisch angeboren ist / vnd sagt / daß er wider den
Geist gelüste. Er gelüstet aber wider den Geist nicht darumb vnd daher / daß er
Fleisch / das ist / Mensch ist oder Menschliche Natur hat / sondern darumb vnd
daher / daß sein Fleisch oder Menschliche Natur durch die Erbsünde vnd
Lustseuche verderbt ist / Darauß folgt aber nicht / daß Fleisch vnd Erbsünde
Paulo ein Ding seyn / vnd daß kein Vnderscheid zwischen der Menschlichen Natur
vnnd zwischen der Erbsünde sey / welchen Vnderscheid Paulus Rom. 7. gewaltiglich
/ wie im Anfang dieser Schrifft erwiesen / treibt. Derwegen auß diesen Worten
Pauli nimmermehr kan erzwungen werden / daß die Erbsünde getaufft vnd selig
werde.
Rom. 6. vnderscheidet Paulus mit hellen Worten zwischen dem Menschen oder seinem
Wesen / vnnd zwischen den Lüsten / vnd vermahnet die getaufften Christen / daß
sie die Sünde oder böse Lüsten in jhren sterblichen Leiben nicht sollen
herrschen lassen / vnnd denselbigen Gehorsam leisten / etc. Denn also lau
|| [66]
ten seine Wort: Lasset
die Sünde nicht herrschen in ewerem sterblichen Leibe / jhr Gehorsam zu leisten
in jhren Lüsten / auch begebet nicht der Sünden ewere Glieder zu Waffen der
Vngerechtigkeit / etc. Noch müssen solche Wort deß Apostels dem Gegentheil
herhalten vnnd so viel erweisen / daß Fleisch vnnd Erbsünde ein Ding seyn / so
doch der Apostel mit gemelten Worten gar das Widerspiel lehret / vnnd dieser
Spruch der fürnembsten einer ist / auß welchem deß Gegentheils Irrthumb kan
gewaltig darnider geschlagen vnnd vmbgestossen werden. Sind es nun
vnderschiedene Ding Fleisch vnnd Erbsünde / vnd nicht ein Ding / wie das
Gegentheil dringet / so muß es freylich Falschheit / Irrthumb vnnd
Gottslästerung seyn / daß sie auß solcher Verkehrung der hellen Wort Pauli
erweisen wollen / daß die Erbsünde getaufft / geheiligt vnnd selig gemacht
werde. O Blindheit vber Blindheit. GOTT erbarme sich dieser armen verwirreten
vnnd verführeten Leut / vnnd bekere sie. Amen.
Galat. 5. braucht Paulus deß Worts: Deß Fleisches Lüste sind Ehebruch / etc. Aber
er nimpt abermals den Menschen sampt der Verderbung zusammen / schreibt
demselbigen folche Werck zu / als Ehebruch / etc. vnnd thut recht daran /
dieweil es für Augen / daß die gantze Menschliche Natur dermassen durch die
Erbsünde verderbt ist / daß sie nichts denn solche böse verdampte Früchte oder
Werck bringen kan / es sey denn / daß sie newgeboren werde durchs Wasser vnnd
Heiligen Geist / etc. Hält aber nicht / daß Fleisch vnd Erbsünde durchauß vnnd
ohne allen Vnderscheid ein Ding seyn solten. Dann wie er Fleisch oder die
Menschliche Natur vnd die Erbsünde / so in seinem Fleische oder Menschlichen
Natur wohnet / vnderscheide / haben wir zuuor vernommen.
|| [ID00144]
Ist derwegen eine lästerliche Verkehrung der Wort Pauli / welcher sich das
Gegentheil allhier gebraucht / darauß es auch in alle Ewigkeit nicht darthun
wirdt / darauff es in minore, oder in der andern proposition seines ertichten
Arguments sihet / nem̅lich daß die Erbsünde selbst / Pauli Lehr
nach / getaufft vn̅ selig gemacht werde. Bleibet also der minor
gedachtes Arguments / Pauli Worten halben / falsch vnd Gottslästerlich.
D. Lutheri Sprüche betreffendt / in welchen er erkläret / was das Wörtlein
Fleisch eigentlich heisse / wirdt auch nicht gesagt / daß Fleisch vnd Erbsünde
durchauß ein Ding sind / darauff das Gegentheil dringet. Lieber GOTT / wie
solten diese Leut trutzen vnnd pochen / wann D. Lutherus jrgendt gesagt oder
geschrieben / daß Fleisch vnnd Erbsünde durchauß vnnd ohne allen Vnderscheid ein
Ding weren / wie solten sie das mit grossen Buchstaben mahlen vnnd so hoch
anziehen? Das sagt er wol hin vnnd wider in seinen Schrifften / wie auch in der
Kirchen vnnd Haußpostill / deßgleichen in der Vorrede der Epistel an die Römer /
vnnd in der Außlegung deß 4. Capit. der ersten Epistel Petri. Tom. 2. German.
Ienensi pag. 368. Daß der gantze Mensch mit Leib vnnd Seel vnnd allen Kräfften
Fleisch heisse. Er setzet aber als bald diese Vrsach darbey / der Mensch werde
darumb Fleisch genannt / daß er mit allen Kräfften außwendig vnnd inwendig nur
sucht / was fleischlich ist vnnd dem Fleisch wol thut.
Darauß gründtlich zuuernemen / daß Lutherus Fleisch vnnd Erbsünde nicht durchauß
für ein Ding hält / wie das Gegentheil haben will: Sondern daß er das subiectum
mit dem vitio begreifft / das ist / die Menschliche Natur mit sampt der Boßheit
vnd Vnreinigkeit / damit sie beschmitzt ist.
Derwegen auch auß Lutheri Worten nicht kan geschlossen
|| [67]
werden / da er bekannt / der
gantze Mensch sey Fleisch / etc. Ergo, so mache er vnter dem Fleisch vnd der
Erbsünde kein Vnderscheidt. Dann Lutherus durch das Wort Fleisch mehr begreifft
/ als die Erbsünde / Nem̅lich / wie gemeldt / die Verderbung der
Natur / daher es kompt / daß das Fleisch oder der Mensch also fleischlich ist
vnnd fleischlich gesinnet ist / Roman. 7. 8. Summa / D. Lutherus schreibet an
keinem Ohrt / daß derwegen der gantze Mensch Fleisch genennet werde / daß er die
Erbsünde selbst sey / vnd das Fleisch vnd Erbsünde durch auß vnd ohne
Vnderscheidt ein Ding sindt: Sonder das lehret er / der gantze Mensch werde
darumb Fleisch genandt / weil er nichts dann fleischliche Gedancken / Lüsten vnd
Begirden hat / vnd nichts / als das fleischlich ist / von vnd auß sich selbst
suchet. Darumb er auch Genes. 4. wie droben seine Wort eitiert / deutlich
zwischen Gottes Werck oder der Natur / vnd zwischen der Erbsünde / damit die
Natur verderbet ist / vnterscheidet.
Wir gestehen gerne / daß Lutherus in der Hauß Postill schreibet / daß Christus
Johan. 3. zu Boden stosse Natur / Vernunfft / Freyen Wille̅ /
Menschliche Kräffte / was die Seligkeit belangt / etc. Item / in der Kirchen
Postill / am Tag der Erfindung deß Creutzes Christi: Ich bin Fleisch / Fleisch
ist verdampt / todt / eitel Sünd / da kein Geist noch Gott noch göttlich Ding
oder Leben ist / etc. Daß aber solches so viel heissen solte / als: Fleisch ohne
Geist ist die Erbsünde selbst / vnd es ist durchauß kein Vnderscheid zwischen
dem Fleisch vnd zwischen der Erbsünde / etc. das gestehen wir nicht. Dan̅ es ist auch Lutheri Meynung nicht / sondern das ist seine
Meynung / daß sein Natur / Vernunfft nichts tüge in Gottes Sachen. Item / er sey
Fleisch / das ist / wie Paulus Rom. 7. redet / fleischlich vnnd vnter die Sünde
verkaufft / sey fleischlich gesinnet / Rom. 8. Sein Fleisch sey verdampt vmb der
Sünden willen / todt vmb der Sünde willen in geistlichen Sachen. Ephes. 2.
Coloss. 2. Eitel Sünde / das ist / durch vnd durch sündig / vnrein / vngerecht /
vnheilig / dem Gesetz Gottes vngleichförmig. Dan̅ also erklärt er
selbst das Wort
|| [ID00146]
(Sünde concretiuè
gebraucht) als wir droben an seinem Ohrt auß seinen eygnen Worten gehöret
haben.
Bleibet demnach / auch Lutheri Zeugnissen halben / der Minor jhres Arguments
falsch vnd Gotteslästerlich / daß nem̅lich Fleisch vnd Erbsünde /
eygentlich zu reden / solten eynerley seyn vnd heissen / vnd daß die Erbsünde
selbst in der Tauffe solte newgeboren / geheiliget vnd selig gemacht werden.
Der Spruch Johan. 3. Was auß Fleisch geboren ist / das ist Fleisch / hilfft
diesen Schwarmgeistern auch nicht vber. Sintemal nicht wahr ist / daß Fleisch
hie so viel heisse / als die Erbsünde selbst: Sondern Fleisch heist hie so viel
/ als fleischlich / wie der Apostel Roman. 7. diese warhafftige Erklährung
zeiget / da er spricht: Ich bin fleischlich vnd vnter die Sünde verkaufft. Vnd
solches auch auß Christi eygnen Worten / Johan. 3. zu sehen ist / da er spricht:
Es sey dann / daß jemandt newgeboren werde / etc. Da das Wort (jemand) nicht so
viel heist / als die Erbsünde selbst: Sondern heist die Menschen / welche mit
der Erbsünde vnd durch die Erbsünde vergifftet vnd verderbt sindt. Da auch das
Wort Fleisch allda durchauß vnd ohne allen Vnderscheidt so viel heissen solt /
als die Erbsünde selbst / so müste folgen / daß das Wort (Geist) da Christus
spricht: Was auß dem Geist geboren wirdt / das ist Geist / durchauß vnnd ohne
allen Vnderscheidt auch so viel hiesse / als der Geist selbst. Darauß ferrner
folgen müst / daß der Widergeborne Mensch / dem Wesen nach / Geist oder der
Geist selbst vnd also Gott were. Welches aber durchauß falsch vnd
Gotteslästerlich ist. Folgt aber dieses nicht / so bestehet das vorige auch
nicht / daß Fleisch durchauß vnnd ohn allen Vnderscheidt so viel heissen solle /
als die Erbsünde selbst. Dann Fleisch vnd Geist werden hie gegen einander
gesetzt. Beweist also auch dieser Spruch nicht / daß die Erbsünde selbst
getaufft vnd geheiligt werde.
Sprichstu: Es wirdt dannoch das Fleisch getaufft / von dem
|| [68]
Christus spricht: Alles was
auß Fleisch geboren wirdt / etc. Antwort: Das Fleisch oder der sündige Mensch
wirdt getaufft / darauß folget aber nicht / daß darumb die Erbsünde selbst
getaufft werde / Vrsach ist: Das Wort Fleisch begreifft zweyerley / die
Menschliche Natur vnd die Verderbung in derselben. So wirdt nuhn das Fleisch
oder der Mensch getaufft / daß er von deß Fleisches oder von der fleischlichen
Vnart vnnd Verderbung / damit sein Natur behafft ist / erledigt werde / oder daß
jhme die Erbsünde / vnd was jhm von Adam böses angeborn ist / auß Gnaden
vergeben werde / mit nichten aber die Erbsünde selbst / daß die heilig vnd selig
werde: Sondern / daß der Mensch von der Erbsünde gereiniget / geheiliget vnd
selig gemacht werde. Wer das nicht sihet / der sihet nichts vberal / vnd ist
starr Blindt in Gottes Sachen.
Vom Wort (alter Adam) ist auch hiebevor Bericht geschehen. Vnd zwar / wann keine
andere Erklärung vom rechten Verstandt dieses Wörtleins verhanden / köndte
dieselbige alleine auß D. Lutheri Worten / die er in seinem Catechismo braucht
(daß der alte Adam in vns soll ersäufft werden vnnd sterben) genommen werden.
Soll der alte Adam in vns ersäufft werden vnnd sterben / so muß ja alter Adam
nicht so viel heissen / als die verderbte Natur selbst. Dann wann alter Adam vnd
Menschliche Natur ein Ding weren / so müste es nicht heissen: Der alte Adam
solle vnd müsse in vns ersäufft werden vnd sterben / sondern: Der Mensch selbst
oder sein Menschliche Natur müste in der Tauffe oder hernach ersäufft werden
vnnd sterben. Aber es ist vnleugbar / daß die Wort (in vns) den Vnderscheidt
zeigen / welcher zwischen vnser verderbten Menschlichen Natur / vnd zwischen dem
alten Adam oder der Erbsünde / eygentlich zu reden / ist / von welcher die
heilige Tauffe bezeuget / daß sie in vns ersäufft werden vnnd sterben soll / die
verderbte Menschliche Natur aber Geistlich erneuwert werden.
|| [ID00148]
Da mans auch gleich vom gantzen Menschen verstehen will / so ferrn er nicht
newgeboren durch den Heiligen Geist / so muß doch dieser Vnderscheidt darbey
behalten werden / daß es alsdann zweyerley begreifft / nem̅lich /
die verderbte Menschliche Natur vnd die Verderbung in derselben / welche dem
Menschen in der Tauff auß Gnaden vmb Christi willen soll vergeben werden / vnd
derer gäntzliche Außtilgung auch in der heiligen Tauffe angefangen wirdt / aber
erst im künfftigen Leben vollköm̅lich vollnzogen.
Daß auß dem Tauff Büchlein D. Lutheri eitiert wirdt / die Tauffe sey eine
reichliche Abwaschung aller Sünden / ist recht vnd wahr / daß aber darauß mit
Warheit solte können geschlossen werden: Ergo, so wirdt die Erbsünde von allen
Sünden reichlich abgewaschen / etc. verstehet sich selbst / daß es ein
vnkräfftiger Schluß sey / der keinen Grundt hat vberal.
Summarum / Das Gegentheil glossiere die Rede: Die Erbsünde wirdt im Namen der
heiligen Dreyfältigkeit getaufft / geheiliget vnd selig gemacht / etc. wie es
wölle / so bleibet sie einen Weg als den andern eine erschreckliche
Gotteslästerung vnnd Verkehrung aller Sprüche der Schrifft / so von der heiligen
Tauffe reden / oder den Menschen täuffen heissen.
Weder die heilige Schrifft / noch Lutherus lehren oder sagen / daß die Erbsünde
selbst im Namen der heiligen Dreyfältigkeit getaufft vnd selig werde / vnd wirdt
sich das Gegentheil damit nicht weiß brennen / daß man in der Kirchen viel
Wörter braucht / welche in der Schrifft nicht also außdrücklich stehen / als dz
Wörtlein , eines Wesens / etc. vnd dergleichen. Dann
dieselben haben Grundt in der Schrifft / vnd können gewaltig darauß genommen
werden. Aber diese Rede: Daß die Erbsünde im Namen der heiligen Dreyfältigkeit
solle getaufft vnd selig werden / hat nicht alleine keinen Grundt in heiliger
Schrifft: sondern ist auch derselben stracks zu wider / als bißhero
augenscheinlich vnnd gründtlich erwiesen ist. Derwegen alle fromme Hertzen
solche Rede / als eine
|| [69]
warhafftige Gotteslästerung vnd falsche jrrige Lehre meyden vnd fliehen
sollen.
Hergegen die Rede / daß die Erbsünde in der Tauffe abgewaschen werde / dem
Menschen verzeihen oder vergeben vnd nicht zugerechnet werde / vmb Christi
willen / stehet außdrücklich / Luce 3. Johannes predigt die Tauffe der Busse zur
Vergebung der Sünden. Vnnd Actor. 2. Ein jeglicher lasse sich tauffen auff den
Namen Jesu Christi zur Vergebung der Sünden. Item / Zach. 13. Zu der Zeit wirdt
das Hauß Dauid vnnd die Bürger zu Jerusalem einen frey offenen Brunn haben wider
die Sünde vnd Vnreinigkeit. In welchen Worten der Prophet vngezweiffelt von der
heiligen Tauffe redet / welche Christus im newen Testament / als einen Heilbrunn
zur Abwaschung der Sünde vnd Vnreinigkeit eyngesetzt hat.
So hat sie auch D. Lutherus gebraucht in seinem schönen Psalmen von der Tauffe /
da er spricht: Christus der HERR hab ein Bad stifften wöllen / vns von Sünden zu
waschen: Item / da er spricht in gemeltem Psalmen: Die Tauffe sey einerote Flut
/ von Christi Blut geferbet / so allen Schaden heilen thut / von Adam her
geerbet / vnd von vns selbst begangen.
Was das Gegentheil von P. iij. fac. j. biß auff a a. ij. eynführet von
ärgerlichen Reden / so es andern zumessen will / weil es Priuat Personen / vnd
nicht das Concordi Buch selbst / angehet / gehöret es auch nicht hieher zu
verantworten / vnnd werden die / so es angehet / wann es der Kirchen Nohtturfft
vnd Erbawung erheischt / wol für jhre Person zu verantworten wissen.
|| [ID00150]
Verantwortung deß Be weiß / welchen das Christliche Concordi-Buch auß dem
Artickel von der Aufferstehung deß Fleisches genommen hat.
(A a. ij. fac. 2.)
DEß Eoncordi Buchs Grundt oder Beweiß ist dieser:
Was am jüngsten Tage zum ewigen Leben aufferstehet / vnd was wir im ewigen Leben
ohne Sünd haben werden / das ist nicht die Erbsünde selbst.
Dieses vnsers Fleisches Substantz wirdt zum ewigen Leben aufferstehen / vnnd
diese vnsere Seele werden wir im ewigen Leben haben.
Darumb ist deß Menschen Leib vnd Seel die Erbsünde selbst nicht / vnnd muß also
nohtwendig ein Vnderscheit zwischen deß Menschen Natur vnnd Wesen / Leib vnnd
Seel / vnd zwischen der Erbsünde seyn.
Diesen starcken Grundt vnderstehet sich wol das Gegentheil mit seinen
Sopistereyen vmbzureissen / aber (Gott Lob) vergeblich / als wir dann solches
nacheinander hören wöllen.
Erstlich wolten sie vnsern Grundt gerne mit dieser Cauillation vmbstossen / daß
sie fürgeben / es sey nicht recht geredet / vnsere Leibe vnd Seelen werden in
der Aufferstehung ohne Sünde / das ist / ohne Erbsünde seyn / etc. Vnnd es sey
Manicheisch also von der Sünde / als von einem vnderschiedenen accidens oder
zufälligen Dinge reden. Dann die Manicheer sollen etwa also gelehret haben.
|| [70]
Wir lassen vns aber mit solcher Calumnien von vnserm guten vnnd gewissen Grunde
nicht abdringen / dann wir es / Gott Lob / besser wissen. Eine greiffliche
Vnwarheit ists / daß die Manicheer solten gelehret haben / die Erbsünde were ein
vnderschieden accidens oder zufälliges Ding / das in der Aufferstehung
wesentlich von der Menschlichen Natur würde gescheiden werden / etc. Dann
Augustinus de haeresibus, vnnd an vielen andern Ohrten mehr / der Manicheer
Meynung von der Sünde viel anderst beschreibt / nem̅lich / daß sie
gehalten / die Sünde sey nicht ein accidens malum, ein böser Zufall / oder
infirmitas naturae, Gebrechen der Natur / sondern substantia contraria, viuens
& per se subsistens, Das ist / Eine widerwertige Substantz / oder lebendiges
Wesen / das für sich selbst bestünde / etc. aber darvon an seinem Ohrt weiter.
So lehren auch wir nicht / daß die Erbsünde ein selbständiges Wesen sey / oder
ein vnderschiedener selbständiger Zufall sey in der Natur / der wesentlich
darvon würde in ď Aufferstehung gescheiden werden / etc. Solchs ist vns nie in
Sin̅ kom̅en / sonder wir halten / daß es ein
böse qualitas, Zufall / Kranckheit / Seuche / vnd tieffe vnaußsprechliche
Verderbung sey der Natur / davon doch die Natur in der Aufferstehung gantz vnd
gar werde erlediget vnd gefreyet seyn / wie Lutherus Tom. 6. Ienensi, vber das
15. cap. an die Corinth. schreibet: Im newen Leben solle die Sucht vn̅ das Böse / so wir von Adam in vnserm Fleisch vnnd Blut haben /
das sündtliche / sterbliche Wesen / vn̅ allerley Gebrechen / etc.
alles rein abe seyn / vn̅ one Sünde seyn / etc. wie an seinem Ort
ferrner erwiesen. Derwegen vns solche cauillatio deß Gegentheils nichts vberal
angehet / vnsern Grund auch im geringsten nicht vmbstösset.
Zum andern dringet das Gegentheil auff die wesentliche Veränderung vnser
Substantz oder Wesens deß Leibs vnnd der Seelen / etc. Es kan aber vnd vermag
dieselbige mit keinem Spruche der Schrifft erweisen / sondern dichtet sie auß
seinem eygenen Gehirrn / auß diesem nichtigen Grunde / das es zuvor in der Lehre
von der
|| [ID00152]
Widergeburt / auß dem
principio physico, oder Regel: Corruptio vnius est generatio alterius, Die
Verderbung deß einen Dinges ist eine Geburt eines andern newen Dings / etc.
gelehret hat / daß der Mensch in der Widergeburt wesentlich verändert vnnd new
geboren werde / darauff droben nach der länge Bericht geschehen / hie vnnöhtig
zu erholen.
Da auch dieser deß Gegentheils jrriger Wahn / von der wesentlichen Verwandlung
der durch den Teuffel (wie sie reden) ermordeten Natur / in ein newes Wesen /
das auch alterius speciei were / vnd vom vorigen wesentlich vnderschieden / etc.
bestehen solte: So müste vnwidersprechlich folgen / daß die Menschliche Natur
von Todten nicht würde aufferstehen / vnd deß ewigen Lebens theilhafftig werden.
Dann das jenige / so wesentlich verändert vnd in ein ander Wesen vom vorigen
vnderscheiden verwandelt wirdt / das stehet nicht warhafftig auff / wirdt nicht
zu recht gebracht / wirdt auch deß ewigen Lebens nicht theilhafftig: Sondern es
wirdt gantz vnd gar zerstöret vnd vertilget. Da nuhn deß Menschen Leib vnnd Seel
solcher Gestallt verwandelt würden / müste folgen / daß der Leib von Todten
nicht aufferwecket würde / Leib vnd Seel nicht zu recht gebracht / vnd deß
ewigen Lebens theilhafftig / sondern zerstöret vnd vertilget würden / das were
aber eine feine Aufferstehung deß Fleisches / etc.
Zum dritten / kompt es auch auff den Vnderscheid der Menschlichen Natur in diesem
vnd jenem zukünfftigen Leben / vnd vermeinet darauß den Vnderscheit der Natur
vnd Erbsünde auffzuheben / aber es richtet auch darmit nichts auß.
I. Hie in diesem Leben (spricht es) sindt wir vngerecht / dem Gesetz zu wider /
etc. Dort in jenem Leben / werden wir allerding gerecht / vnschüldig vnnd dem
Gesetz gleichförmig seyn. Ist wahr / aber darauß folget nicht / daß die
verderbte Natur vnnd Erbsünde in diesem Leben ein Ding sindt. Viel weniger folgt
/ daß wir in jenem Leben / dem Wesen nach / ein ander Natur
|| [71]
haben werden: Sondern dieses /
daß das Wesen vnser Natur / das hie vngerecht / vnrein vnd sündig / dort in
jenem Leben gantz rein / gerecht vnd vnschüldig seyn werde.
Dauid Psalm. 17. redet wol von dem Bildtniß Gottes / welches in jene̅ Leben volkömlich in den Seligen leuchten wirdt / Er gedencket aber keiner
wesentlichen Verwandelung vnser Natur in ein andere Natur / daruon diese Leute
schwärmen.
S. Petrus auch 2. Petri 1. da er spricht / daß die Gläubigen der Göttlichen Natur
theilhafftig werden / etc. redet von den Gläubigen in diesem Leben / vnd saget
nicht / daß jhre Leibe in der Aufferstehung wesentlich in andere Leibe sollen
verwandelt werden / darumb diese Sprüche das nicht beweisen / darzu sie das
Gegentheil einführet.
Was D. Lutherus von der Verwandlung der Natur am Jüngsten Tage redet / gehet gar
nicht dahin / daß er lehrete oder hielte / daß Gott in der Aufferstehung
wesentlich vns eine new Natur / von der vorigen vnderscheiden / geben würde:
Sondern daß er vnsere verderbte Natur werde vernewern / verklären / gerecht /
vnsterblich / heilig / rein vnnd herrlich machen / also daß am selbigen Tage /
auß vnserm Fleisch vnnd Blut / auß Leib vnnd Seele / die Sünde / Sucht vnd das
böse / vnd allerley Gebrechen vnd Mängel genommen vnnd hingelegt werden sollen /
wie solchs Lutherus Tom. 6. Ienensi vber das 15. Capitel an die Corinther fol.
270. fein rundt vnd deutlich anzeiget / da es der Christliche Leser selbst
finden vnd erwegen kan.
II. Hie haben wir einen natürlichen Leib / der jsset vnnd trincket / etc. Dort
werden wir einen Geistlichen Leib haben / der solcher keines bedürffen wirdt.
Ist auch recht / aber dieses gibt das nicht / daß in der Aufferstehung die Natur
oder das Wesen deß Menschen an Leib vnd Seele wesentlich solle verändert vnnd in
ein newen Leib vnd Seele / dem Wesen nach vom vorigen Leib vnnd Seele
vnderscheiden / verwandelt werden / wie das Gegentheil tichtet. Es reimet
|| [ID00154]
sich dieser Vnderscheid gar nicht zu
dieser Sach / dauon gestritten wirdt / nem̅lich / ob deß Menschen
Natur in der Aufferstehung wesentlich verwandelt werden solle / sondern sagt nur
von Veränderung etlicher Eigenschafften / welche aber das Wesen der Natur nicht
auffheben oder verändern. Einen Geistlichen Leib werden wir zwar haben / er
wirdt aber darumb nicht gantz vnnd gar in einen Geist verwandelt seyn / sondern
Geistliche Eigenschafften haben / 1. Cor. 15.
III. Hie in diesem Leben ist vnser Leib schwach vnnd kranck / in jenem Leben
wirdt er ohne Kranckheit vnnd Jammer seyn. 1. Corinth. 15. ist wahr / aber
darauß schleust sich noch nicht: Ergo, So wirdt vnser Leib am jüngsten Tag /
oder in der Aufferstehung wesentlich in ein newen Leib / vom vorigen / dem Wesen
nach vnterschiede̅ / verwandelt / welchs das Gegentheil beweisen
solte. Den̅ daß 1. Cor. 15. stehet / seminatur corpus corruptioni
obnoxiu̅, das Lutherus verdeutschet hat / es wirt gesehet
verwehßlich / das hatkeines Weges den Verstandt / daß deß Menschen Leib oder
Natur / in der Aufferstehung wesentlich in ein newes / vn̅ ander
Wesen oder Substantz solle verwandelt werden / sondern diesen / daß das
verweßliche oder die Verwehsung von Leib vnnd Seel abgethan werden soll. Denn
der Apostel klar vnderscheidet / vnter dem Leibe oder Substantz oder Wesen deß
Leibes / vnnd vnter der Corruption oder Verwehsung. Die Corruptio oder
Verwehsung soll abgethan werden / aber die Substantz oder Wesen deß Leibs soll
bleiben in Ewigkeit.
IIII. Hie ist vnser Leib ein garstiger / stinckender / vnflätiger Leib / etc.
Dort aber wirt Christus vnsern nichtige̅ Leib verklären / vn̅ seinem verkläreten Leibe gleichförmig machen / Philip. 3. Ist
auch recht. Die bösen Gebrechen vnnd Vnsauberkeiten werden alle miteinander in
der Aufferstehung vollkömlich von vnsern Leiben oder Natur weggenommen werden /
vnnd Christus wirdt vnsere
|| [72]
Leibe seinem herrlichen Leibe ehnlich machen. Aber das heißt nicht erweisen /
daß Christus in der Aufferstehung vnsere nichtige Leibe wesentlich in newe Leibe
/ alterius speciei, welche dem Wesen nach vom vorigen vnterscheiden seyn /
verwandeln werde. Dann solchs alles stehet Philip. 3. nicht mit dem geringsten
Wörtlein: sondern daß er (Christus) werde vnsere nichtige Leibe verklären. Er
spricht nit: Wesentlich in andere newe Leibe verwandeln sondern verklären.
Wesentlich aber in einen andern Leib oder Substantz verwandeln vnd verklären
sind zumal ferrn von einander vnterscheiden. Wie denn auch Christus selbst
seinen Leib in der Aufferstehung nicht wesentlich in einen andern Leib
verwandelt hat: Sondern verkläret vnnd herrlich gemacht / das Wesen aber selbst
vnuerändert gelassen. Was nun Christus an seinem eignen Leibe nicht gethan /
wirdt er an vnsern als dann auch nicht thun. Darumb beweiset das Gegentheil
hiermit nichts vberall.
V. Hie in diesem Leben heißt es / hie kanstu mein Angesicht nicht sehen. Exodi
33. Aber in jenem Leben / werden die Seligen Gott von Angesicht zu Angesicht
schawen. Hiob. 19. 1. Joh. 3. Ist wahr. Thut aber auch nichts darzu / daruon das
Gegentheil streitet / daß nem̅lich die Menschliche Natur in der
Aufferstehung wesentlich in eine andere newe Natur soll tranßformiert oder
verwandelt werden / wie dann auch alles / was das Gegentheil ferrner vom
Vnderscheid dieses vnd jenes Lebens dieses Orts einfüret.
Es bleibt wol ein stetiger Streit in den Gläubigen in diesem Leben Rom. 7. der
dort auffhören wirdt / wir haben hie die Erstling deß Heiligen Geistes / da wir
dort den Zehenden haben werden. Rom. 8. Hie sind wir imputatione new geboren
durch Zurechnung vnnd denn auch inchoatione, so viel den newen Gehorsam anlangt
/ der in den Gläubigen hie angefangen wirdt / dort wirdt es vollkommen seyn. Die
Geistliche newe Creatur
|| [ID00156]
ist hie
angefangen / dort wirdt sie vollkommen seyn. Hie sehen wir als durch ein Spiegel
/ 1. Cor. 13. Dort von Angesicht zu Angesicht. Hie haben wir die Erbschafft deß
ewigen Lebens im Glaube̅ / Dort werden wir sie schawen / haben /
vnd vollköm̅lich besitzen. Hie werden wir vm̅ der
Bekändtniß willen der Warheit verfolget / etc. Dort aber wirdt vnser Trawrigkeit
in eine vollkommene Frewde verwandelt werden / Johan. 16. etc. Aber wie beweiset
solchs alles deß Gegentheils Proposition oder den Hauptstreit / daß die
Menschliche Natur in der Aufferstehung wesentlich solle in eine ander newe Natur
alterius speciei verwandelt werden? Da sehen alle verständige Christen / daß
solchs nichts vberall beweise. Es sind diese Sachen wol an sich selbst recht
vnnd wahr / aber sie dienen darzu nicht / daß darauß solte beygebracht vnd
erwiesen werden / daruon das Gegentheil streitet / nem̅lich / wie
gesagt / daß die Natur in der Aufferstehung wesentlich in eine newe vnd von der
vorigen vnderschiedenen Natur / dem Wesen nach / solle verwandelt werden.
Derwegen / wann das Gegentheil seinen ertichteten Wahn erweisen will / muß es
andere Gründe bringen / diese thuns gar nicht. Es ist sich vber deß Gegentheils
kindische Gedancken wol zu verwundern / daß es darthun will / es geschehe in der
Aufferstehung eine wesentliche Verwandlung der Natur in eine andere vnd newe
Natur alterius speciei, vnnd bringt doch keinen Grundt vberal / der zu solcher
Sachen dienete / sondern bringt nur viel Zeit zu mit Beweisung deß Vnderscheidts
zwischen diesem vnd jenem Leben / vnd was die Seligen für Herrligkeiten an jhren
erweckten vnd glorificierten Leiben haben werden / von welchen allen zwischen
vns vnd jhnen kein Streit ist.
Noch viel weniger aber dienen diese Sachen darzu / daß das Gegentheil deß
Christlichen Concordi Buchs Grundt vmbstosse / nem̅lich / das /
was am Jüngsten Tage wirdt aufferstehen / vnd was wir haben werden in jenem
Leben / das sey nicht die Erbsünde selbst. Dieses vnser Fleisch vnd Blut vnnd
diese Seele werden wir haben.
|| [73]
Ergo, &c. Dann ob gleich die Seligen an jhren Leiben in jener Welt viel
herrlicher praerogatiuen vnnd Vorzüge haben werden / welche sie in diesem Leben
gar nicht haben / auch von aller Sünde / Jammer / Elend vnd Hertzleid
vollkömlich werden erlösetseyn / vnd keine Gebrechen vberall mehr an Leib oder
Seele haben: Jedoch folgt darauß nicht / daß sie dem Wesen nach andere vnd newe
Leibe oder andere vnd newe Seelen haben werden. Dann ob wol der Leib stirbt vnnd
zu Aschen wirdt / so wirdt doch eben derselbige vnnd kein ander Leib am jüngsten
Tage aufferwecket werden / Hiob. 19. So werden auch die Seligen dem Wesen nach
keine newe oder andere Seelen vberkommen / sonst müste die Seele sterblich vnnd
der Veränderung vnterworffen seyn / welchs zu Grundt falsch ist / vnd wider
Gottes Wort streitet. Matth. 10. Die Seel können sie nicht tödten.
Darumb es eine Anzeigung ist einer erschrecklichen Blindheit / damit das
Gegentheil geschlagen / daß es solchs alles nicht mercken / sondern so kindisch
vnnd so vngeschickt von sölchen Sachen schliessen soll / daß es auch die Knaben
in der Schul verstehen können / daß es nicht recht geschlossen sey.
Gestehet das Gegentheil / daß wir vnser Fleisch oder Leib / den(Dd. j. fac. ij.) wir hie gehabt / dort in jenem
Leben wider haben werden / deßgleichen auch die Seele / etc. vnd fällt doch bald
wider daruon / gibt für / es werde eine vollkommene Widergeburt vnd Verwandelung
deß Leibs vnnd der Selen werden. Wann dieses stehen solle / kan das vorige nicht
bleibe̅. Bestehet aber das vorige / daß nem̅lich
ein jeglicher seinen Leib vnnd Seele / die er hie gehabt / dort wider haben
werde / so kan das folgende von der vollkommenen Verwandelung Leibs vnd der
Seelen nicht bleiben. Eins muß das Gegentheil fallen lassen / es verdrehe sich
so wunderbarlich als es jmmer wölle / beyde können sie zugleich nicht
stehen.
So viel die Widergeburt anlangt / dauon Christus Matt. 19. redet / die gehet
nicht auff die wesentliche Verwandelung deß Leibs
|| [ID00158]
vnd Seelen in ein andern Leib vnnd
Seele / dem Wesen nach den vorigen vngleich: Sondern redet von Abschaffung aller
Sünde vnd Gebrechen an vnser Natur / vnnd von vollkömlicher Reynigung vnd
Heiligung der Natur / daß sie Gott von gantzem Hertzen liebe / vnd den Zehen
Gebotten durchauß in Hertz / Leib / Seele vnd allen Kräfften gleichförmig werde
/ dem sie zuuor vngleichförmig vnd widerspenstig gewesen. Das ist aber viel ein
anders / als daß die Natur selbst solte wesentlich in eine andere / newe / vn̅ alterius speciei naturam verwandelt werden / dahin deß
Gegentheils Meynung sihet.
Actor. 3. Spricht wol Petrus / es werde an dem Tage alles zu recht bracht werden.
Zu recht bringen aber heißt nicht wesentlich etwas zerstören / vnnd ein newes
vnd anders Wesen drauß machen / das von dem vorigen vnterschieden ist (dann zu
recht bringen vn̅ zerstören / seind zweierley) Sondern es heißt /
alles Böses / Sünde / Vnreinigkeit / vnd allen Jam̅er / damit die
Menschliche Natur der Sünden halben jetzo beladen / abschaffen / vnnd in der
Natur auffs newe erschaffen vnd geben Gerechtigkeit / Reinigkeit / Vnschuldt /
Heiligkeit / Liecht / Freude vnd Leben / etc. vn̅ in Sum̅a Leib vn̅ Seele herrlich machen vn̅
verklären / nicht aber in eine andere Substantz oder Wesen verwandeln.
Die Verwandelung auch / daruon Paulus 1. Cor. 15. redet / heißt mit nichten eine
solche wesentliche Verwandlung der Natur in eine newe Natur / dem Wesen nach /
von der vorigen vnderscheiden: sondern / wie gemeldt / eine gäntzliche Abthuung
aller Sünde / Sterbligkeit vn̅ Gebreche̅ / hergegen
eine Mittheilung newer Eygenschafften vnd Herrligkeiten / nem̅lich
Gerechtigkeit / Warheit / Heiligkeit vnnd dergleichen / wie folchs Lutherus Tom.
6. Ienensi vber das 15. Cap. S. Pauli an die Corinther mit folgenden Worten fein
erkläret.
Denn das Griechisch Wort / so allhie stehet / heißt fürnem̅lich
|| [74]
also verändern / daß man von
einer Stät weg thut zu einer andern / als auß dem Wasser auffs trucken Landt /
von der Erde̅ in die Lufft / Also soll man vns dort auch in einem
Augenblick anders wo vn̅ auff ander Weise finden / die wir
dieselbige stunde zuuor hie auff Erden / im Hauß oder auff dem Feldt seyn werden
/ vnd plötzlich vom Tisch oder Bett oder von der Arbeit / wie wir gehen / stehen
/ sitzen oder liegen / weggeruckt werden / also daß wir in einem Augenblick todt
vnd widerlebendt / vnnd allerding verändert seyn werden / vnnd droben in den
Wolcken schweben. Solche Veränderung meynet er hie. Wiewol er die andern
veränderung qualitatis der Gestallt auch mit fasset / dauon er bereit droben
gesagt hat / daß der Leib ein ander Kleid wirdt anziehen / das ist / verkläret
vnd hell werden soll / viel herrlicher vnd schöner / dann die Sonne / aber nicht
also / daß solchs geschehen soll / weil er noch in dieser Herberg vnnd in diesem
Kleid gehet / sondern alles zuuor desselben Augenblicks nackendt außgezogen vnnd
zu Puluer verbrandt / vnnd in demselbigen hinweg gezuckt.
Der Spruch 1. Corinth. 15. Fleisch vnnd Blut können das Reich Gottes nicht
ererben / etc. thut auch zu dieser Sache nichts vberall. Denn deß Apostels
Meynung gantz vnd gar nicht ist / daß vnser Fleisch / so viel das Wesen selbst
anbetrifft / das Himmelreich nicht ererben solle: sondern so viel die Schuldt
oder Sünde an gehet / wie alle reine Lehrer diesen Spruch je vnd allwege
verstanden vnd erkläret haben. Vnd ist sonderlich hier von Augustini Außlegung
zu mercken / lib. 1. retractat: de fide & Symbolo cap. 17. Caro &
sanguis regnum Dei non possidebunt. Sed quisquis ea sic accipit, vt existimet
corpusterrenum, quale nunc habemus, in corpus coeleste resurrectione mutari, vt
nec membra ista nec carnis futura sit substantia, procul dubio corrigendus est,
co̅monitus corpore domini, qui post resurrectione̅ in eisde̅ membris no̅ solu̅
conspiciendus oculis, veru̅ etiam manibus tan
|| [ID00160]
gendus apparuit, carnemque se
habere etiam firmauit, dicens: Palpate & videte quia spiritus carnem &
ossa non habet, sicut me videtis habere. Vnde constat, Apostolum non carnis
substantiam negasse in regno Dei futuram, sed aut homines, qui secundùm carnem
viuunt, carnis & sanguinis nomine nuncupasse, aut ipsam carniscorruptionem,
quae tum utique nulla erit. Das ist / Fleisch vnd Blut werden das Reich Gottes
nicht besitzen. Wer dieses also verstehet / daß er meynet / daß dieser jrrdische
Leib / den wir jetzt haben / in einen Himlischen Leib in der Aufferstehung solle
verwandelt werden / daß diese Gliedmasse vnd dieses Fleisches Wesen nicht
bleiben solten / der ist ohne Zweiffel zu straffen. Denn er wird erinnert durch
den Leib deß HERRN / welcher nach seiner Aufferstehung in den vorigen
Gliedmassen nicht alleine gesehen / sondern auch mit Händen angerüret vnnd
befühlet worden. So zeuget er auch selbst vnd spricht: Fühlet vnd sehet / ein
Geist hat nicht Fleisch vnd Beine / wie jhr sehet / daß ich habe. Darauß folgt /
daß der Apostel nicht verneinet / daß im künfftigen Reich Gottes nicht das Wesen
deß Fleisches seyn solte: Sondern daß er entweder die Menschen / die nach dem
Fleisch leben / Fleisch vnd Blut nennet / oder die verderbung deß Fleisches
verstehet / welche aller Ding dazumal nicht mehr seyn wirdt / etc.
In diesen Worten Augustini sind zwey Pünctlein sonderlich zu mercken: Das erste /
daß dieses vnser Fleisch vnnd Blut nach der Substantz vnd Wesen bleiben solle.
Es soll aber solcher Gestallt verändert werde̅ / daß es / dem
verklärten Leibe Christi nach / sein voriges Wesen behalte / vnnd alleine
herrlich vnsterblich vnnd Heilig am selben werde. Darauß zu vernemen / daß
Augustinus von keiner solchen wesentlichen Verwandelung deß Mensehens in ein
ander Wesen / alterius speciei, &c. gewust / darauff das Gegentheil ohne
Grundt der Schrifft so hefftig dringet. Das ander ist / daß Augustinus (wie auch
D. Lutherus vber diesen Spruch 1. Cor. 15. Tom. 6. Ienen. &c.) gehalten /
daß die Veränderung am Wesen deß
|| [75]
erweckten Menschen also geschehen solle / daß nem̅lich die
Verderbung / oder was böses am Menschen gewest / soll auffhören vnd ein Ende
haben / vnd soll das Wesen deß Menschen dadurch zu him̅lischer
Herrligkeit vnd Glori gebracht werden. Darvon Augustinus abermals lib. 22. de
ciuitate Dei, cap. 17. also schreibet: In resurrectione corporibus nostris vitia
detrahentur, natura seruabitur. Das ist / In der Aufferstehung werden von vnsern
Leiben alle Gebrechen oder Mängel abgethan werden / Aber die Natur selbst wirdt
bleiben.
In Summa / gleich wie die Widergeburt deß Menschen in der Tauffe keine
wesentliche Veränderung ist der Natur deß Menschen / sondern eine geistliche
Widergeburt / in welcher dem Menschen die Sünde vergeben / vnd der Sünder
gerecht gemacht / von Sünden gewaschen vnd gereiniget wirdt / gläubig gemacht
wirdt / durch den Heiligen Geist an Leib vnd Seele vernewert wirdt / new Liecht
/ Frewde vnnd Trost empfähet / ein newe Creatur wirdt / erschaffen zu guten
Wercken / daß er darinnen wandele / es werden Gerechtigkeit / Heiligkeit /
Warheit vnnd dergleichen Tugende in seinem vernewerten Hertzen angezündet / daß
er also ein recht newer Mensch sey. Vnd in Summa / der Heilige Geist fähet durch
den Glauben die Tödtung der sündtlichen Lüsten vnnd Begirden / so noch vbrig im
Menschen / an / biß daß ers in der Aufferstehung vollbringe / vnd die
Menschliche Natur von allen Sünden gantz erledige / vnd vollköm̅lich rein vnd heilig mache. Also wirdt in der Widergeburt am jüngsten Tage deß
Menschen Wesen auch nicht wesentlich verwandelt / sondern bleibet das vorige
Wesen / alleine was der Heilige Geist in der Tauffe in jhm angefangen / das
machet er alsdann perfect oder vollkommen / daß also die verderbte Natur von
jhrer Verderbung gantz vnd gar gefreyet werde / vn̅ der Mensch an
Leib vnd Seel vollkommen gerecht / heilig / rein / vnschüldig / herrlich /
vnsterblich vnd ewig selig werde. Daher auch Lutherus Tomo 4. in Genes. cap. 38.
schreibt: Fides & Spiritus Sanctus non
|| [ID00162]
corrumpit aut destruit naturam, sed
destructam & corruptam sanat. Das ist / Der Heilige Geist zerstöret vnd
verderbet nicht die Natur / sondern heilet die verderbte vnd zerstörte Natur /
etc.
Bringet das Gegentheil dieses Argument:
(Dd. iiij. fa. 1. vnd 2.)
Was deß zeitlichen vnnd ewigen Todts vnnd Verdamnüß wirdig vnd schüldig ist /
solchs ist Sünde / das ist / vngerecht / dem Gesetz zu wider vnd entgegen / wie
Paulus Rom. 6. sagt: Der Tod ist der Sünden Soldt.
Die verderbte Menschliche Natur ist ausser der Gnaden vnd Christo nicht allein
deß zeitlichen / sondern auch deß ewigen Todts vnd Verdam̅niß
wirdig vnd schüldig / Deut. 27. Galat. 3.
Derwegen ist deß Menschen gantz verderbte Natur oder verderbte Leib vnnd Seele
Sünde / ja Erbsünde / Wurtzel / Brunquell vnd Thäterin aller wircklichen Sünden.
Gehet weiter vnd spricht: Weil dann nun gantz vnd gar kein Vnderscheid zwischen
vnser verderbten Leib vnd Seele / vnd zwischen der Erbsünde ist / so kehren wir
deß Concordi Buchs Argument vmb vnd schliessen also:
Weil die Gläubigen eine Aufferstehung jhres Fleisches / vnd eine Verwandlung
jhres gantzen Leibs vnnd der Seelen gläuben / so folgt auß diesem Artickel
vnsers Christlichen Glaubens / von der Aufferstehung / daß diß vnser Fleisch am
jüngsten Tage aufferstehen / vnd daß wir im ewigen Leben diß Wesen vnsers Leibs
vnd der Seelen / quo ad indiuiduum, aber ein ander Substantz oder Wesen / quo ad
mutationem, totalem regenerationem, glorificationem, was die Verwandlung /
gäntzliche Widergeburt anlangt / haben werden / also daß vnsere Leib vnd Seele /
so hie wesentlich Sünde / vngerecht / etc. dort wesentlich gerecht / vnd dem
Gesetz gleichförmig werden.
So viel das erste Argument anlangt / taug dasselbige zu Grund nichts. Vrsach ist:
Dann Maior propositio oder die erste Rede ambigua, zweiffelhafftig vnd auff
Schrauben gestellt ist / in dem / daß sie sagt / was deß Tods wirdig ist / dz
ist Sünde / das ist / vn
|| [76]
gerecht / etc. Dann wie nun offt erwiesen / die Sünde vnd vngerecht
seyn / nicht ein Ding seind oder eynerley bedeuten. Wan̅ das
Wörtlein (Sünde) so viel heissen soll (als es dann vnser Gegentheil in diesem
Streit versteht vn̅ gebraucht) als: Die Sünde selbst seyn / so kan
es durchs Wörtlein (vngerecht) nit erkläret werden. Sintemal das Wörtlein
(vngerecht) zweyerley begreifft / wie alle verständige Christen wissen / nem̅lich das subiectum oder den Menschen / vnnd das vitium oder die
Vngerechtigkeit im Menschen.
Kan demnach Maior propositio von wegen jhrer Ambiguitet nicht stehen / es were
dann / daß sie sagen wolten / daß (vngerecht seyn) eigentlich zu rede̅ / eben so viel hiesse / als: Die Sünde oder Vngerechtigkeit
selbst seyn. Da nun das Gegentheil das affirmieren wolte / müst es auffheben den
Vnderscheidt vnder den Worten Vngerechtigkeit vnd vngerecht / vnnd auß
Vngerechtigkeit vnnd vngerecht ein Ding machen / Da Maior propositio aber falsch
würde. Dann diese beyde Wörter / nach Art der Sprachen eygentlich zu reden /
nicht können für ein Ding genommen werden. Dann vngerecht seyn ist terminus
compositus, ein Wort so zwey Ding begreifft / Vngerechtigkeit aber terminus
simplex, oder ein solch Wort / das nur ein Ding bedeutet.
So ist auch in diesem Argument plus in conclusione, quàm in praemissis: Dann die
conclusio lautet also: Derwegen ist deß Menschen gantz verderbte Natur oder
verderbte Leib vnnd Seele Sünde / ja Erbsünde / Wurtzel / Brunnquell vnnd
Thäterin aller wircklichen Sünde. Dan̅ die erste Propositio hat
nicht simpliciter vnd durchauß also gelautet / daß die verderbte Natur Leib
vn̅ Seel Sünde / ja Erbsünde sey: sonder was der Verdam̅niß schüldig ist / solches ist Sünde / das ist / vngerecht / dem
Gesetz zu wider vnd entgege̅ / welches viel anderst klinget / als
die Wort / die in conclusione erholet werden / neben dem / daß es ambiguè / dz
ist / zweiffelhafftig oder beydenhändisch geredt ist. Weil dann solchs offenbar
/ so bestehet gemelter Syllogismus zu Grudne nicht.
|| [ID00164]
Da auch Maior propositio gleich gar eygentlich gesetzt / nem̅lich:
Was deß Todts schüldig ist / das ist Sünde oder die Erbsünde selbst / etc. so
were sie doch falsch: Dann nicht alles / was deß Todts schüldig ist /
simpliciter durchauß vnd für sich selbst die Sünde oder Erbsünde selbst ist. Der
gantze Mensch mit Leib vnnd Seel ist wol deß Todes schüldig / ist aber drumb
nicht die Sünde oder Erbsünde selbst: Sondern er ist deß Todts schüldig etwas
anders halben / nem̅lich von wegen der Sünde / damit sein Leib vnd
Seel verderbt sindt / der Leib ist todt oder deß Todes schüldig vmb der Sünde
willen / spricht der Apostel / Rom. 8.
So gehet auch Pauli Spruch / Rom. 6. Der Todt ist der Sünden Sold / mit nichten
dahin / daß er lehren solte / daß (Sünde / ) so viel
hiesse / als: Die Sünde oder Erbsünde selbst seyn / dann wann es so viel heissen
solte / müsten dieses termini conuertibiles seyn: Der Sünden Soldt ist der Todt
/ vn̅ Menschlicher Natur oder Leibs vnnd der Seelen Soldt ist der
Todt / welches durchauß falsch vnd vnrecht ist.
Die ander Folgerey betreffendt / ist dieselbige noch vngeheurer / als die vorige
/ also / daß man auch augenscheinlich spüren kan / daß diese Leut zerrüttete vnd
verfinsterte Sinne haben / vnnd selbst nicht wissen / was sie setzen oder sagen.
Dann lieber was ist doch das für ein Argument?
Die Gläubigen glauben eine Aufferstehung deß Fleisches / vnd eine Verwandlung vnd
vollständige Widergeburt jhres gantzen Leibs vnd der Seelen.
Ergo, so folgt auß dem Artickel der Aufferstehung / daß diß vnser Fleisch am
jüngsten Tag aufferstehen / vnd daß wir im ewigen Leben diß Wesen vnsers Leibs
vnnd der Seelen / quo ad indiuiduum, aber ein ander Substantz oder Wesen / quo
ad mutationem totalem, regenerationem, glorificationem, was die Verwandelung /
etc. anlangt / haben werden.
Hie kan ein verständiger Christ auch greiffen / daß dieses Argu
|| [77]
ment nicht an einander
hanget / vnd daß eins auß dem andern im selben nicht folge. Vnser Fleisch wirdt
aufferstehen vnd verwandelt werden. Ergo, so werden wir im ewigen Leben dieses
Wesen vnsers Leibs vnd Seelen quo ad indiuiduum, aber ein ander Substantz oder
Wesen quo ad totalem mutationem, so viel die gäntzliche Verwandlung anlanget /
haben. Freylich sindt dieses Scopae dissolutae, vnd freylich hanget dieses
Argument eben so fest aneinander / gleich wie der Sandt am Vfer deß Meers.
Bedarff demnach keiner weitläufftigen Widerlegung / weil es sich selbst
widerlegt vnnd vmbstösset.
Das folget wol: Die Gläubigen gläuben die Aufferstehung dises jres Fleisches:
Ergo, so werden sie auch an jenem Tage dieses jr Fleisch / der Substantz vn̅ Wesen nach / wider vberkom̅en. Hiob. 19.
Item / das folget auch: Die Gläubigen gläuben eine vollständige Widergeburt jhrer
Natur oder Fleisches: Ergo, so wirdt jhre verderbte Natur an jenem Tage
vollständig zu recht gebracht vnd vernewert werden / daß kein Verderbung / Sünde
oder Vnreinigkeit mehr daran seyn wirdt / 1. Cor. 15.
Daß aber die Gläubigen eine gäntzliche Verwandlung jhrer Natur / Leibs vnnd der
Seelen / in ein ander Natur / in ein ander Leib vn̅ Seel /
wesentlich von der vorigen Natur / Leib vnd Seele / vnterscheiden / gläuben vnd
erwarten solten / wie das Gegentheil schwärmet / das ist falsch vnd vnrecht. Die
Schrifft lehret solchs nicht / so gläubens die Christen auch nicht / vnnd
sollens nicht gläuben / dann es ist Gotteslästerung.
Vnnd wo stehet doch das in der Schrifft / daß wir im ewigen Leben wol diß Wesen
vnsers Leibs vnd der Seelen / quo ad indiuiduum, haben werden / das ist / das
wir eben die Menschen seyn werden / so wir zuvor in diesem Leben gewest: Aber
doch ein ander Substantz oder Wesen / was die gäntzliche Verwandlung anlangt /
haben werden?
Werden wir in jenem Leben eben diß Wesen vnsers Leibs vnd
|| [ID00166]
Seelen haben / das wir in diesem
Leben gehabt / vnd Adam / Hiob / etc. werden eben die seyn / so sie in diesem
Leben nach der Substantz Leibs vn̅ der Seelen gewest / vnd keine
andere: So muß ja falsch / gottloß / vnrecht vnd nicht wahr seyn / daß wir / so
viel die Verwandlung anlangt / ein ander Substantz oder Wesen in der
Aufferstehung vberkommen werden. Soll es das vorige vnd kein ander Wesen Leibs
vnd der Seelen seyn / als wir zuvor in diesem Leben gehabt / so muß es kein
ander Substantz oder Wesen seyn. Wirdt es aber ein ander Substantz oder Wesen
seyn (wie diese Leuhte dichten vnnd schwärmen) so kan es die vorige Substantz
Leibs vnnd der Seelen nicht seyn / sie machens so krauß vnnd bundt als sie jmmer
wöllen. Die Verwandlung auch / so in der Aufferstehung geschehen wirdt / muß den
Seligen keine andere Substantz oder Wesen bringen / als sie zuvor gehabt / oder
es muß falsch seyn / daß die Seligen eben die vorige Substantz Leibs vnnd der
Seelen haben werden. Bey einem müssen sie bleiben / vnd eines vnter den beyden
wehlen / beyde können sie zugleich nicht bestehen.
(Ee. i. fa. 2.)
Will das Gegentheil auff deß Concordi Buchs Grundt antworten / da es schleust:
Wann gantz vnd gar kein Vnderscheidt vnter der verderbten Natur vnd vnter der
Erbsünde were / so müßte wider den Artickel der Aufferstehung folgen / daß auch
die Sünde aufferstehen vnd im ewigen Leben seyn würde / Vnd spricht / das
Widerspiel sey wahr. Warumb? Darumb / spricht es: Dann sie gläuben / daß die
verderbte Natur oder die Sünde oder Erbsünde hie in diesem Leben vmb Christi
willen auß Gnaden gerecht geschätzt werde / widergeboren vnnd in der
Aufferstehung wesentlich verwandelet / vnnd gäntzlich veränderet werde. Wie dann
die Erbsünde aufferstehen vnnd im ewigen Leben seyn vnd bleiben solle?
Hie vrtheilen alle verständige Christen / was dieses für eine Antwort sey / vnd
ob hiedurch deß Concordi Buchs Grundt auffgelöset vnd vmbgestossen / oder viel
mehr bekräfftiget sey.
|| [78]
Dann wo deß Gegentheils Glaube ist / daß die verderbte Natur / welche / jhrem
Fürgeben nach / die Erbsünde selbst ist / hie durch Zurechnung gerecht geschetzt
vnd newgeboren / vnd in der Aufferstehung wesentlich verwandelt werde / etc. so
bleibet es vnwidersprechlich wahr / daß die Erbsünde selbst von Todten erweckt /
vnd alsdann gäntzlich in die Gerechtigkeit verwandelt / vnnd also in das ewige
Leben gehe. Da kan es nicht fürvber / sintemal es vnwidersprechlich wahr ist /
daß die Natur deß Menschen am jüngsten Tage wirdt aufferweckt werden / so er
jetzo hat. Ist nuhn die jetzige Natur deß Menschen die Erbsünde selbst: So muß
sie ja auch am jüngsten Tage aufferweckt werden. Redet demnach vnd schreibet in
dieser Antwort wider sich selbst.
Will es aber sagen / die Menschliche Natur werde newgeboren vnnd verwandelt / daß
wie sie zuvor vngerecht vnd sündig war / nuhn in der Aufferstehung gantz gerecht
vnd heilig werde / vnd also allerding zu recht gebracht / so muß es mit vns den
Vnderscheidt zwischen der Erbsünde vnd verderbten Natur halten. Will es das
nicht thun / so bleibet seine Gotteslästerung einen Weg als den andern / daß
nem̅lich die Erbsünde selbst von Todten aufferweckt werde /
vnd ins ewige Leben komme. Dann was aufferweckt wirdt (reden hie von den
Außerwehlten) von den Todten / das wirdt auch ins ewige Leben kommen / Die
Erbsünde / jhrem Fürgeben nach / wirdt aufferweckt / etc. Darumb so wirdt sie /
jhrem Fürgeben nach / auch ins ewige Leben kommen. Vnd hilfft sie nicht / daß
sie von der Verwandlung derselben in die Gerechtigkeit viel Geschreyes machen.
Dann solchs eben so wahr / als das vorige / könnens nimmehr mit einigem Spruch
der Schrifft erweisen / wan̅ sie sich auch zerreissen solten.
Sie wenden sich nuhn wohin sie wöllen / so sindt sie geschlagen / vnd können sich
nicht loß wircken.
Sie vermeynen wol darmit loß zu kommen / daß sie fürgeben /
|| [ID00168]
sie lehren nicht / daß das verderbte
Fleisch oder Erbsünde ohne wesentliche Verwandlung aufferweckt werde / etc. Ist
aber bereit angezeigt / daß solche Außflucht vergeblich sey. Dann wann jr Wahn
bestehet / daß kein Vnderscheidt zwischen der jetzigen verderbten Natur vnd
Erbsünde ist / vnd aber die jetzige Natur selbst am jüngsten Tage erstehen soll
vnd wirdt / so muß ja freylich die Erbsünde selbst / welche / jrem Fürgeben nach
/ one allen Vnderscheidt die jetzige Natur deß Menschen ist / aufferstehen vnnd
erweckt werden / vnd also auch ewig leben vnd selig werden.
Die wesentliche Verwandlung betreffendt / wie nun zu vielen malen angezeigt /
werden sie zu ewigen Zeiten auß der heiligen Schrifft nicht wahr machen. Bleibet
demnach jhr Schwarm ein Gottloser Schwarm vnd ein verdampte Lehre / als die in
Gottes Wort nicht alleine keinen Grundt hat / sondern auch deme stracks zu wider
ist.
Bißher haben wir zwar mancherley effugia oder Außflüchten deß Gegentheils gehöret
/ aber nicht ein einige̅ Beweiß oder Grunde / darmit es deß
Concordi Buchs Argument anfänglich widerholet / hette vmbgestossen. Ja das noch
viel mehr ist / es hat in allen den paginis oder Blettern / die es voll geklickt
hat / nicht einmal desselben recht erwehnet / sondern von andern Sachen
geschwätzet / so hieher weder gehören noch dienen.
Bestehet derwegen vnser oder deß Concordi Buchs Argument wider diese
Schwarmgeister noch feste.
Was folget biß zu Ende dieses Tractats / ist nur ein vergebliche vnd vnnütze
Widerholung der vorigen Sachen / darauff bereit gründtlich geantwortet. Derwegen
es gantz vnnöhtig / hie abermals vnd auffs new dargegen sich eynzulassen.
|| [79]
Daß der Vnderstheidt zwischen der verderbten Natur vnd zwischen der Erbsünde
in der Theologia keinen Schaden thue.
DAs Gegentheil schwärmet ferrner / vn̅(Gg. 2. fac. j.) gibt für / der Vnderscheid zwischen der verderbten
Natur vn̅ zwischen der Erbsünde verkleinere Erstlich das Bild
Gottes / darnach der Mensch oder sein gantze Natur erschaffen / etc. Das reimet
sich gar nichts. Dann / wie droben erwiesen / ist der Mensch nicht wesentlich
das Bilde Gottes selbst gewest: sondern darzu erschaffen / dann wo der Mensch
Adam oder sein Natur vnd Wesen das Bildt Gottes selbst wesentlich gewest / so
hette er dasselbige nicht verlieren können ohne Verlust seiner gantzen Natur.
Nun hat er aber seine Natur (ob sie wol geschwächt ist) behalten / das Bilde
Gottes aber verloren / derwegen dieser Fürwurff gar nichts hafftet / viel
weniger den Vnderscheid zwischen der verderbten Natur vnnd zwischen der Erbsünde
auffhebet / oder / daß er in Theologia schaden thue / erweiset.
II. Mache er geringschätzig de̅ Fall Adae selbst / dadurch
Menschlich Natur verderbt ist / dieweil dadurch die gantze Natur verändert. Ist
aber eben so wahr als das vorige. Denn wo dieser Fürwurff etwas gelten solte /
so müst folgen / daß durch Adams Fall Menschlich Natur nicht verderbt / sondern
gantz vnd gar in ein newes Wesen verwandelt / daß Adam nicht mehr der vorige
Adam gewest / sondern ein ander vnd newer Adam / wesentlich vom vorigen
vnderscheiden / geworden. Solchs aber ist falsch vnd vnrecht. Die Natur Adae ist
wol verwandelt / so viel die Gerechtigkeit / Weißheit / Hei
|| [ID00170]
ligkeit / Freyheit /
Reynigkeit vn̅ Vnschuldt antrifft / denn sie ist nun vngerecht /
vnuerständig / vnheilig / etc. worden / aber zum andern Wesen ist sie nicht
worden / wie solchs alles droben außgeführet. Derwegen dieser Fürwurff auch
nichts gilt.
III. Soll die Krafft deß Gesetzes dadurch geschmälert werden / welches die gantze
Natur vnnd nicht ein blossen Zufall anklagt / etc. Antwort: Keines Weges.
Sintemal / vnserm Bekändtnüß nach / das Gesetz die gantze Natur deß verderbten
Mensche̅ anklagt vn̅ beschüldiget / vnnd nicht
die Sünde an vnd für sich selbst. Dann die Sünde ist nicht etwas / das an oder
für sich selbst were: sondern ist ein böser Zufall / durch welchen Menschlich
Natur vn̅ Wesen gantz vnd gar verderbt ist / vnd also auch in der
Menschlichen Natur / das ist / in Leib vnd Seele ist. Derwege̅
auch das Gesetz billiche Vrsach hat / die gantze Menschliche Natur anzuklagen
vnd zu verdammen / wo ferrn sie nicht von solchem Zufall durch Christum erlöset
wirdt. In Summa / wie die Schmalkaldischen Artickel recht reden / ist deß
Gesetzes Ampt / dem Menschen die Erbsünde mit jhren Früchten offenbaren / vnd
zeigen / wie gar tieff seine Natur gefallen vnnd grundtloß verderbt sey / etc.
Darumb ist deß Gesetzes Ampt nicht / offenbaren / daß die verderbte Natur die
Erbsünde selbst sey / vnnd daß kein Vnderscheid zwischen der Natur vnnd zwischen
der Erbsünde sey: Sondern das ist sein Ampt / daß es dem Menschen die Erbsünde
mit jhren Früchten offenbare / etc. Dem Menschen soll es die Erbsünde offenbaren
/ nicht anzeigen / daß er ohne allen Vnderscheid die Erbsünde selbst sey.
IIII. Soll die Gnade Gottes dadurch geschmähet werden / der vmb Christi willen
vns verderbte Menschen zu Gnaden annimpt / etc.
Wan̅ dieser Fürwurff hafften solte / so müste das Gegentheil zuuor
erweisen / daß verderbte Natur oder verderbter Mensch / vnd die Verderbung
selbst ein Ding weren / das kan vnnd vermag es nicht zu thun in alle Ewigkeit.
Was die Schrifft hieruon lehret /
|| [80]
das bricht Gottes Barmhertzigkeit nichts abe. Die Schrifft lehret /
daß Gott nicht die Sünde selbst / sondern die Sünder durch Christum erlöse vnd
selig mache. Matth. 1. 9. Johan. 3. Rom. 3. 1. Timoth. 1. Darumb bricht diese
Lehre vom Vnderscheid der Sünde vnd Menschlichen Natur / der Barmhertzigkeit
Gottes nichts abe.
Titum. 2. heißt , impietas, Gottloß Wesen / etc. nicht
ein Substantz / wie es das Gegentheil deutet / sondern die Gottlosigkeit / so in
der Menschlichen Natur verborgen ist / von welcher der Apostel sagt / daß wir
sie verläugnen oder meiden sollen / noch darff es vorgeben / daß es heisse die
Menschliche verderbte Natur oder die Sünde selbst. Viel ein anders ist es /
dauon Lutherus schreibet / nicht erkennen wollen / daß alles / was am Mensche̅ ist / verdam̅t vnd Gottloß sey / vnd lehren / daß
die verderbte Natur vnd die Erbsünde ein Ding seyn / wie das menniglich
verstehet. Darumb D. Lutheri Wort vergeblich wider vns angezogen werden.
V. Es soll auch dieser Vnderscheid Gottslästerlich seyn / wider die Menschwerdung
Christi vnd die Erlösung / durch jn geschehen / Dan̅ Christus die
gantze Menschliche Natur ohne Sünde angenommen / vnnd nicht alleine ein gut
accidens oder qualitet, &c. Dieses ist deß Gegentheils eygen Gedicht / vnnd
nicht vnser Lehre. Denn wir nicht lehren / noch je gelehrt haben / auch nicht
lehren wollen / daß Christus allein ein gut accidens, qualitet oder Zufall
Menschlicher Natur angenommen: Sondern das lehren wir / vnd wöllens durch Gottes
Gnade hinfürter lehren / daß Christus die gantze Menschliche Natur mit Leib vnnd
Seele angenommen / etc. Wirdt auch Gott das Gegentheil vmb solchs vnwarhafftigen
Gedichts willen / damit es vnser Kirchenlehre fälschlich belegt / grewlich
straffen / wo es nicht in der Zeit der Gnaden Busse thut.
Wie wir dann auch nicht lehren / daß vnser Natur nicht böse oder vngerecht sey /
etc. sondern das lehren wir / daß vnser Natur nach dem Fall die Boßheit vnnd
Vngerechtigkeit selbst nicht
|| [ID00172]
sey.
Vöse vnd vngerecht ist sie von wegen der Sünde / so in jhr wohnet. Rom. 7. Aber
die Boßheit vnnd Vngerechtigkeit selbst ist sie nicht / wie das Gegentheil
lästert.
Also ist auch deß Gegentheils Gedicht / daß Lutherus in Genesi solle geschrieben
haben / wenn die Erbsünde nicht das verderbte Menschliche Wesen selbst were /
sondern nur ein vnderschieden accidens oder böser Zufall / so were es ohn noth
gewest / Christum den Erlöser senden / etc. Wann sie vns diese Wort auß Luthero
zeigen / wollen wir sie loben. Sie werdens aber nimmermehr thun. Denn sie stehen
also nicht drinnen. Weil aber droben auff diesen Fürwurff geantwortet ist /
lassen wirs nochmals darbey bewenden.
Wann wir mit den Sophisten lehreten / daß die Erbsünde ein geringer Schade oder
Mackel / dadurch die Natur oder naturalia im Menschen nicht verderbt / sondern
gantz geblieben / vnnd daß die Erbfünde eine solche geringe qualitas oder
schaden were / als wann ein schön Bildniß mit Kot außwendig besprenget wirdt /
den man leicht wider abwischen kan / vnnd der dem Bildt selbst keinen Schaden
thut / Vnd daß durch die Erbsünde nicht vnser gantze Natur vnd Wesen / sondern
nur etliche zufällige Dinge verderbt were̅ / so hette deß
Gegentheils Fürwurff einen Schein / etc. daß Christum den Erlöser zusenden nicht
were nöhtig gewest. Nun lehren wir aber das Widerspiel / darumb trifft vns
solcher Fürwurff gar nicht. Dann vnser Lehre ist / daß die Erbsünde eine solche
grewliche / grosse / tieffe Verderbung der gantzen Menschlichen Natur an Leib
vnd Seele sey / daß sie keine Creatur habe tilgen oder abwaschen können /
sondern dieses habe einig vnnd allein durch das Rosinfarb Versün Blut deß Sohns
Gottes Jesu Christi geschehen müssen / 1. Joh. 1. sonst hetten wir alle in der
Sünde sterben vnnd verderben müssen. Wie solten wir denn Christi Leiden oder
Verdienst etwas abbrechen?
Ob auch die verderbte Natur die Erbsünde selbst nicht ist: So folgt darumb nicht
/ daß Christus nicht für die verderbte Natur /
|| [81]
sondern alleine für ein bloß
accidens gestorben sey. Dann Christus eigentlich für die verderbte Natur
gestorben ist / vnd sein Blut vergossen hat / nicht daß die verderbte Natur die
Erbsünde selbst were: sondern daß sie von der Erbsünde / damit sie durch vnnd
durch an Leib vnd Seel verderbet ist / durch Christum erlöset vnnd ewig selig
gemacht würde / wie geschrieben stehet / Matth. 1. Er soll Jesus heissen / daß
er sein Volck selig mache von jhren Sünden. Vnnd das Symbolum Nicenum redet: Der
vmb vnser Menschen vnd vmb vnser Seligkeit willen / vom Himmel kommen ist / etc.
vnd nicht vmb der Erbsünde willen / daß er für sie stürbe vnnd sie selig machete
/ etc. Das werden sie nicht vm̅stossen / wenn sie auch Himmel vnd
Erden in einander würffen.
Das Gegentheil zeucht hie abermals Augustinum an / da er die Pelagianer straffet
/ darumb / daß sie in den Kinderlein Gottes Werck also preiseten / daß sie vnter
deß veleugneten / daß die Kinderlein in der Erbsünde entpfange̅
weren / etc. Vn̅ meynet / es gelte vns / die wir nach der Schrifft
die verderbte Natur vnnd Erbsünde selbst vnderscheiden. Ist aber ein lauter
Verkehrung der Wort Augustini / der nicht an den Pelagianern straffet / daß sie
die Natur vnd Erbsünde vnderscheideten / sondern daß sie die Natur also
preyseten / daß sie keine Erbsünde vberall hette / Darumb dann Augustini Wort
hieher gar nicht gehören.
VI. Der Vnderscheid soll auch zu Verkleinerung der Rechtfertigung Vrsach geben /
als in welchem nit ein bloser Zufall / sondern die verderbte Natur selbst zu
Gnaden angenommen vnd gerechtfertiget oder von Sünden loß gesprochen wirt vm̅ Christi wille̅ durch den Glauben / etc. Nun
lehre̅ wir nicht also / wie das Gegentheil vns fälschlich
antichtet / daß ein bloß accidens oder Zufall im Menschen gerechtfertiget werde
/ etc. Sondern / das ist vnser Lehre: Daß in der Rechtfertigung der sündig
Mensch gantz mit Leib vn̅ Seel / damit er durch die Sünde gantz
vn̅ gar verderbt ist / zu Gnade̅ vm̅ Christi willen / durch den Glauben / auff vnd angenom̅en werde
/ vn̅ daß jme
|| [ID00174]
alle
seine Erb: vnd wirckliche Sünde nicht zugerechnet / sondern vergeben werden.
Hergegen aber der Gehorsam Christi jhme zugerechnet werde zur Gerechtigkeit /
Rom. 4. 10. Derwegen auch dieser Fürwurff vnser Lehre nicht trifft.
VII. Soller auch die Widergeburt verkleinern / welche wesentlich sey / etc. Weil
aber droben gründtlich erwiesen / daß die Schrifft keine solche wesentliche
Widergeburt lehre / etc. sondern daß solche deß Gegentheils eigen Gedicht sey /
so gehet gemelter Fürwurff vnsere Lehre auch nichts an.
VIII. Das er auch die Busse halbiern oder theilen solle / ist droben auß den
Schmalkaldische̅ Artickeln gründtlich widerlegt. Derhalben
auch dieser Fürwurff ein Gedicht vnd Vnwarheit ist.
IX. Daß der Vnderscheid zwischen der verderbten Natur vnd zwischen der Erbsünde
die Aufferstehung oder Verklärung vnsers Leibes verkehren folte / etc. Ist kurtz
zuuor das Gegenspiel dargethan vnnd erwiesen worden.
Weil dann alles / was das Gegentheil diß Falls fürbracht / lauter Vnwarheiten
sind / soll sich kein rechtschaffener Christ durch jhr vielfältiges Schreyen vnd
Dichten jrre machen lassen / fondern bey der erkandten Warheit fest stehen
bleiben.
Da mans auch beim Liecht besihet / findet sich / daß niemandt mehr in der
Theologia grössern Schade̅ thue (so viel diesen Streit anlangt)
als eben das Gegentheil / so den Vnderscheid zwischen der verderbten Natur vnd
zwischen der Erbsünde selbst verleugnet vnd auffhebet.
I. Dann erstlich dichtet es wider die Heilige Schrifft Gen. 1. 2. Ephes. 4. daß
das Bilde Gottes vnnd die Menschliche Natur ohne Vnderscheid ein Ding gewest /
welchs eine grewliche Vnwarheit ist. Dann ja das Ebenbildt verloren / die Natur
aber (wiewol geschwecht) blieben ist. Als D. Lutherus Genes. 3. recht vnnd wol
schreibet vnd redet.
|| [82]
II. Dichtet es wider die Schrifft / daß Adam durch den Fall wesentlich verändert
/ daß er wesentlich eine andere Natur habe alterius speciei, &c. als er für
dem Fall gehabt. Welchs abermals eine grewliche Vnwarheit ist. Dann Adams Wesen
ist in oder durch den Fall nicht wesentlich in ein ander Wesen verwandelt /
sondern ist verderbt / sündig / vnrein / vnnd vnheilig gemacht / da es zuuor
rein / heilig / gerecht vnd ohn alle Sünde war / etc.
III. Dichtet es wider die Schrifft / daß das Gesetz vnser Natur oder den Menschen
also anklag / daß er die Erbsünde selbst sey: so doch die Schrifft klar bezeuget
/ daß es den Menschen anklage / auff daß es jhme die Erbsünde mit sampt jhren
Früchten offenbare. Rom. 1. Es wirdt offenbaret vom Himmel der Zorn Gottes vber
alles Gottloses Wesen vnnd Vngerechtigkeit der Menschen. Rom. 3. Durchs Gesetz
köm̅t nur Erkändtniß der Sünde. Daher Lutherus cotra Latomu̅ Tom. 2. fol. 402. schreibet: Lex aliter non tractat peccatu̅, quàm vt ipsum reuelet. Sicut dixit Paulus Rom. 3. Per legem
cognitio peccati. Quae cognitio duo docet. Corruptionem naturae & iram Dei.
Das ist / das Gesetz handelt die Sünde nicht anderst / dann daß es dieselbige
offenbare / wie Rom. 3. stehet: durchs Gesetz kompt nur Erkändtniß der Sünde.
Welche Erkändtniß zwey Ding lehret / nem̅lich die Verderbung der
Natur vnd Gottes Zorn. Die Verderbung der Natur lehret es wol vnnd Gottes Zorn /
aber es lehret nicht / daß die Natur die Verderbung oder Sünde selbst sey.
IIII. Schändet es / wider die Schrifft / Gottes Barmhertzigkeit / in dem es
lehret / daß GOTT der Sünden selbst gnädig sey: da doch die gantze Schrifft das
Widerspiel lehret / nemblich / daß GOtt nicht der Sünden selbst: sondern den
armen Sündern gnädig sey. Verkehret auch die schönsten Sprüche der Schrifft /
als wir an seinem Ort gehöret / welche es dahin deuten will /
|| [ID00176]
daß Gott der Sünden selbst gnädig sey
/ da sie doch anderst nicht / als von den Sündern selbst zu verstehen sind.
V. Verkleinert es nicht alleine den Artickel von der Schöpffung / sondern es
macht entweder Gott selbst oder je den Teuffel zum Schöpffer der Sünde. Dan̅ ist die verderbte Natur die Erbsünde selbst ohne Vnderscheid /
so muß der zweyer eins folgen / entweder daß Gott ein Schöpffer der Sünden sey /
weil er die verderbte Natur / welche / jhrem Fürgebe̅ nach / die
Erbsünde selbst ist / schaffet / etc. Oder aber da das nit ist / weil die
Erbsünde vom Teuffel herrüret / vn̅ die verderbte Natur / jhrer
Lehre nach / die Erbsünde selbst ist / vnd aber ohne einen Schöpffer nicht seyn
kan / muß der Teuffel jhr Schöpffer seyn. Der beyder eines müssen sie gestehen /
wenn sie jhren Schwarm behalten wollen / daß zwischen der verderbten Natur vnd
zwischen der Erbsünde durchauß kein Vnderscheid sey / wie solchs hiebeuor
gründtlich außgeführet.
VI. Hebet es den Trost / den wir arme Menschen auß dem Artickel von der
Menschwerdung Christi haben solten / zu Grundt auff / in dem es dichtet / daß
Christi angenommene Menschliche Natur vnnd vnser Natur nicht eines Wesens seyn /
sondern wesentlich vnderscheiden / etc. Denn was Christus nicht angenommen / das
hat er auch nicht erlöset / hat er nun vnser Fleisch vnd Blut nicht angenom̅en / sondern ein solch Fleisch / das wesentlich von vnserm
Fleisch vnderscheiden ist / etc. so hat er auch vnser Fleisch nicht erlöset.
Dahin kommen entlich diese Lästerer / daß sie vns Christen alles wahren Trostes
berauben / etc. Aber Gott wirdt jhnen stewren / vnnd die Christenheit für jhrem
Lästern erhalten.
VII. Schändet es Christi Leiden vnd Blut / in dem es fürgibt / Christus habe die
Erbsünde selbst durch sein Todt vnnd Blut erlöset. Da doch die gantze Schrifft
bezeuget / daß er vns Menschen durch sein Todt vnnd Blut von der Sünde / vnd
nicht die Sünde selbst erlöset habe / Rom. 3. 4. 5. Galat. 1. Matth. 1. 1.
Timoth. 1.
|| [83]
VIII. Lästert es gleicher Gestallt auch den Artickel von der Heiligung / in dem
es wider alle Schrifft lehret / daß die Erbsünde selbst getaufft / geheiliget /
gereiniget / widergeboren vn̅ selig gemacht werde. Dann ja die
Schrifft außdrücklich sagt / daß wir Menschen getaufft werden zur Vergebung der
Sünden / vnnd nicht / daß die Erbsünde selbst zur Vergebung der Sünden getaufft
werde / Johan. 3. Matth. 28. Marci 16. Actor. 2. etc. Welches doch seyn müste /
wann zwischen der verderbten Natur vnd zwischen der Erbsünde gar kein
Vnderscheidt were.
IX. Verkehret es auch schändtlich den hohen Artickel von der Rechtfertigung / in
dem es diesen falschen Wahn treibet / die Erbsünde selbst werde gerechtfertiget
vnd zu Gnaden vmb Christi willen angenommen / so doch Roman. 3. die Schrifft
deutlich sagt: Wir: Das ist / wir Menschen werden gerecht auß Gnaden / etc. vnd
nicht die Erbsünde. Item / Rom. 5. Wir werden durch jhn behalten für dem Zorn
Gottes. Item / Wir sind Gott versünet durch den Todt seines Sohns / etc. vnd
nicht die Erbsünde. Item / durch eines Gehorsam werde̅ viel
gerechten / Welches sich gar mit deß Gegentheils Schwarmb / daß die Erbsünde
selbst solt gerechtfertiget werden / nicht reymet. Die Menschen / spricht Paulus
/ werden durch Christi Gehorsam gerecht vnnd erlediget von der Sünde / vnd nit
die Erbsünde selbst. Aber es bedarff in solchem hellen Liecht der Warheit bey
rechtverständigen nicht viel Wort.
X. Dichtet es wider Gottes Wort / daß die Widergeburt bedeute eine wesentliche
Veränderung der Natur in ein Wesen alterius speciei, oder ein ander Wesen / das
vom vorigen vnderscheiden sey. Darvon es auch nicht einen Spruch der Schrifft /
recht angezogen / fürbringen kan.
XI. Kollert es daher / daß in der Aufferstehung deß Menschen Natur wesentlich in
eine andere newe Natur / new Leib vnd Seele verwandelt werde / welches auch ein
lauter Vnwarheit ist / wie kurtz zuvor dargethan. Item / Es schwärmet / daß die
Erbsünde selbst
|| [ID00178]
von Todten
aufferweckt werde. Item / daß die Erbsünde wesentlich in der Aufferstehung in
die Gerechtigkeit verwandelt werde / vnnd also das ewige Leben ererbe. Welches
eitel abschewliche Gotteslästerungen sindt / der gantzen heiligen Schrifft vnd
den Artickeln vnsers Christlichen Glaubens stracks zu wider / wie das auch
erwiesen ist.
Können demnach viel besser mit Lutheri Worten schliessen / als das Gegentheil:
Der Teuffel schlaffe nicht / er werde deß Dings noch viel mehr mache̅ / vn̅ sich befleissigen / daß ers dahin bringe /
daß keine rechte Lehre in der Kirchen bleibe / daß / so man in Deutschlandt
durch vnnd durch gienge / keinen rechten Predigstul finden werde.
Darumb haben wir vns für solchen Schwärmgeistern desto mehr zu hüten / als die
sich vom leidigen Sathan hierzu weidlich gebrauchen lassen / damit kein reiner
Predigstul in gantz Deutschland bleiben möge. Dann wann es nach jhrem thummen
Sinn gehen solte / so müst es alles solche grewliche Gotteslästerungen / darvon
wir bißher gehört / mit jhnen treiben / vnd als die ewige vnwandelbare Warheit
helffen fortpflantzen / dafür vns doch Gott gnädiglich behüten wölle / Amen.
Wer gewarnet will seyn / der sey gewarnet / in der Helle wirdt sich Gott
niemandts erbarmen.
|| [84]
Verantwortung der Gründe / darauß erwiesen / daß die Erbsünde ein malum
accidens oder böser Zufall im Menschen sey / etc.
DAs Schulwort Accidens will das Gegentheil(Ii. fac. 1.
vnd hernacher.) gantz vnnd gar außgemustert vnd verworffen haben /
weil es weder in der Bibel noch in den drey symbolis, Augspurgischer Confession
/ Apologia / Schmalcaldischen Artickeln vnd Catechismis D. Lutheri zu befinden.
Hergegen aber das Wort / Substantia, Substantz / will es in allwege in Kirchen
vnd Schulen erhalten vnd vertheidigt haben / weil Lutherus in seinen Lectionibus
vnd Schrifften desselben offt gebraucht. Vnnd sihet vnter deß nicht / daß auch
dieses Wort (Substantz) von der Erbsünde in der Bibel / in den drey Symbolis,
Augspurgischer Confession / Apologia / Schmalcaldischen Artickeln vnnd
Catechismis Lutheri nicht stehet. Da nun von deßwegen das Wort Accidens in
diesem Streit von der Erbsünde nicht solte können gebraucht werden / daß es in
ermelten Büchern vnd Schrifften nicht stehet: Folget gleicher Gestallt / daß
auch das Wort (Substantz) in dieser Controuersien nicht solle noch müsse
gebraucht werden: Oder aber da es mag gebraucht vnnd behalten werden / daß
solches ebner massen von dem Wort Accidens auch gelte.
So viel die Vrsachen anlangt / welche das Gegentheil eynwendet / derer wegen das
Wort Substantz oder Wesen in diesem Streit
|| [ID00180]
von der Erbsünde nicht soll
nachgelassen oder verworffen werden / wöllen wir dieselbigen nacheinander in der
Furcht GOttes erwegen.
Die erste ist: Daß wir das Wort (Substantz) wider D. Luthers vnnd jhre Meynung
verkehren sollen. Setzet aber nicht ein Wort darbey / wie vnd welcher Gestallt
wir das thun sollen. Es bedarff aber nicht viel Wesens / dann wir verstehen das
Wort Substantz in diesem Streit anders nicht / als wie sie es selbst deuten vnnd
erklären / nem̅lich / daß die verderbte Natur / Substantz oder
Wesen derselben / die Erbsünde selbst sey / oder daß die Seel / der Verstandt /
der Wille / etc. die Erbsünde selbst sey / vnd das darumb / dieweil der Sathan /
wie sie dichten / die Menschliche Natur oder die Seele in jhren höchsten
Kräfften durch den Fall ermordet / getödtet vnd wesentlich in eine andere Form
oder speciem verwandelt habe / daß sie / solcher wesentlicher Transformation
oder Verwandlung halben / nuhnmehr die Sünde oder Erbsünde selbst sey / vnnd daß
durchauß kein Vnderscheidt sey zwischen der verderbten Natur / Leib vn̅ Seel deß Menschen / vnd zwischen der Erbsünde selbst. Dann
dieses treiben sie für vnd für in allen jhren Büchern / vnd fast auff allen
Blettern / wie sie dessen nimmermehr in Abrede seyn können. So geben solchs auch
die Tituli aller jhrer Bücher / da sie auff setzen / daß die Sünde ein Substantz
vnd nicht ein accidens oder Zufall sey / daß die verderbte Natur / Leib / Seel /
Verstandt / Wille / Hertz / in jhren höchsten Kräfften / die Sünde oder Erbsünde
selbst seyn / als wir das biß her fast durchauß in diesem Buch / Irenaei Examen
genandt / etc. gehöret vnd vernommen haben. Vnd in diesem Verstande verwerffen
wirs / auß Vrsachen / derer bißher mit Hauffen von vns in Abhandlung der
vorgehenden zweyen Puncten fürbracht sind / vnd ferrner sollen fürbracht
werden.
Dann erstlich hebet diß Wort Substantz / wie sie es brauchen / auff den
Vnderscheidt zwischen Gottes vnd deß Sathans Werck /
|| [85]
vnd machet entweder Gott oder
den Teuffel zum Schöpffer der Sünde. Alles was ein Substantz ist / das ist von
Gott geschaffen / Johan. 1. Coloss. 1. Ist nun die Erbsünde ein Substantz / so
muß sie von Gott geschaffen seyn / Ist sie aber von Gott nicht geschaffen / vnd
doch ohne einen Schöpffer nicht seyn kan / so muß der Teuffel der Schöpffer der
Seelen seyn / vnd muß also vnser verderbte Natur / welche / jhrem Fürgeben nach
/ ohne alle Vnderscheid die Sünde selbst ist / vom Teuffel erschaffen seyn.
Zum andern / Wanns wahr were / daß sie dichten / der Teuffel habe den Menschen
durch die Sünde wesentlich verwandelt / also / daß in vnnd durch solche
wesentliche Verwandlung die verderbte Natur die Erbsünde selbst worden / etc: So
müste freylich abermals folgen / daß der Teuffel ein Schöpffer vnd also Gott
selbst were. Dann wesentlich verwandeln vnd in ein ander speciem transformieren
/ ist keiner Creatur / sondern Gottes eygen Werck / nicht weniger als die
Schöpffung selbst.
Zum dritten / daß nimmermehr von jhnen kan oder mag erwiesen werden / daß
verderbte Natur oder verderbte Substantz vnd die Verderbung oder Sünde selbst /
ohne allen Vnderscheid / synonima oder ein Ding seyn / welches dann die Wort
(verderbte Natur) so zwey Ding / vnd nicht eines alleine begreiffen / klar vnd
deutlich geben. Wie solchs auch Augustinus de moribus Manichaeoru̅
lib. 2. cap. 5. bezeuget / da er spricht: Corruptio non est in seipsa, sed in
aliqua substantia, quam corrumpit. Non enim substantia est ipsa corruptio. Da
das Gegentheil nicht fürvber kan.
Zum vierdten / Ob wol das Gegentheil allerley Sprüche auß Luthero anzeucht /
darinnen das Wort (Wesen) oder Sünde steht: So ligt jhnen doch noch auff den
heutigen Tag ob / auß Lutheri Schrifften diese Proposition / illis ipsis
formalibus verbis, oder mit denselbigen Worten zu erweisen / wie sie von jhnen
geführet wirdt / Nem̅lich: Die verderbte Menschliche Natur ist
eygentlich oder one eynigen Vnderscheidt die Erbsünde oder Sünde selbst. Ehe
|| [ID00182]
das geschicht / sage̅
wir nicht vnbillich / daß sie Luthero Gewalt thun vnd seine Wort wider seinen
Sinn vnnd Meynung anziehen / sagen auch ferrner vnd sagens billich / daß / wo
sie gemelte Proposition nicht solcher Gestallt / wie sie dieselbige führen vnnd
Luthero zu messen / auß seinen Schrifften darthun / daß alles jhr Dichten vn̅ Schreiben vergebens sey vnd auff lauter Vngrund stehe. Daß sie
aber jhre Glossen fürwenden vnnd sagen: Ey Lutherus hat ja gesagt / vnser Natur
sey Sünde / nuhn kan er von keiner andern Natur reden / dann die verderbt ist.
Ergo, so muß ja folgen / daß die verderbte Natur die Sünde sey / vnd weil die
verderbte Natur fortgepflantzet / so muß sie ja die Erbsünde selbst seyn / etc.
Antworten wir / dieses jr Glossieren sey anders nichts / als ein pur lauter
Fabelwerck / biß so lang sie die gedachte Proposition oder Rede selbst auß
Luthero fürbringen vnd zeigen. Dann wann es mit Glossieren außgerichtet were /
so köndt man menniglich seine Wort vmbkehren / vnd alles / was man nur wolt /
darauß inferieren / Vnter deß / daß sie nun solches thun / bleiben wir billich
darbey / daß das Wort Substantz / in diesem Streit von der Erbsünde / keinen
platz habe.
Zum fünfften / daß sie nicht einen einigen Spruch der Schrifft können darthun /
in welchem die verderbte Natur die Erbsünde selbst oder Substantz genennt
würde.
Zum sechsten / daß sie auch auß der Vätter Schrifften nicht beybringen können /
daß die Sünde oder Erbsunde ein Substantz sey / oder daß die verderbte Natur
(wie sie jetzo am meisten reden) die Erbsünde selbst sey / etc. Aber hiervon an
diesem Ort genug
Die ander Vrsach ist: Daß sie an statt deß Worts Substantz / welches nicht so
bekandt ist / das Wort Wesen gebrauchen. So viel das Wort (Wesen) anlangt / weil
es in dem Verstande von jnen gebraucht wirdt / wie das Wort Substantz / vnd
dardurch angezeiget / daß das Wesen der Natur / oder die verderbte Natur deß
|| [86]
Menschen selbst die Erbsünde
seyn solle / taug es eben so viel / als das Wort Substantz. So können sie auch
auß Lutheri Schrifften zu ewigen Zeiten nicht wahr machen / daß er das Wort
(Wesen) in der Lehre von der Erbsünde also gebraucht habe / wie sie es jhme
fälschlich zumessen / daß es nem̅lich so viel heisse / als die
Sünde selbst / oder daß das Wesen der Menschlichen Natur jetzo solte die
Erbsünde selbst seyn / vnnd daß durchauß kein Vnderscheidt zwischen dem
verderbten Wesen Menschlicher Natur vnd zwischen der Erbsünde selbst sey. Ach
wie gerne würden sie das vorlengst gethan haben / wann sie nuhr etwas / das
einen Schein haben möchte / fürzubringen gewust hetten. Daß sie auß Luthero
Genes. 3. anziehen / peccatum esse de essentia, &c. Die Sünde sey von deß
Menschen Wesen / etc. ist etlich mal gründtlich auff geantwortet. Vnnd verstehet
sich selbst / daß ein grosser Vnderscheidt sey / vnder diesen beyden Reden /
esse ipsam essentiam, Das Wesen für oder an sich selbst seyn / vnd esse de
essentia, das ist / Vom Wesen seyn. Sie lehren / die Erbsünde sey eygentlich vnd
ohne allen Vnderscheidt deß verderbten Menschen Wesen selbst. Lutherus aber
spricht / es sey vom Wesen. Verstehet aber solchs also / daß / wie die
Erbgerechtigkeit vor dem Fall dem Menschen Connaturalis, natürlich gewesen ist /
gleich wie es eines gesunden Auges Natur ist / das Liecht schen: Also sey nach
dem Fall die Erbvngerechtigkeit oder die Erbsünde dem Menschen oder seinem Wesen
auch natürlich / vnd hange seinem Wesen an / daß der Mensch natürlicher Weise /
als er von Vatter vnd Mutter geboren wirdt / von Art oder von der Verderbung
wegen / so in seinem Wesen oder Natur ist / nicht anders könne / als in Gottes
Sache̅ blind seyn / vngerecht seyn / böse / vnrein / vnheilig
/ zerrüttet seyn vnd sündigen. Wie ers dann selbst an dem Ohrt außspricht: Quòd
voluntas saucia, intellectus corruptus & ratio vitiosa & in aliud mutata
sit. Das ist / Daß der Wille verwundet / der Verstandt verderbt / die Vernunfft
verruckt vnd in ein anders verwandelt sey. Dann da der Wille / der Verstandt /
die Vernunfft
|| [ID00184]
vorhin gerecht / heilig
/ rein / frey / weise / verständig waren / vnd Gott natürlich recht erkandten /
glaubeten vnnd vor Augen hatten: Also sindt sie nuhn vngerecht / vnheilig /
vnrein / dienstbar / verderbt / vnweise / verruckt / verkehrt vnd zu allem Argen
geneigt / Welchs freylich eine grewliche Verwandlung ist / an statt der schönen
/ herrlichen Eygenschafften vnd Gaben solche heßliche Eygenschafften vnd
Vntugendt bekommen haben. So bleibt nun wol die Natur / der Wille / der
Verstandt / etc. dem Wesen nach / wie Lutherus schreibet: hat aber gar viel ein
andere Natur oder Art vnd Eygenschafften / als sie vor dem Fall gehabt hat /
etc. Darumb sie jhre Grillen in dem Wort (Wesen) auß Luthero noch lange nicht
erwiesen haben. Dieweil Lutherus solch Wort viel in einem andern Verstande
brauchet / als sie es gebrauchen.
Solcher Gestallt verhält sichs auch mit dem Wort (Substantz) welches er Tom. 2.
Ienensi, wider Latomum fol. 396. brauchet: Sophistas nonnihil capere, quę sit
substantia peccati, scilicet offensio Dei & Legis transgressio. Das ist /
Die Sophisten wissen etlicher massen / was der Sünden Substantz sey / nem̅lich / daß sie Gott erzürnet / vnd das Gesetz vbertritt. Dann so
schreibet er ferrner an gemeltem Ohrt: Substantiam hîc accipio, non more
Aristotelis, sed Quintiliani. Das ist / Ich brauche in der Lehre von der
Erbsünde das Wort Substantz nicht / wie es Aristoteles zu gebrauchen pflegt /
sondern wie es Quintilianus brauchet / für ein Sache. Die Parisienser wurffen
Luthero für / er lehret mit de̅ Manicheern / daß die Sünde
Substantia ein Substantz were. Sagt er Nein. Dann er brauche das Wort Substantz
nicht für ein selbständig Wesen / wie Aristoteles / oder daß er halte / die
Sünde sey eine Substantz / sondern wie Quintilianus solch Wort brauchet / da es
heist eine Sache / oder eines Dinges Eygenschafft vnd Art / davon man ordentlich
lehren solle / was seine Krafft vnd Wirckung sey. Derowegen das Gegentheil das
Wort (Substantz) auch mit diesen Worten Lutheri nicht beschönen kan.
|| [87]
Die dritte Vrsach / das Wort Substantz / Natur oď Wesen sey in diesem Streit ein
Wort deß Bekandtnüß worden / welchs man nicht weniger könne falle̅
lassen / als das Wort , sola fide, purè passiuè, &c.
Wo diese Vrsach gilt vnd passiert / so muß das Wort Accidens oder Zufall eben
als wol behalten werden / als das Wort Substantz / sintemal dasselbige nunmehr
auch ein vocabulum confessionis oder Wort deß Vekändtnüß in vnsern Kirchen
worden / sonderlich weil darzu kompt / daß das Wort Accidens oder Zufall
aequipollentia gleichgeltende vocabula in der Schrifft hat / dauon hernacher /
Vnd die Heilige Schrifft in Beschreibung der Erbsünde eitel solche Wörter
braucht / welche in Schulen vnter die accidentia gezehlet werden. Daruon auch an
seinem Ort mehr.
Die vierdt Vrsach / die Schrifft brauche zuweile̅ das Wort Wesen /
als Psalmo 14. Sie tügen nichts / vnd sind ein Grewel mit jhrem Wesen. Da /
sprechen sie / soll das Wort (Wesen) eben so viel heissen / als das Wort
(Substantz) vnnd als in der Rede fürgetragen: Das verderbte Me̅schliche Wesen ist die Sünde selbst / etc. Nun ist das eine schändtliche
Verkehrung der Heiligen Schrifft vnnd D. Luthers Version / welche allen frommen
Hertzen Vrsach geben solte / die Augen auffzuthun / daß sie sehen / was hinter
solchen Leuten vnd jhrem schädlichen Gifft steckte. Dann das Wort (Wesen) stehet
Psal. 14. in der Heiligen Sprache nicht / sondern ein solch Wort / das da heißt
facinus, opus, studiu̅, ein That / Werck oder Fleiß / damit die
Gottlosen vmbgehen / wie es dann die Versiones latinae auch also haben. So viel
aber Lutheri Version anbelangt / hat er die Deutsche Art zu reden (welch ein
Wesen richtet der Mensch an / was ist doch das für ein schändtlich Wesen) in der
Version behalten / da das Wort (Wesen) so viel heißt / als böse Thaten / böse
Werck / böse Sachen / etc. Vnd der Gottlosen Wesen anderst nicht heißt / als jhr
Fleiß / jr Thun / jhr Dichten vnd Trachten / damit sie für vnd für vmbgehen.
Keines Weges aber die Substantz / das We
|| [ID00186]
sen oder die Natur der
Gottlosen selbst. Ebner massen stehet es auch im 53. Psalm nicht in der Heiligen
Sprache / sondern also stehet: Sie sind abominabiles oder ein Greuwel worden /
in iniquitate, in jhrer Vntugendt / Vngerechtigkeit oder Boßheit / vnd das hat
Lutherus vertiert in jhrem bösen Wesen. Hat also Luthero nie getreumet / daß
(Wesen) so viel heissen solte / als Substantz oder die verderbte Menschliche
Natur / oder verderbte Seele deß Menschen. Mit was Gewissen nun das Gegentheil
solche Zeugnüß füret vn̅ die einfältigen mit betreugt / mag es wol
zusehen / ehe deß HERRN Zorn auffwachet.
Die fünffte Vrsach / daß viel gleichgeltende Wort in der Schrifft stehe̅ / welche ebe̅ so viel heissen solle̅
/ als das Wort Fleisch / steinern Hertz / alter Adam / alter Mensch / etc.
Daruon ist droben Bericht geschehen / daß solcher Wörter keins so viel heißt /
als das Wort Substantz oder Wesen / in de̅ Brauch / in welchem sie
es füren. Dann gemelte Wörter alle sindt concreta vocabula, das ist / solche
Wörter / so zwey Ding begreiffen / nemblich / die verderbte Substantz / Natur
oder Wesen deß Menschen / vnd die Verderbung / so darinnen ist / darumb es nicht
wahr / daß sie gleichgeltendt sind vn̅ einerley Verstandt mit dem
Wort Substantz / Natur oder Wesen habe̅. Da sie auch gleich
abstractiuè gebraucht / für die Verderbung selbst / dennoch bedeuten sie keine
Substantz oder Wesen nicht / sondern einen Gebrechen / Schade̅
oder Mangel in der Substantz oder Wesen der verderbte̅
Menschliche̅ Natur / wie drobe̅ auß dem kleinen
Catechismo Lutheri / vom Wort (alter Adam) erwiesen worden. Taug also diese
Vrsach auch nicht / vnd das von wegen jhrer Vnwarheit.
Die sechste Vrsach ist gleicher Gestallt eine schändtliche Verkehrung / wie die
vierdte / dann ob wol die Kirche das Wörtlein (Wesen) brauchet / in de̅ sie singet: Durch Adams Fall ist gantz verderbt Menschlich Natur
vnd Wesen / so heißt es doch in solche̅
Kir
|| [88]
chen Psalmen / nicht
so viel / als daß die verderbte Natur vnd Wesen die Erbsünde selbst sey: sondern
das wirdt dadurch verstanden / daß deß Menschen Natur vnd Wesen durch die
Erbsünde jämmerlich verderbet sey. Nun sind es aber gantz vnderschiedene
Sache̅ / ein verderbte Natur vn̅ Wesen seyn von
wegen der Erbsünde / vn̅ die Verderbung oď die Erbsünde selbst
seyn / wie biß anhero gründtlich dargethan. Betreffendt das Wörtlein (Wesen) im
14. Psal. Ir Wesen ist verderbet zwar / etc. Habe̅ wir auch kurtz
zuvor berichtet / daß es an gemeltem Ort nicht für deß Menschen verderbte Natur
oder Wesen genom̅en werde: sondern für den Fleiß / Arbeit / Mühe
vn̅ Sorge der Gottlosen / damit sie Tag vnd Nacht vmbgehen.
Ist derwegen ein gantz vnuerschampte Künheit / daß das Gegentheil solche Wörter
also schändtlich zu seinem Vortheil verkehret vnd die Einfältigen / welche es
nicht besser wissen / so schändtlich bey der Nasen vmbfüren vnnd teuschen soll /
Gott wirdt es gewißlich finden.
Die sibende Vrsach / wann sie es fallen liessen / machten sie Lutheri Lehre von
der Erbsünde verdächtig / sterckte̅ jhre Widersacher mit dem
Accidens, bestürtzten die einfältigen / so da halte̅ / daß
Erbsünde deß Menschen gantz Natur vnd Wesen selbst sey / so auch darüber exilia
außgestanden / etc. Antwort. D. Lutheri Lehre von der Erbsünde / wirt mit
nichte̅ verdächtig / ob jhr das Wort Substantz gleich fallen
lasset. Dan̅ wo D. Lutheri Lehr von der Erbsünde in der Schrifft
nicht andern Grundt hette / als diesen / den jhr auß de̅ Wort
(Substantz oder Wesen) derselben vnterstützen wöllet: So stünde sie zumal auff
schwachen Beinen. Vnd ist also viel mehr das Gegenspiel wahr / daß mit solche̅ Verkehren vn̅ Gottlosen Brauch der Wörter
(Substantz oď Wesen) in der Lehre von der Erbsünde der Heiligen Schrifft vnd
Lutheri Lehre zu Grundt vm̅gestossen vnd in Hauffen gerissen wirt
/ mit schändtlichem Betrug vn̅ Verführung vieler einfältigen
Hertzen / die durch solchen Mißbrauch vnnd verkehrliche Deutung eingenommen vnd
betrogen werden / als daß
|| [ID00188]
sie solte
dadurch fortgesetzet vnd erhalten werden. Dann die Warheit bedarff nicht / daß
man jhr mit Vnwarheit vberhelffe. So taug es auch nichts vberall / daß sie
fürgebe̅ / wan̅ sie es fallen liessen / wurden
die vnsern dadurch gesterckt werden. Dann wir / Gott Lob / vnser Sachen in
vnsern Hertzen also gewiß sind / daß wir im geringsten nicht darnach fragen /
sie behalten es oder lassens fallen. Liessen sie es fallen / were für jhre arme
Seele gut / vn̅ dienet zu Abschaffung grewlicher Ergerniß / so sie
mit diesem Streit in der Christenheit angerichtet / thun sies nicht / so wirdt
das Vnglück auff jhrem Kopff entlich beruhen. Wie dann dieses auch nicht gilt:
Es haben sich viel vmb dieses Worts willen ins Elendt vertreiben lassen. Ergo,
so muß mans behalten. Dann es heißt: Non poena, sed causa facit martyrem. Das
ist / die Marter selbst macht keinen Märterer / sondern die Vrsach. Also macht
das Exilium keinen rechten Exulem, sondern die Vrsach deß Exilij. Wan̅ die nicht gut ist / so taug auch das exilium nicht. Nun taug es
im Grundt nicht / diese schädliche Gottslästerliche Lehre / daß nem̅lich die verderbte Natur die Sünde selbst sey / oder / daß die Erbsünde ein
Substantz / Wesen oder Natur sey / verteidigen / vnnd sich derselben halben ins
Elendt verjagen lassen / darumb mögen sie wol zusehe̅ / was sie
machen / in dem sie sich selbst vnd die Kirche Gottes betrüben vnd
verwirren.
Die achte Vrsach ist / daß in viel Beständigen vnd Leidenden Christen / Männern
vnd Weibern / der Heilige Geist betrübet / etc. wann sie sich dieses Worts
(Substantz) begeben sollen.
Antwort / der Heilige Geist wirdt betrübet in den Christen / wann sie sollen
rechte gesunde Lehre vnd Wort fahren lassen / hergegen aber falsche Lehre vnd
vngesunde Wort annem̅en. Ihre Wort aber sind nicht rechte /
gesunde: sondern falsche vnd böse Wort / wie bißher gründtlich erwiesen /
Derwegen solten sie dieselbigen billich fahren lassen / darüber der Heilige
Geist frölich / vnnd den Engeln im Himmel eine Freude zugerichtet würde. Daß
viel Leut gefun
|| [89]
den
werden / welche dieses Wort (Substantz oder Wesen) in diesem Streit ohne
Betrübnüß nicht können oder wöllen fallen lassen / ist die Schuldt jhr / als die
solchs einfältigen Hertzen dermassen eingebildet / vnd dieselben so schändtlich
hinder das Liecht geführet haben. Derwegen sie wol bey Zeit vmbkehren / vnd Gott
vmb Verzeihung bitten mögen / sonst werden alle die Seufftzer einfältiger
Christen / so von jhnen verführet / auff jhren eygen Hals fallen / vnd sie in
Abgrundt der Hellen drücken.
Fehets Gegentheil an die Wort deß Christlichen Concordi-Buchs / vom Accidens, oď
daß die Erbsünde ein böser Zufall sey / zu exagitieren vnnd vmbzustossen / gibt
bald im Anfang für / das Concordi Buch habe keinen andern Grundt das Accidens zu
erhalten / als auß dem Aristotele vnnd seiner Diuision oder Theilung der
Substantz vnnd deß Accidentis oder zufälligen Dinges / etc. vnd stellet durch
viel Blätter nacheinander ein grosse Klage an / vber die thörichte Philosophiam,
was die für Vnrichtigkeit in Glaubens Sachen verursache / wann man derselben
vnnd jhrer Lehr folget / füret auch dessen gar viel Exempel eyn / etc. Welchs
alles wir nit in Abrede seindt. Dan̅ wir / Gott Lob / wol wissen /
daß wir / wie August. lib. 10. de ciuitate Dei cap. 23. sagt / ad certa̅ regula̅, das ist / nach vnd mit Gottes Wort reden
sollen. Item / daß Gott (wie Bernhardus redet) geboten / nicht daß wir versutias
Platonis, Platonis Arglistigkeit / oder argutias Aristotelis, Aristotelis Spitz
findigkeit lehren sollen / sondern sein Wort. Ist vns auch nicht vnbekandt / daß
Tertull. spricht / Philosophos esse haereticorum patriarchas, daß die
Philosophie der Ketzer Patriarchen sind / etc. Darumb dieses langen Geschwetzes
vnsert halben nicht von nöhten gewest. Daß es aber solte wahr seyn / wie sie vns
beschüldige̅ / daß wir vnsern Grundt in dieser Sache nicht auß
der Theologia / sondern auß Aristotele nem̅en solten / das
gestehen wir jhnen keines Weges / werdens auch in Ewigkeit nicht wahr machen
können.
Dann ehe das Christliche Concordi Buch im Artickel von
|| [ID00190]
der Erbsünde / beides im Extract.
pag. 230. vn̅ gründtlichen Widerholung / etc. pag. 259. 260. 261.
262. dahin kom̅t / daß es von dem Vnderscheid der Substantz vnd
deß Accidentis handelt / vnd derselben Wörter rechten Verstandt erkläret: So
setzet es zuuor starcke / feste vnd vnbewegliche Gründe auß Gottes Wort / auß
der Augspurgischen Confession / Apologia vnnd Artickeln vnsers Christlichen
Glaubens / von der Schöpffung / Erlösung / Heiligung vnd Aufferstehung dieses
vnsers Fleisches / welche wir bißher repetiert / vnnd gege̅ deß
Widertheils Calumnien vn̅ Sophistische Verkehrungen gründtlich vnd
bestendig verantwortet haben. Nachmals kompt es erst auff die Erklärung etlicher
Wörter / vnter welchen auch diese zwey / Substantia vnd Accidens, sind / derer
rechten Verstandt man in diesem Streit nit entrahten kan. Derwegen dem Concordi
Buch vom Widertheil / Gewalt vnd vnrecht geschicht / da es beschüldiget wirt /
als solte es den Grundt seiner Lehre in diesem Streit nicht auß der Theologia /
sondern auß Aristotele geschöpfft haben.
Dann daß wir von Natur Kinder deß Zorns sind / Ephes. 2. vnd der Verdam̅nüß vnterworffen / Rom. 5. 6. ist ja auß dem Aristotele oder
Porphyrio nicht genommen.
Also ist auch die Beschreibung der Erbsünde / pag. 259. in fünff Stück
abgetheilet / vnd auß der Apologia der Augspurgischen Confession widerholet /
nicht Aristotelis Lehre / sondern der Heiligen Schrifft oder deß heiligen
Geistes selbst / Sie wolten dan̅ fürgebe̅ / daß auch
die Apologia jhre Lehre von der Erbsünde nit auß Gottes Wort / sondern
anderswoher auß Aristotele vn̅ Platone entlehnet.
Wie dan̅ auch dieses auß Aristotelis Büchern nit genom̅en / da das Concordi Buch auß der Schrifft Sprüche̅ pag. 230.
261. 262. darthut / daß ein Vnderscheid sey zwischen der Menschliche̅ Natur / so fern sie nochmals Gottes Geschöpff vnd Creatur ist /
vn̅ zwischen der Erbsünde / damit sie durch vnd durch verderbt
ist.
So sind ja die Artickel vnsers Christlichen Glaubens von der Schöpffung /
Erlösung / Heiligung vnd Aufferstehung dieses Flei
|| [90]
sches / auß welchen der
Vnderscheid zwischen der Natur vnnd Erbsünde gewaltiglich erkläret vnd für Augen
gestellet / nicht in Aristotelis oder Platonis Hirn gewachsen / oder auß jren
Schulen genommen / sondern auß Heiliger Göttlicher Schrifft gezogen / sie wolten
dann abermals sagen / daß auch das Symbolu̅ Apostolicu̅ auß Aristotelis Philosophia entsprungen vnd darin̅en seinen Grundt hette.
Was auch das Christliche Concordi Buch dißfalls pag. 261. wider die Manicheer
setzet / das hat es freylich nicht auß Aristotele gesoge̅ /
sondern auß Augustino / der es ferner auß Heiliger Schrifft hat / genommen / in
welcher nicht ein einiges Wörtlein zu befinden / das da lehrete / daß die
Erbsünde Substantia oder ein selbstendiges Wesen / oder aber / wie das
Widertheil nun mehr redet / die verderbte Natur selbst were.
Dann ob wol die Schrifft vber deß Menschen Verderbung hin vnnd wider hefftig
klagt / doch heißt sie jhn / so wol nach dem Fall als vor dem Fall / einen
Menschen / vnd nicht die Sünde selbst. Daß sie jhn aber Fleisch / vntüchtig /
eitel / abtrünnig / vngehorsam / wilden Weinstöck / Ottern gezücht vnnd
dergleichen nennet / da beschreibt sie Menschlicher Natur Boßheit vnnd
schreckliche Verderbung / welche in derselben auff die Sünde erfolget ist.
Dadurch aber der Vnderscheid der verderbten Natur / an welcher solche Verderbung
vnd Schade gefunden / vnd der Erbsünde oder Verderbung selbst / nicht
auffgehaben wirdt.
Also / ob wol die Heilige Schrifft den Erbschaden exaggeriert vnd groß machet /
wie billich / vnd es an jme selbsten wahr / daß er vns Menschen vnaußsprechlich:
jedoch braucht sie allenthalben solcher Wörter / die nicht lehren / daß die
Erbsünde ein Substantz oder Wesen sey / oder daß die verderbte Natur die
Erbsünde selbst sey: Sondern welche einen Schaden / Mangel vnd Gebrechen deß
Wesens oder Menschlicher Natur anzeigen / vnd also den Vnderscheid deß Wesens
Menschlicher Natur vnnd seiner Verderbung hell vnnd klar mit sich bringen.
|| [ID00192]
Als zum Exempel / die Hebreischen Wörter Auon, peruersitas, prauitas, vitium, in
curuatio, Krum̅e / pescha, iniquitas, Vngerechtigkeit / Rescha,
Vnruhe / brennende Boßheit / die nicht ruhet oder feiret / Chataach / Fehl /
Irsall / etc. Deß gleiche̅ die Griechischen Wörter: , Vngerechtigkeit / , Vbertrettung /
, Sünde / , Gebrechen /
, Schade / , Boßheit /
Schalckheit / etc. Mit welchen der Heilige Geist in der Propheten vnd Apostel
Schrifften die Sünde nennet / können nimmermehr dahin verstanden oder gedeutet
werden / daß sie so viel heissen solten / als Substantz oder Wesen / oder so
viel / als die verderbte Natur selbst / wie solchs alle Sprachkündige verstehen:
sondern müssen außgelegt vnnd verstanden werden von dem Schaden / Mangel oder
Gebrechen / der in deß Menschen verderbter Natur verhanden / vnd damit sie
verderbt ist.
Zu dem bezeugt die Heilige Schrifft an gar vielen Orten / daß die Erbsünde sam̅t allen Schäden / so darauß erfolget / an den Ausserwehlten oder
Seligen / auffhören / ein Ende nemen vnnd vertilget werden / die Natur aber oder
das Menschliche Wesen sollen bleiben / glorificiert vnd herrlich gemacht
werde̅. Jesa. 30. Der HERR wirt den Schaden seines Volcks
verbinden / vnd seine Wunden heylen. Jesa. 38. Du hast dich meiner Seelen
hertzlich angenommen / daß sie nicht verdürbe / dann du wirffst alle meine Sünde
hinder dich zurücke. Jerem. 33. Ich will sie reynigen von aller Missethat. Mich.
7. Der HERR wirt sich vnser erbarmen / vnsere Missethat dempffen / vn̅ alle vnser Sünde in die tieffe deß Mers werffen / 1. Johan. 1.
Das Blut Jesu Christi seines Sohns reyniget vns von aller Sünde. Philip. 3. Der
vnsern nichtigen Leib verklären wirdt / daß er ehnlich werde seinem verklärten
Leib. 1. Cor. 15. Das verwehßliche wirt anziehen das vnuerwehßliche / etc. Wie
solte dan̅ die Schrifft lehren / daß die Erbsünde substantia oder
die verderbte Natur selbst were / weil sie so klar anzeiget / daß die Sünde soll
von der Natur abgethan vnd außgefegt / die Natur aber an jr selbst bleiben /
verkläret vnd selig werden?
|| [91]
Vber das brauchet die Schrifft solcher Wörter / in welchen sie die Menschliche
Natur als ein subiectum der Sünde beschreibet / die Sünde aber als etwas
Zufälliges / das in der Menschlichen Natur ist / als Rom. 6. Lasset die Sünde
nicht herrschen in ewrem sterblichen Leibe. Rom. 7. So thue ich nuhn dasselbige
nicht / sonder die Sünde / die in mir wohnet / dan̅ ich weiß / daß
in mir / das ist / in meinem Fleische / wohnet nichts guts. Item: So finde ich
in mir nuhn ein Gesetz / der ich will das Gute thun / daß mir das Böse anhangt
() Rom. 8. Verdampte die Sünde im Fleisch durch die
Sünde / etc. Ephes. 4. Durch die Vnwissenheit so in jhnen ist. Heb. 12. Lasset
vns ablegen die Sünde / so vns jmmer anklebt vnnd träge machet. Jerem. 17. Die
Sünde Juda ist auff die Taffel jhres Hertzen gegraben. Prouerb. 22. Thorheit
steckt den Knaben im Hertzen / etc. Welche Sprüche alle miteinander klar
bezeugen / daß die Sünde nicht der verderbten Menschen Natur selbst sey /
sondern derselben als ein Schaden vnd böser Zufall anhange vnd eynwohne.
Also machet auch die heilige Schrifft in dem ein Vnterscheid zwischen der
verderbten Natur / vnnd zwischen der Erbsünde oder Verderbung / daß sie mit
verständtlichen Worten bezeuget / der Mensch oder Menschliche Natur werde nicht
verdampt / daher daß sie eine Natur oder Substantz ist: Sondern darumb / daß sie
sündig vn̅ vnrein ist. Psal. 39. Du züchtigest den Menschen vm̅ der Sünde willen. Jesai. 50. Ir seidt vmb ewer Sünde willen
verkaufft. Jesai. 59. Ewere Vntugend scheiden euch vnd ewern Gott / vnd ewere
Sünde verbergen das Angesicht von euch. Ezech. 3. Der Gottlose wirdt vmb seiner
Sünde willen sterben. Muß derhalben ja ein Vnterscheidt zwischen der verderbten
Menschlichen Natur vnnd zwischen der Erbsünde selbst seyn: Dann diese klare
Sprüche der heiligen Schrifft können nicht fehlen.
Auß dem allem ist nuhn offenbar / daß wir vnser Lehre von der Erbsünde / daß
dieselbige die verderbte Natur selbst nicht sey /
|| [ID00194]
sondern eine tieffe grewliche
Verderbung der Natur oder Leibs vnd der Seelen / etc. oder / das eben so viel
ist / ein böser schädlicher Zufall sey / der / wie Paulus Roman. 7. schreibet /
im Fleisch wohnet / oder dem Menschen anhangt / keines wegs auß Aristotelis
seiner Philosophia, oder der Diuision Substantiae & accidentis, der Theilung
der Substantz vnnd Zufalls genommen / sondern auß der heiligen Schrifft / als
auß einem reinen vnd vnbefleckten Quellbrunn selbst geschöpfft haben.
Ob auch die heilige Schrifft nicht eben diese Wort brauchet / daß im Menschen ein
anders die Substantz oder Wesen sey / vnnd ein anders die Erbsünde / damit die
Substantz oder das Wesen Menschlicher Natur / als durch einen bösen Zufall
verderbt sey / jedoch / wie erwiesen / lehret sie mit vielen klaren vnnd
deutlichen Sprüchen / vnd das nicht auff einerley / sondern vielfältiger Weise /
wie angehöret / daß die verderbte Substantz vnnd Wesen der Natur nicht die Sünde
selbst sey / sondern daß ein Vnderscheid zwischen der verderbten Natur / vnnd
zwischen der Sünde selbst sey / welches alles nicht kan mit Grunde vmbgestossen
werden.
Weil dann dem also / so folget vnwidersprechlich / daß die Erbsünde keine
Substantz oder Wesen / oder aber deß verderbten Menschen Natur selbst sey:
Sondern etwas böses / ein böser Schad / ein böser Zufall / Gebrächen oder Mangel
/ der ins Menschen Fleisch oder Menschlicher Natur / wie Paulus Roman. 7.
schreibet / wohnet / oder demselben anhanget. Solchen Schaden aber heist man in
Schulen ein Accidens, das ist / ein zufälliges Ding / das nicht deß Menschen
erschaffene Substantz / Natur oder Wesen selbst ist / sondern in demselben
ist.
Vnd weil die Schrifft vnderscheidet zwischen der verderbten Natur deß Menschen /
vnnd zwischen der Sünde (ob sie wol der Schulwörter Substantiae & Accidentis
nicht brauchet) so vnter scheiden wir billich auch mit der heiligen Schrifft /
vnd lassen vns
|| [92]
diesen klaren
Vnderscheidt nicht nemmen / sondern brauchen vns vnser Christlichen Freyheit /
welche zuläst Schulwörter in der Kirchen Gottes gebrauchen / wann die Sachen /
darzu sie appliciert / in Gottes Wort starcken Grund haben / alsdann dieser
vnser Vnderscheidt / Gott Lob / hat.
Wann der Vnderscheidt zwischen der verderbten Menschlichen Natur / vnd zwischen
der Erbsünde / in der heiligen Schrifft keinen Grundt hette / oder nicht durch
so viel klare vnderschiedliche Sprüche gezeiget / sondern wir denselben ohne
Schrifft auß vnserm eygen Gehirrn erdichtet / vnnd in die Christenheit
eyngeführet / als dann hette das Gegentheil Vrsach darwider zuschreyen vnnd zu
schreiben / vnnd das Christliche Concordi Buch billich zu beschüldigen / daß es
solche grosse Sache alleine auff die Aristotelische Abtheilung der Substantz vnd
deß Accidens gründete / etc. Demnach aber gemeldter Vnderscheidt in der heiligen
Schrifft so starcken / gewaltigen / vnvmbstößlichen Grundt hat / hat es keine
erhebliche Vrsach / den Vnderscheidt vnder der Substantz vnnd zufälligen Dingen
/ deß man sich in allen Christlichen Schulen gebrauchet / vnnd auch auff diese
Lehre von der Erbsünde zu applicieren pflegt / so grausam außzumachen / vnnd
gantz zu verwerffen.
Es ist auch dem Christlichen Concordi Buch vnnd vns diß-Falls nicht vmb die
Aristotelische Diuision oder Vnderscheidt der Substantz vnnd der zufälligen
Dinge zuthun / sondern vmb die Sache selbst / davon wir so klaren vnnd
deutlichen Vnderscheidt in der Schrifft vns für die Augen gestellet haben /
welche wir vns durch kein Geschwätz / weder von diesem noch von jenem können
nemmen oder außreden lassen. Brauchen auch solcher Diuision nuhr docendi gratia,
dieweil man derselben in vnsern Schulen gewohnet / vnd bißhero bey der
studierenden Jugendt erhalten hat.
|| [ID00196]
Vns ist auch / Gott Lob / nicht vnbewust / daß in Schulen Transcendentia oder
solche Wörter gefunden werde̅ / welche vnter diese zwey Wörter /
Substantia vnd Accidens, nicht können gezehlet werden / etc. Aber das gibt oder
nimbt dieser Sache nichts / sintemal fürnem̅lich nicht der Streit
von der Aristotelischen Diuision oder Theilung der Substantz vnnd zufälliger
Dinge ist: Sondern von der Erbsünde / ob die deß verderbten Menschen Natur
selbst sey / oder ob ein Vnderscheidt sey zwischen der verderbten Menschlichen
Natur vnd zwischen der Erbsünde selbst / da das Gegentheil rundt herauß sagt /
die verderbte Menschliche Natur sey die Erbsünde selbst / vnnd es sey durchauß
kein Vnderscheidt zwischen der verderbten Menschlichen Natur vnd zwischen der
Erbsünde. Wir aber hergegen auß Gottes Wort rund Nein darzu sagen / daß die
verderbte Natur die Sünde selbst sey / Hergegen aber starck Ja darzu sagen / daß
ein warhafftiger Vnderscheid sey zwischen der verderbten Natur / vnd zwischen
der Erbsünde.
Weil wir dann solchen Vnderscheidt zwischen der Erbsünde vnd der verderbten Natur
so hell vnd klar auß der heiligen Schrifft erweisen können / vnd durch Gottes
Gnade erwiesen haben / vnd also vnsere Sach oder Lehre in Gottes vnfehlbarem
Wort starcken vnd vnwiderleglichen Grundt hat / ist der Diuision oder Abtheilung
/ so man von Aristotele hat / vnd in Christlichen Schulen brauchet / schon Raht
gefunden. Dann wir brauchen gemelter Abtheilung / oder nicht / so bleibet doch
dieses fest vnnd vnbeweglich / nach der Schrifft Aussage / stehen / daß die
verderbte Natur deß Menschen die Erbsünde selbst nicht sey / sondern daß ein
Vnderscheidt sey zwischen der verderbten Menschlichen Natur Substantz oder Wesen
/ vnd zwischen der Erbsünde selbst / Darumb es vns auch allermeist wider das
Gegentheil / vnnd nicht vmb die Aristotelische Diuision zuthun ist.
II. Gibt das Gegentheil für / das Concordi Buch vermeyne seine Lehre von der
Erbsünde / daß die ein böser Zufall oder Verder
|| [93]
bung deß Menschen /
vnnd nicht die verderbte Natur selbst sey / auß der definitione accidentis, oder
auß der Beschreibung / was accidens oder ein Zufälliges Ding genendt werde / zu
erhalten. Thut jhm aber durchauß Gewalt. Dann deß Concordi Buchs Grund von
diesem Artickel / was die Erbsünde sey / etc. stehet weder auff der Abtheilung
der Substantz vnd zufälliger Dinge / noch auch auff dieser oder jener
Beschreibung / was accidens sey vnd genennet werde: Sonder / wie bißhero
außführlich erwiesen / stehet er auff Gottes vnfehlbarem Wort / auff den
Artickeln vnsers Christlichen Glaubens / von der Schöpffung / Menschwerdung /
Erlösung / Heiligung vnd Aufferstehung dieses Fleisches / etc. Welche klar
bezeugen vnd bekräfftigen / daß die verderbte Natur nicht die Erbsünde selbst
sey / sondern daß die verderbte Natur vnd die Erbsünde zu vnderscheiden seyn.
Daß aber das Concordi Buch der Definition / was accidens in Schulen genennet
werde / gedenckt / geschicht nicht derwegen / daß es darauß der Lehre selbst
Grundt suchen oder nemmen wolte / Keines Wegs: Sondern vmb richtiger Erklärung
willen. Dann weil die Schrifft klar außspricht / daß die Erbsünde ein Mangel
sey. Roman. 3. Eine Vngerechtigkeit sey im Menschen / Roman. 1. Eine Boßheit so
im Fleisch wohnet / oder demselbigen anhänget. Rom. 7. etc. vnd die verderbte
Natur vnd die Erbsünde selbst / wie droben dargethan / vnterscheidet / vnd mit
nichten für ein Ding hält: Vnnd aber in Christlichen Schulen / solche Wörter
allzumal / damit die Schrifft die Erbsünde nennet / vnter die accidentia oder
zufällige Dinge gerechnet werden: Als nimpt das Christliche Concordi Buch / pag.
264. die Definition deß Wörtleins accidens, vnd spricht: Weil die Erbsünde für
sich selbst nicht bestehe (verstehe wie die Substantz oder Wesen vnser Natur)
noch ein Theil oder Stück sey der erschaffenen Substantz oder Natur deß
Menschlichen Wesens: Sondern sey wandelbar in der Natur / dann sie durch Krafft
deß Heiligen Geistes von derselben in der Widergeburt anfangt gescheiden zu
werden / vnnd wirdt vollends
|| [ID00198]
gäntzlich darvon in der frölichen Aufferstehung gescheiden werden / so sey sie
ein accidens oder etwas zufälliges am Menschen oder Menschlicher Natur / vnnd
nicht deß Menschen verderbte Natur selbst. Das ist so klar vnd wahr / daß auch
das Gegentheil selbst dieses Ohrts gestehen muß / die Erbsünde sey nicht ein
selbständiges Wesen für sich selbst. Ist sie nuhn nicht ein selbständig Wesen
für sich selbst / so kan sie ja kein Substantz oder die verderbte Natur ohn
allen Vnderscheidt selbst seyn / sondern muß etwas zufälliges in der Natur oder
Substantz deß Menschen seyn / das kan nim̅ermehr fehlen.
Ja / spricht das Gegentheil / die Erbsünde ist nicht ein selbständig Wesen / so
ist sie auch nit als ein vnderschiede̅ Ding im Menschlichen Wesen:
Sondern sie ist deß Menschen gantz verderbte sündige Wesen selbst / darumb kan
sie kein accidens seyn.
Wolan / das Gegentheil sagt hie / die Erbsünde sey nicht ein selbständig Wesen
für sich selbst / vnd dringet doch gleichwol an diesem Ohrt / wie auch sonsten
durchauß / mit Gewalt darauff / daß sie sey deß Menschen verderbte sündige Wesen
selbst / vnnd kein accidens. Wie will aber das mit einander bestehen? Das
verderbte sündige Wesen deß Menschen selbst ist ja kein accidens oder zufälliges
Ding nicht / sondern es ist ein selbständiges Wesen oder eine selbständige
Substantz für sich selbst / das kan niemandt verneinen. Ist nuhn das verderbte
sündige Wesen deß Menschen die Erbsünde selbst / so muß ja vnwidersprechlich
wahr seyn (das doch das Gegentheil verneinen will) daß die Erbsünde für sich
selbst ein selbständig Wesen sey. Dan̅ die verderbte Natur ist ja
ein selbständig Wesen / oder aber / da es dieses nicht zulassen will / muß es
zugeben / daß deß Menschen sündige verderbte Wesen keine Substantz / sondern ein
accidens oder zufälliges Ding sey. Da wöllen wir gerne zusehen / wie das
Gegentheil solchs zusammen reymen / vnnd miteinander vergleichen wölle.
So viel die gemeine Definition deß accidentis betrifft. Accidens ist ein solch
Ding / das da kan bey oder vom Wesen eines
|| [94]
Dings ohne deß Wesens
Verderbung seyn / etc. darauß das Gegentheil schliessen will: Soll die Erbsünde
ein accidens seyn / so muß folgen / daß nach dieser Beschreibung vnser Natur
noch gut vnd vnverderbt sey vn̅ bleibe / etc. Ist dieses die
warhafftige Antwort. Daß die gemeine Beschreibung deß accidentis zu dieser Sach
zu geringe vnd zu wenig sey (sonderlich in dem Verstandt / wie sie vom
Gegentheil genommen wirdt) dann das kan mit Warheit nicht gesagt werden / daß
die Erbsünde in der Menschlichen Natur sey ohne Verderbung derselbigen. Dann die
Heilige Schrifft vnd tägliche Erfahrung bezeugt / daß durch diesen bösen Zufall
Menschlich Natur vnd Wesen gantz verderbt seyn.
Darumb auch diese gemeine Beschreibung deß accidentis im Concordien Buch nicht
gebrauchet / sondern die andere / die sich besser mit dieser Lehre vergleichet.
Das ist wol wahr / daß die Sünde in der Menschlichen Natur ist ohne die
gäntzliche Zerstörung vnd Vertilgung derselben: Dann Adam ist durch die Sünde
nicht bald gantz vertilget / vn̅ in ein newe speciem verwandelt /
daß er der vorige Adam nicht mehr were gewest / sintemal sein Natur / sein
Verstande / etc. gebliebe̅ / wiewol sehr verderbt. Daß sie aber
ein solch accidens oder Zufall seyn solte / bey welchem die Menschliche Natur
gantz vnd vnverderbt bliebe / das ist nicht wahr. Dan̅ Menschliche
Natur vnnd Wesen gantz dardurch verderbt ist / sie hat auch dieselbige dermassen
eyngenommen / daß sie in diesem Leben auß der Natur nicht kan gäntzlich
außgetilget werden: Sondern wird in den Gläubigen durch den H. Geist nur ein
Anfang gemacht / vnnd die gäntzliche oder vollkommene Außtilgung erst in der
Aufferstehung vollbracht werden / 1. Corinth. 15.
Vnnd was darffs viel Wort / wann die Erbsünde kein accidens oder zufälliges Ding
were im verderbten Menschlichen Wesen / sondern Substantia oder das verderbte
Wesen vnd Natur selbst / so müst sie ja entweder deß Menschen Leib oder ein
Stück desselbigen seyn / oder aber sie müste deß Menschen Seel selbst / oder
|| [ID00200]
zum wenigsten ein Stück derselben
seyn / welcher aber keins wahr ist noch sein kan. Deß Menschen Leib kan sie ja
nicht seyn / dieweil die Schrifft / Roman. 6. sagt / daß sie im Menschlichen
Leibe herrsche / etc. So kan sie auch ein Stück oder Glied desselben nicht seyn
/ dieweil Rom. 6. stehet / daß sie in vnsern Gliedern herrschen / vn̅ gern das Regiment haben wölle.
Die Seele kan sie auch nicht seyn / dann die Seele ist ein lebendiger
verstendiger Geist / von Gott selbst erschaffen / vnd ist vnsterblich / welcher
keines von der Erbsünde kan gesagt werden. Ein Stück der Seelen kan sie nicht
seyn / dann die Seele deß Menschen läst sich nicht zerstücken oder theilen /
sondern ist an sich selbst ein einiges vnzertheiltes Wesen. Vnnd da es gleich
müglich / daß sie ein Stück der Seelen köndte genennet werden / das doch nicht
ist / so köndt es doch derhalben nicht seyn / dieweil alles / was die Seele ist
/ von Gott erschaffen vor dem Fall / ehe die Sünde gewest / die Sünde aber von
Gott nicht erschaffen ist.
Summa / die Erbsünde kan nicht die wesentliche Form deß Menschen seyn / dadurch
er ein Mensch ist / vnd von andern Creaturen vnderscheiden wirdt. Als daß Leib
vnd Seele im Menschen miteinander vereyniget / eine Person machen / oder daß der
Leib seine eigene Form hat / die Seel auch jhre Form oder Art. Dann diese Dinge
alle sindt von Gott selbst also erschaffen. Also kan sie auch der Seelen
wesentliche Form nicht seyn / dadurch die Seele ist / vnd ohne welche sie nicht
were oder seyn köndte. Dann dieselbige ist ja vor dem Fall gewest / da die
Erbsünde nicht gewest ist. Die Krafft zu fühlen / zu erkennen / zu wöllen / kan
sie nicht seyn. Dan̅ sonst müst die Sünde gewest seyn / ehe sie
gewesen / oď ehe Adam gesündiget. Wie sie dann auch die Vnsterbligkeit oder das
Geistliche Leben der Seelen nicht seyn kan / dann diese Ding sind auch vor dem
Fall gewest ehe die Sünde war.
So ist auch vnzweiffelhafftig / daß wann essentialis forma eines Dings / dadurch
es also ist vnd bestehet / auffhöret / vnnd eine
|| [95]
andere wesentliche Form
erfolget / daß ein solch Indiuiduum oder Creatur nicht bleibe / sondern gantz
vergehe. Als zum Exempel / wann die wesentliche Form eines Lewen verwandelt
würde in etwas anders / so bliebe der Lewe kein Lewe mehr. Bekeme er aber eine
andere wesentliche Form / so wer er etwas anders oder widerwertiges als der
vorige Lewe. So lange aber der Lew seine wesentliche Form behält / so lang
bleibt er auch derselbige Lewe / vnd ist vnd wirdt nichts anders. Solte nun Adam
/ durch den Fall / seine wesentliche Form verlohren haben / so müst er ein newe
species worden seyn / vnd nicht mehr der vorige Adam / der Natur vnd Wesen nach
/ gewest seyn. Das ist aber falsch. Solte auch Adams Seele insonderheit durch
den Fall / jhre wesentliche Form / Art oder Gestallt verloren haben / vnd eine
andere wesentliche Form oder Art vberkommen haben / so müst die Seele sterblich
seyn / müste auch nicht mehr die vorige Seele seyn / welche Gott in Adam selbst
erschaffen / sondern eine ander vnd newe Seel / welchs auch falsch ist.
Darumb kan die Erbsünde / die wesentliche Form deß Menschen oder die Seele nit
seyn. Zu deme daß offenbar / daß der Sünde im Menschen / wenn er zu Gott
bekehret wirdt / Gerechtigkeit folget / in welcher die seeligen Menschen in
jener Welt leuchten werden wie die Sonne / vnd darzu in der selbigen Seelen /
vnd demselbigen Leibe / die sie in dieser Welt gehabt haben. Darumb muß
nothwendig folgen / daß die Erbsünde vn̅ die Gerechtigkeit nicht
wesentliche / sondern zufällige Formen seyn. Dann in dem einigen vnd bleibenden
Menschen / kan eine der andern folgen / welchs nicht geschehen köndte / wenn /
deß Gegentheils Grillen nach / die Erbsünde die wesentliche Form deß Menschen
oder der Seelen were. Dann so offt der Mensch von der Bekerung zu Gott vnnd von
der Gerechtigkeit abtrette / müst er wesentlich verwandelt vnd ein ander Mensch
werden / auch wesentlich ein andere Seele bekom̅en / vnd wenn er
wider zu Gott bekehret würde / müst er abermals eine andere newe Seele / dem
Wesen nach von der vorigen vnderscheiden / bekommen.
|| [ID00202]
Ebner massen kan die Sünde deß Menschen Proprium nicht seyn / dieweil sie nicht
allein im Menschen / sondern auch in den bösen Geistern ist. Vnd weil die
Propria oder Eigenschafften solche Ding sind / darzu eine jedere Creatur
erschaffen / daß sie darmit jhr Ampt / darzu sie erschaffen ist / verrichte /
der Mensch aber darzu nicht erschaffen ist / daß er sündigen soll / so kan Sünde
deß Menschen Proprium nicht seyn.
Wie sie dann gleicher Gestallt deß Menschen Differentia nicht seyn kan / dadurch
er von allen anderen Creaturen eigentlich vnderscheiden wirt. Dan̅
die warhafftige Differentia oder Vnderscheid ist ein Stück / constituens re̅ differente̅, das ist / ohn welches dasselbige nit
bestehe̅ kan. Nun ists gewiß / daß die Sünde den Mensche̅ nicht constituiere: dann sonst were Adam vor dem Fall kein
rechter Mensch gewest / Christus auch nicht / der von keiner Sünde gewüst / die
Seeligen auch im ewigen Leben würden keine rechte Menschen seyn / weil sie als
dann keine Sünde haben werden. So ist auch vnd bestehet der Mensch / oder die
Menschliche Natur als dann am besten / wann sie der Sünden loß vnd quit ist /
als wir dessen ein herrlich Exempel an Adam vor dem Fall / vnd an dem Menschen
Christo haben. Summa / man kehre es wie man wölle / so kan man nicht sagen / daß
die Sünde sey quiddam constituens homine̅, etwas / dadurch deß
Menschen Natur vnd Wesen bestehe. Dann sonst were der Mensch kein rechter Mensch
/ wenn er von der Sünde gereyniget / vnd dieselbige von jhm gäntzlich abgethan
würde. Vber das hat ja der HERR Christus vnser Erlöser alle Stück / so zur
wahren Menschlichen Natur gehören / als Leib vnnd Seele / angenommen / die Sünde
aber hat er nicht angenommen / darumb so muß vnnd kan die Sünde nicht ein Stück
Menschlicher Natur oder Wesens seyn / dadurch der Mensch oder sein Natur
bestehet / viel weniger aber die Menschliche Natur selbst. Nun müst sie aber
derer eins seyn / wann die verderbte Natur ohn allen Vnderscheid die
|| [96]
Sünde selbst were. Item / wann
zwischen der Seelen vnd zwischen der Sünde kein Vnderscheid / sondern die Seele
die Sünde selbst were. Die Heiligen Menschen werden auch alle Stück oder alles
miteinander / was zur Menschlichen Natur gehöret / in der Aufferstehung wider
bekommen / die Sünde aber nicht. Drumb so kan ja die Sünde zur Menschlichen
Natur nicht gehören / vn̅ weder ein Stück derselbe̅
noch die gantze Menschliche verderbte Natur selbst seyn. Ist sie dann weder der
Leib selbst / noch ein Stück oder Glied deß Leibes / auch die Seele oder ein
Stück derselben / vnd wesentliche Form deß Menschen / auch der Seelen nicht /
vn̅ ist auch weder Proprium noch Differentia aut quiddam
constituens homine̅, siue pars hominis, das ist / nicht das Eygen
/ der Vnderscheid / oder ein Stück / dadurch der Mensch bestehet vnnd von andern
Creaturen vnderscheiden wirdt / so muß sie ja ein Accidens oder böser Zufall
seyn an oder in der verderbten Natur deß Menschen / das kan nimmermehr
fehlen.
III. Ficht dieser Schwärmer auch die Beschreibung der Substantz an / vnd wolt sie
gern tadeln / kans aber mit Grunde nicht thun.
Das Christliche Concordi Buch schleust mit S. Augustino pag. 264. also: Ein jede
Substantz oder selbständiges Wesen / so ferrn es ein Substantz ist / ist
entweder GOTT der Schöpffer selbst / oder ein Werck vnnd Geschöpff Gottes. Nun
ist aber die Erbsünde GOTT der Schöpffer selbst nicht / so ist sie auch kein
Werck oder Geschöpff Gottes nicht. Derwegen muß sie ja ein Accidens oder
zufälliger böser Schade an der Creatur Gottes / das ist / an der Menschlichen
Natur seyn.
Darauff antwortet das Gegentheil: Sie sagen nicht / daß die(O. iij. fac. 2.) Erbsünde ein selbständiges Wesen
sey / wie die Manicheer geschwärmet / sondern daß sie deß Menschen verderbte
Natur vn̅ Wesen sey / etc. Heist aber dieses geantwort? Ist die
Erbsünde kein selbständig Wesen für sich selbst / vnnd ist aber gleichwol das
verderbte
|| [ID00204]
Wesen / oder Natur deß
Menschen ohn allen Vnderscheid / so müste folgen / daß die verderbte Menschliche
Natur / welche / jrem fürgeben nach / die Sünde selbst ist / keine selbständige
Substantz were / sondern ein Accidens oder ein zufälliges Ding. Da wolt aber
erst ein seltzamer vngehewer newer Schwarm auß entstehen. Ist aber die
Menschliche verderbte Natur / oder das verderbte Menschliche Wesen / ein
selbständige Substantz (wie solchs nimmermehr kan verleugnet werden) die für
sich selbst bestehet / vnnd kein Accidens oder zufälliges Ding / Vn̅ ist jrer Lehre / Bekändmüß vnd Aussage nach / die Erbsünde selbst / also /
daß durchauß kein Vnderscheid zwischen der verderbten Natur / vn̅
zwischen der Erbsünde ist / So muß ja nohtwendig wahr seyn / daß die Erbsünde
ein sonderlich vnnd für sich selbst bestehendt Wesen sey / welchs sie sonst zum
hefftigsten verneinen / damit sie sich deß Manicheismi entschütten köndten. Der
eins müssen sie geständig seyn / wenn sie auch noch eins so schlipfferige Aal
weren als sie sindt.
Gegentheil gestehet / daß die Theilung in Theologia wahr sey / daß ein jeder
Substantz entweder Gott der Schöpffer oder ein Geschöpff Gottes sey. Sagt aber /
es müsse bey dieser Theilung auch die subdiuisio, sonderlich was die Creaturen
anbelangt / behalte̅ werden / nemblich / daß ein jedere Creatur
entweder gut oder böse sey / etc. Das soll nun abermals nicht alleine
geantwortet / sondern auch deß Concordi Buchs Grundt vmbgestossen heissen. Wie
dünckt dich aber Christlicher Leser bey dieser Antwort? Ist jhm nicht also / daß
sich das Gegentheil mit solcher Confession der Abtheilung / daß ein jeder
Substantz entweder Gott der Schöpffer selbst / oder ein Geschöpff Gottes sey /
seine gantze Lehre von der Erbsünde zu Grundt vnd Boden gestossen habe? Dann ist
die ermelte Abtheilung wahr (wie sie dann gewißlich wahr ist / vnd bleibet in
Ewigkeit) daß ein jeder Substantz entweder Gott selbst / oder ein Geschöpff
Gottes ist: vnd aber die Erbsünde / jhrer Lehre nach / deß verderbten Menschen
Substantz / Wesen vnd Natur selbst / ohne einigen Vnderscheid ist /
|| [97]
So müssen sie der zweyer eins
beken̅en / entweder daß die Erbsünde Gott selbst sey / oder
aber Gottes Geschöpff vnd Werck sey. Daß sie Gott selbst sey / werden sie nicht
leichtlich sagen dürffen: Wolan so müssen sie aber das ander gestehen / daß sie
Gottes Geschöpff vnd Werck sey / oder daß Gott die Erbsünde erschaffe. Da will
nun eine schöne Theologia auß werden. Vnnd zwar Illyricus(Illyricus in 2. parte cla uis fol.
488. 497. In Con feß. pag. 171 & alibi.) vnd andere sind lengst auff der
Ban gewest vnd noch / daß sie fürgeben dürffen / daß GOtt im Menschen schaffete
vnd formierte alle qualiteten gute vnnd böse / vnnd alle accidentia oder
zufällige Ding / böse vnd gute / etc. Nun ist aber die Erbsünde eine böse
schädliche qualitas oder Seuche vnd Gebrechen im Menschen / darauß müst folgen /
daß Gott der Erbsünde Schöpffer were / etc.
Die Subdiuision betreffendt / da sie sagen / daß ein jedere Creatur entweder gut
oder böse sey / gestehen wir jhnen keines Weges. Denn alle Creaturen Gottes / so
ferrn sie Creaturen vnnd Geschöpff Gottes sind vnd heissen / sind gut vnd keine
böse. Sintemal Gott keine böse Creatur erschaffen hat / sondern hat sie alle gut
erschaffen. Genes. 1. Gott sahe an was er gemacht hatte / vnd sihe da / es war
sehr gut.
Dan̅ ob wol die Engel vn̅ Mensche̅ von
Gott durch die Sünde abgefallen / jedoch sind sie nicht böse / heissen auch nit
böse / so ferrn als sie Gottes Geschöpff vnnd Werck sindt: sondern so ferrn sie
in Boßheit gerahten / Boßheit / Vnreinigkeit / Vngerechtigkeit vnd Vnheiligkeit
/ durch den Vngehorsam vnnd Abfall von Gott an sich bekommen haben / so ist wol
jhre Natur durch die Sünde böse worden / aber nicht die Boßheit selbst / wie sie
fürgeben.
Vnd hieher gehören die schönen Wort Augustini contra Epistolam fundamenti cap.
33. Itaque si tollantur illa, quae modò enumerata sunt, bona illa, quae laudata
sunt, sine vlla vituperatione remanent. Si autem bona ipsa tollantur, nullam
remanere naturam. Ex quo iam videt, qui potest videre, omne̅
natura̅, in quantu̅ natura est, bonu̅ esse. Quia ex vna eademque re, in qua & ego quod
|| [ID00206]
laudare̅, & ille
quod vituperaret inuenit. Si tollantur ea quae bona sunt, natura nulla erit. Si
aute̅ tollantur ea, quae displicent, incorrupta natura
manebit. Tolle aquis, vt non sint coenosae & turbidae, remanent aquae purae
atque tranquillae. Das ist / wan̅ man nun die jetzt erzehlten Ding
hinweg thut / so wird das gute / so gerhümbt worden / bleiben / vnd nicht zu
schelten seyn. Wen̅ man aber das gute selber auch hinweg thut / so
wird keine Natur mehr vberbleiben. Darauß dann ein jeder / der sonst sehen kan /
ersihet / daß die gantze Natur / so fern sie die Natur ist / gut ist. Dann mit
einem Ding oď Wesen / daran ich etwas befinde / das ich lobe / ein ander aber /
das er schelte / hält sichs also / wann man das gute weg nimpt / daß keine Natur
mehr vbrig bleibt / wann man aber das / so einem mißfält / hinweg nimpt / daß
die Natur dennoch gantz vnd vnuerruckt bleibet. Nimm das kotig vnnd trübe vom
Wasser hinweg / so wird ein lauter vnd rein Wasser da bleiben. Et cap. 34. Sed
fortasse dices: Illa mala de talibus naturis non possunt auferri, & ita
naturalia debere accipi. Non nunc quaeritur, quid possit vel non possit auferri,
sed certè non paruum lumen est ad intelligendum, omnes naturas, in quantum
naturae sunt, bonas esse, quòd sine illis malis cogitari bona illa possint, sine
bonis aute̅ illis nulla natura cogitari potest. Das ist / du
möchtest aber villeicht sagen / das böse könne von solchen Naturen nicht hinweg
gethan werden / darvmb solle man es für natürlich halten. Es ist aber jetzo die
Frage nicht / was hinweg gethan werden könne oder nicht / doch gibt es der
Sachen ein groß Liecht / damit man verstehe / daß alle Naturen / so ferne es
Naturen sind / gut seyn / daß das gute ohn das böse mit Gedancken kan gefasset
werden / ohn das gute aber ists vnmüglich die Natur in Gedancken zu bringen. Et
cap. 35. Quis dubitet, totum illud, quod dicitur malum, nihil esse aliud quàm
corruruptionem. Et paulo post: Quòd si non inuenitur in rebus malum nisi
corruptio, & corruptio non est natura, nulla vtique
|| [98]
na̅tura malum
est. Das ist / wer zweiffelt daran / daß alles / das man böß nennet / nichts
anders sey / dann die Verderbung. Vn̅ bald hernach: Wann dann in
keinem Ding etwas böses befunden wirdt ohn die Verderbung / vnd dieselbe
Verderbung ist nicht die Natur selber / so folget / daß keine Natur böse ist.
Auß welchen Worten Augustini klar zu sehen / daß deß Menschen Natur / so ferrn
sie ein Natur ist / was gutes sey / vnnd daß die Boßheit oder Verderbung der
Natur vnnd die Natur selbst nicht einerley sind. Daß auch / wann die Boßheit
vnnd Verderbung von der Natur genommen wirdt / die Natur als ein Geschöpff
Gottes bleibe / gleich wie das Wasser bleibet / wann die Vnreinigkeit vom selben
gescheiden wirdt.
Daß alles / was nicht auß dem Glauben ist / Sünde sey / Rom. 14 ist viel ein
anders / dann da man vber streittet. Der Apostel redet von den Wercken / welche
ohne den Glauben an Christum geschehen / vnd spricht / daß dieselben Werck Sünde
sind / das ist / GOTT nicht gefallen / So zeucht es das Gegentheil auff die
verderbte Natur deß Menschen / vnnd will darauß erweisen / daß die verderbte
Natur die Sünde selbst sey. D. Lutherus in seinem seruo arbitrio, führet diesen
Spruch auch nicht / zu beweisen / daß die verderbte Natur die Sünde selbst sey:
Dann daruon war zwischen jhme vnnd Erasmo kein Streit: sondern von Kräfften deß
vnbekehrten vnnd vnwidergebornen Willens in Geistlichen Sachen / welche D.
Lutherus auß gemeltem Spruch vmbstösset / mit nichten aber streitet / daß die
verderbte Natur die Erbsünde selbst sey. Darumb reimen sich Lutheri Wort zu
dieser Sach gar nichts / sondern werden dieses Orts vbel vnd wider Lutheri
Meynung citiert.
Von der natürlichen vnnd Theologischen Betrachtung deß Menschen / der dieses Orts
abermals Erwehnung geschicht / ist droben gründtlich geantwortet / darbey wirs
bleiben lassen.
|| [ID00208]
Lutheri Wort auß dem 90. Psal. daß der Mensch wie ein Klotz vn̅
Stein sey in Geistliche̅ Sachen / etc. gehöre̅
hieher auch nit. Dan̅ hie nicht gestritten wirdt von den Kräfften
deß vnbekehrten Willens in Geistlichen Sachen: sondern von der Erbsünde / ob
nemblich die verderbte Natur ohne allen Vnderscheid die Erbsünde selbst sey oder
nicht / welches Streits Lutherus in angezogenen Worten mit dem wenigsten nicht
gedencket.
Also hilfft sie auch Lutheri Spruch in der Jenische̅ Hauß Postillen
nichts / da er sagt: Der Mensch / nach der Theologia angesehe̅ /
ist sterblich / vngerecht / lügenhafftig / dann darüber kein Streit ist. Sie
wöllen beweisen / die verderbte Natur sey die Erbsünde selbst / vnd bringen
Sprüche / welche sagen / der Mensch Theologicè betrachtet sey sterblich /
vngerecht / lügenhafftig / etc. Da verstehet jederman / daß das nicht bewiesen
heisse.
Wir bekennen von Hertzen / daß der Mensch nach dem Fall / gegen Gott gerechnet /
eine sterbliche / vngerechte / lügenhaffte Creatur sey / Aber was thut das zu
diesem Streit / da sie fürgeben / die verderbte Natur sey die Sünde selbst? Kan
doch ein Blinder an der Wandt greiffen / daß dieses nicht einerley sind / wann
Lutherus vnd wir mit jhme lehren / der Mensch sey nunmehr eine sterbliche /
vngerechte / lügenhaffte Creatur / vnd wann sie schwärmen / der Mensch oder die
verderbte Menschliche Natur sey ohne allen Vnderscheid die Erbsünde selbst.
Die distinctio Tom. 1. lat. Ienensi, fol. 81. da Lutherus handelt vom Vnderscheid
zwischen dem Zeitlichen vnnd Göttlichen Segen / thut auch nichts zu diesem
Streit vön der Erbsünde. Dan̅ dieser Vnderscheid bleibet wol / vnd
ist auch für sich recht vnd gut / erweiset aber das nicht / daruon der Streit
ist / nem̅lich daß die verderbte Natur ohne allen Vnderscheid die
Erbsünde selbst sey. Man fraget nicht / ob ein Vnderscheid sey zwischen
zeitlichem vnnd ewigem Segen / sondern das ist die propositio, welche sie
erweisen sollen / das nemblich die verderbte Natur ohne allen Vnderscheid die
|| [99]
Erbsünde selbst sey / da
gehöret viel ein ander Beweiß zu / als dieser ist.
Eine grausame vnverschampte Vnwarheit ist es / daß wir lehren(Pp. 2. fa. 2.) solten / daß der Mensch auch
spiritualiter eine gute Geistliche Creatur Gottes sey. Solches können sie
nimmermehr auß dem Concordi Buch darthun / vnd sey jhnen diß Falls Trutz
gebotten. Dann vnser Lehre ist / ob wol der Mensch / so viel sein Natur belanget
/ Gottes Creatur sey / so sey er aber doch / was geistliche Sachen anbelangt /
zum Guten erstorben / sey fleischlich / vnder die Sünde verkaufft / sey dem
Geist GOttes nicht vnderthan / halte GOttes Sachen für eine Thorheit / vnnd tüge
nichts vberal in geistlichen Sachen / es sey dann / daß er zuvor wider oder
newgeboren werde. Gott der gerechte Richter / wirdt sie mit solchen jhren
Vnwarheiten wol finden / wann sie nicht Busse thun.
Betreffendt den Spruch Pauli / Roman. 7. Ich befinde ein ander Gesetz in meinen
Gliedern / etc. vermeynet das Gegentheil damit zu eludieren / daß Paulus da von
sich / als einem newgebornen rede / etc. Sonsten aber sage die Schrifft nirgends
/ daß allein ein accidens am Menschen / der nicht widergeboren ist / solte Sünde
seyn / deß Menschen Natur vnd Wesen aber soll nicht Sünde oder Erbsunde seyn /
etc. Es bedarff aber nicht viel Wort. Dann Sünde ist Sünde / sie sey in
Widergebornen oder Vnwidergebornen / vnd macht die Widergeburt kein Vnderscheidt
der Sünde an vnnd für sich selbst / daß sie nem̅lich eine andere
Sünde in Widergebornen / ein andere aber in vnwidergebornen Menschen sey. Als
solchs auch Lutherus contra Latomum, Tom. 2. Ienensi, pag. 426. mit diesen
Worten bezeugt: Nihil differt peccatum à seipso, secundùm naturam suam, ante
gratiam & post gratiam, differt verò à sui tractatu, aliter enim nunc
tractatur, quàm antea. Antea tractabatur, vt esset & cognosceretur, &
obrueret nos, nunc tractatur, vt non sit, & eijciatur. Das ist / Die Sünde
kan von jhr selbs nicht vnderschieden werden nach jhrer Natur / es sey gleich
vor der
|| [ID00210]
Gnade oder nach der Gnade /
es ist aber der Sünden halben ein Vnterscheid / nach dem sie gehalten wird. Dann
sie wirt jetzo anders gehalten / dan̅ zuvor. Zuvor wurd sie also
gehalten / daß sie were vnd erkandt würde / vnnd vns hart drückete / jetzt wirdt
sie also gehalten / daß sie nicht sey vnd außgetrieben werde. Wie nuhn die
Erbsünde / so noch vbrig in Paulo vnd allen Widergebornen / nicht ist seine
verderbte Natur selbst / sondern wohnet in derselben / vnnd streittet noch wider
das Gesetz seines Gemühts: Also ist sie auch in den Vnwidergebornen nicht die
verderbte Natur selbst / sondern wohnet vnd herrschet in derselben. Darinnen
aber stehet der Vnderscheit / daß Paulo die Sünde vergeben ist / vnnd daß sie
duch den Heiligen Geist gedempfft ist / vnnd nicht mehr in jhme oder seinen
Gliedern die Herrschafft hat / ob sie wol noch widerstrebet / sintemal Paulus
durch den Geist die Werck deß Fleisches tödtet / Roman. 8. vnnd den alten Adam
sampt seinen Lüsten vnnd Begirden ereutziget. Galat. 5. Welches alles in
vnwidergebornen Menschen nicht ist auch nicht geschicht. Dann demselbigen ist
die Sünde nicht vergeben / das Pflaster ist nicht auff die Wunden gelegt / wie
Lutherus Psalm. 32. sagt: Sondern sie stehet noch offen vnd ist vnverbunden. So
hat der Vnwidergeborne auch den Heiligen Geist nicht / dadurch er der Sünden /
in seinen Gliedern streitend / köndte widerstreben.
Fürs ander wissen wir wol / daß die Schrifft nicht also bloß redet / daß allein
ein Accidens oder Zufall im Menschen Sünde sey / die Natur aber vnverderbet sey
/ wie wir dann auch nicht also reden oder lehren: Sintemal es offenbar / daß die
Schrifft nicht einen blossen Zufall im Menschen anklagt / sonder die gantze
Menschliche Natur von wegen vnd vmb der Sünden willen / damit sie verderbt ist /
beschüldiget vnd deutlich anzeigt / daß die gantze Natur verderbt vnnd böse sey.
Aber dannoch lehret sie nicht mit diesen Schwärmern / daß die verderbte Natur
darumb ohn allen Vnderscheidt die Sünde selbst sey. Dann viel ein anders ist /
lehren /
|| [100]
die gantze Natur sey
durch die Sünde verderbt / vnd die verderbte Natur sey die Sünde selbst.
Die Theilung auch / da die Schrifft den Menschen in Geist vnnd Fleisch abtheilet
/ oder in einen alten vnd newen Menschen /(P. p. iij.
fac. 1.) bringet keines Wegs mit sich / wie das Gegentheil fürgibt /
daß die verderbte Natur die Erbsünde selbst sey / oder aber / daß in Paulo oder
einem andern newgebornen Menschen zweyerley wesentliche Form oder Bildtnüß seyn
/ wie Illyricus vnnd sein Hauff schwärmet.
Dann Fleisch heisset der gantze Mensch mit Leib vnd Seele / so ferrn er nicht
widergeborn ist. Geist heist er / so ferrn er newgeboren ist / Glauben / newe
Kräfften / new Liecht vnnd Leben hat / so er vor der Widergeburt nicht gehabt
hat. Vnnd solcher Gestallt ist der einige Paulus Fleisch vnd Geist. Fleisch oder
fleischlich / so ferrn jhm noch die Sünde anhanget vnnd sich in seinem Hertzen
vnd Fleische reget: Geist oder Geistlich / so ferrn er durch den Heiligen Geist
vnd Glauben der Sünden abgestorben / den bösen Lüsten deß Fleisches widerstrebt
/ vnnd dieselbigen tödtet. Mit was Grundt kan aber darauß geschlossen werden /
daß die verderbte Natur die Erbsünde selbst sey? Vnd wie reymet sich doch:
Fleisch oder fleischlich heisset der gantze Mensch mit Leib vn̅
Seel / so ferrn er nicht widergeborn ist: Derwegen so ist die verderbte Natur
ohne allen Vnderscheid die Erbsünde selbst? Es verstehet ja menniglich / daß
solchs im geringsten nicht folge.
Eben also verhält sichs auch mit den Worten / alter vnnd newer Mensch / da das
Wort / alter Mensch / abermals heist den gantzen Menschen / wie er ist durch die
Sünde verderbt / vom Teuffel (als D. Lutherus in der Kirchen Postill Dominica
19. Trinitatis, vber die Epistel Ephes. 4. recht schreibet) verblendet vnd
verderbet an der Seele / also / daß er Gott nicht vor Augen hat / noch jm
|| [ID00212]
vertrawet / ja er fragt gar nichts
nach Gott / geht dahin on alle Sorgen vor seinem Gericht / ob er gleich auch mit
dem Munde von Gottes Wort vnd dem Euangelio rühmet / aber doch mit der That
bleibt allerding wie zuvor / etc. vnnd begreifft zu gleich die verderbte Natur
vnd die Verderbung / so in der Natur ist vnd auß der Natur nicht gäntzlich
außgetilget wirdt / weil der Mensch lebet. Der newe Mensch heist abermals der
gantze Mensch mit Leib vnd Seele / so ferrn er durch den Heiligen Geist
newgeboren / durch den Glauben vernewert ist / newe Kräfften / Liecht vnd Leben
hat. Darauß ja jederman verstehet / daß ein anders sey die alte Verderbung vnd
von Adam angeborne Boßheit in der Natur / vnnd ein anders die verderbte Natur
selbst / wie darvon droben weitläufftiger berichtet worden.
Vnd was darffs viel Wort / D. Lutherus / auff den sichs Gegentheil (In Comment. Epistolae ad Ga
latas.) für vnd für beruffen thut / schreibet selbst / Tomo 1.
latino Ienensi, pag. 447. daß der alte vnnd newe Mensch nicht zu vnderscheiden
sindt nach der Substantz oder Wesen / sondern qualitatis diuersitate, das ist /
nach der alten oder newen Art / die sie an sich haben. Seine Wort lauten also:
Sicut carnem sauciam aut morbosam vtrumque appello, sanam & morbidam (neque
enim vlla est tota morbus) quae in quantum incipit sanari & sana est,
sanitas vocatur, vbi verò vulnus aut morbus reliquus est, morbus vocatur: Atque
vt morbus seu vulnus reliquam sanam carnem impedit, ne perfectè faceret, quod
caro sana faceret: Ita idem homo, eadem anima, idem spiritus hominis, quia
affectu carnis mixtus & sauciatus est, quatenus sapit quae Dei sunt,
spiritus est, quatenus carnis mouetur illecebris, caro est, quibus si consentit,
totus caro est, vt Genes. 6. dicitur: Rursum si consentit totus legi, totus
spiritus est, quod fiet, quando corpus erit spirituale. Non ergo duo isti
homines diuersi imaginandi sunt, sed velut crepusculum matutinum, quod neque
dies neque nox est, vtrunque tamen dici potest, &c. Das ist / Wie ich ein
wundt oder kranck Fleisch beyde
|| [101]
gesundt vnd kranck nenne / dann es ist nimmer gantz die Kranckheit selbst /
sondern so ferrne es anfängt gesundt zu werden / vnnd gesundt ist / heist mans
Gesundtheit / da aber noch ein Wunde oder Kranckheit verhanden / heist mans
Kranckheit / vnnd wie die Kranckheit oder Wunde das ander gesundt Fleisch
hindert / daß es nicht recht vnd vollkömmenlich thun kan / das sonst ein
gesundes Fleisch thete / Also hält sichs auch mit dem einigen gantzen Menschen
vnnd deß Menschen Seele vnd Geist / dann dieweil er mit den Begirden deß
Fleisches vergifftet vnd verwundet ist / so ist er / so ferrne er die Ding
vernimpt vnd hält / die Gottes sindt / Geist / so ferrne er aber durch deß
Fleisches Lüste getrieben wirdt / ist er Fleisch / wann er dann darinn
bewilliget / so ist er gantz Fleisch / wie er Genes. 6. genennet wirt / Hergegen
wann er durchauß dem Gesetz gleichförmig ist / so wirdt der gantze Mensch Geist
genennet / welches geschehen wirdt / wann der Leib geistlich wirdt seyn. So soll
man nuhn nicht zween vnderschiedene Menschen dichten / sondern wie der
anbrechende Tag / weder Tag noch Nacht ist / vnd doch beydes kan genennet werden
/ etc. Et pag. 448. Homo interior & exterior, seu nouus & vetus, non
distinguuntur iuxta differentiam animae & corporis, sed iuxta affectus. Das
ist / Der inwendige oder außwendige / oder newe vnd alte Mensch / werden nicht
vnderschieden nach dem Vnderschied deß Leibs vnd der Seelen / sondern nach der
guten vnd bösen Art / die der Mensch an jhme hat.
Vnangesehen / daß diese Wort deß Gegentheils Schwarm̅ in Grundt
vmbstossen / noch dürffen sie Lutherum für sich anziehen.
Also erkläret auch Irenaeus lib. 5. solchen Vnderscheidt / da er spricht: Abluti
sumus non Substantiam corporis, neque imaginem plasmatis, sed pristinam
voluntatis conuersationem. Das ist / Wir sindt abgewaschen nicht von der
Substantz oder Wesen vnsers Leibs / als eines Geschöpffs / etc. sondern von der
Eytelkeit deß vorigen Wandels. Deßgleichen Augustinus lib. 2. con
|| [ID00214]
tra Faustum Manichaeum. Item,
Tractatu 41. in Iohan. Darvmb es eine grewliche Lästerung ist / daß Illyricus
vnd sein Hauffe dichten / daß der Apostel lehre / es seyen zween vnderschiedene
Menschen in einem Menschen / vnnd das noch mehr ist / esse in homine duas
diuersas substantiales formas animae, Das ist / Es seyn zwo vnderschiedene
wesentliche Form oder Bilde der Seelen im Menschen. Dann wo das wahr were / so
müsten in einem jeglichen widergebornen Menschen / auch zween vnderschiedliche
Leibe seyn. Sintemal wo zwo Seelen sindt / da müssen auch zween Leibe seyn.
Dieweil der alte vnd newe Mensch nicht alleine die Seele oder den Leib
begreiffen / sondern den gantzen Menschen mit Leib vnd Seele / sampt allen
Kräfften / so ferrn er entweder nit widergeboren / oder widergeboren ist / da
wolte nun erst ein schöne Theologia auß werden.
(Pp. iiij. fac. 1.)
IIII. Vnderstehet sich das Gegentheil Augustinum auff seine Seite zu ziehen / da
er doch stracks wider sie lehret / daß die Erbsünde ein zufälliger Schade / vnnd
nicht die Natur oder Wesen deß Menschen selbst sey.
Vnd erstlich gibt es für / ob wol Augustinus der Manicheer Lehre von der Sünde
verdamme / So verwerffe er aber an keinem Ohrt diese Lehre / die Erbsünde ist
deß Menschen verderbte Natur vnd Wesen.
Wir wöllen erst von Augustini Meynung kurtzen Bericht thun / nachmals auff die
Zeugnisse / so sie auß Augustino führen / gründtlich antworten.
Daß Augustinus Illyrici Lehre / wie er sie anfänglich in diesem Streit geführet /
daß nem̅lich die Erbsünde ein Substantz sey / verworffen habe /
ist droben in Widerlegung deß andern Puncts erwiesen / wöllen aber dieses Ohrts
mit mehr Zeugnissen auß Augustino darthun.
Contra Secundinum, cap. 12. schreibt Augustinus: Certè omnis inter nos discretio
est, quod vos substantiam quandam malu̅ esse dicitis, nos verò non
substantiam. Es ist ja aller Streit
|| [102]
zwischen vns / daß jhr Manicheer lehret / daß das böse ein
Substantz oď Wesen sey / wir aber lehre̅ / daß es keine Substantz
oď Wesen sey.
Weil nun Illyricus gelehret / daß die Erbsünde ein Substantz sey / darvon
Augustinus das Gegenspiel lehret / so ists ja vnzweiffelhafftig / daß er
Illirici Lehre verworffen / dann er spricht außtrücklich es sey keine
Substantz.
Item, lib. 7. Confession. Malum illud, quod quaerebam, non est substantia. Et
cap. 16. Quaesiui, quid esset iniquitas, & non inueni substantiam. Was köndt
klärer wider Illyrici Gedicht von der Substantz gesagt werden / als eben
dieses?
De vera religi. cap. 19. Nunquam fieri potest, vt vlla substantia malum sit,
Darauß abermal erscheinet / daß Augustin. Illyrici Lehr von der Erbsünde / daß
die ein Substantz sey / verworffen habe.
Also / daß Augustin. auch Irenęi, Spangenbergs vn̅ der andern Lehre
/ welche de̅ statu̅ etwas inuertiert / vn̅ streite̅ jetziger Zeit / die verderbte Natur sey
one einige̅ Vnderscheid die Erbsünde selbst / etc. verworffen /
vn̅ als falsch vnd jrrig verdampt habe / ist gleicher Gestallt
außseinen Sprüchen klar / wöllen derselben nur etliche hieher setzen.
August. de natura boni, aduersus Manich. cap. 4. Proinde cum quaeritur, vnde sit
malum, prius quaerendum est, quid sit malum, quod nihil aliud est, quàm
corruptio: Mala itaque natura corrupta dicitur. Ist nu das böse oder die Sünde
nichts anders / als die Verderbung / die Verderbung aber ist keine Natur oder
Wesen / so ist es ja Augustini Lehre nach nicht wahr / daß die verderbte Natur
die Erbsünde selbst sey. Dann von der bösen Natur wirdt wol gesagt / daß sie
verderbt sey / daß sie aber die Verderbung selbst sey / vnd daß zwischen der
Natur vnd Verderbung kein Vnderscheidt sey / das werden sie auß Augustini
Schrifften nimmermehr beweysen.
Contra Epist. fundamenti, cap. 35. Nulla vtique natura malum est. Das ist / Keine
Natur ist das böse / Ist nun keine Natur das böse selbst / so muß es ja
Augustini Lehre nach falsch sein / daß die verderbte Natur die Erbsünde selbst
sey / sintemal dieselbige ja eine Natur ist.
|| [ID00216]
Libro 11. de ciuitate DEI, cap. 9. Mali nulla natura est, Deß bösen ist keine
Natur. Ist nun deß bösen oder der Sünde keine Natur / so kans ja / nach
Augustini Lehr / nicht wahr seyn / daß die verderbte Natur deß Menschen die
Sünde selbst sey.
De fide contra Manichaeos, cap. 9. Malum non potest esse natura nec substantia,
necvita, quia haecbonum sunt, in quantum sunt. Das ist / Das böse oder die Sünde
/ kan keine Natur oder Wesen / oder Leben seyn / dann diese Ding sindt gut / so
ferrn als sie sindt oder bestehen. Darauß abermals vnwidersprechlich folget /
daß die verderbte Natur die Sünde oder das böse selbst nicht sey / dann so ferrn
sie ist vnd bestehet / ist sie das böse oder die Sünde selbst nicht / sondern
Gottes Werck.
De vera religione, cap. 23. spricht er: Vitium animae non est natura eius. Der
Mangel oder Gebrechen der Seelen ist nicht der Seelen Natur oder Wesen. Ergo, so
verwirfft ja Augustinus diese falsche Meynung / daß die verderbte Natur oder
Seele die Erbsünde selbst sey.
Lib. 2. Hypognost. Cum peccauit homo, natura peccauit. & facta est natura iam
peccatrix, id est, vitium habens peccati, non ipsa effecta vitium vel peccatum.
Da der Mensch gesündiget / hat die Natur gesündiget / vnnd ist die Natur
sündtlich worden / das ist / sie hat den Schaden der Sünden / sie ist aber nicht
der Schaden oder die Sünde selbst worden. Mit welchen Worten er abermals klar
verwirfft / daß die verderbte Natur die Sünde selbst sey.
Vnd ibidem: Semen ergo vitiatum est, non vitium. Der Same ist sündig oder
verderbt / ist aber nicht die Sünde oder die Verderbung selbst.
Vnnd de vera religione, cap. 45. Homo, etsi habet vitia, non tamen est ipse
vitium, Der Mensch / ob er wol Schaden vnnd Gebrechen an sich hat: So ist er
aber doch der Schade oder Gebrechen selbst nicht.
|| [103]
Lib. 2. de moribus Manichaeorum cap. 5. Corruptio non est in seipsa, sed in
aliqua substantia, qua̅ corrupit. Non enim substantia est
corruptio. Ea igitur res, quam corrupit corruptio, non est malum. Die Verderbung
ist nicht in jhr selbst / sondern ist in einer Substantz / welche sie verderbt
hat. Darumb ist das Ding / so durch die Verderbung verderbt ist / nicht das Böse
oder die Sünde selbst. In welchen Sprüchen abermals verdampt ist / daß die
verderbte Natur die Sünde oder Verderbung selbst seyn solle. Dieser Zeugnüssen
köndten wir auß Augustino viel mehr einführen / wann diese Schrifft nicht gar zu
weitleufftig hiedurch gemacht. Vnnd zwar es kan der Christliche Leser auß den
oberzelten gnugsam vernemmen / was Augustinus von Irenaej / Spangenbergs vnd
jhrer Rottgesellen Lehre / daß die verderbte Natur die Sünde selbst sey / etc.
gehalten habe.
So viel die Testimonia Augustini anlangt / welche sie einführen / streiten wider
sie selbst / geschweige / daß sie jhre Meynung gut machen oder bestettigen
solten.
Denn Augustini Wort contra Secundinum cap. 12. Die(Pp.
iiij. fac. 1. vnnd hernach.) Sünde ist nicht ein Wesen an jhm selbst /
sondern wann etwas nicht bleibet / das es ist / etc. stösset jhr gantz Gebäw zu
Grunde. Dann ist die Sünde kein Wesen / vnd aber bekannt / daß die verderbte
Natur ein Wesen ist / so kan ja die verderbte Natur die Sünde selbst nicht
seyn.
Deß Menschen Wesen oder Natur ist nicht geblieben / wie sie war. Ergo so ist es
die Sünde selbst? Antwort. Sie ist nicht geblieben wie sie war / sondern ist
verderbt / sündig vnnd vnrein worden / aber die Sünde selbst nit. Dann sonst
müste die Sünde ein Wesen seyn / welchs Augustin. verneint / weil die verderbte
Natur ein Wesen ist.
Also / daß Augustinus spricht / der Mensch sey Geistlich gestorben / etc.
gestehen wir mit Augustino / aber darauß folgt nicht / daß die verderbte Natur
die Erbsünde selbst sey. Dann Geistlich gestorben seyn / Fleischlich worden seyn
/ durch die Sünde verderbt seyn /
|| [ID00218]
vnd
die Erbsünde selbst seyn / sind / wie nun offt erwiesen / vnderschiedene
Ding.
Item / contra Iulian. lib. 3. cap. 26. Deß Menschen Natur ist gantz verkehrt vnd
böse worden / auß welcher die Erbsünde auffgeerbt wirdt / ist recht geredt. Aber
wie schleust sich darauß / Ergo, so ist deß Menschen verkehrte Natur die
Erbsünde selbst worden? Gantz verkehret vnd böse worden seyn / vnd die Erbsünde
selbst worden seyn / sind vnderschiedene Sachen.
Diese Gestallt hat es auch mit den andern Sprüchen Augustini / welche das
Gegentheil dieses Orts einführet / daß sie nem̅lich die
jämmerliche Verderbung der Menschlichen Natur beschreiben / die wir auch mit S.
Augustino lehren vnd bekennen. Daß aber in derselben einen / auch mit einigem
Wörtlein stehen solte / daß die verderbte Natur / ohne allen Vnderscheid / die
Erbsünde selbst were (wie das Gegentheil schwärmet) das werden sie weder auß
diesen noch andern Sprüchen Augustini zu ewigen Zeiten darthun. Vnd beruffen vns
dißfalls auff das Vrtheil deß Christlichen vnnd Verständigen Lesers / dem
Augustini Schrifften bekandt seyn.
Sie sollen beweisen auß Augustino / daß er gelehret / daß die verderbte Natur /
ohn allen Vnderscheid / die Sünde selbst sey / so führen sie Sprüche auß
Augustino / darinnen er lehret / daß die Natur verderbt sey. Wie nun das
beweisen heisse / vrtheile der Christliche Leser.
Auff den Spruch: Totus homo est peccatum, ist bißher vielfältig geantwortet /
vnnötig zu wider holen. Der gantze Mensch ist Sünde / das ist / sündig / vnrein
vnd verderbt / aber nicht die Sünde selbst / dann dieses widerspricht
Augustinus: als wir gehöret haben in allen seynen Büchern.
Daß Augustinus die Erbsünde ein malum Accidens heisse / oder einen bösen Zufall
in der Natur deß Menschen / ist auß vielen seinen Sprüchen hell vnnd klar /
derer etliche wir droben in Wi
|| [104]
derlegung deß andern Puncts eingefüret / wöllen hie noch
einen oder zwen setzen.
Hypognosticon lib, 4. Cognoui concupiscentiam non naturale bonum, sed per
peccatum accidens esse malum.
Contra 2. Epistolas Pelag. ad Bonifacium lib. 2. cap. 2. Manichaei carnis
concupiscentiam non tanquam accidens vitium, sed tanquam naturam ab aeternitate
malam vituperant. Pelagiani eam, tanquam nullum vitium sed naturale sit bonum,
in super laudant, Catholica vtrosque redarguit.
Da spricht Augustinus deutlich / daß die Manicheer derwewegen verdampt sindt /
daß sie verleugnet / daß die Lust deß Fleisches ein böser Zufall sey. Nun hat er
aber durch die Lust deß Fleisches die Erbsünde verstanden / den̅
die Pelagianer lobten nicht die wircklichen Sünde: sondern die Lüste vnd
Neygungen zum bösen hiessen sie ein natürlich gut / vnd verneinten die Erbsünde
durchauß. Auß welchen klar zu sehen ist / daß die Manicheer verleugnet haben /
daß die Erbsünde ein Accidens oder böser Zufall in der Natur sey.
Betreffendt die Wort Augustini lib. 6. contra Iulian. cap. 7. Da er schreibt: Hoc
quippe, vnde nunc agimus, quod nobis resistere sentimus in nobis, aut aliena est
natura separanda, aut nostra sananda. Si alienam dicimus separandam, Manichaeis
fauemus. Fateamur ergo nostram esse sanandam, vt Manichaeos simul Pelagianosque
vitemus. Das ist / das jenige / daher wir nun wircken / vnnd das wir empfinden
das vns widerstrebet / ist entweder eine frem̅de Natur von vns
zuscheiden / oder vnsere zu heilen. Sagen wir / daß es eine frem̅de Natur sey von vns zuscheiden / so halten wirs mit den Manichern. Darumb
last vns bekennen / daß es vnsere zu heilen sey / damit wir zugleich die
Manicheer vnd Pelagianer vermeiden / etc. bestätigen deß Gegentheils Schwarmb /
daß die verderbte Natur die Sünde selbst sey / im wenigsten nicht.
|| [ID00220]
Ist auch Augustino nie in Sinn kommen / daß er mit diesen Schwärmern schwärmen
wolt / die verderbte Natur sey ohn allen Vnderscheid die Erbsünde selbst / dann
erstlich / bald im Anfang gemeltes Capitels sprichter: Ego ipsum vitium, quo
animus vel vlla pars eius isto modo vitiosa est, libidinem dico, vt omni vitio
sanato, salva sit tota substantia. Ich / spricht er / sage / daß der Gebreche
selbst / damit das Gemüt oder die Seel / oder ein Stück derselben auff die Weise
beschmitzet oder verderbet ist / sey die böse Lust / auff daß / wenn alle
Gebrechen geheilet oder abgethan seyn / die gantze Substantz deß Gemüts oder der
Seelen vberbleibe. Welche Wort klar bezeugen / daß Augustinus mit nichten
gehalten / daß die verderbte Seele die Sündeselbst sey / sondern viel mehr / daß
sie ein Gebrechen in der Seelen sey / vn̅ daß / wan̅
solcher Gebreche abgethan / die gantze Substantz der Seelen vberbleibe vnd selig
werde. Wann nun Augustinus gelehret hette / daß die verderbte Natur oder Seele
die Sünde selbst were / so hette er nicht schreiben können oder dürffen / daß
sie ein Gebrechen in der Seele were / vnd daß / wann solcher Gebrechen von der
Seelen hinweg gethan / die gantze Substantz der Seelen vberbliebe. Dan̅ die Sünde oder der Gebrechen wirdt weggethan. Da nun sein
Meynung gewest / daß die verderbte Seele die Sünde selbst were / könte es nicht
heissen: Der Gebrechen wirdt abgethan vnd bleibet die gantze Substantz der
Seelen: sondern es müste heissen: Die verderbte Substantz der Seelen selbst wirt
abgethan vnd bleibet nichts daruon vbrig.
Zum andern schreibt er in eodem capite, Ego tanquam valetudinem malam ex origine
vitiata ingenitu̅ esse homini dico vitiu̅, quo caro
concupiscit aduersus spiritum. Ich sage / daß dem Menschen der Schade oder
Gebrechen / dadurch das Fleisch wider den Geist gelüstet / auß der verderbte̅ Natur / gleich als eine böse Kranckheit oder Seuche angeboren
sey / etc. Dieses köndte auch nicht bestehen / wann er gelehret / daß die
verderbte Natur die Erbsünde selbst were / dann eine böse Kranckheit oder Seuche
/ vnnd dem Menschen
|| [105]
angeboren
seyn / vnd die verderbte Natur selbst seyn / sind von einander vnderscheiden.
Die Erbseuche nennet Augustinus eine angeborne Kranckheit oder Seuche am
Menschen. Darum̅ kan ja / Augustini Meynung nach / die verderbte
Natur die Erbseuche oder Erbkranckheit selbst nicht seyn.
Zum dritten / nennet er die Erbsünde in diesem Capitel Qualitatem, da er spricht:
Ego nominaui qualitatem, dicens, non substantialiter manere concupiscentiam,
sicut corpus aliquod, aut spiritum, sed esse adfectionem quandam malae
qualitatis, sicut est languor, &c. Ich habe die Sünde oder Lust eine
Qualitet genannt oder eine Vnart / vnnd gesagt / daß sie nicht wesentlich bleibe
/ gleich als etwas / das eine̅ Leib hat / oder als ein Geist /
sondern daß sie sey eine böse Qualitet oder Vnart / vnd gleich wie eine
Kranckheit im Menschen / etc. Wo nun Augustinus gelehret / daß die verderbte
Natur die Sünde selbst were / hette er sie keine böse Qualitet oď Vnart nenne̅ kön̅en / noch viel weniger aber mit einer
Kranckheit oder Seuche / die im Menschen ist / vergleichen können. Also da
Augustini Meynung gewest / daß die verderbte Natur die Sünde selbst / hette er
nicht verneinen dürffen / daß sie ein Leib oder Geist were. Dann offenbar ist /
daß die verderbte Natur ein Leib / Substantz oder Wesen sey. So ist ja die
verderbte Seele auch ein Geist / Geistliche Substantz oder Wesen.
Zum vierdten / sonennt er auß dem 103. Psalm die Sünde im Menschen einen
Gebrechen / vnd spricht / daß derselbige geheilet werde durch Vergebung der
Sünden. Da nun sein Meynung gewest / daß die verderbte Natur die Sünde selbst
were / so hette er die Sünde nicht können einen Gebrechen heissen. Dan̅ Gebrechen vn̅ verderbte Natur sind lange nicht ein
Ding / hette auch nicht können schreiben / daß solcher Gebrechen im Menschen
durch Vergebung der Sünden geheilet würde: Sondern hette müssen schreiben / daß
die Erbsünde selbst geheilet würde vnd nicht der Mensch. Item / daß
|| [ID00222]
der Erbsünde selbst die Sünde
vergeben würden vnnd nicht dem Menschen. Derenaber hat er keines gethan.
Zum fünfften / so viel nun die angezogene Wort selbst betrifft / vnderscheiden
sie klar zwischen der Sünde / die auch noch in den Gläubigen geschefftig ist vnd
streittet / vnnd zwischen den Gläubigen selbst. Dann Augustinus spricht klar /
daß etwas in den Gläubigen wider sie streite / darauß vnwidersprechlich folgt /
daß die verderbte Natur vnnd die Sünde selbst nicht einerley seyn / dann sonst
würden sie nicht widereinander streitten.
Die Wort (nostra sananda, vnsere Natur / so zu heilen) bedeuten Augustino keines
Weges so viel / wie diese Schwärmer wöllen / als: Die verderbte Natur ist die
Sünde selbst. Dann sonst könte es nicht heissen: natura sananda, eine Natur /
die zu heilen ist / sondern müste heissen: Eine Natur / die zu vertilgen ist.
Dann die Erbsünde selbst wirdt nicht geheilet / daß sie bleibe / sondern wirdt
außgetilget auß dem Menschen / daß die gantze Substantz der Menschlichen Natur
oder der Seelen / wie Augustinus redet / vberbleibe vnnd selig werde: sondern
das ist Augustini Meynung / daß vnsere durch die Sünde verderbte Natur / welche
die Pelagianer nicht wolten verderbt seyn lassen / sondern für rein vnnd gut
hielten / solle von der Sünde geheilet werden / oder sie solle von der Sünde
gereiniget werden / auff daß sie gantz bleibe vnd ewig selig werde. Vnd kan das
similiter cadens, wie mans in Schulen heißt (welche Figur Augustino sehr gemein)
aliena separanda, aut nostra sananda, die gantze Lehr Augustini von der Erbsünde
nicht auffheben vnnd erzwingen / daß Augustinus beydes in diesem Capitel vnnd
sonst durchauß in allen seinen Schrifften wider sich selbst sey / sondern es muß
diesen Verstandt haben / daß wir wider die Pelagianer halten müssen / daß vnsere
Natur nach dem Fall nicht rein / gut vnnd ohne Erbsünde sey / als die Pelagianer
|| [106]
lehreten: sondern sündig
/ vnrein vnd böse sey / vnd derwegen von solcher Sünde zu heilen oder zu
reynigen sey / wo vns Menschen anderst soll geholffen werden.
Letzlich ist auch der Betrug wol zu mercken / welchen das Gegentheil hie in der
Version gebrauchet hat / dann es setzet folgende Wort als Augustini: Wir müssen
solchs bekennen / daß nemblich das Böse oder Erbsünde vnsere verderbte Natur
selbst sey / etc. So doch im Augustino dieselbigen Wort gar nicht stehen. Dann
also lauten seine Wort: Fateamur ergo nostram esse sanandam, vt Manichaeos simul
Pelagianosque vitemus. Das ist: Laßt vns bekennen daß vnsere Natur zu heylen
sey. Wer ist aber so vnuerständig / der nicht sihet / daß ein grosser
Vnderscheid ist vnter Augustini Worten / der nur bloß sagt vnser (verstehe
Natur) sey zu heylen / Vnnd deß Gegentheils Version: Wir müssen bekennen / daß
nem̅lich das Böse oder Erbsünde vnfere verderbte Natur selbst
sey / etc. Welcher Wort Augustinus keins hat / sondern vom Gegentheil zu jhrem
Vortheil Augustino angedichtet vnd zugeschrieben werden. Darff jhm derwegen das
Gegentheil nicht in Sinn nehmen / daß es mit solcher Verfälschung der Wort
Augustini seine böse Sach erhalten vnd fortsetzen werde.
Daß Augustinus mit der Schrifft den Menschen Finsternüß heißt / nehmen wir gern
an / aber das beweist noch nicht / daß zwischen der verderbten Natur vnd
zwischen der Erbsünde selbst gantz vnd gar kein Vnderscheid sey. Die Schrifft
vnd Augustinus heissen den Menschen Finsternüß / dieweil seine Vernunfft oder
Verstandt in Göttlichen Geistlichen Sachen gar verfinstert / vnnd das Liecht der
wahren / heilsamen vnnd seligmachenden Erkändtnüß Gottes / in jhme gantz vnd gar
verloschen ist / sagen aber darumb nicht / daß die verderbte Natur deß Menschen
oder die Seele die Finsternüß vnd Erbsünde selbst sey.
Also daß Augustinus den Menschen einen Sathan nennet /
|| [ID00224]
wann er ausser Gottes Gnade
betrachtet wirdt / erweiset auch nicht / daß er wesentlich oder seiner Natur
nach ein Sathan sey / sondern daß er / ausser Gottes Gnade vnd Glauben an
Christum betrachtet / verderbt vnnd Gottes Widerwertiger sey / das heißt aber
nicht die Erbsünde selbst seyn.
Augustini Beicht Soliloq. cap. 2. Ich bin vor dir ein stinckendt Aaß / etc. thut
auch nichts zu dieser Sach / da sie bewei sen sollen oder wollen / daß die Sünde
kein böser Zufall im Menschen / sondern ohne allen Vnderscheid die verderbte
Natur selbst sey.
Daß auch Augustinus Gott alles / vnnd dem Menschen nichts zueignet in Geistlichen
Sachen / ist recht vnnd gut. Es machet aber solchs deß verderbten Menschen Natur
drumb nicht zur Erbsünde selbst / dann weit ein anders ist / Gott alles / vnd
dem Menschen in Geistlichen Sachen nichts zueygnen / vnd mit jnen schwärmen /
die verderbte Natur sey ohne allen Vnderscheid die Erbsünde selbst.
Bleibt also wahr / daß Augustinus diese Lehre / daß die verderbte Natur ohne
allen Vnderscheid die Erbsünde selbst sey / verdam̅t vnd
verworffen habe / Hergegen aber die Lehre deß Concordi-Buchs von der Erbsünde /
daß sie ein böser Zufall vnd Verderbung Menschlicher Natur sey / gebilliget
habe.
Nochmals vnderfehet sich das Gegentheil zubeweisen / daß / ob wol Augustinus die
Sünde ein Accidens oder bösen Zufall genannt / so habe er doch solchs deactuali
peccato, das ist / von der wircklichen Sünde verstanden / Ist Illyrici sein
Schmierwerck / das aber im Grunde den Stich nicht hält. Dann daß er die Erbsünde
selbst ein Accidens geheissen / haben wir kurtz zuuor außführlich dargethan.
Wöllen aber etliche seiner Sprüch noch einmal besehen.
Augustinus lib. 4. Hipognosticon: Quam Apostolus legem, hoc est, malam
consuetudinem nominat, & esse dicit in mem
|| [107]
bris contrariam legi
mentis, neobediatur legi Dei. Welche der Apostel / Roman. 7. ein Gesetz / das
ist / ein böse Gewonheit nennet / vnd spricht / daß sie sey in den Gliedern /
vnnd widerstrebe dem Gesetz deß Gemühtes / daß man Gottes Gesetz nicht Gehorsam
leiste / etc. Hie berichten vns die Schwärmer / ob das Gesetze in den Gliedern.
Rom. 7. darvon der Apostel redet / eine wirckliche Sünde sey oder die Erbsünde
selbst. Sie müssen aber sagen / daß es die Erbsünde vnd keine wirckliche Sünde
sey.
Nuhn schreibt Augustinus ferrner an gemeldtem Ohrt: Audite ergo, quanta sit
iniquitas huius mali, quidue hinc homo patiatur infirmus, Apostolo dicente &
disputante inter caetera: Nam concupiscentiam, inquit, nesciebam, nisi lex
diceret: Non concupisces. Non dixit, concupiscentiam non habebam, sed nesciebam
quid? vtrum malum esset. Habebam igitur, sed tanquam naturale bonum esse
credebam, cum autem lex diceret: Non concupisces, cognoui non naturale bonum,
sed per peccatum Accidens esse malum concupiscentiam. Das ist / Vernemmet doch /
was für ein Vngerechtigkeit vmb dieses Vbel sey / vnd was doch der arme elende
Mensch darüber leiden muß / wie solches der Apostel Paulus selbst vnder andern
erkläret / da er spricht: Ich wuste nicht / daß die Lust Sünde were / wo nicht
das Gesetz gesagt hette: Laß dich nicht gelüsten. Er sagt nicht / ich hatte
keine Lust / sondern ich wuste nicht / daß sie böse were / So hatte ich nuhn wol
die Lust / ich dachte aber / sie were ein natürlich Gut. Da aber das Gesetz
sagt: Laß dich nicht gelüsten / da erkandte ich erst / daß die Lust nicht ein
natürlich Gut / sondern von wegen der Sünde ein böser Zufall were. Das ist ja
ein klarer Spruch / in welchem Augustinus außtrücklich von der Erbsünde redet
vnd sagt: daß die Lust ein böses Accidens oder Zufallsey. Vnd hierauß erscheinet
auch dieses / daß Augustinus das Wort (Lust) nicht von der wircklichen Sünde
brauchet / sondern von der Erbsünde selbst / vnd also die Erbsünde ein Accidens
nennet.
|| [ID00226]
Contra Iulianum, lib. 6. cap. 3. Hoc vitium, quod non est corpus, sed accidens,
cum indulgentia sit remissum, &c. Dieser Gebreche / der nicht ein Leib ist /
sondern ein Zufall / weil er auß Gnaden vergeben wirdt / etc. Da freylich
Augustinus von der Erbsünde redet / welche von den Eltern auff die Kinder in der
Empfängniß geerbet wirdt / vnnd heisset sie ein Accidens, das ist / einen Zufall
/ welcher dem Menschen auß Gnaden vergeben wirdt. Also spricht er in gemeldtem
Capitel: Quis nostrum dicit, malum hoc, quod paruuli originaliter trahunt, sine
substantia, in qua est, aut esse posse, aut vnquam fuisse? Das ist / Welcher
vnter vns sagt / daß das böse oder die Sünde / welche den Kinderlein auffgeerbt
wirdt / ohne eine Substantz / in welcher sie ist / jemals gewesen sey / oder
auch seyn könne? Ist nuhn die Erbsünde oder das böse / wie es Augustinus hie
nennet / welches die Kinderlein von jhren Eltern erben / in der Substantz / vnd
kan ohne dieselbe nicht seyn / ist auch nie ohne die Substantz gewesen / so muß
es ja / nach Augustini Lehre / nohtwendig ein Accidens oder Zufall seyn in der
Substantz oder Natur deß Menschen. Dann das ist vnd heist Accidens oder Zufall /
das für sich selbst nicht ist oder kein selbständiges Wesen hat / sondern in
einem andern wandelbarlich ist. Ein solch Ding aber ist die Erbsünde / wie
Augustinus hie recht schreibet / darvmb muß sie ja ein Accidens malum oder böser
Zufall in der Substantz oder Natur deß Menschen seyn / vnd nicht die verderbte
Natur selbst.
Contra 2. Epistol. Pelagianorum, libro 2. cap. 2. Manichaei carnis
concupiscentiam non tanquam accidens vitium, sed tanquam naturam ab aeternitate
malam vituperant: Pelagiani eam, tanquam nullum vitium, sed naturale sit bonum,
insuper laudant. Catholica vtrosque redarguit, Manichęis dicens: Non natura sed
vitium est: Pelagianis dicens, Non à Patre, sed ex mundo est. Die Manicheer
schelten deß Fleisches Lust nicht als ein bösen Zufall / sonder als eine Natur /
die von Ewigkeit böse sey. Die Pela
|| [108]
gianer loben sie vnd geben für / daß sie kein Laster sey /
sondern ein natürlich Gut. Die Catholische oď Christliche Kirche straffet sie
von beyde̅ Theilen / vn̅ sagt den Manicheern / daß
sie nit eine Natur / sonder ein Schade oder Gebreche sey. Den Pelagianern aber /
daß solcher Gebreche nicht vom Himmelischen Vatter / sondern auß der Welt
sey.
Auß diesem Zeugniß Augustini erscheinet klar. Erstlich / daß Augustinus deutlich
die Erbsünde ein zufälligen Gebrechen oder Schaden nennet / wider die Manicheer.
Zum andern / daß die Manicheer zu Augustini Zeiten auch geleugnet haben / daß
die Erbsünde ein malu̅ Accidens oder böser Zufall sey / oder in
der Natur von Gott geschaffen / wie diese Leuhte heutiges Tages solches auch
thun. Zum dritten / daß diese Lehre der Manicheer dazumal von der gantzen
Christenheit verdampt worden. Zum vierten / damit auch Augustinus sich zum
vberfluß erkläre / was er Erbsünde heisse / widerholet ers mit diesen Worten /
vnnd spricht: Manichaeis dicit (scilicet Catholica Ecclesia) Non natura, sed
vitium est. Den Manicheern sagt die Catholische oder Christliche Kirche / die
Sünde sey keine Natur / sondern sey ein Gebrechen derselbigen.
Daß er aber eygentlich von der Erbsünde in diesen Worten handele / ist darauß
offenbar / Augustinus setzet gegen einander der Manicheer vnd Pelagianer
Irrthum̅. Die Pelagianer / spricht er / loben die Lust deß
Fleisches als gut / oder als ein natürlich Gut. Nuhn lobeten aber die Pelagianer
die wircklichen Sünde nicht / fondern sie lobeten die Lust deß Fleisches selbst
im Menschen / daß sie gut were / vnnd verleugneten die Erbsünde gantz vnnd gar.
Die Manicheer aber verneinten stracks / daß die Erbsünde ein Zufall in der Natur
were. Auß welchem klar erscheinet / daß Augustinus in gemeldtem Spruche nicht
von wircklichen Sünden / sondern von der Erbsünde selbst rede / welches auch
darauß ferrner zusehen ist / daß er baldt darauff die Lust deß Fleisches / von
welcher die Catholische oder Christliche Kirche sagt / daß sie ein zu
|| [ID00228]
fälliger Gebrechen sey / malam
valetudinem, Schwachheit oder Kranckheit nennet / welche im Menschen soll
geheilet oder abgethan werden. Das ja von keiner wircklichen Sünde kan
verstanden oder außgelegt werden. Mehr Zeugnisse haben wir droben eyngeführet.
Bleibet also fest vnd wahr / daß Augustinus die Erbsünde ein Accidens oder
zufällig Ding nenne.
(Q q. ij. fa. 2.)
Irenaeus führet diese Wort Augustini auch eyn / verfälschet sie aber / beydes im
Latein vnnd in seiner Dollmetschung. Im Latein recitiert er sie also: Manichaei
carnis concupiscentiam non tantùm accidens vitium, sed tanquam naturam ab
aeternitate malam vituperant. Da im Augustino stehet: Non tanquam, setzet er:
Non tantùm. Im deutschen deprauiert er sie nach seinem Latein / welches er darzu
gesetzt / also: Die Manicheer schelten deß Fleisches Lust / nicht allein / als
einen zufälligen Gebrechen / etc. Welcher keines im Augustino stehet. Was nuhn
diese greiffliche Verfälschung in einer solcher grossen Religions vnd Glaubens
Sachen auff sich habe / verstehen fromme Hertzen auch ohne vnser Erinnern.
Daß Augustinus wider die Manicheer dringe / die Erbsünde sey nicht eine böse
Natur / wie sie fürgeben / mit der Men schlichen Natur vermischet / weiß man
wol.
Wie man auch dieses wol weiß / daß Augustinus lehret / die Natur deß Menschen sey
durch die Sünde verändert vnd böse worden. Da stößt sichs aber an / daß sie
wider Augustinum vnd zu forderst wider die heilige Schrifft lehren / daß die
verderbte Natur die Verderbung oder Sünde selbst sey / welches Augustinus auß
der Schrifft zum hefftigsten widersprochen hat.
Augustinus contra Epist. fundamenti, cap. 35. Quis dubitat, totum illud, quod
dicitur malum, nihil esse aliud quàm corruptionem, &c. Wer zweifflet dran /
daß nicht das gantze / welches das Vbel oder die Sünde genandt wirdt / nichts
anders sey / dann eine Verderbung? Solche Verderbung aber / als wir droben auß
|| [109]
Augustino vernommen / ist
keine Natur / sondern ist in der Natur / die sie verderbt hat.
Also ist auch dieses klar / daß Augustinus / nicht alleine wegen deß ersten Falls
Adae, die Sünde einen zufälligen Gebrechen nenne / sondern auch vnnd zu forderst
/ so ferrn als sie noch jetzo in aller Menschen Hertzen / Leib / Seele oder
Gliedern / wie Paulus Roman. 7. schreibet / wohnet. Als wir dann solches kurtz
zuvor mit Augustini Worten klar erwiesen haben.
Daß Accidens Augustino so viel heissen soll / als contingens, eueniens, das sich
zutregt / ist ein lauter Alfentzerey / damit sich das Gegentheil selbst in die
Nasen vexiert. Dann wann das bleibt (wie es dann bleiben muß) daß die Sünde in
Substantia, das ist / im Wesen oder Natur deß Menschen ist / wie Augustin. lib.
6. contra Iul. cap. 3. schreibet: Et quòd corruptio non in se ipsa sit, sed in
aliqua substantia, quam corrumpit. Non enim substantia est ipsa corruptio, wie
er lib. 2. de moribus Manichaeorum, cap. 5. schreibet: So bleibet auch dieses /
daß sie ein Accidens oder Zufall / vn̅ die verderbte Substantz
oder Wesen deß Menschen selbst nicht ist. Ob auch Adam durch seinen
Vngehorsam̅ sündig worden / wir aber in Sünden empfangen
werden / so macht doch auch dieses nicht / daß die verderbte Natur darumb die
Sünde selbst seyn solte / vnnd kein zufälliges Ding / dann die Empfängniß macht
die Sünde selbst zu keiner Substantz oder Wesen nicht / sondern leßt sie einen
Weg als den andern ein bösen Zufall / der vns von Adam angeerbet / in der
verderbten Natur bleiben.
Es macht zwar Irenaeus viel Wort darvon / daß im Augustino das Wort Accidens von
wircklichen Sünden solle verstanden werden / erweisets aber nicht mit einigem
Spruche auß Augustini Schrifften / Darumb nuhn billich gesagt wirdt: Was er ohne
Grundt vnnd Zeugnüß Augustini schwätzet / das wirdt eben so leicht verworffen /
als es von jhme asseriert oder auffs Papier geklicket wirdt.
|| [ID00230]
Er allegiert auch Augustinum de natura & gratia, cap. 13. da er lehren soll /
ein anders sey integra natura hominis, die Natur deß Menschen vor dem Fall / vnd
ein anders die Verderbung derselben / etc. Es stehet aber nicht ein einiges
Wörtlein in gemeltem Capitel hiervon / wie solchs die jenigen wissen / so
Augustinum gelesen haben / vnnd da es gleich in dem erwehnten Capitel zu
befinden / hülffe es deß Gegentheils jrrigen Lehr nicht auff die Bein / sondern
bestettigte viel mehr vnsere Lehre vom Vnderscheidt der Natur vnnd der Erbsünde.
Dann ob wol die Natur durch die Verderbung geändert oder böse vnnd vnrein worden
/ so ist sie aber doch nicht die Verderbung oder Vnreinigkeit selbst worden.
Dann die Verderbung ist in der Substantz / wie Augustinus recht schreibet / vnd
nicht in jhr selbst.
Was er auch auß Gregorio allegiert: Aliud sumus per naturam conditi, aliud per
peccatum lapsi. Wir sindt ein anders anfänglich erschaffen / vnd ein anders / da
wir gesündiget / etc. erweiset auch nicht / daß die verderbte Natur die Erbsünde
selbst sey / wie das alle verständige sehen.
Eben also verhält sichs auch mit Lutheri Worten / Genes. 2. Adam ist also
geschaffen gewest / daß er köndte fallen / wie es auch geschehen ist / etc. Dann
das alles ist wahr vnd nicht streitig / wie aber dar auß folge / darauff diese
Schwärmer dringen / daß nem̅lich die verderbte Natur die Sünde
selbst sey / das haben sie noch zur Zeit nicht erwiesen / werdens auch in alle
Ewigkeit nicht wahr machen können. Dann lieber was ist doch das für eine
Folgerey: Adam ist durch die Sünde verderbt / böse / sündig vnnd vnrein worden.
Ergo, so ist die verderbte Natur die Sünde selbst? Da verstehet ja jedermann /
daß solches ein lauter Fantasey / vnd keine rechte beständige Schlußrede
sey.
Lutheri Spruch contra Latomum: Vitium scimus id esse, quod culpam &
reprehensionem habeat, arguiqueue dignum sit.
|| [110]
Das ist / Wir wissen daß ein
Gebrechen das sey / das Schuldt an sich hat / vnnd das man billich straffet /
etc. redet in gemein von dem Wort / Vitium oder Mangel / was es bedeute / sagt
aber mit keinem Buchstaben nicht / daß die verderbte Natur die Erbsünde selbst
sey. Dann daß die verderbte Natur Schuldt hat vnd angeklagt wirdt / geschicht
secundùm quid, das ist / von wegen der Sünde / damit sie verderbt ist / vnnd
nicht derwegen / daß sie die Verderbung oder Sünde selbst sey.
Daß wir / wie Lutherus Psal. 51. schreibet / peccatores oder Sünder seyn / das
ist / ein böser Baum / vnd daß der Same / darauß wir empfangen / sündig sey vnd
böse Frucht bringe / etc. ist recht vnnd wahr / daß aber die verderbte Natur ohn
allen Vnderscheidt die Sünde selbst sey / welches das Gegentheil beweisen will /
das schreibet Lutherus in diesen Worten nicht / vnnd ist auch an jhme selbst
nicht wahr.
Also / daß vnsere Natur extremè corrupta & vitiata, auffs eusserste vnd
ärgste verderbt sey / wie Lutherus Psal. 51. ferrner meldet / ist recht vnd wahr
/ das heist aber noch nicht: Ergo, so ist die verderbte Natur die Sünde selbst.
Dann auffs eusserste vnd ärgste verderbet seyn / vnd die Erbsünde selbst seyn /
sindt vnd werden nimmermehr einerley.
Der Mensch selbst ist verderbt / verkehrt / geschändet vnd geblendet / ist aber
darumb nicht die Verderbung vn̅ Verkehrung / etc. selbst / sondern
solche Verderbung vnd Verkehrung ist in deß Menschen Natur vnd Wesen.
Es ist auch der Mensch mutatus ab illo, vix vmbra hominis, Das ist / weit ein
ander Mensch worden / als Adam vor dem Fall war / vnnd kaum ein Schatten deß
vorigen Menschen / etc. aber dennoch ist er nicht die Sünde selbst worden.
Augustinus libro 2. hypognosticon sagt: Natura humana peccatrix facta est, id
est, vitium habens peccati, non ipsa effecta vitium vel peccatum. Post peccatum,
homo peccator dictus est, no̅ homo pecca
|| [ID00232]
tum. Nach dem die Natur
gesündiget / ist sie sündig worden / vnnd hat den Schaden der Sünde / sie ist
aber nicht zur Sünde selbst worden. Vnnd nach der Sünde ist der Mensch ein
Sünder genannt / aber nicht die Sünde selbst.
Wir lehren mit Luthero in seinem Genesi, daß wir Menschen gegen dem erste̅ Adam gleich wie ein todtes Aaß zu rechnen sind / etc. Wir
behalten aber dieses auch mit Luthero / daß dannoch die Natur geblieben sey / ob
sie wolgrewlich verderbet ist. Ist sie nuhn geblieben / so ist sie ja / wie hoch
sie auch verderbet / die Sünde selbst nicht worden / sondern es bleibet noch ein
Vnderscheidt zwischen der verderbten Natur vnnd zwischen der Sünde / damit sie
verderbt ist.
Was dieser oder jener von dem Accidens vor dieser Zeit geschrieben / mögen sie
verantworten. Wir bleiben darbey / daß die verderbte Natur die Erbsünde selbst
nicht sey / sondern die Erbsünde sey ein böser Zufall oder tieffe Verderbung /
durch welche die Natur jämmerlich verderbt ist / vn̅ wissen / daß
diese Lehre in Gottes Wort starcken vnd vnbeweglichen Grundt hat.
Daß hie auß Lutheri Disputation von der Rechtfertigung eyngeführet / Lutherus
solle gesagt haben / die Sophisten reden gar zu schlim̅ von der
Erbsünde / in dem sie dieselben nennen ein Concupiscentz / Lust / ein Accidens
oder ein Mangel der Gerechtigkeit / ist solche Rede in seinen gedruckten
disputationibus nicht zu befinden.
V. Ficht das Gegentheil hart an / daß das Concordi Buch (R r. iij. fac. 1.) sich auff alle reine Lehrer beruffet / als die auch
gelehret haben / daß die Erbsünde nicht sey die verderbte Natur selbst / sondern
eine tieffe Verderbung derselbigen / vnnd wirfft Gabrielem Biel vor / der also
gelehret / die andern aber nicht / etc. Wirfft vns auch ferrner für / daß wir
vnsere Lehre auß der Propheten vnnd Apostel Schriffte̅ / auß den
3. Symbolis, Augspurgischer Confession / Apologia / Catechismis Lutheri / etc.
nicht kön̅en darthun / etc. Darauff geben wir diesen gründtlichen
Bericht. Daß das Christliche Con
|| [111]
eordi Buch solchs billich thue. Dann wir bißhero mit
starcken Gründen erwiesen haben / daß die vornembsten Väter vnnd Lehrer der
Kirchen von anbegin mit vns gelehret / daß nemblich die Erbsünde eine Verderbung
der Menschlichen Natur sey / etc. Vnd nicht die verderbte Natur selbst / auch
gewiß sind / daß sie das Gegenspiel nimmermehr erweisen können.
Daß Gabriel Biel die Erbsünde auch ein Accidens genan̅t / vnd aber
zu schlim̅ / gering vnd schwach von der Erbsünd / als ein Sophist
oder Schul lehrer / geredet / benimpt vnser Lehr vnd Bekandtnüß gar nichts. Denn
was er vnnd andere Schullehrer zu schlim̅ vnd zu wenig von der
Erbsünde geschrieben / das verwerffen wir. Was sie aber recht daruon geschrieben
/ als da sie die Erbsünde ein Accidens, vnd nicht Substantz oder Wesen / oder
aber die verderbte Natur selbst nennen / das behalten wir.
Also daß D. Lutherus vnserer Meynung sey / ist droben im andern Punct vnnd
sonsten in dieser Schrifft gründtlich dargethan / vnd soll hinfort ferrner
erwiesen werden.
Daß wir vnsere Lehre auß den Prophetischen vnnd Apostolischen Schrifften starck
vnnd wol erweisen können / haben wir im ersten Punct dieser Schrifft der gantzen
Christenheit für Augen gestellet / vnd sind gewiß / daß auch die Pforten der
Hellen solche Beweisung nicht werden oder können vmbstossen / geschweigen diese
lausige Schwärmer.
Daß sie im Symbolo Apostolico begrundtfestiget sey / haben wir im andern Punct
dieser Refutation Schrifft außführlich dargethan / dabey wirs nachmals bleiben
lassen / vnnd wollen sehen / wer vns vnsere Gründe / auß den Artickeln deß
Glaubens genommen / vmbstossen oder nemmen soll.
Daß sie in Symbolo Niceno stehe / weisen diese Wort klar: Welcher vmb vns
Menschen vnd vmb vnser Seligkeit willen vom Himmel kommen ist / Da / wo die
verderbte Natur ohne allen Vnderscheid die Erbsünde selbst were / das Symbolum
müste gesagt ha
|| [ID00234]
ben: Welcher vmb
der Erbsünde selbst willen vnd vmb der selben seligkeit willen vom Himmel kommen
ist / etc.
Solcher Gestallt ist sie auch in Symbolo Athanasii gegründet / da er spricht /
daß die Gottheit die Menschheit angenommen habe / etc. Da abermals / wan̅ deß Gegentheils Lehre wahr / daß die verderbte Natur ohn allen
Vnderscheid die Sünde selbst were / stehen müste / die Gottheit hette die
Erbsünde selbst vnd nicht die Menschheit angenommen.
Daß sie in der Augspurgischen Confession geführet werde / bezeugt der ander
Artickel derselben (daß wir jetzo vieler ander Zeugnüß / so wir darauß anziehen
könten / geschweigen) da diese Wort stehen / daß nach Adams Fall alle Mensche̅ / so natürlich gebore̅ werde̅ / in
Sünden entpfangen vnd geboren werde̅ / etc. Ite̅ /
daß auch dieselbige angeborne Seuche vnd Erbsünde warhafftiglich Sünde sey vn̅ verdamme / etc. In Sünden entpfangen vnd geboren werden / vn̅ die Erbsünde selbst seyn / sagt niemandt / daß einerley Ding
sindt / als diese verirrete vnd verwirrete Schwärmer. Also auch angeborne Seuche
vnd Erbsünde seyn / vn̅ die verderbte Natur selbst seyn / hält
niemandts für einerley / als diese Leut / die selbst nicht wissen / was sie
setzen oder sagen. Weil dann die Augspurgische Confession neben vnd mit vns die
Erbsünde vn̅ verderbte Natur deutlich vnderscheidet / so hält sie
es ja mit vns vnd nicht mit diesen verwirreten Leuten. Mehr Beweises auß der
Augspurgischen Confession / ist hie vnvonnöhten.
Daß die Erbsünde nicht die verderbte Natur selbst sey / etc. ist im Concordi Buch
auß der Apologia Augspurgischer Confession dermassen außgefüret / daß es diese
Schwärmer wol müssen vngebissen vnd vnum̅gestossen lassen. Vn̅ vermögen sie nit mit einigem Wort jhre falsche Lehre / daß die
verderbte Natur ohn allen Vnderscheid die Erbsünde selbst sey / auß der Apologia
Augspurgischer Confession beyzubringen / wann sie sich auch zerreissen
solten.
Eben also stehen auch die Schmalkaldischen Artickel auff vn
|| [112]
ser Seiten / in dem
sie bezeuge̅ / daß die Erbsünde sey eine̅ tieffe
Verderbung der Natur (im dritten Theil von der Sünde articulo 1.) mit nichten
aber aussagen / daß die verderbte Natur ohne allen Vnderscheid die Erbsünde
selbst sey. Dann eine tieffe Verderbung der Natur seyn / vnd die verderbte Natur
ohne allen Vnderscheid selbst seyn / sind nicht einerley.
Das D. Lutherus in seinen Catechismis vnsere Lehre von der Erbsünde vertheidige /
ist droben augenscheinlich erwiesen / da vnsere Gründe / auß den Artickeln deß
Glaubens genommen / verantwortet sind.
Gleicher Gestallt ist es auch auß andern Schrifften Lutheri deutlich dargethan /
daß er nicht gehalten / daß die verderbte Natur ohne allen Vnderscheid die
Erbsünde selbst sey. Dann er schreibt / Genes. 3. daß die Natur bleibe / obs sie
wol scheußlich verderbt sey / vnd nennet die Sünde vnd Todt mala separabilia,
Genes. 38. solche Schäden / die von der verderbten Natur können gescheiden
werden.
Derwegen trutzen wir billich auff den Consensum der alten vnd rechtgläubigen
Kirchen / zu förderst aber auff den Consens der Schrifft / 3. Symboloru̅, Augspurgischer Confession / Apologiae, Schmalkaldischer
Artickel / Catechismorum Lutheri / vnd anderer seiner Schrifften / etc. Vnd
lassen vns daruon durch jhr vielfältiges Bücherschreiben vnd Schreyen nicht
abweisen.
Daß fürgewandt wirdt / als solten wir vns auff den grossen(Ss. j. fa. 1. vnnd hernach.) Hauffen ziehen / der
vns bey pflichte / ist eine lauter Calumnia oder Läster Gedicht. Dan̅ warauff wir vns in dieser Sach gründen / ist bißhero gnugsam
vorgestellet / darbey wirs auch bleiben lassen.
So macht auch dieses deß Gegentheils Lehre nicht gewiß / daß alle wege ď weniger
Theil der Warheit zufället / weil jr nun wenig sind / so müsse derwegen jre
Lehre Grundt haben. Dan̅ August. co̅tra Secu̅dinu̅ Manich. cap. 26. schreibetrecht: Vide ne apud
vos nimius horror impietatis faciat meritu̅ paucitatis. Talia
quippe
|| [ID00236]
ibi leguntur, dicuntur,
creduntur, vt in illum errorem magis aliquos quàm paucos irruere, vel illic
remanere mirandum sit. Das ist / Sihe eben zu / daß nit die Abschewligkeit ewrer
Gottslästerung / eine Vrsache sey / daß ewer so wenig sindt. Dann es werden bey
euch solche Ding gehöret / gelesen / geleret vnd gegläubet / das Wunder ist /
daß nicht alleine ewer wenig sind / sondern daß auch nocht etliche sind / die
bey euch bleiben vnd verharren.
Die Warnungen der Schrifft vnnd Lutheri fürm grossen Hauffen sind nur auff die
falsche Lehre vnnd Lehrer gerichtet / vnnd nicht auff die Warheit / welche /
Gott Lob / in diesem Streit auff vnser vnd nicht auff der Schwärmer Seiten
stehet.
VI. Ist vnd bleibet auch dieses wahr / daß für diesem Streit / den Illyricus
angefangen / in vnsern Kirchen vnd Schulen ohne jemandes Einrede von den vnsern
ist gelehret worde̅ / daß die Erbsünde ein Accidens oder böser
Zufall sey / vnnd muß solchs das Gegentheil selbst gestehen / warumb solt es
dann nun vnrecht seyn?
Daß fürgewendt / solchs sey aber nach der Dialectica geschehen / vnnd nicht nach
der Theologia, &c. ist lächerlich zu hören. Dann die Frage ist nicht /
warnach die Erbsünde ein Accidens von den vnsern geheissen / vnnd in welchem
Buch sie also genannt sey: sondern obs auch recht sey / vnd in Gottes Wort / den
3. Symbolis, Augspurgischer Confession / Apologia / Schmalkaldischen Artickeln /
Catechismis Lutheri / etc. gegründt sey / daß es aber beständige̅
guten Grundt habe vnd recht sey / beruffen wir vns auff die Beweisungen / so
beydes im Concordi Buch vnnd in dieser Schrifft dem Gegentheil vnd seinen
Lästerungen entgegen gesetzt / vn̅ sind dessen / Gott Lob / in
vnsern Hertzen vergwisset / daß die Pforten der Hellen solche vnsere Beweisungen
nicht sollen noch können widerlegen. Anmäulen mögen sie dieselbigen wol / aber
vmbstossen soll jhnen wol fehlen.
Das Concordi Buch sagt nicht / daß auß der Dialectica soll genommen werden / was
von der Erbsünde zu halten sey / sondern es
|| [113]
beweiset / daß vor diesem
Streit / welchen Illyricus erreget / die vnsern in jhren Schrifften ohne
jemandes / auch D. Lutheri Einrede / die Erbsünde ein Accidens oder zufälliges
Ding genannt haben. Dan̅ wir zu guter massen / auch ohne dieser
Leut Erinnerung / wol wissen / daß nicht auß der Dialectica, sondern auß der
Heiligen Schrifft müste genommen vnnd gelernet werden / was die Erbsünde
eigentlich sey / darumb diese jhre Alfentzerey nichts zur Sachen thut.
Der Spruch: Wenn jhr (Schwärmer) der Warheit nicht abbrechen / noch dieselbige
widerlegen könt / so vnderstehet jhr euch mit ewern Dialectischen finstern
Argumenten / Gründen vnd Beweiß die Einfältigen jrre zu machen / vnd gebt für /
jhr könt nicht bey euch ergründen oder außdencken / in welcher Dialectica wir
vnsere Lehr müssen gefunden haben / nem̅lich daß für GOtt Sünde
sey die Menschliche Natur / so auß einer guten Natur in eine böse verwandelt
worden / etc. Welchen Irenaeus Augustino zu schreibet vnd allegiert 6. librum
contra Iulian. vnd das 2. Cap. ermeltes Buches / stehet durchauß in angezogenem
Capitel nicht. Wie aber solche citationes diesen Leuten anstehen / stellen wir
zu Erkändiniß aller verständigen Christen. Das stehet lib. 6. cap. 2. Frustra te
intorques argumentationibus vanis, non aduersus me, sed aduersus co̅munem matrem spiritualem, &c. Du marterst dich vm̅ sonst mit
deinen vergeblichen Argumenten / zwar nicht wider mich / sondern wider die
gemeine Geistliche Mutter. Aber die vorigen Wort stehen lib. 6. contra Iul. cap.
2. gar nicht / vnd da sie gleich stünden / beweiseten sie doch nichts.
Der fölgende Spruch / der also dieses Orts citiert wirdt: Nicht(T t ij. fa. 2.) Aristoteles / dessen Categorias
jr vnweißliche̅ allein verstehet vn̅ für recht
haltet: sondetn der Apostel Paulus sagt / daß durch einen Menschen die Sünde
kommen ist in die Welt / etc. wirdt auch Augustino lib. 3. contra Iulian. cap.
9. zugeschrieben / stehet aber weder im S. 9. oder 10. Capitel gemeltes Buchs /
vn̅ da er auch gleich drinnen stünde / so beweisete er doch
nichts vberall wider vns. In. 7. cap. lib. 3.
|| [ID00238]
verweißt wol Augustinus dem Juliano /
daß er auß der Dialectica argumentieren wölle / vnd könne es doch nicht
Dialecticè oder recht fürbringen. Sind aber die angezogene Wort darinnen nicht
zubefinden.
Noch ein Spruch wirdt auß dem 2. Buch Augustini contra Iulian. am Ende
desselbigen Buchs citiert / da Augustinus Juliano sagt / daß er der Vätter
Sprüche exagitiere / Quia no̅ possunt secundum Categorias
Aristotelis de dogmatibus iudicare. Dieweil sie nicht können nach den Categoriis
Aristotelis von der Lehre vrtheilen / gleich als were er / Julianus / der Mann /
welcher der Peri pateticorum philosophorum Raht finden könne / da sie vom
subiecto vnnd denen Dingen / so in einem subiecto oder Wesen sind / wider die
Erbsünde auß der Dialectica sprechen / etc. Aber dieser Spruch / wie auch
dergleichen andere mehr / nemen vnser Lehre gar nichts. Sintemal wir vnsere
Lehre von der Erbsünde / was sie eigentlich sey / nicht auß der Dialectica
schöpffen vnnd nehmen / sondern auß der Heiligen Schrifft.
Das Christliche Concordi Buch füret den Grundt oder Beweiß der Lehre von der
Erbsünde nicht auß Philippi Dialectica (dan̅ den Grundt der Lehre
hat es auß der Schrifft vnnd Artickeln deß Glaubens gesetzet) sondern das
alleine sagt es / daß ohne jemandes / auch Lutheri Einrede / vor diesem Streit
breuchlich gewesen in Schulen vn̅ sonst / die Erbsünde ein
Accidens oder zufälliges Ding zu nennen. Derwegen dann ein solch Zetergeschrey
vber dem Wort Accidens nicht zu machen / wie diese Leuthe thun / sonderlich weil
die Sache selbst / so mit oder vnter diesem Wort begriffen / in der Heiligen
Schrifft stehet / vnnd mit so starckem Grunde gelehret wirdt. Wann wir den
Grundt dieser Lehre auß Philippi Dialectica nehmen / so hetten diese Leut vns
billich zu beschüldigen. Weil wir aber das nicht thun / so ist es ein lauter
vergeblich Ding / daß sie hieruon so viel Wort verlieren.
|| [114]
Also / was ferner auß Augustino vnd Eusebis von der Dialectica eingeführet / gibt
oder nimpt dieser Sachen nichts. Dann niemandt vnter vns sagt / daß man den
Grundt der Lehre / was nem̅lich die Erbsünde sey / auß der
Dialectica nemmen soll / darumb alle diese Sprüch vergeblich wider vns citiert
werden / vnd der Christliche Leser vmbsonst damit auff gehalten wirdt.
Lutheri Klag vber die Dialecticam, Tomo. 1. Epistolaru̅, gehet
darauff / wie die Dialectica in seiner Jugendt / gegen dem jetzigen Liecht zu
rechnen / in Schulen so vnuerständtlich sey tradiert worden / daß er vnd andere
keinen Nutz darauß schaffen / oder sich derselben bessern können / wirfft sie
aber darumb nicht gar hinweg / wie diese Schwärmer thun.
Daß in Glaubens Sachen von der Dialectica zu der Theologia oder Heiligen Schrifft
zu gehen / ist recht / vnnd das thun wir auch in diesem Streit / wie vns dessen
vnsere Gründe / auß Gottes Wort vnd Artickeln deß Glaubens genommen / gnugsamb
Zeugnüß geben für Gott vnd seiner lieben Kirchen.
Der Meister deß Examinis hat droben selbst bekandt / daß das(Ii. ij.) Wort Substantz oder Wesen / das sie in
diesem Streit von der Erbsünde brauchen / nicht in der Bibel stehe / vnnd
wöllens doch gleich sehr nicht fallen lassen / so es doch gewißlich wahr ist /
vnd bißher augenscheinlich durch Gottes Gnade erwiesen / daß es in diesem
Artickel von der Erbsünde / wie sie es brauchen / ohne grosse Gottslästerung
nicht kan geduldet oder gelitten werden. Warum̅ solte̅ wir dan̅ nicht viel mehr Macht haben / da die Sache selbst /
welche mit dem Wort Accidens oder Zufall von den vnsern außgesprochen / in
Gottes Wort vnnd in den Artickeln vnsers Christlichen Glaubens so starcken
festen Grundt hat / dasselbige zu behalten?
Vns ist auch nicht so viel am Wort Accidens oder Zufall / als an der Sachen
selbst / gelegen. Wann wir der Sachen einig weren / vnnd sie mit vns lehreten /
daß die Erbsünde eine tieffe Verderbung were der Natur / welchs die Schrifft
lehret vn̅ Lutherus mit
|| [ID00240]
der Schrifft / etc. Vnd nicht die verderbte Natur selbst / welchs weder die
Schrifft / noch die drey Symbola, Augspurgische Confession / Apologia /
Schmalkaldische Artickel oder Catechismi Lutheri lehren / sondern jr eigen
Gedicht ist / könte deß Wort Accidens halber leicht Raht gefunde̅
werde̅. Weil sie aber das nit thu̅ / auch nit
thun wolle̅ / ists vergeblich / daß sie dieses Worts halben also
hefftigruffen vnnd schreyen. Dann so lange sie die schwärmerische falsche
Rede̅ / daß die Erbsünde ein Substantz sey / oder / wie sie es
jetzo führe̅ / daß die verderbte Natur ohn alle̅
Vnderscheid die Erbsünde selbst sey / etc. behalten / so lange können wir nicht
Vmbgang haben / das Wort Accidens oder Zufall wider jhren Schwarm zu gebrauchen
/ vnnd demselben entgegen zusetzen. Vnd das vmb so viel desto mehr / daß / wie
gemelt / die Sache / vnter diesem Wort begriffen / vnfehlbaren Grundt in Gottes
Wort hat.
Schildt doch Illyricus selbst in seinen demonstrationibus fol. 12. 13. die
jenigen für vnuerständige Leut / welche diese Wörter / Substantz vnnd Accidens,
in diesem Streit nicht brauchen wollen. Da sie nun das Wort Accidens so hoch
verwerffen / müssen sie jhren eigen Meister vnd Abgott straffen.
Da schreyet aber das Gegentheil / gewonnen / gewonnen / da es Lutheri Spruch auß
der Epistel an die Galater cap. 3. Tom. 4. Ienensi einführet: Ein Sophistischer
Theologus kan nicht anderst von der Erbsünde reden / dann ein Heidnischer
Philosophus / nemblich / daß sie sey ein qualitas in subiecto in der Seele / am
Wesen oder an der Natur / wie eine Farbe an der Wandt / etc. Läßt aber aussen /
das D. Lutherus ferrner hinzu setzet / da er sich gnugsam erkläret / wie er
seine Wort wölle verstanden haben.
Wöllen aber seine Wort gantz setzen: Ideo peccata non sunt reuera ibi, vbi
cernuntur & sentiuntur. Nam secundùm Theologiam Pauli, nullum peccatum,
nulla mors, nulla maledictio est ampliùs in mundo, sed in Christo, qui est agnus
Dei, qui
|| [115]
abstulit peccata
mundi, qui factus est maledictum, vt nos à maledicto liberaret. Contra, secundùm
philosophiam & rationem, peccatum, mors & maledictio nusquam sunt, nisi
in mundo, carne seu peccatoribus. Non enim aliter potest Theologus sophista de
peccato loqui, quàm gentilis Philosophus, nempe sic: Qualitas haeret in
substantia aut subiecto. Sicut ergo color in pariete, ita peccatum in mundo,
carnevel conscientia haeret. Igitur eluendum est per contrarios motus, scilicet
per charitatem. Vera autem Theologia docet, quòd nullum peccatum ampliùs sit in
mundo. Quia Christus, in quem Pater coniecit peccata totius mundi, Esa. 53.
vicit, deleuit & occîdit illud in corpore suo. Is semel mortuus peccato,
resuscitatus verò ex mortuis, amplius non moritur. Vbicunque igitur est fides in
Christum, ibi reuera peccatum abolitum, mortuum & sepultum est. Vbi verò non
est fides in Christum, ibi peccatum manet. Quanquam reliquiae peccati sint adhuc
in sanctis, quia perfectè non credunt, &c. tamen illae mortuae sunt, quia
propter fidem in Christum non imputantur. Das ist / Darumb sindt die Sünde nicht
warhafftig / da sie gesehen vnnd empfunden werden. Dann nach S. Pauli Theologia
ist keine Sünde / kein Todt / kein Fluch mehr in der Welt / sondern in Christo /
welcher ist das Lamb Gottes / das weggenommen hat die Sünde der Welt / der ist
worden ein Fluch / daß er vns vom Fluch erlösete. Hergegen aber nach der
Philosophia vnd der Vernunfft / ist Sünde / Todt vnnd Fluch nirgendt / dann in
der Welt / im Fleisch vnd in den Sündern. Dann es kan ein Sophtstischer
Theologus nicht anderst von der Sünde reden / dann wie ein Heidnischer
Philosophus, nem̅lich also: Qualitas, das ist / ein zufällig Ding
/ klebet oder hanget an dem Wesen / wie nun die Farbe an der Wandt ist / also
ist auch die Sünde in der Welt / Fleisch vnd Gewissen / darumb muß man sie
außwaschen oder vertreiben durch widerwertige Bewegung / nem̅lich
durch Liebe. Aber die rechte warhafftige Theologia lehret / daß kein Sünde mehr
in der Welt
|| [ID00242]
sey. Dann Christus / auff
welchen der Vatter der gantzen Welt Sünde geworffen. Esai. 53. hat die Sünde in
seinem Leibe vberwunden / vertilget vnd getödtet / vnd nachdem er von den Todten
erstanden / stirbt er nicht mehr. Darumb / wo der Glaube in Christum ist /
daselbst ist warhafftig die Sünde vertilget / gestorben vnnd begraben. Wo aber
der Glaube an Christu̅ nit ist / da bleibet die Sünde / wiewol
auch noch Sünde bleibet in de̅ Heiligen / dan̅ sie
glauben nit vollkom̅en / wiewol sie gestorbe̅ sind /
darum̅ daß sie von wege̅ deß Glaubens an
Christu̅ nit zugerechnet werden. Biß daher Lutherus.
Hie sihet der Christliche Leser / daß Lutherus wider die Sophisten hie nicht
streittet / daß sie gesagt / die Sünde sey ein Qualitet oder anklebender
Gebreche im Menschen oder Menschlicher Natur / sondern darumb / daß sie ein
solche geringe Qualitet oder solchen geringen Mangel drauß machten / wie eine
Farbe an ď Wand / welcher Mangel durch die Liebe kön̅e
außgewasche̅ vn̅ getilget werde̅ /
so sie doch ein solcher beschwerlicher / grosser vn̅ vnträglicher
jam mer / Schaden vnd Mangel ist / den kein Creatur hat tilgen oď außwaschen
kön̅en / sonder hat alleine durchs thewre Blut Jesu Christi
deß Sohns Gottes müssen getilget vnd abgewaschen werden.
Ob nun wol die Sünde im Menschen / als in einem subiecto ist vn̅
deß Menschen Natur anhanget / so ist sie aber doch nicht eine solche geringe
Qualitet / wie ein Farbe an der Wandt / die da leicht / der Schullehrer Meynung
nach / durch eygene Werck oder die Liebe kan auß gewasche̅
werde̅ / sonder ist ein solche schädliche Qualitet / ein
solcher schädlicher / gefährlicher grosser Gebreche̅ in der
verderbten Natur / der durch nichts anders / als alleine durch das Blut Jesu
Christi hat können gereyniget / vnnd wir arme verdampte Menschen darvon erledigt
werden.
Da auch Lutheri Meynung gewest / daß die Sünde ein Substantz were / oder daß die
verderbte Natur die Sünde selbst were / vnd nicht ein qualitas, tieffe
Verderbung / Mangel vn̅ Gebrechen in der verderbten Natur / so
hette er hie nit müssen schreiben / daß die Sün
|| [116]
de in ď Welt vn̅ im Fleisch were. Item / daß die Sünde noch in den Gläubigen
bliebe. Dan̅ mit diesen Worten vnterscheidet er deutlich
zwische̅ der sündigen vn̅ verderbten Natur /
vn̅ zwischen der Sünde / so darin̅en ist.
Bestättiget also selbst / daß die Sünde in der Natur / als in einem subiecto,
sey / wie solt ers dann an den Schullehrern straffen? Ein anders ist es / die
Geringerung der Sünde̅ an den Sophiste̅ straffen /
daß sie dieselbige für eine solche schlechte Qualitet oď Schade̅
gehalten / ď durch die Liebe kön̅te außgewaschen werden / vn̅ ein anders / widerfechte̅ / daß sie in qualitas oď
Schade̅ / Fehl vn̅ Gebrechen in subiecto oď in
der verderbte̅ Natur sey / dz erste hat Lutherus gethan / das
ander aber nit / dan̅ sonst müste er wiď sich selbst seyn.
Es ist auch sonderlich dieses Orts zu mercke̅ / daß / da das
Gegentheil Lutheri Wort einfüret / es darzu setzet das Wort Accidens, so doch
dasselbige im Luthero Galat. 3. gar nicht stehet / darmit es gnugsam zu
verstehen gibt / daß Lutherus das Accidens nicht in Specie oder mit Nahmen
verwerffen / Sondern daß sie jhm solches auß jhrem eigen Kopff fälschlich
andichten. Also ist auch dieses zu mercken / daß Lutheri Wort im Latein nicht
also lauten / wie sie das Gegentheil verdeutschet hat. Zu Latein stehen sie
also: Qualitas haeret in substantia aut subiecto: Sicut ergo colorin pariete,
ita peccatum in mundo, carne vel conscientia haeret. Irenaeus hat sie aber
verdeutschet / daß die Erbsünde sey Accidens oder Qualitas in subiecto, in der
Seele / am Wesen oder an der Natur / wie eine Farbe an der Wandt / etc. Da es
doch / nach dem Latein / im deutschen eygentlich also lauten soll: Qualitas, das
ist / ein zufällig Ding / ist in dem Wesen / etc. Wie nun die Farbe an der Wand
ist / also ist auch ja die Sünde in der Welt / etc. Das lautet noch lange nicht
/ wie es Irenęus verdeutschet hat / gibt auch den Verstand nicht / den er darauß
er zwingen will / wie leicht zu vernemmen.
Die Wort Lutheri Galat. 3. Cum peccator venit reuera in notitiam sui, non solùm
sentit, se peccatorem concretiuè seu adiectiuè, sed etiam abstractiuè, hoc est,
non solùm videtur sibi
|| [ID00244]
calamitosus,
sed ipsa calamitas: Non solùm peccator & maledictus, sed ipsum peccatum
& maledictum. Vt in lingua latina, cum excellenter volumus aliquem
significare scelestum, vocamus eum scelus. Das ist / wann ein Sünder recht zu
sein selbst Erkändtniß kompt / dünckt jhn nicht anderst / dann daß er nicht
alleine concretiuè seu adiectiuè, sonder auch abstractiuè ein Sünder sey / das
ist / Es ist jhm nicht alleine also zu Sin̅ / als sey er
calamitosus, Vnglückhafftig / sondern ipsa calamitas, das Vnglück selbst / vnd
daß er nicht alleine ein Sünder vnnd verflucht sey / sondern es düncket jhn / er
sey die Sünde vnd der Fluch selbst. Wie in der Lateinischen Sprache / wann man
einen auffs aller ärgst schelten will / so spricht man: Du bist nicht allein
scelestus, ein böser Schalck / sonder auch scelus, das ist / die Schalckheit
selbst / etc. geben klar zu verstehen / daß er hie nicht propriè oder eygentlich
redet / sondern figuratè, das ist / verblümeter Weise / nach Art vnnd Gebrauch
der Lateinischen Sprachen / wie solches auch droben vnter de̅
Titulo, daß Gott der Erbsünde nicht gnädig sey / bald im Anfang auch gemelt
worden. Darumb gilt es nicht auß dieser verblümbten Rede Lutheri / die er selbst
nach Art der Lateinischen Sprachen also nennet / eine propriam, das ist / eine
eygentliche Rede machen vnnd erzwingen wöllen / daß Lutherus / eygentlich
zureden / den Menschen die Sünde selbst genennet habe / vnnd daß sein Meynung
gewest / wie diese Leuht streitten / daß kein Vnderscheidt vberall zwischen der
Erbsünde vnd zwischen der verderbten Natur sey / welches Luthero nie geträumet
hat.
In Schulen pflegt man solche Reden Auxeses zu nennen / da forma seu abstractum
pro concreto, das ist / das Wort Sünde für das Wort Sünder gebraucht wirdt /
darumb heben diese Wort Lutheri den Vnderscheidt zwischen den Concretis vnnd
Abstractis vocabulis, dessen das Christliche Concordi Buch / pag. 263. gedencket
/ im geringsten nicht auff / sondern lassen jn vnbeweglich stehen. Dan̅ ein anders ist / figuratè, verblümeter Weise / reden / ein
anders /
|| [117]
propriè, das ist /
eygentlich. Aber das geben auch die Wort Lutheri: Der Sünder fühlet / empfindet
oder lässet sich bedüncken / er sey nicht alleine ein Sünder / sondern auch die
Sünde selbst / etc. klar zu verstehen / daß Lutherus nicht gehalten / daß die
verderbte Natur die Sünde selbst sey. Dann sonst hette er derselben Wort nicht
brauchen können: Sondern hette sagen müssen: Wann der Sünder zu rechter
Erkändtniß seiner Sünde kompt / bedüncket jhn nicht alleine oder es hett nicht
das Ansehen alleine / daß er ein Sünder sey / sondern er ist auch warhafftig die
Sünde selbst / vnnd ist kein Vnderscheidt vberall zwischen seiner verderbten
Natur vnnd zwischen der Erbsünde. Weil er aber das nicht gethan / so soll mans
jhm auch auff seinen geschlossenen Mundt nicht andichten / als diese Leuhte thun
/ etc.
Also der ander Spruch / Galat. 3. auß dem dritten lateinischen Tomo Ienensi, pag.
52. 53. da D. Lutherus wider die Schullehrer schreibet / der Apostel Paulus
nenne die Mängel oder Gebrechen im Menschen nicht habitus, wie die philosophi,
sondern Werck deß Fleisches / die von dem gantzen Menschen geschehen / etc. vnnd
es sey zu verachten / was sie von den habitibus, concreto & subiecto
disputieren / ist alles secundùm quid, das ist / auff gewisse Maß von jhme
geredt. Dann Lutherus selbst / wie kurtz zuvor gemelt / in der andern Außlegung
der Epistel an die Galater / Tomo 4. Ienensi latino, derselbigen Wörter in
rechtem Verstande wider die Sophisten brauchet. Wie er dann vber das 53. Cap.
Jesai. schreibet / daß es auß sonderlicher Gnade Gottes geschehen / daß in der
Grammatica etliche Wörter concreta, etliche abstracta genennet werden. Wann nun
Lutherus diese vnd dergleichen Schulwörter wider die Sophisten verwirfft /
verstehet er jhren Mißbrauch / den sie darmit getrieben / vn̅
nicht den rechten Brauch / den er selbst behält. Dann wo er sie durchauß
verworffen / hette er jrer selbst nicht brauchen können oder sollen.
Wann wir von der Erbsünde reden vnd sagen mit Luthero /
|| [ID00246]
daß sie in der Seele oder
Menschlichen Natur / als in jhrem subiecto sey / verstehen wirs nicht / wie es
die Sophisten verstanden haben / wann sie von den habitibus der Tugendt vnd
Vntugendt disputiert / sondern wir verstehens von der tieffen Verderbung vnser
gantzen Natur / welche also groß vnd schwer ist / daß sie keine Creatur wenden
kan / sondern muß durch den Sohn Gottes Christum Jesum alleine abgethan vnd
getilget werden. Die Sophisten aber verstehen vnd legen es auß von einem solchen
geringen habitu, Vnart / Fehl / Gebrechen vnd Mangel / der durch Menschliche
Kräfften / sonderlich aber durch die Liebe / wol könne abgetilget vnd
außgewaschen werden. Welche falsche Meynung wir mit Luthero von Hertzen Grundt
verwerffen vnd verdammen. Dann die Erbsünde / wie gesagt / ist ein solcher
erschrecklicher Schade / Qualitet oder Vnart / die durch keine blosse Creatur
vberall kan abgeschafft vnd geheylet werden. Darumb diese Sprüche D. Lutheri den
Vnderscheidt vnter dem concreto vnd abstracto nicht auffheben / auch das
subiectum vnnd habitus an jhnen selbst nicht widersprechen / sondern alleine den
sophistischen Mißbrauch verwerffen / welches wir auch thun.
Daß man sich vorzusehen / damit nicht durch Schul Subtiliteten / de formis
substantialibus, de accidentibus & qualitatibus, die reine Lehre von der
Erbsünde zerrüttet werde / ist freylich wahr. Daß man aber darumb solcher Wörter
/ in rechtem / heilsamen vnnd gesunden Verstande gar nicht brauchen solle / das
ist zu viel / vnnd passiert nicht / dann gebrauchen sie sich doch selbst auß
jhrem Illyrico der Subtilitet / de formis substantialibus, das ist / von
wesentliche̅ Formen der Seelen / deß Hertze̅ /
deß Verstands / etc. Welches kein gemeiner Leye verstehet / ja sie selbst nicht
verständlich gnugsamb im deutschen außsprechen können.
VII. Ihr Meister vnd Vorfechter Illyricus bekennt selbst / wie kurtz zuvor gehört
/ daß dieses vnverständige Leut sind / welche in gegenwertigem Streit von der
Erbsünde die Wörter / Accidens
|| [118]
vnd substantia, nicht brauchen wöllen / noch muß es diesen Leuten vnrecht
seyn / wann wir auß Gottes Wort vn̅ Artickeln deß Christlichen
Glaubens verneine̅ / daß die Erbsünde ein Substantz oder die
verderbte Natur selbst sey / etc. Daß wir hergegen sage̅ / sie sey
ein höser Zufalle oder tieffe Verderbung in der Menschliche̅
Natur. Dan̅ weil sie kein Substantz ist / oder die Substantz vn̅ Wesen deß Menschen nicht ist / ist auch nicht die verderbte
Natur deß Menschen / so kan man sie ja anderst nicht nennen / dann einen
zufälligen bösen tieffen Schaden oder tieffe jäm̅erliche
Verderbung vnd Zerrüttung in der Natur.
Wir sagen auch solches nicht ohne Grundt Göttliches Worts / der drey Sümbolen /
Augspurgischer Confession / Apologia / Schmalcaldischen Articuln / Catechismis
vnnd Schrifften Lutheri (dann darauß haben wir bißher solche Lehre mit starckem
Grunde erwiesen) sondern wir lehren es mit beständigem vnd vnbeweglichem Grunde
der vnfehlbaren Warheit der Schrifft / vnnd anderer Zeugnüssen. Darumb sie dann
auch diese vnsere oder viel mehr Göttliches Worts Lehre wol sollen bleiben
lassen.
Daß nuhn Lutherus / Psal. 51. schreibet: Tu sic defini peccatum, peccatum hoc
totum esse, quod est natum ex patre & matre, &c. Du solt die Sünde also
beschreiben / daß Sünde das alles sey / das auß Vatter vn̅ Mutter
gebore̅ ist / etc. wissen wir / Gott Lob / nicht weniger als
sie. Wir wissen aber darneben auch dieses / daß Lutherus eben an gemeldtem Ohrt
/ gleich als hette er im Geist zuvor gesehen / daß Schwarmgeister kommen würden
/ welche jm seine Lehr würden verkehren / diese Wort hinzusetzet: Hinc enascitur
diuisio peccati. Nam tota natura primum per peccatum corrupta & aeternae
morti subiecta est. Deinde alia ceu species peccati est, quod homo habens legem
potest agnoscere, cu̅ scilicet furta, adulteria, caedes co̅mittuntur. Hierauß erwechst die Theilung der Sünde. Dan̅ erstlich ist die gantze Natur durch die Sünde verderbt
|| [ID00248]
vnd dem ewigen Tode vnderworffen /
darnach ist gleich eine andere Art der Sünden / welche der Mensch / wann er das
Gesetz hat / erkennen kan / als Diebstal / Ehebruch / Todtschlag / etc. darauß
der Christliche Leser deutlich verstehet / daß Lutherus mit dieser Art zu zu
reden / da er spricht / daß das alles Sünde sey / waß auß Vatter vnnd Mutter
geboren ist / eben das meyne / daß er mit folgenden Worten außspricht / nem̅lich / daß die gantze Natur durch die Erbsünde verderbet vnnd dem
Tode vnterworffen sey / vnnd daß dieses die eygentliche Meynung Lutheri sey vnnd
keine andere / setzet er bald darauff folgende Wort: Dauid sic definit, vt
significet, peccatum esse corruptionem omnium virium, interiorum &
exteriorum, adeò, vt nullum membrum officium suum ita nunc faciat, sicut in
Paradiso ante peccatum. Das ist / Dauid beschreibet die Erbsünde also / daß sie
sey eine Verderbung aller innerlichen vnd eusserlichen Kräfften deß Menschen /
Also daß leider kein Gliedmaß sein Ampt also verrichtet / wie es im Paradiß vor
dem Fall gethan hat. Darumb nicht eyntzele Wort auß Luthero zu zwacken / sondern
seine gantze Rede zu erwegen ist / da er von der Erbsünde handelt vnnd
dieselbige beschreibet / vnnd ein Wort auß dem andern zu erklären ist.
Was hie das Gegentheil ferrner treibet / als solte das Concordi Buch wider sich
selbst seyn / in dem es sagt / daß der eynfältigen Kirchen mit den Schulworten
Accidens vnd Substantia in Predigten zu verschonen / hernacher aber setzet /
wann gefragt / Ob die Erbsünde ein Substantz oder Accidens sey / müsse man fein
rundt herauß bekennen / daß die Erbsünde kein Substantz / sondern ein Accidens
sey / etc. ist ein lauter Gedicht. Dann die ersten Wort reden von den gar
einfältigen Christen / die dieser Wort keines verstehen / auch noch keine̅ gründtlichen Bericht von diesem Streit haben / derer ja billich
zu verschonen ist / vnnd sehen auff den Anfang dieses Streits / da solche Wörter
dem gemeinen Mann noch gar frembde waren / die folgenden aber gehen auff die
Sache selbst / vnnd da
|| [119]
einer
gefragt würde / der die Sach verstehet / was Substantia vn̅
Accidens sey / daß derselbige auß vnnd nach Gottes Wort antworten solle / die
Erbsünde sey nicht deß Menschen Substantz / Natur oder Wesen / sey auch nicht
die verderbte Natur ohne allen Vnderscheid selbst: sondern sey eine zufällige
tieffe Verderbung der gantzen Natur / etc.
Daß wir halten sollen / es könne keiner kein Theologus werde̅(Xx. 5.) ohne den Aristotelem / etc. ist eine
vnuerschämpte Vnwarheit / vnnd bedarff derwegen keiner weitläufftigen
Antwort.
VIII. Was die Wort deß Concordi Buchs pag 264. antrifft / soll den Kirchen vnnd
Schulen dieses ärgerlichen vnnd hochschädlichen Streits zu Grunde abgeholffen
werden / ist von nöhten / daß menniglich deßhalben eigentlich berichtet / etc.
sind sie secundùm quid geredet / nemblich in Betrachtung / wie hart Illyricus in
seinen Büchern getrieben / daß die Erbsünde ein Substantz were / eben in dem
Verstande / wie das Wort Substantz in der Abtheilung der Substantz vnnd
accidentis oder zufälliger Dinge in Schulen gebraucht / vnd den zufälligen
Dingen entgegen gesetzt wirdt / als in seinen Demonst. fol. 321. 322. vnnd
dergleichen mehr Orten zu sehen ist. Hat nun die Kirche für Illyrici Schwarm vnd
falscher Lehre sollen gewarnet vnd / so viel an vns ist / diesem Streit
abgeholffen werden / ist ja freylich von nöhten gewest / daß menniglich dauon
eigentlich berichtet würde. Gehet also dieses alles auff die Wörter selbst /
Substantz vnd zufälliges Ding / vnnd auff Illyrici / der deß Schulworts
Substantz gebraucht / Treiben vnd Dringen. Sonst / was die Sache an jhr selbst
betrifft / sagt das Concordi Buch nicht / daß sie auß diesen Schulworten solle
entschieden werden: sondern viel mehr auß Gottes Wort / vnd Artickeln deß
Christlichen Glaubens / wie dann auch solcher Grundt im Concordi Buch deutlich
vnd klar gezeiget ist. Darumb sich dann diese Leut billich schämen solten / was
secundùm quid oder einer gewissen Vrsachen halben also geredet ist / simpliciter
oder also zu deuten / gleich als lehrete das
|| [ID00250]
Concordi Buch / daß die Erörterung
dieses Streits alleine auß diesen Schulworten / vnd nicht auß der Heiligen
Schrifft / solte oder müste genommen werden.
Wann dieses erwogen wird / so fället das gantze Geschwetz zuboden / daß sie
dieses Orts / vom Arrianischen Friede / von Zwinglianern vnd von Victorino,
&c. treiben.
IX. Fechten sie an / daß im Concordi Buch pag. 264. gesetzt / wann gefragt wirdt
/ was die Erbsünde für ein Accidens oder Zufall sey / darauff könne kein
Philosophus / kein Papist / kein Sophist / ja keine Menschliche Vernunfft
antworten / etc. geben für / daß solchs im Concordi Buch gesetzt sey / daß wir
vns selbst bedüncken lassen daß wir mit dem Wort Accidens nicht bestehen können
/ etc. Ist aber jhr eygen Gedicht.
Dann es ja wahr ist vnd bleibet / daß die Erbsünde kein Substantz ist / dann alle
Substantzen von Gott selbst erschaffen sind / so ist sie auch nicht die
verderbte Natur deß Menschen / dann die ist auch eine Substantz / sondern ist
eine böse qualitas oder tieffe Verderbung / tieffer Schade vnd Gebrechen in der
gantzen Menschlichen Natur. In Summa / die Erbsünde ist nicht eine schlechte
geringe qualitas, eine schlechte geringe Verderbung / Seuche / Schaden vnd
Gebrechen: sondern ein solcher grosser Schade / den keine Menschliche Vernunfft
in diesem Leben gnugsamb verstehen oder außreden / viel weniger aber heilen /
wenden oder außwaschen kan / vnd ist dieses kein Schafpeltz / sondern die
Warheit selbst / wie bißhero gewaltig erwiesen.
Setzen auch hiermit im geringsten nicht / daß man Philosophische vnnd schwärmer
Wort brauchen / vnnd den rechten Verstandt auß der Heiligen Schrifft nehmen
möge: sondern wir kehrens vmb / lehren vnnd sagen also / daß / weil man auß
Gottes Wort starcken vnnd vnumbstößlichen Grundt hat / daß die Erbsünde kein
Substantz ist / auch nicht die verderbte Natur deß Menschen selbst ist: sondern
eine tieffe Verderbung der Substantz / Wesens oder
|| [120]
Natur deß Menschen / vnnd
aber sich die Lehre / in Gottes Wort hieruon fürgeschrieben / gar fein mit dem
vblichen Schulwort Accidens, Zufall / etc. vergleichet / daß mans derhalben
sicherlich vnd gar wol in diesem Streit brauchen könne vnd möge. Vnd wöllen
zusehen / wer vns solche Maximam nehmen solle.
Möchten doch diese schwärmerische Köpffe noch wol mehr auff daß Christliche
Concordi Buch dichten / müst es darumb als baldt eitel Warheit vnd lauter
Euangelium seyn?
Von Arrianischen Glossen ist an seinem Ort Bericht geschehen / reimet sich im
Grunde zu dieser Sache nichts / alleine daß dieser Meister es dafür hält / wann
er nur ein Ding vielmahl repetiert / vnnd grosse Bücher voll klickt / so habe er
schon gewonnen.
Sie wollen sich das Wort Substantz in diesem Streit / welchs doch / wie zum
offtermal erwiesen / voller Gottslästerung steckt / nicht nehmen lassen / so
werden wir vns die Wort: Zufall / Schaden / Vnart / Gebrechen / Mangel /
Verderbung / vnnd was dergleichen sind / die in Gottes Wort so starck gegründet
/ durch jhr Geschrey noch viel weniger auß den Händen reissen vnnd abschwetzen
lassen.
Wir brauchen vns auch keiner Glossen vnd Spitzbübischen Deuteleyen / dawider
Lutherus in seinem seruo arbitrio geschrieben / haben auch mit dem Interim oder
andern nichts gemein / sondern haben vnsere Lehre mit starcken guten Gründen
Göttliches Worts / auß den dreyen Symbolen vnd andern reinen Schrifften
dargethan / lassen vns auch dieselbige durch jhr erdichtes Plauderwerck nicht zu
Wasser machen / da ist dencken an verloren. Wöllen sie zur Warheit tretten / gut
/ wo nicht / mögen sie auff jhr Ebenthewr jmmer hin fahren / doch jam̅ert vns jhr Verderben / woltens auch gerne wenden / wann wirs nur
köndten. GOTT bekehre sie / Amen.
|| [ID00252]
(Z z iij. fac. 2.)
Lutheri Spruch Tom. 1. VVittenberg. fol. 106. So kräfftig ist deß Teuffels
Triegerey vnd Zeuberey in allen Schwärmern / daß sie frey rhümen / ja auffs
allerthewerste schweren dörffen / sie haben die aller gewisseste warheit / etc.
welchen sie hie einführen / gehet so gewaltig auff jhre schwärmerische falsche
Lehre / welche sie auß Illyrici Schwarmbüchern gesogen vnnd für die gewisse
Warheit halten / daß er sie nicht wol besser treffen köndte / mögen demnach wol
zusehen / daß sie in der Gnaden Zeit Busse thun vnnd sich zu Gott von jhrem
Irrthumb bekeren.
Gern wolte das Gegentheil die Beschreibung der Erbsünde / auß den
Schmalkaldischen Artickeln genommen / daß sie nemblich sey eine tieffe
Verderbung / ein vnaußsprechlicher Schade / etc. vmbreissen oder zum wenigsten
zweiffelhafftig machen / aber es soll jhnen / ob Gott will / fehlen.
Sie sprechen / wir verstehen das Wort Verderbung für das jenige / so die Natur
verderbt hat / sie aber verstehens mit Luthero passiuè, nemblich daß die
Erbsünde sey das Corruptum, die gantze verderbte Natur vnd Wesen / etc.
Daß aber vnser Verstandt recht sey / erscheinet auß den vielfältigen Gründen /
damit wir bißhero den Vnderscheid zwischen der verderbten Natur vnd zwischen der
Erbsünde selbst durch Gottes Gnade erwiesen haben / darauff wir vns auch
dißfalls referieren.
Hergegen daß jr Verstandt falsch sey / erscheinet erstlich auß de̅
erwiesene̅ Vnderscheid der verderbte̅ Natur
vn̅ Erbsünde. Zum andern auß Lutheri Worten selbst / der da
spricht (die Wort sind droben allegiert) die Natur bleibe / ob sie auch gleich
verderbt sey. Item: Eben dieselbigen Gliedmassen bleiben. Zum dritten / daß
Lutherus das Wort / passiuè, in der Lehre von der Erbsünde / als sie es dieses
Orts anziehen / nicht brauchet / könnens auch solcher Gestallt auß Luthero nicht
erweisen. Zum vierdten / daß / wo jhr Verstandt solt recht seyn / folgen müste /
daß der Mensch durch die Sünde wesentlich gantz vnnd gar abgetilget vnnd ein
ander newer Mensch / dem
|| [121]
nach
von Adam vnderscheide̅ geworden / welchs eine grewliche Vnwarheit
vn̅ Gottslästerung ist. Dan̅ Prosper Aquitanicus
contra Collatore̅ recht schreibet: Naturę humanę, cuius creator
est Deus, etiam post praeuaricationem manet substantia, manet forma, manet vita,
& sensus & ratio, caeteraque corporis atque animi bona, quae etiam malis
vitiosisque non desunt. Das ist / die Menschliche Natur / welcher Gott ein
Schöpffer ist / behält auch nach dem Fall jre Substantz / Gestallt / Leben /
Sinne / Vernunfft / vnd andere Güter vnd Eygenschafften deß Leibs vnd der Seele
/ an welchen es auch den bösen vnd lästerhafftigen Leuten nicht mangelt. Zum
fünfften / müsten alle die schreckliche Lehren wahr seyn / daß Christus Fleisch
wesentlich von vnserm Fleisch vnderschieden / vnd er nicht warhafftig vnser
Fleisch vnd Bruder were / vnd derhalben vns auch nicht erlöset hette. Item / daß
Christus die Erbsünde selbst erlöset / daß er sie heiliget / gerecht vnd selig
machet / etc. Vn̅ was dergleichen für Gottslästerungen mehr sind /
an seinem Ort ordentlich nacheinander erzehlet.
Zu dem ists nicht wahr / daß die Schmalkaldischen Artickel lehren solten / daß
die Erbsünde sey das Corruptum, das ist / die verderbte Natur selbst / dann sie
sagen deutlich vnnd klar / die Erbsünde sey eine tieffe Verderbung der Natur /
etc. vnnd sagen mit keinem Wort / daß sie die verderbte Natur one Vnderscheid
selbst sey. Aber hieruon ist droben weiter Bericht geschehen.
Ob auch D. Lutherus Genesis 3. schreibet / die gantze Vernunfft sey geschwechet /
die gantze Natur sey in etwas anders verwandelt: So erkläret er sich doch / als
droben deutlich außgeführet / daß er solche Verwandelung verstehe von der
Verlierung der guten Kräfften vnnd Eigenschafften / vnnd hergegen von den bösen
Eygenschafften oder böser Vnart / welche durch die Sünde in die Menschliche
Natur kommen ist / vnnd nicht von der wesentlichen Verwandelung deß gantzen
Menschen in ein ander newes vnd
|| [ID00254]
dem
vorigen vngleiches Wesen / wie diese Leut dichten vnd schwärmen. Setzet auch mit
klaren Worten etlich mahl / daß die Vernunfft / der Verstandt / die Natur bleibe
/ alleine daß sie sehr verderbt sind. Aber hieruon ist droben weiter berichtet /
dieses Orts vnnötig zu erholen.
Vnnd eben dieses bezeugen auch die Wort Lutheri / so Gegentheil auß dem 2. Capit.
Genesis hie wider sich selbst einführet: Die Erbsünd wirdt recht genannt alles
das / was Adam durch den Fall verloren hat / von dem / das er in seiner
vnuerruckten Natur vor dem Fall gehabt hat / als daß er gerecht / auffrichtig
oder vnschüldig / eines fürtrefflichen Verstandes / etc. gewesen. Nun hat ja
Adam durch den Fall sich selbst oder sein Substantz / Natur vnnd Wesen nicht
verloren / wie Augustinus in sententiis fein redet: Homo factus est immortalis,
Deus esse voluit. Non perdidit, quòd homo erat, sed perdidit, quòd immortalis
erat. Das ist: der Mensch ist vnsterblich erschaffen / aber er hat gar wöllen
GOTT seyn / Nun hat er das nicht verlorn / daß er ein Mensch war / sondern das /
daß er vnsterblich war: Sondern das hat er von seiner vnuerrückten Natur / die
er vor dem Fall gehabt / verloren / daß er gerecht / auffrichtig / vnschüldig /
etc. gewest. Das sind aber Eigenschafften oder Gaben in seiner Natur gewest /
vnd nicht die Natur / Substantz oder Wesen Adae selbst / sonst hette er sie ohne
Verlust seiner Natur vnnd Wesens nicht verlieren können / weil er sie aber / als
Lutherus recht in seinem Genesi schreibet (doch ohne Verlierung seiner Natur)
verlohren hat / so muß ja ein anders die Natur seyn / vnnd ein anders / das er
darauß verloren hat / vnnd also fort muß auch ein anders die verderbte Natur /
darauß solche Gaben verlohren / vnnd der Schade / der drauff gefolgt ist / etc.
seyn. Das werden sie vngebissen lassen müssen / wie wunderbarlich sie sich auch
verdrehen können.
|| [122]
Darumb auch Lutherus Genes. 2. schreibet: Homo habet pedes, oculos, aures, sicut
in paradiso hac forma conditus est, sed haec ipsa membra miserrrimè corrupta
& deformata sunt post peccatum. Das ist / der Mensch hat noch jetzt die
Füsse / Augen / Ohren / wie er im Paradeiß in dieser Form erschaffen ist / aber
diese Glieder sind nach der Sünde schändtlich verderbet vnnd verstellet / etc.
Darumb dann jhr Verstandt stracks wider Gottes Wort / die Warheit vnd wider
Lutheri Lehre leufft / wie hoch sie sich auch bemühen / auß Lutheri Schrifften
jhrem Irrthumb vnd falschen Wahn ein Ansehen zu machen.
Auff die ander Sprüche Lutheri / so sie hie abermals erholen(Zz. iiij. fac. 2.) / ist zuvor offt geanwortet
worden.
Daß im 14. Psalm gesagt. Sie sind Corrupti, oder / wie es D. Lutherus im Gesang
geben hat: Ihr Wesen ist verderbet zwar / ist Gegentheils falscher Lehre
durchauß zu wider. Dann ein verderbt Wesen haben / vnnd die Verderbung selbst
seyn / ist nun vielmal erwiesen / daß nicht einerley / sondern vnderschiedene
Dinge sind / wie solchs auch die Art zu reden selbst mit sich bringt. Darumb
auch Augustinus lib. 2. de moribus Manichaeorum cap. 5. recht schreibet:
Corruptio non est in seipsa, sed in aliqua substantia, quam corrumpit. Non enim
substantia est ipsa corruptio. Das Verderben ist nicht in jhm selbs / sondern in
einer Substantz / die es verderbet. Dann die Substantz ist nicht das verderben
selber. Welche Wort klar widersprechen / daß corruptio & corruptum, die
Verderbung vnnd das verderbte solten einerley seyn.
Also daß der Apostel / 1. Corinth. 15. das Wort
corruptio für das Wort brauchen solle / in dem Spruche:
Das verwehßliche wirt anziehen das vnuerwehßliche / ist / mit Verlaub zu meiden
/ eine grosse / grobe / greiffliche Vnwarheit. Dann da
|| [ID00256]
nicht stehet das Wörtlein , sondern , wie das der Text Pauli
selbst gibt. Vnd ist sich nicht wenig vber solcher mutwilliger Verfälschung der
Wort deß Apostels / welcher sich Gegentheil hie gebrauchet / zu verwundern.
Daß allen rechtschaffenen Theologen vnnd Luthero diese Reden gleich gelten
sollen: Die Erbsünde ist die Verderbung der Natur / vnd: Die Erbsünde ist die
verderbte Natur deß Menschen selbst / deß wirdt sich niemandt bereden lassen /
dann der von diesen Leuten vnnd jhrem schädlichen Schwarm Geist schändtlich
bezaubert vnd eingenommen ist. Dann die erste Rede leßt den Vnderscheid zwischen
der Sünde / vnnd zwischen der verderbten Natur bleiben. Die ander Rede aber
hebet denselben / Gottes Wort vnd Lutheri Lehr zuwider / gantz vnd gar auff.
(A A. ij. fac. 2.)
Daß sie auch mit prächtigen Worten fürgeben / wann wir nicht zulassen wollen /
daß die Erbsünde die verderbte Natur selbst sey / so sollen wir jhnen sagen /
was dann die Erbsünde eigentlich sey. Sagen wir / sie sey ein Accidens oder
böser Zufall / so lauffe die gemeine Beschreibung deß Accidentis darwider. Sagen
wir aber / sie sey etwas wesentliches / so stecke ein Manicheer in vnsern
Hertzen. Darauff antworten wir richtig / die Erbsünde sey eine tieffe Verderbung
der gantzen Natur / vnd nicht die verderbte Natur selbst / vnd sey also ein
böser Zufall in der Natur / vnd lauffe doch vnser Lehre nicht wider die gemeine
Beschreibung / was Accidens sey / nemblich das ohne Verderbung deß / darinnen es
ist / könne darbey oder daruon abe seyn. Dann wir nemmen das Wörtlein Verderbung
in dem Verstande / da es nicht heißt eine gantze Zerstörung / wie es in Physicis
gebraucht wirdt / sondern eine solche Verderbung / die zwar die gantze
Menschliche Natur an Leib vnnd Seel hart verderbt hat / aber doch die Natur
Leibs vnd der Seelen nicht baldt gantz abgetilget vnnd in ein newes Wesen
verwandelt / sondern bleiben lassen also / daß verderbte Natur vnd Verderbung
nicht ohne Vnderscheid ein Ding sindt.
|| [123]
Solcher Gestallt ist vnd bleibet die Sünde ein zufällig Ding / welches ohne die
gantze Vertilgung vnd Verwandlung Menschlicher Natur in derselben ist / aber
nicht one eine solche Verderbung / dadurch die Natur alle jre gute
Eygenschafften behalten vn̅ vnverderbt blieben / sonder dadurch
sie / was sie von gute̅ Eygenschafften gehabt / schändtlich
verloren / vnnd hergegen gefährliche Mängel / Gebrechen vnd Vnart vberkommen /
daß sie vngerecht / vnrein vnd vnheilig / etc. worden. Wie solches droben nach
der länge außgeführet / dahin wir den Christlichen Leser hiermit wöllen gewiesen
haben / daß ein Ding nicht so viel mal dürffe weitläufftig erholet werden.
Daß aber die Erbsünde solle etwas wesentliches im Menschen seyn / als die
Manicheer gehalten / da sagen wir rundt Nein zu / wie nuhn zum offternmal
angehöret: Bleibet also vnser Lehr beständig / vnnd folget der keines / welches
sie darauß zu folgen vermeynen.
Von der Gleichniß vom Gifft / so hie repetiert / ist auch droben Bericht
geschehen / darbey es billich bleibet.
Daß wir aber ein nihil negatiuè, auß der Erbfünde machen solten / das dichten sie
vns mit lauter Vngrunde an. Heist das ein nihil negatiuè oder nichts auß der
Erbsünde machen / wann man auß vnnd nach Gottes Wort lehret / daß sie sey eine
tieffe Verderbung der gantzen Natur oder Menschliches Wesens / ein
erschrecklicher grosser Schade / Mangel / Gebrechen in Leib vnnd Seele /
Finsterniß im Verstande / in geistlichen Sachen / daß das Hertz zum Zweiffel /
Vngedult / vnd allem Argen geneigt / daß der Wille deß Menschen verkehret vnd
zum guten erstorben / vnd daß solcher Schade also schwer vnnd groß sey / daß jn
keine Vernunfft gnugsamb verstehen / auch keine blosse Creatur tilgen / sondern
alleine von dem einigen Sohn Gottes Christo Jesu getilget vnd abgeschaffet
werden könne? Das können wir alle recht verständige Christen vr
|| [ID00258]
theilen lassen. Vnnd mögen sie
eben zusehen / mit was Gewissen sie dermal eins vor dem Richterstul Ihesu
Christi solche jhre Aufflagen vnd Beschüldigungen / darmit sie vns für Gott vnd
seiner lieben Kirchen beschweren / außfündig machen vnnd verantworten
wöllen.
(A a. iij. fac. 2.)
X. Nochmals wöllen sie erweisen / daß D. Lutherus nicht gehalten habe / daß die
Erbsünde ein böser Zufall vn̅ Verderbung der Natur vnd
Menschliches Wesens sey / vnd daß das Concordi Buch vnrecht daran thue / daß es
sich dißfalls auff Lutheri Lehre beruffe. Ist aber den mehrer Theil nur eine
Widerholung der Sprüche oď Zeugnissen Lutheri / von denen wir bißhero gehandelt
vn̅ Bericht geben haben / darum̅ nit nöhtig /
alles zu erwidern / was hie repetiert / vn̅ den Christlichen Leser
damit auffzuhalten. Doch wöllen wir nichts / das zur Sache dienlich ist / aussen
lassen oder vorbey gehen.
Auff die Wort / daß die Sünde von deß Menschen Wesen sey / ist droben Bericht
geschehen.
Daß Lutherus schreiben solle / es könne ein Theologus nichts vngereumbters
fürbringen / dann wann er die Erbsünde ein Accidens oder Zufall nennet / ist auß
Lutheri Büchern mit diesen Worten / als es eitiert / nimmermehr zu erweisen.
Lutheri Wort in Genesi cap. 8. Non leuis hic morbus seu defectus est, sed extrema
, cuius simile tota reliqua creatura, exceptis
Daemonibus, non habet. Die Erbsünde ist kein geringer Schade oder Kranckheit /
sondern die eusserste Vnordnung / dergleichen sonst die gantze Creatur /
außgenommen die Teuffel / nicht hat / etc. nemmen wir für bekandt an / vnnd
lehren eben dasselbige mit Luthero / wider alle die jenigen / welche den
Erbschaden verkleinern. Es folgt aber nicht: Die Erbsünde ist kein geringer /
sonder ein grosser Schade. Ergo, so ist sie die verderbte Natur selbst / dann
das sagt D. Lutherus nicht.
Also nemmen wir auch Lutheri Wort wider Latomum an / in welchen er lehret die
Erbsünde exaggerieren vnnd großmachen.
|| [124]
Wie auch Pauli / Rom. 7. da er spricht / daß sie jn gefangen nimbt
/ vnd was dergleichen mehr sindt. Aber auß dem allen folgt nicht / daß darumb
die Erbsünde die verderbte Natur selbst sey / so sagt es auch jhr keiner
nicht.
Hie wirdt das Argument getrieben / das Illyricus stets geführet hat:
Was so kräfftiglich wircket vn̅ widerstrebet / das kan ja nicht
nuhr ein Accidens oder zufälliges Ding seyn / sondern es muß ein Wesen seyn /
das seine Wirckungen hat.
Die Erbsünde / wie Paulus Rom. 7. schreibt / wircket vnnd wider strebet
kräfftiglich im Menschen.
Darumb so kan sie ja nicht nur ein Accidens oder zufälliges Ding seyn / sondern
muß ein Wesen seyn / etc. Dann ein Accidens ist nichts / wircket nichts /
etc.
Antwort: In dieser Schlußrede sindt quatuor termini, wie man in Schulen zu sagen
pflegt / dann die erste Proposition redet von einer solchen Natur / von der
eygentlich die Wirckungen / als von jhrem rechten Quellbrunn / herkommen / das
ist / von dem Wesen der vernünfftigen Seele. Die ander Proposition redet von
einem zufälligen Dinge / das für sich selbst nicht ist noch bestehet / sondern
allein in dem Wesen der Seelen oder Menschlichen Natur ist / vnd dannenher die
Wirckunge derselben böse sindt vnnd dem Gesetz Gottes widerwertig.
Auff eine andere Art wircket die Seele / auff eine andere die Boßheit oder
Verderbung in der Seelen. Das wircken / eygentlich zu reden / ist der Seelen
oder jhrer Kräfften / daß aber die Wirckungen gut oder böse sindt / das kompt
von zufälligen Dingen her / als zum Exempel: Ein guter Baum bringet gute Früchte
/ nicht so ferrn er ein Baum ist / sondern so ferrn er gut ist. Ein böser Baum
bringet böse Früchte / auch nicht so ferrn er ein Baum ist / sondern so ferrn
oder dieweil er böse ist. Also verhält sichs
|| [ID00260]
auch im Menschen / ist er ein guter
Baum / oder zu Gott durch den Glauben an Christum bekehret / so bringt er gute
Früchte / dieweil seine Natur vernewert ist / newe Liecht vn̅
Leben empfangen hat / als solchs in Paulo / Rom. 7. zu sehe̅. So
ferrn er aber noch die alte Vnart an sich hat / widerstrebet sein Fleisch dem
Gesetze Gottes / vnnd thut nicht alles / das er gern wolte. Darauß richtig zu
verstehen / daß / ob wol der Sünde in Paulo Roman. 7. Wirckungen zugeschrieben /
so geschehe es aber doch nicht eygentlich zu reden / sondern darvmb vnd daher /
daß die Substantz der Seelen / so viel das böse oder gute anlangt / nicht anders
wircket / dann nachdem sie gute oder böse Art oder Eygenschafften hat. So ferrn
sie nuhn gut oder durch den Heiligen Geist vnnd Glauben vernewert ist / wircket
sie guts vnd das Gott gefällig ist / so ferrn sie aber noch vnvernewert ist /
vnd noch böse vnart an sich hat / so ferrn wircket sie noch böses / vnnd das
Gott mißfällig ist. Wirdt also der Sünde in Paulo / Roman. 7. Wirckung
zugeschrieben per metaphoram, wie mans in Schulen nennet / da das jenige / das
eygentlich einer lebendigen Creatur zustehet / einem vnvernünfftigen Dinge
zugeschrieben wirdt. Als ludicum 9. da die Bäume das Reich erstlich dem Oelebaum
/ darnach dem Feigenbaum vn̅ Weinstock / endtlich aber dem
Dornstrauch aufftragen / der es mit gewisser Bedingung annimbt. Darauß folgt
aber nicht / daß darumb solche Bäume vernünfftige Creaturen gewest / weil jhnen
vernünfftige Rede zugeschrieben werden. Wan̅ die Erbsünde ein
vernünfftige Creatur were / vn̅ für sich selbst jre Wirckungen
hette / so were es recht / daß jr eygentlich solche Wirckungen oder Herrschafft
zugeschrieben würde. Weil aber weder Paulus noch sonst einiger rechtschaffener
reiner Lehrer sagt / daß die Erbsünde eine vernünfftige Creatur sey / so
verstehet es sich selbst / daß jhr die Wirckung vnd Herrschafft im Menschen
nicht eygentlich / sondern figürlicher Weise zugemessen werde. Da auch der
Erbsünde die Wirckung / eygentlich zu reden / solten zugelegt werden / so müste
vnwidersprechlich folgen / Erstlich / daß Gott selbst die
|| [125]
Erbsünde geschaffen: Sintemal
keine vernünfftige Natur ist oder seyn kan / die Gott selbst nicht geschaffen
habe. Da nuhn die Erbsünde eine vernünfftige Natur were / so müste sie von Gott
erschaffen seyn. Das aber ist eine grewliche Gotteslästerung / wider den
Artickel von der Schöpffung. Zum andern / daß in einem jeden bekehrten Menschen
zwo vernünfftige Naturen oder zwo vernünfftige Seelen weren / die eine die
Erbsünde / so noch zum theil vbrig vnnd sich im Menschen regte. Die ander / so
der Mensch auß der Vernewerung empfangen / vnd dadurch er der jnwohnenden
Erbsünde widerstrebete / das aber ist auch falsch vnd Gottslästerlich / vn̅ hat S. Paulo / Rom. 7. nie geträumet / wie das alle
rechtschaffene Christen wissen vnd verstehen.
Nochmals wolten sie vns gerne den Spruch Lutheri / Psal. 90.(B b. fac. 1.) Siue igitur peccatum originis
qualitatem siue morbum vocacauerimus, profectò extremum malum est, non solùm
patiaeternam iram & mortem, sed ne agnoscere quidem, quae pateris. Das ist /
Wir nennen die Erbsünde eine Qualitet oder Seuche / so ist sie fürwar der
eusserste Schaden / daß wir nicht alleine den ewigen Zorn Gottes vnnd den ewigen
Todt leiden sollen: sondern auch nicht verstehen sollen / was wir leiden / etc.
nemmen / vnd geben für / Lutherus rede da nicht assertiuè vel approbatiuè,
sondern er rede mimitics, recitatiuè, in der Person der
alten vnnd neuwen Sophisten / vnnd improbatiuè, mit grossem Vnwillen / als der
jm keines Weges gefallen lasse / daß die Sophisten die Erbsünde ein Accidens
oder Qualitet Kranckheit oder Schwachheit genennet haben.
Wie beweysen sie aber solches? Höre Wunder vber Wunder / sie sprechen / Lutherus
habe wider die Sacramentierer geschrieben / sie nem̅en in den
Worten: Das ist mein Leib / Quod pro qualiter. Item: Der Geist macht auß quod
quale. Item: Die logici wissen wol / daß sub termino substantiali non potest
subsumi accidentalis. Item: Es ist ein Zwinglische Logica, substantia pro
ac
|| [ID00262]
cidente, & co̅tra, accidens pro substantia, &c. Das ist / Die Substantz für
das Accidens / vnd das Accidens für die Substantz nemmen / etc. Das soll nuhn
die Beweysung seyn.
Wir haltens darfür / der Christliche Leser werde es schwerlich gläuben können /
daß sie solche Beweysung führen / aber da stehet Buch vnd Blat / da solcher
Beweiß verzeichnet ist.
(B b. iiij. fac.)
Nuhn beruffen wir vns auff aller verständigen Christen Vrtheil / ob das beweisen
heisse / oder aber viel mehr seine Thorheit vnd Vnverstandt an Tag geben.
Die Frage stehet darauff / Ob Lutheri Wort / Psalm. 90. von jhme also geredt seyn
/ daß er darfür gehalten / die Erbsünde sey ein Qualitet / Seuche oder Accide̅s / oder aber / ob ers nicht also gemeynet / sondern die
Sophisten derwegen gestrafft / daß sie gelehret / die Sünde sey ein Qualitet
oder Seuche / vnd ein ernstlich Mißfallen ob solcher Lehre gehabt. Wir sagen ja
/ Lutherus habe es also gemeynet / wie die Wort lauten / Sie sagen Nein darzu.
Nuhn sollen sie jhr Ja beweisen. Wie beweisen sie es dann? Also sprechen sie:
Dann Lutherus hat wider die Sacramentierer geschrieben / es sey nicht recht in
den Worten: Das ist mein Leib / Quod pro qualiter. Das ist / Das Wörtlein (Der)
welches eygentlich auff die Substantz deß Leibs Christi zeiget / für dz Wörtlein
(qualiter) nem men / das ist / für die Krafft oder Wirckung deß geereutzigten
Leibs. Dann es ist vnrecht in der Logica, wann man das Accidens oder ein
zufälliges Ding für die Substantz eines Dinges nimbt / wie Zwinglius gethan.
Lieber wie reymet sich aber solche Beweisung zu dieser Frage vber Lutheri Worten
von der Erbsünde? Eben wie der Schnee zum Glocken giessen.
Dann erstlich ist der Streit von der Erbsünde / welche Lutherus mit deutlichen
Worten eine Qualitet oder Seuche / vn̅ nicht ein Substantz oder
Wesen nennet / sie widersprechens so hoch als sie jm̅er wöllen /
so führen sie Beweiß auß den Worte̅ vom Abendmal / in welchen
Zwingel das Accidens oder das zufällige Ding für das
|| [126]
Wesen oder die Substantz deß
Leibs Christi genommen hat. Das reimet sich eben so viel zusammen als
nichts.
Fürs ander / wann sich dieser jhr Beweiß reymen solte / so müste D. Lutherus
selbst für einen Zwinglischen Logicum außgeruffen werden / der das Accidens,
Qualitet oder Seuche für die Substantz genommen / vnd da er die Erbsünde hette
ein Substantz / Wesen oder die verderbte Natur selbst nennen sollen / so hette
ers auß falscher Logica ein Qualitet / Accidens oder Seuche genennet.
Fürs dritte / sindt Lutheri Wort wider Zwinglium wol recht vnd gut / dann es ja
vnrecht in den Worten deß Abendtmals / Accidens für die Substantz nemmen / aber
daß sie erweisen solten / daß Lutherus / Psalm. 90. solte anderst geredt haben /
als ers gemeynet / das kan nimmermehr auß denselben erzwungen werden / wie
solches alle verständige für sich selbst sehen vnnd bekennen müssen.
Bleibt demnach wol darbey / daß Lutherus Psalm. 90. geredt habe / wie ers gemeynt
/ vnnd wie die Wort an jhnen selbst lauten.
Daß auch Lutheri Wort müssen assertiuè, oder wie sie lauten / verstanden werden
vnd nicht anderst / erscheinet darauß / daß er klar spricht: Wir heissen die
Erbsünde eine Qualitet oder Seuche / so ist sie fürwahr der eusserste Schaden /
da er ja sich selbst mit begreifft / vnd assertiuè setzet vnd lehret / daß die
Erbsünde eine Qualitet oder Seuche sey / aber nicht eine geringe Seuche /
sondern eine eusserste / schwere / gefährliche / vnd Menschlichen Kräfften
vnheilbare Seuche.
Sie bringen noch einen Beweiß auß Lutheri Buch de captiuitate Babylonica, da er
der Sophisten Lehre von der Transsubstantiation straffet / vnnd saget / daß die
Leyen niemals recht verstanden haben die Philosophiam von den Substantien vnd
zufälligen Dingen / wie die Philosophi darvon disputieren. Ergo, so soll
|| [ID00264]
folgen / daß Lutherus / Psalm. 90.
improbatiuè geredt / vnnd das Wort Qualitet oder Seuche verworffen hab. Risum
teneatis amici. Wer hat doch sein Tage solche kindische Beweysungen oder
Folgereyen gehöret? Noch soll vnnd muß es diesen Schwarmgeistern eitel Weißheit
vnd Warheit seyn vnd heissen.
Das ist wol wahr / daß Lutherus sonsten hin vnnd wider der Sophisten Lehre
gestrafft / daß sie auß der Erbsünde ein solche geringe Qualitet oder Gebrechen
gemacht / gleich wie ein Farbe an der Wand ist / auch ferrner fürgeben / daß sie
leichte durch die Werck der Liebe köndte außgewaschen werden. Daß er aber das
Wort (Qualitet / Gebrechen / Seuche / etc.) an jhme selbst solte verworffen
haben / auch gantz vnd gar nicht gewolt / daß die Erbsünde ein Qualitet oder
Seuche im Menschen were oder solte genennet werden / das werden sie nimmermehr
auß Luthero gutthun / dessen sind wir gewiß. Dann er die Erbsünde nicht alleine
/ Psalm. 90. eine Qualitet / Seuch oder Gebrechen nennet / sondern auch anderswo
die Wort: Defectus, morbus, priuatio, Gebrechen / Kranckheit / Mangel / zu
etlichen malen gebraucht / als Genes. 2. Item. 8. vnnd an vielen Ohrten
mehr.
(Cc. j. fa. 1.)
Daß auch Lutherus nicht simpliciter verneynt / daß die Erbgerechtigkeit eine
Qualitet oder Gabe gewest / sondern alleine secundùm quid, das ist / auff eine
gewisse Masse / ist darauß offenbar / daß er fürnem̅lich dieses an
der Sophisten Lehre / Genes. 2. vnnd 3. straffet: Daß sie die Erbgerechtigkeit
für eine solche Qualitet gehalten / welche nuhr eine Gabe were / so von aussen
an der Natur klebte / vnd von der Natur abgesündert were / gleich wie ein Krantz
auff einer Jungfrawen Häupt / der nicht zur Natur der Junfrawen gehöret / da
doch die Erbgerechtigkeit connaturalis, mitnatürlich gewest / oder warhafftig in
der Natur Adae gewest / auch ohne Schaden vnd Verderben seiner Natur nicht habe
können verloren werden / wie es dann auch an im selbst wahr ist.
Ebener massen strafft er auch hergegen an den Sophiste̅ / daß sie
|| [127]
die Erbsünde / so auff
die verlorne Erbgerechtigkeit im Menschen gefolgt ist / für eine solche geringe
Qualitet oder Schaden halten / dadurch die Natur nit durch vn̅
durch verderbt / sondern die nur von aussen an derfelben klebe / gleich wie eine
Farbe an der Wandt / könte auch gar leicht von der Natur durch gute Werck
abgewaschen werden / vnnd das straffen wir auch an den Sophisten mit Luthero /
wie billich.
Daß er aber solt gehalten haben / daß die Erbgerechtigkeit vn̅
Adams Natur ohne allen Vnderscheid ein Ding weren / oder daß Adams Natur die
Erbgerechtigkeit selbst gewesen / das ist ein pur lauter Gedicht dieser
Schwärmer / welchs auß Luthero nicht mag dargethan werden.
Das Widerspiel aber kan auß Luthero leicht erwiesen werden. Dann er spricht
selbst / Genes. 3. die Erbgerechtigkeit sey verlohren / vnd darumb sey die Natur
nicht mehr gantz oder vnuerderbt. Vnd Genes. 2. schreibt er: Peccatum originale
(sicut correlatiuorum natura est) demonstrat, quid sit iusticia originalis &
è contra, nempe quòd est amissio iusticiae originalis seu priuatio, sicut
caecitas est priuatio visus. Das ist: Die Erbsünde zeigt an / was die Erb
gerechtigkeit gewest / vnd hergegen / Nemblich / daß die Erbsünde ist eine
Verlierung oder Mangel der Erbgerechtigkeit / gleich wie die Blindtheit ist ein
Mangel deß Gesichts. Auß welchen Worten klar erscheinet / daß Lutherus gehalten
habe / die Erbgerechtigkeit sey nicht Adams Natur selbst gewest: Sondern eine
Gabe in seiner Natur / derselbigen eingepflantzet / gleich wie dem Auge die Art
zu sehen (wie er dann auch dieses Gleichnüß brauchet) eingepflantzet ist. Wan̅ es aber verletzt wirdt / so bleibet wol die Substantz deß Auges
/ aber die Krafft zusehen mangelt jhm. Also / spricht er / verhalte sichs auch
mit der Menschlichen Natur vnd mit der Erbsünde.
Die Seele oder Natur deß Menschen bleibe wol / vnnd sey vnuerlohren oder
vnabgetilget / aber die Krafft vnd gute Art in derselben sey hinweg vnd nicht
mehr verhanden. Anima inspicienda
|| [ID00266]
est, spricht er Genes. 2. postea etiam corpus concupiscentia sic defoedatum. In
anima autem praecipuum est, quòd amissa est cognitio Dei, quòd no̅
ei vbique & semper gratias agimus, quòd non delectamur eius operibus &
factis, quòd non confidimus ei, quòd, cùm meritas poenas infligit, incipimus
Deum odisse & blasphemare, quòd, quando cum proximo agendu̅
est, obsequimur cupiditatibus nostris, sumus rapaces, fures, adulteri,
homicidae, crudeles, inhumani, immisericordes, &c. Est quide̅
furor libidinis pars quaedam peccati originalis, sed maiora sunt illa animi
vitia: Incredulitas, ignorantia Dei, desperatio, odium, blasphemia. Has
calamitates spirituales Adam in statu innocentiae nesciuit, &c. Das ist /
die Seele muß man ansehe̅ / darnach auch den Leib / der mit bösen
Lüsten schändtlich beschmitzt ist. In der Seele aber ist dieses das fürnembste /
daß auß derselbigen verloren ist Gottes Erkändtnüß / daß wir jhm nicht
allenthalben vnnd zu aller Zeyt dancksagen / daß wir nicht einen Gefallen haben
an seinen Wercken vnnd Thaten / daß wir jhm nicht vertrawen / daß / wann er vns
vnserm Verdienst nach straffet / wir anfahen Gott zu hassen vnd zu lästern / daß
/ wann wir mit vnserm Nechsten handeln sollen / folgen wir vnsern Begierde̅ / sind zugreiffisch / Diebe / Ehebrecher / Todtschläger /
vnmenschlich / grausam / vnnd vnbarmhertzig / etc. Die Lustseuch ist wol ein
Stück der Erbsünde / die Gebrechen der Seelen aber sindt viel grösser / als da
sindt: Der Vnglaube / Vnwissenheit Gottes / Verzweiffelung / Haß / Lästerung.
Von diesen beschwerlichen Gebrechen hat Adam im Stande der Vnschuldt nicht
gewust / etc. Welche Wort klar geben / daß Lutherus die Sophisten wol gestrafft
habe / wegen deß / daß sie die Erbsünde eine geringe schlechte Qualitet oder
Seuche genannt / durch welche die Menschliche Natur oder die Seele in jhren
Kräfften nicht verderbt worden / sondern gantz geblieben. Daß er aber solte
gelehret vnnd gehalten haben / daß die Erbgerechtigkeit die gute Natur in Adam
|| [128]
selbst gewest / vnd
hinwider die Erbsünde deß verderbten Menschen Natur selbst were / vnnd nicht
eine böse Qualitas, Mangel / Gebrechen / Schade vn̅ Verderbung der
Natur / das sagen diese Schwärmer wol / aber sie beweisens nicht / werdens auch
in alle Ewigkeit nicht erweisen.
Er sagt ja nicht / daß die Seele verlohren sey / sondern daß in der Seele
Gebrechen oder Mangel seyn / vnd daß Gottes Erkändtnüß verlohren sey /
Danckbarkeit vnd Gefallen an seinen Wercken vnd Thaten / das Vertrawe̅ zu Gott: Vn̅ daß hergegen in der Seele sey /
Feindschafft wider Gott / Gottslästerung / Haß vnnd Neid gegen dem Nechsten /
vnnd andere grewliche Vntugend vnnd Gebrechen mehr. Darumb muß er ja gehalten
haben / daß ein anders die Seele sey / ein anders das Erkändtnüß Gottes vnnd
dergleichen in der Seelen / welche darauß verlohren seyn.
Wie er dann auch gleichsfalls gehalten / daß noch ein anders die Seele sey / so
viel jhr Substantz anlangt / vnnd ein anders Vnwissenheit / Blindtheit / Haß
vnnd Feindschafft wider Gott / Vnglaube vnd was dergleichen Vntugendt vnnd
Gebrechen mehr jetzt in der Seelen sind / welchs nicht Substantię oder
selbständige wesentliche Dinge sind / sondern priuationes, Mangel / Fehl oder
Gebrechen / wie es Lutherus selbst dieses Orts vnnd sonsten zu nennen
pflegt.
Demnach dan̅ Lutherus selbst beydes die Erbgerechtigkeit vn̅ Erbsünde also beschreibet / daß men̅iglich sihet /
daß er sie beyderseits für Qualitates gehalte̅ / die
Erbgerechtigkeit für eine treffliche köstliche gute Qualitet oder Gabe̅ / so in die Natur eingepflantzet gewest / welche auch ohne
Verderbung derselben nicht hat kön̅en drauß verloren werde̅. Die Erbsünde aber für eine schädliche gantz gefehrliche
eusserste böse Qualitet / Seuche / Ma̅gel / Schade̅
/ Gebreche̅ / Ver derbung / etc. dadurch die Natur schändtlich
vn̅ jämmerlich verderbt
|| [ID00268]
vnd in der Natur ist / so ist
offenbar / daß er das Wort (Qualitas oder Accidens, zufälliger Schade) in dieser
Lehre nicht gantz vnnd gar verworffen / sondern nur so ferrn / wann man mit den
Sophisten die Erbsünde eine schlimme / geringe / schlechte Qualitet oder Seuche
heissen will / gleich wie eine Farbe an der Wandt ist / etc. Weiter aber
nicht.
Welches ferner auch durch diese Wort bestettigt wirdt / so das Gegentheil auß der
Jenischen Haußpostill am 20. Sontag Trin. anzeucht: Wir mögen wol ins Teuffels
namen rühmen / die Erbsünde sey ein klein Gebrechen vnd geringer Fehl / etc.
Welchs ja eben so viel gesagt ist / als wann D. Lutherus spreche. Wen̅ man die Erbsünde einen kleinen Gebrechen vnd geringen Fehl
nennet / das ist deß Teuffels Ruhm. Wenn man sie aber / ausserhalb diesem
Verstande der Sophisten / einen Fehl / Gebrechen / Mangel / Schaden / etc.
nennet / so hat es nicht alle in nichts auff sich / sondern es kan auch mit
gutem Grunde wol geschehen / dann sie ist ja die verderbte Natur selbst nicht /
sondern von derselbigen vnderscheiden.
So viel die Wort Lutheri auß der Kirchen Postill am 16. Sontag Trinit. Darumb ist
es nicht ein zufällig Ding / oder daß der Mensch also von GOTT erschaffen were /
sondern es ist vnser Schuldt / daß wir Sünde haben / etc. antrifft / redet
Lutherus in denselbigen von der Vrsach deß Todes / vnnd sagt / daß es nicht ein
zufällig Ding sey / daß wir sterben müssen / oder daß der Mensch von Gott also
geschaffen sey / sondern er werde durch vnsere Sünde verursachet / etc. so
ziehens diese Leute / auff die Erbsünde. Wan̅s gilt / die Sprüche
solcher Gestallt zu allegieren / können sie leichtlich erweisen / was sie
wollen.
Sie citiern auch auß der Apologia diese Wort: Die Erbsünde ist nicht ein
angeflogen oder zufällig Ding / etc. Nun stehen diese Wort in Apologia im
Artickel von der Erbsünde nicht.
Lutheri Wort Tom. 3. Ienensi in der grossen Bekändtnüß / da er schreibet / er
verdamme alte vnd newe Pelagianer / so die Erbsün
|| [129]
de nicht wöllen lassen
Sünde seyn / sondern wöllen daß sie ein Gebrechen oder Fehl sey / etc. sind
nicht dahin gemeynt / daß die Erbsünde nicht könne oder solle ein Gebrechen oder
Fehl genennet werden. Dann wo dieses Lutheri intention were / müste er sich
selbst anathematisiern / dieweil er die Erbsünde gar offt ein Gebrechen oder
Fehl selbst genennet hat / als wir daruon kurtz zuvor seine eigene Wort
vernom̅en haben: sondern das verdampt er an alten vn̅ newen Pelagianern / daß sie die Erbsünde nicht wöllen lassen
Sünde seyn / sondern verkleinern / gering machen / vnd fürgeben / sie sey ein
solcher schlechter geringer Gebrechen / wie ein Farbe an der Wandt / etc. könne
auch leichtlich durch die Liebe außgewaschen werden. Vnd das verdammen wir auch
mit Luthero. Die Wort aber selbst (Gebrechen / Fehl) behalten wir mit Luthero in
jhrem rechten gesunden Gebrauch vnnd Verstande / wie sie Lutherus selbst
gebraucht / verstanden vnd behalten hat / vnnd lassen vns dieser Leut Geschrey
nicht jrre machen.
Auff den Spruch Galat. 3. Ein Sophistischer Theologus / etc. welcher hie
repetiert wirdt / ist droben außführlich geantwortet.
Da nun ein frommer Christ diesem allen recht nachdencket / so befindet er / wie
gesagt / daß D. Lutherus die Wort (Fehl / Gebrechen) in dem Sophistischen
Verstande / dadurch die Erbsünd verkleinert wirt / wol verworffen habe / aber
nicht in rechtem Verstande / den er selbst behält vnd füret / dann sonst müste
er sich selbst verdammet / vnd seine eigene Schrifften verworffen haben.
Ist demnach vnd bleibet wahr / daß die Erbsünde eine Qualitas oder böses
zufälliges Ding / ein schädlicher böser vnd gefehrlicher Gebrechen ist / vnd /
wan̅ man mit den Schulen reden will / recht ins praedicamentum
qualitatis gesetzt wirdt / ja von Luthero selbst eben damit / daß er sie eine
Qualitet vnd bösen Gebrechen vnnd Seuche nennet / in dasselbige Praedicamentum
gesetzt ist / die Schwärmer wüten vnd toben so lang als sie jmmer wollen.
|| [ID00270]
(C c. iij. fac. 1.)
Fehet der Meister ein groß vnnd lang Geschwetz an / daß sich die Schwärmer mit D.
Luthers Lehre behelffen wöllen. Dencket aber vnter deß nicht / daß jhme vnd
seinen Rottgesellen solchs selber gilt. Dann wie schändtlich er vn̅ seine Mitschwärmer Lutheri Namens vnd Schrifften mißbrauchen / vn̅ darunter jhre jrrige falsche Lehre sich zu verkauffen
vnterstehen / das haben wir / durch Gottes Gnade / bißher dem Christlichen Leser
so klar für die Augen gestellet / daß wirs in keinen zweiffel stellen / fromme
Hertzen werden solchs greiffen / vnd der Warheit wider diese Schwärmer
zufallen.
Dieser Meister machet auch ein groß Gewäsch von den Worten D. Lutheri im Concordi
Buch fol. 265. allegiert: Qui isto veneno peccati originalis à planta pedis
vsque ad verticem infecti sumus, siquidem in natura adhuc integra accidêre. Das
ist: Wir sind durch das Gifft der Erbsünde von der Fußsohlen an biß auff die
Scheytel vergifftet / dieweil solchs noch in der vollkommen Natur vns
zugefallen. Vnnd gibt für / erstlich / daß Lutheri Wort nicht gantz eitiert. 2.
Lutherus handele in gemeltem Spruch nicht eygentlich was die Erbsünde sey /
sondern von wircklichen Sünden. 3. Wir verstehen das Wort Gifft nicht recht. 4.
lassen das Wörtlein (Haec) aussen. 5. verdeutschen das Wort (accidere) nicht
recht.
Hierauff ist vnsere gründtliche Antwort / daß das Concordi-Buch / in Einfürung
dieses Spruchs Lutheri / fürnem̅lich auff die Wort gesehen / in
welchen Lutherus bekannt / daß die Erbsünde ein solch Gifft oder Vbel sey /
dadurch vnsere Natur von der Fußsohlen an biß auff die Scheytel vergifftet sey.
Welche Wort klar anzeigen / daß Lutherus die Menschliche Natur vnnd das Gifft
der Erbsünde oder die Erbsünde selbst nicht für ein Ding gehalten / vnd weil ers
nicht für einerley gehalten / so folge nach Lutheri Lehre vnwidersprechlich /
daß die verderbte Natur die Sünde selbst nicht sey. Ist sie nun die Sünde selbst
nicht / so müsse ja abermals vnuerneinlich folgen / daß die Erbsünde in vnser
Natur ein zufälliger böser Schade oder Verderbung sey Fürs erste.
|| [130]
Zum andern / ob wol Lutherus Genes. 3. darauß diese Wort genommen / von der
Euaredet / wie sie durch deß Teuffels Verführung betrogen vn̅
gesündiget hat / so accom̅odiert ers doch auch auff vns / vnd
spricht: Es sey nicht wunder / daß mit vns dergleichen geschehe / wie mit der
Heua / als die wir mit dem Gifft der Erbsünde von der Fußsohlen an biß auff den
Scheytel vergifftet sind. Welche Wort / wie men̅iglich verstehet /
eigentlich von der Erbsünde geredet sind / vnd nicht von wircklichen Sünden.
Derowegen auch recht vom Concordi Buch drauff angezogen vnnd drauß erwiesen /
daß die Erbsünde nicht die verderbte Natur selbst sey / sondern sie sey durch
dieselbige durchgifftet oder verderbet. Ist sie nun nicht die verderbte Natur
selbst / sondern ist eine Vergifftung der Natur / von der Fußsohle̅ an biß auff die Scheytel / wie Lutherus hie recht schreibet / so muß sie ja
ein zufälligerböser Schade / Gifft oder Verderbung seyn / wann die
Schwarmgeister auch noch so hefftig darwider tobeten.
Zum dritten / ist es eine greiffliche Vnwarheit / daß wir das Wort / Gifft / für
einen besondern Gifft oder etwas / so als deß Teuffels Werck in den Menschen
kommen vnnd den Menschen verderbt / verstehen solten / kan auch in Ewigkeit auff
vns nicht erwiesen werden. Dieweil aber droben auff diese Calumniam außführlich
geantwortet / wirdt es der Christliche Leser daselbs zu suchen wissen.
Daß Lutherus durchs Wort (Gifft) an diesem Ort solle deß Teuffels Persuasion oder
Lügenwort verstehen / dadurch er einen verführet / widerlegt sichs selbs. Dan̅ Lutherus in ermeldten Worten nicht mehr von Heuae Verführung
oder Sünde redet (dan̅ das hat er zuvor vnd in vorgehenden Worten
gethan) sondern von vns Menschen / die wir Heuae Kinder seyn / vnnd mit
außdrücklichen Worten die Erbsünde meldet vnnd nennet / damit wir alle
miteinander vergifftet sind.
|| [ID00272]
Daß die Schrifft sonsten das Wort Gifft für falsche Lehr (wie auch Lutherus
selbst) zu weilen gebrauche / ist vndisputierlich / gehört aber hieher nicht /
da von der Erbsünde eigentlich gehandelt wirdt / welche Lutherus einem Gifft
vergleichet / daß / gleich wie durchs Gifft deß Menschen Gesundtheit vnd Leben
beschädigt vnd verderbet wirdt / also sey auch durch die Erbsünde vnser Natur
verderbet / vnd eine schreckliche Vnordnung vnd Verkehrung in derselben
angerichtet. Also / daß der Mensch mit Leib vnd Seel von Gott vnnd seinem Gesetz
abgewandt vnd dem ewigen Tode vnderworffen ist / wo jm nicht durch Christum den
Erlöser von diesem verderblichen Gifft vnnd Schaden geholffen wirdt.
Zum vierdten / so viel das Wörtlein (Haec) antrifft / sihet vnnd verstehet
menniglich / daß es der Sachen an jhr selbst weder gibt noch nimbt: Sondern
bleibet einen Weg als den andern vnbeweglich stehen / daß die Erbsünde in sochen
Worten Lutheri also beschrieben werde / daß sie nicht sey die verderbte Natur
selbst / sondern eine Verderbung derselbigen / vnnd also ein schädlicher
Zufall.
Zum fünfften / das Wort accidere anlangendt / hat man fürnemblich dahin gesehen /
daß Lutherus in gemeltem Spruch die Erbsünde vnnd die Menschliche Natur selbst
voneinander mit deutlichen Worten vnderscheidet / auß welchem für sich selbst
folget / daß die Erbsünde nicht die Substantz der Menschlichen Natur sey /
sondern viel mehr ein malum accidens oder böser Zufall derselben.
Gerne wolte dieser Schwarm Geist auch die Erklärung der Wort Lutheri: Natur Sünde
/ Person Sünde / so im Concordi Buch dem Christlichen Leser fol. 263. gezeiget /
wider Lutheri Meynung verkehren / aber er richtet nichts auß. Vnd ist die Sach
an jhr selbst so klar / daß er auch selbst hier muß einkehren vnd seine
Verfälschung (Dd. iij. fac. j.) messigen / da er
schreibet / Lutherus nenne es eine Person
|| [131]
Sünde vnd wesentliche Sünde /
daß deß Menschen durch Adams Fall gantz verderbte Natur / Person vnd Wesen zur
Sünden / das ist / vngerecht / dem Gesetz zuwider worden / vnd eine Wurtzel
aller Sünden / etc. Sie ist / spricht er / selbst zur Sünden / das ist /
vngerecht / dem Gesetz zu wider worden. Ist nun diese seine eigne Mässignug wahr
vnd recht / so ist gewiß / daß Lutherus die Erbsünde nicht darumb Person oder
Natur Sünde heisse / daß die Person oder Natur die Sünde selbst sey / sondern
daß sie Sünde / das ist / vngerecht / sündig / vnrein / vnnd der ewigen
Verdamniß vnterwörffig worden. Dann es sind vnderschiedene Sachen / die Erbsünde
selbst seyn / vnd Sünde / das ist / vngerecht seyn / da kan dieser Schwarmgeist
nicht fürvber / oder aber er muß seine eygene Deutung als für falsch vnnd jrrig
schelten vnd wegwerffen.
Vnd zwar / was Lutherus mit ermelten Worten in dem Euangelio / am newen Jarstag
in der Kirchen Postillen meyne / erkläret er selbst mit diesen Worten: Erstlich
/ da er spricht: Vnser Gebreche ligt nicht an den Wercke̅ / sonder
an der Natur / die Person / Natur vnd gantz Wesen ist in vns durch Adams Fall
verderbt. Das heist ja nicht so viel / als: Die Person / Natur vnd gantz Wesen
ist in vns durch Adams Fall ohne allen Vnderschiedt zur Sünde selbst worden.
Zum andern / Es fehlet / spricht er abermals / an dem gantzen Wesen der Natur /
daß die Geburt vnd alles jhr Herkom̅en sey verderbt vnd Sünde. Das
heist ja nicht ohne allen Vnderscheidt die Sünde selbst seyn.
Ob auch Lutherus dieses Ohrts spricht / das Wesen der Natur sey Sünde: Erkläret
er sich doch gnugsam̅ in den andern Worten / da er sagt / es fehle
an dem gantzen Wesen / nennet die Erbsünde einen Fehl. Ein Fehl aber ist ja
nicht ein Substantz / Natur oder Wesen. Setzet darbey vmb richtigers Verstandes
willen / es fehle am gantzen Wesen der Natur. Darumb vnderscheidet er ja vnter
dem Fehl oder Erbsünde / vnd vnter der Natur vnd Wesen / an der
|| [ID00274]
solcher Fehl oder Mangel ist. Vnd
heist jhm das Wort Sünde da so viel / als sündig / das Wesen ist Sünde / das ist
/ es ist sündig / vnrein / verderbt / verdampt / etc.
Zum dritten spricht er / die Erbsünde oder Natur Sünde oder Person Sünde wirdt
nicht gethan / wie alle andere Sünde / sondern sie ist / sie lebet vnd thut alle
Sünde / vnnd ist die wesentliche Sünde / die da nicht eine Stunde oder Zeitlang
sündiget: Sondern wo vnd wie lange die Person ist / da ist Sünde auch. Da
hörestu abermals / warumb Lutherus die Erbsünde eine Natur Sünde Person oder
wesentliche Sünde nenne / Nemlich / dieweil sie nicht gethan wirdt / wie die
wircklichen Sünden / Sondern dieweil sie alle andere Sünde thut / oder ein
Vrsprung ist aller anderer Sünden / Nach mals darum̅ / dieweil sie
nicht eine Stunde oder Zeitlang sündiget / Sondern wo vnnd wie lange die Person
ist. Setzet nicht mit einem wörtlein / Syllaben oder Buchstab dazu / daß er die
Erbsünde darumb eine Natur Sünde / Person Sünde / wesentliche Sünde heisse / daß
er gläubte / hielte vn̅ lehrete / daß die Natur / Person oder
Wesen deß Menschen / ohne allen Vnderscheid / die Erbsünde selbst were / sondern
er zeiget andere Vrsachen an / welcher halben er jhr solche Namen geben
habe.
Es verstehen auch alle fromme Hertzen / daß es wolt seltzam gelautet haben / wann
Lutherus geschrieben / er nennete die Erbsünde darumb eine Natur Sünde / daß die
Natur die Sünde selbst were / oder ein Person Sünde / daß deß Mensche̅ Person die Erbsünde selbst were / oder eine wesentliche Sünde /
daß sie deß Menschen Wesen selbst were. Nun hette er aber also schreiben müssen
/ wan̅ das sein Meynung gewest / welche jm dise Schwärmer
fälschlich zumessen. Weil er aber selbst diese Vrsachen nicht gesetzet / so
können noch wölle̅ wir auch diesen Schwärmern nicht gestatten /
daß sies Lutheri Worten anschmieren vnd andichten sollen.
|| [132]
Zum vierten / spricht er abermals an ermeltem Ohrt: Gottes Gnade muß die Erbsünde
außfegen / die die Natur rein vnnd newmachet. Mit welchen Worten er auch
deutlich die verderbte Natur vnd die Erbsünde / so darauß durch Gottes Gnade
soll vnd muß getilget werden / vnderscheidet. Thun demnach diese Schwärmer
Luthero vnd seinen Worten Gewalt vnd vnrecht
Daß das Wort Sünde zuweilen concretiuè, zuweilen abstractiuè gebraucht werde /
das bezeugt D. Lutherus selbst / Tom. 3. Ienens. latin. in co̅ment. ad Gal. cap. 3. Weil aber seine Wort drobe̅ angezogen /
weisen wir den Christlichen Leser daselbst hin. Kan demnach dieser Leut Gedicht
nicht bestehen / da sie sagen / Lutherus habe das Wort Sünde nie anderst
verstanden / dann wie sie es auff gut Schwärmerisch oder Manichaeisch außlegen /
nem̅lich / daß es so viel heissen solle / als die Substantz
oder Wesen Menschlicher Natur / oder als die verderbte Natur selbst.
Daß aber Lutherus wider Latomum Tom. 2. latin. Ienensi, pag. 416. schreibet / man
solle nit zweiffeln / daß dz Wörtlein Sünde nicht auff vielerley / sondern auff
einerley Weise in der Schrifft genommen werde / etc. Ist zu bedencken / auß was
Vrsachen er das gethan / nem̅lich vm̅ der
Sophiste̅ willen / welche das Wörtlein Sünde / Rom. 7. nuhr
für die Straffe der Sünden verstundenvnd außlegten / auff daß sie nicht dürfften
zugeben / daß die böse Lust in den Gläubigen warhafftig Sünde were / vnnd GOTTes
Gesetz zuwider / als Lutherus selbst in gemeltem Buch zwey Bletter hernach
dieses erkläret. Darumb dann / was Lutherus secundùm quid, vmb gewisser Vrsach
willen geredet / sollen diese Leuht nicht also anziehen / als wann er durchauß
gewollt / daß das Wort Sünde sonsten nicht auff mehr Weise gebraucht würde. Dann
daß das nicht seine Meynung gewest / ist auß den Sprüchen klar / in welchen er
es selbst auff mehr Weise außgelegt hat / als sonderlich Galat. cap. 3. Tom. 4.
Ienensi.
|| [ID00276]
Weil sie aber ja so gnaw auß Lutheri Schrifften alles auffzu suchen / vnd zu
jhrem Vortheil anzuziehen wissen / warumb haben sie dann dieses nicht auch in
Lutheri Buch contra Latomum sehen vnd finden können / da er Tom. 2. Ienensi,
pag. 418. schreibet: Vltra dicimus Sophistas nonnihil capere, quae sit
substantia peccati, scilicet offensio Dei & Legistransgressio, Das ist / Die
Sophisten wissen etlicher massen / was der Sünden Wesen sey / nem̅lich / daß sie Gott erzürnet vnd das Gesetz vbertritt. Darauß fein zu
vernemmen / daß Luthero das Wort Substantz oder Wesen im Artickel von der
Erbsünde keines wegs so viel heist / als das Wesen deß Menschen / oder als die
verderbte Natur selbst / sondern so viel als der Sünden Eygenschafft / welche in
diesen zweyen Stücken stehet / nem̅lich daß sie das Gesetz
vbertritt vnnd GOTT erzürnet.
Item / das er baldt darauff schreibet: Substantiam hîc accipio, non more
Aristotelis, sed Quintiliani. Das ist / Ich brauche das Wort Substantz oder
Wesen hie nicht in dem Verstande / wie es Aristoteles brauchet / nem̅lich / für etwas selbständiges vnnd das ein Wesen hat: sondern
wie es Quintilianus braucht / da er durch das Wort Substantz oder Wesen
verstehet eines Dinges Eygenschafft vnd Art / davon man gründtlich vnnd
ordentlich lehren soll / was seine Krafft vnd Wirckung sey / etc. Dann solche
Wort hat D. Lutherus wider die Parisische Theologos gesetzet / welche jhm
Schuldt geben / daß er ein Manicheer were / vnd lehrete wie die Manicheer / daß
die Erbsünde ein substantia oder ein selbständiges Wesen were. Darauff spricht
nun D. Lutherus an gemeltem Ort / es geschehe jhm vnrecht. Dann er brauche das
Wort Substantz nicht auff Aristotelisch / etc. da es heist ein selbständiges
Ding oder Natur / vnnd das damit lehren wölle / daß entweder die Sünde ein
sonderlich Wesen sey / oder aber vnsere verderbte Natur selbst / sondern / wie
gemelt / in dem Verstande / wie es Quintilianus brauchet / etc.
|| [133]
Wann diese Leuht Augen hetten / die da recht sehen / solten sie diese Wort
Lutheri nicht vorbey gehen / sondern auch in Acht haben. Da würde sich baldt
finden / daß sie Luthero Gewalt theten / in dem sie jhm zuschreiben / er habe
gelehret / das verderbte Wesen oder Natur deß Mensche̅ sey die
Sünde selbst / weil er das Wort Substantz / Wefen oder Natur in dieser Sach zun
Zeiten gebrauchet. Dann da sagt er rundt Nein zu. Aber das dienet nicht in jhren
Kram / darvmb sehen sies nicht / wöllens auch nicht sehen.
Kompt Gegentheil auff das Wort (reatus, Schuldt) vnnd(Ee. j. fa. 1.) zeigt an auß Luthero wider Latomum / daß er mit
demselben Wort vbel zu frieden gewest / vnd nenne es ein sehr dunckel Wort /
etc. Nun(Tom. 2. Ienensi, contra
Latomum, fol. 427. Tomo 4. Ienensi latino. Psal.
51. pag. 379. 388. 402.) stehet
solchs in Luthero / daß er aber gemeltes Wort gantz vnnd gar solte verwerffen /
das stehet nicht an diesem Ohrt / ist auch sonsten in Lutheri Schrifften nicht
zu befinden: sondern viel mehr das Widerspiel. Dann Tom. 4. Ienensi, Psalm. 51.
braucht er das Wort (reatus oder Schuldt) selbst etlichmal / vnd Genes. 42.
dergleichen. Dürfft derwegen vom Brauch solches Worts so viel Geschreyes nicht
machen.
Es ist diesen Gesellen aber darumb zu thun / daß / wann sie diß Wort außgemustert
/ desto ehe erhalten möchten / daß das Wort Sünde in Luthero nicht abstractiuè
oder für das jenige gebraucht würde / das schüldig ist an Gottes Zorn vn̅ ewiger Verdam̅nüß / wo es nicht Gnade erlangt /
sondern für die verderbte Natur selbst.
Die Wort Lutheri / so Tom 1. Ienensi deutsch / fol. 407. stehen / in welchen er
schilt auff die Sophisten / daß sie Glossen vber das Wort (Sünde / Rom. 7.)
erdencken vnd auff die Ban bringen / vnnd legen es auß / daß es an gemeltem Ohrt
nicht eigentlich Sünde heissen soll / sonder nur eine Pein vnd nicht eine Schuld
/ etc. gehen / wie gesagt / wider die Sophisten vnd Papisten / welche verneynen
/ daß die Schwachheit in den Gläubigen warhafftig Sünde sey / vnd wöllen / daß
das Wort Sünde / Rom. 7. da es von den Gläubigen gebraucht wirdt / nicht
eygentlich Sünde oder Schuld /
|| [ID00278]
sondern nuhr ein Pein oder Straffe / oder aber einen leichten geringen Fehl vnnd
Gebrechen heisse. Verwerffen aber vnter deß keines Wegs die Wort (Fehl oder
Gebrechen) in rechtem Verstande / in welchem sie D. Lutherus / wie erwiesen ist
/ selbst behält vnd führet. Vnnd gebraucht sich Gegentheil / in Eynführung
dieser Sprüche Lutheri / für vnd für den Betrug / den man in Schulen nennet / A
dicto secundùm quid ad dictum simpliciter, da wol etwas außgesetzt wirdt / aber
nicht durchauß / sondern alleine gewisser Vrsachen wegen. Solcher Gestallt
verwirfft D. Lutherus die Wörtlein (Fehl / Gebrechen) in dem Sophistischen
Verstande / aber nicht simpliciter oder gäntzlich. Dann / wie gemeldt / braucht
er sie selbst in rechtem Verstande.
Es soll diesen Schwarmgeistern eine grosse Verkehrung seyn / wan̅
man Lutheri Wort / da er spricht: Wir sindt nichts dann Sünde / etc. also
erkläret / daß er damit nicht verstehe / daß vnsere verderbte Natur ohne allen
Vnderscheidt die Sünde selbst sey (dann das schreibet vnnd lehret er nirgends an
keinem Ohrt / vnnd mit keinem Wort nicht) sondern daß sie vnrein / das ist /
durch vnnd durch mit der Sünde verderbt sey / vnnd schüldig an Gottes Zorn vnnd
Straffen / etc. So er sich doch selbst / wie wir auß der Außlegung deß Euangelij
am Newen Jarstag in der Kirchen Postill / kurtz zuvor angezogen / gehöret haben
/ also erklähret. Deßgleichen auch vber den 51. Psalm. alsbald seine Wort also
resoluiert / daß er sie verstehe / daß seine Natur durch die Erbsünde verderbt
sey. Wie wir derselbigen Zeugniß etliche hiebevor eyngeführet haben. Können auch
solche seine Wort nicht anderst erkläret werden / man wolte dann alle seine
Sprüche / in welchen er den Vnderscheidt zwischen der verderbten Natur vnd
zwischen der Erbsünde so fleissig treibet / gantz vnd gar hinweg werffen vnd mit
Füssen tretten.
(Ee. ij. f. 2.)
Daß das Concordi Buch / pag. 231. die Lehre / so da für gibt / die verderbte
Natur deß Menschen sey ohne allen Vnderscheidt
|| [134]
die Erbsünde selbst / als ein
Manicheischen Irrthumb verwirfft / geschicht nicht / wie das Gegentheil
calumnijrt / authoritate praetoria, oder auß angemaßtem Gewalt: Sondern nach
GOttes vnfehlbarem Wort vnnd den Artickeln deß Christlichen Glaubens / in
welchen solche Lehre verworffen vnnd außgesetzet wirdt / vnnd folgt darumb nicht
/ daß Lutherus auch müste ein Manicheer vnd seine Lehre verworffen seyn. Dann er
ist kein Manicheer / so ist auch seine Lehre nicht Manichaeisch / alleine daß
diese Schwarmgeister sie gerne Manichaeisch machen wolten / welches wir jhnen
aber nicht gestehen / sondern das Gegenspiel auß Lutheri Schrifften offentlich
vnd gründtlich erweisen.
Auff die Wort Lutheri / auß der Kirchen Postill / parte 3. am Tage der
Beschneidung: Sünde in vns / ist nicht ein Werck oder That / sondern ist die
Natur vnnd gantzes Wesen / etc. ist dieses der richtige Bescheidt / daß nem̅lich Luherus in diesen vnnd dergleichen Worten verblümeter Weise
geredet habe / vnnd das abstractum pro concreto gebrauchet / das ist / den
gantzen Menschen Sünde genannt / nicht daß der Mensch / eygentlich oder
abstractiuè zu reden / die Sünde selbst sey / oder daß die verderbte Natur /
eygentlich zu reden / vnd ohne allen Vnderscheid / die Sünde selbst sey /
sondern dieweil der gantze Mensch an Leib vnnd Seel durch die Erbsünde verderbt
ist / als solchs auß Lutheri eignen Worten / Tom. 4. Ienensi ad Galat. cap. 3.
die wir droben citiert / augenscheinlich zu sehen ist. Darumb er dann auch eben
in dieser Außlegung am Tage der Beschneidung folgende Wort setzet: Diese
Vergifft (meynet die Erbsünde) ist gangen durch den gantzen Menschen / durch
Leib vnnd Seel / welches er mit Warheit vnnd Bestande nicht thun köndte / wann
zwischen deß verderbten Menschen Leib vnnd Seele vnd zwischen der Erbsünde / so
durch dieselbige gangen / gantz vnnd gar kein Vnderscheidt were.
|| [ID00280]
In Summa / wann D. Lutherus die Natur oder Wesen deß Menschen Sünde heist /
verstehet er das per Epitasin, wie man in Schulen redet / vnnd heisset mehr
nicht / dann daß der Mensch gantz vnrein / sündig / arg vnnd böse worden / daß
er auß allen seinen höchsten vnnd besten Kräfften / vor seiner Bekehrung /
nichts dann sündigen könne.
Wie nuhn D. Lutherus das Wörtlein Caro, Fleisch / in seinem seruo arbitrio, Tom.
3. Ienensi, pag. 215. Pro carnalitate, vel, pro carnalibus affectibus, Das ist /
Für die fleischliche / Gottlose / böse Seuche oder Begirden außlegt. Vnnd Tomo
6. German. pag. 253. vber das 15. cap. an die Corinthier schreibet: Fleisch vnnd
Blut heisset da nichts anders / dann die Sucht vnd das böse / so wir von Adam in
vnserm Fleisch vnnd Blut haben. Also können wir recht sagen / daß er das Wort
Sünde auch zu weilen für den gantzen Menschen oder für das subiectum mit der
bösen zufälligen Vnart der Sünden brauche / dieweil der gantze Mensche sündig /
vnrein vnd verderbt ist / vnd daß es jhme / eygentlich zu reden / nicht heisse
das Menschliche Wesen oder die verderbte Natur selbst.
Vnnd zwar Lutherus muß mit der heiligen Schrifft reden / vnd seine Wort können
noch sollen der heiligen Schrifft nicht vorgezogen werden oder aber zu wider
seyn. Nuhn sagt aber die heilige Schrifft nirgendt / daß die Erbsünde ein
Substantz sey / oder daß sie ohne allen Vnderscheidt die verderbte Menschliche
Natur selbst sey / sondern viel mehr sagt sie / daß sie eine Verderbung
Menschlicher Natur oder Wesens sey / vnnd im Fleische wohne / Roman. 7. Derwegen
so müssen sich Lutheri Reden mit der Schrifft Reden vergleichen / vnnd derselben
nicht zu wider gedeutet oder angezogen werden / sonst köndten sie weder gelten
noch bestehen.
(Ee. iij. fac. 2.)
So viel etliche Sprüche Lutheri von der Sünde anlanget /
|| [135]
welche hie abermals
widerholet werden / ist bißher zum offtermal auff geantwortet / darbey wirs
bleiben lassen.
Wirfft vns das Gegentheil für / wir schreyen Lutherum verschlagener(Ff. i. fac. 1.) heimlicher Weise für einen
Manicheer auß / das vor dieser Zeit die Papisten offentlich gethan / etc.
Antwort. Da sagen wir rundt Nein zu / dann vnser gröster Fleiß ist / daß wir
Lutheri Sprüche / welche sie vnuerschampt den Manicheischen Grundt in allen
jhren Büchern anzureiben sich vnderstehen / von solcher Bezichtigung retten. Vnd
hat sich D. Luther selbst. Tom. 2. contra Latomum (da er das Wörtlein
(Substantz) wie ers in dieser Lehre wölle verstanden haben / gegen der
Parisischen Theologen Anklag / als solte er ein Manicheer seyn / erkläret)
gnugsamb entschüldiget / daß er kein Manicheer sey (die Wort Lutheri sind kurtz
zuvor citiert) ist also niemandt der Lutherum deß Manichęismi häfftiger
beschüldiget / als eben sie / die alle seine Sprüche vnd Lehre auff Manichęisch
außlegen / vnd mit Gewalt also wöllen verstanden haben.
Anthonij Otthonis / als eines Manichaeers vnd jhres Rottgesellen / Bekändtnüß
vnnd Zeugnüß gilt in dieser Sache nichts /(FF. ij.
fac. 1.) wir nehmens auch nicht ahn / sondern haltens eben in dem
Werth / darinn wir jhre Manichaeische Scharteken vnd Bücher halten. Sie mögens
für sich so groß vnd hoch achten / als sie jmmer wöllen / das gibt vns nichts zu
schaffen. Biß hieher auch vom dritten Punct.
|| [ID00282]
Der IIII. Punct. Bründtliche Warhafftige Verantwortunge deß Concordi-Buchs /
daß es weder Pelagianische noch Manichaeische Irrthumb lehre oder
vertheidige.
(Ff. iiij. 4. Punct. Coucordi-Buch lehret weder Pelagiani
sche noch Manicheische Irrthumb.)
WIe machen sie anfangs ein groß Geschrey / daß der falschen Lehrer Namen im
Concordi Buch nicht gesetzt. Denn man solte sagen / wer die falschen Propheten
weren / die falsch gelehret hetten. Nun macht aber das das Concordi Buch nicht
vnrecht / daß die Name̅ der Lehrer / welcher falsche Lehre im
selben verworffen / nicht zugleich mit gesetzt sindt. Dann sonst müsten Christi
Predigten selbst vnrecht seyn / in welchen die Namen der falschen Lehrer /
welcher Lehre er strafft / nit außdrücklich genen̅et.
Deßgleiche̅ die Episteln Pauli an die Corin. Galat. Philip.
etc. in welchen auch die falsche Lehre gestrafft / vnd die Namen der falsche̅ Lehrer nit genen̅et sind. Damit es aber gleichwol
daran auch nit erwinde / wolle̅ wir hie die hypothesin
außtrucke̅ / sagen demnach fein rundt herauß / daß Illyricus /
Spangenberg / Irenęus / Opitius vn̅ jres gleichen Schwarmgesellen
/ wie sie auch Namen habe̅ / falsche jrrige Lehrer sind / vn̅ daß jre Lehre / in dem sie dichten / die Erbsünde sey ein
Substantz oder Wesen / oder sey ohne allen Vnderscheid die verderbte Natur
selbst / falsch / jrrig / ketzerisch vn̅ Manicheisch sey. Was
wolle̅ sie mehr habe̅? Der andern falschen
Lehrer soll / ob Gott will / an seinem Ort / wen̅ es die
Gelegenheit geben wirdt / mit nichten vergessen werden.
In gemein von der Hypothesi zu handeln / gehört nicht hieher oder in diese
Schrifft.
|| [136]
Nochmals kompt dieser Schwarmgeist / vnd will beweisen / daß das Concordi Buch
vnd die jhm subscribicrt Pelagianisch sind.
I. Sagt erstlich / in dem das Concordi Buch lehret / die Erbsünde sey ein
zufälliges Ding an der Natur / füre es Pelagianische Lehre / vnd bestätige / daß
die Natur an jhr selbst noch gut sey. Ist aber das nicht ein schöner Beweiß? Das
Concordi Buch soll derwegen Pelagianische Lehre füren / vnd setzen / daß die
Natur noch gut sey / dieweil es die Erbsünde ein zufällig Ding heißt. So doch
die Pelagianer keines Weges gestanden oder gelehret / daß die Erbsünde ein
Accidens oder zufälliges Ding in der Natur were / sondern die Erbsünde gantz vnd
gar verleugnet haben / auch im geringsten nicht zugelassen oder zugebe̅ wollen / daß Erbsünde were / sondern zum hefftigsten gestritten
/ daß die Menschliche Natur noch gut vnd vnuerderbt were / nicht weniger als
Adae Natur vor dem Fall gut vn̅ vnuer derbt gewesen ist. Demnach
dann das Concordi Buch beydes wider die Pelagianer setzet: Erstlich / daß die
Erbsünde ein böser Zufall in der Natur sey / welchs sie verleugnet / dann sie
von keiner Erbsünde wissen wöllen. Zum andern / eine tieffe vnnd schädliche
Verderbung der gantzen Natur sey an Leib vnd Seele / welchs sie auch verneint
haben. Wie kansdann wahr seyn / daß es Pelagianische Lehre führe / vnd setze /
daß die Natur deß Menschen noch gut sey?
Was hie abermal vom Wort reatus oder Schuldt erholet wirdt / ist kurtz zuvor in
3. Punct verantwortet.
II. Wer (sagt dieser Schwärmer) vnderscheidet zwischen der Erbsünde vn̅ zwischen der verderbten Natur / der lehret / daß die Natur noch
gut vnd in jhren natürlichen Kräfften vnuerderbt sey. Das Concordi Buch thut
das. Ergo, so lehret es / daß die Natur noch gut vnd in jhren natürlichen
Kräfften / vnuerderbt sey / vnd ist also Pelagianisch.
Antwort. Der Vnderscheid zwischen der verderbten
|| [ID00284]
Natur vnd zwischen der Erbsünde /
wirdt vom Concordi Buch nicht der Pelagianer Schwarm zu rechtfertigen auß Gottes
Wort vnd den Artickeln deß Glaubens gesetzet / sondern dem Manichaeischen
Schwarm zu begegenen / welcher lehret / daß die Erbsünde ein Substantz oder
Wesen oder die verderbte Natur selbst sey. Dieser Lästerung vorzukommen / wirdt
erwehnter Vnderscheid getrieben / ferrner nicht.
Wer da sagt oder lehret / daß die Menschliche Natur noch gut vnnd durchauß in
allen jhren Kräfften vnuerderbt sey / der ist freylich ein Pelagianer.
Das Concordi Buch aber sagt vnnd lehret das Widerspiel / nemblich / daß die
Menschliche Natur durchauß vnd in allen jhren guten Kräfften gegen Gott / etc.
verderbt sey: Wie kan es dan Pelagianisch seyn?
Augustinus treibt an vielen Orten in seinen Schrifften / sonderlich contra
Epistolam Fundamenti cap. 33. 34. (die Wort haben wir droben / in Verantwortung
deß dritten Puncts / gantz allegiert) daß ein jetwedere Natur / so ferrn sie
eine Natur ist / gut sey / vnnd ist doch bißher noch keiner kommen / der jhn deß
wegen eyniges Pelagianischen Irrthumbs beschüldiget hette.
Lutherus Genes. 4. vnd anderßwo sagt / die Geistlichen Menschen müssen ein
Vnderscheidt machen zwischen Gottes Werck vnd zwischen der Erbsünde / vnd ist
derhalben nicht Pelagianisch.
Ja die gantze Heilige Schrifft vnnd alle Artickel deß Glaubens vnderscheiden
zwischen der verderbten Natur vnd zwischen der Erbsünde / vnd sind dennoch nicht
Pelagianisch.
In Summa / der Vnderscheid gehet nicht dahin / daß die verderbte Natur dadurch im
wenigsten gut gemachet / sondern nur wider die jenigen / so auß der verderbten
Natur vnnd Erbsünde durchauß ein Ding wöllen machen / oder die mit den
Manichęern schwärmen / daß die Erbsünde ein Substantz oder Wesen sey / vnnd
macht das Concordi Buch im geringsten nicht Pelagianisch.
|| [137]
Was hieneben auß etlicher Priuat Personen Schrifften angezogen wirdt / werden sie
sich selbst wol / da es die Notturfft erheischet / zu verantworten wissen. Mit
einem Wort zu melden / geschicht jhnen Gewalt vnnd vnrecht / in dem sie deß
Pelagianischen Irrthumbs jhrer Wort halben beschüldigt worden / etc.
III. Weil dieser Schwärmer dem Christlichen Concordi-Buch nicht beykommen kan /
in dem es die Lehre verwirfft / da jemandt für gebe / daß die böse Lust nicht
Sünde were / so reibet er sich an andere / die wolt er gerne dieses Irrthumbs
bezichtigen. Weil aber hie der Streit vom Concordi Buch ist / vnnd nicht von
andern Schrifften / werden sich die / welcher Wort dieses Orths verkehrlich
angezogen / wan̅s die Notturfft der Kirchen erheischt / wol zu
verantworten wissen.
IIII. Also / da das Christliche Concordi Buch deutlich verwirfft / da jemandt
lehrete / daß die Erbsünde nur von aussen ein geringschätziger / schlechter /
eingesprengeter Fleck oder anfliegender Mackel sey / etc. vnnd dieser Schwärmer
es vngetadelt muß passiern lassen / kompt er abermals auff die / so die Erbsünde
mit einem Kot / Vnflat / Vnreinigkeit / Gifft / etc. verglichen / vnnd verstehet
nicht / daß dieses nur Gleichnüssen sind / der sich auch Augustinus / Lutherus
vnd andere reine Lehrer in der Lehre von der Erbsünde gebrauchthaben / nit daß
sie dadurch / was die Erbsünde eigentlich were / beschreiben wolten: Sondern daß
sie nur etlicher Massen damit anzeigeten / was es für ein jäm̅erlicher Schade were / wiewol solcher Schade nicht kan gnugsamb außgesprochen
werden.
Droben hat dieser Schwarmgeist auß dem Wort Gifft erzwingen wöllen / daß vnsere
Lehr Manicheisch were / weil Gifft ein Substantz. Hie wendet er vmb / vnnd will
vns deß Pelagianischen Irrthum̅s darauß beschüldigen / also fein
ist er mit sich selber eynig.
Vom Wort Qualitas oder Seuche / das hie wider repetiert / ist droben im dritten
Punct gnugsamb geantwortet.
V. Solcher Gestallt muß er auch passiern lassen / daß das
|| [ID00286]
Concordi Buch verwirfft / wann
gelehret wirdt / daß die Erbsünde nur eine Verderbung sey etlicher zufälliger
Dinge an deß Menschen Natur / darbey vnd darunter die Natur gleichwol jre Güte
vn̅ Krafft erhalten / etc. Gibt aber dabey für / daß etliche
sind / welche also sollen gelehret haben. Mit denselben mag ers außfechten /
wirdt jhnen / ob Gott will / an Christlicher Antwort nicht erwinden.
Dieser Schwarmgeist kan so weit in seinem verwirreten Kopff nicht kommen / daß
die verderbte Natur / so ferrn sie auch jetzo eine Natur vnd Gottes Geschöpff
ist / muß gut geheissen werden / vnd das darumb / damit man nicht auß der Natur
/ auch wie sie verderbt ist / das böse selbst mache. Dann wo das geschehe / so
müßt Gott / der die verderbte Natur auch jetzo schaffet / ein Schöpffer der
wesentlichen Boßheit oder Sünde selbst seyn.
Es wirdt auch durch diese Reden nicht bestettigt / daß die naturalia noch sollen
gantz / oder die Natur vnuerderbt seyn. Dann wie solte der lehren / daß die
naturalia noch gantz vn̅ vnuerderbet / der außtrücklich setzet vnd
bekennt / daß durch Adams Fall Menschlich Natur vnd Wesen gantz vnd gar verderbt
sey?
Wir bekennen vnd lehren mit Luthero vnd zu förderst mit der Schrifft / daß die
Natur durch vnd durch verderbt sey / vnd mit der Sünde vergifftet / vnd sagen
doch auch mit Luthero vnd zu förderst mit Gottes Wort / daß die Natur bleibe /
ob sie wol durch die Sünde sehr verderbt ist. Vn̅ sind diese Reden
nicht widereinander. Wen̅ Lutherus spricht: Die Natur bleibet / ob
sie wol verderbt ist / etc. sihet er dahin / daß er sich verwahre wider die / so
die Natur auff gut Manichaeisch zur Sünde selbst machen wöllen. Welcher
Irrthumber diese Rede entgegen setzet. Wann er aber spricht: Die gantze Natur
sey durch die Sünde verderbt / sihet er auff die / so die Natur auff gut
Pelagianisch wöllen noch rein vnd gut haben / vnnd nicht gestehen / daß sie
durch die Erbsünde verderbt sey.
|| [138]
VI. Das Concordi Buch fol. 231. verwirfft auch den Irrthumb / wenn gelehret wirdt
/ daß im Menschen nicht gar verderbt sey Menschlich Natur vnd Wesen / sondern
der Mensch habe noch etwas gutes an jhm / auch in Geistlichen Sachen / etc. Das
muß dieser Schwärmer selbst loben. Aber Victorinus / spricht er / hat also
gelehret / etc. Antwort / darumb ist auch seine Meynung im Concordi Buch
verworffen / wie dieser Schwärmer selbst bekennt. Was plagter sich dann / daß er
auch da Vrsach zu meistern vnd reformieren suchet / da er doch selbst bekennen
muß / daß er keine habe? Was Priuat Personen anlangt / mag er selbst zu Rede
setzen / ist jhm vnuerbotten.
VII. Also setzet das Concordi Buch fol. 231. auch auß / so jemand(Ji. ij.) lehret / daß die Erbsünde sey nur ein
eusserlich Hindernüß der guten Geistlichen Kräfften / vnd nicht eine Beraubung
oder Mangel derselbigen / als wann ein Magnet mit Knobloch Safft bestrichen wirt
/ etc. Das muß dieser Meister auch passieren lassen / vnd als recht loben. Er
streitet aber / daß der Name dessen nicht dabey stehet / welcher anfänglich so
gelehret. Nun ist jhme vnd jederman wol erlaubt den Namen hinzu zu setzen oder
sonsten in Schrifften / Predigten vnd lectionibus, wo es die Notturfft erfordert
/ offentlich zu nennen.
Befindet sich also schließlich bey diesem Stück / daß dieser Schwarmgeist nicht
mit einem einigen Wörtlein erwiesen hat / daß das Concordi Buch Pelagianisch sey
oder Pelagianische Lehre führe.
Die Priuat Persone̅ / so dem Concordi Buch vnderschrieben denen er
Pelagianische Lehr zumisset / werden Nein darzu sagen / vnd er wirdts auch
nimmermehr auff sie beweisen.
Ferrner vnterstehet er sich etliche Lehrer / so sich zum Christlichen(Ji. iij.) Concordi Buch bekennen / zu Manichaeern
zu machen.
Hie müssen wir abermals vnderscheiden. Was dieser Schwärmer insonderheit wider
daß Christliche Coucordi Buch in die
|| [ID00288]
sem Streit fürbringt / das wollen wir sonderlich verantworten. Was
aber Priuat Personen antrifft / derer er hie viel nacheinander nennet / vnd jhre
Schrifften anzeucht / weil sie mehrer theils noch im Leben sind / vnd sich (Gott
Lob) selbst verantworten können / wöllen wir zu jhrer selbst eignen
Verantwortung stellen.
I. Daß im Concordi Buch von der Erbsünde nicht gelehret werde / daß sie vom
Teuffel als von einem sonderlichen oder bösen Gott / wie jhn die alten Manicheer
genannt / erschaffen / muß dieser Schwärmer on sein Danck bleiben lassen. Ach
wie gerne würde ers fürbracht vnd jm nutz gemacht haben / wann er die geringste
Gelegenheit darzu auß dem Concordi Buch gehabt.
(Kk. iiij.)
II. Wolt er gern erzwingen / weil das Christliche Concordi-Buch / pag. 261.
lehret / daß die Menschliche Natur durch den Fall nicht gantz vnd gar vertilget
/ oder in ein ander Substantz verwandelt / etc. das es Manicheische Lehre füre.
Dann die Manicheer hetten etwa auch die Verwandelung oder Veränderung der
Menschlichen Natur vnd Wesens verleugnet.
Wir wollen von diesem Stück gründtlichen Bericht thun / darauß sich fein finden
wirdt / mit was Gewissen dieser Schwarmgeist dem Christlichen Concordi Buch
Manicheische Lehre zumisset.
So ist nun der Manicheer Lehre gewest: Erstlich / daß das böse oder die Sünde ein
selbstendiges Wesen were / vom bösen Gott erschaffen.
Zum andern / daß das böse oder die Sünde in die gute Natur deß Menschen nicht
kommen were durch den Abfall von Gott oder Vngehorsam der ersten Eltern /
sondern daß sie ein selbstendiges Wesen oder Geschöpff were deß bösen Gottes /
vnnd mit der Natur deß Menschen / als etwas selbstendiges vn̅
wesentliches / vermenget (Contra
Secundinum Manichaeu̅ cap. 12.) oder
vermischet.
Zum dritten / vnnd daß demnach die Sünde kein Accidens oder böser Zufall /
Vnordnung / Gebrechen / Mangel oder Ver
|| [139]
derbung in der
Menschlichen Natur were / dadurch die gute Natur deß Menschen verändert / vnd da
sie zuvor gerecht / rein / heilig vnd vnstrefflich gewest / nuhumehr durch die
Sünde vngerecht / vnrein / vnheilig vnnd strefflich oder schüldig worden
were.
Wie reymet sich aber das mit der Lehre deß Concordi Buchs von der Erbsünde?
Dann das Concordi Buch verwirffet klar der Manicheer Lehre von zween Göttern /
vnnd hält es für lauter Teuffels Lehre oder Ketzerey / dichten / daß das böse
oder die Sünde ein selbstendiges Wesen sey / das für sich selbst bestehe.
Gleicher Gestallt verwirfft es auch den Manichaeischen Schwarm / daß die Sünde /
als etwas selbstendiges oder wesentliches in deß Menschen Wesen kommen vnnd mit
demselbigen vermischet sey.
Vber das lehret es vnnd bekennt wider die Manichaeer / daß die Sünde ein böser
Zufall in ďNatur sey / dardurch die gute Natur deß Mensche̅
verändert vn̅ böse worden / vn̅ an statt der
Gerechtigkeit / Reinigkeit / Heiligkeit / etc. so sie vor dem Fall gehabt /
nunmehr durch den Fall / Vngerechtigkeit / Vnreinigkeit / Vnheiligkeit / etc.
vberkommen / dem Tode / Gottes Zorn / Tyranney deß Sathans / zeitlichen vnd
ewigen Straffen vnterworffen sey. Vnd das ist die Verwandlung oder Veränderung
der Natur in geistlichen Sachen / die Bekehrung zu Gott vnd das ewige Leben
betreffendt / darvon die heilige Schrifft lehret.
Weil dann das Christliche Concordi Buch die Veränderung oder Verwandlung der
Natur / wie sie in Gottes Wort beschrieben / bekennt / mit was Gründe kan jhm
dann Manichaeischer Irrthumb zugemessen werden?
Da stößt sichs aber an / daß dieser Schwarmgeist / sampt seine̅
Mitgenossen lästert / der Mensch sey wesentlich durch die Sünde verwandelt /
also daß seine Natur durch Adae Fall zur Sünde selbst worden / vnd daß numehr
deß Menschen Leib vnnd Seel we
|| [ID00290]
sentlich Sünde / oder ohne allen Vnderscheidt die Sünde selbst fey. Zu
solchem Gedicht sprechen wir rundt Nein / vnd sagen / daß es vom leidigen
Teuffel herfürbracht / vnnd diesen Schwarm verwirfft auch das Christliche
Concordi Buch / da es die wesentliche Abtilgung der Natur / vnnd wesentliche
Verwandlung derselben in eine andere Natur / von der vorigen dem Wesen nach
vnterscheiden / etc. außsetzet.
Auß Augustini Schrifften / darauff sichs Gegentheil berufft / kan nimmermehr mit
einigem Wort erwiesen werden / daß Augustinus wider die Manicheer gestritten
habe / daß die gute Menschliche Natur durch den Fall Adę wesentlich
transformiert vnd in die Sünde selbst verwandelt worden / also / daß nunmehr /
nach dem Fall / die verderbte Menschliche Natur wesentlich die Sünde selbst
worden. Vnd daß der Sathan den Menschen oder seine Menschliche Natur durch eine
Verwandlung abgetilget / ermördet / vnd in ein newe speciem, wesentliche Form
oder Art / nach Abtilgung der ersten Gestallt vnnd Form / in welcher jhn Gott
erschaffen hatte / solte gleich als vmbgegossen oder vmbgeschmeltzet haben / wie
Illyricus vnnd diese Schwärmer fürgeben. Ist auch gewiß / daß Augustino nie
geträumet habe / solcher Gestallt von der Verwandlung deß Menschen zuhalten /
geschweigen / daß er solche Teuffelische Lästerung in seinen Büchern solte
gesetzt oder geführet haben.
Das die gute Art der Menschlichen Natur durch die Sünde verändert sey / das
stehet wol in Augustino / daß aber das Wesen deß Menschen in die Sünde selbst
solte verkehret seyn / daß der Sathan den Menschen wesentlich zu seinem Bilde
solte verwandelt haben / daß die wesentliche Form deß Menschen / in welcher er
anfänglich von Gott erschaffen ist / solte abgetilget / vnnd daß der Sathan
durch seine Verkehrung ein andere vn̅ newe wesentliche Form deß
Menschen solte zu wegen gebracht haben / daß die Erbsünde eine newe Creatur sey
/ daß der verderbte Mensch / so viel sein verderbt
|| [140]
Wesen anlangt / solt deß
Teuffels Werck seyn: Das alles / sagen wir / kan vn̅ mag mit dem
geringsten Wort auß Augustini Schrifften nicht dargethan werden.
Sum̅a / wie gemelt / Augustinus hat nicht wider die Manicheer
gestritte̅ / daß die Menschliche Natur wesentlich in dz böse
oďSünde verwandelt were / sondern alleine darvon / daß die gute Natur deß
Mensche̅ durch den Fall böse worde̅ / böse Art
vn̅ Eygenschaffte̅ / an statt der guten Art
vn̅ Eygenschafften / vberkom̅en. Die Manicheer
habe̅ auch gegen Augustino die wesentliche Veränderung ďNatur
nit verleugnet / sondern die Veränderung der guten Qualiteten oď Arte̅ deß Menschen. Darum̅ er contra Epistol.
Fundamenti, cap. 33. 43. die Verderbung oder Veränderung der gute̅
Menschlichen Natur / durch den Fall vergleicht mit eine̅ reinen
Wasser / das durch vnreinen Kot trübe gemacht wirdt. Wann das Trübe vom Wasser
weg kompt / so bleibetrein Wasser vbrig. Also / wan̅ das böse von
der Natur weggenommen / bleibet die Natur / etc. Vnd cap. 35. 36. 38. erkläret
er sich rundt / was das böse oder die Sünde in der verderbten Natur sey / vnd
spricht: Quis dubitet totum illud, quod dicitur malum, nihil esse aliud, quàm
corruptionem? Wer zweiffelt / daß das alles / was das böse oder die Sünde
genennet wirdt / nichts anders sey / dann eine Verderbung? Setzt auch abermals
diese Gleichnüssen darauff: Die Verderbung einer gelehrten Seelen / wirdt
genennet Vnerfahrenheit: die Verderbung eines fürsichtigen / Vnfürsichtigkeit:
die Verderbung der Gerechtigkeit ist die Vngerechtigkeit. Vnd abermals
sprichter: Die Verderbung ist keine Natur / sondern ist wider die Natur. Quòd si
non inuenitur in rebus malum nisi corruptio, & corruptio non est natura,
nulla vtique natura malum est, &c. Das ist / dieweil dann in den Dingen kein
böses gefunden wirdt / dann die Verderbung / die Verderbung aber ist keine Natur
/ so ists ja gewiß vn̅ wahr / daß das böse oder die Sünde keine
Natur ist.
Contra Secundinum Manichaeum, cap. 15. schreibt er: Vna
|| [ID00292]
igitur eademque res, id est anima, in
quantum substantia est, bona est: In quantum autem habet aliquid mali, quod non
est substantia, id est, consensionem istam, in tantum mala est. Das ist / die
einige Seele / so ferrn sie ein Substantz ist / ist sie gut / so ferrn sie aber
etwas böses / das kein Substantz ist / hat / das ist / die böse Neigung / so
ferrn ist sie böse. Vnd bald hernach: Aperi ergo iam cordisoculos, &
intuere, si potes, bonum aliquod esse quamlibet substantiam, & ideo malum
esse defectum substantiae, quia bonum est esse substantiam. Darumb thue die
Augen deß Hertzens auff vnd sehe / wo du anderst sehen kanst / daß ein jedere
Substantz etwas gutes ist / vnnd daß derhalben das Böse oder die Sünde ein
Mangel ist / dann was Substantz ist / das ist gut.
Vnd cap. 19. Eccevnde est malum? à propria scillcet voluntate. Non autem ista
natura sed culpa est, ac per hoc etiam contraria naturae, cui vbique nocet
priuando eam bono, quo beata esse posset, si peccare noluisset. Sihe / wo her
kompt doch das Vbel oder die Sünde? Nem̅lich von dem eigne̅ Willen / das ist aber keine Natur / sondern eine Schuldt / vnd
also der Natur zu wider / welcher sie schadet in dem / daß sie dieselbige deß
guten beraubet / dadurch sie selig were / wann sie nicht hette wöllen
sündigen.
(Ite̅, de natura &
co̅cupiscentia lib. 1. ca. 25.)
Vnnd contra Iulian. Pelag. lib. 6. cap. 7. Ego nominaui qualitatem, dicens, non
substantialiter manere concupiscentitiam, sicut corpus aliquod, aut spiritum,
sed esse affectionem quandam malae qualitatis, sicut est languor. Ich hab sie
genennt eine Qualitet oder Vnart / vnnd habe gesagt / daß die Lust nicht
wesentlich bleibet / wie etwa ein Leib oder Geist: Sondern dieweil sie ist ein
böse Seuche / Gebrechen oder Mangel / gleich wie eine Kranckheit.
Vnnd abermals. Ego tanquam valetudinem malam ex origine vitiata ingenitu̅ esse homini dico vitium, quo caro concupiscit aduersus spiritum.
Das ist / Ich sage / daß dem Menschen
|| [141]
die Sünde angeboren ist / von wegen der Verderbung der Natur / die
anfangs verderbet ist / gleich wie eine Kranckheit einem angeboren wirdt.
Augustinus in Enchiridio, cap. 11. Quid est aliud, quod malum dicitur, quàm
priuatio boni? Was ist das anders / welches man das böse oder die Sünde nennet /
dann ein Beraubung oder Mangel deß guten?
Idem in Enchiridio cap. 12. Cùm natura corrumpitur, ideo malum est eius
corruptio, quia eam priuat qualicu̅que bono. Dieweil die Natur
verderbt wirt / so ist das böse oder die Sünde der Natur Verderbung / dann es
beraubet sie jhres guten.
Item, lib. 2. Hypognost. Adam factus est absque peccato natura: Cùm verò peccauit
homo, natura peccauit, & facta est natura iam peccatrix, id est, vitium
habens peccati, non ipsa effecta vitium vel peccatum. Post peccatum ergò, homo
peccator dictus est, no̅ homo peccatum. Das ist / Adam ist von
Natur one Sünde erschaffen / da er aber gesündiget hat / da hat die Natur
gesündiget / vnnd ist die Natur sündig worden / das ist / sie hat einen Mangel
oder Gebrechen der Sünde vberkommen / sie ist aber nicht selbst zur Sünde
worden. Derhalben ist nach der Sünde der Mensch ein Sünder genennet worden / vnd
nicht die Sünde selbst.
Auß welchen Sprüchen klar ist / daß Augustinus nicht gehalten oder wider die
Manicheer gestritten hat / daß die gute Natur deß Menschen durch die Sünde solte
wesentlich in ein ander Natur / Gestallt / Form vnnd Art / der vorigen vngleich
/ verwandelt seyn / etc. wie diese Schwärmer jhm fälschlich vnd mit Vnwarheit
aufftichten / sondern daß seine Meynung vnd Lehre von Verwandlung der
Menschlichen Natur gewest / daß durch die Sünde das gute von der Menschlichen
Natur weggenommen / vnd sie verderbet / so viel jhre gute Art anlanget. Hergegen
aber an statt der guten Art eine böse Vnart / Nem̅lich /
Vngerechtigkeit / Vnreinigkeit / vnd was dergleichen mehr / kommen sey / daß
auch das böse oder
|| [ID00294]
die Sünde keine
Natur oder Substantz sey / viel weniger aber die verderbte Natur deß Menschen
selbst sey / sondern sey eine Verderbung der Substantz oder Wesens Menschlicher
Natur / vnd eine böse Seuche / Kranckheit oder Gebrechen / welcher der Natur
durch die Geburt angeerbet wirdt. Wann aber derselbige Gebrechen abgethan werde
/ so bleibe die Natur für sich.
Ist nuhn das Böse oder die Sünde eine Verderbung / vnd keine Natur / vnnd ist
eine böse Seuche in der Natur / vnnd nicht die verderbte Substantz oder Natur
selbst / ja die Sünde oder das Böse / nach Augustini Lehre / kan auch nicht seyn
/ dan̅ in der Substantz oder Natur deß Menschen / Contra Iulian.
lib. 6. cap. 4. So ists ja nicht wahr / daß Augustinus wider die Manicheer solte
gelehret haben / daß die gute Natur wesentlich durch die Sünde verwandelt were /
vnnd die Manicheer auch das nichtan Augustino gestrafft oder getadelt haben /
sondern alleine das / daß er gelehret / daß die gute Natur deß Mensche̅ / durch diß Böse oder durch die Sünde / als ein böse Seuche
vn̅ Schaden verderbt were / etc. Solches aber ist die Warheit
/ vn̅ so vn̅ nit anders lehret Gottes Wort von der
Veränderung oder Verderbung der gute̅ Menschlichen Natur vom
gute̅ zum bösen. Da auch die Verderbung solte die verderbte
Menschliche Natur ohne allen Vnderscheidt selbst seyn / so müste Augustinus
seine gantze Lehre wider die Manicheer vmbgekehret haben / vnnd nicht gestritten
/ daß das böse oder Sünde nichts anders were / dann eine Verderbung der guten
Natur / sondern das Widerspiel / nem̅lich / daß die Verderbung vnd
Natur / so verderbt ist / durchauß ein Ding weren / vnnd daß die Verderbung
nicht in einem guten / das ist / in der Natur oder Substantz were / welche / so
ferrn sie ein Natur oder Substantz ist / gut ist / so ferrn sie aber verderbet /
böse ist oder deß guten beraubt ist.
(August. co̅tra Iulian.
li. 3 ca. 24.)
Auff Lutheri Spruch / daß die gantze Natur verderbt sey / ist droben zu etlichen
malen geantwortet.
|| [142]
Dieser Schwärmer führet August. Wort lib. 3. co̅tra Iulian.(Kk. ij.) Pelag ca. 26. Non attendis, peccato illo
magno vniuersam in deterius mutatam fuisse naturam, vnde fuerat propago ducenda.
Das ist / du merckest nicht / daß durch die grosse Sünde Adae die gantze Natur /
darauß wir alle hetten sollen geboren werden / schändtlich vnd jämmerlich
verkehret ist / etc. vnd spricht / Augustinus habe diese Wort den Manicheern
entgegen gesetzt / welche der Menschlichen Natur wesentliche Verwandelung
geleugnet. Nun ist solchs eine greiffliche / feiste / wolgemeste Vnwarheit. Dann
Augustinus in gemeltem Capitel nicht wider die Manicheer disputiert / sondern
wider den Pelagianer Julianum / der leugnete / daß die Menschliche Natur durch
die Erbsünde verderbt / vnd wolt / daß die Natur noch gantz rein vnnd vnuerderbt
were / wie sie vor dem Fall gewest / daß sie auch solcher Gestallt von den
Eltern auff die Kinder geerbet würde / allein was die Eltern in dem sündigten /
da sie in der Entpfengnüß auß Lust der Sachen zu viel theten / welchs aber die
Natur der Kinder gleich sehr liesse heilig vnd rein bleiben.
So lehret auch Augustinus in gemelten Worten nicht / daß die Natur durch den Fall
Adae wesentlich in eine andere Natur verwandelt sey. Dann dessen gedenckt er mit
keinem Wort / ist auch seine Lehr nicht gewest / sondern er redet von der
Veränderung der guten Art in eine böse Vnart / Seuchen vnd Gebrechen / dauon
kurtz zuuor auß seinen eignen Worten gründtlicher Bericht geschehen ist.
Der ander Spruch Augustini de nuptiis & concupiscentia lib. 2. cap. 34. Vnde
illo magno peccato primi hominis natura ibi nostra in deterius co̅mutata, non solu̅ facta est peccatrix, veru̅ etiam
genuit peccatores. Das ist / durch die grosse Sünde Adae deß ersten Menschens
ist vnser Natur schändtlich verändert / vnd nicht alleine sündig worde̅ / sonder gebiert auch nun Sünder / etc. Ist auch nit wider die
Manicheer gerichtet / wie menniglich an gemelte̅ Ort selbst lesen
kan: Sondern wider Julianum den Pelagianer / welcher
|| [ID00296]
verleugnete / daß durch Adams Fall
die Menschliche Natur verderbet were / etc. so zeucht jhn dieser vnverschämpter
Lästerer an / als wider die Manicheer geredet.
Zu dem läßt er aussen die Wort / so daran hangen: Et tamen ipse languor, quo bene
viuendi virtus perijt, non est vtique natura sed vitium: Sicut certè mala in
corpore valetudo non est vlla substantia vel natura sed vitium, &c. Das ist
/ Die Seuche oder der Gebrechen selbst / durch welchen die gute Krafft recht zu
leben im Menschen verloren oder verderbt ist / ist ja keine Natur / sondern ist
ein Gebrechen / gleich wie die Schwachheit im Menschlichen Leibe nicht eine
Substantz oder Natur ist / sondern ein Mangel / etc. Welche Wort diesem Lästerer
ins Angesicht widersprechen / in dem er sam̅t den seinen schwärmet
/ daß Verderbung vnd das verderbte / oder die verderbte Natur vnd die Sünde ein
Ding seyn / vnd dichtet / daß durch die Sünde die Menschliche Natur wesentlich
in eine andere Natur verwandelt sey.
Solche Meynung hat es auch mit folgendem Spruch Augustini contra Secundinu̅, cap. 19. Non enim non mutatur natura, quae fit ex sapiente
stulta, quę obliuiscitur sui, &c. Die Natur wirdt verwandelt / welche auß
einer weisen närrisch wirdt / vnnd jhr selbst vergisset / etc. Dann Augustinus
redet von der Verwandlung der Weißheit in die Thorheit vn̅
Vergessenheit. Nun ist aber Weißheit eine Qualitas oder gute Art vnd Gabe in der
Natur / vnd Thorheit eine böse Vnart in der Natur nach dem Fall / etc. Darauß
offenbar / daß Augustinus nit gelehrt hat / daß die Natur deß Menschen
wesentlich verwandelt sey / wie diese Gesellen fürgeben / sonder in den
Qualiteten oder so viel die gute Art anlangt / so sie vor dem Fall gehabt / als
Weißheit vnnd dergleichen / welche sie durch die Sünde verlohren / vnd nuhn
Narrheit vnd Thorheit an derselben statt bekommen.
Der Spruch lib. 5. contra Iulianum cap. 10. welchen dieser Schwärmer hie zu
seinem Vortheil nuhr deutsch setzet / lautet im
|| [143]
Latein also: Angelus, quem
creauit Deus, res à peccato libera fuit: homo, quem primum creauit Deus, res à
peccato libera fuit. De rebus igitur à peccato liberis nata esse peccata qui
negat, aut Manichęus est manifectus, aut Manichęis suffragatur incautus. Das ist
/ Der Engel / welche̅ Gott erschaffen hat / ist ein Ding oder
Substantz gewest frey von der Sünde. Der Mensch / welchen Gott erstlich
erschaffen hat / ist ein Ding oder Substantz gewest frey von der Sünde.
Derhalben wer da verneinet / daß von denen Dingen oder Creaturen / welche von
der Sünde frey seyn / Sünde kön̅e herkommen / der ist entweder ein
offentlicher Manicheer / oder billiget doch zum wenigsten vnwissent der
Manicheer Schwarm vnnd Irrthumb. Nun hat er jhn aber also gedeutschet. Der Engel
vnd der Mensch / welche Gottes reine Creaturen gewest / sind böse worden / nicht
durch Vermischung etwas böses / sondern durch Abfall vom guten / vnd wer da
leugnet / daß Sünde von denen Dingen / das ist / von Engeln vnd Menschen / die
doch zuuor gerecht vnd ohne Sünde gewesen / herkomme / oder daß die guten Engel
zu Teuffeln / vnd die gerechten Menschen zur Sünde / das ist / vngerecht worden
sind / der ist entweder ein öffentlicher Manicheer / oder billiget doch zum
wenigsten vnwissent der Manicheer Schwarm vnd Irrthumb.
Ob dieses Deutsch mit Augustini Worten vberein treffe / stellen wir zu Erkandtnüß
deß Christlichen Lesers.
Augustinus streitet wider Julianum den Pelagianer / der diesen Grundt fürbracht:
Von dem / das der Sünden frey ist / kan kein Sünde herkom̅en.
Darauff / antwortet Augustinus / sage die Warheit Nein zu / welche beydes
Julianum vn̅ die Manicheer vmbstosse / welcher Grundt Julianus
brauchete. Vnd zeiget dessen die zwey Exempel / Der Engel / die vor dem Fall der
Sünden frey gewest / vn̅ dennoch gesündiget. Der Menschen welche
vor dem Fall von der Sünden frey gewest / vnd den̅och Sünde gethan
haben. Derwegen sey es gewiß / daß von den Creaturen welche der Sünden frey
sindt / Sünde herkommen könne / vnd wer / das verneine / der sey entweder
|| [ID00298]
ein offentlicher Manicheer / oder er
halte es vnwissendt mit jhnen. Mehr sagt Augustinus hie nicht / noch darff
dieser Geist so küne seyn / vnd Augustini Worten andichten / das gar nicht
drinnen stehet / nemblich / daß Augustinus solt gehalten haben / daß der Mensch
wesentlich in die Sünde verwandelt / vn̅ zur Sünde selbst worde̅sey.
Was er ferrner hie einführet auß Augustino de natura boni cap. 30. wider die
Manicheer / das ist in gemeltem Capitel nicht zubefinden / thut auch ohne das
nichts zur Sache / wann es gleich drinnen stünde.
(Kk. iiij. fac. 2.)
Es ist sich aber wol zu verwundern / daß dieser Schwärmer das Concordi Buch in
gemeltem Stück von der wesentlichen Verwandelung anficht / vnnd doch selbst
bekennen muß / es sey wahr / der Mensch sey durch Adams Fall nicht gantz vnnd
gar vertilget / auch nicht Physicè, in natürlichen Dingen / etc. ein ander
Mensch / species oder Art worden / aber Theologicè vnnd Geistlich betrachtet /
sey er ein ander Mensch.
Auff diese Alfentzerey sagen wirrundt Nein. Dann die Heilige Schrifft / wie im 3.
Punct nach der lenge außgeführet / stellet vns nur den einigen natürlichen
Menschen für / wie er von Vatter vnd Mutter geboren / betrachtet auch keinen
andern / dann diesen einigen / wie er nem̅lich in Sünden
entpfangen vnd geboren ist / vnd durch Christum erlöset. Daher auch Lutherus
Psal. 51. schreibet: Theologiae proprium subiectum est homo peccati reus ac
perditus, &c. Die Theologia hat eigentlich zu thun mit dem Menschen / der
schüldig ist für Gott der Sünden halben / vnd verderbt. Es machet auch die
vngleiche Betrachtung nicht einen andern Menschen / der eines andern Wesens /
einer andern Art oder Form were in der Theologia als er sonst ist. Dann ob wol
ein Philosophus den Schaden deß Menschens nicht sihet / den ein Theologus hie
auß Gottes Wort sihet / sondern nur drauff Acht gibt / daß der Mensch ein
vernünfftig Thier oder Creatur / so wirdt doch ist auch derenthalben der Mensch
kein ander Mensch in der Theologia / als er sonst ausserhalb derselben ist.
|| [144]
Der Spruch Genes. 3. Morte morieris, Du solt deß Todes(Ll. ???) sterben / ist wol eine ernste Drawung / in welcher Adam der
zeitliche vnd ewige Todt gedrewet / Daß aber Adam durch solche Drawung Gottes
wesentlich solte in ein ander Natur / Gestallt vnd Art / vnd also in die Sünde
selbst verwandelt seyn / das ist dieser Leut falsch vn̅
Gottslästerlich Gedicht. Dann das Wort (Todt) begreifft das Sterben vn̅ alles was zum Reich deß Todes gehöret / nemblich / zeitliche
vn̅ ewige Straffen / mit nichten aber die wesentliche
Verwandelung Adae in eine andere vnd newe Natur oder Wesen / das die Sünde
selbst were. Dann wie Adam vor dem Fall das wesentliche Leben selbst nicht
gewest ist / dann wo er das gewest / so were er ein erschaffener Gott gewest:
sondern er ist leben dig gewest / hat das Leben / Gerechtigkeit vnd Heiligkeit
gehabt: Also ist er auch durch den Fall nicht wesentlich verwandelt vnnd zur
Vngerechtigkeit selbst worden / sondern vngerecht oder voller Vngerechtigkeit
vnd Sünde.
Da er auch durch die Drawung Gottes wesentlich getödtet / ermordet vnd / wie sie
reden / in eine andere wesentliche Form / Gestallt vn̅ Art
verwandelt were / so were den Adam / der auß der wesentliche̅
Verwandelung worden / die Herrligkeit vnnd Seligkeit deß von Gott erschaffenen
Adams nichts vberall angangen / wie dann auch das Elendt / so auff seinen Fall
erfolget / jn nichts vberall betroffen / wann er in einen andern Adam oder
Menschen / wesentlich von jhm vnderscheiden / verwandelt vnd zur Sünde selbst
worden. Es hette auch der Sohn Gottes den Menschen / welchen er anfänglich
erschaffen vn̅ gesündiget / nit erlöst / sondern einen andern /
der wesentlich vom vorigen vnderscheiden / welchen der Sathan durch seine
Verwandelung zu wegen gebracht.
Augustinus de duabus animabus contra Manichaeos cap. 2. erkläret auch das Wort
Todt nit also / daß es eine wesentliche Verwandelung der Menschlichen Natur in
die Sünde heisse / sondern daß es von der Sünde zu verstehen. Peccatum
immortalis animae
|| [ID00300]
sola mors est,
&c. Allein die Sünde ist der vnsterblichen Seelen Todt. Vnd Cap. 8. Etenim
anima, quamuis sit immortalis, tamen mors eius rectè dicitur à Dei cognitione
auersio. Das ist / Ob wol die Seele ein vnsterblicher Geist ist / so wirdt doch
die Abwendung von der Erkändtnüß Gottes recht jhr Todt genennt.
D. Lutherus auch Gen. 3. da er diesen Spruch: Du wirst deß Todes sterben /
handelt / sagt nichts von der Tödtung oď Abtilgung der Menfchlichen Natur / vnd
wesentlichen Verwandelungen derselben in ein ander Wesen / Gestallt / Form vnnd
Art / daruon diese Schwärmer dichten.
Aber von der wesentlichen Verwandelung ist droben in Widerlegung deß dritten
Puncts mehr Bericht zu finden.
Daß auch der Apostel 2. Corint. 11. da er sagt / die Schlange ja der Teuffel habe
Euam mit jhrer Schalckheit verführet / vnd jre Sinne verrucket / nicht von einer
solchen wesentlichen Verwandelung der Heuae rede / dauon diese Leut schwärmen /
bringen die Wort selbst mit sich. Dann verführen vnd verrucken heissen nicht
wesentlich abgetilget / vnd in ein andere Gestallt / Form vnnd Art verwandelt
werden / sondern es heißt verderbt werden / abgewandt werden von dem Gehorsam
Gottes / vom Erkäntnüß Gottes / von der Gerechtigkeit / Leben vnd Seligkeit / in
Blindtheit vnd Finsternüß gerahten / von Gott jrren / vngercht / vnrein / GOtt
widerstrebend werden. In Summa / daß die Wesentliche Verwandelung ein pur lauter
Gedicht dieser Schwärmer sey / ist bißher gnugsam erwiesen.
Der Spruch Pauli Rom. 5. Durch eines Menschen Vngehorsam sind viel Sünder worden
/ heißt lange nicht so viel / als: Durch eines Menschen Vngehorsam sind viel
wesentliche Sünde̅ worden. Peccatores, spricht Paulus / das ist /
Sünder sind worden / nicht peccatum, das ist / die Sünde selbst.
Also / der Spruch Psal. 58. Die Gottlosen sind verkehret von Mutterleib an /
redet wol von der Verderbung der Menschlichen Natur / aber von Verwandelung
derselben in die wesentliche Boß
|| [145]
heit / Verderbung vnd Sünde selbst / hat er kein Wort von.
Sie kan auch darauß nimmermehr mit Grunde der Warheit erzwungen werden.
Daß Christus Matth. 17. Die Phariseer eine peruersam oder distortam generationem
/ eine böse verkehrte Art nennet / das gehet eben so viel auff die wesentliche
Verwandelung der Menschlichen Natur in die Sünde selbst / als die vorigen
Sprüche: sondern redet nur von der Verkehrung / so durch die Sünde in die
Menschen kommen ist. Daher es auch kompt / daß sie von Mutterleib an eine böse
Art sindt / verkehrte Sin̅ / Hertz vn̅ Gedancken
haben / aber das heißt noch nicht wesentlich in die Sünde selbst vom Teuffel /
wie sie lehren / verwandelt / vnnd also eine wesentliche Larue deß Teuffels
selbst worden seyn.
Von Augustini Sprüchen / so von der Verwandelung der Natur reden / vnnd hie
Summarischer Weise repetiert werden / ist kurtz zuuor gründtlicher Bericht
geschehen.
Also auch von Lutheri Spruch: Die gantze Natur ist verwandelt.
Daß der Kirchengesang: Durch Adams Fall ist gantz verderbt / Menschlich Natur vnd
Wesen / nicht von einer solchen wesentlichen Verwandelung in die Sünde selbst /
vnnd in die wesentliche Larue deß Teuffels / etc. rede / verstehet sich selbst.
Dann wesentlich in die Sünde vnd deß Teuffels Bildt oder Laruen verwandelt seyn
/ vnd am Wesen vnd Natur gantz vnnd gar verderbt seyn / sind nicht einerley /
wie alle verständige Christen sehen vnd wissen.
Ist demnach eine rechte Teuffelische Vermessenheit / die Sprüche der Schrifft vnd
reiner Lehrer also schändtlich verkehren / vnnd auff eine solche Meynung deuten
/ daruon die gantze Heilige Schrifft nichts weiß / auch von Anbegin von keinem
Kirchenlehrer jemals ist getrieben worden. Wie sie dann auch kein Zeugnüß
einiges alten Kirchenlehrers von der wesentlichen Verwandelung der Menschlichen
Natur in die Sünde vnnd wesentliche Larue
|| [ID00302]
deß Teuffels selbst / etc. fürlegen
können. Sum̅a / was die alte rechtgläubige Kirche von der
wesentlichen Verwandelung / etc. gehalten habe / ist auß den Worten deß Concilij
Ancyrani klar: Qui credit posse fieri aliquam creaturam, aut transformari in
aliam specie̅ aut in aliam similitudinem, nisi ab ipso creatore,
qui omnia fecit, & per que̅ omnia facta sunt, sine dubio
infidelis est & pagano deterior. Das ist: Wer da gläubet / daß einige
Creatur von jemands anders gemacht / oď in eine andere Gestallt vn̅ Gleichnüßgebracht werden kön̅e / ohne allein von de̅ Schöpffer selber / der alles gemacht hat / der ist freylich vom
Glauben abgefallen vnd ärger dan̅ eine Heid / etc.
(Pag. 230.)
Dieser Geist füret auch ein etliche Phrases oder Wörter auß dem Christlichen
Concordi Buch / in welche̅ gesagt / daß die Sünde in vns stecke
vn̅ wohne. Die Erbsünde habe die Natur verderbt fol. 260. sey
alles durch die Erbsünde vervnreiniget / als durch ein Geistlich Gifft / die
Erbsünde sey etwas vnderschiedenes / vnd nit die Natur selbst. Item / die
Erbsünde sey ein Vnflat / etc. vnnd was dergleichen mehr sindt / vn̅ will darauß erzwingen / daß das Concordi Buch Manicheisch sey / dan̅ die Manicheer sollen etwa auch dieser Art zureden sich gebraucht
haben. Er beweisets aber nicht / sondern lests beim sagen bleiben. So sagen wir
nun so lange Nein darzu / biß er es auff das Concordi Buch beweiset. Daß die
Sünde in vns wone / sagt Paulus Rom. 7. Daß die Erbsünde vnser Natur verderbt /
sagt (August. lib. 1. Contra Iulian.
pelagian ca. 2.) die Schriffe Psal. 14. Rom. 3. vnd Augustinus
vnd Lutherus durch vn̅ durch. Deßgleichen auch / daß wir durch die
Erbsünde vervnreiniget / findet man offt in Augustino vnd Luthero. Vnd darauff
gehet die Schrifft / wan̅ sie sagt. Wir werden abgewaschen von
Sünden / gereiniget von Sünden. Die Schrifft Rom. 3. Augustinus vn̅
(1. Cor. 6. 1. Joh. 1.) Lutherus vergleichen die
Erbsünde mit einem Gifft / etc. Den Vnderscheid zwischen der Erbsünde vnd der
verderbten Natur haben wir im 3. Punct starck erwiesen. Aber im 15. Cap. ad
Corinth. Tom. 6. nennet Lutherus selbst die Sünde einen Vnflat / Flecken /
Seuche / Stanck / etc. So müssen sie nun erst die Schrifft / Augusti
|| [146]
num vnd Lutherum /
welche sich solcher Reden offt gebraucht zu Manichaeern machen / ehe sie das
Concordi Buch darmit beschüldigen. Aber es soll jhnen fehlen.
Das soll auch Ketzerisch geredet seyn / wenn man spricht: Der Sathan habe die
Erbsünde in die Menschliche Natur geblasen. Wann nun das war were / wie dieser
Schwärmer für gibt / so müste Lutherus auch ein Ketzer vnd Manicheer seyn / der
solche Art zu reden. Tom. 6. German. Ienensi pag. 270. vber das 15. Cap. der
Epistel an die Corinther / vber die Erklärung der Wort: Wenn aber diß
Verwehßliche wirdt anziehen das Vnvorwehßliche / etc. gebrauchet: Seine Wort
lauten also: Darzu ist der Sieg durch Christum geschehen / welcher in jm selbs
alles vberwunden hat / daß er dich damit kleide / vn̅ von deiner
Sünde vnd Todt rein mache / daß nichts mehr bleibe an deinem verwehßlichen Leibe
/ vnnd allem was der Teuffel drein geblasen hat / oder von jhm herkompt /
allerley Vnglück vnd Gebrechen Irrthum̅ vnd Vnuerstandt / ohne was
die Natur vnd warhafftiger Leib ist / etc.
Machet dieser Geist ein groß Geschrey / Weil wir das Wort(MM. ij. fac. 2.) malu̅ Vbel / ein
böse Ding / Gifft / Dreck vn̅ dergleichen in diesem Streit wider
sie brauchen / welchs sollen formalia vocabula, eigentliche Wort der Manicheer
seyn / so müssen wir auch Manicheer seyn / etc. Denckt aber vnter deß nicht /
wen̅s gülte also zu folgern / daß der Apostel Rom. 7. auch
müst ein Manicheer seyn / da er die Erbsünde ein malum oder boses Vbel nennet /
das im Fleisch wohnet. Item / daß die Schrifft selbst / welche die Sünde eine̅ Gifft Rom. 3. vergleichet / müste Manicheischseyn. Item /
Augustinus vnnd Lutherus / welche solcher vnd dergleichen Wort gebraucht haben /
wie solchs auch kurtz zuuor ist angezeigt worden.
Was der Manicheer Rede anlangt / dere̅ Augustinus de haeresibus
vn̅ sonsten vielmals erwehnet / daß die Sünde ein Substantz oď
wesentliches selbstendiges Ding sey / vom bösen Gott erschaffen / vn̅ mit der Menschlichen Natur vermischet / dz auch von derselbe̅ durch
|| [ID00304]
die Erlösung
von der Natur abgesondert / in seiner selbstendigen Natur werde ewig leben /
etc. gehet deß Concordt Buchs Lehre vnnd vnser Bekändtnüß nichts vberall an.
Dann wir solche Lästerung außdrücklich als falsch verwerffen vnd verdammen.
Darumb sie vns dieser Schwärmer nicht fürwerffen darff / dann wir nicht lehren /
auch nimmermehr lehren wöllen / daß die Sünde ein selbständig Wesen sey / mit
vnser Natur vermischet / etc. wie die Manicheer gethan. Daß wir aber mit
Augustino in Enchiridio cap. 11. vnd sonsten an vielen Orten / deßgleichen mit
D. Luthero Genes. 38. vn̅ an viele̅ Orten mehr /
sagen / daß die Sünde ein solcher Schade sey / der von der Natur abgesondert
werde / vnd wenn er abgesöndert ist / nicht mehr oder nirgendt seyn werde / deß
haben wir im Artickel vnsers Glaubens von der Aufferstehung / Jesa. 26. Mich. 7.
Hose. 13. 1. Corinth. 15. starcken guten Grundt / den vns diese Schwärmer nicht
vmbstossen sollen.
Es muß aber der Christliche Leser hierneben fleissig in Acht haben / daß / ob wol
Augustinus / wie bil ich / der Manicheer Lehre von der Commixtion oder
Vermischung der zweyer selbstendigen Naturen / deren eine deß Menschen / die
andere der Sünden selbst were / auß vnnd nach Gottes Wort verworffen hat /
dennoch nicht simpliciter oder gantz vnnd gar alle Vermischung deß bösen vnnd
guten / das ist / der Sünde / als einer bösen Vnart oder Verderbung / vnd der
Menschlichen Natur / darinnen das böse oder die Sünde / wie Paulus Rom. 7.
schreibet / wohnet / verdampt habe / wie dann auch kein rechtschaffener
Christlicher Lehrer dieselbige Vermischu̅g der verderbten Natur
deß Menschen vnnd der Erbsünde / damit die verderbte Natur verunreiniget ist /
verworffen vnnd außgesetzt hat: Sondern alle miteinander haben solche
jämmerliche Vermischung gelehret vnnd bekennet. Dann in allen den Sprüchen / in
welchen Augustinus wider die Manicheer streitet / daß die gute Menschliche Natur
durch das böse oder die Sünde corrumpiert oder verderbet sey / vnnd daß die
Verderbung in der
|| [147]
Natur deß
Menschen sey / als ein böser Schade / Seuche oder Gebrechen / bekennet vnd
lehret er zu gleich die Vermischung der Sünde vnnd der verderbten Menschlichen
Natur / sonsten köndte er nicht wider die Manicheer erhalten / daß die gute
Natur deß Menschen verderbt were / darauff er doch alle seine Schrifften wider
die Manicheer gerichtet vnd gegründet hat.
Darneben / weil Augustinus durch vnd durch wider die Manicheer streitet / daß die
Verderbung keine Substantz oder Natur sey / sondern etwas böses oder eine böse
Vnart vnnd Seuche / dardurch die Menschliche Natur verderbt ist / so kan er ja
anderst nicht lehren vnnd halten / dann daß die Sünde / als eine böse Seuche
oder Vnart / mit der verderbten Natur vermenget sey.
Vber das / so schreibet er mit klaren Worten contra Epistolam Fundamenti, cap.
33. Longum est caetera persequi, sed manifestum est eis, qui nullo studio
partium iudicant, cum istae naturae commemorantur, ADIVN GI EIS QVAEDAM, QVIBVS
DISPLICEANT, QVAE CVM DETRAHIMVS, NATVRAE MELIORES MANENT. Vnde intelligitur
eas, in quantum naturae sunt, bonas esse, quia cum eis vicissim omne, quod bonum
habent, detraxeris, naturae nullae erunt, &c. Das ist / Es were zu lang /
alles zu widerholen / es ist aber doch dene̅ / welche
vnpartheiisch sindt / offenbar / wann man der Naturen gedenckt / daß man
etlicher Dinge / die darbey sindt / erwehnet / derentwegen sie nicht allerding
zu loben / welche Dinge / wann sie darvon abgescheiden oder abgethan / würden
sie besser seyn vnd bleiben. Daher gnugsam̅ zu verstehen ist / daß
sie / so ferrn sie Naturen sindt / gut sindt. Dann so man jhnen alles entziehen
solte / das sie gutes haben / würden sie keine Naturen seyn. Welche Wort
freylich gnugsam̅ zu erkennen geben / daß Augustinus gehalte̅ / daß die Sünde / als eine böse Seuche oder Vnart / mit der
verderbten Natur vermenget sey.
So hat auch Lutherus an vielen Ohrten in seinen Schrifften die Erbsünde also
beschrieben / daß sie gleich wie eine Vnreinig
|| [ID00306]
keit / oder böse gifftige Art
/ welche die gantze Natur eyngenommen / vnd durchgedrungen. Als Genes. cap. 3.
38. 42. 1. Cor. 15. Tom. 6. Ienensi, vnd an dergleichen vielen Ohrten mehr.
Darauß klar ist / daß solche Lehre nicht kan Manichaeisch gescholten / vnd mit
derselben Ketzerey vergliechen werden.
(Mm. iiij.)
Wirfft er vns für / weil wir die Erbsünde einer Vnreinigkeit vnd Teuffels Gifft
vergleichen / so muß sie ja etwas reale, materiale, positiuum, das ist / was
wesentliches seyn.
Antwort. Die Erbsünde ist nicht nihil negatiuè, das ist / gar nichts: Sondern /
wie mans in Schulen nennet / ist sie eine priuatio ein Mangel / eine Beraubung
deß guten / wie sie auch Lutherus selbst / Genes. 2. nennet. Darnach ist sie
auch ein habitus oder böse schädliche Vnart / eine böse Seuche / wie sie die
Apologia der Augspurgischen Confession nennet / oder eine böse Vnordnung im
Menschen / in der Seel / im Hertzen vnd allen Kräfften deß Menschens / ein
eynwohnendes Vbel / Rom. 7. Eine Feindschafft wider Gott / Rom. 8. Eine
Verderbung. Rom. 3. etc. aber nicht quidda̅ reale, materiale,
positiuum, nichts etwas wesentliches oď selbständiges / gleich wie die bösen
habitus oder Vnarten nicht wesentliche Dinge sindt / auch nicht lauter
priuationes oder Mängel / etc.
Darumb ist es ein lauter Lästerung / wann sie vns zumessen wöllen / daß wir
lehren sollen / die Sünde sey etwas wesentliches oder selbständiges mit der
Natur vermischet / dann wir solche Lehre / als falsch vnd vnrecht / verwerffen
vnd außsetzen.
III. Wendet er für / das Concordi Buch trette auch darinnen zur Manicheer Lehr /
daß es setzet / durch die Erbsünde / als durch ein geistlich Gifft / sey vnser
Natur vergifftet vnnd verderbt. Dann die Manicheer sollen etwa auch gelehret
haben / daß die Natur durch die Sünde vervnreiniget sey / etc.
Mischet aber jmmerdar solche Sachen / die zu vnterscheiden sind. Dann die
Manicheer haben gelehret / daß die Natur durch die Sünde / als ein selbständiges
Wesen / das in derselben wesentlich
|| [148]
wohne vnnd mit jhr vermenget sey / inquiniert oder vervnreiniget
werde / welches das Concordi Buch klar verdammet / hergegen aber mit der
heiligen Schrifft lehret / daß die Natur durch die Erbsünde / als durch eine
böse Vnart / Vnordnung oder böse Qualitet vnnd Seuche vervnreiniget sey /
welches so weit von der Manicheer Lehr ab ist / als der Auffgang vom
Nidergang.
Das Wörtlein / Gifft / betreffendt / vnd das Gleichniß hiervon genommen / welches
das Gegentheil für vnd für widerholet / ist nun offtmals verantwortet
worden.
Das Wörtlein / Vnflat / Flecken / Vnreinigkeit / brauchet D. Lutherus selbst /
Tom. 6. German. vber die Außlegung deß 15. cap. der ersten an die Corinthier /
pag. 270. 271. vnd sonst an vielen Ohrten / vnd ist darumb kein Manicheer nicht.
Werden demnach andere / die solcher Wörter auch brauchen / nicht bald zu
Manicheern machen.
Daß die Erbsünde sey das böse oder der böse Schade / dardurch die Natur verderbt
/ vnnd nicht das corruptum oder die verderbte Natur selbst / wie diese Leut
schwärmen / ist nun zu vielenmalen gründtlich erwiesen / vnd ist eine grausame
Künheit von diesen Leuhten / daß sie auch Augustino andichten dürffen / daß er
gelehret / die Erbsünde sey die verderbte Natur selbst / so er doch für vn̅ für in seinen Schrifften darauff dringet (als wir auch droben
etliche seiner Sprüche allegiert) daß dz Böse oder die Erbsünde keine Natur sey
/ sonder nichts anders dann corruptio, eine Verderbung der Natur. Augustinus
contra Epistolam Fundamenti, cap. 35. 36. 38. 40. &c. vnd anderswo. Wie kan
er dann gehalten haben / daß die Verderbung vnd die verderbte Natur einerley
sindt / sintemal die verderbte Natur ja eine Natur ist / ob sie wol verderbt
ist?
IIII. Wöllen sie vns auch darinnen zu Manicheern machen /(N n. iij. fac. 1.) daß wir zwischen der
verderbten Natur / vnd zwischen der Erbsünde selbst vnterscheiden / vn̅ nicht zugeben wöllen / daß die verderbte Natur on allen
Vnderscheidt die Erbsünde selbst sey. Es hat aber deß
|| [ID00308]
Concordi Buchs Lehre mit ď Manicheer
Lehre dißfals nichts vberall zu schaffen. Dan̅ wir nicht lehren /
daß die Erbsünde ein selbständiges vom Teuffel erschaffenes Wesen sey / in deß
Mensche̅ Natur wohnendt / vnnd vom Teuffel mit derselben
vermischet / wie die Manicheer etwa gelehret: Sondern wir vnderscheiden mit der
heiligen Schrifft / Augustino vnd Luthero / zwischen Gottes Werck / das noch
vbrig ist / oder zwischen der Natur / die Gottes Werck vnd Geschöpff ist / auch
nach dem Fall / wie droben im ersten vnd andern Punct nach der Länge erwiesen /
vnd zwischen der Erbsünde / damit die Natur verderbt ist.
Wöllen hie nuhr einen Spruch Augustini auß seinem ersten Buch de nuptijs &
concupiscentia cap. 1. hieher setzen / in welchem er solchen Vnderscheidt auffs
aller deutlichste handelt: Intentio, spricht er / huius libri est, vt quantum
nos Dominus adiuuare dignatur, carnalis concupiscentiae malum, propter quod
homo, qui per illam nascitur, trahit originale peccatum, discernamus à bonitate
nuptiarum, &c. Ich hab mir in diesem Buch fürgenommen / so viel mir Gott
Gnade verleihen wirdt / daß ich das böse der fleischlichen Lust / vmb welches
willen der jenige / der dadurch geboren wird / die Erbsünde an oder mit sich
zeucht / von der Gütigkeit deß Wercks der Geburt oder Fortpflantzung der
Menschlichen Natur zu vnderscheiden / etc. Vnd cap. 3. Quis audeat dicere, donum
Dei esse peccatum? Anima enim & corpus, & quaecunque bona animae &
corporis naturaliter insita, etiam in peccatoribus dona Dei sunt, quoniam Deus,
non ipsi ista fecerunt. Das ist / Wer darff sagen / daß Gottes Gaben Sünde
sindt? Dann die Seel vnd der Leib / vnd was Leib vnd Seel noch mehr für gutes an
sich haben / auch in den Sündern / sindt Gottes Gaben / dann Gott hat
dieselbigen gemacht / vnd nicht sie selbst. Das heist ja freylich deutlich
gnugsam̅ vnderscheiden zwischen der Erbsünde vnnd zwischen der
verderbten Natur / so noch jetziger Zeit Gottes Geschöpff ist / auch nach dem
Fall.
|| [149]
Also vnderscheidet er auch zwischen der Erbsünde vnd Natur / Tractatu 43. in
Iohan. de cap. 8. Venit Dominus Deus ad hominem peccatorem, duo nomina audisti,
& hominem & peccatorem. Quòd homo est, ex Deo est, quòd peccator est,
no̅ est ex Deo. Anatura vitium secernatur. Agnoscatur natura,
vnde creator laudetur, agnoscatur vitium, propter quod medicus inuocetur. Das
ist / Gott der HERR ist zum Menschen kom̅en / der ein Sünder ist /
da hastu zwen Name̅ gehöret / einen Menschen vn̅
einen Sünder. Daß nun der Mensch Mensch ist / das hat er auß vn̅
von Gott / daß er aber ein Sünder ist / das hat er nicht von Gott. Man
vnderscheide den Gebrechen oder Mangel von der Natur / vnd erkenne die Natur /
daher der Schöpffer billich zu loben ist / man erkenne auch den Mangel vnd
Gebrechen der Natur / vnd halte sich derwegen zu dem rechten Seelen Artzt Jesu
Christo / etc.
Aber von diesem Vnderscheid ist droben im ersten vnd andern Punct außführlicher
gehandelt.
V. Vnangesehen / daß im Concordi Buch / pag. 231. vnd 261. verworffen wirdt / da
jemands lehrete / daß nicht der natürliche Mensch / sondern etwas anders vnd
frembdes im Menschen sündige / deßwegen nicht die Natur / sondern allein die
Erbsünde in der Natur angeklaget würde / etc. noch dennoch vnderstehet sich
dieser Geist / dem Concordi Buch solche Lehre zuzumessen. Vnd das darumb / weil
das Concordi Buch lehret / daß das verderbte Hertz derhalben sündiget / daß es
durch die Erbsünde verderbt ist.
Aber was darffs viel Wort? wann das Menschliche Hertz / als ein Hertz / an vnd
für sich selbst sündigte / so müste freylich die Sünde Gottes Creatur seyn. Dann
das Hertz / so ferrn es ein Hertz / Substantz oder Natur ist / ist Gottes
Geschöpff oder Creatur. Weil nun Gott die Sünde selbst nicht schaffet / so muß
ja nohtwendig folgen / daß ein anders die Natur deß Hertzen sey / von Gott
erschaffen / vnd das böse / daher es kom̅t / daß das Hertz /
welchs Gott erschaffen hat / sündig ist vnd Sünde thut.
|| [ID00310]
So bleibet nun wahr / daß das Hertz selbst vnd nicht etwas anders oder frembdes
im Menschen sündige / dann das Hertz ist ein Brunnquell der Wirckungen. Daß aber
die Wirckungen sündlich vnd vnrein sind / oder daß vnreine böse Gedancken vnnd
Lüsten darauß entsprungen / dasselbige ist nicht dem Hertzen / an vnd für sich
selbst / so ferrn es Gottes Geschöpff vnd Creatur ist / sondern der bösen Vnart
oder Seuche / damit es beladen ist / zuzuschreiben. Als wir solchs auch droben
im Anfang dieses 4. Puncts dargethan.
Das Hertz vor dem Fall / ehe es mit dieser schädlichen Seuche vnd Vnart der Sünde
beladen / hat nichts dann gutes gewürcket. Da es aber durch die Sünde verderbt /
da hat es auß solcher Verderbung angefangen böses zu dichten / zu trachten vnd
zu wircken / vnd kan nun nichts mehr dann böses thun / biß so lang / daß es
wider zu Gott bekehret / oder durch den Geist Gottes geboren wirdt.
Vnd ist freylich wahr / daß die Natur selbst die Sünde nicht sey / dan̅ / wie gemelt / ist sie auch jetzo / so ferrn sie eine Natur ist
/ Gottes Werck. Daß die Natur von allen Christen durchauß für sündig / vngerecht
/ vnrein vnd vnheilig gehalten vnnd erkannt werde / das ist recht. Daß man sie
aber für die Sünde selbst halten solte / das ist vnd bleibet jmmerdar vnrecht:
Sintemal vngerecht vnd vnrein seyn / vnd ohne allen Vnderscheid die Sünde selbst
seyn / vnderschiedene Sachen sindt.
Wir bekennen vnd lehren auch von Hertzen / daß die verderbte Natur ein Wurtzel
vnd Brunnquell aller wircklichen Sünde sey: Aber nicht daher / daß sie eine
Natur ist / sondern dieweil sie durch die Sünde also jämmerlich verderbt
ist.
Die Natur wirdt auch verklagt nicht darum̅ / daß sie eine Natur ist
/ denn das hat sie von Gott auch nach dem Fall: Sondern daß sie durch die Sünde
durch vnd durch verderbt ist. Augustinus contra Pelagiu̅ &
Coelestinum lib. 2. ca. 40. Deus hominem damnat propter vitium, quo natura
dehonestatur, no̅ propter naturam, quae vitio non aufertur. Das
ist: Gott verdammet den Menschen
|| [150]
vmb der Sünde willen / mit welcher die Natur geschendet wirdt /
nicht vmb der Natur willen / welche durch die Sünde nit auffgehaben wirdt.
Das Hertz tichtet wol für sich selbst böses / aber darauß folgt noch nicht / daß
es drumb die Sünde selbst sey. Dann böses tichten / hat es nicht daher / daß es
eine Natur oder Wesen ist / sondern von der Sünde / so in jme wonet. Ro. 7. So
tichtet es nu̅ wol böses von sich selbst / daß es aber solchs thut
/ hat es nicht von sich selbst / oder so ferrn es eine Natur vnd Creatur Gottes
ist: Sondern hat es auß vnd von wegen der Sünde / damit es verderbt ist.
Zeucht dieser Meister D. Lutheri Wort an auß dem 51. Psal.(Pp. j. fa. 28) welche also lauten: Et tamen hanc
sententiam quidam, vt videntur, magistri Theologi nostra aetate defendunt, quòd
naturalia sint integra, id est, quòd voluntas sit bona, etsi aliquando per
malitiam vult aut cogitat aliud, quàm quod rectum & bonum est, tribuunt id
malitiae hominum, non simpliciter voluntati, sicut in se est. Das ist: Etliche
Magistri vnd Theologi zu vnser Zeit vertheidigen / daß die Natur noch gantz vnd
vnuerderbt sey / das ist / daß der wille gut sey. Vnd da er zuweilen durch die
Boßheit etwas anders will oder gedencket / denn das recht vnd gut ist /
schreiben sie das der Boßheit der Menschen zu / vn̅ nicht dem
Willen / wie er für sich selbst ist / etc. Vnd will darauß erzwingen / daß die
verderbte Natur die Sünde selbst sey / vn̅ daß der Wille im
Mensche̅ / so fern er ein Wille oď Geschöpff Gottes ist /
selbst die Sünde sey vn̅ sündige / etc. Daß aber solchs Lutheri
Meynung nicht sey / ist darauß offenbar / daß Lutherus das alleine an den
Schullehrern straffet / daß sie gelehret / die Natur sey noch gantz vnd
vnuerderbt / vnnd also sey auch der Wille vnuerderbt / könne von Natur vnnd auß
sich selbst gutes wollen. Ite̅ daß der Wille auß sich selbst nicht
sündige / dieweil er nach dem Fall noch gut sey: Sondern was geschehe / das
geschehe auß Boßheit der Menschen / etc. Welchs alles wir auch mit Luthero an
jhnen straffen vnd verdammen. Sintemal es wahr ist / daß der verderbte
|| [ID00312]
Wille für sich selbst sündiget / aber
von wegen der Verderbung / so im Willen ist vn̅ derselbigen
anhangt. Darauß folgt aber noch nit: Der Wille sündiget für sich selbst. Ergo,
so ist er die Sünde oder die Verderbung selbst. Dan̅ ob wol das
Wircke̅ vn̅ Thun deß Willens für sich selbst
oder eygen ist / jedoch daß es gut oder böse sey / das kom̅t von
der Gutheit oder Boßheit her. Gleich wie es eines Baums ist / Frucht bringen /
daß sie aber gut oder böse sind / das kompt entweder von der Güte oder Boßheit
deß Baums. Ist er gut / so sind die Früchte gut / ist er böse / so sind die
Früchte böse.
Daß auch Lutheri Meynung nicht gewest / daß der verderbte Wille die Sünde selbst
were / das bezeugen seine eigene Wort / eben in demselbigen 51. Psal. Tom. 4.
Ienensi, da er also schreibet: Disputabant quidem de peccato originis, sed
dicebant in baptismo sublatum esse, & extra baptismum in natura lumen esse
reliquu̅, quod si quis sequatur, dari infallibiliter gratiam.
Quia docebant, in daemonibus quoque mansisse naturalia integra, & tantùm
amisisse gratiam. Quis autem non videt, summè haec esse contraria, dicere, quòd
naturalia sint integra, & naturam esse peccato corruptam? Voluntas quidem
est res naturalis, sed ipsi non simpliciter de velle disputant, sed de velle
bonum, idque vocant naturale. In eo error est. Manet voluntas in Diabolo, manet
in haereticis, hoc fateor esse naturale, sed ea voluntas non est bona, neque
intellectus rectus & illuminatus manet. Ergo si verè volumus de naturalibus
loqui secundùm hunc Psalmum, & secundùm Spiritus sancti modum, tunc vocemus
naturalia hoc ipsum, quòd in peccatis & morte sumus, quòd corrupta &
mala volumus, intelligimus & expetimus. Haec enim cu̅
praesenti Psalmi loco conveniu̅t, & ex eo probari possunt. Das
ist: Sie disputierte̅ wol von der Erbsünde / sie gaben aber für /
sie were in der Tauffe gar hinweg gethan / es were auch ausserhalb der Tauffe
noch ein Liecht in der Natur vbrig / welchem so einer folgete / würde jme
gewißlich die Gnade gegeben. Wie sie dann auch lehreten / daß in den Teuffeln
die Natur
|| [151]
vnd natürliche
Kräfften noch gantz weren / vnd were nur die Gnade darvon verlore̅. Wer sihet aber nicht / daß diese Dinge zum höchsten widereinander sindt /
sagen / daß die natürliche Kräfften noch gantz vnd vnverderbt sindt / vnd daß
die Natur durch die Erbsünde verderbt sey? Der Wille ist wol ein natürlich Ding
/ sie disputieren aber nicht alleine von dem schlechten Wöllen / sonder von dem
gutes Wöllen / vnd das heissen sie natürlich. In dem stickt der Irrthumb. Der
Wille bleibet auch in dem Teuffel / vnd in den Ketzern / das bekenne ich / daß
es natürlich sey / aber der Wille ist nicht gut / so ist auch der Verstandt
nicht richtig noch erleuchtet. Derwegen so wir warhafftig von den natürlichen
Dingen reden wöllen / vermöge dieses Psalmen / vn̅ wie der heilige
Geist darvon zu reden pflegt: So mögen das naturalia oder natürliche Dinge
heissen / daß wir in der Sünde vnnd Tode sindt / daß wir böses vnnd vnrechtes
wöllen / dichten / trachten vnd begeren. Dann diese Stücke kommen mit den Worten
gemeltes Psalmen vbereyn / vnd können darauß erwiesen werden.
Auß welchen Worten Lutheri klar ist / daß Luthero nie geträumet habe von der
wesentlichen Abtilgung deß Willens / vnnd Verwandlung deßselbigen in einen
andern wesentlichen Willen / der wesentlich die Sünde selbst were / vnd solcher
Gestallt sündigte. Dann er ja deutlich schreibet / daß der Wille vnd Verstandt
in den Teuffeln vnd Ketzern bleibe / er sey aber nicht gut oder richtig /
sondern verderbt / vnnd nicht also erleuchtet / als er seyn solte / vnnd daher
komme es / daß böses geschehe. Geschicht jhme demnach vnrecht / daß jhme von
diesen Schwärmern zugemessen wirdt / als solte er gehalten haben / daß der
verderbte Wille die Erbsünde selbst sey / etc.
Moses Genes. 6. 8. sagt recht / daß alles Dichten Menschliches Hertzen von Jugend
auff böse sey. Dann das Hertz selbst dichtet vnd trachtet / als ein Substantz /
welcher eygen ist wircken. Daß aber das Dichten vn̅ trachten
Menschliches Hertzens von Jugendt
|| [ID00314]
auff böse ist / das kompt von der Sünde her / vor dem Fall hat es gutes
gedichtet / nach dem es aber sündig worden / dichtet es böses.
Also Christus / Marci 7. spricht recht: Von jnnen / auß de̅ Hertzen
/ kom̅en arge Gedancken. Dan̅ deß Hertzens ist
dencke̅ / daß aber die Gedancken deß Hertzens arg oder böse
sindt / kompt von der Sünde her / damit das Hertz verderbt ist.
Vnnd Paulus Galat. 5. da er sagt: Das Fleisch gelüstet / schreibet recht dem
Fleisch die Lüsten zu / daß sie aber böse sindt vnd dem Gesetz widerstrebendt /
das kompt auß der Verderbung oder Sünde her / so im Fleisch wohnet. Rom. 7.
(Pp. iiij. fac. 1.)
Auff den Spruch Augustini lib. 6. contra Iulianum, cap. 7. Daß vnser Natur zu
heilen sey / etc. der abermals hie eyngeführet / ist droben gründtlich
geantwortet.
Deßgleichen / was hie auß der Kirche̅ Postill Lutheri am Tag
Circumcis. angezogen / ist auch droben verantwortet.
Summa / daß die Wirckungen deß Hertzens oder der Natur sindt / ist nicht
streitig. Daß sie aber böse sindt / das ist nicht der Natur / sonder der Boßheit
schuldt / damit die Natur verderbt ist. Sündiget also die Natur oder das
Hertzselbst / aber nicht / so ferrn sie eine Natur vnnd Geschöpff Gottes ist /
sondern so ferrn vnd dieweil sie durch die Sünde verderbt ist.
(Qq. ij. fa. 1.)
Daß aber darauß folgen solte / daß die Seuche im Menschen mächtiger were / als
die vernünfftige Seele oder Natur selbst / ist ein lauter Phantasey / dann / wie
gesagt / die Seele oder die Natur wircket / vnd sindt die Wirckungen der Seelen
oder der Natur deß Menschen / daß sie aber böse sindt / vnd dem Gesetz Gottes zu
wider lauffen / das kompt von der Verderbung her / damit die Seele oder Natur
verderbt ist. Sündiget demnach die verderbte Natur für sich selbst / dieweil die
Wirckungen von jhr herkommen / daß aber dieselbigen Wirckungen sündig oder böse
sindt / vnnd dem Gesetz widerspenstig / das kompt / wie gemelt / von der Vnart
her / die an der Natur oder an dem Fleische hanget. Rom. 7. Vnd das wirdt
|| [152]
gemeynt / wann man sagt / daß
die Sünde mache / daß alles Dichten vnd Trachten Menschliches Hertzens von
Jugend auff böse sey. Aber daran lassen sich diese Schwärmer nicht begnügen:
Sondern wöllen haben / daß wir mit jhnen schwärmen sollen / die verderbte Seele
oder Natur deß Menschens sey die Sünde selbst / vnnd sündige nicht derwegen /
daß sie verderbt ist / Sondern daß sie ohne allen Vnderscheidt die Verderbung
oder Sünde selbst sey / welches falsch vnnd Gottslästerlich ist / vnd wir mit
jhnen nimmer mehr sagen können noch wöllen.
VI. Das aber ist erstlich eine treffliche Folgerey Kunst / da(Qq. i. fa. 2.) dieser Geist fürgibt: Die alten
Manicheer haben die wesentliche Verwandlung der bösen Natur in eine gute Natur
verleugnet / vnd haben nuhr auff eine Scheidung getrungen deß bösen oder der
selbständigen Sünde / so / jrem Gedicht nach / in der Menschlichen Natur
wohnete. Derwegen (spricht er) sindt diß Manicheer / welche lehren / daß die
Natur deß Menschen in der Bekehrung zu Gott / oder in der Widergeburt nicht
wesentlich in eine newe Natur verwandelt werde / sondern halten / daß die Sünde
als eine böse Vnart von der verderbten Natur gescheyden / vnd die verderbte
Natur geheilet / vernewert oder gesundt gemacht werde.
Dann erstlich ists nicht wahr / daß die Manicheer die wesentliche Verwandlung der
guten Natur wider Augustinum vnd andere reine Lehrer sollen verleugnet haben /
sintemal offenbar ist / daß Augustinus vnnd die andere Patres keine wesentliche
Verwandlung der Natur gelehret / sondern nuhr eine Veränderung in den Qualiteten
oder zufälligen Dingen / wie droben auß Augustino gewaltig erwiesen.
Augustinus hat die Veränderung der Natur in jhren guten Qualiteten / Art oder
Eygenschafften gelehret / diese haben die Manicheer wider jhn geleugnet / vnnd
keine andere / ist auch von keiner andern der Streit gewest zwischen Augustino
vnnd den Manicheern.
|| [ID00316]
Zum andern / haben die Manicheer gelehret eine Scheidung der selbstendigen
wesentliche̅ Sünde / die im Menschen wohnet / vn̅ nicht der bösen Seuchen oder Vnart / dadurch die Natur verderbt ist. Solchs
hat Augustinus an den Manicheern verdampt / vnd wir verdammens auch. Hergegen
hat Augustinus gelehret / daß in der newen Geburt oder Bekerung die böse Vnart
dem Menschen vergeben werde vmb Christi willen / vnd daß durch den Heiligen
Geist ein Anfang gemacht / die inwohnende Sünde im Fleische zu dempffen vnd zu
tödten / etc. Das lehren wir mit Augustino auch / vnnd haben also mit der
Manicheer Irrthumb gar nichts gemein.
Zum dritten / haben die Manicheer gelehret / daß / wann die selbstendige Sünde
vom Menschen gescheiden / so bliebe sie in Ewigkeit bestehen oder lebendig /
etc. Solchs verdammen wir mit Augustino / wie auch droben klärlich
angezeiget.
Augustini Spruch lib. 6. contra Iulian. cap. 7. Naturam sanandam, der hie wider
eingeführet / ist / wie kurtz zuuor gemeldt / droben verantwortet / darbey wirs
bewenden lassen.
In Summa / die Natur ist durch die Sünde verderbt / wann nun der Mensch
widergeboren oder zu Gott bekehret wirdt / da wirt jhm erstlich die angeborne
Sünde / Verderbung oder Vnart vmb Christi willen vergeben vnd nicht zugerechnet
/ dieweil Christus dafür bezalet / welche Bezalung der Mensch mit dem Glauben
ergreifft vnd fasset. Darnach wirt jm der Heilige Geist geben / Tit. 3. welcher
anfängt die Sünde selbst oder die böse Vnart außzutilgen / vnd den Menschen von
Tag zu Tag reiner vnnd frömmer zumachen / aber die gäntzliche Außfegung der
Sünden wirdt in diesem Leben nicht vollbracht / sondern erst im
zukünfftigen.
(Augustinus tractat. 41. in Iohan.)
Auff solche Weise lehret die Schrifft von der Widergeburt vnd Bekehrung deß
Menschen zu Gott / vnd also lehren auch darvon Augustinus / vnd sonderlich
Lutherus.
Daß sie aber von einer wesentlichen Verwandelung der verderbten Natur / in eine
andere newe Natur / welche die Gerechtigkeit
|| [153]
selbst seyn solte / gleich
wie die vorige die Sünde selbst / jrem Dichten nach / gewest / solten gelehrt
haben / da wissen weder die Schrifft noch Lutherus etwas von. Darumb auch
Lutherus Genes. 42. schreibet: Fides & Spiritus Sanctus non corrumpit aut
destruit naturam, sed corruptam & destructam sanat ac reparat. Der Glaube
vnd Heilige Geist zerstören die Natur nicht / sondern heilen sie vnd bringen sie
wider zu recht. Ibidem: Deus vult seruatam naturam, non extinctam, sed iubet eam
corrigi, vt fiat purior. Das ist / Gott will die Natur erhalten vnd nicht
vertilget haben / sondern heist sie ändern / daß sie reiner werde. Eben das sagt
er Genes. 43. Der Heilige Geist heilet die Natur vnd bringet sie zu rechte. Das
heist aber nicht so viel / als vertilgen vnd wesentlich in eine andere newe
Natur / der vorigen / dem Wesen / Art / Form vnnd Gestallt nach / vngleich /
verwandeln. Ist auch klar / daß Lutherus solche wesentliche Verwandlung der
Natur / darvon diese Schwärmer träumen / niemals gelehret. Erscheinet auch / daß
/ wann Lutherus von Vernewerung der Natur redet / daß er solches nicht verstehe
von einer wesentlichen Verwandlung in eine andere Natur / etc. Sondern von
Vernewerung derselbigen / so viel die gute Art anlanget / daß sie newe Liecht /
Leben / Trost / Friede / Freude vberkomme / daß das Hertz gläubig gemacht werde
/ geheiliget werde / ein newer Gehorsam̅ im selbigen angefangen
werde / vnnd die böse Vnart auß dem Hertzen anfahe außgetilget zu werden / etc.
daß das Hertz von Tag zu Tag reiner werde / biß es in der fröliche̅ Aufferstehung / von aller Sünde erlediget / gar rein / heilig vnd gerecht sey
/ da alle Gläubige Christen mit sehnlichem Verlangen auff hoffen.
Hiervon redet Lutherus / Genes. 1. mit diesen Worten: Hoc nunc per Euangelium
agitur, vt imago illa reparetur. Manserunt quidem intellectus & voluntas,
sed valdè vitiata vtraque. Euangelium igitur hoc agit, vt ad illam & quidem
meliorem imaginem reformemur, quia in vitam aeternam, vel potiùs in spem vitae
aeternae renascimur per fidem, vt viuamus in Deo & cum
|| [ID00318]
Deo, & vnum cum ipso sumus. Sicut
Christus dicit. Neque verò ad vitam solùm renascimur, sed etiam ad iusticiam,
quia fides arripit meritum CHRISTI, & statuit, nos per CHRISTI mortem
liberatos esse. Inde alia iusticia nostra oritur, nempe illa vitae nouitas, qua
studemus obtemperare Deo, edocti verbo, & adiuti per Spiritum Sanctum. Sed
haec iusticia in hac vita incipitur tantùm, neque potest in hac carne esse
perfecta. Placet autem Deo non tanquam perfecta iusticia, aut tanquam precium
pro peccatis, sed quia proficiscitur ex corde, quod nititur fiducia
misericordiae DEI per CHRISTVM. Deinde hoc quoque fit per Euangelium, vt
conferatur nobis Spiritus Sanctus, qui resistit in nobis incredulitati, inuidiae
& alijs vitijs, vt seriò optemus ornare nomen Domini & verbum eius,
&c. Ad hunc modum incipit imago ista nouae creaturae reparari per Euangelium
in hac vita, sed non perficitur in hac vita, cùm autem perficietur in regno
Patris, tunc erit voluntas verè libera & bona, mens verè erit illuminata,
& memoria constans. Tunc fiet etiam, vt omnes creaturae aliae magis nobis
sint subiectae, quàm in Paradiso Adae fuerunt. Das ist / Darmit gehet nun das
Euangelium vmb / daß das Bilde Gottes wider in vns angerichtet werde. Es sindt
wol blieben der Verstandt vnnd Wille / aber beyde sehr geschwächet. So ist nuhn
das deß Euangelij Werck / daß wir wider zu demselben vnnd bessern Bilde
reformiert werden. Dann wir werden zum ewigen Leben oder zur Hoffnung deß ewigen
Lebens newgeboren durch den Glauben / daß wir in Gott vnnd mit Gott leben / vnd
eines mit jhm sindt / wie der HERR Christus spricht. Werden auch nicht alleine
zum Leben neuwgeboren: Sondern auch zur Gerechtigkeit / dann der Glaube
ergreiffet den Verdienst Christi / vnd hält gewißlich darfür / daß wir durch
seinen Todt erlöset sindt. Darauß entspringet nuhn eine andere Gerechtigkeit /
die vnser ist / nem̅lich / die Vernewerung deß Lebens / da wir
anfahen Gott zu gehorsamen / als
|| [154]
wir dessen auß Gottes Wort berichtet / vnnd durch den Heiligen
Geist darzu angetrieben werden. Aber diese Gerechtigkeit wird in diesem Leben
nuhr angefangen / vnnd kan in der Schwachheit vnsers Fleisches nicht vollkommen
werden. Sie gefällt aber dannoch GOTT dem HERRN wol / nicht / daß sie vollkommen
sey / oder ein Bezahlung sey für die Sünde: Sondern darvmb / weil sie auß einem
solchen Hertzen kommet / das sich gründet auff Gottes Barmhertzigkeit durch
Jesum Christum. Nachmals geschicht auch dieses durch das Euangelium / daß vns
der Heilige Geist gegeben wirdt / der in vns widerstehet dem Vnglauben / Haß /
Neid vnnd andern Sünden / daß wir von Hertzen begeren Gottes Namen zu preisen /
vnnd sein Wort zu befürdern. Auff diese Weise fehet dieses Bilde Gottes oder
newe Creatur an / in vns durchs Euangelium in diesem Leben widerbracht zu werden
/ es wirt aber in diesem Leben nicht vollkommen. Wann es aber nuhn im ewigen
Leben wirdt vollkommen werden / als dann wirdt vnser Wille recht frey vnnd gut /
der Verstandt wahrhafftig erleuchtet / vnnd das Gedechtniß bestendig seyn.
Alsdann wirdt es auch geschehen / daß alle andere Creaturen vns mehr
vnterworffen seyn werden / dann sie Adam im Paradeiß vnderthan gewesen seyn.
Das Wort / verändern / Rom. 12. Transformamini in nouitate mentis vestrae:
Verändert euch durch Vernewerung ewers Sinnes / etc. heist da keine wesentliche
Veränderung deß Sinnes / also / daß der Sinn / Verstandt oder Seele / dem Wesen
nach / solle abgetilget / vnd eine newe Seele / dem Wesen / Form / Art oder
Gestallt nach / werden: Sondern heist new Liecht / newer Gehorsam̅
/ newe Regierung vnnd Bewegung im Hertzen durch den Heiligen GE Ist vberkommen /
vnnd wirdt entgegen gesetzet der bösen Ahrt dieser Welt. aber oder Gestallt heisset hie nicht etwas wesendtliches oder selbständiges /
Sondern
|| [ID00320]
heist die Boßheit oder Vnart
/ die den verderbten Menschen anhanget / darvon sich die Gläubigen enthalten
oder absöndern sollen.
Die Veränderung durch Vernewerung deß Sinnes bedeut auch keine wesentliche
Veränderung / sondern die geistliche Vernewerung deß Gemühts oder deß Hertzens
durch den heiligen Geist / da vns der heilig Geist zu geistlich newen Menschen
macht / newe Sinne / Gedancken / Regung vnd Bewegung gibt / in einem newen Leben
zu wandeln / vnnd vns dieser Welt nicht gleichförmig zu erzeigen. Vnd solcher
Gestallt erkläret diesen Spruch auch Lutherus in der Kirchen Postill vber die
Außlegung der Epistel am ersten Sonntag nach Epiphaniae. Seine Wort lauten also:
Wir werden also täglich verändert vnd vernewert in vnserm Sinne / das ist / daß
wir täglich je mehr vnnd mehr halten von dem / das die Welt vnnd Vernunfft
hasset / etc. Lehret derwegen dieser Spruch nichts vberall von der wesentlichen
Verwandlung der Menschlichen Natur in die Gerechtigkeit selbst / darvon diese
Schwärmer dichten.
Diese Gelegenheit hat es auch mit dem Spruch Pauli / 2. Corinth. 3. Transformamur
ex claritate in claritatem. Wir werden verklärt von einer Klarheit zu der andern
/ etc. Dann der Apostel da keines Wegs von einer wesentlichen Verklärung der
Menschlichen Natur in die Gerechtigkeit selbst redet: Sondern handelt von der
Verklärung vnd Vermehrung der Gaben / welche der Heilige Geist in der
Widergeburt in den Gläubigen angefangen / vnd von Tag zu Tag vermehret / wie
auch Chrysostomus 2. Cor. 3. diesen Spruch also außleget. Anima repurgata &
argento facta lucidior, accipit radium à gloria Spiritus, & hunc vicissim ex
se remittit. Eòque dicit: Speculantes secundùm eandem imaginem, transformamur à
gloria Spiritus in gloriam nostram, quae in nobis gignitur, & quidem talis,
qualem conuenit gigni à Domino Spiritu. Das ist / Eine gereinigte oder
vernewerte Seele / welche heller oder klärer gemacht ist / als das Silber /
empfähet
|| [155]
einen Stralen oder
Glantz von der Herrligkeit deß Geistes / vnd den leßt sie auch von sich blicken.
Derwegen spricht er: Wir schawen die Klarheit deß HERRN / wie in einem Spiegel /
etc. vnd wir werden verkläret in dasselbige Bilde / von der Klarheit deß Geistes
/ zu vnserer Klarheit / die in vns geboren / oder erschaffen wirt / vn̅ zwar eine solche Klarheit / als es billich ist / daß sie ein
solcher HERR vnd Geist in vns gebere oder erschaffe.
Wann nun die vnsern der Schwarmgeister Gedicht von der wesentlichen Verwandelung
der Sünde in die Gerechtigkeit selbst verspotten / exagitieren sie nicht deß
Heiligen Geistes Wort / sondern dieser Schwarmgeister lügenhafftig Gedicht.
Sonst halten sie mit der Schrifft / daß der Mensch Geistlich newgeboren werde /
werde vernewert / Geistlich newgeschaffen vnnd lebendig gemacht / aber das gehet
nicht auff eine wesentliche Veränderung der Natur selbst in eine andere
wesentliche Natur / sondern auff die gnädige Vergebung der angebornen Sünde /
vnd auff die anfahende Geistliche jn̅erliche Vernewerung der Natur
an Geistlichen Gaben / vnd Außfegung der Sünde. Wie D. Lutherus in seiner
letzten Predigt / zu Wittenberg gethan / Tom. 8. Ienensi sagt: Die Sünde ist wol
gäntzlich vergeben / aber noch nicht gar außgefeget. Wenn der Heilige Geist die
Menschen nicht regierte / würden sie wider faul. Aber der Heilige Geist muß die
Wunden täglich reinigen / darumb ist diß Leben ein Spital / die Sünde ist wol
vergeben / aber noch nicht heil / etc.
Der Spruch Augustini contra Secundinum cap. 2. Malis verò iam mutatis in bonum
Apostolus ait: Fuistis enim aliquando tenebrae, nunc autem lux in Domino. Der
Apostel Paulus sagt zu den bösen / die nun zum guten verwandelt wahren: Ihr
waret weilandt Finsternüß / nun aber seind jhr ein Liecht im HERRN / etc. redet
keines Weges von den wesentlichen Verwandelung der verderbten Menschlichen Natur
in die Gerechtigkeit selbst: sondern von der Bekehrung deß Menschen vnd Früchten
derselben / daß die
|| [ID00322]
jenigen / welche
vor der Bekehrung einen verfinsterten Verstandt hatten vnd Gott nicht recht
erkandten / nun nach der Bekehrung einen erleuchteten Verstandt oder erleuchtete
Augen deß Hertzens haben / Ephe. 1. damit sie Gott recht erkennen vnd ansehen.
Trutz diesen Schwarmgeistern / daß sie einen einigen Spruch auß Augustino von
der wesentlichen Veränderung anzeigen.
(Qq. iiij. fac 2.)
Wirdt dieser Spruch Deutsch angezogen auß dem 32. Sermon. Augustin. de verbis
Apostoli: Es sind wol böse Ding / sie werden aber verwandelt / vnd denn werden
die bösen Dinge gut / etc. Gleube / so wirstu auch gut / du bist böse / du wirst
gut werden / theile vn̅ vnderscheide hie nur nit / deine Natur muß
geheilet nit abgesöndert oder abgeschieden werden: Wiltu wissen was du bist?
Finsternüß bistu / aber gleube / so wirstu auß Finsternüß Liecht / etc. Es
stehet aber der Wort keines in gemeltem Sermon / wie solchs der Christliche
Leser im Augustino selbst sehen kan.
Ambrosij Spruch / daß das Fleisch / welches ein stinckender Pful aller Geilheit
sey / in einen Tempel aller Tugent verwandelt werde / etc. wirdt zwar angezogen
/ aber nicht dabey gesetzt / wo er im Ambrosio stehe / daß man nachschlagen
köndte / ob er auch recht allegiert / darumb auch diese allegatio nichts gilt /
sonderlich weil Ambrosius Hexaem. lib. 1. cap. 8. außtrücklich schreibet / daß
die Sünde nicht ein Substantz oder wesentlich Ding sey / sondern eine Verkehrung
deß Sinnes oder Hertzens. Darauß dann herwider folget / daß auch die verderbte
Natur oder Seele in der Bekehrung nicht in die Gerechtigkeit selbst verwandelt
werde.
Augustini Spruch lib. 3. contra Iulian. cap. 12. Natura humana secundùm
Catholicam fidem bona instituta, sed vitiata peccato meritoque damnata est. Das
ist / nach dem Christlichen Glauben ist die Natur erstlich gut erschaffen / sie
ist aber durch die Sünde verderbt vnnd billich verdampt / etc. ist wider diese
Schwär
|| [156]
mer vnd
nicht für sie. Dan̅ er sagt / daß die Natur durch die Sünde
verderbt sey / nicht aber / daß sie die Sünde selbst worden sey. Noch viel
weniger sagt er / daß die Sünde selbst in der Widergeburt in die Gerechtigkeit
wesentlich verwandelt werde. Eben das lehret auch Augustini Spruch de natura
& gratia / meldet nicht mehr / als daß die Natur jetzo eines Artztes bedarff
/ darumb daß sie nicht mehr gut vnd gesundt ist / sagt mit keinem Wort von der
wesentlichen Verwandelung der Sünde selbst in die Gerechtigkeit.
VII. Daß das 7. Capitel zun Römern alleine von den Gleubigen(RR. 1. fac. 1.) vnd Widergebornen solle vnd müsse
verstanden werden / hette einer solchen langen Beweisung nicht bedürfft / dann
wirs von Hertzen gestehen / gläuben / lehren vnd bekennen.
Da ist aber der Streit von / obs wahr sey / wie diese Schwärmer tichten / daß
Paulus darinnen lehre / daß die verderbte Natur ohne allen Vnderscheidt die
Sünde selbst sey / oder viel mehr darinnen beruhe / daß die Erbsünde ein böses
Vbel oder widerstrebende Vnart sey / die auch in der Widergebornen Menschen
Fleische wohne.
Darauff ist nun droben im ersten Theil / vnd sonsten hin vnd wider in dieser
Schrifft / gründtlich dargethan / daß Paulus in diesem 7. Capitel deutlich die
verderbte Natur oder Fleisch / in welchem daß böse oder die Sünde wohnet / vnd
die Sünde selbst vnderscheide / wie seine Wort klar mit sich bringen / als: Die
Sünde die in mir wohnet. Item: In meine̅ Fleisch wohnet nichts
guts. Item: Das Böse hanget mir an / etc. Welche Wort deutlich bezeuge̅ / daß Paulus die einwohnende oder anhangende Sünde vnd sein
Fleisch / in welchem sie wohnet oder dem sie anhanget / mit nichten für einerley
Ding gehalten habe oder halte.
Vnnd ligt nichts daran / daß der Apostel hie von den Gläubigen redet. Dann die
Sünde / wie D. Lutherus recht vber den 32. Psalm / vnnd contra Latomum Tom. 2.
Latin. pag.
|| [ID00324]
426. 432. schreibet:
Einerley ist in Gläubigen vn̅ Vngläubigen / alleine das ist der
Vnderscheid / daß der Gläubigen Sünde nicht gerechnet / sondern zugedeckt / der
vnheiligen aber gerechnet vnd auffgedeckt stehen. Jener Wunden haben Pflaster
vnd sind verbunden / aber dieser stehen offen vnd sind vnuerbunden / etc. Wie
nun die Erbsünde / in Paulo wonendt oder seinem Flelsch anhangend / eine böse /
schädliche / widerspenstige Vnart ist / also auch in den vngläubigen vnd
vnbekehrten.
Derwegen das 7. Cap. an die Römer im wenigsten dem Gegentheil / seinen Schwarm
zubeschönen / nit dienet. Vnd hieher gehöret der Spruch Ambrosij / Rom. 7. Scio
quòd no̅ habitat in me, hoc est, in carne mea, bonum. Non, sicut
quibusdam videtur, carnem malam dicit: sed quod habitat in carne, non esse
bonum, sed esse peccatum. Quomodo habitat in carne peccatum, cùm non sit
substantia, sed pręuaricatio boni? Quoniam primi hominis Corpus corruptum est
per peccatum, vt possit dissolui, ipsa peccati corruptio per conditionem
offensionis manet in corpore, &c. Das ist / ich weiß / daß in mir / das ist
/ in meinem Fleische / nichts gutes wohnet. Er nennet nicht / wie sich etliche
düncken lassen / das Fleisch böse: sondern er saget / daß diß / so im Fleisch
wohnet / nicht gut / sondern Sünde sey. Wie kan aber die Sünde im Fleisch wohnen
/ weil sie kein Wesen / sondern Vbertrettung deß guten ist? Antwort: Weil deß
ersten Menschen Leib also durch die Sünde verderbt ist / daß er kan auffgelöset
werden / so bleibet die Verderbung der Sünden / von deß gedreweten Zorns wegen /
auch im Menschlichen Leibe / etc.
Vom Vnderscheid deß alten vnd newen Menschen ist droben / in Widerlegung deß
dritten Puncts / außführlich Bericht geschehen / darumb es vnnötig / dieses Orts
alles zu widerholen. Wöllen dem Christlichen Leser zum Vnterricht nur dieses
Sprüchlein Lutheri contra Latomum Tom. 2. Lat. hieher setzen / pag. 431. Vnus
est homo Paulus, qui vtrunque de se co̅fitetur, alio & alio
respectu.
|| [157]
Das ist: Paulus ist
ein entzeler Mensch / der beydes von sich beken̅t / aber nach
vnderschiedlicher Betrachtung. In Sum̅a / ein alter Fleischlicher
Mensch ist Paulus / so ferrn er nit gar vernewert / sondern noch die alte Vnart
an sich hat. Ein newer Geistlicher Mensch ist er / so ferrn er durch den
Heiligen Geist newgeboren / new Liecht / Leben / Frewde vnnd newe Bewegungen im
Hertzen vberkommen hat / dadurch er den bösen Begierden deß Fleisches
widerstrebet vnd dieselben tödtet. Vnd ist der alte vnd newe Mensch in Paulo
nicht dem Wesen oder Substantz nach vnderschieden / sondern / wie gemelt / nach
der Fleischlichen oder Geistlichen Art vnd Eigenschafften.
VIII. Daß es Manichęisch solle seyn / daß Gott die Erbsünde in der Aufferstehung
gar von der Natur scheiden / vnd die Natur von aller Sünde rein machen werde /
widerspricht Augustinus in seinem Enchiridio cap. 11. mit diesen Worten: Wann
die Sünde vnnd Mängel in vns geheilet werden / werden sie nicht etwa hingebracht
(wie die Manicheer von der selbstendigen wesentlichen Sünde gedichtet habe̅) sed ea, quae ibi erant, nusquam erunt, quando in illa sanitate
non erunt. Das ist / die Mängel oder Gebrechen / so in der Natur waren / werden
als dann (verstehe im ewigen Leben) nirgents seyn / dieweil sie in der
Gesundtheit oder Reynigkeit der Natur nicht mehr seyn werden.
Da auch dieses eine Manichęische Lehre seyn solte / daß in der Aufferstehung die
Sünde von der Natur gar solle außgefegt werden / müste auch Lutherus ein
Manicheer seyn / da er Tom. 6. German. vber das 15. Cap. zun Corinthern
schreibet / pag. 270. Dazu ist der Sieg durch Christum geschehen / welcher in
jhm selbst alles vberwunden hat / daß er dich damit kleide vnnd von deiner Sünde
vnnd Todt rein mache / daß nichts mehr bleibe an deinem verwehßlichen Leib vnnd
allem was der Teuffel drein geblasen hat oder von jhm herkompt / allerley
Vnglück vnnd Gebrechen / Irr
|| [ID00326]
thumb vnnd Vnuerstandt / ohn was die Natur vnnd warhafftiger Leib ist
/ wie er von Gott geschaffen ist. Denn Gott hat den Menschen nicht also gemacht
/ daß er solt sündigen vnd sterben / sondern daß er lebete / aber der Teuffel
hat den schändtlichen Vnflat vn̅ Flecken an die Natur gehengt /
daß er muß so viel Seuche / Stanck vnd Vnglück am Hals tragen / weil er
gesündiget hat / Weil aber nun durch Christum die Sünde ist weggenommen / so
sollen wir auch desselben wider loß werden / daß alles rein vnnd nicht böses
noch verdrießlichs mehr auff Erden entpfunden werde / aber nicht anderst / denn
daß wir zuuor / durch den Todt / diß alte böse Kleid lassen außziehen / biß es
gar abe vnd aller Ding zu Puluer werde.
Also müst er auch ein Manicheer seyn / da er Genes. 38. schreibet: Peccatum &
mors sunt mala separabilia. Die Sünde vnd der Todt sindt solche Schäden / so von
der Natur können abgescheiden oder abgesöndert werden.
Weil auch die Sünde nach der Aufferstehung nirgendt seyn wirdt / etc. wie
Augustinus in Enchiridio cap. 11. recht schreibet / so bedarffs nicht viel
disputierens / wohin sie als dann kommen werde / dann weil sie nichts seyn wirdt
/ so kan sie auch / eigentlich zu reden / nirgendt hinkommen.
Das aber zuweilen mit dem Propheten Micha Cap. 7. gesagt wirdt / Gott wölle die
Sünde in die tieffe deß Meers werffen / ist Figürlich geredet vnnd heisset so
viel / als daß die Sünde solle als dann nichts mehr seyn / sondern gar todt vnd
abe seyn.
Also verhelt sichs auch mit der Art zureden: Die Sünde der Gläubigen werde im
Grabe bleiben / etc. Dan̅ dieselbige auch Figürlich ist / vnd so
viel heisset: Die Gläubigen werden im ewigen Leben gar keine Sünde mehr haben /
sondern von allen Sünden gantz vnd vnd gar gefreiet seyn.
|| [158]
Vnd ist recht geredt / da Augustinus lib. 2. Contra Iul. schreibet: Vnser Natur
sey durch deß ersten Menschen Sünde verderbt / vn̅ nit von einer
andern selbstendige̅ Natur abzusöndern / sondern sie sey zu heilen
von dem Gebrechen den sie hat / etc. Ist auch vnnd gehet diese Rede Augustini
stracks wider diese Schwärmer. Dann ist die Natur von dem Gebrechen / welchen
sie durch deß ersten Menschen Sünde vberkommen hat / zu heilen / daß sie gantz
gesundt vnnd rein werde / so muß ja beides wahr seyn / Erstlich daß die
verderbte Natur die Sünde selbst nicht sey / sondern die Sünde sey ein böser
Gebreche̅ / daruon die Natur zu heilen ist. Zum andern / daß
die Natur von solchem bösen Zufall am Jüngstentage gantz vnd gar zu heilen oder
zubefreyen sey / also daß sie gantz vnd gar keine böse Vnart oder Gebrechen mehr
an sich habe. Darinnen bestehet vnser Kirchenlehre / vnd das ist die Warheit /
wider diese Schwärmer / noch dürffen sie Augustinum auff jhrer Seiten
dürstiglich anziehen.
Das Sprüchlein Augustini sermon. 30. de verbis Apostoli: Natura in te sananda
est, non separanda, ist auch für vns vn̅ wider diese Schwärmer.
Die Natur in dir / spricht Augustinus / ist zu heilen (verstehe von der Sünde)
vnnd ist nicht abzuscheiden / wie die Manicheer schwärmeten / von einer andern
wesentlichen selbstendigen Natur / welche die Sünde oder das böse selbst
were.
Ebner massen bestättiget auch dieser Spruch Sermon. 45. de tempore, vnsere Lehre:
Peccatum non est alia natura, vt in saniunt Manichaei, languor noster est,
vitium nostrum est, non separatum alibi erit, sed sanatum nusquam erit. Das ist:
Die Erbsünde ist nicht eine andere frembde Natur / wie die Manicheer geschwärmet
/ sondern ist vnsere Kranckheit oder Gebrechen / vnd wirdt nicht etwa seyn /
wann sie von der Natur geschieden wirdt / sondern wirdt als dann nirgendts mehr
oder gar nicht seyn.
|| [ID00328]
(SS. iij. fac. 1.)
Diesen schönen Spruch Augustini hat der Schwärmer zu seinem Vortheil also
verdeutschet: Die Erbsünde ist nicht eine besondere / frembde / andere /
vnderschiedene Natur vnnd Wesen in vnser Natur vnd Wesen / wie die Manicheer
vnbesonnen geschwärmet / sondern ist vnser schwache / verderbte / verkehrte (ja
Geistlich Todte) Natur / vnnd man kan vnd soll nicht sagen / daß die Erbsünde /
als ein vnterschieden Ding / von der Natur solle geschieden oder abgesondert
werden / vnnd dieselbige abgesonderte Erbsünde gleichwol nach der Absönderung /
als etwas wesentliches / an einem gewissen Orth seyn vnd bleiben werde: Sondern
wenn vnsere verderbte Natur widerumb geheilet vnnd aller Ding zu recht gebracht
sein wirdt / so wirdt als dann keine Sünde mehr verhanden seyn.
Bleibet also vnser Kirchenlehre wider dieses Schwarmgeistes Dichten feste
bestehen / vnd kan mit Grunde nicht vmbgestossen werden
(SS. iij. fac. 2.)
IX. Zeucht dieser Schwärmer durch etliche Blätter an / daß durch vnser
Kirchenlehre / von der Menschwerdung deß Sohns Gottes vnd seinen Wolthaten /
viel zu gering solte gelehret werden / dieweil wir nicht mit jhnen diese
grausame Gottslästerung treiben wöllen / daß ein wesentlicher Vnderscheid sey
zwischen Christi vnnd vnserm Fleisch / vnd daß Christi Fleisch / das er
angenom̅en / einer andern Art / Gestallt vnd Wesens sey / denn
vnser Fleisch ist / etc. Dieweil aber diese Gottslästerung droben / in
Verantwortung deß andern Puncts / außführlich verlegt ist / vnnd hie eben
dieselbigen Sachen widerholet werden / welche daselbsten von diesem Schwarmgeist
getrieben worden: Als wöllen wir den Christlichen Leser daselbst hin gewiesen
haben / damit nicht einerley Sachen so viel mal in einerley Schrifft dürffen mit
Verdruß deß Lesers widerholet werden.
X. Muß die Manichaeische Absönderung deß selbstendigen
|| [159]
Bösen in der Menschlichen
Natur wider herfür. Vnd dringet dieser Schwärmer / daß / wann wir lehren / daß
Christus durch sein Leiden vnd Sterben vnser verderbte Natur von der Sünde
erlöset habe / vnd nicht die Erbsünde selbst / daß vnsere Lehre sich mit der
Manichaeischen Lehre vergleichen solle.
Aber dieser Fürwurff bedarff keiner weitläufftigen Antwort. Dann erstlich
verdammen wir mit Hertzen vnd Munde der Manicheer Lehre von Absönderung der
wesentlichen oder selbstendigen Sünde von vnser Natur / dann es ist keine solche
wesentliche Sünde / weder im Menschen noch sonst in einiger Creatur. Wie wir
dann auch dieses verwerffen: So jemandt lehrete / daß Christus mit seinem Leiden
vnd Gehorsam̅ das verdienet / daß vnsere Natur von der Sünde / als
einem selbstendigen Wesen / solte erlediget werden. Wie kan vns dann zugemessen
werden / daß wir dißfalls etwas mit den Manicheern solten gemeyn haben?
Zum andern / lehren wir mit der Schrifft vnd Augustino wider die Manicheer / daß
Christus Mensch worden / gestorben vnnd aufferstanden sey / auff daß er vnser
Natur von der Sünde erlösete / vnd nicht von einem selbstendigen Vbel / dann das
ist nicht in vnser Natur / wie die alten Manicheer fürgaben / Wie solten wir
dann diß fals Manichęische Lehre führen?
Wöllen auß Augustini Buch contra Pelagium & Coelestinum, lib. 2. cap. 33.
einen Spruch anziehen (von welchem dieser Schwärmer hie etliche Wort / aber im
falsche̅ Verstande / allegiert) in welchem dieser gantzer
Streit vberauß deutlich erkläret: In hac quaestione, vbi quaeritur, non cui rei
creator, sed cui rei saluator sit necessarius, non intuendum est, quid boni in
sit in procreatione naturae, sed quid in peccato mali, quo certum est vitiatam
esse naturam: Simul autem vtrumque propagatur, & natura & naturae
vitium, quorum vnum est bonum, & alterum malum. Illud de conditoris
largitate sumitur, hoc de originis damnatione attrahitur. Illi est causa bona
voluntas Dei summi, huic mala vo
|| [ID00330]
luntas hominis primi. Illud indicat Deum creaturae institutorem, hoc
indicat Deum inobedientiae punitorem. Denique idem ipse Christus propter illud
creandum factor est hominis, propter hoc sanandum factus est homo. Das ist / In
diesem Streit / da gefragt wirt / nicht welchem Dinge ein Schöpffer / sonder
welchem ein Seligmacher von nöhten ist / muß man nicht Achtung geben auff das /
so guts in Erschaffung der Natur ist / sondern was böses an der Sünde sey /
darvon gewiß ist / daß sie die Natur verderbt hat. Es wirdt beydes zugleich
fortgepflantzet / die Natur vnd die Verderbung der Natur / welcher eines gut /
das ander aber böse ist. Das eine / als die Natur / empfahen wir auß Gnaden deß
Schöpffers / das ander / als die Sünde / von wegen deß Jammers vnnd Verdamnüß /
in welches die Natur gerahten. Die Natur wirdt von Gottes Gnädigen Willen
vervrsachet oder hergebracht. Die Erbsünde aber von dem bösen Willen deß ersten
Menschen. Die Natur zeiget an Gott / der sie erschaffen hat / die Erbsünde aber
deutet darauff / daß Gott ein Straffer ist deß Vngehorsams. Endlich / so ist
Christus selbst vmb der Natur willen / die zu erschaffen ist / deß Menschen
Schöpffer / vmb der Erbsünde willen aber / damit dieselbige möchte geheilet oder
von jhm abgethan werden / Mensch worden / vnd deß Menschen Erlöser.
In diesem Spruch handelt Augustinus / Erstlich daß ein Vnderscheidt zwischen der
Natur vnnd zwischen der Verderbung sey / auch nach dem Fall. Dann er spricht
klar / die Natur sey durch die Sünde verderbt. Item / es werde beydes
fortgepflantzet / die Natur vnnd die Verderbung der Natur. Die Natur sey gut /
so ferrn sie nem̅lich eine Natur / die Sünde aber sey böse. Die
Natur haben wir von Gottes Gnaden / die Sünde von dem Anfang der ersten
Verderbung. Der Natur Vrsach sey Gott / der Sünden / der böse Wille deß ersten
Menschen / etc.
Zum andern / daß Christus der Menschlichen Natur noch
|| [160]
heu̅tiges Tags
Schöpffer sey / vnnd sey aber Mensch worden die Natur / welche er geschaffen hat
vnd schaffet / von dem verderben / damit sie behafftet ist / zu heilen oder zu
erledigen. Lieber / wie hette doch Augustinus klärer vnnd deutlicher die rechte
Lehre von der Erbsünde / vnnd Vnderfcheidt zwischen der verderbten Natur vnd
zwischen der Erbsünde können darthun / dann er denselbigen in angezogen Worten
dargethan hat?
Wie hette er auch verständtlicher die Vrsach der Menschwerdung Christi
beschreiben können / dann er in ermeldten seinen Worten gethan hat? Noch wöllen
diese Schwärmer / es sey Manichaeisch / wann man mit der Schrifft vnd Augustino
lehret / daß Christus nicht Mensch worden die Sünde selbst selig zu machen oder
zu erlösen / sondern die verderbte Natur von der Sünde / damit sie verderbt ist
/ zu erretten vnd frey zu machen / vnd also die verderbte Natur wider zu heilen
vnd selig zu machen. Aber Gott wirdt es wol zu seiner Zeit / wann sie nicht
Busse thun / finden.
So lehret ja das Symbolum Nicenum, der vmb vnser Menschen willen Mensch worden /
etc. vnnd nicht / der vmb der Sünden selbst willen Mensch worden / daß er
dieselbig erlöset vnnd selig machete.
Solche vnsere Lehre bestättiget auch der Spruch Augustini, lib. 4. contra
Iulianum cap. 1. (welches dieser Schwärmer selbst Erwehnung thut) Quod malum non
ex alia substantia, quam Deus non fecit, sicut Manichaeus insanit, nobis est
permixtum, sed per inobedientiam vnius hominis exortum & traductum, &
per obedientiam vnius hominis expiandum & sanandum est. Das ist / Die
Erbsünde ist nicht auß einer andern Substantz / welche Gott nicht erschaffen hat
/ vnser Natur vermischet / wie Manicheus geschwermet hat: Sondern ist durch den
Vngehorsam eines Menschen entstanden vnnd fortgepflantzet / wirdt auch durch den
Gehorsam eines Menschen (nem̅lich / Ihesu Christi) gebüsset vnd
geheilet oder abgethan.
|| [ID00332]
Dann er erstlich deutlich wider die Manicheer berichtet / daß die Sünde keine
Substantz oder Wesen sey / etc. Sondern daß die Sünde habe durch den
Vngehorsam̅ deß ersten Menschen angefangen / vnd sey also
fortgepflantzet durch die Geburt in alle Menschen / die von Vatter vnd Mutter
empfangen vnnd geboren werden. Zum andern / die Sünde / die kein Substantz /
sondern in vnser Substantz oder Natur ist durch den Vngehorsam̅
Adae / die solle vnd müsse durch den Gehorsam̅ deß einigen
Menschen Jesu Christi außgetilget vnd geheilet werden. Welcher keines dieser
Schwärmer Lehre befestiget / da sie fürgeben / die Sünde sey ein Substantz oder
die verderbte Natur selbst / vn̅ Christus sey kommen / die Sünde
selbst zu erlösen / etc. sondern viel mehr deutlich widerspricht vnnd verdammet.
Aber Blinde müssen nicht sehen.
Daß die Erbsünde / wie Lutherus Genes. 42. schreibet / nicht ein geringer Schade
sey / dieweil Gott seinen Sohn darumb hat Mensch werden vnd sterben lassen / ist
freylich wahr. Aber darauß folget nicht / daß darumb die Sünde ein Substantz
oder die verderbte Natur selbst sey.
Die Schrifft / Augustinus vnd Lutherus machen die Erbsünde groß / vnnd thun recht
daran / dann es muß freylich nicht ein geringer Schade seyn / vmb welches
Abwendung willen Gottes Sohn ist Mensch worden vnnd gestorben. Sie sagen aber
deßhalben nirgendt / daß sie ein Substantz oder die verderbte Natur selbst
sey.
Die Sünde recht groß zu machen / muß nach Anleitung Göttlichs Worts geschehen /
vnnd nicht nach dieser Schwärmer erdichtetem Fürgeben / da sie sagen / die Sünde
werde verkleinert / wann man nicht sage / daß sie ein Substantz oder die
verderbte Natur ohn allen Vnderscheidt selbst sey.
(Yy. iij. vn̅ hernacher durch etliche viel
Bletter.)
Widerholet das Gegentheil seine Lästerung / daß Gott mit der Sünden selbst
versöhnet werde / vnnd sie zu Gnaden auffnemme / vnd B B b. iij. erwidert es
auch diese Gotteslästerung / daß die
|| [161]
Erbsünde getaufft / geheiliget / erleuchtet vn̅
selig gemacht werde / etc. Demnach aber auff dieselben droben im andern Punct
gründtlich geantwortet / ists vnnöhtig dieses Ohrts zu repetieren.
Wann dieser Schwärmer ein Ding nicht hundert oder mehrmal in einer Schrifft
repetiert vn̅ anzeucht / so denckt er es sey nichts. Vermeynt
sonder Zweiffel / mit solcher stetiger Widerholu̅g einerley Sachen
wölle er den Christlichen Leser gewinnen oder zum wenigsten jrre machen. Aber
sein Anschlag wirt zur Narrheit werden. Die frommen werden das auch sehen vnd
sein lachen.
Zeucht er auch wider an den Schwarm / daß die Erbsünde(CCc. iij. fac. 1.) oder Vngerechtigkeit / nach dem sie widergeboren
vnd verwandelt wirdt / die Gerechtigkeit vnnd Ebenbilde Gottes selbst werde. Ist
aber nun zu vielen malen in dieser Schrifft gründtlich wilderlegt worden.
Darum̅ auch nicht nöhtig / dieses Orts alles auffs new
einzuführen / vnd den Christlichen Leser damit auffzuhalten.
Was D. Lutheri Lehre sey / von der Verwandlung vnsers Fleisches / wöllen wir auß
seiner Außlegung deß 15. Cap. an die(DDd. j. fac.
1.) Corinthier / Tom. 6. Ienensi, mit seinen eignen Worten darthun.
Seine Wort lauten also: pag. 259. Das ist die Meynung vnd der Beschluß darvon /
daß deß Menschen Leib muß verändert werden / vnnd die Gestallt nicht behalten /
so er jetzt hat / ohne was gehört zu seinem Wesen / also / daß nichts bleiben
soll / was dieses vergenglichen Lebens ist / vnd doch derselbige Leib vnd Seele
sey vnd bleibe / so ein jeglicher gehabt hat / mit allen seinen Gliedmassen.
Ibidem, pag. 269. Das Griechische Wort / so allhie stehet / heist fürnem̅lich also verändern / daß man von einer stett weg thut zu einer
andern / als auß dem Wasser auffs trocken Landt / vnnd von der Erden in die
Lufft. Also soll man vns dort auch in einem Augenblick anderswo vnd auff andere
Weise finden / etc. Wiewol er die andere Veränderung Qualitatis dergestallt auch
mit fasset / darvon er bereit droben gesagt / daß der Leib ein ander Kleidt
wirdt
|| [ID00334]
anziehen / das ist / verkläret
vnd helle werden soll / viel herrlicher vnd schöner dann die Sonn.
Item, pag. 270. sagt er eben das. Der Spruch ist kurtz zuvor allegiert
worden.
Item, pag. 271. Er ist nicht der Natur feindt / sondern zeigt / daß er jhr will
helffen jren Feindt / Todt vnd Teuffel zu dempffen / vnd jammert jhn vnsers
Vnfalls / weil er sihet / daß wir jhm durch deß Teuffels Gifft vnnd Todt
ersäufft sindt / vnd darinn stecken / daß wir nicht herauß können / an dem will
er sich rechen / als an seinem eygnen Feindt / der jhm sein Werck vergifftet
vnnd verderbet hat. Darumb ist diß ein recht tödtlich Tyriack / nicht auß der
Apotecken / sondern von Himmel bereitet vnnd gegeben durch die Aufferstehung
Christi / das vns soll vnschädlich seyn / sondern allein den tödten vnd
verderben / der vns die Gifft hat gegeben vnnd angericht. Vide reliqua.
Auß erzehlten Worten ist klar / was Lutherus von der Verwandelung vnsers
Fleisches in der Aufferstehung / etc. gehalten habe. Vnnd nach dieser Erklärung
muß auch das Sprüchlein Lutheri Tom. 1. Ienensi, fol. 184. daß Gott das Fleisch
new vnnd anders schaffen wölle / verstanden werden. Dann er verstehet das anders
Schaffen nicht von einer wesentlichen Verwandelung / sondern von der gäntzlichen
Reinigung von der Sünde / wie er auch an gemeldtem Blatt kurtz zuvor selbst
schreibet: An jenem Tage werden wir vom Tode / von Sünden / von allem Vbel
aufferstehen / rein an Leib vnnd Seele / vnnd dann ewiglich leben / etc. vnd von
der vollkommenen Vernewerung der gantzen Natur an Gaben vnd Herrligkeit.
Vnnd solchs bekräfftigen auch die Sprüche Lutheri am 22. Sontag nach Trinit. in
der Kirchen Postill / Christus wölle vnsern Leibso rein / helle / klar vnd
voller Ehren machen / daß er soll ehnlich vnd gleich seyn seinem herrlichen
Leibe / etc.
(DDd. ij.)
Daß wir solten mit den Manicheern verleugnen / daß die Na
|| [162]
tur von Christo nicht
erweckt oder lebendig gemacht werden solte / daß die blinde Natur von Christo
nicht solle erleuchtet werden / die krancke Natur nicht geheylet / vnsere
wehklagende Natur nicht wider geschaffen / vnd vnsere verkehrte Natur nicht
wider zu recht gebracht / etc. das ist / mit Vrlaub zu schreiben / eine
greiffliche offenbare Vnwarheit.
Dann wir von Hertzen bekennen / daß Christus vnsere in Sünden todte Natur /
Ephes. 2. lebendig macht / daß er vnsere blinde Natur erleuchtet / Ephes. 1.
Johan. 1. 8. 12. Daß er vnsere krancke Natur heylet / Matth. 10. Psal. 6. Daß er
vnsere wehklagende vnd mit vilem Jammer beladene Natur am jüngsten Tage
vernewern / vnnd von allem solchem Elende gäntzlich erretten werde. 1. Cor. 15.
Daß er auch vnsere verkerhte Natur von aller Verkehrung / Sünde vnd Vnart
reinigen vnd vollkommen gerecht vnnd heilig machen werde an Leib vnnd Seel / wie
er dann dieses Werck in der Tauffe in vns angefangen vnnd am jüngsten Tage
vollenden wirdt. Vnnd wirt sonder Zweiffel der gerechte Richter an jenem Tage
vns Zeugnüß geben / daß wir seine Wolthaten im geringsten nicht verkleinert
haben / vnangesehen / daß wir mit diesen Leuhten nicht schwärmen vnnd lästern
wöllen / daß die verderbte Natur die Erbsünde selbst / vnnd daß die Sünde in die
Gerechtigkeit wesentlich verwandelt werde.
Sindt demnach keine Manicheer / haben auch mit jhrer falschen jrrigen Lehre weder
Theil noch gemein / kan vns auch von keinem Warheit liebenden Menschen einige
Manichaeische Lästerung mit Grunde zugemessen werden.
Warumb wir auch diese Reden verdammen: Die Sünde ist ein Substantz: Die verderbte
Natur ist ohne allen Vnderscheid die Sünde selbst / etc. haben wir in dieser
Schrifft durch vnd durch beständige vnd gründtliche Vrsachen angezeigt / welche
die Pforten der Hellen nicht vmbstossen sollen.
|| [ID00336]
Lutheri Reden von der Erbsünde verwerffen wir nicht: Sondern (DDd. iiij.) erklären sie nach Lutheri eignen Worten
vn̅ nach seiner Meynung / welche er für vnd für in seinen
Schrifften behalten hat / als solchs auch außführlich dargethan.
Sagen auch / daß es eine grosse Weißheit sey / erkennen / daß die Natur ausser
Christo sündig / vnrein vnnd verderbt. Daß sie aber / eygentlich zu reden / die
Sünde selbst seyn solle / halten wir nach der Schrifft vnd Artickeln deß
Glaubens für falsch vnd vnrecht.
Item / daß die Sum̅a der reinen Lehre sey / daß alles Sünde sey /
das ist / sündig / vngerecht / schüldig an Gottes Zorn vnd ewiger Verdam̅nüß / was nicht durch das Blut Christi erlöset im Glauben gerecht
wirdt.
Item / daß die gantze Menschliche Natur vnd Wesen verderbt sey. Item / daß die
Natur deß Menschen böse sey / weil sie verderbt ist. Vnnd sey doch auch die
verderbte Natur / so ferrn sie eine Natur ist / gut / so ferrn sie aber verderbt
/ sey sie böse. Augustinus de natura boni contra Manichaeos, cap. 4. Mala natura
dicitur, quae corrupta est, nam incorrupta vbique bona est. Sed etiam ipsa
corrupta, in quantum natura est, bona est, in quantum corrupta est, mala est.
Das ist / Die böse Natur wirdt die Natur genannt / so verderbt ist / dann die
vnverderbte Natur ist allwege gut. Ja auch die verderbte Natur / so ferrn sie
eine Natur ist / so ist sie gut / so ferrn sie aber verderbt ist / so ist sie
böse.
Item / halten auch / daß alles sündtlich vnd böse sey / was die verderbte
Vernunfft vnd verderbter Wille im Menschen dichtet vnd trachtet / ehe der Mensch
zu Gott bekehrt wirdt.
Vnd trösten vns deß / daß Christus für vns ist Mensch worden / hat vns verderbte
Menschen von der Sünde / Verderbung / Todt vnd Verdamnüß erlöset / daß wir
sollen selig werden. Rom. 3. 4. 5. 8. 1. Cor. 1. 1. Timoth. 1.
|| [163]
Darum̅ können wir mit frölichem Gewissen diese Schwärmer jmmer hin
lästern vnd dichten lassen / biß daß jhn Gott der mal einest ins Spiel
greifft.
Ob wir nun wol mit hefftigen Worten sie hinwider / vnd viel billiger deß
Manichaeismi zu beschüldigen hetten / als sie vns: jedoch wöllen wir nicht
Scheltwort mit Scheltworten vergelten: sondern diese Stück nach einander er
innern vnnd jhnen zu Gemüt füren.
Erstlich / daß / ob sie wol nicht gerne hören / wan̅ man jnen
fürwirfft / daß sie den Sathan zum Schöpffer machen / dennoch nicht für vber
können / wann sie darauff halßstarrig verharren: Daß die verderbte Natur ohn
allen Vnderscheid die Sünde selbst sey / sie müssen sagen (weil Gott die Sünde
selbst nicht schaffet) daß Gott der HERR die verderbte Natur / welche / jhrem
fürgeben nach / die Erbsünde selbst ist / nicht erschaffen habe oder erschaffe.
Hat er sie nun nicht erschaffen / vnnd sie aber ohne einen Schöpffer nicht seyn
kan / vnd darüber gewiß ist / daß die Sünde selbst vom Sathan herkompt / so muß
ja nothwendig der Sathan ein Schöpffer der verderbten Natur seyn / welche / jrem
fürgeben nach / ohne allen Vnderscheid die Sünde selbst ist. Dann diese Regel
ist vnfehlbar / daß Gott die Sünde selbst nicht schaffet. Ist nun die verderbte
Natur die Sünde selbst / so schaffet sie Gott nicht. Hierauß kön̅en sie sich nicht wickeln / so lange sie die ermelte Proposition
vertheidigen.
Wie sie dann auch da nicht fürüber können / sie müssen den Sathan zum Schöpffer
machen / wan̅ sie fortfahren diese Rede zu vertheidigen / daß der
Sathan vns Menschen ermordet / die wesentliche Form / Art vnd Gestallt deß
Menschen abgetilget / vnd in eine newe wesentliche Form / Art vnd Gestallt
verwandelt habe / also daß der Mensch nun eine wesentliche Teuffels Larue sey /
etc. Dann newe wesentliche Form oder Gestallt machen / ist ein Werck / das
niemandt thun kan / als der Allmächtige Gewalt hat. Thuts nun ď Sathan / so muß
er / jrem Dichte̅ nach / Allmächtige Gewalt haben.
|| [ID00338]
Hat er Allmächtige Gewalt / so muß er
auch Gott vnd ein Schöpffer seyn.
Zum andern / sie verdrehen sich / wie sie wöllen / so können sie es nicht
verneinen / daß diese Lehre / welche sagt / daß die Erbsünde ein Substantz sey /
Manichaeisch sey / vnd daß Augustinus an den Manicheern dieselbe Lehre in seinen
Schrifften vielfältig verdammet habe. Augustin. ad Quod vult Deum, de
haeresibus. Lib. 2. contra Iulian. lib. 5. contra Iulian. cap. 4. contra
Secundinum Manichaeum cap. 12. &c. Die Sprüche sind droben allegiert /
darumb hie vnnötig zu widerholen. Vnd daher kompt es auch / daß sie diese Rede:
Die Sünde ist ein Substantz / wie sie Illyricus anfänglich gefüret / nicht mehr
jetzo also führen / sondern brauchen dafür diese Rede: Die verderbte Natur ist
die Sünde selbst. Welche ja so Manichaeisch ist / als die vorige / wie an seinem
Ort mit Augustini Worten gründlich erwiesen ist.
Zum dritten / Ist vnd bleibet auch dieses Manichęisch / sie vertuschen es / wie
sie wöllen / daß sie dichten in einem jeden Widergeborne̅
Mensche̅ sind zwo vnderschiedliche wesentliche Gestallt der
Seelen / die eine deß alten / die andere deß newen Menschen / die er in der
Widergeburt kriegt / vnnd daß der alte vnd newe Mensch nicht nach der Qualitet /
Verderben / Vnart oder guten Art vnderscheiden seyn / sondern wesentlich / dann
also haben auch die Manicheer gelehret / wie auß Augustino de haeresibus. Item
lib. 24. contra Faustum Manichaeum, vnd anderßwo zu sehen ist.
Zum vierdten können sie auch dieses nicht verneinen / daß sie mit den Manicheern
verleugnen / daß die Sünde ein Accidens oder zufälliger böser Schade sey. Vnd
derwegen / so viel auch dieses Stück anlangt / mit den Manicheern einerley Lehre
führen / welche zu Augustini Zeiten / lenger als für zwölff hundert Jaren / von
der gantzen Kirchen ist verdampt worden.
Weil dann dem also ist / mögen sie zusehen / wie sie sich von solchem
Manichaeischen Schwarm frey machen vnnd desselbigen
|| [164]
entschütten wöllen. Gewiß ist
es / daß sie sich dessen nicht erwehren können / als lange sie gemelte vier
Punct nicht retractiern / vnnd wider zu der reinen heilsamen Lehre tretten.
Darum̅ Cassiani Spruch recht wider sie gehet: In
Manichaeischer Aschen Fewer suchen / vnd auff ein newes die alten Manichaeischen
Funcken wider auffblasen / dann dieses thun sie mit voller Gewalt / als wir
bißher in dieser gantzen Schrifft auff sie gründtlich erwiesen haben. Sie wolten
vns (doch ohne Grund vnd Vrsache) mit dem Manichęischen Namen gern behengen /
vnd stecken selbst in den Manichaeischen Irrthumb vnd Schwarm biß vber die
Ohren.
Da nun dieser Schwärmer nicht weiter kan / schüttet er entlich(EEe. iij. fac. 1.) noch einmal alle sein Gifft
wider vnserer Kirchen Lehre herauß / vnd erholet / dauon er auch droben vn̅ durch seine gantze Lästerschrifft gelästert hat / das wir
geringschätzig machen vnnd verleugnen sollen Gottes Gnade in Christo verheissen:
Die Menschwerdung Christi / vnd sein thewres Verdienst: Die Gnaden Werck deß
Heiligen Geistes vnd Widergeburt / etc. Weil aber diese Lästergedicht / ein
jedes an seinem Ort / da es fürbracht / durch Gottes Gnade gründtlich vnnd
bestendig widerlegt / als ist es vnnötig / dasselbe hie zu widerholen.
Der Manicheer Vermischung haben wir bißher manigfältig verworffen. Deßgleichen
der Sophisten Lehre / daß die Natur vn̅ natürliche Kräfften noch
gantz vnd vnuerderbt seyn solten.
Erasmi modiculum oder kleines / daß der freye Wille noch etwas vermüge in
Geistlichen Sachen / ehe der Mensch bekehret / setzen wir auch auß / vnd
verwerffens nach Gottes Wort.
Synergismus wirt im Concordi Buch klar verdampt.
Deßgleichen Maioris proposition, daß gute Werck nötig zur Seligkeit / vnnd was
die Gegenwart der Werck im Artickel der Rechtfertigung anlangt / etc.
Der Antinomer Lehre vom Gesetz wirdt auch im Concordi-Buch verworffen.
|| [ID00340]
Ob wir auch mit diesen Leuhten nicht schwärmen / daß die Kinder in Mutterleibe
die Sünde selbst seyn / sondern lehren / daß sie sündig / vnrein / verderbt vnd
vngerecht seyn / dennoch loben wir der Widertäuffer vnd Zwinglianer Irrthumb
nicht / welche lehren die Kinder auß Gläubigen Eltern geboren seyn heilig / auch
vor der Tauffe / etc. sondern verwerffen denselben.
Der Sophisten Lehre / von Veränderung der Qualiteten oder geringem Gebrechen der
Natur / haben wir auch zum offternmal in dieser Schrifft verdampt / vnnd
hergegen bezeugt / daß wir von Hertzen gläuben vnnd lehren / daß die Erbsünde
nicht eine schlechte geringe Qualitas oder Schade im Menschen sey / wie die
Farbe an der Wandt / als die Sophisten gehalten / vnnd Jesuit er noch lehren.
Sondern sey ein grosser vnbegreifflicher vnd vnaußsprechlicher Schade / eine
grosse vnnd tieffe Verderbung der gantzen Natur / welchem Schaden auch nicht
könne gerahten / vnd die Verderbung von der verderbten Natur oder Menschen
abgethan werden / dann alleine durch den Todt / Rosinfarbes tewres
Blutvergiessen / Aufferstehung vnd gantze Verdienst Ihesu Christi deß Sohns
Gottes / etc.
Daß wir aber mit diesen Leuhten schwärmen solten / daß die newe Geburt eine
wesentliche Veränderung im Menschen machte / also / daß der newgeborne Mensch
wesentlich eine andere wesentliche newe Form / Gestallt vnd Art der Seelen
empfienge / vnd was deßgleichen Teuffels Laruen Werck mehr ist / etc. das können
wir auß Vrsachen / deren wir in dieser Schrifft etliche viel angezeiget /
nimmermehr thun / wöllens auch mit GOTtes Hülff nimmermehr thun.
Die verderbte Natur preisen vnd loben wir nicht / viel weniger (FFf. iij.) sprechen wir sie aller Schuldt vnd
Sünden loß / sondern gläuben / bekennen vnnd lehren / daß Gott mit dem gantzen
Menschen / was er ist an Leib vnd Seele / vnd also auch mit seiner gantzen Natur
/ zürne / vn̅ zwar also hefftig zürne / daß er den gantzen
Menschen
|| [165]
oder Menschlich
Natur vnnd Wesen / dem ewigen Tode vnnd Verdamnüß vnterworffen / wo der Mensch
nicht zu Gott bekeret vnnd durch Christum Vergebung seiner Sünden / durch den
Glauben erlanget.
Vnd solchen seinen Zorn läst er der Welt Rom. 1. offenbaren vnnd verkündigen /
will daß alle Menschen solchs Elendt von gantzem Hertzen erkennen vnd
bekennen.
Daß er aber solcher Gestallt / der Natur feind ist / kompt nicht daher / daß sie
eine Natur / oder von jhm geschaffen ist / oder daß sie ohn allen Vnderscheidt
die Sünde selbst were / sondern daher / daß sie sündig / vngerecht / vnheilig /
dem Gesetz widerstrebend / vnd durch vn̅ durch verderbet ist.
Darum̅ Paulus Rom. 1. spricht / der Zorn Gottes werde vom
Him̅el offenbaret / vber alles Gottloses Wesen vnnd
Vngerechtigkeit der Menschen / Darauß klar / daß Gott seinen Zorn nit offenbaret
/ vber die Menschen / darvmb daß sie Menschen oder Creaturen Gottes sindt
sondern darumb / daß sie Gottlosigkeit vnd Vngerechtigkeit an sich oder in jrer
Naatur haben. Vnd Lutherus contra Latomum schreibet: Lexaliter no̅
tractat peccatum, quàm vt ipsum reuelet. Rom. 3. Per legem(Tom. 2. Ienens. Luc. pag.
424.) cognitio peccati: quae cognitio duo docet, corruptionem
naturae & iram DEI. Das Gesetz handelt die Sünde nicht anders / dann daß es
dieselbige offenbare / Rom. 3. Durchs Gesetz kompt die Erkändtnüß der Sünde /
welche Erkäntnüß zwey Ding lehret / Erstlich die Verderbung der Natur / zum
andern Gottes Zorn. Ibidem. Lux legis nos erudit, & sub corruptione &
ira nos esse docet. Das Liecht deß Gesetzes lehret vns / daß wir vnter der
Verderbung vnd Gottes Zorn seyn. Auß welchem abermal zusehen: Daß Gott seinen
Zorn im Gesetz wider die Natur / nicht derowegen offenbare / daß sie eine Natur
oder sein Geschöpff ist / sondern darumb / daß sie verderbt ist / dann darumb
vnnd daher zürnet er mit vnser gantzen Natur.
|| [ID00342]
Wann aber dieser Schwärmer Fürgeben nach die verderbte natur ohne allen
Vnderscheidt die Sünde selbst were / so müßt es nicht heissen / Gott offenbarete
seinen Zorn vom Himmel vber alles Gottloses Wesen vnd Vngerechtigkeit der
Menschen: Sondern GOtt offenbaret seinen Zorn vber die Natur oder vber die
Mensche̅ / welche die Sünde / Gottlosigkeit oder
Vngerechtigkeit selbst sind / vnd müsten also Sünde vnd Mensch durch auß
einerley seyn.
Es müßt auch nicht heissen / das Gesetz offenbaret die Verderbung der Natur /
etc. sondern es offenbaret / daß die verderbte Natur die Sünde selbst sey / oder
daß Verderbung vnd verderbtes / oder Mensch / Menschliche Natur vnnd die Sünde
selbst / ohne allen Vnderscheid ein Ding weren / etc.
Da auch die verderbte Natur ohne allen Vnderscheid die Sünde selbst were / hette
D. Lutherus / Tom. 2. Germ. vber das 15. Cap. an die Corinther pag. 271. mit
Warheit nicht schreiben können: Gott ist nit der Natur Feind / sondern zeiget /
daß er jr will helffen jhrem Feind Todt vnd Teuffel zu dempffen / etc. Sondern
hette müssen also schreiben: Gott ist der verderterbten Natur / als die Erbsünde
selbst ist / Feindt vnd will jhr nicht helffen / dann der Sünden ist er ja feind
/ vnnd hat nirgent in der gantzen heiligen Schrifft sich vernemmen lassen / daß
er der Sünden helffen wolle / vnd wolle sie von jhren Feinden Tod vnd Teuffel
erretten. Item Augustin. Tractatu 41. in Iohan. hette nit schreiben dürffen.
Quomodo odit medicus aegritudinem aegroti, & id agit curando, vt aegritudo
pellatur, aeger leuetur: sic Deus gratia sua hoc in nobis agit, vt peccatum
consumatur, homo liberetur, &c. Das ist / gleich wie ein Artzt die
Kranckheit eines Krancken hasset / vn̅ durch seine Artzney darmit
vmbgehet / daß er deß Krancken Kranckheit vertreibe / vnnd den Krancken gesund
mache: also hat GOTT der HRER durch seine Gnade das in vns für / oder gehet
darmit
|| [166]
vmb / das die Sünde
vertilget / dem Menschen aber geholffen werde.
Die Schrifft sagt auch nirgendt / daß Todt vnd Teuffel der Sünden selbst zu wider
oder jhre Feinde weren / vnd daß Gott die Sünde selbst von solchen jhren Feinden
Tod vnd Teuffel erlösen wolle: Sondern das sagt sie / er wolle der verderbte̅ Natur oder den verderbten Menschen helffen / vnnd wolle sie
durch seinen lieben Sohn Jesum Christum von jren Sünden selig machen / vnd von
jhren Feinden / Todt vnd Teuffel erretten.
Vnnd sindt dieses nicht widerwertige oder streitende Lehren oder Reden. Gott ist
der Natur nicht feind / sondern will jhr helffen.
Dann Gott ist der Natur nicht simpliciter oder als einer Natur feindt / so ferrn
sie nemblich eine Natur vnd sein Geschöpff ist / sondern secundùm quid, das ist
/ vmb der Sünde oder Verderbung willen / dadurch sie so schändtlich verkehret
vnd von jm abgewandt ist. Wann sie nun betrachtet wirdt nach jhrer Verderbung
vnd Vnreinigkeit / damit sie beladen ist / so ists recht geredt / daß GOtt der
Natur feindt sey. Wann sie aber betrachtet wirt / nur als eine Natur / vnd so
ferrn sie auch noch jetzo eine Natur / Gottes Werck vnnd Geschöpff / so ists
auch recht geredt / daß jhr Gott nicht feindt ist / sondern / will jhr helffen /
will sie von allen Sünden reinigen / 1. Johan. 1. oder von allen jhren Sünden
selig machen / Matth. 1.
Dann GOttes Sohn nicht erschienen / oder in die Welt kommen ist / die Natur / als
Natur anzufeinden / zu hassen vnnd zu verdammen / oder die Menschen / als
Menschen anzufeinden oder zu vertilgen: Sondern die Natur / als Natur / oder die
Menschen als Menschen / von jren Sünden / damit sie behafftet sind / zu erlösen
/ vnd ewig selig zu machen / Johan. 3. 1. Timoth. 1. Matth. 20. vnd August.
contra Pelagium & Coelestium, lib. 2. cap. 40. Deus
|| [ID00344]
hominem dam nat propter vitium, quo
natura dehonestatur, non propter natura̅, quae vitio non aufertur.
Das ist: Gott verdampt den Menschen vmb der Sünde willen / damit sein Natur
vervnehret oder geschändet ist / nicht vmb der Natur willen / welche durch die
Sünde nicht weggenommen wirdt / etc. Das ist wahr / vnd wirdt wahr bleiben in
alle Ewigkeit / wann diese Schwärmer gleich noch so hefftig darwider wüteten vnd
tobeten.
Wir haltens gäntzlich dafür / daß Lutheri Prophecey wahr sey / daß Gott die wahre
Christliche Religion von vns Teutschen wider hinweg nemmen werde / von wegen
vnser Vndanckbarkeit / Sicherheit vnd der Weltweisen Klugheit / etc. Aber dazu
geben diese Schwärmer nit die geringste Vrsach / in dem sie solchen
Gottslästerlichen Irrthumb / daß nem̅lich die verderbte Natur ohn
allen Vnterscheidt die Sünde selbst sey / daß Christus ein ander Fleisch vnd
Blut angenommen / als wir haben / etc. Daß die Sünde selbst erlöset sey / daß
sie getaufft vnd selig gemacht werde / daß die Sünde selbst in die wesentliche
Gerechtigkeit verwandelt werde / vnnd was dergleichen mehr sindt mit grossem
Ergernüß vnnd Verwirrung der gantzen Christenheit / ohne Vnterlaß vn̅ Auffhören / treiben vn̅ außbreiten. Derhalben sie
sich auch wol für zu sehen haben. Dann Gott wirdt die Länge solche grewliche
Gottslästerungen / wo sie nicht bey Zeit Busse thun / an jhnen selbst nicht
vngestrafft lassen / wie dann sein Zorn allbereit gegen sie angangen / in dem er
sie mit schrecklicher Blindtheit hat lassen geschlagen werden / daß sie selbst
nicht verstehen / was sie setzen oder sagen.
Wollen die jenigen / so sich bißhero durch solchen Gottslästerlichen Schwarm
haben auffhalten lassen / vm̅ Gottes vn̅ jrer
Seligkeit willen / ermahnet haben / sie wollen sich durch diese Schrifft / in
welcher die heilsame Lehre / deß Artickels von der Erbsünde auß Gottes Wort von
der Schwärmer Lästerung / Verkehrung / vnd falschen aufflagen / etc. gerettet
vnnd gründtlich erkläret ist / weisen
|| [167]
lassen / von gemeldter Lästerung abtretten / vnnd sich zu der
rechten Warheit begeben.
Können für vnser Person mit frölichem Gewissen schreiben vnd sagen / daß wir Gott
/ sein Wort vnnd Warheit für augen gehabt / auß keinem Neid oder Haß gegen den
Personen ichtwas hierinnen gesetzt oder geschrieben: sondern allein die liebe
Warheit fort zu pflantzen vnd von den Irrthummen / so das Gegentheil einführet /
zu erretten.
Bitten demnach schließlich Gott den Vatter aller Barmhertzigkeit / durch seinen
geliebten Sohn / vnsern einigen Mittler Jesum Christum / etc. Er wölle alle die
jenigen / so durch viel ermelten Irrthumb eingenommen oder jrre gemacht sindt /
wider zu recht bringen / vnnd seine Warheit für diesem vnd andern schädlichen
Irrthummen vnuerruckt erhalten / vnd auff die Nachkommen bringen / Amen.