Transkription

Finen, Eberhard: Das Durch den Seeligen Todt Des weyland Edlen, Großachtbahren und Wohlweisen Herrn Ernst Boes, ... Mit Gott glücklich getroffene Liqvidum Bey dessen ansehnlicher und Volckreicher Leich-Bestattung In einer Abdanckungs-Rede ... .
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Das Durch den Seeligen Todt Des weyland Edlen / Großachtbahren und Wohlweisen
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Herrn Ernst Poes Vornehmen des Raths allhier / wie auch berühmten Kauff- und Handels-Manns /
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Mit Gott glücklich getroffene LIQVIDUM Bey dessen ansehnlicher und Volckreicher Leich-Bestattung In einer Abdanckungs-Rede vorgestellet Von Eberhard Finen. Past. ad D. Blasii.
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Braunschweig / Gedruckt bey Heinrich Keßlern / 1706.
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Tit. Tit.
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ZU sagen / macht Schuld! Dieses Wort heist mich Wort halten / und dasjenige gern zu thun / was ich höchst ungerne thue / wündschende / daß es zu thun unnöthig wäre; Ich meyne / hier vor zutreten / und dem Edlen / Threnvesten und Vorachtbahren Herrn Ernst Poes / Wohlverdienten Raths-Verwandten und fürnehmen Kauff- und Handels-Herrn dieser meiner wehrten Vatter-Stadt bey seiner hochansehnlichen Beerdigung eine Leichen-Rede zu halten. Es sind ja schon einige Monath verflossen / da dieser Seelige Mann / dessen Liebe und Freundschafft mir durchs Erbtheil / so zu reden / war zu gefallen / bey einer Besuchung mich darum ersuchte; auch darauf / mit dem Vorbehalt / Ihm lieber im Leben als im Tode zu dienen / von
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mir die Zusage erhielte. So habe ich denn eine Schuld auf mich geladen / und der traurige Anblick dieser aufgebahrten Leiche fodert itzo von mir die Bezahlung. Ich gestehe aber gar gern / das hertzliche Mitleiden / so ich mit denen habe / sobey diesen Trauer-Fall ihr Leiden schmertzlich empfinden / würde mich zweiffelhafftig machen / was ich reden solte / wenn nicht der nunmehr erblaste Mund mir selber die Rede in den Mund geleget / da Er von mir verlangte öffentlich von ihm zu zeugen / wie Er auch bey seinen grösten Creutz und langwierigen Kranckheit / ja biß in den Todt / mit Abraham / mit Mund und Hertzen sagen wolle: HErr / ich bin zu gering aller Barmhertzigkeit und Treu / die du an deinen Knecht gethan hast. So stund der Seel. Mann mit seinem GOtt gleichsam immer in Rechnung / sahe aber wohl / daß an seiner Seiten immer mehr im Rest bliebe / als Er bezahlen könte. Mir deucht gäntzlich / Er hat darum so sehr gewündschet / daß doch die Messe möchte erst zu Ende seyn / weil ihm der Sinn zugetragen; In der Zahlwoche würde Er endlich mit seinem GOtt völlig heraus kommen. So ists auch geschehen / und kan ich / wenn M. H. A. nicht verdrießlich fallen solte / noch wenig Worte zu hören / Seinen Todt ihnen wohl beschreiben / als ein mit Gott glücklich getroffenes Liqvidum. Ich stel
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le mir hiebey vor / als hätte ich bey dem Seel. Mann ein in drey Rubriqven eingetheiltes Pappier gesehen / da die erste Rubriqve hiesse: Von GOtt empfangen. Die andere: Selbst darauf entrichtet. Die 3te: Per Wechsel oder Assignation an Christum bezahlet. Unter der ersten Rubriqve Von GOtt empfangen / stünde: Alles / alle Barmhertzigkeit und Treue. Unter der andern: Selbst bezahlet; Nichts. Unter der dritten: Per Wechsel und Assignation an Christum bezahlet. Dessen vollkommenen Gehorsam und gantzes theures Verdienst. Unter alle drey Rubriqven ein Strich gezogen / und darunter gesetzet: Dieses gegen einander gerechnet / ist
Empfang und Bezahlung / Liqvid, und gehet gegen einander richtig auf. Wenn alles dieses kurtz gefasset / möchte es heissen:
Alles hab ich von GOtt / nichts hab ich abgeführet / Doch weis’ ich JEsum an / so ist die Schuld cassiret.
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Wer den Seel. Herrn Goes etwas näher gekandt / wird Ihm das Zeugniß geben / daß Er sorgfältig Buchgehalten. Ich muß aber aus seinen eigenen Unterredungen auch dieses zeugen / daß Er dabey nicht vergessen fleißig Uberschlag zu machen / wie Er mit GOtt stünde / und Empfang und Bezahlung fleißig gegen einander zuhalten. Und fand Er denn freylich in der Einnahme und Empfang viel Gutes; Viel Barmhertzigkeit und Treu. So fand sich in dieser Rubriqve: Die Erzeugung von Christlichen Eltern; So da geschehen Anno 1647. d. 28. Decembr. und mag das Andencken dessen Seel. Herrn Vatters Heinrich Goesen / Kauffmanns und Raths-Verwandten allhier noch wol bey unterschiedlichen in guten Andencken seyn. Ferner die Kindschafft Gottes un̅ Verbrüderung mit seinem Heyland C. Jesu / die sorgfältige Erziehung und Anführung unter Gottes Seegen sein Stück Brodt zu erwerben / der glückliche und gesegnete Anfang seiner Handlung; Die wohlgetroffene Heyrathen / als die erste mit der Seel. Johanna Margareta Strunckinn 1669. Die andere mit der noch lebenden höchst-betrübten Frau Wittwen Elisabeth Lattemanns / welche Anno 1672. vollzogen / und biß in die 34. Jahr in erwünschtem Fried und Einig
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keit fort gesetzet. Die sonderbahre Gabe des HErrn / der erfolgte Ehe-Segen / da Ihn GOtt in erster Ehe von einem Sohn / in der andern von 3 Söhnen und acht Töchtern lassen Vatter werden; Die glückliche Berahtung dreyer liebe̅ Töchter / der ansehnliche Ehren stand / und Aufnahm unter die Glieder des Wol-Edlen Raths dieser Stadt / dazu Ihn Gott / und die bey Ihm gefundene kluge und vernünfftige Aufführung 1694. geholffen; das aufrichtige redliche Gemüt / so gewiß vor eine grosse Gnade Gottes zu halten; die Bewahrung vor groben Sünden und Lastern; die durch die meiste Jahre von GOtt verliehene Gesundheit; die Gnade und Liebe bey Hohen und Niedrigen; mithin der reiche Seegen in seiner Handlung / und dabey sich findende zeitliche ohnsündliche Vergnüglichkeiten. Das liebe Creutz / welches / weil es denen / die GOtt lieben / muß zum besten dienen / allerdings mit unter die Treu zu zehlen / die GOtt an Ihm gethan. Dahin gehöret insonderheit der Verlust des ersten Ehegatten / die schmertzliche Theilung seiner lieben Kinder / da GOtt nach seinen heiligen Willen Ihm nur die Helfte gelassen / die Helffte zu sich genommen; So viel saure und beschwerliche Reisen / mehrmahliger Verlust in der Handlung / Neid und Verfolgung: Zu genöthigte Processe / unterschiedene schwehre Lager / so Er
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theils Selber aushalten / theils an den Seinigen sehen müssen / un̅ was das grösseste Creutz dabey gewesen / die Verhinderung zugehen in das Hauß des Herrn und die schönen Gottes dienste zu beschauen. Solte der erblassete Mund reden können / ich weiß / er würde noch mehr Güte und Treue rühmen / die Er von GOTT empfangen / insonderheit rühmete Er die letztere langwierige Kranckheit / durch welche Ihm GOTT die Gnade gethan / daß Er seinem Tode langsam entgegen gehen / und sich zu seinem Abschiede so wohl bereiten können. Wie wirds aber mit der andern Rubric, was ist von dem Sehl. GOTT wieder entrichtet? Dem Ansehen nach / Vieles; Eine hertzliche Liebe zu GOtt / ein täglich Lob- und Danck-Opffer / eine Hochachtung des Göttl. Worts und der Heil. Sacramenten / fleißige Besuchung des Gottes-Hauses / und in demselben solche Aufmercksamkeit / daß Er / was das Ohr gehöret / zu besserer Wieder-Erinnerung in die Feder gefasset; Sorgfältige Kinder-Zucht / Anführung der Seinen zur Gottseeligkeit / Aufrichtige Liebe gegen seinen Nächsten / Mildthätigkeit gegen die Armen / Redlichkeit im Handel und Wandel / ein Wiederwillen gegen allen Betrug und Falschheit / mit einem Wort: Sorgfältiges Bemühen zu haben ein gut Gewissen beydes gegen GOtt und den Menschen. Dieses alles
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scheinet dem Ansehen nach sehr viel zu seyn. Hier aber sagt der Seelige: Ich bin zu gering etc. Und wenn Er die Menschlichen Schwachheiten / die täglichen neuen Schulden / welche Er machte / und die Worte des Heylandes / Wenn ihr alles gethan habt / etc. dagegen hielt / so fand er wohl / daß in dieser Rubric doch nur lauter Nullen stünden; da hieß es:
Alles hab ich von Gott / nichts hab ich abgeführet. Indessen wuste Er doch als ein guter Christe / daß sich sein Gott gerne bezahlt machen wolte mit dem vollkommenen Gehorsam / Verdienst und Gerechtigkeit seines Sohns; Sein Glaube war der Wechsel-Brief und die Assignation, welche Er / so zu reden / par couvert in einem andächtigen Gebet seinem GOtt zu schickete / und wie willig war der Heyland den Wechsel-brieff zu acceptiren / und seinen Vater zu befriedigen. Da hieß es denn:
Ich weise Christum an / so ist die Schuld cassiret. So war zwar Abtrag geschehen / doch weil täglich mehr gutes wieder dazu kam / und neue Schulden gemacht wurden / so fand der Seel. wohl / daß Er so lang er lebte / nicht würde zur völligen Richtigkeit kommen / ging deß wegen eine gute Zeit her mit Todes-gedancken um; und ist bereit ein Jahr verflossen / da Er mir seine Gedancken von seinem Grabstein entdeckte / welche Er
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auch nachgehends noch ins Werck gerichtet. Insonderheit wündschete Er / daß die Messe zu Ende lieffe / ließ die Seinigen abrechnen / liqvidiren / bezahlen / Er wolte von nichts wissen / als wie Er mit seinem Gott zum endlichen Liqvido und Schluß kommen möchte. Da blieb nun zwar immer in seinen Gedancken / das HErr / ich bin zu gering etc. doch war das Hertz versichert / daß seines JEsu völlige Gnugthuung / das was er zu gering / überflüßig ersetzte. Die Messe war vorbey / und den nächst folgenden Morgen hatte GOtt bestimmet / mit Ihm zu liqvidiren / und hier legte Er nun durch einen andächtigen Seufftzer nach dem andern GOTT die Bezahlung dar. GOtt war zu frieden / und Er empfand / daß GOtt zu frieden war / denn da Er die Nacht öffters geseufftzet: Hüter ist die Nacht schier hin / sagte Er gegen den Morgen: Nun wirds bald werden. Er meynete / es werde gut werden / und es ward gut. GOtt lösete die Seele aus den Banden / welche dieselbe 58. Jahr / 1. Monat / 21. Tage getragen / den Leib von der Marter durch ein sanfftes Ende. Nun hieß es:
Empfang und Bezahlung / Liqvid, und gehet gegen einander richtig auf. Mein Handel ist nun aus / die Bücherleg ich nieder /
Was ich von Gott empfing / hat Gott nun alles wieder.
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Doch es zeiget sich bey dieser Liqvidation Gewinn und Verlust. Ich weiß / die höchst-betrübte Frau Wittwe würde dies letzte Wort / wenn Sie gegenwärtig wäre / mit einen tieffen Seufftzer mir aus dem Munde nehmen; Ja wohl Verlust: würde Sie gedencken; Mein Trost / den ich in der Welt von der Welt gehabt / ist verlohren / Mein Haupt verlohren / Mein Vorsprach verlohren / Mein halbes Hertz verlohren / wer wird Sie verdencken / wenn Sie bey solchem Verlust sich selbst nicht finden kan. Die gesamte Kinder und Herren Schwieger-Söhne / wie auch der Herr Bruder und nahe Anverwandten fühlen den Verlust mit schmertzlicher Empfindlichkeit / Jener Ihr Auge verlohren! Ihres Hauses Seule / Ihr Berather / Ihr Versorger verlohren; Dieser ihr treuer Beystand / ihr Hertzens Freund verlohren. Das Collegium eines Wohl-Edlen Raths hat seinen Verlust; Verlust eines vernünfftigen / höchst nützlichen und glimpfflichen Mannes. Die wehrte Bürgerschafft hat Verlust eines redlichen Mit-Bürgers und wohlmeynenden Patrioten. Die Armen haben ihren Verlust / Verlust eines milden Gutthäters. So hat nicht leicht jemand ohne Betrübniß die Post gehöret / daß Herr Ernst Goes gestorben. Halten wir aber den Gewinn dagegen / welchen der Seel. bey diesen Verlust gehabt / so muß Seine Freude unser Trauren mäßigen. Er gewinnet tausendmahl mehr / als alle mit einander verlohren. Nun
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kan Er erst recht erkennen die Barmhertzigkeit und Treu / welche GOtt an Ihm gethan; Nun gehet der rechte Empfang der Himmlischen Güter erst recht an / und er ist in dem Stande / daß Er seinen GOtt selbst mit einen freudigen Lob-Gesang bezahlen kan / darff keiner Assignation und Wechsel mehr / Messe und Jahr-Marckt sind aus / darff nicht mehr wie vorhin wegen künfftiger Seeligkeit auf Credit handeln; Ich errahte seine Gedancken / wenn ich sie also ausspreche:
Die Messe miß ich nicht: hier findich beßre Wahr / Hier kein Credit / kein Borg / Gott zahlet alles bahr. Einen Verlust hat doch der Seel. bey Seinem Gewinn gehabt / wenn es ein Verlust zu nennen / eine zerbrechliche Hütte mit Hoffnung einer ewigen abzulegen / ich meyne / er hat seinen abgematteten Leib müssen hier auf Erden lassen. Derselbe muß nun nach alten Gebrauch in die Erde / und M. H. A. sind deß wegen auf gebührende Einladung hier versamlet / dem Seel. Mann / durch dero ansehnliches Geleit seines Leibes / in den Schooß seiner Mutter / nach dem Tode zu zeigen / daß Sie Ihn im Leben lieb und werth gehalten.
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Wie ich denn nun nach meinen wenigen Vermögen das gethan / wozu mich meine Zusage und Liebe gegen den Seel. Verstorbenen verbunden / so ist noch übrig das zu thun / was mir von denen noch Lebenden / als der Frau Wittwen / Kindern und Herrn Schwieger-Söhnen aufgetragen worden. Dieselbe lassen denn zuforderst Ihrer Hoch-Fürstl. Durchl. Unsern gnädigsten Landes-Herrn durch meine Wenigkeit unterthänigsten Danck abstatten / daß Dieselbe gnädigst geruhen wollen / diesem geringen Hause die hohe Gnade zu thun / und Ihren Seel. Mann / Vatter / und Schwieger-Vatter durch Dero Hochansehnlichen Herren Abgeordneten eines Hohen Geleits zu würdigen. Wie Sie sothane Hohe Gnade durch ein Andächtiges Gebeth und unterthänigsten Gehorsam zu verschulden / sich eyffrichst bemühen werden; So wündschen Sie von Hertzen / daß GOtt Ihr. Hochfürstl. Durchl. die Jahre zu lege / welche der Seel. Mann Alters halben noch erleben können / und Dieselbe in vielen hohen Vergnügen leben / und sanfft / aber späte sterben lasse. Denen übrigen sämptlichen nach Standes Gebühr Hochzuehrenden Leich-Begleitern wird ebenfals gehorsamster Danck gesaget / daß
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Dieselbe die grosse Mühe nehmen / und den Seeligen Mann zu Ehren / denen Betrübten aber zum mercklichen Trost diese Beerdigung zu zieren / Ihnen gütigst gefallen laffen. Dieselbe wünschen alle / doch nur nicht traurige Gelegenheit / Ihre schuldige Erkentlichkeit durch willige Gegen-Dienste zu bezeugen. Mein Wunsch soll dabey dieser seyn: Daß Sie samt und sonders noch viel Barmhertzigkeit und Treu von GOttes Hand in dieser Welt geniessen / und nach langer doch GOtt gefälliger Zeit ein glückliches Liqvidum treffen mögen.


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