|| [ID00007]
Die Vertreibung der Bitterkeit des Todes / Welche Bey dem Hochansehnlichen
Leich-Begängniß / So auf Hohe Verordnung Sr. Hoch-Fürstl. Durchl. unsers
gnädigsten Herrn / Dem Weyland Hochwürdigen / in GOtt Andächtigen und
Hochgelahrten Herrn / HLRRN Eberhard Finen / Hoch-Fürstl. Braunschw. Lüneb.
Hochverordneten und Hochverdieneten Consistorial-Rath zu Wolffenbüttel / Abt zum
Closter Michaelstein / Hof- und Stiffts-Prediger in Braunschweig / wie auch
Superintendenten der Campischen Inspection, Als Derselbe Den 12ten Apr. des
1726ten Jahrs auf dem Hoch-Fürstl. Schlosse zu Blanckenburg sanfft und seelig in
seinem Erlöser entschlafen / der erblassete Cörper aber auf dem Closter
Michaelstein den 15. ejusdem in das dazu bereitete Gewölbe eingesencket war, Auf
gedachtem Closter am 23ten ebendesselben Monats / war der dritte H. Oster-Tag /
angestellet wurde / Aus dem 8ten Cap. Johannis und dessen 51ten versicul, als
dem begehrten Leichen-Text vorgestellet, und nachgehends auf gnädigsten Befehl
zum Druck übergeben von Conrado Andrea Breymann / Priore des Cl. Michaelstein,
und Stadt-Prediger zu Blanckenburg.
Blanckenburg, bey H. C. Struven, Hochfürstl. privilegirt. Hof- und Cantzley
Buchdr.
|| [ID00008]
Der Hoch-Edlen / Groß- Ehr- und Hoch-Tugend-belobten Frauen / Fr. Annen
Eleonoren gebohrnen Hallen / verwittweten Finen / Und dann Der Hoch-Edlen /
Groß- Ehr- und Tugend-begabten Frauen / Fr. Dorotheen Elisabeth Finen / Des
Hoch-Edelgebohrnen Herrn / Hrn. August Fridrich von Damm / Hoch-Fürstl.
Braunschw. Lüneb Hochverodneten Assessoris des Hof-Berichts zu Wolffenbüttel
Ehe-Liebsten / Wie auch Der Hoch-Edlen / Viel- Ehr- und Tugendreichen Jungfrauen
/ Igfr. Sophien Latharinen Finen
Ubergiebet mit Anwünschung göttlicher Gnade, kräfftigen Trostes und allen
Wohlergehens, diese dem Wohlseeligen Herrn Abt / als seinem Hochgeehrten und
hertzlich lieb-gewesenen Gönner und Freunde zu Ehren gehaltene
Gedächtnis-Predigt
der Autor.
|| [ID00009]
SEhr bitter ist der Tod den welt-gesinten Hertzen / JEsu dein Wort allein vertreibet dessen Schmertzen: Drum gib daß wir dis Wort vest halten jederzeit Damit wir schmecken nicht des Todes Bitterkeit! ANdächtige und durch das Blut JEsu Christitheur erkauffte / zum Theil auch nach dem gnädigen / allweisen und unveränderlichen Willen GOttes hochbekümmerte und schmertzlich betrübte Hertzen; Wann der Thränen-Prediger Jeremias den kläglichen Jammer-Stand seines Volcks / und die greuliche Verwüstung der sonst herlichen Stadt Jerusalem recht beschreiben / und gleichsahm mit lebendigen Farben abmahlen wil / so stellet er Cap. I, V. 12. seiner Klag-Lieder ein
|| [2]
schmertzlich betrübtes Weib vor / das am Wege sitzet /
und denen Fürbeyreisenden ihren Schmertz mit diesen Worten entdecket: Der HErr
hat mich voll Jammers gemacht. Jeremias und die zu seiner Zeit lebende Juden
musten mit weinenden Augen ansehen, daß das sonst gelobte Land / darinnen Milch
und Honig floß / verwüstet / der Tempel / die Zierde des gantzen Morgen-Landes
verbrand und zum Stemhauffen gemacht / die grosse und herliche Stadt zerstöret /
und das Volck in die härteste Dienstbarkeit und Babylonische Gefängnis hinweg
geführet worden. Daher nun hieß es von allen und jeden noch übrigen Juden wol
recht: Der HErr hat uns voll Jammers gemacht. Hier beweinte eine Wittwe ihren
verlohrnen Mann; dort ein Wittwer seine treu gewesene Ehegattin: hier die Eltern
ihre Kinder / dort die Kinder ihre Eltern. Summa der Jammer war so groß / daß
wie das Hebreische Wort anzeiget / dergleichen wol
nicht erhört / und also mit Worten nicht konte aus gesprochen werden. Es ist
aber auch / wie mich deucht / in den Worten des Propheten gar schön aus
gedrücket die Beschaffenheit und der Zustand dieser Welt. Denn was ist die Welt?
ein Jammer-Thal / darin Angst / Noht und Trübsahl überall. Die Menschen /
absonderlich die Frommen wissen von wenig Freuden- aber von vielen
Leydens-Tagen. Sie werden voll Jammers gemacht von innen und von aussen. Von
innen drückt sie die Last der Sün
|| [3]
den / und wil ihnen offt als eine schwere Last zu schwer werden Ps.
XXXIII, 5. Und wann sie sich gleich vor allen muthwilligen und wissentlichen
Sünden mit Fleiß hüten / so haben sie doch noch Angst und Jammer wegen der ihnen
noch anklebenden Schwachheit / sie wünschen auch davon befreyet zu seyn / und
seuffzen des wegen offt mit Paulo aus Rom. VII, 24. Ich elender Mensch wer wil
mich erlösen / von dem Leibe dieses Todes. Von aussen fehlet es auch nicht an
Jammer / oft müssen sie mit erfahren und fühlen die drey Land-Plagen / Gesetzt aber / daß sie dergleichen nicht erleben / so fehlet
es doch nicht an äuserlichen Jammer. Dan̅ unser Leben ist gleich
einer Ketten / da ein Glied des Jammers und Elendes an das andre geschmiedet.
Unser Leben ist ein Meer / auff welchen eine Welle der Trübsahl der andern folgt
/ wo solte denn wol ein Hauß eines Christen gefunden werden / da nicht eine
Hiobs-Post nach der andern ankommt? Daß also ein jeder rechtschaffener Christ
offtmahls dem Jeremia seine Worte abborgen und klagen muß: Der HErr hat mich
voll Jammers gemacht. Es stecket aber in dieser Jammer-Klage was tröstliches,
dann es heist; Der HErr hats gethan. Freylich der HErr / denn ist woll ein
Unglück in der Stadt / daß der HErr nicht thue? Amos. III, 6. Begegnet uns wol
ein Jammer / welchen der HErr
|| [4]
nicht
wisse? Unsere Schicksahlen mögen so schwer fallen wie sie wollen / so begegnen
sie uns doch nicht ohne GOttes Verordnung oder Zulassung. Gott aber / von dem
alles kömt und welcher alles nach feiner Weißheit dirigiret, ist das höchste
Guht / und kan also von demselben nichts böses kommen. GOttes Direction ist uns
Menschen zwar unbeg reifflich / was Er bißweilen mit uns vornimt düncket uns im
Anfange sehr schwer / im Fortgange wil es gar unerträglich werden / und dennoch
/ wann wir ihn nur walten lassen / so heist es am Ende: Der HErr hat alles wohl
gemacht. Dieses nun müssen wir wohl zu Hertzen fassen. Dann kommt all unser
Creutz und Schicksal von GOtt / von welchen nichts Böses kommen kan: kommt es
von unsern Schöpffer / der uns nicht verderben wil: rühret es von unsern
liebreichen Vater her / der es nicht anderst als gut mit uns meinen kan; so
können wir uns ihm gantz gelassen ergeben / und bey allen auch widrigen
Begebenheiten mit Hiob sagen: Der Name des HErrn sey gelobet Cap. I, 21.
Wann uns aber der Trauer-Prediger Jeremias / unter dem Bilde des in der Asche
liegenden und verstöreten Jerusalems / den Zustand der Kirchen GOttes und aller
rechtschaffenen Glieder derselben vorstellet / so müssen wir bekennen / daß die
durch den unvermutheten doch seligen Tod des nunmehro in GOtt ruhenden
Hochwürdigen / in GOtt Andächtigen und Hochgelahrten
|| [5]
Herrn Eberhardts Finen / unserer
Gnädigsten Herrschafft Hochverordneten Beicht-Vaters / wie auch Hochfürstl.
Braunschw. Lüneb. Consistorial-Rahts / Hoff- und Stifft-Predigers zu
Braunschweig / Abts des Closters Michaelsteins / und der Campischen lnspection
Superintendentis höchst und schmertzlich Betrübte / hievon ihr Theil auch
erfahren.
Die in bittern Thränen fast zerflossene Frau Witwe seufzet und führet diese
Jam̅er-Klage: Der HErr hat mich voll Jam̅ers
gemacht. Sie spricht gleichsahm mit der Naemi: Heisset mich nicht mehr Naemi /
sondern Mara / dann der Allmächtige hat mich sehr betrübt. Ruth. 1, 20. Sie
rufft gleichsahm mit kläglicher Stimme: Ach ich elende und Trostlose! Die Crone
ist von meinem Haupte gefallen! Die Sonne ist mir bey hellen Mittage
untergangen! Der HErr speiset mich mit Thränen-Brod und träncker mich mit
grossen Maaß voll Thränen. Und wer kan Ihr solches verdencken. Dann was in
Marmor und Stahl gehauen / mag nicht leicht ausgelöschet werden doch geschicht
solches durch die Zeit: Hingegen rechtschaffene Eheliche Liebe mag durch nichts
aus
|| [6]
dem Hertzen getilget werden. Und
gleichwie die Gedancken sich weder messen noch einschrencken lassen; also bin
ich versichert / daß die vor Betrübnis fast entseelte Frau Wittwe zwar dem Leibe
nach zu Braunschweig / mit ihren Gedancken aber bey diesen gegenwärtigen
Leich-Begängnis / ja gar in dem Sarge ihres Hertzgeliebten Ehe-HErrns sey. Mann
und Weib sind ja ein Leib und ein Hertz / wann nun ein Ehegatte durch den Tod
ins Grab gerissen wird / so wird das Hertz gleichsam zerspalten / das eine Theil
wird der Erden anvertrauet / das andre Theil aber hänget gleichsam noch zappelnd
und Blut-triefend in der Brust. Und dieses kan ich mir an dem Exempel der
Hochbetrübten Frau Wittwen gar deutlich vorstellen. Dann als selbige Ihren
nunmehro Wohlseeligen Ehe-Herrn in den letzten Zügen liegen sahe / da brach Sie
mit fast gebrochenem Hertzen / mit erstarreten Augen / mit schnuckenden Worten
in diese Klage aus: Ach der HErr hat mich voll Jammers / voll Jammers
gemacht!
Und eben so geht es auch der sehr alten und mit einen Fusse schon in Grabe
stehenden Frau Mutter / Sie seuffzet und klagt; Der HErr hat mich voll Jammers
gemacht! Das vor Alter schwache Hertz ist erstarret / die zitternde Hände werden
gerungen / die grauen Haare geraufft / und ge
|| [7]
brauchet sich mit kläglicher
Stim̅e der Worte Jacobs: Ich werde mit Hertzeleid zu meinem
Sohn in die Grube fahren. Gen. XXXVII, 35.
Nicht geringer ist die Klage der schmertzlich betrübten Kinder / und höchst
bekümmerten Herrn Bruders / man höret nichts von Ihnen / als Der HErr hat uns
voll Jam̅ers gemacht! Sohertzlich der Wohlseelige die Seinen
geliebet / so schmertzlich ist Ihnen auch dieser Verlust / und ist ihren Hertzen
desto empfindlicher den erblasset zu sehen / dem sie nechst Gott das Leben und
alle Ersprießlichkeit zu dancken haben. Keines Mahlers Pinsel ist geschickt
diese Hertzen abzumahlen / sondern ein jeder auch der künstlichste Mahler /
würde / wann es ihm etwa aufgetragen würde / es machen müssen wie jener Spanier
/ welcher seinen Kummer nicht anderst und besser abzumahlen wuste / als daß er
auf eine schwartze Tafel diese Worte schrieb: Non potest pingi; Er kan nicht
gemahlet werden.
Der Hochbetrübte Herr Schwieger-Sohn führet mit den andern einerley Klage: Der
HErr / spricht Er / hat mich voll Jammers gemacht! Dessen Augen sind fast
Thränen-Qvellen worden. Und wenn sonst die Thränen das Blut eines verwundeten
Gemüths genennet werden / so zeigen seine gleichsahm
|| [8]
Stroms-weise vergossene Thränen an /
daß durch diesen unverhofften Todes-Fall gleichsam ein zweyschneidig Schwerd
durch seine Seele gedrungen. Ich selbst / und die übrigen Collegiaten dieses
Closters können nicht anderst als seuffzen und klagen: Der HErr hat uns voll
Jammers gemacht! Elisa wuste dorten daß der HErr seinen Herrn von ihm nehmen
wolte 2. Reg. IV, 3. Allein die Collegiaten hätten solches nimmermehr vermuhtet
/ daß ihr Haupt und Vorgesetzter so bald würde von ihnen genommen werden / daher
als ich nach dem tödlichen Hintrit des Wohlseeligen Herrn Abts zu Ihnen auf das
Closter kam / und Sie fragte: Wisset ihr auch / daß der HErr unsern Herrn Abt
von uns genommen? so stunden sie gantz erstarret / und schienen gleichsam in
harte Steine und unempfindliche Seulen verwandelt zu seyn. Wir sahen einander an
/ und die erblasseten Gesichter / die abgebrochenen Worte zeugeten von der
innerlichen Bewegung und Zustande des Hertzens. An ihren Stirnen konte man
gleichsam die Worte lesen: Der HErr hat unsern Herrn Abt von uns genommen. Ein
jeder seufftzete; Mein Vater / mein Vater / wie sollen wir nun thun / ach! Der
HErr hat uns voll Jammers gemacht!
Ja mich deucht / ich höre von Braunschweig her dessen wehrteste Gemeinde und
Pfarr-Kinder
|| [9]
seufftzen: Der HErr hat
uns voll Jammers gemacht! Groß war das Weinen zu Epheso / als Paulus seinen
Zuhörern ankündigte / daß Sie sein Angesicht nicht mehr sehen würden Act. XX,
31. So muß es auch eine harte Post, ja rechter Donnerschlag in den Hertzen
seiner wehrtesten Zuhörer gewesen seyn / da es geheissen: Ihr werdet euren
hertzlich geliebten Seelen-Hirten nimmer wieder sehen: Da es geheissen: Der
treue Seelen-Hirte ist gestorben / der uns so auffrichtig und treulich in
heilsamer Lehre und unsträflichen Leben vorgegangen / so treuhertzig vermahnet /
in Noht und Tod so hertzlich getröstet. Ach! Der HErr hat uns voll Jammers
gemacht!
Allein es solte fast scheinen / als wenn ich mit meinen Klage-Liede recht das
Gegentheil thäte dessen / was mir anbefohlen. Dann indem ich verbinden soll / so
schlage ich: Indem ich heilen soll / so verwunde ich; indem ich durch diese
Jammer-Klage mehr Klagens erwecke / da ich doch das Trauren und Klagen zu
stillen solte bemühet seyn. Drum muß ich meine Rede verändern und Euch zuruffen:
Hemmet eure Thränen! mäßiget euren Jammer! und stillet eure Klagen! Bedencket
nur dis eintzige / ob auch wol ein Unglück in der Stadt / daß der HErr nicht
thue / ey so hat auch diß der HErr gethan. Der HErr hat uns den Wohlseeligen
Herrn Abt gegeben / Er hat Ihn auch wieder genommen;
|| [10]
Hat es aber der HErr gethan? so muß
es nohtwendig wohl gethan seyn / sintemahl Er es nimmer böse mit uns Menschen
meinen kan. Wolten wir mit seinen heiligen Willen nicht zufrieden seyn? O! wie
schwerlich würden wir uns an ihm versündigen. Wer wolte sich dann wieder den
Allmächtigen aufflehnen? Spricht auch ein Werck zu seinem Meifler / was machest
du? Haben wir den Wohlseeligen Herrn Abt hertzlich geliebet / ey so haben wir
desto mehr Ursache Ihm seine Glückseeligkeit zu gönnen. Er war ja selber hier in
der Welt offtmahls voll Jammers / sonderlich wann Er von den empfindlichsten
Stein-Schmertzen angefallen wurde. Was hat Er an diesen Schmertzen nicht
ausstehen müssen auf seiner letzten Reise nach Blanckenburg / als Er dahin
beruffen worden / um sein Hohes Amt als unserer Gnädigsten Herrschafft Durchl.
Durchl. ordentlicher Beichtvater / zu verrichten? Ach! wie klagte / wie winselte
Er nicht? wie schlug Ihn zuletzt sein Hertz? wie matt war seine Stimme? doch war
hiebey sein Geist getrost und unerschrocken. Er muste freylich wegen der
Schmertzen seines Leibes klagen: Der HErr hat mich voll Jam̅ers
gemacht! Er hat aber dabey auch empfunden die Tröstungen GOttes. Nunmehro aber
ist alle sein Trübsahl und Elende kommen zu einen seeligen Ende / Er hat
getragen Christi Joch / ist gestorben und lebet noch.
|| [11]
Derowegen laßet uns demselben
vielmehr Glück wünschen / als daß wir uns über seinen unvermuhteten doch
seeligen Tod betrüben. Er hat sich in seinen gantzen Leben zu seinem Tode
bereitet / und daher die Bitterkeit des Todes nicht empfunden / Er hat nach der
Verheissung Christi den Tod nicht gesehen.
Unsere Pflicht und Schuldigkeit ist noch diese / daß wir uns bey diesen
Trauer-Fall unserer Sterblichkeit erinnern und nach dem Exempel des Wohlseeligen
Herrn Abts uns bey Zeiten gegen den Tod anschicken / damit wann er etwa
unvermuthet bey uns anklopffen solte / wir vor demselben nicht erschrecken /
sondern dessen Bitterkeit überwinden und uns in der Todes-Angst mit GOtes Wort
trösten und aufrichten können. Hierzu nun wollen wir uns nach Anleitung einiger
Text-Worte / welche von denen betrübten Anverwanten selbst zum Leichen-Text
erwehlet / und über welche der Wohlseelige Herr Abt seine letzte Predigt
gehalten / einander ermahnen. Damit aber dieses denen schmertzlich Betrübten zum
Trost / uns allen aber zu unserer beylsamen Erbauung dienen möge / wollen wir
uns vor dem allerheiligsten Angesichte GOttes kindlich demüthigen / im Geiste
und in der Wahrheit beten ein glänbiges
Vater Unser.
|| [12]
Der zu erklären begehrte Leichen-Text ist genommen aus dem VIIIten Cap. V. 51. Johannis und lautet in unserer teutschen Sprache also: WArlich / warlich ich sage euch / so jemand mein Wort wird halten / der wird den Tod nicht sehen ewiglich.
Eingang.
ANdächtige und durch das Blut JEsu Cbristi theuer Erkauffte / auch nach den
Willen GOttes theils schmertzlich betrübte Zuhörer / So muß man des Todes
Bitterkeit vertreiben. Diß war die verstellete großmüthige Verachtung des Todes
/ welche Agag der Amalekiter König von sich hören ließ / als er dem Samuel und
seinem Tode entgegen gieng / wie wir lesen können 2. Sam. XV, 32. Saul der König
in Israel / hatte wider den Befehl des grossen GOttes / den Agag aus unzeitiger
Barmhertzigkeit / da er ihn hätte verbannen sollen / leben lassen / und nur
gefangen genommen. GOtt wil seine Gerichte vollzogen wissen / und wann die
jenigen / denen es anbefohlen / sich zu ihren eigenen Schaden solche auszuführen
entziehen / so werden gleich andre erwecket / die sich willig und bereit darzu
finden las
|| [13]
sen. Und so gehet es
auch hier, was Saul unterlassen verrichtet Samuel, und gibt der König dem
Propheten Gelegenheit zu einer heroischen That. Dann der Prophet Samuel ließ den
gefangenen König vor sich kommen / um denselben durch einen gewaltsahmen Tod ins
Grab zuschicken. Dieser nun wolte gerne vor großmühtig angesehen seyn / darum
wil er vor der Welt nichts furchtsahmes an sich mercken lassen / sondern sein
Mund redet etwas / das doch muhtmaßlich von seinem Hertzen weit entfernet war.
Wer sonst dieser Agag in Ansehung seines Geschlechts gewesen / können wir
eigentlich nicht sagen / und obschon Josephus der Jüdische Historicus von
denselben den Hamann der Jüden geschwornen Ertz-Feind herleiten wil / so
erfodert doch solches noch starcken Beweiß. Ich wil hier lieber meine
Unwissenheit bekennen / als was ungewisses für gewiß ausgeben. Wir müssen aber
seine Worte / die aus einen großmuhtigen Hertzen gekommen zu seyn scheinen /
etwas genauer ansehen. Er bekennet / daß der Tod bitter sey / und indem er wil
angesehen seyn / als wann er den Tod großmühtig verachte / so kan er doch nicht
leugnen / daß er dessen Bitterkeit empfunden / dann eben deswegen sucht er
selbige zu vertreiben. Und einem natürlichen Menschen kan auch der Tod nicht
anderst / als bitter seyn. Der Mensch ist ja von GOtt zur Unsterblichkeit
erschaffen / und also begegnet ihm der Tod nicht von Natur / sondern als eine
Straffe der Sünden / welche GOtt um des Fals Adams willen denen Menschen
aufferleget; ist aber der Todei
|| [14]
ne Straffe der Sünden / so kans nicht anderst seyn / der Mensch muß
einen Abscheu und Grauen natürlicher Weise vor dem Tode haben / und eine
Bitterkeit daraus empfinden / weil GOtt alle seine Straffen wil gefürchtet
wissen / und uns deswegen damit dräuet. Alles was sonst in der Welt ist / hat
etwas so ihm entgegen stehet / welches es von Natur hasset und scheuet; als das
Licht die Finsterniß / das Saure das Süsse / also auch das Leben den Tod / und
je süsser / lieblicher und angenehmer das Leben / je bitterer / je wiedriger muß
nohtwendig der Tod seyn. Bildad von Suah nennet des wegen den Tod Job. XVIII,
14. einen König des Schreckens / weil er nemlich dem
Menschen den meisten Schrecken einjägt. Wann der weise Heyde Aristoteles den Tod
beschreiben wil / so weiß er nicht erst solche Worte zu finden / die dessen
eigentliche Beschaffenheit recht deutlich anzeigen können / endlich aber bricht
er aus und sagt: der Tod sey ; unter allen
erschrecklichen Dingen das Allererschreckligste. Selbst die H. Schrifft redet
von dem Tode als einer bittern und unangenehmen Sache / wie wir sehen können
Cohel. VII, 27. Insonderheit trifft es ein bey denen / welche in der Welt keinen
Mangel / sondern alles vollauff haben / solches bezeuget Syrach Cap. XLI, 1. da
es heisset: O Tod wie bitter bistu nicht / wenn an dich gedencket ein Mensch /
der gute Tage und genug hat / und ohne Sorgen lebet / und dem es wohl
|| [15]
gehet bey allen Dingen / und noch wol essen mag.
Dergleichen Bitterkeit des Todes nun fand sich auch in dem Hertzen Agags; ob er
es sich gleich äusserlich nicht wolte mercken lassen / so wird es doch aus
seinen Geberden ohn Zweifel haben können geschlossen werden. Es heist: so muß
man des Todes Bitterkeit vertreiben. Daß der Tod bitter / gestehet Agag / doch
aber fasset er dawieder eine tapfere Resolution solche Bitterkeit zu vertreiben.
Der sonst gelehrte Junius stehet mit einigen andern in den Gedancken; Agag sey
mit Freuden zu dem Samuel gegangen / in der gewissen Hoffnung der Gefahr des
Todes zu entgehen / indem er von einem gewaffneten König zu einen wehrlosen
Propheten kommen müssen. Cornelius à Lapide und die Lateinische Ubersetzung
geben es: Siccine separat amara mors? Ach! scheidet denn also der bittere Tod?
(nemlich von Cron und Scepter / von grossen Ansehen / von aller Königlichen
Herrlichkeit.) Aus des seeligen Herrn Lutheri Ubersetzung wil das Gegentheil
erhellen / wann es heist: Agag gieng zu ihm getrost. Nach dem Grund-Texte heist
es eigentlich: Es gieng zu ihm ein Mann der Wollust / oder der wollüstige Agag.
Woraus zuschliessen / daß dieser König ein zärtlicher Mann gewesen. Dergleichen
Leute aber pflegen gemeiniglich ein Schrecken für harten Begebenheiten /
absonderlich für dem Tode zu haben. Daher diese Worte so nicht zu verstehen /
als wenn er / wie ein
|| [16]
rechter
Wagehals und kühner Soldat / welcher wol ehe unter den blinckenden Schwerdtern
und bebenden Lantzen der Feinde / den Tod gesucht / mit diesen Worten ohn alle
Furcht dem Tode entgegen gangen; vielmehr gebe ich dem gelehrten Herrn D.
Sebastian Schmidt in seinem Commentario in hunc locum Beyfall: wenn er auf die
Seite dererjenigen tritt / welche da meinen / Agag habe sich freylich großmüthig
und unerschrocken gegen den Tod gestellet / es sey ihm aber gantz anderst ums
Hertze gewesen. Er hat es gemacht / wie es auch andre Furchtsame wol zu machen
pflegen. Wann sie sehen / daß es nothwendig müsse gestorben seyn / und sie dem
Tode unmüglich entgehen können / so bezeigen sie sich großmüthig / verhelen aber
nur die Bitterkeit des Todes, so sie dabey empfinden. Die Worte Agags scheinen
zwar anzuzeigen / daß die Bitterkeit des Todes sich bey ihm nicht mehr finde /
allein es war nur eine verstellete Großmuth / in der That waren seine Worte
nichts anderst / als eine Jammer-Klage eines vor dem Tode Erzitternden. Und
diese Erklärung bestätigen auch die folgende Worte / wann Samuel demselben das
Recht der Wiedervergeltung entgegen setzet / dann damit wil Samuel nichts
anderst als dieses sagen: Du magst dich stellen wie du wilt / so weiß ich doch /
daß dir dieser Tod hart ankommt; du solt aber auch wissen / daß dieser Tod / ob
er dir gleich sehr bitter ist, dennoch ein gerechter Tod sey / welchen du mit
deiner Tyranney wohl verdienet. Und gesetzt / daß er in der That sich nichts aus
dem Tode gemacht / und
|| [17]
keine Furcht
bey sich empfunden / so würde doch solches mehr ein desperates Wesen / als
Großmuht zu nennen seyn / weil die Gründe / so er sich wieder die Bitterkeit des
Todes zu bedienen wuste / gar nicht hinlänglich / selbige zu vertreiben. Man
erwege nur wie schwach die Gründe der Heyden seyn / womit sie die Bitterkeit des
Todes zu vertreiben suchen. Gemeiniglich ist es die allgemeine Rohtwendigkeit /
nach welcher kein Mensch dem Tode entgehen kan / sintemahl der Tod ein
allgemeiner Menschen-Würger ist / der so wol anklopfft vor der Grossen
Fürsten-Saal / als vor der Armen Hirten-Stall. Aber O schlechter Trost! O
nichtswehrter Grund! dadurch wird die Bitterkeit des Todes nimmermehr können
überwunden werden. Es ist auch gantz unmüglich / daß ein unwiedergebohrner
Mensch / er mag auch sagen was er wil / mit recht frölichen und getrosten Muhte
dem Tode könne entgegen gehen; sondern solches ist nur ein Werck eines Gläubigen
und Frommen Kindes GOttes / welches aus GOttes Wort die rechten Trost-Gründe
nimmt. Wann ein solches Kind GOttes durch die Krafft des Heiligen Geistes aus
GOttes Wort überzeuget ist / daß der Tod ihm ein Gewinn / ein süsser Schlaff /
ja ein Mittel sey / dadurch es zu der grössesten Glückseeligkeit gelange / so
müssen die Schrecken und Bitterkeit des Todes weichen. Und dieses Mittel hat
unser Wohlseeliger Herr Abt auch sehr wol zu gebrauchen gewust / derselbe hat in
seinem Leben nicht nur andre unterrichtet / wie
|| [18]
es anzufangen / wann man die
Bitterkeit des Todes vertreiben wolte / sondern es auch bey seinem Sterben in
der That erwiesen / daß er die Kunst zu sterben und dem Tode getrost entgegen
zugehen recht gründlich gelernet gehabt. Und wie konte dis anderst seyn? Er war
ja ein vortreflicher Philosophus, und sein meistes philosophiren war auf die
Betrachtung des Todes gerichtet / und bestand in einer stetigen Sorgfalt / daß
er ja nichts begehen möchte / das Ihm im Tode gereuen könte. Er war ein rechter
Theologus oder GOttes-Gelehrter / der aus der weltlichen Gelehrsamkeit nicht
viel machte / sondern mit dem H. Paulo nichts wissen wolte / als JEsum den
Gecreutzigten. Er lehrete und zeigte auch mit seinem Exempel, was das bedeutet /
wann der H. Paulus spricht Gal. 11, 20. Ich lebe doch nun nicht ich / sondern
Christus lebet in mir / dann was ich itzt lebe im Fleisch / das lebe ich im
Glauben des Sohnes GOttes / der mich geliebt / und sich selbst für mich
dargegeben. Weil nun sein gantzes Leben eine Bereitung zum Tode gewesen / so
können wir ja leicht schliessen / daß Ihm das Sterben nicht sauer ankommen /
noch die Bitterkeit des Todes geschmecket habe. Kurtz vor seiner letzten
Kranckheit und seeligem Ende, da Er am Sonntage Judica das letzte mahl zu
Braunschweig in seiner anvertraueten Kirche und Gemeinde geprediget / hat Er so
|| [19]
gründlich gezeiget / wie man die
Bitterkeit des Todes vertreiben könte / daß denenjenigen / die solche Predigt
mit rechter Andacht angehöret und behertziget / eine rechte Lust zu sterben
hätte ankommen mögen. Und daher sind auchdiejenigen Worte aus dem ordentlichen
Evangelio / auf welche der Wohlseelige Herr Abt seine gedachte letzte Predigt
sonderlich gegründet / von denen betrübten Nachgelassnen zum Leichen-Text
erwehlet worden: Warlich / warlich ich sage euch / so jemand mein Wort wird
halten / der wird den Tod nicht sehen ewiglich. Wir wollen zur Erklärung dieser
Worte schreiten und daraus denen Betrübten zum Trost / uns allen aber zur
Christlichen Erbauung mit einander betrachten:
Die Vertreibung der Bitterkeit des Todes
(1) Woher dieselbe entstehe / (2) Worin sie bestehe. Du aber O JEsu! stehe uns bey / und laß uns dein H. Wort also betrachten / daß wir es nicht nur hören / sondern auch halten und darnach leben mögen / damit wir durch dasselbe von Tode errettet / und zum Leben mögen erhalten werden.
|| [20]
Erklärung des Textes.
ANdächtige und Geliebte / theils nach dem Willen GOttes hertzlich betrübte
Zuhörer / Als Moses mit seinen bey sich habenden Israeliten aus dem Angst-Hause
/ und eisernen Ofen des Elendes gezogen / und durch das rohte Meer gegangen war
/ kamen sie in die Wüsten gen Mara / aber das Wasser zu Mara konten sie nicht
trincken / dann es war fast bitter. GOtt aber zeigte Mosi einen Baum / den legt
er ins Wasser / da ward es gantz süsse. Und eben so geht es uns Menschen. Wann
wir dis Angst und Jammer-volle Welt-AEgypten verlassen / und durch das rothe
Meer des Todes gehen sollen / so kommen wir recht gen Mara, dann der Tod ist
fast bitter: Wan̅ wir uns aber des Baums bedienen / welcher uns
von GOtt gezeigt / ich meine den Baum des Lebens Christum JEsum / so wird sich
solche Bitterkeit bald verlieren. Das bittere Leyden unsers theuresten Heylandes
kan den Tod gantz süsse machen; wie wir es aber anzufangen haben / wann uns der
Tod nicht bitter sondern süß seyn soll / können wir aus unsern vorhabenden Texte
lernen / wann wir daraus betrachten die Vertreibung der Bitterkeit des Todes und
zwar
I. Woher dieselbe entstehe. Im Texte heist es davon also: Warlich / warlich
|| [21]
ich sage euch / so jemand mein Wort wird halten: Das
Wort JEsu ist also das Mittel / wodurch die Bitterkeit des Todes vertrieben
wird. Der HErr JEsus redet alhie vom Worte. Es ist bekand, daß das Wort GOttes
eingetheilet werde in das Wort des Gesetzes / und das Wort des Evangelii. In dem
Worte des Gesetzes zeiget uns GOtt seinen Willen / was Er von uns wolle gethan
oder gelassen haben; das Gesetz ist eine Abbildung der Göttlichen Heiligkeit und
Gerechtigkeit / ein Abdruck derer Pflichten / worzu uns GOttes Ebenbild
verbindet / eine Anweisung dessen / wodurch der Mensch seinem Schöpfer ähnlich /
und in den Schrancken der Heiligkeit erhalten / und heilig werden kan. Ob nun
gleich dieses Wort an sich heilig / gerecht und gut / auch anfangs dem Menschen
zum Leben gegeben / so kan es dennoch / weil es der Mensch wegen seines tieffen
Verderbens nicht volkommentlich erfüllen und halten kan / wieder den Tod keinen
Trost geben / sondern verbittert denselben nochmehr / dann es ruffet immer:
Verflucht sey / der nicht alle Worte des Gesetzes erfüllet / daß er darnach
thue! Deut. XXVII, 26. Redet also der HErr JEsus / welcher des Gesetzes Ende ist
/ nicht von dem Worte des Gesetzes / sondern von dem Worte des Evangelii. Diß
Evangelium nun ist die Trost- und freuden-reiche Lehre von dem Erlöser Christo /
darin uns verkündiget wird / wie der bar mhertzige Vater um seines Soh
|| [22]
nes Christi willen / uns unsere Sünde vergeben
/ zu seinen Kindern annehmen / und zu Erben der ewigen Seeligkeit erklären wolle
/ wann wir nur an diesen seinen Sohn gläuben. Diß Evangelium ist eine Krafft
GOttes seelig zu machen alle / die daran gläuben. Rom. I, 16. Es bestehet aber
dieses Wort JEsu / oder das Evangelium in drey Stücken. Erstlich in einem
göttlichen Unterricht / da Er uns allen Raht GOttes von unserer Seeligkeit
offenbahret. Zum andern in verheissung seiner Gnade / die wir von ihm zu
gewarten haben. Drittens in herlichen Lebens-Regulen / darin er vorschreibet /
wie wir unser Leben einrichten / und Ihm folgen sollen. Da stehet uns nun nicht
frey / daß wir eins von diesen Worten halten / das andre aber / als wann es
unnöhtig / oder unmüglich wäre / unterlassen. Dann Christus sagt nicht: Wer ein
oder ander von meinen Worten hält / sondern ohn Unterschied: Wer mein Wort hält.
Nicht nur die Verheissungen / daß man sich derselben getrösten wolle / sondern
auch die Gebote und Lebens-Regulen sind eben so nöhtig, als die Verheissungen.
Und wer sich an seine Verheissungen zwar halten / nicht aber dabey nach seinem
Befehle und Gebohten leben wolte / der würde sich in seinem Vertrauen betriegen
/ weil sich beyde Stück nimmer von einander trennen lassen. Daher auch der
liebste Heyland Joh. XVI, 15. sagt: Liebet ihr mich / so haltet meine Gebote /
|| [23]
und wer meine Bebote hat / und
hält sie / der ist es der mich liebet: wer aber mich liebet / der wird von
meinem Vater geliebet werden / und ich werde ihn lieben / und mich ihm
offenbahren. Hier nennet er das jenige seine Gebote / und dringet auff deren
Haltung / was in unserm Texte unter seinem Worte angezeiget wird. Und hierin
stecket eben der Bewegungs-Grund und die Ursache / warum wir solche Worte halten
sollen / weil sie nemlich Christi Worte sind. Ist dieses aber die Ursache / so
soll und muß uns das eine Wort so lieb seyn / als das andre. Und dieses ist sehr
wohl in acht zu nehmen / was es vor ein Wort sey / das wir halten sollen. Es ist
nicht eines Menschen / sondern lauter Christi Wort. Und wenn wir gleich diese
Worte aus dem Munde eines Menschen hören / so müssen wir sie dennoch annehmen /
nicht in Absicht auf die Menschen / die sie vortragen / sondern in Absicht auf
Christum / weil sie Christi Worte sind. Und kein Lehrer / er mag so ansehnlich
seyn / als er wolle / darf uns in Glaubens-Sachen etwas anderst lehren / als was
Christi eigene Worte im Munde führen / daher müssen wir nach diesem Wort alles
prüfen.
Denn dieses Wort ist (1) ein gewisses und untriegliches Wort. Diß zeiget uns der
|| [24]
liebste Heyland / wann Er
spricht: Warlich / warlich! ich sage euch. Er bedienet sich einer doppelten
hohen Betheurung / damit wir desto weniger daran zweiffeln sollen. Und hiedurch
wil Er uns seine Liebe zu erkennen geben / und meinet / wir sollen es recht
deutlich mercken wie aufrichtig und gut er es mit uns meine / und Ihm desto eher
glauben / damit wir ja das Leben erlangen mögen; deßwegen betheuret Er es so
hoch / und thut als wann Ihm viel daran gelegen / da es doch um unsers bestens
willen geschicht. Und wer wolte dem hochbetheurenden Heylande nicht glauben? da
wir einem jeden Worte / so aus seinem Munde gehet / weil Er die Wahrheit selber
ist / zu glauben verbunden. Wollen wir seinen hohen Betheurungen keinen Glauben
beymessen / so ist unsere Verantwortung desto schwerer / und die daher
entstehende Straffe desto gerechter. Wer wolte demjenigen nicht glauben? welchen
der himmlische Vater selbst auctorisiret / daß wir Ihn hören sollen / Matth.
XVII, 5, Es ist derjenige / den wir vor unsern HErrn und Meister erkennen / und
von Ihm den Nahmen führen / wie wollen wir denn an seinem Worte zweiffeln? Das
Wort aber / so Er rühmet / ist dasjenige / welches Er vom Vater empfangen / und
aus dessen Schoß mit zu uns gebracht. Ein Wort, welches ist Geist und Leben.
Joh. VI, 63. Ein Wort der Gnaden und des Trostes. Ein Wort des Glaubens /
dadurch wir zur Erkäntniß der Heils-Güter /
|| [25]
und derselben gläubigen Geniessung gebracht werden. Es ist ein
lebendigmachendes Wort / welches uns / die wir tod sind in Sünden / wieder
bringet zu dem Leben / so aus GOtt ist. Es ist ein Wort der Wahrheit / das uns
heiliget / indem es uns nicht nur den heiligen Willen unsern GOttes deutlich
erkläret, sondern auch die Kräffte zur Heiligung würcklich mittheilet.
Absonderlich heist es wol recht ein Wort des Lebens / weil es von dem
wesentlichen Leben herkömt / das Geistliche Leben in uns wircket / und endlich
zum ewigen Leben führet.
(2) Ist es auch ein Allgemeines Wort und Mittel / davon heist es: So Jemand mein
Wort wird halten. Jemand / er sey wer er wolle / niemand wird aus geschlossen /
als der sich selbst durch seinen Unglauben / und gottloses Leben ausschliesset.
Er hat das Wort predigen lassen allen Creaturen / auff daß alle / die dadurch
gläubig würden / nicht verlohren werden / sondern das ewige Leben haben solten.
Wenn mann sonst grosse Schätze suchen will / so findet man solche nicht bey
jederman / sondern nur bey den Reichen dieser Welt. Das theure Wort GOttes aber
/ welches der kostbahreste Schatz / so nur mag gefunden werden / und auch von
denen gläubigen viel höher / als viele tausend Stück Goldes und Silbers /
geachtet wird / findet sich zwar / der würcklichen Besitzung nach / nur bey
denen Frommen / indessen so können ihn alle Gottlose auch finden und erlangen /
wann sie nur von ihrer Boßheit
|| [26]
sich
bekehren / und nach der Vermahnung Pauli Tit. II, 12. Verleugnen das ungöttliche
Wesen / und die weltlichen Lüste / und anfangen züchtig gerecht / und gottselig
zu leben in dieser Welt. So Jemand. Hier ist kein Jude noch Grieche / kein Mann
noch Weib / kein Knecht noch Freyer / und überall keiner ausgeschlossen. Kein
David / welcher Ehebruch und Mord zugleich begangen. Kein Manasses / der seine
Kinder dem Moloch verbrand / und ärger gelebt als alle Heyden / so der HErr vor
den Kindern Israel vertrieben. Kein Saul, der JEsum in seinen gläubigen Gliedern
verfolgt. Kein Petrus, der ihn verleugnet. Hat sich jemand mit solchen oder
andern Sünden besudelt / des Teuffels Wort in Sünden gehalten / der trete zur
Stunde in dieser bußfertigen Sünder Zahl / und halte das Wort JEsu / so soll
aller seiner Sünde nicht mehr gedacht werden. Jederman stehet das Mittel zu
ergreiffen frey / so Jemand / heist die allgemeine Verheissung. Hier wird das
allgemeine Verdienst Christi allen angeboten. Dann GOtt wil / daß allen Menschen
geholffen werde / und zur Erkäntniß der Wahrheit kommen 1. Tim. 11, 4. Hiemit
stimmet der H. Petrus überein, welcher ausdrücklich sagt: 2. Petr. III, 9. GOtt
will nicht / daß jemand verlohren werde /
|| [27]
sondern daß sich jederman zur Busse bekehre. Christus selbst
bekräfftiget es Joh. VI, 37. Wer zu mir kömt / spricht Er / den wil ich nicht
hinaus stossen. Was Christus gethan / ist allen zu gute geschehen / Er ist vor
alle ein wahrer Mensch empfangen und gebohren worden / Er hat vor alle gelitten
/ Er ist für alle gestorben / begraben, und wieder auferstanden / von seinem
gantzen Verdienste wird keiner ausgeschlossen.
(3) Es ist das Wort JEsu aber auch ein solches Wort und Mittel das da muß recht
angewand werden. Alle Mittel in der Welt / wann sie ihren effect hervor bringen
sollen / so müssen sie gebraucht und appliciret werden. So ist es mit dem Worte
JEsu auch. Deßwegen sagt der liebste Heyland: So jemand mein Wort wird halten.
Er sagt nicht: So jemand mein Wort hat / Er sagt auch nicht: So jemand mein Wort
höret / lieset / oder weiß / sondern so jemand mein Wort wird halten. Viele
haben das Wort JEsu / sie hören und wissen es / und müssen doch den Tod und
dessen Bitterkeit empfinden / indem sie wegen ihrer Unbußfertigkeit aus
Gerechtigkeit / ohne eintzige Gnade und Barmhertzigkeit / verdammet werden. Weiß
doch der Teuffel auch viel von Christo / und muß doch ein ewig verdammter
Höllen-Geist bleiben. Und also kan auch
|| [28]
einem Menschen das blosse Wissen des Worts Christi nichts helffen.
Wollen wir hier nun recht unterrichtet seyn / so ist wohl zu mercken / daß unser
Heyland begehret / daß wir Ihn recht kennen / und einen wahren Begriff von
seiner Person haben sollen. Er begehret aber noch ferner / daß wir sein gantzes
heiliges Wort mit der grössesten Ehrerbietung / und vesten Vertrauen annehmen
sollen / daß nicht nur der Verstand erleuchtet / sondern auch der Wille
geheiliget werde / und daß seine ewige Wahrheiten nicht nur in unsern Gehirn
hangen / sondern auch ins Hertz kommen / daß dasselbe dadurch gereiniget und
geheiliget werde. Dieses alles wird zu den rechten Halten des Worts JEsu
erfodert / und dasselbe kan uns den Tod versüssen / und alle Schrecken desselben
benehmen. Zorn und Schrecken sind sonst die hefftigsten Gemüths-Bewegungen /
dadurch die stärcksten Naturen bestritten / auch wol verderbt / und über einen
Hauffen geworffen werden. Und wenn ein Artzt gefunden würde / der eine bewehrte
Artzeney dawider erfunden hätte / würden wir selbige nicht gerne nehmen und
gebrauchen? Ey wie begierig sollen wir denn nicht nach dem Worte Gottes seyn?
welches die bewehrteste Artzeney wider die Schrecken des Todes ist. Es muß aber
solches Wort mit grossem Fleiß gehalten werden / wie das im Grund-Texte
befindliche Wort / anzeiget. Es muß nemlich das Wort
GOttes / als ein theurer Schatz / im Hertzen verwahret und beygeleget werden. Es
muß sorgfältig bewahret / und gleichsam
|| [29]
bewachet werden / damit der Satan nicht komme / und solchen Schatz
raube. Die grösseste Sorge dabey muß seyn / daß demselben in allen nachgelebet
werde. Dieses fodert ja unser Heyland von uns / wir sollen nicht in dem einem
und andern / sondern in allen Fällen des HErrn Willen thun. Wir sollen
würdiglich wandeln dem HErrn / zu allem Gefallen / und fruchtbar seyn in allen
guten Wercken / Col. I, 10. das Wort GOttes ist kostbahrer als das allerfeineste
Gold / süsser dann Honig und Honig-Seim: wer wolte das nicht hoch achten / es
suchen und halten? Der liebste Heyland rufft einem jedweden zu: Vergiß meines
Worts nicht! Er verlanget nicht / daß man es soll an den Hals hengen / sondern
daß man es ins Hertz schreibe. Wo wir gehen / soll es uns begleiten / wo wir
liegen, soll es nns bewachen / wann wir wachen / sollen wir beständig davon
reden / und sollen es nicht lassen von unserm Munde kommen. Es muß aber auch
dieses Wort beständig gehalten / und unauffhörlich gebrauchet werden. Ein zwar
gut angefangener / auch eine zeitlang fortgesetzter / hernach aber unterbrochner
Gehorsahm / ist dem HErrn JEsu durchaus nicht anständig. Er verlanget eine
beständige Verharrung in der Busse / Glauben / Gottseeligkeit und Gedult. Er
fodert / daß wir sollen getreu seyn biß in den Tod / Apoc. II, 10. Der gantze
Lebenslauff sol in seinen Wegen und Fustapffen zugebracht werden. Und das ist
|| [30]
ein rechtes Halten seines Worts.
Dann wer die Hand an den Pflug leget / und zeucht sie wieder zurück / der ist
nicht geschickt zum Reich GOttes. Ein Läuffer stehet in der Lauf-Bahn nicht
stille / sondern läufft so lange / biß er das Kleinod ergriffen. So auch ein
rechtschaffener Christe / er laufft in der angetretenem Bahn beständig fort / er
hört nicht auff GOttes Wort zu halten / biß er zu GOtt kömt / und das Kleinod
ergreifft / welches vorhält die himlische Beruffung. Er vergisset was dahinden
ist / und strecket sich nach dem / das da vornen ist / und jaget nach dem
vorgesteckten Ziel / nach dem Kleinod / welches vorhält die himmlische Beruffung
GOttes in Christo JEsu / Phil. III, 13, 14. Eines rechtschaffenen Christen
Wunsch ist: Ach! daß ich dein Wort / und Rechte mit gantzem Ernst hielte /
Psalm. CXIX, 5. Und solches Halten der Worte JEsu ist das bewehrte Mittel die
Bitterkeit des Todes zu vertreiben. Wer also Christi Wort hält / der ist in
Christo / und Christus in ihm / ein solcher kan mit dem Apostel Paulo aus der
Epistel an die Römer Cap. VIII, 35. getrost sagen: Wer wil uns scheiden von der
Liebe GOttes? Trübsahl oder Angst oder Verfolgung? oder Hun
|| [31]
ger? oder Blösse? oder
Gefährlichkeit? oder Schwerdt? in dem allen überwinden wir weit um des Willen
der uns geliebet hat.
II. Es bestehet aber die Vertreibung der Bitterkeit des Todes / welches das
andere / so wir aus unserm Texte zu betrachten laben / darin / daß sie / wie der
Text sagt / den Tod nicht sehen ewiglich. Den Tod sehen / heisset nach der
Ebräischen Redens-Art / den Tod empfinden / und fühlen. Dann das Wort sehen
schliesset bey den Ebräern alle Sinne und deren Empfindung und Wirckung in sich.
Wenn wir nun den Tod recht betrachten / so finden wir / daß er dreyerley sey:
der natürliche / der geistliche / und der ewige Tod.
Der natürliche Tod ist eine Trennung Leibes und der Seelen. Und ob gleich GOtt /
der das Leben selber ist / den Menschen unsterblich erschaffen / so daß er in
Ewigkeit nicht würde gestorben seyn / wann er nicht gesündiget; so ist doch
durch einen Menschen die Sünde kommen in die Welt / und der Tod durch die Sünde
/ und ist also der Tod zu allen Menschen hindurch gedrungen / dieweil sie alle
ge
|| [32]
sündiget haben /
Rom, V, 12. Es ist nunmehro kein Mensch / der da lebe und den Tod nicht sehe. Es
ist gesetzt dem Menschen einmahl zu sterben / heist es: Ebr. IX, 27. da müssen
denn die beyden vertrautesten Freunde / Leib und Seele / von einander scheiden.
Es trifft bey allen Menschen ein / was Syrach sagt Cap. XL, 1. Es ist ein elend
jämmerlich Ding um aller Menschen Leben / von Mutter-Leibe an biß sie wieder in
die Erde begraben werden / da ist immer Sorge / Furcht / Hoffnung / und zuletzt
der Tod. Aber dieser Tod und die Bitterkeit desselben wird vertrieben bey denen
/ die JEsus Wort halten. Dann wann der natürliche Tod / allerhand Trübsahl und
Leyden sie angreiffen / so schaden sie ihnen doch nichts / dann das Leben in
ihnen ist stärcker / und macht / daß alle ihr Leyden / und der Tod selbst ihnen
lauter Heyl und Leben ist. Ja was noch tödtliches oder sündliches an ihnen ist /
wird dadurch gereiniget. Dann der zeitliche Tod ist kein Tod / sondern eine
endliche Ablegung alles Todes / oder alles Jammers / womit sie in dieser
sterblichen Hütten umgeben sind. Durch den Tod kommen sie gleichsam als durch
eine seelige Geburt zu dem offenbaren und einig vollkommenen Leben. Einem Halter
der Worte JEsu ist der natürliche Tod der Braut-Diener / welcher die gläubige
Seele
|| [33]
himlischen Bräutigam in die Arme führet. Die
Wagen Josephs, welche dessen Vater aus dem Hunger-Lande / in das Land des
Vergnügens und des Uberflusses überführen. Wie solte dann nun wol der Tod einem
solchen Halter der Worte JEsu bitter seyn?
Der andere ist der geistliche Tod / welcher aber wieder zweyerley. Man ist
entweder gestorben der Sünde / oder man ist gestorben in Sünden. Der erste Tod
ist ein glückseeliger Tod / und bestehet darin / daß man durch den H. Geist
Krafft und Willen hat denen sündlichen Reitzungen die man bey sich empfindet /
zu widerstehen. Der andre aber ist ein gefährlicher und unglückseeliger Tod / er
bestehet darin / daß man so wenig Krafft als Willen hat das Gute zu
vollenbringen. Der erste rühret her aus der Gnade Christi / der andere hingegen
aus dem natürlichen Verderben / und dem Falle Adams, und bestehet in einer
Trennung der Seelen von GOtt durch Unglauben / und durch die daraus fliessende
Wercke der Finsterniß. Von diesem Tode ist kein natürlicher und ihm selbst
gelassener Mensch ausgeschlossen. Dann wir sind allzumahl Sünder / und mangeln
des Ruhms / den wir vor Gott haben sollen / heist es: Rom. III, 23, Wir sind von
Natur Kinder des Zorns Ephes. II, 3. Da ihr tod waret durch Ubertretung und
Sün
|| [34]
de v. 1. und
abermahl im 5ten V. da wir tod waren in Sünden / welche Redens-Art ebenfals
gefunden wird Colos. II, 13. Er wird aber der geistliche Tod genand / weil der
Mensch zu allen geistlichen / göttlichen und guten Wercken erstorben / und
entfernet ist von dem Leben / das aus GOtt ist / oder eigentlich / von dem Leben
GOttes / Ephes. IV, 18. Die Sache läst sich erläutern / und gantz deutlich
begreiffen durch das Exempel oder Gleichniß eines natürlich todten Menschen.
Dann wann ein Mensch gestorben / so ist es vergebens / daß man die Verrichtungen
von ihm erwarten oder fodern wolte / die er sonst bey seinem Leben zuthun
gewohnt gewesen. Weil er tod / so höret / siehet / reget und beweget er sich
nicht / er hat weder Willen noch Kräffte das geringste zu verrichten; also ist
es auch mit einem geistlich Todten Menschen / er höret und siehet nicht /
nemlich Geistlicher Weise / was GOtt in seinem Worte befiehlet / verstehet und
begreifft er nicht. Mann ihm noch so viel aus GOttes Wort zugeruffen wird /
bleibt er doch unempfindlich / er hat weder Willen noch Krafft dem Befehl und
Geboten GOttes zu gehorchen. Ob nun aber gleich alle Menschen von Natur diesem
Geistlichen Tode unterworffen / so können wir doch durch Christum davon befreyet
werden: weil der uns davon erlöset / wie Paulus lehret Eph. II, 5. Da Er
spricht: Da wir Tod waren in
|| [35]
Sünden
/ hat Er uns samt Christo lebendig gemacht. Diese Lebendigmachung nun geschicht
durchs Wort GOttes in der Wiedergeburt / davon Petrus 1. Epist. I, 23. also
redet: Wir sind wiedergebohren nicht aus vergänglichem / sondern aus
unvergänglichem Samen / nemlich aus dem lebendigen Wort GOttes / das da ewig
bleibet. Gleichwie nun zwar ein Mensch / so lange er leiblicher Weise todt ist /
nichts empfindet / auch von nichts weiß / gleichwol aber / wann er wieder
lebendig wird / alle Handlungen eines Menschen verrichten kan / auch alles was
Schmertz und Bitterkeit verursachet / wieder anfängt zu empfinden: Also ist es
auch mit einem geistlich Todten / so lange er ein solcher ist und bleibet / hat
er von den geistlichen Dingen keine Empfindung / wann aber Christus das Leben
ihn wieder zum geistlichen Leben erwecket; so empfindet er zwar sofort die
Bitterkeit und Abscheulichkeit des Geistlichen Todes / doch wird solche
Bitterkeit gar bald durch das Wort Christi überwunden. Dann wer diß Wort hält /
der wird den Tod nicht sehen ewiglich.
Die dritte Art des Todes ist der ewige Tod / von welchem in sonderheit in unserm
Texte die Rede ist. Dann was der seelige Lutherus übersetzet hat: ewiglich /
heisset nach den Griechischen eigentlich in Ewigkeit / und kan in Teutschen gar
wohl ge
|| [36]
geben werden: der wird
den ewigen Tod nicht sehen. Dieser Tod aber ist nichts anderst / als eine immer
daurende Trennung und Absonderung der Seelen von GOtt. Wer nun Christi Wort hält
/ der soll diesen Tod nicht sehen. Er soll nicht schmecken wie bitter / noch
erfahren wie grausam er sey. Er soll die Macht dieses Todes nicht empfinden /
und also des ewigen Todes gar nicht sterben. Christus und sein Wort lassen sich
nicht von einander trennen. Christus aber ist dem Tode ein Gifft / und der
Höllen eine Pestilentz worden Hos, XIII, 14. Wann du / O Mensch! Jesu Wort hälst
/ so hastu auch Jesum selbst: hastu JEsum / so hastu das Leben / du hast dich
vor des Todes Grausahmkeit nicht zu fürchten / noch vor seiner Bitterkeit dich
zu entsetzen / sondern du gehest durch den zeitlichen Tod ins Licht / in welchen
GOtt wohnet / und dahin kein Tod kommen kan. Die Verheissung Christi kan einen
Gerechten auch im Tode getrost machen Prov. XIV, 32. Christus das Leben hat ein
Mittel erfunden / dadurch der in dem Tod versunckene Mensch wieder in das Leben
versetzet wird. Und wer wolte hieran zweiffeln? Solte das Wort Christi geringere
Krafft haben / als das Wort des Satans? welches ist ein Wort des Todes / dadurch
die Menschen in dem Tod geführet worden. Das Wort Christi ist ein Wort des
Lebens / das die seinigen lebendig
|| [37]
macht / die es halten. Alle die es halten sollen nicht sterben / sondern leben
und des HErrn Werck verkündigen / Psalm. CXIIX, 17. Es wird dieser wahrhafftige
HErr dasjenige / was Er Joh. XI, 25. 26. versprochen / unzerbrüchlich halten.
Ich bin die Aufferstehung und das Leben / wer an mich gläubet / der wird leben /
ober gleich stürbe / und wer da lebet und gläubet an mich / der wird nimmermehr
sterben. Und dieses wäre also die Vertreibung der Bitterkeit des Todes / wir
haben gesehen (1) woher dieselbe entstehe (2) worin sie bestehe.
Gebrauch.
AUs dieser Betrachtung fliesset von selbsten folgende Lehre: Der Gerechte ist
auch im Tode getrost. JEsus die Wahrheit selbst / in dessen Munde niemahls ein
Betrug erfunden / bekräfftiget es mit einer gar theuren Versicherung, wann Er in
unserm Texte sagt: Warlich / warlich / ich sage euch / so jemand mein Wort wird
halten / der wird den Tod nicht sehen ewiglich. Den Tod nicht sehen ist so viel
als den Tod nicht schmecken / nicht empfinden.
|| [38]
Wir haben oben gedacht von allen
dreyen Arten des Todes / und gesagt / daß der natürliche Tod sey eine Trennung
des Leibes und der Seelen. Von dieser Trennung / und daher entstehender
Veränderung spricht Christus niemand frey. Dann es ist gesetzt dem Menschen
einmahl zu sterben. Hebr. IX, 20. Und es ist niemand, der da lebe und den Tod
nicht sehe / sondern die Schuld der Natur muß von allen bezahlet werden. Nun ist
freylich der Tod von Natur schrecklich. Denn wenn man alles / was man in der
Welt hat / verlassen soll / wenn man erweget / wie man indie Erde werde
verscharret / und der Verwesung unterworffen werden / so entsetzet sich die
Ratur davor / es ist denen natürlichen Menschen recht was Widerliches: doch aber
was der Natur entsetzlich vorkömmt / ist dennoch denen / die JEsu Wort halten /
was tröstliches und angenehmes / weil sie nicht sterben / sondern durch den Tod
zu einem solchen Leben hindurch dringen // daß da ewig und beständig dauret.
Sonst heist es von einem jeden rechtschaffenen Christen / wie von Paulo: ich
sterbe täglich. 1. Cor. XV. 31. In welchen Worten Paulus anzeigt die tägliche
Lebens-Gefahr / darin er stunde / indem er alle Augenblick vermuthen muste / daß
er zu dem allergrausamsten Tode dahin gerissen würde. Dieses kan freylich ein
jeder Christ auff sich appliciren / massen er immerhin so lange er lebet / eines
zweyfachen Todes stirbt. Dann einmahl stirbt er natür
|| [39]
licher Weise / weil des
Menschen kurtzes Leben mehr ein Sterben / als ein Leben zu achten. Eine Minute /
ein Tag / eine Woche / ein Monat / ein Jahr / gehet nach dem andern hin, und
wann sie vergangen / so ist es nicht anderst / als wären sie gestorben. Eine
Verrichtung nach der andern / ein Creutz nach dem andern / ein Anschlag nach dem
andern gehet vorbey / und ist es vergangen / so ist es / als wäre es gestorben.
Ja alles Sichtbare vergehet / und bleibet nichts beständig / als die
Unbeständigkeit. Es muß aber ein Christ hiernechst eines geistlichen Todes
sterben / welcher dem alten Adam recht bitter ist / und ihm recht hart antritt.
Es bestehet aber dieser Tod darin // daß die wahren Christen sich selbst / der
Welt / und der Sünden absterben. Dieses ist es / was der H. Paulus nennet: der
Sünden abgestorben seyn Rom. VI, 2. Der Anfang zu diesem Tode wird gemacht in
der H. Tauffe / dann wir werden in den Tod Christi getaufft. Rom. VI, 3. Es muß
aber dieser Tod im gantzen Leben fortgesetzet werden. Wir müssen leyder!
gestehen / daß in unserm Hertzen eine sündliche Gedancke nach der andern / eine
böse Unart nach der andern / eine böse Begierde und Reitzung nach der andern
lebendig wird / da hat denn freylich ein Christ immer zu tödten und zu begraben.
Da müssen sie ihre Glieder / so auf Erden sind / tödten: Col. III, 5. das
Fleisch creutzigen
|| [40]
samt den Lüsten
und Begierden / Gal. V, 24. Den alten Menschen mit seinen Lüsten ausziehen. Und
wann es auffs sündigen gehet / so muß ein wahrer Christ seyn / als ein
Gecreutzigter / der nicht thun kan / was er wil / er muß sich nicht anderst
bezeigen / als wäre er tod. So machte es der H. Paulus der seuffzet deswegen
hertzlich Rom. VII, 24. Ich elender Mensch / wer wil mich erlösen von dem Leibe
dieses Todes? Womit Er denn klar an den Tag legt / daß sein gantzes Leben eine
Versamlung allerhand Arten des Todes sey. Ob nun gleich dem also / so bleibt es
doch dabey / daß der Gerechte auch im Tode getrost; und wann Er sterben muß /
der Tod ihm nicht erschrecklich oder schädlich / sondern angenehm und
ersprießlich sey, massen Er durch den Tod von allen diesen Todten erlöset wird /
und zum ewigen / volkommenem Leben eingehet. Und daher haben auch die Heiligen
Männer GOttes / welche alle gedachte Arten des Todes erfahren / dem natürlichen
Tode / als gleichsam ihrem Erlöser, recht liebliche und angenehme Namens
gegeben. Der weiseste unter denen Königen / Salomon / nennet den Tod eine
Wiederkehrung zu GOtt / Cohel. II, 7. Nichts ruhet ehe / bevor es in sein
Centrum / daraus es entstanden / wieder kömmt. Weil nun die Seele aus GOtt ihren
Ursprung hat / so findet sie ehe keine wahre Ruhe / biß sie wieder mit GOtt
|| [41]
vereiniget. Paulus nennet ihn Phil.
I, 23. Analysin, eine Aufflösung. Ist ein Gleichniß / hergenommen von einem
Schiffe / welches bißher unter Sturm und Wellen ausgehalten / von welchen
nunmehro aber die Ancker gehoben werden / damit es in dem Hafen möge einlauffen.
Was ist doch unser Leben? nichts anderst als ein unruhiges Meer / aber durch den
Tod gehen wir aus Sturm und Wetter der Trübsahl in dem sichern Hafen des ewigen
Lebens. Was gewöhnliches ist es auch in der H. Schrifft / daß der Tod derer
Gläubigen ein Schlaff genennet wird / woraus erhellet / daß der Tod denen
Gläubigen unmüglich bitter oder fürchterlich seyn könne; dann wer fürchtet oder
entsetzet sich für einem weichen und sanfften Ruhe-Bette? Wie eilet man nicht
zur Schlaff-Kammer / wenn man matt und müde ist? Alles dieses aber rühret her
von dem Halten des Worts JEsu / der kan erretten / auch die in Todes-Noht zu ihm
treten. Es beweisen dieses nicht nur unsere erklärete Text-Worte / sondern
dieser Held in Israel / der da nicht leugt / hat uns noch mehr Verheissungen
darüber gegeben. Hos. XIII, 14. verspricht Er denen Seinigen: Ich wil sie
erretten vom Tode. Er ist der gute Hirte / der seinen Schaffen das Leben und
volle Genüge / ja gar das ewige Leben gibt. Joh. X, 28. Ehe wir solten ewig
sterben und im Tode bleiben / ist
|| [42]
Er
selbst gestorben / und hat durch seinen Tod dem Tode die Macht genommen / das
Leben und unvergängliches Wesen ans Licht bracht durch das Evangelium. 2. Tim.
I, 10. Und hieraus können wir die hertzliche Liebe GOttes und unsers JEsu
erkennen / worauff uns Johannes weiset: 1. Joh. IV, 9. Daran ist erschienen die
Liebe GOttes gegen uns / daß GOtt seinen eingebohrnen Sohn gesand hat in die
Welt / daß wir durch ihm leben sollen. Es wäre genug / wenn es der liebste
Heyland nur schlecht hin verheissen hätte / aber nein / dabey läst Er es nicht /
sondern in unsern Texte hat es sein göttlicher Mund hoch betheuret: Warlich /
warlich spricht Er / so jemand mein Wort wird halten / der wird den Tod nicht
sehen ewiglich. Und aber mahl Joh. V, 24. Warlich / warlich ich sage euch / wer
mein Wort höret / und gläubet an den / der mich gesand hat / der hat das ewige
Leben / und kommt nicht ins Gericht / sondern ist von Tode zum Leben hindurch
gedrungen. Und damit
|| [43]
bey den
Gläubigen ja keine Furcht vor dem Tode übrig bleiben möchte / so wird der
Zustand nach diesem Leben recht sonderlich beschrieben. Er wird genennet ein
unvergängliches Wesen. 2. Tim. I, 10. Eine unvergängliche Crone 1. Cor. IX, 25.
eine Crone der Gerechtigkeit. 2. Tim. IV, 8. Der H. Petrus redet auch gar schön
davon, I. Petr. I, 3. und nennet es eine lebendige Hoffnung. v. 4. Ein
unvergängliches / unbeflecktes und unverwelckliches Erbe / das behalten wird im
Himmel. Diese Beschreibung der zukünfftigen Herrlichkeit / machen einen
gläubigen Christen / der JEsu Wort hält / immer getroster / und wenn es denn
endlich zum Tod und Sterben mit ihm kommt / so spricht er mit getrostem Muth:
Ich werde nicht sterben sondern leben. Wenn die letzten Züge angehen / so rufft
er getrost mit der Christlichen Kirche aus:
Weil du vom Tod erstanden bist / Werd ich im Grabe nicht bleiben / Mein höchster Trost deine Auffarth ist / Todes Furcht kanst du vertreiben / Dann wo du bist / da komm ich hin / / Daß ich stets bey dir leb und bin / Drum fahr ich hin mit Freuden. O süsser Trost! O freudiger Muth! O glücklicher Zust and / wann man auch mitten im Tode freudig seyn kan! Solcher seelige Trost aber kan mit
|| [44]
allen Schätzen der Welt nicht
erlanget / oder erkaufft werden / sondern er entstehet nur aus dem Halten der
Worte JEsu. Welches aber JEsu Wort sey / und was das Halten dieser Worte in sich
fasse / haben wir schon gehöret / nemlich mit einem lebendigen Glauben erkennen
und annehmen / daß JEsus der wahre Meßias / und von GOtt in die Welt gesandte
Heyland sey / der dem Tode die Macht und den Gifft nehmen solte. Was an einer
Schlangen der Gifft / solches ist / in Ansehung des Todes / die Sünde. Da nun
JEsus die Sünde getilget / so ist der Tod selbst nicht mehr schädlich / und an
denen / die in Christo JEsu sind / ist nichts verdammliches / oder wie es
eigentlich heist / keine Verdammung mehr. Rom. IIX, I. Solcher Glaube aber ist
nicht Menschen Werck / oder ein Werck der Natur / sondern GOttes Werck / wie wir
sehen können Joh. VI, 29. da es heist: Das ist GOttes Werck / daß ihr an den
gläubt / den Er gesand hat. Dieser Glaube aber kan unmüglich bey einem Menschen
entstehen ohne vorher gegangene rechtschaffene Busse. Der H. Evangelist Marcus
setzt deßwegen beyde Stück zusammen Cap. I, 15. Thut Busse / und gläubet an das
Evangelium. Hier muß sich nun ja keiner einbilden / daß es eine leichte und
geringe Sache sey / JEsu Wort zu halten / und im
|| [45]
Tode getrost zu seyn. Die sichern
Heuchler zwar / die nicht wissen noch verstehen / was rechtschaffene Busse und
wahrer Glaube sey / sondern sich mit einer falschen Einbildung betriegen /
stellen sich die Sache leicht vor / allein sie irren gar sehr. Sie bilden sich
ein Busse thun bestehe darin / daß man überhaupt erkenne / daß man ein armer
Sünder sey / auch wol einen äuserlichen Mißfallen gegen die Sünde bezeuge / und
bißweilen aus einer fliegenden Andacht wünsche / daß man nicht so viel sündigen
möchte. Wann dieses nun die Sache ausmachte / so wäre es freylich leicht genug
Busse zu thun. Allein die H. Schrifft redet gantz anderst von der Busse /
dieselbe verlangt / ein zerknirschtes und zerschlagen Hertz / einen geängsteten
Geist. Psalm. LI, 19. Wer also die Last des Zorns GOttes noch nicht recht
gefühlet / und die daraus entstehende Höllen-Angst in seiner Seelen empfunden /
daß er mit David von den Bächen Belials noch nicht erschrecket worden / und aus
der Tieffen vor Angst zu GOtt ruffen müssen, der weiß noch nicht was Busse thun
heisse. Gleiche Bewandtniß hat es auch mit dem Glauben / der bestehet nicht bloß
darin / wie sich viele einbilden / daß man die Glaubens Articul / wie sie in der
Evangelischen Kirche erkläret werden / wisse / sie äusserlich annehme und vor
wahr halte / sie mit dem Munde bekenne / auch bißweilen wol eine Freude darüber
empfinde / daß man allein durch den Glauben an Christum die Vergebung der Sünden
/ Gerechtigkeit und ewige
|| [46]
Seeligkeit
erlangen solle. Sondern der wahre Glaube ist ein göttliches Licht und Krafft /
wodurch der Verstand erleuchtet / und das Hertz gereiniget wird. Der rechte
Glaube ist durch die Liebe thätig / und macht den Menschen fruchtbahr zu allen
guten Wercken. Der wahre Glaube überwindet die Welt / in dem Er dem Menschen
Kräffte giebt / daß er Augen-Lust / Fleisches-Lust und Hoffärtiges Leben ablegen
und verleugnen kan. Wo sich dieses nicht findet wo man nur den Schein eines
gottseeligen Wesens hat / die Krafft aber verleugnet / da ist kein lebendiger
Glaube. Christi Worte sind nach Johannis Ausspruch / Cap. VI, 63. Geist und
Leben / und also muß dadurch auch das Hertz / Geist und Leben bey dem Menschen
geändert werden. O wann dieses die sicheru Heuchler und Maul-Christen bedencken
möchten! daß sie doch einmahl auff ein rechtschaffenes Wesen gedächten. Die
Busse ist nicht eine Zerreissung der Kleider / sondern der Hertzen. Joel. II,
13. Sie muß nicht / wie des Ahabs Busse / bey dem äusserlichen verbleiben /
sondern das gantze Hertz und Gemüth durchdringen; sie muß die Tieffe des Höllen
stürzenden Verderbens einsehen / und davor erschrecken. Sie muß die Pfeile des
Allmächtigen empfinden. Sie muß die Seele so dürre machen / daß Sie mit solchem
Verlangen nach der Hülffe und Erquickung zu GOtt schreiet / wie ein erhitzter
Hirsch nach frischen Wasser schreiet Psalm. XLII, 2. Sie muß ver
|| [47]
knüpfet seyn mit einem
rechten Abscheu vor allen Sünden / und einen vesten Vorsatz bey sich haben
nimmermehr eine Sünde mit wissen und willen zu begehen. Der Glaube / wie der
Glaubens-Held Luttherus / und sein getreuer Nachfolger der seelige Hr. D. Spener
/ wie auch andere rechtschaffene GOttes-Männer bezeugen / ist keine fleischliche
/ sichere Gedancke / sondern eine göttliche Uberzeugung / nicht ein todtes /
sondern lebendiges Wesen / er ist ein Licht / das alle Finster niß vertreibet /
ja der Glaube bringet JEsum selbst ins Hertz. Wo der Glaube ist / da ist JEsus
Hand / welche denen Armen und Dürfftigen wohl thut / JEsu Mund / damit man vor
sich / seinem Nächsten / und auch vor die Feinde bittet. Wo der Glaube ist / da
gläntzet das Bild Christi in Demuth / Gedult / Sanfftmuth / Keuschheit /
Gelassenheit und andern herlichen Tugenden hervor. Zwar kan mans in dem Wercke
der Heiligung in dieser Unvollkommenheit nicht zur höchsten Vollkommenheit
bringen indessen ist doch der Glaube embsig bemühet / daß er derselben immer
näher kommen möge. Der irrdische Sinn wird immer mehr und mehr abgeleget / und
das Hertz wird immer himmlischer gesinnet. Die Welt wird wie Koth und Unflath
unter die Füsse getreten / bey allem Gebrauch der Welt muß kein Mißbrauch mit
unterlauffen / sondern der Christlichen Freyheit bedienet man sich also / daß
dem Fleische nicht Raum gegeben werde. Einen solchen Begriff müssen wir uns vom
Glauben machen / dann
|| [48]
alle Propheten
des alten / und die Evangelisten und Apostel des neuen Testaments / ja JEsus
selbst der Anfänger und Vollender des Glaubens / haben nicht anderst vom Buß und
Glauben gelehret / als wir itzt gehöret haben. Und solcher Glaube macht uns in
Armuth reich / in Creutz und Trübsal geduldig / und im Tode getrost / daß man
die Bitterkeit desselben nicht schmecke. Ach was wäre nun wol mehr zu wünschen
als dieses? daß sich auch die beschriebene Busse und Glaube möchte bey allen in
der That finden / die sich derselben mit dem Munde rühmen. Aber leyder! leyder!
beyde Stück sind was seltnes und rares bey unserm heutigen Christenthum / und
werde ich nicht irren / wann ich sage / daß wir in den Zeiten leben / von
welchen Christus sagt Luc. XVIII, 8. Wann des Menschen Sohn kommen wird / meinst
du / das Er werde Glauben finden auff Erden? Wo findet man wahre rechtschaffene
Busse? lebendige Erkäntniß der Sünden / und ernstliche Reue über dieselben? Man
macht sich fast aus der Sünden nichts mehr / die eiteln und sündlichen Dinge /
sind durch die Gewohnheit privilegiret worden / daß sie als unschuldige Dinge
müssen angesehen werden. Von den lasterhafftesten Gewohnheiten wil man nicht
abstehen / kaum nimt man sich noch die Mühe etwas in den äusserlichen Christen
Pflichten zu leisten. Fast ein jeder bildet sich ein / weil man kein Räuber /
Ungerechter und Ehebrecher sey / weil man solche Un
|| [49]
thaten nicht begangen / die
von der Obrigkeit mit Galgen / Schwerd und Rad bestraffet werden / so sey sein
Christenthum schon passable / sein Glaube werde schon alles gut machen: weil man
ohndem nicht zur Vollkommenheit gelangen könne / so müste man nicht alles so
genau nehmen / man würde ja keine fröliche Stunde in der Welt haben / wenn man
viel an das jüngste Gericht und den Tod gedencken wolte. Diese und dergleichen
sichere Gedancken finden sich bey viel tausenden unter denen Christen / wie man
aus ihren Leben / sattsahm schliessen kan. Aber wie weit / weit sind die noch
von JEsu und der Wahrheit entfernet / sie halten nicht JEsu Wort / sondern
folgen den Gedüncken ihres eigenen verkehreten Hertzens. Und wie viele giebt es
nicht derer / die das Wort JEsu fast gar von sich stossen? und dem Worte des
Satans / wodurch sie zur Sünde gereitzet werden / folgen / und dasselbe so veste
halten / als wann ihnen alles daran gelegen. Und dieses thun alle diejenigen /
welche auch nicht mahl die Bürgerliche Erbarkeit mehr inacht nehmen / sondern
als ruchlose Welt-Kinder sich in offenbahren Wercken der Finsterniß weltzen, wie
die Sau im Koht. Solche freche Ubelthäter sagen zwar nicht mit dem Munde / aber
dennoch mit ihren Wercken / dem liebsten Heyland gleichsahm ins Gesicht: Weiche
von uns / wir wollen von deinem Wege nicht wissen / und nach den Worten / die du
uns sagen lässest / wollen wir nicht thun. Aber wie erschrecklich wird ihr Ende
/ und wie bitter ihr Tod seyn? Dann weil sie hier in der Welt lebendig
|| [50]
tod seyn / oder deutlicher zu reden
/ im geistlichen Tode liegen / so ist der natürliche Tod ihnen die Thür zum
ewigem Tode und der höllischen Verdamniß. In welchem Tode sie zwar nicht sterben
/ sondern leben / aber O jämmerliches Leben! O erbärmlicher Zustand! diesem
Leben ist der Tod selbst vorzuziehen. Sie werden auch den Tod suchen / aber
nicht finden / sie werden begehren zusterben / aber der Tod wird von ihnen
fliehen. Apoc. IX, 6. Diese werden also den Tod recht sehen und schmecken / sie
werden dessen Bitterkeit ewig empfinden. O JEsu! der du bist das Leben / erwecke
doch alle in Sünden erstorbene / und mache sie lebendig zu einem heiligen und
neuen Leben! Lasset uns den vorhin beschriebenen unseeligen Zustand wol erwegen
/ damit wir dadurch mögen angetrieben werden mit Ernst dahin zu sehen / daß wir
JEsu Wort beständig und auffrichtig halten / rechtschaffene Busse thun / an
unsern Heyland Christum JEsum vest gläuben / den Glauben nicht nur äusserlich
bekennen / sondern auch in der That erweisen / und sein Licht in unserm gantzen
Leben von uns leuchten lassen. Lasset uns dahin sehen / daß wir alles / was das
Halten der Worte JEsu verhindern kan / was der Busse / dem Glauben und der
wahren Gottseeligkeit entgegen läufft / mit Sorgfalt vermeiden / hingegen in der
Vereinigung mit ihm immer mehr und mehr bevestiget werden / so werden wir auch
im Tode getrost seyn können. Lebt
|| [51]
JEsus in uns / und wir in ihm / so kan kein Tod über uns herschen / sondern
mitten im Sterben fangen wir erst recht an in JEsu zu leben. Scheinet der Tod
von Natur noch so bitter / und greßlich / ey das muß uns nicht irren: JEsus sagt
wir sollen den Tod nicht sehen / wir sollen ihn nicht schmecken; und deßwegen
hat JEsus den Tod selbst wollen schmecken / und dessen Bitterkeit empfinden /
damit wir von der Empfindung seiner Bitterkeit solten frey bleiben. Er hat also
den Tod überwunden / und allen denen / die an ihn gläuben / von dessen
Bitterkeit nichts / als die blosse Benennung übrig gelassen. Es ist wahr / die
äusserlichen Umstände scheinen bey dem Tode betrübt und kläglich zu seyn / es
ist kläglich zu sehen / und betrübt zu hören: aber der Glaube überwindet das
alles / dem kömmt es gantz anderst vor; der ergreifft Christum das Leben / und
durch dis Leben wird der Tod überwunden / und die Bitterkeit desselben
versüsset. Wenn alle Sinne anfangen schwach zu werden / wann alle Glieder
anfangen zu erstarren, daß man den kläglichen Untergang des äusserlichen
Menschen vor Augen siehet / so wird der innere desto mehr gestärcket. Kan der
Mund nicht mehr beten / so gehen unaussprechlichen Seuffzer des Hertzens desto
häuffiger und kräfftiger zu GOtt / da seuffzet die an den Gräntzen der Ewigkeit
stehende Seele: Ach wenn werd ich dahin kommen / daß ich GOttes Angesicht
schaue? und unter solchen Seuffzern holet Sie JEsus an den Ort / wo kein Tod /
kein Leid / sondern das rechte Leben und volle Genüge zu finden.
|| [52]
Und dieses alles ist nun auch an unserm Wohlseeligen Herrn Abt erfüllet worden.
Der hat die erkläreten Text-Worte / über welche Er seine letzte Predigt in
Braunschweig gehalten / und daraus JEsum den Helffer zur Unsterblichkeit
vorgestellet / nicht nur gründlich verstanden / sondern auch in der That
ausgeübet / und daher auch ihre Krafft zu rechter Zeit empfunden. Es ist der
Wohlseelige Mann / in seinem gantzen Leben / nicht nur ein guter Theoreticus in
seiner Theologia gewesen / der sich eine herliche Wissenschafft und Erkäntniß
aus der H. Schrifft / vermittelst andächtigen Gebeths und unermüdeten Fleißes
zuwege gebracht; sondern Er ist zugleich auch ein rechter Theologus Practicus
gewesen / daß Er alles / was Er aus GOttes Wort gelernet / auch in der That
ausgeübt. Was Er andern gelehret / hat Er selbst in seinem Leben erwiesen / daß
also seine Zuhörer nicht nur nach seinen Worten / sondern auch nach seinen
Wercken sich haben richten können. Da Er nun alles was zur Theologie gehöret /
nicht nur gewust / sondern auch zur praxi gebracht / so hat Er insonderheit die
Kunst zu sterben wohl verstanden / und selbige bey seinem Abschiede aus der Welt
so wohl practisiret / daß Er den Tod nicht gesehen / und dessen Bitterkeit nicht
geschmecket. In allen / was Er that und vornahm / war Er darauf bedacht / daß Er
seines JEsu Wort wolte halten / und daher konte Er niemahls was vornehmen / so
Ihn aus
|| [52]
der seeligen Gemeinschafft
seines Heylandes setzen können. Er meidete alles dasjenige mit gorsser Sorgfalt
/ was die Vereinigung zwischen Ihm und seinem Heylande aufheben und trennen
konte. Den Vorsatz JEsu Wort zu halten / hat Er vielmahls erneuret / wie Er dann
am Sontage Judica / und also wenig Tage vor seinem Ende / nicht nur die gedachte
Predigt über unsere Text-Worte gehalten / sondern sich auch des H. Abend- und
Liebes-Mahls bedienet / und also sich auf eine doppelte und kräfftige Art zur
Haltung der Worte Christi verbunden / welches Ihm denn wohl zu statten kommen.
Dann da Er nacher Blanckenburg beruffen wurde / theils sein hohes Amt / als
Beichtvater an unserer gnädigsten Herrschafft Durchl. Durchl. zu verrichten /
theils der Abnahme der Rechnung des Ihm anvertraueten Closters Michaelsteins
beyzuwohnen / und noch auf der Reise vermerckte / daß seine lebens-Reise bald
würde zu Ende seyn / und sein Tod herbey nahete / so war Er unerschrocken davor.
Er dachte nicht mehr daran / daß Er nach Blanckenburg kommen / um eine Rechnung
abzunehmen / sondern war nur dahin bedacht / daß seine Rechnung bey GOtt recht
abgeleget / und sein Schuld-Register mit dem Blute Christi möchte durchstrichen
/ und also im Him̅el justificiret werden. Und so bald Er dieses
mit gläubigen und bußfertigen Hertzen zu Wercke gerichtet / wurde Er stille und
gelassen / und erwartete mit getrostem Muth die Ankunfft des Todes. Je näher
derselbekam / je getroster wurde seine Seele / Erempfand einen Vorschmack
|| [53]
der grossen Freude / und Herrligkeit / die seiner im
Himmel wartete / biß endlich die theure Seele den schwachen Leib verließ / und
mit Freuden zu GOtt kehrete / woher sie kommen war. In äusserlichen und was den
Leib anbetraff / war nur diß sein Verlangen / daß sein entseelter Leib in dieser
Kirche / welche Er nebst der Schloß-Kirche zu Blanckenburg selbst eingeweyhet /
seine Ruhestatt haben möchte. Und so können wir ja wohl mit Grunde der Wahrheit
von dem Wohlseeligen Herrn Abt sagen / daß Er als ein Glaubens-Held gestorben /
der die Bitterkeit des Todes nicht empfunden. Er ist auch im Tode getrost
gewesen. Was denen Welt-Kindern das allerschreckligste / das war Ihm was
erfreuliches / was jenen bitter und grausam / das war Ihm süß und angenehm / und
dieses kam daher:
Weil Er gehalten hat das theure Wort der Gnaden / So hat des Todes Grimm Ihm gar nicht können schaden: Er hielt im Glauben stets zum Sterben sichbereit Drum hat Er nicht geschmeckt des Todes Bitterkeit. Gib / JEsu / daß auch wir dein theures Wort vest halten / Damit wann unser Leib im Tode soll erkalten / Wir mit getrosten Muth den letzten Kampff angehn / Und ja in Ewigkeit den Tod nicht mögen sehn.
|| [55]
PERSONALIA.
Eswar der Wohlseelige Herr Abt Ao. 1668. den 24ten Novembr. zu Braunschweig an
diese Welt gebohren / Sein Vater ist gewesen Herr Hans Finen / angesehener
Kauffmann und Raths-Herr daselbst. Die Mutter / Frau Elisabeth Finen / so nach
GOttes Willen annoch im Leben, und durch den tödlichen Abtritt ihres Herrn Sohns
in ihrem hohen Alter gar schmertzlich betrübt worden. Diese seine liebe Eltern
liessen / um seiner Seelen zu rathen / sich bald nach seiner leiblichen Geburt
angelegen seyn / daß Er durch das Bad der Wiedergeburth seinem Heylande Christo
JEsu zugeführet würde.
In folgenden Jahren ist Er von seinen lieben Eltern fleißig zur Kirch und Schulen
gehalten / und hat Er sich in dem Gymnasio Martiniano zu Braunschweig / so wohl
der übrigen Praeceptorum, als auch vornehmlich in prima Classe der zwey Rectorum
Möringii und Gelhudii, wie auch der ConRectorum, Crügeri und Gözii Information
mit erwünschtem Success bedienet: Und ob zwar sein seel. Herr Vater etliche mahl
entschlossen gewesen / Ihn eher aus der Schule zu nehmen / und Ihn eine
bürgerliche Lebens-Art wählen zu lassen / so hat Er dennoch der Praeceptorum
Zureden die ein gutes ingenium und memoriam
|| [56]
bey Ihm verspührt / so viel bey Ihm gelten lassen / daß er endlich
zufrieden gewesen / daß sein Sohn sich den Studiis gewidmet. Nachdem Er also auf
beregten Gymnasio einen guten Grund zu den Academischen Studiis gelegt / ist Er
Ao. 1688. nach Jena gezogen / woselbst Er seine Studia mit möglichsten Fleiß
getrieben. In Philosophicis und zwar in Logicis & Metaphysicis hörete Er den
Professorem Paul. Hebenstreit: in Physicis Posnerum und Langium, so nachher
Doctor Theologiae zu Alttorff worden: in Ethicis Müllerum, damahls philosophiae
Adjunctum: in Philologicis, und zwar in formando stylo latino, Schubartum: in
Hebraicis, Kochium, nachher Prediger in Regenspurg: in Syriacis &
Chaldaicis, Danzium nebst Kochio: in Theologicis, Beyerum, unter welchen Er auch
publice opponirt, ingleichen Bechmannum, Veltheimium: in Homileticis, Gözium.
Privatim excercirte Er sich in predigen / disputiren unter Nithschio, damahls
Theologiae Candidato, itzigem General Superintendenten zu Gotha.
Anno 1690. verließ Er wiederum Jena / und hielt sich ein Jahr bey seinen lieben
Eltern auf / Ao. 1691. sorgete der liebe GOtt vor Ihm / daß Er den Grund legte /
worauf Er nachgehends seine zeitliche Wohlfarth gebauet / da Er / auf
Recommendation guter Freunde / von Ihro Hochwohlgebl. Excell. dem verstorbenen
Herrn Geheimden Nath und Freyherrn von Marenholtz, zum Hofmeister
|| [57]
seines eintzigen Herrn Sohns / des itzt noch lebenden
Herrn Barons, und Königl. Groß-Britannischen Lammer-Herrn / Georg Wilhelm von
Marenholtz, bestellet wurde. Die Güte und Liebe / so der Wohlseelige Herr Abt /
sowohl Zeitwährend dieser Station, als auch hernach von seines Untergebenen
beyderseits vornehmen Eltern genossen / wuste Er nicht genug zu rühmen / und hat
dieselbe biß an sein Grab im danckbahren Andencken erhalten.
Wie 3. Jahr darauf zu Ende gangen / hat Er seinen Untergebenen nach Helmstedt
geführet / bey welcher Gelegenheit Er die Studia / so viel seine Station leiden
wollen / ferner proseqviret / und bey dem Seel. Hrn. Abt Schmidt einen cursum
Theologicum absolviret / den seel. Hrn. Doct. Schradern über die Physicam / Hrn.
Prof. Hardten so wohl über den Jesaiam, als privatissime über Genesin gehöret.
Nachdem hieselbst glücklich verlauffenen Triennio hat Er nebst seinem
Untergebenen 1697. Helmstedt verlassen / und sich nebst demselben einige /
wiewohl nicht lange Zeit / theils zu Zelle theils zu Schwülper aufgehalten. Denn
wie in eben bemeldten Jahre der Seel. M. Rehtmeyer, Archidiaconus in der St.
Stephans-Kirche in Helmstedt verstorben / und man den guten Wandel /
vernünfftige Conduite, und soliden Studia des Wohlseeligen Herrn Abts Zeit
seines Auffenthalts daselbst wahrgenommen / wurde Er von dasigem Senatu zu einer
Gast-Predigt auf den 1.
|| [58]
Trinit.
eingeladen / dieselbe geschahe mit gar guten Erfolg / und wurde Er den folgenden
Tag darauf durch einstimmige Wahl des Stadt-Rahts zum Diacono erwählet. Diesem
seinem Amte hat Er ins Siebende Jahr mit aller Treu und Sorgfalt in vielen
Seegen vorgestanden. Denn Anno 1704. wie der bisherige Stiffts-Prediger zu St.
Blasii in Braunschweig / Hr. Schulenburg eine Vocation zur Ober-Hoff-Prediger
Stelle in Qvedlinburg erhalten / wurde bey solcher Vacanz von einigen Membris
des Capituli Blasiani in Braunschweig / ohn sein Suchen und Anhalten / auf Ihn
reflectiret / und nach eingezogener Nachricht / wie Er nicht ungeneigt wäre /
wofern man Ihn beruffen würde / solchen Beruff zu folgen / wurde Ihm die
schrifftliche Vocation zu gesand. Solche auszuschlagen / fand Er um so viel
bedencklicher / je deutlicher Er GOttes Führung hier unter erkandte. Nichtlange
darauf hielt Er in besagter Stiffts-Kirchen den 3ten Febr. als am Sontage Esto
Mihi des 1704ten Jahrs seine Antrits-Predigt. Mit was vor Wachsahmkeit und Treu
der Wohlseelige Herr Abt dieses sein Amt verwaltet / ist mit mehren hieselbst
anzuführen unnöhtig / indem es Land und Stadt kündig / und können seine
Eingepfarrte Ihm hievon das beste Zeugniß geben. Unter andern gar besonderu
Qvalitäten und Eigenschafften die Ihm der Höchste im reichem Maasse mit
getheilet / fand sich auch eine annehmliche Theologische Klugheit / womit Er
sich nit nur den Estim und Liebe seiner
|| [59]
Beicht-Kinder
und Zuhörer zugezogen / sondern auch derer Durchlauchtigsten Herrschafften Hohe
Gnade erworben / wie denn des Herrn Hertzog Anthon Ulrichs Durchl.
höchstseeligsten Andenckens dem Wohlseeligen Herrn Abt mit so sonderbahren
Gnaden zugethan gewesen / daß Sie Ihn fast täglich um und bey sich zu haben
verlangten / daher Er auch / als Selbe Anno 1706. um das Achener Bad
zugebrauchen / in hoher Person eine Reise dahin zuthun resolvireten / Ihro
Durchl. auf dieser Reise begleiten muste. Und wie Ihro Durchl. bey Ihm eine
sonderbahre dexteritè und Penetration gemercket / so haben Sie sich seines Rahts
vornehmlich in Ecclesiasticis gar öffters bedienet / wegen seiner
ohngeheuchelten pietë und exemplarischen Lebens aber nach dem Absterben des
seeligen Abt Spechts Ihn zu DERO Beichtvater erwehlet / auch unterschiedene hohe
Dignitäten zubekleiden / würdig gehalten / indem SJE dem Wohlseeligen Mann Anno.
1706. die Superintendentur der Inspection Campen / anvertrauten / Ihn in eben
demselbigen Jahre zu Ihren Hoff-Prediger gemacht / Ao. 1708. mit einer Stelle im
Fürstl. Consistorio als Consistorial-Raht beehret / und Ao. 1709. die Abtey des
Closters Michaelsteins conferiret / selben auch biß an
|| [60]
Dero seel. Ende in beständigen Gnaden zugethan geblieben.
Diese hohe Gnade haben Ihro Durchl. Herr Hertzog August Milhelm lassen
haereditair seyn / und dem Wohlseeligen Herrn Abt nicht nur jederzeit einen
freyen Zutritt verstattet / und öffters zu sich ruffen lassen / sondern auch
noch Anno 1725. zu Dero Hoff-Prediger in der neuen Schloß-Kirche erwählet.
So haben auch Herrn Hertzogs Ludewig Rudolph Durchl. und Dero Durchl. Frau
Gemahlin eine sonderbahre Gnade und Hochachtung gegen dem Wohlseeligen Herrn Abt
in seinen Leben durch unzählige Gnaden-Bezeugungen blicken lassen / und bis an
sein seeliges Ende Ihn zu Dero Beichtvater behalten / nach seinen Tode aber der
gantzen Welt gewiesen / wie sehr Ihnen dessen Verlust zu Hertzen ginge.
Mit gleichen Gnaden sind auch die gesamten Braunschw. Beversche Durchl.
Herschafften dem Wohlseeligen Manne zugethan gewesen / und haben dessen
frühzeitigen Tod höchst schmertzlich betrauret. Was sonst von dem Wohlseeligen
Herrn Abt vor eine gantz
|| [61]
ausnehmende
Geschicklichkeit in oratoria Ecclesiastica beygewohnet / imgleichen was vor ein
pondus und acumen in seinen Worten verborgen gelegen / davon können seine
Schrifften und Predigten / so durch den Druck gemein gemacht / den Beweißthum
ablegen / und sind unter den Letztern: Sechs Fürstl. Leichen Predigten / Eine
Fürstl. Trauungs Predigt / Eine Huldigungs- und Zwey Einweihungs-Predigten
zufinden.
Seinen Ehe und Hauß-Stand / wie auch seeligen Abschied von dieser Welt anlangend
/ hat Er sich Anno 1699. mit der Wohl-Edlen und Tugend-belobten Jungfer Annen
Eleonoren Hallen / Damahliger Cammer-Jungfer bey der Hochwohlgeb. Baronesse von
Marenholz in ein Christliches Ehe-Verbündniß eingelassen. In solcher
höchstvergnügten und friedsamen Ehe hat SJE GOtt mit Fünff Kindern gesegnet /
als 3. Söhnen und 2. Töchtern / von welchen die Söhne in zarter Jugend
verstorben / die Töchter aber nebst Ihrer Frau Mutter / als itzo Höchstbetrübten
Frau Wittwen / durch GOttes Gnaden noch am Leben / und den Todt ihres im Leben
hertzlich lieb-gewesenen Herrn Vaters itzo mit heissen Zähren beklagen.
Endlich wie der Tod / welcher weder Tugend noch Jugend / weder Geschlecht noch
Stand schonet / so hat er auch den Wohlseeligen Herrn Abt
|| [62]
hingerissen / und zwar in einem
solchen Alter / da man sich eines längern Lebens noch wohl wäre vermuthen
gewesen. Es hat sich derselbe zwar an denen mehresten Jahren seines Lebens einer
von GOtt verliehenen guten Leibes-Constitution und mehrentheils beständiger
Gesundheit zu erfreuen gehabt / aber endlich auch die denen Menschen anhangende
Schwachheit in seiner Maasse empfinden müssen / in dem er in denen letzteren
Jahren gar grosse Beschwerung und hefftigen Schmertzen von Nieren-Stein dann und
wann verspühret / und von denen davon veruhesachten höchst schmertzhafften
Coliqven und andern Zufällen so angegriffen worden / daß Er sich zu mehren
mahlen seines bevorstehenden Lebens Endes befahret. Allein durch göttliche Güte
und dazu gebrauchte heylsame Mittel sind doch jederzeit solche schmertzhaffte
und Marter-volle Zufälle gelindert / und durch vielfältigen Abgang grössere und
kleinere Steine gehoben worden. Da es hat dem grossen GOtt gefallen / den
Wohlseeligen Mann gantzer drey Jahr lang für seinen Ende von solchen
beschwerlichen Zufällen / ausser einigen wenigen Schmertzen / so Er dann und
wann bey Bewegung unter den Fahren auf seinen Reisen empfunden / frey zu
erhalten / worüber Er dann auch zum öfftern ein mit Furcht für ein desto
hefftiger Recidiv vermengtes Vergnügen bezeuget / welches denn auch leyder zu
der hinterlassenen Seinigen grösten Betrübniß mehr als zu viel eingetroffen.
Denn einige Wochen für Seinem seeligen
|| [63]
Abschiede aus dieser Welt muste es sich fügen / daß der Wohlseelige Mann
einen ohnversehenden schweren Fall that / der zwar seinem Leibe keinen
auserlichen Schaden zufügete / aber ohne zweiffel durch den davon gehabten
Schrecken / den ruhenden Stein sowohl als das Geblüt möchte in Bewegung gebracht
haben. Indem gar balde darauf der Wohlseelige Herr Abt merckte / daß Er nicht
mehr so gut / als sonsten / die Speisen vertragen kunte / und täglich nach
genommenen Essen eine Ubelkeit / und Art von Coliqven, nebst einen
ungewöhnlichen Durst und Truckniß im Halse verspührete. Bey diesen Umständen
fande nun der Wohlseelige Mann gar leichte / daß es nöhtig seyn würde gegen
solche Beschwerung dienliche Mittel zugebrauchen / allein wegen unterhanden
habenden Information, und nahe bevorstehenden Fest-Arbeit / fassete Er die
Resolution, selbige erst nach GOttes Willen zurück zulegen / um hernach mit
mehrer Müsse seiner Gesundheit warten zu können / und gebrauchte zu solchem Ende
nur für der Hand einige Ihm sonst gewöhnliche Mittel. Inzwischen kam die Zeit
herbey / daß Er zu einer Hoch-Fürstl. Andacht eine Reise nach hiesiger
Hoch-Fürstl. Residentz thun solte. Die Er dann auch ohngeachtet Er des Tages
zuvor schon etwas von Stein-Schmertzen verspüret / in der festen Hoffnung / daß
Ihm der grosse GOtt / zu seiner bevorstehenden Arbeit
|| [64]
nach seinem gnädigen Willen /
Gesundheit und Krafft verleihen würde / Montags am 7ten April früh Morgens
antrat. Kaum aber hatte Derselbe eine Viertel-Meile zurück geleget / so wurde
durch das Rütteln in Fahren / der ohne dem zur Bewegung disponirte Stein /
vollends rege und verursachete von Zeit zu Zeit so hefftige Schmertzen / daß der
Wohlseelige Herr Abt mehr als einmahl in Begriff war / umzukehren / und sich
wiederum nach Braunschweig fahren zu lassen. Weil aber solche Schmertzen dann
und wann inne hielten / so fassete Er endlich den Entschluß biß nach Hessen
seine Reise fort zusetzen / und daselbst nach Befinden eine Resolution entweder
zu weiterer Reise / oder Rückkehr zu fassen. Als nun daselbsten nach genommenen
Thee ein kleiner Stein abgieng / und Er darauf etwas Linderung verspührete /
fassete der Wohlseelige Mann vollends Hoffnung zu baldiger Befreyung / und da Er
ohnedem ein grosses Verlangen hatte / dem Hoch-Fürstlichen gnädigsten Befehl mit
seiner Uberkunfft unterthänigste Folge zu leisten / setzete Er mit freudigen
Muthe seine Reise fort. Allein auf den übrigen Wege vermehreten sich seine
Schmertzen so sehr / daß Er auch nicht einmahl / bey seiner Ankunfft zu
Blanckenburg / das Hoch-Fürstliche Schloß erreichen können / sondern sich in der
Stadt auf das Amt-Hauß müssen bringen lassen / woselbsten Er auch biß in den
3ten Tag
|| [65]
verblieben / da Er in einer
Sänffte auf das Hoch-Fürstliche Schloß gebracht worden.
Ob nun gleich so wohl währendes seines Auffenthalts in dem Amt-Hause / als auch
hernachmahls auf dem Schlosse beyde Hoch-Fürstliche Leib-Medici, der Herr Rath
Seller, und der Herr Licentiatus Blume sich angelegen seyn lassen / durch
allerhand dienliche und bewährte / innerliche und äußerliche Mittel den Abgang
des Steins zu befördern / dessen Gänge zu machen / und die Schmertzen nebst
denen übrigen Zufällen / zu lindern / ja auch zu praecavirung einer innerlichen
Inflammation so gleich eine Ader öffnen lassen; so haben doch dieses unermüdeten
Fleisses ohngeachtet die Schmertzen / Stiche und grosse Beängstigungen nicht
allein beständig fort gewähret / sondern es ist auch noch am dritten Tage nach
vorgängigen Frost / eine grosse Hitze / kurtzer Odem und Helligkeit dazu
geschlagen / und hat ein untriegliches Zeichen einer innerlichen Inflammation
der Nieren / der Gedärme und des Magens abgegeben / die denn gar bald aller
praecaution ungeachtet / in corruptionem sphacelosam gegangen / und dem
Wohlseeligen Herrn Abt am fünfften Tage seiner Kranckheit / als am zwölfften
Aprill Morgends um 8. Uhr / nachdem Derselbe vorher die Consolation genossen /
seine in seinem
|| [66]
Leben
werthgeschätzte Frau Liebste / und seinen Herrn Schwieger-Sohn noch einige
Stunden zu sprechen / unter andächtigem Gebeth des Herrn Prioris Breymann / ein
sanfft und seeliges Ende / bey vollem Verstande; im 58ten Jahre 5ten Monate /
18ten Tage seines Alters / verursachet.
|| [ID00075]
Lob-und Trauer-Rede Bey Dem Hochansehnlichen Leich-Begängniß Des Weyland
Hochwürdigen / in GOtt Andächtigen und Hochgelahrten Herrn / HERRN Eberhardts
Finen Hochfürstl. Braunschw. Lüneb. Hochverordneten und Hochverdieneten
Consistorial-Raths zu Wolffenbüttel / Hoff- und Stiffts-Predigers zu
Braunschweig / Abts zum Closter Michaelstein / wie auch Superintendenten der
Campischen Inspection. Als Selbiges Auff Gnädigste Verordnung Ihro Hoch-Fürstl.
Durchl. Unsers Gnädigsten Herrn Den 23ten Aprilis, war der dritte H. Oster-Tag
dieses 1726ten Jahrs / auff dem Closter Michaelstein angestellet wurde: gehalten
von J. B. Hoffmann / Sen. Conv. Michaelst.
Blanckenburg Durch H. C. Struven, Hochfürstl. privilegirt. Buchdr..
|| [ID00076]
|| [ID00077]
Hochgebohrner Herr Graff! Hochansehnlicher Herr Abgesandter! Hochgebohrne Frau Gräfin! Gnädige Frau!
Hochwohlgebohrne / Hoch-Edelgebohrne / Hoch- und Wohl-Ehrwürdige /
Hochgelahrte / und sonst nach Standes Gebühr allerseits Hochzuehrende
Anwesende!
WAnn ich anitzo auf gnädigsten Befehl an diese Stelle treten müssen / um dem
weyland Hochwürdigen / in Gott Andächtigen und Hochgelahrten Herrn / Herrn
Eberhard Finen / Hoch-Fürstl. Braunschw. Lüneb. Hochverordneten und
Hochverdieneten Consistorial-Rath zu Wolffenbüttel / Abt zum Closter
Michael
|| [4]
stein / Hoff-
und Stiffts-Predigern in Braunschweig / wie auch Superintendenti der Campischen
Inspection die letzte Lob- und Trauer-Rede zuhalten / so muß ich bekennen / daß
ich eine grosse Bewegung bey mir verspüre / die mich zum Reden furchtsam und
blöde / ja fast gar untüchtig macht. Dann sehe ich an die Hochansehnliche
Versammlung / so erkenne ich wohl / daß kein ander Redner vor solche Hohe
Zuhörer auffzutreten sich unterstehen solte / als der eine Sache klüglich und
wohl auszusinnen / nett und accurat auszuarbeiten / und dann endlich geschickt
zu appliciren wüste. Da ich mich aber meines geringen und blöden Verstandes und
meiner Unfähigkeit am besten bewust / so besorge ich nicht ohne Ursache / daß an
statt der Rede ein Stillschweigen bey mir erfolgen möchte. Erwege ich die
sonderbahren Qvalitäten und grossen Meriten des Wohlseeligen Herrn Abts / und
gedencke dabey / wie unberedt mein Mund / und wie unbeschnitten meine Lippen /
so möchte ich gerne einen andern an meine Stelle wünschen / der das würdige Lob
dieses Theuren Mannes besser / als ich / vorzustellen geschickt wäre. Doch weil
ich aus keiner kühnen Vermessenheit an diesen Ort getreten / auch keine Freyheit
gehabt / einen andern an
|| [5]
meine Stelle
zu erwehlen / sondern durch einen Gnädigsten Befehl zum Reden verbunden / so wil
ich zwar getrost reden / aber nicht wie und was ich billig solte / auch
bertzlich gerne wolte / sondern was und wie es mein Unvermögen wird
gestatten.
Indem ich aber meine Gedancken bemühet seyn lasse / wie ich etwas finden möchte /
welches eine geschickte Allegorie an die Hand gäbe / dadurch die grossen Gaben
und vielen Tugenden dieses Wohlseeligen Herrn Abts einiger massen könten
vorgestellet werden / so kömt mir in meinem Nachsinnen vor das Bild des
Hohen-Priesters altes Testaments / wie Er in seinen Hohenpriesterlichen Schmuck
und herrlichen Kleidern sein Amt in dem Tempel verrichtet. Mich deucht ein jedes
Stück solcher kostbaren Kleidung stellet uns eine besondere Tugend unsers
Wohlseeligen Herrn Abts vor (welchen wir wegen seiner hohen Ehren-Stellen / so
Er im Geistlichen Orden bekleidet / auch wohl einen Hohen-Priester nennen
können) Ob nun aber gleich der gantze Hohepriesterliche Habit aus 8. Kleidern
bestanden / (Exod. XXVIII.) so sind doch 4. von
denenselben sonderlich zu mercken / als welche dem Hohen-Priester eigen waren /
die Er nur alleine tragen durffte / und durch welche Er von denen übrigen
|| [6]
gemeinen Priestern / welche die andern Viere mit Ihm
gemein hatten / distinguiret wurde. Solche 4. kostbahre Kleider werden in der
teutschen Version des seeligen Herrn Lutheri mit folgenden Nahmen genennet. Der
Huht mit dem güldenen Stirnblat / der Leib-Rock / das Brust-Schildlein / der
Seidene Rock mit den güldenen Schellen / und Granat-Aepffeln. Gleichwie nun der
Hohe-Priester mit dieser Kleidung ein Vorbild gewesen auf unsern Theuresten
Heyland (Summum Pontificem cum suo ornatu typum fuisse
Christi probat Lundius in Jüdischen Heiligthümern Lib. 3. cap. 25. vide
Reizium in notis ad Goodwini Mosen & Aaron Lib 1. cap. 5. Herm. Witsium
in Miscellaneis Sacris Lib. 2. Dissert. 2. §. 51. seq. Joh. Bened.
Carpzovium in Typis Evangelicis Part. 2. p. 646.) also kan dessen Ehre
dadurch nicht verkleinert oder verletzet werden / sondern es gereichet vielmehr
zu deren Verherrlichung / wann daß eben die Tugenden und Eigenschafften / so
Christus selbst an sich gehabt / auch an dessen treuen Diener gefunden werden.
War nun der Huht / oder wann wir nach der Grund-Sprache reden wollen / der Bund
( proprie significat tiaram
einen Kopff-Bund, dergleichen noch heutiges Tages die Morgenländischen
Völcker tragen. Caeteri Saeerdotes etiam tiaram in capite gestabant, sed
illorum cidaris multum differebat à Summi Pontificis tara. Lundius in
Jüdischen Heiligthümern Lib. 3. cap. 7. Reizius in notis ad Goodw. Mos.
& Aar. Lib. 1. cap. 5. §. 10. not. 24. Leidekkerus de republ. Hebr. Lib.
10. cap. 2.) welchen der Hohe Priester auf sei
|| [7]
nem Haupte tragen muste / ein
Bild der tieffen Demuth und Niedrigkeit unsers Theuresten Heylandes / nach
welcher Er sich so sehr gedemüthiget / daß Er Knechts Gestalt an sich genommen /
(Vide Goodwini Mosen & Aaron cum notis Reizii
Lib. 1. cap. 5. § 6. not. 19.) so müssen wir bekennen / daß diese
Haupt-Tugend / von welcher alle übrige ihren rechten Glantz empfangen müssen /
bey unsern Wohlseeligen Herrn Abt in einen grossen Grad anzutreffen gewesen. Ich
wil davon itzo nicht sagen / wie tieff Er sich vor seinem GOtt gedemüthiget / da
Er bey allen grossen Gaben / so GOtt in Ihm gelegt hatte / dennoch sich selbst
so gering geschätzet / daß Er sich auch solcher Gaben unwürdig achtete. Ich wil
auch nicht davon reden / mit was tieffen Respect Er jederzeit seine
Durchlauchste Herrschafft veneriret; sondern ich wil nur mit einem Worte dieses
sagen / daß Er sich auch gegen die Niedrigsten erniedriget / und sich ihnen
gerne zum Knecht gemacht / wan̅ Er ihnen nach seinen Amte und
Vermögen dienen können. Wäre es müglich / daßman Ihn noch in seiner Grufft
fragete / was vor einen Zierath man um sein Geehrtestes Haupt mah
|| [8]
len solte / um dadurch sein Hohes Amt einiger
massen vorzustellen / so wüste ich gewiß / daß Er dergleichen kostbahren
Kopff-Bund / wie der Hohe-Priester Altes Testaments getragen / nicht verlangen
würde / vielmehr würde sein Begehren seyn / daß man sein Ehrwürdiges und
werthestes Haupt nur mit einen geringen Kopff-Bunde oder Haube / dergleichen vor
Zeiten die leibeigene Knechte zum Zeichen ihrer Niedrigkeit und Knechtschafft
beständig auf dem Haupte tragen müssen / (Servos olim
velato semper capite incedere debuisse, & velamen capitis signum
servitutis fuisse, ex historia antiqva satis notum est.) bedeckte /
und diese zwey Worte hinein setzte:
Servus fui: Man nennet mich mit recht Nur einen schlechten Knecht. Doch ich erblicke an dem Huhte oder Bunde des Hohen-Priesters auch das güldene Stirn-Blat / welches einige Gleichheit mit einer Crone gehabt / und daher auch offte die heilige Crone genennet wird. (Laminam auream formam seu figuram coronae habuisse, testatur Josephus Lib. 3. Antiq. cap. 8. Vide Exod. 29. v. 6.) Daß nun solche ein Bild des Königlichen Amts unsers Heylandes gewesen / ist bey denen Gottes-Gelehrten eine ausgemachte Sache. (Hanc coronam auream regium Christi munus praefigurasse affirmat Lundius in Jüdischen Heiligthümern Lib. 3. cap. 25.) Wie wird sich aber solches auf unsern
|| [9]
Wohlseeligen Herrn Abt schicken? Hat
dann der auch was Königliches an sich gehabt? Ach freylich. Ihm ist ja der
Königliche Character schon in der heiligen Tauffe beygelegt / da Er der Salbung
theilhafftig worden. (Apoc. 1, 6.) Er hat auch in
seinem Leben Königliche Großmuth / Königliche Tapfferkeit an sich blicken
lassen. Sein Gemüth hat Er niemahls auf niedrige / geringe / irrdische /
weltliche / eitle / undvergängliche Dinge gewendet / sondern die göttlichen
hohen Geheimnisse / die himmlischen / ewigen und unvergänglichen Dinge sind es
gewesen / in welchen Er seine Gemüthts-Ergetzung gesuchet / auf welche Er seine
Zeit gewendet. Und wie tapffer hat Er nicht gestritten wider die geistlichen
Feinde? Er hat nicht nur sich selbst wider die listigen und mächtigen Anfälle
des Teuffels / der Welt und seines eigenen Fleisches und Bluts tapffer
defendiret, sondern Er hat auch das Reich des Satans bestritten und so zu reden
offensive wider ihn agiret, und ihn in seinen Vestungen angegriffen / indem Er
manche Seele bekehret / und aus der Obrigkeit der Finsterniß errettet. Daher
könte man seinem Hochwürdigen Haupte auch noch diesen Zierath gönnen / daß man
um den schon vorhin gedachten Bund auch eine Crone mahlete / in welcher diese
Worte zu lesen:
|| [10]
Et Rex & Servus: Ein Knecht und doch ein König seyn Stimmt hier gar schöne überein. Wenden wir unsere Augen von dem Haupte des Hohen-Priesters auf dessen Brust / so erblicken wir den herrlichen Leib-Rock mit den kostbahren Brust-Schildlein / in welches die zwölff Edelgesteine / worin die Nahmen der zwölff Stämme der Kinder Israel eingegraben waren / sind eingefasset gewesen / und in welches zugleich das Urim und Thummim auf GOttes Befehl hinein gethan worden. Dieser Brust-Zierath führet uns auf die auffrichtige Redlichkeit / auf die ungeheuchelte Liebe / und den erleuchteten Verstand unsers Wohlseeligen Herrn Abts. Die auffrichtige Redlichkeit ist gleichsam der Leib-Rock / oder wenn man es noch deutlicher ausdrücken wil / der Brust-Harnisch gewesen ( proprie significat amiculum, pallium. Interpretes vero non eonsentiunt in explicatione hujus vocis. Josephus Lib. 3. Antiqvitat. Cap. 8. Lib. 6. de bell. Cap. 6. hoc amiculum describit ut thoracem wie einen Brust-Harnisch. Rab. Juda Leon. Lib. 2. de Templ. cap. 18. de hoc amiculo dicit, qvod pectus ac superiorem corporis partem usqve ad cingulum & umbilicum contexerit. vide Lyram ad Exod. 28. Buxtorf. in hist. Urim & Thummim. Cap. 1. Bonfrer. ad Exod. 28. Jun. ad Exod.) womit sein Hertz bedecket und verwah
|| [11]
ret worden / daß kein Wind
der Heucheley / der Verstellung oder Falschheit bey Ihm durchdringen können. Man
sagt sonst in gemeinen Sprichworte: Es sey nicht alles Gold / was da gläntze;
und so sind es auch nicht lauter Tugenden / die davor angesehen werden. Auch die
lasterhafftesten Menschen können offtmahls ihre Laster verbergen / und den
Schein der Tugend annehmen / eben wie ein geringes Metall mit Goldschaume kan
überstrichen werden / daß es Einfältige vor reines Gold ansehen. Allein eine
verstellete Tugend ist ein nur desto grösseres Laster. Was ist eine verstellete
Demuth anderst / als der allerschändlichste Hoffart? Solche Falschheit /
Verstellung und Heucheley ist weit / weit von unsern Wohlseeligen Herrn Abt
entfernet gewesen. Die Auffrichtigkeit hatte sein Hertz gar zu wohl verwahret /
daß sich nicht die allergeringste Verstellung bey Ihm einschleichen können.
Aufrichtig war sein Hertz gegen GOtt / redlich war sein Gemüth gegen alle
Menschen. Wie der Mund redete / so meynete es das Hertz / so daß er es wohl
hätte leyden mögen / wan jedweder in sein Hertz und Brust hätte hinein sehen /
und den Grund desselben ausforschen können. Wolten wir diese redliche
Auffrichtigkeit in einem Sinn-Bilde vorstellen / müsten wir eine offene Brust
mahlen / in welcher ein gantz güldenes Hertz zu sehen / mit der Beyschrifft:
|| [12]
Omnia pura & nuda: Alles rein und aufgedecket, Nichts durch Heucheley verstecket. So vest aber das Schildlein mit seinen zwölff Edelgesteinen / auf welchen die Nahmen der zwöff Stämme Israel eingegraben waren / an dem Leib-Rocke angehefftet gewesen / so genau war auch bey unsern Wohlseeligen Herrn Abt mit der Auffrichtigkeit verknüpffet eine ungeheuchelte und brünstige Liebe / in welche Er seine Ihm theuer anvertrauete Beicht-Kinder eingeschlossen hatte. Er hat dero Nahmen nicht auf (Exod. 28. 29.) sondern vielmehr in der Brust getragen / sie sind Ihm in sein edles und liebreiches Hertz gleichsam eingegraben gewesen / daß Er / so offt Er sein Priesterliches Gebeth verrichtet / ihr Gedächtniß vor GOtt gebracht / damit ihrer in Gnaden gedacht würde. Er hat ihrentwegen keine Mühe im Predigen und andern Amts-Verrichtungen gesparet / damit Er Sie zu GOTT und ihrem ewigen Heyl führen und bringen möchte. Dererjenigen / von welchen Er wuste / daß sie ihr Christenthum in der Wahrheit und Lauterkeit führeten / gedachte Er also vor GOtt / daß Er ihnen immer mehr Licht / Geist und Krafft von GOtt halff erbitten. Die Nahmen derer an
|| [13]
dern aber / von welchen Er erfahren muste / daß
Sie dem Worte der Wahrheit nicht wolten von Hertzen gehorsam werden / löschete
Er nicht alsofort aus in seinem Hertzen / sondern Er trug sie mit grosser Gedult
/ und arbeitete an ihrer Bekehrung. Er gedachte ihrer also vor GOtt / daß Er um
ihre Bekehrung hertzlich seuffzete und betete. Und hierin folgete Er dem Exempel
seines Heylandes, und erwiese seine Hirten-Treue. Endlich so erinnern wir uns
noch des Urim und Thummim. (Qvid fuerit Urim &
Thummim, in obscuro est. Qvod autem fuerit Symbolum Christi, qui est lux
vera, qvae illuminat omnem hominem venientem in mundum, asserit Reizius in
notis ad Goodw. Mos. & Aar. l c. item Lundius in Jüdischen Heiligthümern
Lib. 3. Cap. 25.) Was dieses eigentlich gewesen / ist hie nicht Zeit
zu untersuchen / drum mercken wir nur dieses / daß es eine Art der Offenbahrung
gewesen / wodurch GOtt auf die angebrachten Fragen seine Antwort gegeben.
Insonderheit wurde dem Hohen-Priester durch Urim und Thummim (Licht und Recht)
geantwortet / wann hochwichtige Fragen / die das Wohl des gantzen Landes
anbetraffen / vorgebracht wurden: (wie denn nicht einem jedweden vergönnet war /
sich durch das Urim und Thummim Raths zu erholen / sondern es muste nur der
König / oder andre Vorsteher des Landes seyn.) (Qvod
non cuivis, nec de qvavis re levi licuerit Deum per Urim & Thummim
consulere, ostendit Lundius in Jüdischen Heiligthümern Lib. 3. Cap.
6.)
|| [14]
Es führet uns aber dieses Licht und
Recht (Urim & Thummim) auf den erleuchteten Verstand unsers Wohlseeligen
Herrn Abts / da derselbe von Christo / dem wesentlichen und wahrhafftigen Lichte
/ vermittelst seines eiffrigen Gebeths und andächtigen Betrachtung des
göttlichen Worts / eine solche Erkäntniß / Weißheit und Erfahrung in geistlichen
und göttlichen Dingen erlanget / daß seine prudentia ecclesiastica &
theologica recht sonderlich gewesen / daß Er in allen schweren Sachen und Fragen
leicht Rath finden können. So offt Er ins Hoch-Fürstl. Consistorium kommen / da
schwere und wichtige Fragen / die das Wohl und Beste der Kirchen betroffen /
vorgebracht worden / so ist Ihm erst durch Licht und Recht geantwortet / und
alsdann hat Er richtige Antwort geben können. Der Geist GOttes / welcher in
seiner Seele gewohnet / hat Ihn in alle Wahrheit geleitet / daß Er die Sache
recht und wohl eingesehen / und jederzeit heilsamen Rath zu geben gewust /
wodurch der Kirchen Bestes kunte befordert werden. Wurden Ihm sonsten von
frommen und beängsteten Seelen einige Gewissens-Scrupel vorgetragen / so wurde
Ihm durch Licht und Recht geantwortet; wenn Er nemlich die Sache in der Furcht
des HErrn überlegte / Sie nach GOttes Wort prüfete / so sahe er bald was zu thun
recht
|| [15]
wäre / und konte also richtige
Antwort geben denen / die ihrem Gewissen wolten gerathen wissen. Durch dieses
Urim & Thummim konte Er Licht und Finsterniß / Wahrheit und Lügen
unterscheiden / ja gar die Geister prüfen / daß Er also nach der Biblischen
Redens-Art ein Licht in dem HErrrn hat können genennet werden. Endlich ist noch
übrig der Seidene Rock mit den güldenen Schellen und Granat-Aepffeln. (Haec tunica non fuit serica, ut versio Lutheri habet,
sed lintea, non flava, sed hyacinthina: Ein langer Himmel-blauer aus Leinen
gemachter Talar, der fast biß auf die Füsse reichte. Vide Reizium in notis
ad Goodw. Mos. & Aar. Lib. 1. Cap. 5. §. 5. n. 11. Lundium in Jüdischen
Heiligthümern Lib. 3. Cap. 5.) Derselbe führet uns auf den göttlichen
Eifer / mit welchen unser Wohlseeliger Herr Abt sein Lehr- und Predig-Amt
geführet. Dann es haben die güldenen Schellen mit ihrem Klange nichts anderst
bedeutet und vorgebildet / als den Schall des Evangelii / welcher in der gantzen
Welt hat sollen ausgebreitet werden. (Tintinnabula cum
Malogranatis repraesentant suavem sonum Evangelii, conjunctum cum fructibus
coloris & saporis jucundissimi. Haec sunt verba Herm. Witsii in Miscell.
Sac. Lib. 2. Diss. 2. §. 52. p. 487. Add. Reizius l. c.) Wie nun
dieser Rock fast den gantzen Leib des Hohen-Priesters bedecket / also hat dann
auch unser Wohlseeliger Herr Abt seine meiste Le
|| [16]
bens-Zeit in Ausbreitung des
heiligen Evangelii hingebracht. Er hat seinen Schall in Helmstedt und
Braunschweig genung hören lassen. In den Ohren derer Bußfertigen und betrübten
Sünder sind seine Evangelischen Predigten ein lieblicher und angenehmer Schall
gewesen / dadurch sie erfreuet und aufgerichtet worden. Die sichern und frechen
Sünder sind offtmahls durch den durchdringenden Schall seiner Buß-Predigten
aufgewecket / daß sie zur wahren Busse und Besserung des Lebens bewegt und
gebracht worden. Wo nun der Schall seines Mundes nicht hinreichen können / da
ist dennoch derselbe durch seine geistreiche Schrifften hingebracht / welche
auch noch nach seinem Tode die Warheit GOttes verkündigen / und den Schall des
Evangelii ausbreiten. Wie aber die Schellen mit denen Granat-Aepfeln vermenget
und vereiniget waren / daß immer ein Granat-Apfel und Schelle bey einander hing;
also finden wir auch / daß bey unsern Wohlseeligen Herrn Abt die Lehre mit der
Praxi vereiniget gewesen. Er gab keinen leeren Schall von sich / sondern was Er
lehrete / solches erwieß er auch in seinem Leben und Thun. Was Er andern
vorpredigte / übete Er selbsten aus / und bekräfftigte dadurch die Warheit und
Krafft seiner Lehre. Und wie die Granat-Aepffel voller Kör
|| [17]
ner seyn und einen angenehmen
Geruch von sich geben; Also ist die theure Seele unsers Wohlseeligen Herrn Abts
mit vielen Früchten der Gerechtigkeit erfüllet gewesen / die dann einen süssen
und lieblichen Geruch von sich gegeben / dadurch viele zu einer eifrigen
Nachfolge sind beweget worden. Und in diesem herrlichen Tugend-Schmuck hat
bißher unser Wohlseeliger Herr Abt als ein Hoher-Priester allhie in dem
Heiligthum / oder daß ich deutlicher rede / in der Kirchen GOttes gedienet. Aber
nunmehro ist es Ihm ergangen als dem Hohen-Priester Altes Testaments. Dann
derselbe muste jährlich am grossen Versöhnungs-Tage ins Allerheiligste gehen /
vorher aber seine kostbahre Kleidung ausziehen / und einen gantz weissen Habit
anlegen. (Lev. 16. 3. 4. Seldenus Lib. 2. de Success.
in Pontif. Cap. 7. Cunaeus de Rep. Hebr. Libr. 2. Cap. 1. Bonfrer ad Lev.
16. 14. Deylingius in Observationibus Sacris part. 2. obser. 13. §. 4. pag.
178.) Eben also hat Er auf den Winck des Herrn über Leben und Todt
dieses sein herrliches Tugend-Kleid / weil es vor Ihn noch zu unvollkommen
gewesen / gleichsahm ablegen / und hingegen das weisse Kleid der vollkommnesten
Unschuld anlegen / und damit ins Allerheiligste / das droben und nicht mit
Händen gemacht ist / kommen müssen. Nun gehet es uns wie dem Volcke zu
Jerusalem. Dann dasselbige wartete /
|| [18]
so offt der Hohe-Priester ins Allerheiligste gangen war / mit grossen Verlangen
auf dessen Zurückkunfft / und wenn er nur ein wenig verzog, besorgten sie sofort
er möchte gestorben seyn. (Lundius in Jüdischen
Heiligthümern Libr. 5. Cap. 19.) Ach! freylich ist unter Uns ein
grosses Verlangen nach der Zurückkunfft unsers in das Allerheiligste hinnein
gegangenen Hohen-Priesters / wann selbige nur müglich / und durch das allgemeine
Verlangen könnte befördert werden. Mit was gnädigsten Verlangen wünschet nicht
Unsere Durchlauchtigste Herrschafft: Ach hätten wir unsern lieben / frommen und
getreuen Beicht-Vater wieder! Was vor ein schmertzliches Verlangen mögen nicht
die hochbetrübte Nachgelassene nach seiner Zurückkunfft haben / daß Sie mit
Aengsten seufftzen: Ach hätte ich meinen liebsten Ehe-HErrn! Ach hätten wir
unsern wehrtesten Vater und getreuesten Freund wieder! Mit was vor Verlangen mag
nicht seine wehrteste Gemeinde zu Braunschweig an Ihn gedencken? Und wie viel
tausendmahl hat nicht schon Unser Collegium gewünschet / Ach hätten wir doch
unsern Theuresten Herrn Abt / welchen wir als Vater geliebt / einmahl wieder!
Doch warum wollen wir das wünschen oder verlangen / was Er selbst nicht begehret
/ auch nicht begehren oder wünschen kan. Er ist ja in das Allerheiligste
eingegangen / welche Benennung schon so viel anzei
|| [19]
get / daß derjenige / der
einmahl daselbst hingelanget / nimmermehr wieder zurück zu gehen verlange. Das
Allerheiligste im Tempel zu Jerusalem war zwar mit Golde / Edelgesteinen und
andern Kostbahrkeiten herrlich gezieret und ausgeschmücket. (Lundius in Jüdishen Heiligthümern Libr. 2. Cap. 6. n. 7.
8.) Allein was ist solche scheinende Herrlichkeit zu rechnen gegen der
wahren Herrlichkeit des Allerheiligsten / welches droben ist? GOtt selbst ist
Tempel / Licht und alles in dem neuen Jerusalem (Apoc.
21. 22. 23.) in dessen Allerheiligstes unser in GOtt ruhender Herr Abt
eingegangen. Wann der Hohe-Priester Altes Testaments ins Allerheiligste gieng /
so sahe er zwar wohl gemahlete oder geschnitzte Cherubinen. (Lundius l. c.) Allein das waren Bilder ohne Leben
/ Schatten ohne Wesen. Unser in GOtt ruhender Herr Abt befindet sich in dem
Allerheiligsten mitten unter der Menge der himmlischen Heerschaaren / die
Cherubim / Seraphim / und andre Himmels-Fürsten sind es / in deren Gesellschafft
Er das Heilig! Heilig! Heilig! vor den Throne GOttes anstimmet. Der
Hohe-Priester Altes Testaments durffte nicht lange in dem Allerheiligsten
verweilen / und wenn er gleich eine göttliche Antwort oder Offenbahrung empfing
/ so wurde ihm doch nur wenig von der Herrlichkeit des verborgenen GOttes
|| [20]
geoffenbahret. Unser Wohlseeliger
Herr Abt aber ist einmahl in das Allerheiligste eingegangen / damit Er beständig
darin verbleiben soll / und Er siehet GOtt nicht mehr durch einen Spiegel in
einem dunckeln Wort / sondern von Angesichte zu Angesichte. GOtt redet mit ihm /
wie ein Mann mit seinem Freunde. Dieses zwar wird noch geschehen müssen / daß Er
noch einmahl so zu reden aus dem Allerheiligsten heraus tritt / (wenn nemlich an
jenen grossen Gerichts-Tage die Seele mit seinem verklärten Leibe wieder
vereiniget werden soll) sobald aber solches geschehen / wird Er wieder zurück in
das Allerheiligste treten / und darin auf ewig als ein König und Priester vor
GOtt in der grössesten Herrlichkeit herrschen und triumphiren. Alsdann wird man
mit grössern Recht von ihm sagen können / was man von dem Hohen-Priester Simon
lieset (Syr. 50. 6.) daß er / wann er mit seinen
Hohen-Priesterlichen Kleidern aus dem Fürhange hervor gegangen / geleuchtet wie
der Morgenstern durch die Wolcken / wie der volle Mond. Freylich wird Er nach
GOttes Verheissung (Dan. 12. 3.) ewiglich
leuchten wie des Himmels Glantz / und wie die Sterne immer und ewiglich.
Unterdessen aber / da die Seele albereits in den Allerheiligsten vor GOttes
Throne / der Herrlichkeit / der verblichene Leichnam aber der sanfften Ruhe in
seiner Schlaff-Kammer geniesset / so muß
|| [21]
sein
Gedächtniß billig bey uns im Seegen bleiben. Und daß Seiner bey uns so leicht
nicht werde vergessen werden / erscheinet daraus / daß sein Gedächtniß mit einer
allgemeinen Landes-Trauer / eben wie bey den Juden der Tod des Hohen-Priesters
durchs gantze Land betrauret wurde / (Num. 20, 29.
Maimonides Mor. Nevoch. part. 3. Cap. 40.) beehret wird. Insonderheit
werden die Tugenden und Meriten dieses Theuren Mannes dadurch in ein ewiges
Andencken gesetzet / daß Ihm mit dem Hohen-Priester Jojada im Tode fast gleiche
Ehre wiederfähret. Dann wie dieser wegen seiner grossen Verdienste / womit Er
sich um das gantze Königreich verdient gemacht / nach dem Tode Königlich
begraben worden; (2. Paralip. 24, 16.) also
gereichet es unserm in GOtt ruhenden Herrn Abt auch zu grossen Ehren / daß Ihro
Durchl. unser Bnädigster Landes-Herr dieses Hochansehnliche Leich-Begängniß
anzustellen nicht nur gnädigst verordnet / sondern auch dasselbe mit einer
Hochansehnlichen Besandschafft beehret. Durch diese ungemeine Gnade sind die
schmertzlich betrübte Trau Wittwe / und andere höchstbetrübte nahe Anverwandten
in ihrem grossen Schmertz und Traurigkeit kräfftig getröstet und aufgerichtet.
Sie dancken unterthänigst vor diese und andere / dem Wohlseeligen Herrn Abt /
|| [22]
so wohl im Leben / als auch noch nach dem Tode
erwiesene hohe Gnade. Und da sie zur Bezeugung ihrer unterthänigsten
Danckbarkeit nichts als einen treu-verpflichteten Wunsch beybringen können / so
ist dieses ihr hertzlich wünschen und flehen zu dem Hertzoge des Lebens und
aufferstandenen Sieges-Fürsten Christo JEsu / daß er beyderseits Hochfürstl.
Durchl. Durchl. und alle Dero hohe Angehörende mit beständiger Gesundheit /
langwierigem Leben / glücklicher und ruhiger Regierung / und allen selbst
beliebenden Hoch-Fürstl. Wohlergehen / reichlich überschütten / und viel lange /
lange Jahre beseeligen wolle. Gegen alle übrige nach Stand / Amt und Würden
Hochzuehrende Anwesende achten sich die Leidtragende ebenfals höchst verbunden /
daß Sie diesen Trauer-Actum in so ansehnlicher Freqvenz großgünstig beehren und
zieren wollen. Gedachte Leidtragende möchten wünschen / daß Sie Gelegenheit und
Vermögen hätten ihr danckbares Gemüth vor solche hohe Gunst und Ehren-Bezeigung
an den Tag zu legen. In Ermangelung aber der Gelegenheit und Vermögens wollen
Sie alle und jede an den besten Vergelter GOtt selbst verwiesen / und einem
jeden alles selbst verlangte Wohlwesen an Seel und Leib von Grund des Hertzens
angewünschet haben.
|| [ID00097]
EPICEDIA IN BEATISSIMUM OBITUM VIRIVENERABILIS, DOMINI
EBERHARDI FINII MEMORIAE ET HONORIS ERGO CONSCRIPTA.
HEu dirae morti succumbens FINIUS ABBAS Extremum vitae claudit in orbe diem. Nulla Placentinis, sed Veronensibus omnis Palma manet, laus haec maxima Theiologi. At multis vera qvi cum virtute placebit, Hunc magnum reputes eximiumque Virum. Tuqvondam multis, Abbas venerande, placebas Doctrina, Vita, dotibus ingenii. Divini eloqviis verbi svavisque potensqve Pabula praebebas, deliciumque gregi. Ut pius Antistes prudensque juvare volebas Consiliis sanctis semper ovile sacrum, Te sermo blandus, Te frons decorabataperta, Et mores mixta cum gravitate boni. Quid mirum? Te nunc ecclesia plorat ademtum, Te patriae deflent urbs populusque decus. Ereptumque sibi luget domus orba parentem, Et Magnus Princeps comparat exequias.
|| [26]
Communis dolor hic,
lacrymaeque tot ora rigantes Tristia nunc multos damna tulisse docent. Ast
aeterna, Deo cum tandem gratior esses, Praemia ter felix percipis. Ergo Tibi Principibus placuisse Viris non ultima laus est,
Summa tamen nunc est laus, placuisse Deo.
Hoc Monumentum posuit. Ministerium Ecclesiae
Brunsuicensis.
Klag- und Ehren-Mahle / Welche Dem Mohlseeligen Herrn Abt / Aus schuldigster
Pflicht und Hochachtung aufzurichten gesuchet Die nachgesetzten Membra des
Convents zum Closter Michaelstein.
Die vorder Ziehung abgenommene Rechnung.
HOchwürdger GOTTES-MANN! komm / komm / verziehe nicht / Uns Deine Gegenwart auf kurtze Zeit zu gönnen / Weil wir derselbigen nicht länger mangeln können: Ich küsse schon im Geist Dein holdes Angesicht; Es ist der Hohen Wunsch / der Niedrigen Verlangen Beliebter Gottes-Mann / Dich freudig zu empfangen.
|| [27]
Begabter Gottes-Mann / das Hohe Fürsten-Paar Hat
allergnädigst schon vor einger Zeit befohlen / Dich aus Brunonis Stadt in unsre
Burg zu holen / Wie man zu thun gewohnt / bey jedem viertheil Jahr / Man wil
nach Christen-Brauch / Dir die Register reichen / Du wirst sie / wie Du pflegst
/ zum Leben unterzeichen. Belobter Gottes-Mann / Dein Closter Michelstein Sehnt
sich nicht weniger nach Deinem werthen Kommen / Damit die Rechnungen ihm würden
abgenommen / Die da in Jahres Frist nicht abgeleget seyn: DU wirst
verhoffentlich sie wohl und richtig finden / Und durch eie Unterschrifft / uns
dieser Sorg entbinden. Wohlseelger Gottes-Mann / so lautete der Brieff / Den
diese treue Hand an Dich zuletzt geschrieben / Da Du was länger / als man meinte
/ ausgeblieben / Darum ich Dich noch eins in unsre Grentzen rieff: Du mögtest /
ohn Verzug / Dich zu der Reise schicken / Dein Closter / Stadt und Hof durch
selbe zu beglücken. Erlauchter GOttes-Mann / Du giebst der Bitte statt; Du
setzest dich sofort in einen schnellen Wagen / Und lässest Dich darin zu unsern
Hügeln tragen; Du kommst zur Blanckenburg / doch leyder! schwach und matt /
|| [28]
Die Augen stehn erstarrt / das Antlitz ist verfallen /
Der sonst beredte Mund kan kaum für Schmertz mehr lallen. Ich gehe höchst
bestürtzt zu Deinem Lager hin; Die Thränen müssen mir statt eines Wunsches
dienen / Weil Deine Augen mir schon halb erstorben schienen; Du kennst ja itzo
noch den unverfälschten Sinn; Dein Leiden ging mir so / wie eigenes / zu Hertzen
/ Mich qvälte Deine Qval / mich schmerzten Deine Schmerzen. Bevor / Wohlseelger
/ ich von Dir zurücke kehr / Frag ich auf welchen Tag es dürffte nun geschehen,
Daß man die Rechnung uns würd abgenommen sehen? Du sprichst: In dieser Welt
geschichts von mir nicht mehr! Denn ich soll selbst anitzt von meinem gantzen
Leben Die letzte Rechenschafft dem höchsten Richter geben. Ich sagte: Theurer
Abt / stell Deine Seel in Ruh / Schau unsern Bürgen an / der da in diesen Tagen
/ An das verfluchte Holtz des Creutzes ist geschlagen / Sein Leiden eigne Dir in
festem Glauben zu / Das Er so williglich deßwegen wollen dulden / Damit Er
zahlete für Dein und meine Schulden. Der blasse Bottes-Mann hob sich hier auf
empohr / Und rief mit Freuden aus: Ich bin durch JEsu Wunden Von aller meiner
Schuld befreiet und entbunden; Es schallt mir eine Stimm in das halb todte Ohr:
Die Rechnung lässet sich der ewge Bottbeliebe̅ Weil sie ist mit
dem Blut des Lam̅es unterschrieben.
|| [29]
So schlaff / erblaßtes Haupt / denn
sanfft und seelig ein / Geneuß der stillen Ruh / bey modernden Gebeinen / Biß
Leib und Seele sich eins wiederum vereinen Am Tage / so der Welt wird der
Gerichts-Tag seyn: Da wirst Du / GOttes-Mann / bey allen GOttes-Knechten Mit
einer Sieges-Cron dem Heyland stehn zur Rechten. Drum Hochbetrübte / hemmt den
milden Thränen-Guß / Verehret mit Gedult das göttliche Verfügen / So Euch durch
diesen Fall so schmertzlich wollen biegen / Schickt mit Gelassenheit Euch in des
Himmels Schluß; Zumal der Seelige / nach aufgelösten Banden. In seiner
Rechenschafft so herrlich ist bestanden. Ihr aber / Sterbliche / kommt mit mir
zu der Grufft! Ihr waret sonst bereit die theuren GOttes-Lehren Von diesem
grossen Mann begierig anzuhören; So höret was Er itzt / gleich als zum Abschied
ruft: Macht / das von JEsu Hand wanns wird zum Scheiden kommen / Euch / vor der
Ziehung / sey die Rechnung abgenommen.
Conrad Andreas Breymann / Prior zum Cl. Michaelstein.
|| [30]
MADRIGAL.
ES saß Eusebie in gantz bewölckter Tracht Bey Linens schwartzer Todten-Bahre / Sie klagte nicht; daß Mortens strenge Macht Die Krafft der annoch muntern Jahre / Den güldnen Mund / die hohe Wissenschafft / So schleunig in die Grufft gerafft! Es hatte sie manch hoher Fall gelehrt / Daß jene Majestät / die in den Wolcken thronet / Den Purpur offt in Flor und Boy verkehrt / Und keiner Fürsten Häuser schonet; Sie sagte nur. Erlauchter GOttes-Mann! Man sahe Dich als Licht der Kirchen-Lichter an / Nun wird die Nachwelt selbst zu Deinem Preiß erheben / Du habest Deinem Stand mehr Glantz und Zier gegeben / Als dir die Würde Glantz gebracht. Heinrich Bernhard Sicheling, SubPrior und ConR.
2. Cor. VI. 9. Als die Sterbende / und siehe / wir leben. SONNET,
|| [31]
WAs für betrübte Post beraubt mich aller Sinnen? Ist unser Vater todt? Ach unerhörte Pein! Ists möglich / daß der Abt schon kan verschieden seyn? Was hör ich / gehet Er / noch eh Er kommt / von hinnen? Ach ja! Er stirbt / und das auf unsers Fürsten Zinnen; Er stirbt. Man hüllt Ihn schon in schwartzen Sammet ein / Ach dieser Riß ist groß / ist starck / ist ungemein! Wir alle lassen drob gehäuffte Zähren rinnen; Doch Theurer Abt Du lebst / und bist gewiß nicht todt / DU lebst in Salems-Stadt bey dem lebendgen GOtt / Du lebest auch allhier in Kindern / Enckeln / Schrifften / In Tugenden / die DIR ein ewig Denckmahl stifften: Drum ob du gleich beschliest die kurtze Lebens-Frist / So sagt man doch mit Recht / daß Du unsterblich bist. J. B. Hoffmann. Senior zum Cl. Michaelstein.
Das abgewechselte Leyden.
ES hat der weise GOtt mir vielen Schmertz und Leyden Nach seinem weisen Rath anjetzo aufferlegt / Ich dürffte / wie es scheint / die Todten-Bahr bekleiden / Dieweil sich fast kein Glied an meinem Leibe regt.
|| [32]
Die Füsse sind gelähmt / die Hände
sincken nieder / Das Hertze ist halb todt / die Zunge klebt am Gaum / Es
schliessen sich so gar die matten Augen-Lieder / Ja alles kommt mir vor / als
wie in einem Traum. Dies waren / Theurer Mann / ach leyder! Deine Worte / So
Dein holdseelger Mund gelassen zu mir sprach / Als mir vergönnet ward / zu
öffnen Deine Pforte / Und frey herein zu gehn in Deinem Schlaff-Gemach.
Gewißlich diese Wort verrückten meine Sinnen / Ich hörte sie betrübt und höchst
bestürtzet an / Wie ein Cliente pflegt / der nichts mehr kan beginnen / So bald
ihm wird der Tod des Herren kund gethan. Doch mitten in dem Schmertz ward von
Dir vorgenommen / Zu tragen in Gedult / das was GOtt aufferlegt / Es mögte über
Dich / auch was nur wolte kommen / GOtt endet es gewiß / war in Dein Hertz
geprägt. Ja freylich hat sich nun Dein Leyden wohl geendet / Du bist schon
angelangt / bey dem erwünschten Port. Nachdem Du Deine Seel dem Höchsten
eingehändet / Ist aller Schmertz vorbey / das Leyden weichet fort. Wie aber
stehts um uns / die wir zurücke bleiben / Ach wie so hart! Dein Leyd stößt
häufig auf uns zu / Dein allzufrüher Tod muß unsre Lust vertreiben / Uns trifft
ein herbes Weh / Du schläffst in sanffter Ruh. Denn solte dieses nicht
empfindlich seyn und kräncken / Wenu man den Vater schaut auf einer Todten-Bahr
/ Wenn man Den sehen muß ins finstre Grab einsencken / Der vormahls unser Trost
/ Schutz / Raht / und alles war
|| [33]
Ach
freylich ja ist uns / daß DU von hinnen ziehest / Verhaßter Wermuths-Wein und
bittre Aloë, Ach daß DU allzufrüh von unsern Gräntzen fliehest / Ist unsern
Sinnen jetzt ein tausendfaches Weh. Doch weil des Höchsten Winck / dies alles so
gefüget / So gönnen wir DIR auch die frohe Himmels-Lust / Genieß erwünschtes
Wohl / weil DU die Welt besieget / Indessen ist uns nichts als Traurigkeit
bewust.
J. W. Quenstedt, C. M.
Brabeschrifft. MADRIGAL.
MAn dachte einst des Moses Grab zu finden / (Hornius erzehlet in Hist. Eccles. daß sich einst bey dem Berge Nebo in Syrien etliche Ziegen von der Heerde verlauffen. Als nun selbe wiederkommen, sey an ihnen ein unvergleichlicher Geruch zu spühren gewesen. Wie nun diese Ziegen sich aufs neue wegstehlen wolten: folgeten ihnen die Hirten aus curiosität nach, und kamen darüber in ein vortrefliches und mit wohlriechenden Kräutern erfülletes Thal, wo sie ein offenes Grabmahl fanden, da diß ruchtbahr wurde, besahen solches mehrere, und fanden darauf die Uberschrifft: Moses Servus DEI. Darauf machten die Franeiseaner auf diese Reliquien praetension. Die Jesuiten aber wolten listig das praevenire spielen, und selbe wegnehmen. Allein sie fanden im Grabe nicht das geringste, und ein gelehrter Jude erwieß auch, daß alhie nicht Moses, sondern ein anderer dieses Nahmens begraben.) Und meinte des gewiß zu seyn: Doch traff der Ausgang nicht mit dieser Meinung ein / Was GOtt versteckt, kan nie ein Mensch ergründen. Doch ruhen unter diesem Steine Von einem Moses die Gebeine! Er war des Höchsten frommer Knecht / Sein Lehren voller Licht / sein Wandel voller Recht / Voll Eyfers Sein Gemüth vor die warhafften Lehren Voll Sehnsucht Hertz und Sinn / des Höchsten Ruhm zu mehren / Das Seine sucht Er nicht / nur diß allein In GOttes Hauß wie Moses treu zu seyn.
|| [34]
Durch
Lieb und Redligkeit bezeugte Sein Gemüthe Den Vorschmack / den es hie gehabt von
GOttes Güte. Er ruht zwar hie / jedoch hie nicht allein! Der Seelen Lagerstatt
will GOttes Rechte seyn. Sein Tugend-Ruhm, und ungefärbtes Lieben. Ist / weil so
hohe Häupter Ihn so hoch geehrt / Durch Seiner Würde Glantz verewigt blieben /
Und die Bewundrung / und Sein rühmlichs Angedencken Kan sich in fromme Seelen
sencken.
Joh. Andreas Henricus Oeding / Conventual. zum Cl. Michaelstein.
SONNET,
DIe Glieder starren hin / wenn sich ihr Haupt verliehret / Das Schiffgen wird zerschellt / wenns ohne Steurmann ist. Die Schaaffe sind betrübt / wenn nicht der Hirte schließt Die Biene ist halb todt / so keinen Weiser spühret /
|| [35]
Was Wunder / wenn bey uns das Hertze wird gerühret /
Da unser Haupt sich trent / und schwartze Erden küßt / Da unser Steuermann /
Sein Leben eingebüßt / Der als ein weiser Hirt / uns biß daher geführet. Es
müsse sich demnach der Thränen-Bach ergiessen / Ein jeder bringe jetzt ein
Trauer-Lied herbey / Weil einen solchen Mann / das Schicksaal uns entrissen /
Von dem man weiß / daß Er beweinens würdig sey. Doch schreibt uns GOttes Hand
auch diese Worte für / Ihr Lieben / ängstet euch nicht über die Gebühr.
Andr. Bernh. Hintze. Conventual. zum Cl. Michaelstein.
Der aufgefahrne Elias unsrer Zeit. MADRIGAL.
GEvor Elias ward gen Himmel aufgenommen / Gieng er aus seiner Stadt / von Gilgal aus; (Siehe 2. Kön. 11. 1.) Da Du / Hochseelger / solt zum Vater wiederkommen Verlässest Du in Braunschweig Burg und Hauß; Du wilt von Blanckenburges Höhen Zur Sternenburg / dem Dir verwandten Hun̅el gehen. Elias fuhr im Wetter auf; DU endest / anderer Elia / auch im Wetter Deinen Lauff: (Kurtz vor dem Abschiede des Wohlseeligen Herrn Abts, stieg das erste Gewitter dieses Jahrs hiesiger Orten auf, und wurden, sonderlich über dem Closter Michaelstein, starcke Donnerschläge gehöret.)
|| [36]
Elias wuste seine Abschieds-Stunde; DU weist sie auch / Elia unsrer Zeit / Weil man aus Deinem güldnen Munde / Welch Wunder! Deine eigne Leichen-Rede höret. (Denn die letzte Predigt des Wohlseeligen Herrn Abts, war über die Worte unsers Erlösers Joh. VIII. 51 Warlich, warlich, ich sage euch: so Jemand mein Wort wird halten, der wird den Tod nicht sehen ewiglich!) Mein Vater / soll ich noch den letzten Seegen von Dir haben / So gib zu meinem Wohl / und andrer Heyl Mir nur den minsten Theil Von Deines Geistes-Gaben! Heinrich Richard Märtens / Conventual. zum Cl. Michaelstein.
Die auf der Amts-Reise seligst vollendete Lebens-Reise /
DEr Christen Leben ist hier einer Wallfahrt gleich. Sie dürfen nicht die Welt für ihre Heimat achten; Ihr wehrtes Vaterland ist nur das Himmelreich / Wornach sie lebenslang in wahren Glauben trachten. Auf Erden müssen sie nur fremde Gäste seyn; Man will das Bürger-Recht denselben nicht verschreiben.
|| [37]
Kein steter Aufenthalt schleußt sie
hier unten ein; Sie suchen droben nur die Stäte / wo sie bleiben. Ihr Weg der
Wanderschafft ergehet durch die Zeit / So GOtt zur Lebens-Frist denselben
dargegeben: Derselb’ erstrecket sich bis zu der Ewigkeit / Denn GOtt erschuff
sie ja zum ewig-sel’gen Leben. Und solche Pilgrimschaft / sie sey kurz oder lang
/ Nachdem des Höchsten Schluß die Lebens-Zeit bescheidet / Ist, bey dem Creuz’ /
allstets ein saurer Leydens-Gang / Gleichwie ein Wandersmann nur Ungemach
erleidet. Denn dieser Satz hat längst den Beyfall schon erreicht: Von Christen
lässet sich das liebe Creuz nicht trennen. Ja unser Leben selbst / das doch so
bald verstreicht / Ist Müh’ und Arbeit nur / wenns köstlich ist zu nennen.
Deshalben sehnen sich die Christen Tag und Nacht / Als stetig reisende nach
jenem Vaterlande / So ihnen dermaleinst zur Wohnung ist vermacht / Und wo sie
ewiglich sind im beglückten Stande. So / wie ein Wanderer / bey seinem Uberdruß
/ Die Endschaft seiner Reis’ ohn Unterlaß begehret: Nicht anders seufzt der
Christ nach seines Lebens Schluß / Das ihn als eine Last nur drücket und
beschweret. Er dringt / von GOtt gestärckt / durch alle Hinderniß / Um stets
geschickt zu seyn / aus dieser Welt zu gehen. Weil die bestimmte Zeit zur
Abfahrt ungewiß / So will er / wenn GOtt rufft / zu scheiden fertig stehen. Wohl
dem / der solche Reis’ hat wohl zurück gelegt / Daß er das Vaterland im Himmel
dort erblicket / Allwo die fromme Schaar die Lebens-Crone trägt / Und man / auf
kurzes Leid / sich ewiglich erquicket.
|| [38]
Den Selig-wehrten Mann / dem GOtt dies Jammerthal Jetzt zu verlassen / rufft
/ hat solches Heil betroffen. Er ist beglückt für uns / die wir noch in der Zahl
Der sterblich-wallenden auf jene Heimat hoffen. Sein gantzer Lebens-Lauff war
treflich wol bestellt: Von Jugend auf must’ Ihn der Tugend-Wandel zieren: Denn
solches machet uns beliebt bey kluger Welt / Und kan uns auf die Bahn der
höchsten Ehre führen. Wie denn sein Fleiß und Witz Ihn hoch erhoben hat / Indem
die Musen stets zu seinem Dienste stunden / Und grosser Fürsten Huld Ihm an die
Seite trat / Durch deren Vorschub Er Beförderung gefunder. Fürnehmlich hat der
Geist des Höchsten Ihn regiert / Daß Er von Kindheit auf sich von der Welt
entfernet / Und mit Timotheo die heil’ge Schrifft studirt / Woraus Er denn den
Weg zum Himmel wol erlernet. Er kannte seinen GOtt / und JEsum Christum recht:
Denn dieser ist der Weg / die Wahrheit und das Leben. Deshalben kont’ Er auch /
als ein getreuer Knecht / Den andern Handleitung zum Himmels-Wege geben. Sein
echtes Beyspiel traff in Lehr’ und Leben ein: Er that es selber erst / was Er
die andern lehrte / So kont’ Er allerdings ein rechter Führer seyn / Des holden
Unterricht ein jeder gerne hörte. Mit was für Lieblichkeit stellt’ Er den
Vortrag an? Wie deutlich wust Er doch den Lebens-Weg zu zeigen? Deshalben waren
Ihm die Menschen zugethan / Und gaben seiner Gunst sich ganz und gar zu eigen.
|| [39]
Auch hoher Herzen zog Er
dergestallt an sich / Daß sie der Seelen-Cur Ihm willig anvertrauten / Und /
wenn Er Tröstung gab / sich alle sonderlich Aus Seines Mundes Red’ im
Christenthum erbauten. Letzt als Er solchen Ruff gen Blanckenburg empfing / Und
sich am Leibe schon die Schwachheit ließ vermerken / Wagt’ Er es doch mit GOtt /
daß Er die Reis’ angieng / In Hoffnung / dieser würd’ Ihn im Beruffe stärken.
Allein des Höchsten Schluß ward Ihm daselbst bekant / Daß Er die Lebens-Reis’
allhie beschliessen solte. Also befahl Er bald die Seel’ in GOttes Hand / Der
Ihn durch Steines-Schmertz aus Noht erlösen wolte. Der Freytag / welcher Ihn ans
Lebens-Ziel gebracht / Wird Sein Befreyungs-Tag vom Jammer und Elende: GOtt /
der im Himmel Ihm die Krone zugedacht / Bekrönt die Pilgrimschaft mit einem
seelgen Ende. Die Wüsten dieser Welt hat Er also quitiert / Und jenes Canaan im
Himmel nun erlanget. Wo mit der Engel-Schaar Er ewig jubiliert / Und vor des
Lammes Stuhl in weisser Unschuld pranget. Hochwehrte / die Ihr euch um Seinen
Tod betrübt / Laßt Euch des Himmels Schluß hierunter nicht mißfallen; Weil
Seines JEsu Herz Ihn je und je geliebt / Zeucht er Ihn hin zu sich / um nicht
mehr hie zu wallen. Bedenkt die Seligkeit / in welcher Er nun schwebt; Ich weiß
/ Ihr werdet Ihm dieselbe nicht mißgönnen: Zumal weil Euer Sinn sich ebenfalls
bestrebt / Aus diesem Jammer-Thal auch bald entfliehn zu können. Drum lasset uns
vielmehr auf Sein Exempel sehn / Und der gezeigten Spur zu folgen uns bemühen:
|| [40]
So werden wir auch einst / wie
jetzt von Ihm geschehn / Bey unsrer Wallfahrt Schluß / hinauf gen Himmel
ziehen.
Brabschrift.
Mein Leser / dieser Leichen-Stein Schleußt einen solchen Cörper ein / Des Geist von ungemeinen Gaben. Den konte man nicht mit begraben. Die Welt hat länger Sein begehrt; Doch weil sie Seiner nicht mehr wehrt / Wolt’ Ihn allein der Himmel haben. Aus Mitleiden in schuldigster Ergebenheit gegen die Höchstbetrübte Familie vorgestellet von Johann Heinrich von Kalm.
SO legst DU / Seligster / Dich schon ins kalte Grab / Da man erst Deiner recht begunte zu geniessen: Da Deiner Liebe Strom sich wil erst recht ergiessen / So sieht man Deinen Leib erstarrt / und gehest ab / Gerechter Himmel / ist denn dieses dein Entschluß? Soll der den Würmern schon zur Kost und Speise dienen, Bey dem man Lieb und Treu so herrlich sahe grünen? Entziehest Du uns schon derselbigen Genuß? Ach! wir verehren ja und küssen Deine Hand / Ob sie uns jetzo gleich so tieffe Wunden schläget /
|| [41]
Und unsre Seel’ und Geist mit Schmertz und Kum̅er reget: Ist
dessen Ursach’ uns schon fremd und unbekannt. Was ist es / das Du nicht / o
Seligster / gethan / Uns und den Unsrigen Dein Vater-Hertz zu zeigen? Ach!
hättest Du zu uns den Himmel können neigen / Es hätte Dich gefreut: jedoch o
falscher Wahn! O Nicht- und Flüchtigkeit / und Hoffnung sonder Grund! So dieser
Creyß der Welt in seinen Gräntzen heget / Wo nichts denn Unbestand sich reget
und beweget: Wie leicht zerfällt / worauf der Menschen Hoffnung stund! Ein
hartes wurd’ uns zwar vons Höchsten Hand erzeigt / Da ein zu früher Tod uns
unsern Vater raubte / Doch war beym Ungelück ein Glück / so daß man glaubte /
Der uns betrübt / wär’ uns zu trösten auch geneigt. Er setzte / Theurer Mann /
Dich an des Vaters Statt / Ließ / was verlohren war / uns an Dir wieder finden /
Und unsre Sorg’ und Gram hinwiederum verschwinden / Als sich Dein treues Hertz
in Liebe zu uns that. Von der Zeit an hast Du vor unser Heyl gewacht / Nach
unserm Wolseyn stets mit allem Ernst getrachtet / Die Mühe / so hierbey
verknüpffet / nicht geachtet / Und uns zu Schuldener auf ewig Dir gemacht. Wir
sind es nicht allein / den Du zum Schutz gedient: Es können Deine Treu auch noch
viel andre preisen / Und haben auch davon viel Proben aufzuweisen / Bey welchen
/ wie bey uns / Dein Angedencken grünt. Es war Dein Redlich- seyn mit Klugheit
vergesellt: Was Wunder war es denn / daß jederman Dich ehrte? Daß auch der
Fürsten Lieb’ und Hertz sich zu Dir kehrte?
|| [42]
Denn / sage mir / wer ist / dem dieses nicht gefällt? Wo findt sich
Redlichkeit mit Weisheit auch gepaart? Ist nicht der meisten Sinn auf Trug und
List gerichtet? Was ist es sonst / worauf der mehrste Hauffe dichtet / Als
Schalckheit, Büberey / und was dergleichen Art? Dein Thun / o Seligster! war nur
Aufrichtigkeit: Aufrichtigkeit / doch die ein kluges Hertz regierte / Das sonst
auch überall bey Dir den Scepter führte In Deinem Reden, Thun / zu jeder Stund
und Zeit. Glückselig ist / mit dem sich dieses Tugend-Paar / Klug- und auch
Redlich- seyn im Leben fest verbindet. Gewiß / wo dieser Band sich
unzertrennlich findet / Da ist der grosse Nutz zugleich auch offenbahr. Die
reiche Frucht / so es bey Dir hervor gebracht / Ist keinem unbekannt / liegt
jederman vor Augen: Ein solcher kan allein zu allen Dingen taugen, Ders so zu
machen sucht / wie Du es hast gemacht. GOtt reicht Dir jezt den Lohn vor Deine
Frömmigkeit / Vor Deine grosse Treu / vor Dein aufrichtig Lieben / So Du
niemahls vergaßt am Nächsten auszuüben / Ohn einiges Beschwer / mit Freud’ und
Willigkeit. Anjezt bestrahlet Dich der ew’ge Sonnen-Schein. Und wie Du Vaters
Statt bey uns so wol vertreten / Und unser Wol gesucht mit Sorgen / Wachen /
Beten / So wird auch itzo GOtt Dein gnäd’ger Vater seyn.
In diesen geringen Zeilen wolten die letzte Pflicht gegen Den Wohlseeligen HErrn
Abt, als ihren gewesenen treuen Vormund, beobachten Johann Julius Und von Damm.
Ludewig Gebhardt
|| [43]
Der kostbahre und schmertzliche Verlust.
GEtrübte / Deren Hertz ein Haupt-Verlust gerühret / Daß Ihr für Wehmuht ächzt / und gantz in Thränen schwimmt / Da Euch der strenge Tod das Allerliebst’ entführet / Und Euch des Hauses Licht / des Hauptes Crone / nimmt; Verzeihet / da mein Aug’ jezt selbst voll Zähren stehet / Wofern mein schwacher Kiel Euch wenig Trost gewehrt. Denn weil ein Theurer Freund mir durch den Todentgehet / So hat das herbe Leid auch meine Brust beschwert. Ein rechter / wahrer Freund / dem man sich kan vertrauen / Und dessen echte Treu die reine Probe hält / Läst sich zu dieser Zeit gantz wunderselten schauen / Und ist gewißlich schier ein Phoenix in der Welt. Den Selig-theuren Mann hat Klugheit zwar gezieret; Doch war ein falscher Sinn bey solcher gantz verbannt: Bey Ihm ward Redlichkeit aus jedem Thun gespüret / So Ihm der Menschen Gunst auch häuffig zugewandt. Drey Grosser Fürsten Huld / die Ihn so mild’ umfangen / Wovon Sein Ehren-Grab / nebst andern / Zeugniß giebt / Erweckte nie Sein Hertz an eigner Ehr zu hangen / Die Demuht war Ihm doch vor allen höchst beliebt. Verstand und Wissenschaft hat Ihn nicht aufgeblehet / Er haßte schnöden Ruhm und eitle Prahlerey;
|| [44]
Er hat Geringer Gunst und Umgang
nicht verschmähet / Und war dabey ein Feind von aller Heucheley. Dahero konte
man sich auf Sein Wort verlassen, Und in Vertraulichkeit mit Ihm zu Wercke gehn.
Wenn jemand Er erwählt mit Freundschafft zu umfassen / Ist es ohn Eigennutz /
und mit Verstand / geschehn. Und einen solchen Mann hab ich an Ihm verloren; Was
Wunder / daß es mich in Hertz und Seele kränckt? Der allzeit mich geliebt / zum
Freund auch mich erkoren / Wird leyder! unverhofft schon in das Grab gesenckt.
Und darum kan ich Euch / Geliebte / nicht verdencken / Daß Ihr / wie ichs
empfind’ / auch strenge Schmerzen fühlt / Da GOtt den bittern Kelch des Leides
Euch wil schencken; Wiewol Er doch damit auf Euer Bestes zielt. Wahr ist es /
seine Hand hat Euch den Schatz entrissen / Der Euch auf dieser Welt / nächst Ihm
/ der Liebste war: Ihr müsset einen Mann / Freund / Schutz und Vater missen: Es
scheint / ob lief hierbey viel Gutes in Gefahr. Allein es hat nicht Noht / so
lang als GOtt noch lebet / Der ewiglich nicht stirbt / und als das höchste Gut
Sich selbst Euch allen gibt / an dem Eur Glaube klebet / Und der Eur Heil
besorgt / so wie ein Vater thut. Deshalben laßt uns nur in seinen Willen
schicken / Ob er den Wehrten Mann uns gleich entzogen hat / Das uns so
schmertzlich fällt. Er selbst wil Ihn erquicken / Und weiß für Seine Pein / als
Arzt / den besten Raht. Weil Er / als GOttes Knecht / im Amte treu gewesen /
Spannt Er Ihn zeitig aus / und reicht den Gnaden-Lohn Ihm bey der frommen
Schaar. Da ist Er nun genesen Von aller Quaal und Noht / und trägt die
Ehren-Cron’.
|| [45]
Er hat die Marter-Woch’
alhier recht ausgestanden Vor Christi Marter-Woch’ / und in Gedult gesiegt Bey
strenger Steines-Plag’; iezt ist die Zeit vorhanden / Da Er die Ostern hält /
und ewig sich vergnügt. Und uns denckt GOTT der HERR von allen abzuziehen / Was
Er nicht selber ist / und uns das Liebste scheint. Wir sollen lauterlich im
Glauben zu Ihm fliehen: Denn selig ist allein / wer sich mit Ihm vereint. Die
arme Creatur / so hoch sie auch zu schätzen / Schafft unsern Seelen doch nicht
die verlangte Ruh / Drum soll man sein Vertraun aufs höchste Gut nur setzen; Was
uns vergnügen kan / O Schöpfer! das bist du. Denn dieses ist dein Zweck: Du wilt
die Hertzen haben; Drum nimst du / was uns lieb / vor allen andern hin. Wer sich
dir gantz ergiebt / der bringt die besten Gaben / Und hat für Welt-Verlust den
Himmel zum Gewinn. Nehmt dieses von mir an / Ihr höchst-betrübte Hertzen / Und
duldet / daß GOtt Euch mit Thränen-Brodte speist: Ruft Ihn / als Vater an:
Verbannet Ach! und Schmertzen: Erkennet seine Treu / so Er an Euch erweist.
Ergebt Euch gantz / mit mir / in seinem heilgen Willen / Und schließt Euch
insgesamt in seine Sorgen ein. So wird in kurtzer Zeit sich Euer Leiden stillen
/ Und was Verlust gebracht / Eur höchster Vortheil seyn.
Zur letzten Ehren-Bezeugung und zu einigen Trost der Leid tragenden Familie
schrieb dieses
Philippus Julius Rehtmeier / Past. Mich.
|| [46]
INSCRIPTION.
STehe still lieber Mensch! Der du Als ein Sterblicher und Pillgrimm Auf dem Wege zur Ewigkeit wallest Stehe still mit deinen Sinnen und Gedancken Bey dem ansehnlichen Grab- und Ehren-Mahle Des hier ruhenden Wohlseeligen und Weyland Hochwürdigen / in GOtt Andächtigen und Hochgelahrten EBERHARD FINEN Gewesenen Wolffenbüttelschen Consistorial-Rahts / Abts des Blanckenburgischen Closters Michaelstein / zu Blanckenburg Hoffpredigers und Beicht Vaters wie auch Superintendentens in Hochfürstlichen Wolffenbüttelschen Amte Campen /
Und endlich Treufleißigen Stifft- und Dom-Predigers zu St. Blasii in Braunschweig. Stehe stille / sage ich nochmahls / o sterblicher Wanderer! bey dessen vorgedachten Grabe / und lerne Von den Wohlseligen wohl und fleißig betrachten
|| [47]
den Endzweck deines Thuns
/ Und das Ende deines Lebens / Damit du hier glücklich und dort ewig seelig
lebest. Lerne von dem Wohlselig Verstorbenen das merckwürdige Symbolum, Oder den
schönen Denck- und Wahlspruch: Expende Finem. Das ist: Erwege den Endzweck
deines Thuns / und das Ende deines Lebens. Welchen Wahl- und Denckspruch der
Wohlselige Herr Abt von denen Anfangs-Buchstaben semes Hochwehrten Nahmens vor
vielen Jahren genommen; Ihme selbst und anderen zur heilsamen Erinner- und
Betrachtung / Daß man seines Thuns Zweck / und seines Lebens Ende wohl erwegen
müsse. Und daß der Wohlseelige beydes wohl erwogen / Hat sein klug und
Christlich geführtes Leben / Wie auch sein seliges Ende gnug bewiesen. Seine
Studia hat Er jederzeit fleißig / und bedächtlich Im Nahmen und zur Ehre GOttes
/ wie auch zu des gemeinen Bestens Nutzen angefangen und fortgesetzet. Und dabey
durch fleißiges Beten nechst göttlicher Hülffe / Gnade und Seegen Einen solchen
Zuwachs / absonderlich in der Theologie, erlanget / Daß Er Von Seinen
Durchlauchtigsten wie auch Gnädigsten
|| [48]
Fürsten und Herrn immer weiter befördert / und zu den grösten Ehren-Stellen
in der Kirche erhoben. Wobey aber sein demüthiges Hertz sich gar nicht erhoben /
Sondern gegen jederman dienstfertig / gütig und liebreich sich bewiesen. Seine
Lehr-Arth war nicht nur solide und wohl gegründet / Sondern auch nerveus und
wegen der beliebten Kürtze Sehr nachdencklich / erbaulich und sinnreich / Daher
auch allen Klugen / und insonderheit Seinen Durchlauchtigsten und Gnädigsten
Herrschafften / sehr angenehm. Welche Ihme auch als einen Geistreichen Lehrer
Eine Gnade nach der andern bewiesen. Die auch nach seinen Tode nicht erstorben.
Ob Er gleich gestorben. Denn als Er ungeachtet einer vermerckten
Leibes-Schwachheit sich nach Blanckenburg begeben / Sein heiliges und hohes
Beichtvater-Amt auf Verlangen bey Hofe zu verrichten / und Er dabey unvermuthet
schwerlich kranck worden / und leider gar erkrancket; Hat Demselben Seine
Durchlauchtigste und Gnädigste Herrschafft daselbst / nachdem SIE vor Seine
Genesung alle Vorsorge aber leider vergeblich getragen / nicht nur ein schön
Grabmahl verfertigen / Sondern auch eine ansehnliche Beysetzung und nach dieser
eine öffentliche und Ehren-volle Leich-Begängnis geordnet;
|| [49]
Damit das Ehrwürdige Gedächtnis
Dieses frommen und gerechten Mannes bey Ihnen und andern beständig grünen und im
Seegen bleiben möchte.
Welches aus schuldigsten Beyleide zum Troste derer hinterlassenen Hochbetrübten,
aus hertzlicher Liebe und Ergebenheit gegen SIE und dem Wohlseligen Herrn Abt
als seinem von Jugend auf sonderlichen Freunde und Sönner zu Ehren hinzu fügen
wollen
Andr. zur Horst / Stiffts-Predigern in Walckenr. und Insp. derer
Stiffts-Kirchen.
Thristliche Trauer- und Trost-Morte.
DU mein betrübtes Hertz! Brich aus in bittre Klagen / Eröffne was dich kränckt aus deinen innern Grund. Was hilffts / wenn du dich wilt mit vielen Kummer nagen? Erleichtre dich mein Hertz! Vertrau es nur dem Mund. Ach Jammer! spricht der Mund / so wird man offt verlachet / Offt bringt die Lästerung es gantz verfälschet an / Und GOtt im Himmel weiß / wenn man was gutes machet / So ist es doch bald hier / bald dort nicht recht gethan. Wie manchen guten Trieb muß man zurücke halten / Bloß weil der Neidhard bald mit gelben Zähnen bleckt? Wie manches Andachts-Feur muß in der Brust erkalten? Damit die Schlangen-Brut nicht werde ausgeheckt.
|| [50]
O höchst verkehrte
Welt! Es wird der Seelen bange In diesen Thränen-Thal / in diesen Marter-Hauß /
Sie schreiet mit Begier: Ach HErr / wie lang? ach lange? Wie lange bleibt mein
GOtt mit seiner Hülffe aus? Gedult! mein liebes Hertz GOtt sammlet alle Thränen
/ Die dir der Schmertz gebierth / als deinen besten Schatz. Ein Christ muß
immerfort nach seinen GOtt sich sehnen / Auf solche Weis’ erhält die Lust der
Welt nicht Platz. Doch halt! Der innre Trieb hat mich zu weit geführet / Diß
soll (ich weiß es wohl) ein Leich-Gedichte seyn. Mein Hertz wird mehr als viel
durch diesen Tod gerühret / Ja er vermehrt den Schmertz / verdoppelt meine Pein.
Weil Hohe Häupter selbst den Todes-Fall bedauren / Indem das äussere von ihren
innren zeigt / So ist mirs wol erlaubt von Hertzens Grund zu trauren / Da sich
ein GOttes-Mann zur Grabes-Höle neigt. Ein Mann voll Geist und Krafft / erfüllt
mit Gnaden-Gaben / Die GOtt durch seinen Geist in eine Seele legt; Ein Mann /
von dessen Art wir leider! wenig haben; Ein Mann / der manchen hat durch GOttes
Wort bewegt. Er führte reine Lehr und auch ein reines Leben: Denn Wort und
blosser Schein macht keinen GOttes-Knecht / Wer nur die Lippen GOtt / das Hertz
der Welt will geben / Der treibt auf solche Art das Werck des HErren schlecht.
Er ließ durch Eitelkeit der Welt sich nicht bethören / Er liebte JEsum mehr /
als alles Gold und Geld;
|| [51]
Und bracht
Ihn seine Treu zu vielen hohen Ehren / Blieb doch sein grösster Wunsch aufs
Himmlische gestelt. Bey Ihm war Redlichkeit und Christliches Erbarmen / Viel
Weißheit und Verstand / doch keine arge List; Er war von Hertzens Grund ein
guter Freund der Armen / In allen seinen Thun ein rechter wahrer Christ. Dem
ungeacht hat GOtt uns diesen Mann genommen Durch unverhofften Tod / durch
trauriges Geschick / Die Zions Maure hat sehr grossen Riß bekommen / Ihr Augen /
weinet itzt / weint über diesen Blick. Weint! weinet ungestöhrt: Denn DIE sind
selbst betrübet / DIE GOtt als Götter hier hat über uns gesetzt. Er wurde
jederzeit von IHNEN sehr geliebet. Was Wunder? daß mans fast vor unersetzlich
schätzt? Und sehr bedencklich ists: Er kommt hierher gereiset / Sucht gleichsahm
mit Bedacht den besten Sterbens-Ort; Da Er im Tode nun Die Hohe Herrschafft
preiset / So / glaub ich / thut Ers auch vor GOttes Throne dort. Weil Er nunmehr
dahin durch JEsu Blut gelanget / Wohlan! so stellen wir die Todten-Klagen ein;
Weil Er vor GOttes Stuhl im hellen Lichte pranget / So müssen wir zugleich damit
zufrieden seyn. Er rufft uns gleichsam zu: Ihr Sterblichen auf Erden / Bedencket
wo ich bin / denckt an die Ewigkeit! Ach sorget! sorget doch / wie ihr wollt
selig werden; Das Leben auf der Welt währt doch nur kurtze Zeit. Er hat nunmehr
die Last auf Erden überstanden / Und der erfreute Geist schaut GOttes Angesicht
/ Die Seele ist befreit von diesen eitlen Banden /
|| [52]
Sie weiß in Ewigkeit von keinen
Schmertzen nicht. GOtt / tröste du hiermit DIE / so du hast betrübet Nach deinen
weisen Rath durch dieses Mannes Todt / Und überzeuge SIE / daß / wer sich Dir
ergiebet / Entfliehe allen Schmertz / entgehe aller Noth. Auch der entseelte
Leib geht zu der Ruhe-Kammer / Und was Ihn hat geplagt / davon ist Er nun frey;
GOtt stillet seinen Schmertz und allen seinen Jammer. Wir gläuben daß dereinst
ein Auferstehung sey.
Aus guten Trieb und Hochachtung gegen den seeligen Herrn Abt wurden diese wenige
Zeilen entworffen von J. M. Darnmann / Hoff-Diacono bey der Christlichen
Schloß-Gemeinde zu Blanckenburg.
Schmertzhaffter Verlust eines unvergleichlichen Kleinodes.
SO liegt das Kluge Haupt von acht und funfzig Jahren Und was noch drüber ist ein Kleinod unsrer Zeit / Des Braunschweigs schönste Zier / Herr Fine auf der Bahren / Erwehlet Staub und Sarg vor Frühlings-Lustbahrkeit. Wie! solte dieses nicht mir tieffe Wunden schneiden / Solt nicht mit Thränen sich ergiessen Aug und Geist? Da solch ein Ancker muß von mir sobald abscheiden /
|| [53]
Und mir des Todes-Grimm der Trost
nechst GOtt hinreist. Ach Ja! mir bricht das Hertz / die Füsse stehn erschrocken
/ Mir bebet Zung und Hand / die Augen halten ein; Es schlagen bey mir an viel
heisser Unglücks-Glocken / Und dieses macht mir noch die allerschwerste Pein;
Daß Hochgelehrter-Witz zugleich muß seyn vergraben / Den stets ein frommer Geist
in GOttessurcht geübt; Wir können niemand leicht hier SEINES Gleichen haben /
Der so gelehret hat / wie jeder Zeugniß giebt. Den Hohen in der Welt macht
dieser Fall viel Schmertzen / Die dessen Schweiß und Fleiß mit hoher Gnad
erkant; Es klagt Ihn Land und Stadt / das Michelstein von Hertzen. Daß Ihnen sey
geraubt ein Hochgeliebtes Pfand. Wir Lehrer trauren auch / daß unser Haupt
gefallen / So mehr die Ewigkeit als Eitelkeit betracht / Könt ich vor Wehmuth
nur von Ihm was mehres lallen / Er würd Ambrosio von mir seyn gleich gemacht.
Indessen weil Er nun in Zions schönen Zinnen / Geneust der stoltzen Ruh vom
Streit und Arbeit frey; So laßt / Hochwehrteste / laßt nicht mehr Thränen rinnen
/ Denckt / daß in GOttes Rath es so beschlossen sey / Mich selbst befriedigt
dieß / daß Er schon angelanget / Zur Stadt in dero Thor sich Recht und Friede
küßt / Dort wo Er unbekriegt mit Cron und Palmen pranget / Dieweil der HErr Sein
Schild / Sein Lohn und Stadt-Recht ist.
|| [54]
Doch soll auch nicht bey mir Sein Angedenckeu schwinden Biß daß der
blasse Tod mich endlich auch aufreibt / Und wir für GOttes Stuhl uns werden
wieder finden / Allwo in süsser Lust Er unaufhörlich bleibt.
Dieses Trauer-Gedichte wolte zur Bezeugung seiner annoch hegenden Hochachtung und
Andencken der von Ihm genossenen vielen Güte auch schuldigen condolence an die
Höchstbetrübte Familie abfassen und übersenden
Johann Jacob Bossen Past. zu Abbenr. Und Subsenior in der Campischen
Inspection.
a w. FINIUS TRIPTOLEMUS.
TRiptolemus cadit! hincsacra plangit Eleusica (Triptolemus enim, ut vult Hyginus, vel, ut Pausanias mayult, Celei Eleusini Regis filius, natus est in Urbe Attica, quae dicitur Eleusis, vicina Athenis. Hincsacra Eleusinia.) tellus, Pan (Deus Pastorum.) gemit, atque Pales (Dea pabulorum.) almaque Vesta (Alia est Vesta mater, alia virgo; haec aedium singularum, ista totius terrae dea: de qua h. l.) dolet. Nam tacet omnis ager, silet occa, stupescit aratrum; Sunt feriae messi, sunt feriaeque sato. (Triptolemus enim primus omnium in Graecia agriculturae rationem creditur invenisse.)
|| [55]
Triptolemus cadit! ipsa sacris quem
prouida prunis, Lacteque diuorum mater Eleusis alit. (Cum enim Ceres quaereret terra ac mari Proserpinam, suam e Jove filiam, a
Plutone raptam: & ex itinere diverteret in Eleusium oppidum; excipitur
hospitio a Triptolemi patre, & in gratiam beneficii ejus filium adhuc
infantem alendum suscipit, coelesti ac divino lacte illum enutriens
interdiu, noctu vero eundem fouent carbonibus. conf. Callimach, hymn. in
Cer. Servium in Georg. I. & ex his Carol. Stephani Dictionar. hist.
geogr. sub nomine Ceres & Triptolemus Pantheon mythicum P. Franc. Pomey
p. m, 149.) Quiceler excrescens (Quam
adolescendi celeritatem miratus pater Triptolemi, voluit causam rimari,
& Cererem educantem clam adspicere; sed curiositas ejus a Cerere fuit
morte multata. l. c.) Cereris capit utile plaustrum, Et volat in
cunctos, arva saturus, agros. (Vid. Hyginum fabul 147.
& Ovid. 15. Metam.) Nec modo qui docuit sterilem mansuescere
terram, Sed mores hominum noluit esse feros. (De
Triptolemi legibus tria duntaxat praecepta in Eleusiaco templo extitisse
scribit Xenocrates philosophus: Venerandos deos, honorandos parentes,
carnibus non esse utendum. conf. Carol. Stephan. l. c. p. m. 2016.)
Hic cadit! hic moritur! quae nunc, Parnassia rupes, Quae, chore Pieridum, sunt
facienda Tibi? Dic age, quae Cereriac Hecate (Eleusinia
sacra alia erant majora Cereri, alia minora, dicata Proserpinae sive Hecate.
Plutarchus in Demetr. & ex co laudatus Pomey l. c.) sacra Eleusica
facta Hactenus, ut contra sint sacra Triptolemi.
Hos ego Finiacos medio sub vertice Pindi Accepi lessos auribus ipse meis.
|| [56]
Triptolemum dicunt musae, qui Finius olim Audiit,
idque, ne ego hoc nomine laedar, agunt. Namque meam, (hoc norunt) qua cinctus
& auctus honoris Laurum, prae reliquis hoc praeeunte, gero. Sic est;
obstupeo totus, cum Finius umbras Clarus in orbe sacro fertur adire nigras.
Interea haud erras, Helicon, dixisse beatum Triptolemum nostrum; nomen &
omen habet. (Triptolemus idem est ac , terens manipulos siue hordaceos siue triticeos.)
Trivit enim usque suo sacros sacro ore maniplos, Quas Christi fruges area cunque
tenet. (l. Tim. V. 18.) Venturi nunquam timuit
probus ille magistri Scopas verrentes, ventilabrumque (Matth. III. 12.) sui. Namque Ceres aluit puerum non ethnica nostrum,
Sed, valido verbo qui gerit omne, Geres. (Hoc Cereris
deae Saturno & Ope natae nomen deducunt alii a gerendis frugibus, ut
Ceres sit quasi Geres. Cic. 2. de nat. deor. vel ab antiquo verbo cereo,
quod idem est, ac creo, quod omnium frugum creatrix sit & altrix.
Scalig. & Servius in I Georg. Quae sane nomina verius de Christo dici
possunt, quippe qui verus ille Geres. Ebr. I. & creans Coll. I. 16.
seque. Qui non solum cetera omnia creavit, & ecclesiam collegit, sed eam
etiam conservat in hunc usque diem.) Lacte (1. Cor. III. 2. Hebr. V. 12.) euangelii puerum hic nutriuit, &
igne
|| [57]
Prunarum (Esaiae VI. 6.) fouit, quas tenet ara dei.
Lactiflua ut tandem rursus sacra dogmata Christi Defaecato alios igne docere
queat. Tum aurigam imponit sacro recto ordine plaustro, Angelum & huncmagnum
per loca cuncta legat. (Ezec. I. 15. seque.)
Latius ut spargat sanctissima semina verbi, Et sinat haud homines amplius esse
feros. Vexit & altisonum multo discrimine currum Triptolemus noster, fasque
bonumque colens. Perque urbes traxit, pagos, per moenia, septa, Principum &
augustas rupit ad usque domos. Frangitur ast medio (dolor ah!) sub tramite
currus Blanckenburgiaco, Triptolemusque perit. (Quod
factum eheu! die XII. April. MDCC XXVI.) Finius ah! cecidit! gemit
hinc Brunsuigica templi Blasiaci inprimis Triptolemique domus. Pan gemit
AUGUSTUS, (Cujus fuit in templo ducali, quod est in
arce Grauhoff, concionator.) Pan Herciniaeque RUDOLPHUS, (Cui non solum a concionibus, sed etiam confessionibus
fuit supremus.) Brunsuiacum reliquum (Serenissimo enim Duci Brunsuico-Beverensi natu majori fuit itidem a
confessionibus.) stemma dolore gemit.
|| [58]
Namque suum patrem, jam doctorem,
atque magistrum, Verbo: Triptolemum quisque obiisse gemit. Quid? gemit atque
Pales, puto, curia magna sacrorum Custos; ejus enim pars quoque magna fuit. Nam
silet omnis ager, Grauhof, tum Blasius, atque Campensis quicquid circulus omnis
habet. Cedant Finiacis sacra tristia Eleusica lessis, Queis similes olim gens
Jacobaea (Genes. L. 10.) tulit. Cum facibus
queruli triuios percurrite calles, (Praeter ceteras
sacris Eleusinis solitas ceremonias faces accensas ferebant, ad refricandam
memoriam quaesitae a Cerere Proserpinae a Plutone raptae per triuia &
compita Proserpinam magnis clamoribus vociferantes, tristique ululatu
complentes omnia. Servius in 4. AEneid.) In quibus amissus Finius ille
fuit. Ast st magna Viri mors alta silentia poscit, Namque sub hoc obitu multa
tacenda latent (In utris que Eleusinis sacris, de
quibus supra, mirum erat silen tium perpetua que taciturnitas: Sic, ut ex
iis quidpiam euulgare nefas esset: Hinc natum mysterii nomen , os claudere Senec. l. VII. nat. qu. c. 31. p. m.
795.) Ergo tacete obitum hunc, arx ne Brunsuigica duplex Audiat hos
lessos principum & alma Trias, Nec viduata toro conjux, genitoreque proles
Bina orbata cadat vulnere tacta nouo. Sed propera Eusebie tumulum, Polyhymnia
carmen,
|| [59]
Tuque Clio insculpas funeris
omne caput: Triptolemum, plaustro lapides qui triuit &
agros, Mortifer huncce lapis calculus atque terit
Hoc Epicedio memoriam Viri Patroni sui in vita venerabilis venerari etiam in
morte voluit debuit
J. H. Schrodt. Schol. Cathar. ConR.
Ps. CXIIX. v. 17. Ich werde nicht sterben, sondern leben. Ein PROGNOSTICON Zur
Unsterbligkeit.
WEr JEsu wahres Wort wird biß ans Ende halten / Der stirbt im Sterben nicht / er lebt in Ewigkeit; Muß gleich der schwache Leib in dieser Zeit erkalten / Fährt doch der Geist zu GOtt und zur Unsterblichkeit.
Natürlich ists / daß uns des Todes Wermuth schrecket / Wenn Leib und Seele soll vonander scheiden ab / Und unser Leib nachher wird in die Erd verstecket / Verweset und vergeht in einem dunckeln Grab.
Doch wird ein gläubig Hertz von diesem nichts empfinden / Weil es aus GOttes Wort sich wohl bescheiden kan / Daß solcher Tod herrühr von Adams ersten Sünden / Und durch die Sünde auch gepflantzt auf jedermann.
|| [60]
Nun sollen wir hier nicht ein ewig Bleiben haben / GOtt unser Schöpffer hat ein bessers ausersehn / Auf unaussprechlich Art will er uns dorten laben Wenn wir als treue Knecht / in seine Freude gehn.
So hab Wohlseeliger! Dich kurtzens reden hören In unserm GOttes-Hauß / das Dir vertrauet war / Dein treuer Hirten-Mund hat uns recht wollen lehren / Zu gehen aus der Welt und zu der Engel-Schaar.
JEsus / den DU uns und Dir selbst hast fürgestellet Zum Helffer: hat gethan / warum er angefleht; Dich wie Eliam bald zum heil’gen Chor gesellet / Und über alle Stern mit Himmels-Glantz erhöht.
Diß war Dein Hertzens-Wunsch / Dein Sehnen / Dein Verlangen / Dein Lehren / Deine Bitt an Deine Schäffelein / An diß vergängliche nicht allzusehr zu hangen / Dein letzter Wunsch trifft recht mit Deinem Ende ein.
„JEsu! wer dein Wort hält der wird den Tod nicht sehen / „Und zur Unsterblichkeit durch sanfftes Sterben gehen / „Halt uns bey deinem Wort in Glaubens Freudigkeit / „Und führ auch durch den Todt uns zur Unsterblichkeit.
|| [61]
Unsterblich lebest Du durch Deinen festen Glauben Bey GOtt im Himmels-Thron / in Deines JEsu Schooß Und weil Dein Glaube nicht bestund auff schwachen Schrauben / So spricht Dein Helffer Dich von aller Untreu loß.
Unsterblich bist Du hier von wegen Deiner Thaten / Dein unsterblicher Nahm bleibt in der Nach-Welt stehn Unsterblich bleibest Du denen so Du gerathen Die jetzt als Witw’ und Weys’n Dir höchst-betrübt nachsehn.
Doch faßt die Thränen auff Ihr die Ihr höchst betrübet / Und dencket daß es GOtt also beschlossen hat / Daß ihm auch das gehört / was Ihr am höchsten liebet / Denn was GOtt thut / das ist recht gut auch in der That.
Unsterblich bleibst Du mir / o Theurer Mann! bekleben Ins Hertz; Was väterlich Du hast an mir gethan / Dafür sey ewiglich in Deinem Freuden-Leben Der allerhöchste GOtt / Dein Schild und grosser Lohn. Dieses wolte zum Trost der Höchstbetrübten Frau Wittwen / Kinder und gantzen Leid-tragenden Hohen Familie, auch zum Merckmahl Seiner Devotion, zum Danck-Opffer der von Jugend auf biß hieher genossenen väterlichen Treue und Beystandes aus der letzten Predigt des Wohlseeligen Herrn Abts erinnerlich machen Der Hinterlassenen Höchstbetrübten Familie verpflichtester Diener. Johannes Martinus Bonnichius. Praecentor & AEdituus S. Blasii.
|| [62]
SChleuß / theurer Mann / in Deiner Kammer / Itzt Deine matten Augen zu / Weil hier doch nichts als lauter Jammer / Biß uns der Tod bringt zu der Ruh / Je mehr wir zählen graue Haare / Jemehr wächst bey uns Angst und Pein / Und letzt muß eine Todten-Bahre Der beste Sold für alles seyn. DEIN Lob sol bey uns unterdessen / Ins Hertze feste sein gedrückt. Es bleibt die Guthat unvergessen / Womit DU offtmals uns erquickt / Wir rühmen Deine milden Hände / Ingleichen Deine Vater Treu / Und glauben / daß mit Deinem Ende / Uns vieles weggerissen sey. Nur diß befördert unsre Thränen / Daß DU so frühe von uns gehst / Wir werden uns noch lange sehnen, Nach dem der uns bißher getröst. Jedoch wir hemmen unsre Klagen / Und gönnen DIR die sanffte Ruh /
|| [63]
DU bist nun frey von allen Plagen /
Die vormahls auf DICH setzten zu. DU lebst nunmehr in Himmels-Auen / Da uns die
Welt noch dienstbar hält / DU kanst auf ewig JEsum schauen / Wohl dem / der so
geht aus der Welt /
Dieses schrieb mit betrübter Feder aus schuldiger Hochachtung und Veneration
gegen dem Wohlseeligen Herrn Abt
Johann Andreas Krebß / Cant. und Org. zum Cl. Michaelstein.
|| [ID00138]
In der Predigt.
Pag. 3. lin. 2, XXXIII. liß XXXVIII.
P. 10. l. 7. Meifler liß Meister.
P. 11. l. 15. GOtes liß GOttes.
P. 12. l. 10. Cbristi liß Christi.
P. 12. l. 17. 2. Sam. liß. 1. Sam.
P. 13. l. 19. großmuhtigen liß großmühtigen.
P. 25. l. 6. unsern liß unsers.
P. 29. l. 17. nns liß uns.
P. 46, l. 16. sicheru liß fichern.
P. 52. l. 2. gorsser liß grosser.
In den Personalien.
Pag. 58. lin. 27. besonderu liß besondern.
P. 58. l. 30. nit liß nicht.
P. 60. l. 24. was sonst von dem liß was sonst dem.
P. 61. l. 26. wie der Tod / welcher weder liß wie der Tod weder.
P. 62. l. 19. Da liß Ja.
Pag. 66. l. 5. deutlicher würden die Jahre des Lebens ausgedrückt seyn, wann 57. Jahr 4. Monat und 18. Tage gesetzetworden.