|| [ID00003]
Der In Erwegung Göttlicher Wollthaten sich recht verhaltende Israeliter /
Welcher Auß dem 1. B. Mos. XXXII. 10. Bey ansehnlicher und Volckreicher
Beerdigung Des weiland Hochwürdigen / in GOtt andächtigen und Hochgelahrten
Herrn / HERRN JOHANNIS Niekamp / Gewesenen fürtrefflichen THEOLOGI, und beyder
Städte Hildesheim in das eilffte Jahr treu-eiffrigen und Hochverdienten
SUPERINTENDENTEN, Als Derselbe / Nachdem Er den 2ten Junii dieses lauffenden
1716ten Jahrs sanfft und selig abgeschieden / darauff den 7ten / als am Fest
Trinit: in hiesiger Haupt-Kirche S. Andreae auff dem Chor zur Erden bestattet
worden / Betrachtet und vorgestellet Von M. FRANCISCO HENRICO Meyer / Past.
daselbst und Rev. Minist. Sub-Seniore.
Der Hoch-Edlen / Hoch-Ehr und Tugendbelobten Frauen / FRAUEN Annen Ilsabe
Schmidts / Des Weiland Hochwürdigen / in GOtt andächtigen und Hochgelahrten
Herrn / HERRN JOHANNIS Niekamps / Gewesenen treu-eiffrigen Lehrers / und beyder
Städte Hildesheim hochverdienten SUPERINTENDENTEN und INSPECTORIS,
Hinterlassenen hochbetrübten Frau Mittwen /
|| [ID00005]
Wie auch Denen Hoch-Edlen / Hoch-Ehr- und Tugendbegabten Frauen Töchtern / Fr.
Marien Latharinen Niekamp / (TIT.) Herrn AUGUSTI Scissers / Hoch-Fürstl.
Braunschweig-Lüneburgischen GENERAL - SUPERINTENDENTIS Zu Gandersheim /
Ehe-Liebsten /
Fr. Annen Elisabeth Niekamp / (TIT.) Herrn JOHANN CHRISTIAN Grebens /
Wollmeritirten PASTORIS der Evangelischen zu Lambspringe und dazu-gehörenden
Gemeinen / Ehe-Liebsten /
Fr. Annen Sophien Helenen Niekamp / (TIT.) Herrn JUSTI THEODORI Gieselers /
Treu-fleissigen PASTORIS der Christl. Wolffenbüttelschen Gemeine zur Heil.
Dreyfaltigkeit / Ehe-Liebsten /
Fr. Elisabeth Christinen Niekamp / (TIT.) Herrn JOHANN LUDEWIG Maurers /
Treu-fleissigen PASTORIS der Christ-Evangegelischen Gemeine zu St. Pauli
hieselbst / Ehe-Liebsten /
|| [ID00006]
Nicht weniger Denen in der Blühte schönster Hoffnung stehenden nachgebliebenen
Lieben Söhnen Und Jungfer Tochter / ANTHON LUCAS Niekamp / FRIEDERICH WILHELM
Niekamp / Igfr. Henrietten Amalien Eleonoren Niekamp / JOHANN LUCAS Niekamp /
Seinen allerseits respectivè hochgeehrten Freundinnen und Gönnern /
Ubergibt diese / Dero wohlseeligen Ehe-Herrn und Vater gehaltene und zum Druck
verlangte / Leich-Predigt dienstschuldigst / nebst dem auffrichtigen hertzlichen
Anwunsche / daß der GOtt und Vater alles Trostes / der da tröstet in Trübsahl /
Sie allesam̅t reichlich trösten / und ihre hochbetrübte Hertzen
durch das Erkäntniß seines heiligen und besten Göttlichen Willens / beruhigen
und stillen / und alles das bey ihnen würcken und schaffen wolle / was zu ihrer
warhafftigen Auffrichtung in GOTT / und heiliger Gelassenheit / auch in diesem
Creutze GOTT zu preisen / nöhtig / nütz- und ersprießlich seyn mag /
I. N. J.
DIe Gnade unsers HErrn und Heylandes JEsu Christi / die Liebe GOttes des Vaters /
und die Gemeinschafft des Heiligen Geistes sey mit uns allen; und dieser
Dreyeinige GOtt tröste sonderlich unter uns / die Er betrübet / Er heile / die
Er geschlagen / Er verbinde / die Er verwundet! O! GOTT Vater schencke Ihnen und
uns allen den Trost deines Geistes / um JEsu Christi willen. Amen!
Vor-Eingang.
ANdächtige und Geliebte / zum Theil schmertzlichbetrübte und Leyd-tragende
Hertzen: Von Johanne, dem Täuffer und Vorläuffer des Messiae lesen wir / daß Er
für einen heiligen und frommen Mann geachtet und geschätzet worden sey. Denn so
schreibet der Evangelist Marcus: (Marc. VI. 20.)
Herodes aber furchte Johannem, denn er wuste / daß er ein frommer und heiliger
Mann war / und verwahret Ihn / und gehorchet Ihm in vielen Sachen / und höret
Ihn gerne.
Nicht von dem Herode, dem Vierfürsten / dem wollüstigen Welt-Kinde / Blutschänder
und ungerechten Tyrannen und Mörder / voritzo zu reden; bey welchem woll Furcht
/ aber keine wahre Gottesfurcht zu einer seligen Aenderung und Besserung /
sondern
|| [6]
nur eine blosse
Menschen-Furcht / die den Sünden-Lauff woll in etwas hemmet / und die böse
Wirckung zurücksetzet; aber den Willen zum Bösen nicht auffhebet / als der
vielmehr bald wieder durchbricht / und den Lauff fortsetzet. (D. Martin. Chemnit. Harm. Evang. cap. 31. p. m. 266. b.
De tali timore hominum elegans est Chrysost: Sententia: Timor Dei corrigit:
Timor hominum differt malam operationem, voluntatem aut non auffert, sed
retinet, donec offeratur opportunitas.) Ja war nicht eine schöne
Furcht und Hochachtung Johannis bey dem Herode, da er Ihn doch bald / um der
lieben Warheit willen / und weil er ihm seine eiternde Gewissens-Beule etwas
hart angetastet / ins Gefängniß geleget und verwahret / und letztlich tödten
lassen? (Matth. XIV. 3. 10.)
Sondern allein auff den treuen und standhafften Diener GOttes / Johannem, zu
sehen / so lautets recht schön von Ihm / daß Er ein frommer und heiliger Mann
gewesen. Ja das wuste nicht nur der Gottlose Herodes, als der davon in seinem
Hertzen zur Gnüge überzeuget gewesen / sondern es war auch bey dem Jüdischen
Volck überall offenbahr / so daß man sich deßwegen häuffig zu ihm gehalten und
von Ihm unterweisen lassen; Und wie hoch gedachte man Ihn nicht / wegen seiner
besondern heiligen Aufführung / Lehr- und Lebens-Art / zu erheben? Er solte der
Messias, oder Elias, oder doch ein grosser Prophet seyn. (Joh. I. 19. seq.) Was war Er aber? Ein frommer und
heiliger Mann / und also ein GOtt-Engeln und Menschen beliebter und theurer
Mann. Wie der Baum / so die Frucht: Wie die Eltern so die Kinder / wenn nicht
allgemeinlich doch gemeiniglich. Johannis Eltern / der Vater Zacharias / und
seine Mutter die Elisabeth / waren beyde fromm / , und
giengen in allen Geboten und Satzungen des HErrn untadelich. (Luc. I. 6.) Und in solcher Fustapffen trat denn
auch der Sohn / der war fromm / , gerecht und heilig /
nicht daß er gantz vollkommen gerecht und heilig für GOtt gewesen / denn für
GOtt ist kein Lebendiger gerecht (Ps. CXLIII. 2.)
und niemand so heilig / daß er ohne alle Mängel und Gebrechen seyn solte; Da ja
auch unter seinen Knechten oder Heiligen keiner ohne Tadel / und in seinen Boten
GOtt Thorheit gefunden. (Hiob. IV. 18.) Sondern
Er beflisse sich mit allem ungeheucheltem Ernste und Eifer der wahren
Gerechtigkeit und Heiligkeit / die für GOTT gefäl
|| [7]
lig.
(Luc. I. 75.) Erwandelte für GOtt und war from̅. (Gen. XVII. 1.) Er war wie Noah,
ein from̅ Mann / und ohne Wandel / und führet ein göttlich Leben.
(Gen. VI. 9.) Heilig und from̅
war Er in der Lehre / und auch im Leben. In beyden war Er ein brennend und
scheinend Licht / wie der HErr JEsus selbst von Ihm zeuget. (Joh. V. 35.) Ob ein brennendes und scheinendes
Licht über seinem Häupte / bey seiner Gebuhrt / gesehen worden / wie Kessaeus,
ein Muhammedanischer Scribente / anführet / (D. Thomas
Ittigs Spiegel der wahren Frömmigkeit. pag. 50.) davon schreibet der
Evangelist Lucas nichts / daher nicht unbillig daran gezweifelt wird. Und gnug
daß Er geleuchtet und geschienen / richtig und eiffrig lehrend / und auch heilig
und unsträfflich wandelnd. Er lehrete ohne Furcht / getrost ruffend / und seine
Stimme erhebend wie eine Posaune / (Es. LVIII.
1.) und achtete auch der schweresten Verfolgung nicht.
Ohn Menschen Scheu nur GOtt getreu / war sein rechtes Symbolum, dabey Er denn so demühtig und gering in seinen Augen für seinem GOtt und Heylande / daß er sich auch nicht wehrt achtete / seines Königes und Herrn Schuh-Riemen auffzulösen. (Joh. I. 27.) Aber wir wenden uns / Geliebte / von diesem JOHANNE zu einem andern / nemlich zu unserm in GOtt nun selig entschlaffenen / und für unsern Augen jetzt niedergesetzten JOHANNEM, den weiland Hochwürdigen / in GOtt andächtigen und Hochgelahrten Herrn JOHANNEM Niekamp / gewesenen Treu-eiffrigen Lehrer / und beyder Städte Hildesheim jederzeit wachsamen und unverdrossenen SUPERINTENDENTEN; einen auch theuren und wehrten Gottes-Mann. Und von dem solten wir woll viel melden / dabey wir in allen die Warheit sagen würden: allein die Demuht seines Hertzens / und sein Mißfallen an dem äusserlichen Ruhm / so wir in seinem Leben an Ihm verspühret / hemmet meine Zunge / daß ich nicht thun darff / was ich sonst woll solte. Jedennoch muß ich das sagen / was ihr alle wisset / und was nicht nur an diesem / sondern mehrern Orten bekant; nemlich / daß Er ein frommer und heiliger / und dabey grund gelahrter und geschickter JOHANNES gewesen / der in Lehr und Leben / in Kirchen und Schulen / fürtrefflich geleuchtet / und manchen / manchen hellen Schein von sich gegeben.
|| [8]
Und das ist es denn / daß uns dauren / und unsere Hertzen durchschneiden soll /
daß wir einen solchen Mann / der nicht nur unterweiset war den Weg des HErrn /
sondern die Ihm anvertraueten darinn auch treulich unterwiese; der da redete mit
brünstigem Geiste / und lehrete mit Fleiß von dem HErrn / und der da mächtig war
in der Schrifft / wie Apollo, (Act. XVIII. 24.
25.) der da hielte ob dem Worte / das gewiß ist / und mächtig war zu
ermahnen / durch die heilsame Lehre / und zu straffen die Widersprecher / dazu
Paulus Titum ermahnete / (Tit. I. 9.) der da
geflissen war GOtt zu erzeigen einen unsträfflichen Arbeiter / der da recht
theilete das Wort der Warheit / wie Timotheus sich also zu verhalten erinnert
wurde / (2. Tim. II. 15.) daß wir / sage ich /
einen solchen Wächter und Hirten / einensolchen Vater und Beter / einen solchen
Lehrer und Führer verlohren / und so verlohren / daß wir sein Angesicht hinfort
nicht mehr sehen werden.
Ja! solte Euch solches nicht betrüben / alle die ihr Ihn recht gekannt / und
seine Frömmigkeit und Heiligkeit / als folgsame Schäfflein dieses eures Hirtens
/ woll observiret? Solte Euch solches nicht betrüben / Ihr lieben Obern? Ich bin
versichert / Ihr werdet betrübt sagen: Wir haben einen frommen heiligen
JOHANNEM, und einen mit dem Mose sich woll stallenden Aaronem verlohren. Solte
Euch solches nicht betrüben / Ihr nunmehr gleichsam verwäisete Glieder des
Evangelischen Ministerii? Ich darff nicht zweifeln Ihr werdet mit bekennen; Wir
haben einen frommen / heiligen / gelahrten und Fried-liebenden JOHANNEM
verlohren / einen so theuren Eliam. Solte Euch solches nicht betrüben / Ihr
wehrten Schul-Lehrer und Praeceptores? Ich glaube gewiß / Ihr werdets bekümmert
gestehen; Wir haben einen frommen / heiligen / fleissigen und exemplarischen
JOHANNEM verlohren. Solte Euch solches nicht betrüben / Ihr Christ-Evangelischen
Stadt-Gemeinden? Ich traue es Euch zu / Ihr werdet traurig ausruffen: Wir haben
einen frommen / heiligen / nicht die Ohren nur kitzelenden / sondern die Hertzen
nachdrücklich rührenden gewaltigen Lehrer und JOHANNEM verlohren. Der
Hoch-hertz-und schmertzlich-bekümmerten Frau Wittwen / Frauen und Jungfer
Töchter / respectivè Herren Schwieger- und sonsten nachgebliebenen / sich
woll-anlassenden Söhne hätte ich zuerst gedencken sollen; aber Derselben
sonderliches Leyden ist ohne dem
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offenbahr / und zeugen ihre thränende Augen und Hertzen gnugsam / daß Sie einen
redlichen / frommen und heiligen Mann / Vater und Schwieger-Vater verlohren. Und
was soll ich / für mich / noch sagen? Mein GOtt / der da alles weiß / der weiß
es / ich schwiege lieber / denn daß ich redete / und redete doch gerne / wenn
ich nicht für grosser Hertzens-Bekümmerniß schweigen müste. Mein Vater / ach
mein Vater! du frommer / heiliger und theurer JOHANNES! Mein Vater / mein Vater!
so bist du nun auch mir entzogen und meinen Augen entrissen? das thut mir
warlich weh! Du liebtest mich / und Ich ehrece Dich.
Doch auff / und hinauff ihr betrübte Augen und Hertzen / ihr seyd / welche ihr
seyd! Unser frommer und heiliger JOHANNES ist nicht gar verlohren. Als ich Ihm
in seiner schmertzlichen langwierigen Kranckheit / in welcher / wie sonst
allezeit / GOttes Wort sein bester Trost und süsseste Ergetzung war / den
Kern-Spruch Christi fürhielte: (Joh. III. 16.)
Also hat GOtt die Welt geliebet / daß Er seinen eingebohrnen Sohn gab / auffdaß
alle / die an Ihn gläuben / nicht verlohren werden / sondern das ewige Leben
haben; sprach Er zu mir: Das ist meine cordiale und eintzige Hertzens-Stärckung
mit dem sehligen Luthero, denn auch ich / weil ich gläube an JEsum Christum /
werde nicht verlohren werden / sondern das ewige Leben haben. Und also wollen
wir uns trösten und nicht zweifeln / unser Lehrer lebe / ob Er gleich gestorben
/ (Joh. XI. 25. 26.) Er sey hingefahren in Friede
/ (Luc. II. 29.) der Tod sey Ihm ein Schlaff
worden. Indessen wollen wir dieses unsers grossen Lehrers / der uns das Wort
GOttes gesagt / stets gedencken / dessen Ende anschauen und seinen Glauben
nachfolgen / (Hebr. XIII. 7.) und sonderlich am
gegenwärtigen seinem letzten Ehren- und Gedächtniß-Tage dem nachsinnen / was Er
uns in seinem / längst selbst erwehlten / Leich-Texte / zu unserer Nachfolge /
hinterlassen hat. Daß nun aber der HErr unser GOtt uns dazu seine Gnade und den
kräfftigen Beystand seines Heiligen Geistes verleihe / so wollen wir Ihn darum
demühtig und kindlich anruffen / in einem stillen / doch gläubigen und
andächtigen Vater Unser.
|| [10]
Der / von unserm wohlseligen Herrn SUPERINTENDENTEN, selbst-erwehlter
Leich-Text ist genommen aus dem 1. Buch Mose XXXII. und lauter vers. 10. wie
folget:
ICh bin zu gering aller Barmhertzigkeit / und aller Treue / die Du an deinem
Knecht gethan hast.
Eingang.
ANdächtige und geliebte / zum Theil schmertzlichbetrübte und leydtragende
Hertzen; Wie es dem Johanni ein feiner Ruhm war / daß Er ein frommer und
heiliger Mann gewesen; So gereichet es dem Nathanael nicht weniger zu grossen
Ehren / wenn der HErr JEsus / der Mund der Warheit / von Ihm gezeuget und
ausgesprochen: Siehe ein rechter Israeliter / in welchem kein falsch ist. (Joh. I. 47.) Und schicket sich auch dieses Lob
nicht weniger gar woll auff unsern gehabten und gewesenen / leyder! gehabten und
gewesenen Bischoff und SUPERINTENDENTEN: Siehe ein rechter Israeliter / in
welchem kein falsch war. Wer dieser Nathanael, der Persohn nach / eigentlich
gewesen / davon haben wir keine vollkommene / noch zulängliche Nachricht /
darauff wir uns verlassen könten / sintemahl ihn der eine für diesen / der
andere aber für einen andern / und der dritte noch für einen andern angesehen
und gehalten / von welchen allen aber der Jesuit, Adam Conzen, nicht übel
geurtheilet: conjecturis niti, es seyn blosse Muhtmassungen ohne Grund und
Gewißheit. (vid. D. Seligmanns gepriesene Seligkeit der
Kinder GOttes. p. m. 257. 258.) Was sonsten seinen Namen belanget / so
ist derselbe ein Hebräischer Name / und bedeutet eben das / was bey dem Griechen
Theodorus, und bey dem Heil. Augustino à Deo datus, eine Gottes-Gabe. (Doct. Martini Chemnitii Harm: Evang. c. 25. p.
212.)
|| [11]
Und mögte Er auch woll eine edle
GOttes-Gabe heissen / als welchen der treue GOtt / nach seiner unerforschlichen
Barmhertzigkeit / nebst vielen andern / dem HErrn JEsu gegeben / zu dessen
seligmachenden Erkäntniß zu gelangen / und dadurch gerecht und selig zu werden;
derer Ihm gegebenen der HErr JEsus in seinem heissen Gebet und kräfftigen
Vorbitte zum öfftern für seinem himmlischen Vater gedacht / und selbige Ihm
treulich anbefohlen. (Joh. XVII. 6. 9. 11. 12.
24.)
Denselben hatte der schon bekehrte und zum Erkäntniß und Glauben gebrachte
Philippus suchend gefunden / und ihm die bona nova, das höchst-erwünschte Gut /
die Offenbahrung und Erscheinung des längst verlangten Messiae, kund gethan und
verkündiget: Wir haben den funden / von welchem Moses im Gesetz / und die
Propheten geschrieben haben / JEsum / Josephs Sohn von Nazareth. (Joh. I. 45.) Ob ihm nun woll der Nathanael aus
Schwachheit solches nicht einbilden konte / sprechend: Was kan von Nazareth
gutes kommen? so gieng Er doch / auff des Philippi anfodern / willig und gerne
mit / begierig die Warheit recht zu fassen / und derselben gewiß zu seyn. Und
als der grosse Erlöser und Liebhaber des Lebens nun diesen zu sich kommen sahe /
sprach Er zu denen / die bey Ihm waren / von ihm: Siehe ein rechter Israeliter /
in welchem kein falsch ist. Es war aber dieses (1.) ein feiner und schöner Ruhm:
A malis laudari, nulla laus, à bonis laudari, optirna laus, Von Bösen gelobet
werden / ist nicht allemahl ein richtiges und gutes Lob / aber von Guten und
Frommen gelobet werden / ist ein feiner glaubwürdiger Ruhm. Nun war der HErr
JEsus gut und from / und kein böses an Ihm / (Deut.
XXXII. 4.) und daher war sein Zeugniß von dem Nathanael desto fester
und bündiger. Es war (2.) ein merckwürdiger Ruhm / welches das Wörtlein siehe
anzeiget: Siehe ein rechter Israeliter / h. e. mercket auff und betrachtets
recht / Ihr / die ihr bey mir seyd / sehet / Der / Der ist ein rechter
Israeliter. Es war (3.) ein gewisser und untrieglicher Ruhm / als welchen Ihm
der allkündige JEsus beygeleget / der da Hertzen und Nieren prüfet. (Jerem. XVII. 10.) Ja was kan dem fehlen / der
alles weiß? Was kan dem verborgen seyn / dem alles bloß und entdecket für seinen
Augen? (Hebr. IV. 13.) der da weiß was in dem
Menschen ist / (Joh. II. 25.) und alle
|| [12]
Dinge? (Joh. XXI. 17.)
Es war denn (4.) auch ein herrlicher Ruhm / welcher darinn bestand / daß Er ein
rechter Israeliter / darin kein falsch war. Warum ihn der HErr JEsus einen
Israeliten genennet / solches ist ohne Zweifel bekant: nemlich weil er einer von
den Nachkommen Israels / des gläubigen und frommen Ertz-Vaters; derselbe hieß
sonst mit seinem / von Menschen ihm gegebenen / Namen Jacob. (Gen. XXI. 26.) Nachdem er aber mit GOtt und
Menschen gekämpffet und obgelegen / solte er nicht mehr Jacob, sondern Israel
heissen / (Gen. XXXII. 28.) und die nun daher
kommen und entsprossen / wurden Israeliten genennet. Allein da waren leyder!
nicht alle Israeliten / die von Israel entstammet; (Rom. IX. 6.) dem Fleische zwar nach / aber nicht nach dem Sinn und
Geiste Israels / das ist / seinem Glauben und Wercken nach. Ja die meisten
wolten woll / wie Abrahams / also auch Israels Kinder und Nachkommen heissen /
und thaten doch weder Abrahams / noch Israels Wercke. (Joh. VIII. 39.) Aber nicht von solchen Bastarten und Abtrünnigen /
sondern rechten und echten Kindern Israels war Nathanael, dannenhero er von
Christo nachdrücklich genennet worden , ein rechter /
ein wahrer / ein rechtschaffener Israeliter / welcher den GOtt Israels recht
kante / denselben auffrichtig fürchtete / und in seinen Geboten unsträfflich
einher gieng. Er war einer von denen / die auff den Trost Israels mit Verlangen
warteten. (Luc. II. 25.) Sebastianus Barradius
hat dafür gehalten / es habe der Nathanael gleich dazumahl / als ihn der HErr
JEsus unter dem Feigen-Baum erblicket / im Glauben brünstig und eiffrig zu GOtt
gebetet / nicht weniger in der Schrifft andächtig gelesen / und darin den
Messiam gesucht: welches der gelehrte Lightfoot gleichergestalt für
wahrscheinlich gehalten. (vid: D. Seligmann. d. l. p.
260.) Wir Gel. stellens dahin; doch müssen wir freylich glauben / daß
er in heiligen und guten Gedancken und Uberlegungen begriffen gewesen / denn
sonsten / so er daselbst sich übel verhalten / würde ihm dieses herrliche Lob
nicht gegeben seyn. So aber muste es heissen: Siehe ein rechter Israeliter / und
ja ein solcher rechter und wahrer Israeliter / in welchem kein falsch war:
welches nicht also zu verstehen / als wenn der Nathanael gar ohne Sünde / ohne
Tadel und Fehler gewesen / nein! denn das kan man von niemand sagen / als nur
von einem / nemlich dem HErrn Christo / GOttes und Marien Sohne / unserm
Heylande / in dessen Munde allein niemahlen ein Betrug erfunden wor
|| [13]
den / (1. Petr. II.
22.) den keiner einiger Sünde zeihen können / (Joh. VIII. 46.) der von keiner Sünde wuste: (2. Cor. V. 21.) hingegen aber sind alle Menschen
falsch / und allzumal Sünder. (Rom. III. 4. 23.)
Wenn demnach der HErr JEsus von dem Nathanael sagt / daß er ohne falsch gewesen
/ so will Er damit von ihm zeugen / daß Er bey selbigem ein in der Warheit und
Auffrichtigkeit beflissenes und ergebenes Hertz gefunden / welches in der
Warheit von GOtt / von seinem Nächsten / und auch von sich selbst geurtheilet /
welches sehnlich den Messiam gesuchet und verlanget / welches bußfertig /
demüthig / gläubig / und in der Auffrichtlgkeit des Geistes einen heiligen
Tugend-Wandel für GOtt geführet. Es war bey ihm alles in guter Ordnung / so daß
Glaube / Liebe und Hoffnung unzertrennliche Schwestern waren / und blieb er in
allen gelassentlich seinem GOtt ergeben. Man schreibet / daß in Paphlagonien
Rebhüner gefunden werden / welche 2. Hertzen haben sollen; Das ist ein Bild der
falschen und betrieglichen Welt: die heuchelt und schmeichelt von aussen /
neidet und feindet aber von innen. Bey wahren Israeliten ist ein Hertz /
, ein warhafftiges Hertz / (Hebr. X. 22.) das dem argen feind / und nicht gleich denen
übertünchten und geschmückten Todten-Gräbern / die voller Todten-Gebeine und
alles Unflats. (Matth. XXIII. 27.) Und ein
solches Hertze hatte der Nathanael, nach dem Zeugniß JEsu / der das Hertze
ansiehet. (1. Sam. XV. 7.) Er war ein rechter
Israeliter / in welchem kein falsch war.
Der selige Doct. Martinus Chemnitius schreibet / (Doct.
Chemnitii Harm. Evang. in h. l.) es habe der HErr JEsus allhier zurück
gesehen auff die historiam Jacobi, oder Israels / und mit selbigem Ertz-Vater
den frommen Nathanael verglichen. Denn es zeuget der Heilige Geist von dem
Jacob: (Gen. XXV. 27.) Jacob war ein fromm Mann
und blieb in den Hütten / vir integer, ein
auffrichtiger und aller Redlichkeit und Gottseligkeit nachjagender Mann /
bleibend in den Hütten. Welches einige also erkläret: Er habe ein eingezogenes
frommes und stilles Leben geführet; Andere aber / zum Exempel Chaldaeus, Er habe
sich gerne und mit Lust in den Hütten / wo man GOttes Wort rein und lauter
geprediget / eingefunden / und sonderlich die Schulen Eberi und Abrahae, welche
annoch im Leben gewesen sind / fleissig besuchet / (D.
Abraham Calov. Comment. in Gen. in h. l. scribit: Chaldaeus aliter, erat
minister, h. e. auditor doctrinae frequens, visitavit scholas Eberi &
Abrahae, qui adhuc in vivis erant.)
|| [14]
darinn Er dann woll studiret /
seinen GOtt und sich selbst recht zu erkennen / wie Er denn solches hernechst in
praxi und in der Ubung woll erwiesen / als davon Er unter andern in den
verlesenen Text-Worten eine gar herrliche Probe abgeleget hat. Nun der guten Art
war freylich auch Nathanael, ein GOtt und sein Wort liebender / und darnach sich
rechtschaffen achtender Israelit / deswegen der HErr JEsus ihm den Ruhm und das
Lob beyleget / daß er ein rechter und wahrer Israeliter / in welchem kein
falsch.
Gel. Wir irren nicht / sondern zeugen die Warheit / wenn wir einen gleichen
Außspruch von unserm gewesenen theuren und treuen Lehrer und SUPERINTENDENTEN,
dem wollseligen Herrn JOHANNE Niekamp / thun. Warlich / der war ein von GOtt uns
gegebener Mann (und O daß wir Ihn noch hätten!) Er war ein rechter Christlicher
Israeliter / ohne falsch. Klug wie die Schlangen / aber ohne falsch wie die
Tauben / (Matth. X. 16.) in des Geist kein falsch
war. (Psalm: XXXII. 2.) Dessen Ruhm und Zeugniß
seines Gewissens war / daß Er in der Einfältigkeit und Göttlicher Lauterkeit /
nicht in fleischlicher Weisheit / sondern in der Gnade GOttes gewandelt. (2. Cor. I. 12.) Ein Israeliter wie Israel / in
Glauben und in Leben; Ein Israeliter wie Israel / GOtt dienend ohne Heucheley
und nicht mit falschen Hertzen. (Sir. I. 32.) Ein
Israeliter wie Israel / sich je und allezeit für GOtt bußfertig demühtigend /
und dem die Ehre allein / in Erwegung aller empfangenen Gnaden-Schätze / in
geistlichen und leiblichen / darlegend; non mihi, ruffend / non mihi, sed Tibi,
Domine, sit gloria, nicht mir / nicht mir / sondern Dir / O GOtt! allein sey
Ehre / Preiß und Ruhm. Nichts von mir und meiner Würdigkeit / sondern alles von
Dir und aus der unerschöpfflichen Qvelle deiner pur lautern Gnade und
Barmhertzigkeit: Ich bin zu gering aller Barmhertzigkeit und aller Treue / die
Du an deinem Knecht gethan hast. Welche Worte Israels oder Jacobs Er denn längst
sein eigen gemacht / und zu seinem Gedächtniß-Texte / der nach seinem seligen
Abschiede aus diesem müh- und Jammer-vollem Leben erkläret werden solte /
auserwehlet hat. Wir wollen dann / wie wir ja billig sollen / auff die / in
tieffer Demuht / danckbahren Hertzen dieser beyden Israeliten mit Fleiß schauen
/ und zu unserer guten Erbauung und nöhtigen Nachfolge uns daraus kürtzlich und
einfältig vorstellen:
|| [51]
Den In Erwegung Göttlicher Mollthaten sich recht verhaltenden Israeliten /
Dabey wir zu betrachten finden / Wie Er In Betrachtung solcher Erstlich Sich
derselben gantz unwürdig / Zum andern Seinen GOTT aber solcherwegen ruhmwürdig
erkannt und bekannt.
HErr / unser GOtt / du GOtt Israelis / gib Geist und Krafft zu deinem Worte / und
hilff gnädiglich / daß auch anjetzo dadurch zuvoderst die Ehre und der Preiß
deines herrlichen Namens / und dann die Erbauung unsers Christenthums / zu unser
aller Heil und Seligkeit / befodert werde / um unsers HErrn und Heylandes JEsu
Christi willen. Amen.
|| [16]
Abhandelung.
GEliebte und Andächtige in dem geliebtesten JEsu. Ein rechtschaffener Israeliter
betet / wie allezeit / (Luc. XVIII. 1.) und ohn
unterlaß / (1. Thess. V. 17.) also auch und
sonderlich / wenn die Tage der Trübsalen einbrechen / und sein Glücks- und
Stern-Himmel / so zu reden / wöllkigt und trübe wird. Ja alsdenn hat er des
lieben Gebets am allernöhtigsten / so daß Er auch keinen bessern Raht noch
Mittel weiß / als beten / dazu ihn dann sein GOtt selbst auffgefodert: Ruffe
mich an in der Noht / so will ich dich erretten / so solt du mich preisen. (Psalm. L. 15.) Creutz und Elend sind gleichsam wie
die Jagd-Hunde / die uns den Bergen zujagen; wie jene adeliche gottselige Matron
dafür gehalten und zu sagen pflegen. Denn wie sonsten das von irrdischen
Windspielen oder Jagd Hunden verfolgte Wild zu denen Menschen getrieben wird /
und daselbst Schutz und Sicherheit in der Noht suchet; also treibet Angst und
Noht die Menschen zu GOTT / denselben anzulauffen / anzuruffen und anzuschreyen;
wie Esaias solches bezeuget: HERR / wenn Trübsahl da ist / so suchet man dich /
wenn Du sie züchtigest / so ruffen sie ängstiglich. (Es. XXVI. 16.) Es richtet aber ein wahrer betender Israeliter sein
Gebet also richtig und woll ein / daß er (1.) die göttlichen
Gnaden-Verheissungen voran setzet / und darauff fest bauet und trauet; Ferner
und (2.) der vorhin empfangenen vielen und grossen Wollthaten eingedenck ist /
und dabey seine Unwürdigkeit / hingegen aber seines GOttes Ruhmwürdigkeit
erkennet und bezeuget; Und dann (3.) um Hulffe und Errettung / um Beystand und
Trost / um Schutz und Schirm seinen GOTT hertzlich / inbrünstig / beständig und
gelassentlich anflehet.
Und siehe / also woll und löblich hat sich unser Jacob verhalten. Derselbe war in
nicht geringe Angst / sondern in schwere Furcht und Schrecken gerathen / als Er
/ auff seiner Rüchreise aus Mesopotamien in sein wehrtes Vaterland / von dem
Anzuge seines feindlichen Bruders / des Esau / von welchem Er keine Gedancken
des Friedes / sondern des Leydes / zu vermuhten / benachrichtiget worden.
|| [17]
Und da verzagte er nun bald an seiner Macht und allem
seinem Vermögen / und fürchtete sich sehr. Denn was solte er mit seinem
schwachen und ungeübten Gefolge wider einen vermeintlichen muthigen und dazu
erzürneten Held / der 400. tapffere Männer bey sich führete / ausrichten? Es war
da auch alles fliehen vergeblich; denn der gefürchtete Feind war ihm zu nahe
auff dem Halse. Was zu thun? Eine eintzige Flucht / oder vielmehr Zuflucht / war
ihm nur noch übrig / und die war auch die rechte und beste: Nemlich / er wandte
sich zu GOTT / der da sein Fels / seine Burg / sein Erretter / sein GOtt und
Hort / auff den er trauete / der Schild und Horn seines Heils / und sein Schutz.
(Ps. XVIII. 1. 2.) Er hub sein Hertze / Hände
und Augen auff zu den Bergen / von welchen Ihm Hülffe kommen kunte / zu dem
HErrn / dem gnädigen / barmhertzigen und allmächtigen GOtt / der Himmel und
Erden gemachet hat. (Ps. CXXI. 1. 2.) Zu dem
betete Er eyffrig / gläubig und zuversichtiglich.
Sein Gebet lautet: GOtt meines Vaters Abraham / und GOtt meines Vaters Isaac /
HErr / der du mir gesagt hast: Zeuch wieder in dein Land / und zu deiner
Freundschafft / Ich will dir wollthun: (So hielt er seinem GOtt im Gebet für
sein Wort und versprochenes Wollthun /) Ich bin zu gering aller Barmhertzigkeit
/ und aller Treue / die du an deinem Knecht gethan hast / denn ich hatte nicht
mehr / weder diesen Stab / da ich über den Jordan gieng / und nun bin ich zwey
Heer worden. (So gedachte Er an die vorigen Zeiten / und an die Werck und
Wollthaten GOttes / die Er ihm aus lauter Gnaden / ohn sein Verdienst /
erwiesen: Errette mich von der Hand meines Bruders / von der Hand Esau etc. (So
suchte er ferner Barmhertzigkeit / Schutz und Hülffe.) Wenn der selige Lutherus
dieses Gebet woll
|| [18]
behertziget /
schreibet Er: (Lutheri Auslegung des 1sten Buchs Mosis
in h. l. vid. Tom. IX. Altenb: fol. 1010.) Diß ist ein herrliches
Exempel eines fürtrefflichen Gebets / das alle Eigenschafften hat / die zum
guten Gebet gehören. Und bald darauff: (l. c. fol.
112.) Es ist ein langes Gebet / so viel das Seufftzen belanget / denn
da hat er die gantze Nacht und den gantzen Tag geseufftzet / wiewoll der Worte
fast wenig sind. Ja ein Gebet ist es / daß da GOttes Vater-Hertz um und um
ergriffen / und solches dergestalt gefasset und gehalten / daß GOtt erhören und
dem Supplicanten seine Bitte gewehren müssen. Wir sehen vor dasmahl nicht auff
alles / sondern nur allein auff das Mittlere / wie da nemlich Jacob, in Erwegung
Göttlicher Wollthaten / so ihme bereits wiederfahren / sich derselben gantz
unwürdig erkant und bekant / seinen GOtt aber um solcherwillen höchst ruhmwürdig
geschätzet und gepriesen.
Erstlich
GEtreffend seine / des Jacobs / erkante und bekante Unwürdigkeit / so fand Er
solche Theils in Betrachtung sein selbst und seines Zustandes / Theils auch in
Betrachtung seines GOttes und dessen überschwenglichen und mannigfaltigen Güte.
Sich und seinen Zustand auffrichtig erwegend / befand Er sich nicht mehr denn
einen unnützen und unwehrten Knecht GOttes zu seyn / wenn Er seufftzete: Du / O
GOtt! hast Barmhertzigkeit und Treue gethan an deinem Knecht. Ja höher und
grösser wolte und konte sich Jacob nicht außgeben / als nur einen seinem GOtt
und HErrn / seinem Schöpffer und Erhalter verbundenen und verpflichteten
Dienst-Knecht. Zwar wenn wir sonsten den Jacob ansehen und betrachten / so war
er für menschlichen Augen woll fürnehm / groß und hoch genug. Er war nemlich
einer von denen gläubigen Ertz-Vätern und Patriarchen / ein Groß-Sohn des
Abrahams / und ein Sohn des Isaacs / ein geehrter und geliebter Mann. So war er
auch ohne allen Zweifel ein theurer Sohn und trautes Kind GOttes des himmjischen
Vaters / sintemahl er im festen Glauben an den / im Paradies versprochenen /
Messiam hing / und auff das Heil GOttes mit Verlangen wartete. (Gen. XLIX. 18.) Nicht weniger hatte Ihm der
gnädige und barmhertzige GOtt gleiche
|| [19]
Verheissung / wie seinem Vater und Groß-Vater / gegeben: Ich bin der HErr /
Abrahams deines Vaters GOtt / und Isaacs GOtt / das Land / da du auffligest /
will ich dir / und deinem Samen geben. Und dein Same soll werden / wie der Staub
auff Erden / und du solt ausgebreitet werden gegen den Abend / Morgen /
Mitternacht und Mittag. Und durch dich und deinen Samen sollen alle Geschlecht
auff Erden gesegnet werden. (Gen. XXVIII. 13.
14.) Siehe ein solcher Mann war Jacob / hoch erhaben von GOTT selbst /
als aus dessen Samen der Messias kommen und gebohren werden solte.
Allein je höher / je demüthiger; je grösser / je niedriger. Dazu der gute Ethicus
Sirach uns auch treulich ermuntert und ermahnet / schreibend: Je höher du bist /
je mehr du dich demüthige / so wird dir der HErr hold seyn. (Sir. III. 19.) Also demüthigte sich auch der
grosse Glaubens-Vater Abraham / wenn Er sich für GOtt stellete und mit dem
redete / Ich habe mich / sprechend / unterwunden zu reden mit dem HErrn /
wiewoll ich Erde und Asche bin. (Gen. XVIII. 27.)
Und gewißlich ist der Mensch auch von der Erden genommen / und muß wieder zur
Erden kommen; Was erhebet sich dann aber die arme Erde und Asche? Ist er doch
ein eitel schändlicher Koth / weil er noch lebet. (Sir.
X. 9.) Die gläubigen Ertz-Väter / wie geehrt und hochgeachtet Sie
sonsten auch waren / dachten doch an nichts grosses; Sie hielten nichts mehr von
sich / als wie sichs gebührte zu halten; (Rom. XII.
3.) sondern sie demüthigten sich unter die gewaltige Hand GOttes.
(1. Petr. V. 6.) Und ja auch darinn war Jacob
ein Kämpffer und Uberwinder / ein Uberwältiger und Untertreter / daß er sein von
Natur stoltzes Fleisch woll zu unterdrucken wuste. Wahr ist es / daß unser
verderbtes Fleisch und Blut gar zu gern hoch hinan und groß seyn will: Aber
wahre Israeliter zutreten die auffsteigende stoltze Gedancken bald in dem ersten
Grase; und die sind die tapffersten / von denen es heist:
|| [20]
Fortior est, qui se, quam qui fortissima vincit Moenia. Weit tapfferer ist der
zu schätzen / der sich selbst / als der die stärcksten Festungen / Schantzen und
Bollwercke überwindet und überwältiget.
So achtete sich denn unser Jacob nur ein Knecht GOttes zu seyn; wie auch sein
Groß-Vater Abraham / der für dem HErrn / dem Sohn GOttes / als er ihn in
angenommener Gestalt besuchte / nieder zur Erdenfiel / und sprach: HErr habe ich
Gnade für deinen Augen funden / so gehe nicht für deinem Knecht über. (Gen. XVIII. 3.) Und sonderlich demüthigte sich
also der Mann nach dem Hertzen GOttes David / wie aus seinen vielen Pfalmen
bekant. Unter andern ruffet Er: O HErr! ich bin dein Knecht / ich bin dein
Knecht / deiner Magd Sohn. (Ps. CXVI. 16.)
Welches dann denen Gläubigen gar keine Unehre oder Schande / sondern vielmehr
die grösseste Ehre / Herrlichkeit und Freyheit ist. Der Welt / des Satans und
der Sünden Knechte seyn / ist Schande und Unehre / darauff der Tod und das
Verderben folget; Aber GOtt dienen / und GOttes Knechte und Mägde seyn / ist
allerdings rühmlich und löblich / und findet am Ende das ewige Leben. (Rom. VI. 20. seq.) Ja war es nicht dem grossen
Fürsten und treuen Regenten des Israelitischen Volcks / dem Mosi, eine grosse
Ehre / wenn GOtt selbigen / ihm nach seinem Tode gleichsam parentirend / rühmete
/ daß er sein Knecht gewesen? Mein Knecht Mose ist gestorben. (Jos. I. 2.) Imo sufficit ad omnem dignitatem, quod
tanti Domini appellamur servi, das ist uns genug zu aller Herrlichkeit / wenn
wir eines solchen HErrn Knechte und Diener heissen / wie Basilius redet. Hält
man doch heutiges Tages diejenigen hoch / die eines grossen Herrn Diener sind.
Wer aber ist woll höher / der Herr vieler Knechte / oder der HErr aller Herren?
GOtt muß ja herrlicher seyn / als seine Creaturen / die Menschen / so auch
GOttes Diener grösser und höher / als blosser Menschen Diener. Allein und
dennoch hielt sich unser Jacob nicht hoch in seinen Augen / sondern nur für
einen unwehrten Knecht / und das auffrichtig und ohne falsch: Nicht als wenn
etwa der Mensch
|| [21]
der Sünden / und das
Kind des Verderbens / der da ist ein Widerwärtiger / und erhebet sich über alles
/ das GOtt oder GOttes-Dienst heist / also / daß Er sich setzet in den Tempel
GOttes / als ein GOtt / und gibt für / Er sey GOtt / (2. Thess. II. 3. 4.) sich heuchlerisch nennen und schreiben wolte:
Servum servorum Dei, einen Knecht aller Knechte GOttes; sondern bey Israel war
ein rechtschaffenes Wesen / wahre Demuth und Erniedrigung / sich auffrichtig
nennend GOttes Knecht.
Und zwar einen / in Ansehung der vielfältigen Göttlichen Güte und Wollthaten /
gar zu geringen und unwehrten Knecht / der da nichts verdienet / sondern nur /
und das nicht aus eigener / sondern GOttes Krafft / gethan / was er zu thun
schuldig gewesen. Wie die wahren Knechte GOttes auch keine andere Gedancken von
ihren Diensten haben sollen / welches aus den Worten Christi an seine Jünger /
und uns alle / sattsam erhellet: Wenn ihr alles gethan habt / was euch befohlen
ist / so sprecht: Wir sind unnütze Knechte / wir haben gethan / das wir zu thun
schuldig waren. (Luc. XVII. 10.) Ja da fand
Israel an und bey sich nichts / auch nicht das geringste / das ihn würdig
gemacht hätte für GOtt / zu empfahen seine vielen und grossen Wollthaten:
Vielmehr gestand ers offenhertzig / Er sey aller solcher zu gering / klein und
unwerth: Ich bin zu gering; eigentlich / ich bin klein vor aller deiner
Barmhertzigkeit. Was klein ist / wird gemeiniglich geringe geschätzet / und zwar
in Absicht des grössern und höhern. Es schreibet der weise Agur: Vier sind klein
auff Erden / (sie sind nicht groß ihren Cörpern nach / und auch nichts geachtet
/) als die Ameisen / Caninichen / Heuschrecken und die Spinne / ob sie sonsten
woll klüger den̅ die Weisen. (Proverb.
XXX. 24. D. Geierus in h. l. scribit: Per Ketanné érez, parva terrae,
indicantur, ebraico dicendi more, ea, quae super terrâ sunt ferè minima,
quantum scilicet molem attinet corporis ad spectabilem.) Also nun sahe
sich Jacob / gegen GOtt und dessen Gütigkeit sich stellend / nicht mit dem
Vergrösserungs-Glase fleischlichen Stoltzes / sondern mit dem
Verminderungs-Glase der wahren Demuth an / und fand nichts / denn lauter kleines
und geringes an sich: und so gar nichts / welches / so zu reden / der geringsten
Gütigkeit GOttes / die da doch alle groß und hoch sind / und von
unaußsprechlicher Würdigkeit / würdig. Er
|| [22]
will sagen: Soll es auff Verdienst und Würdigkeit mit mir ankommen
/ so finde ich kein ander Verdienst bey mir / als das da allein mit Zorn und
Ungnade / mit Verwerffung und Verstossung belohnet werden müste; sintemahl ich
ein Sünder / der nicht allein mit dem Erb-Grinde angesteckt und befleckt /
empfangen in Sunden / und aus sündlichen Samen gezeuget / sondern auch / der da
selbst und vielfältig mit Worten und Wercken / mit Gedancken und Gebärden an Dir
/ O! GOtt / sich versündiget / und Dich beleidiget / in Betrachtung dessen Du /
als ein gerechter GOtt / deine Hand von mir abziehen / und in Armuth und
Verachtung / in meinem exilio, mich stecken lassen sollen. Und stehe nun dennoch
hastu mich beladen mit Heil / gesegnet mit vielem Gute / gekrönet mit
Vaters-Liebe; , dazu bin ich zu wenig / zu gering / zu
klein. Also hat dann Jacob / in Erwegung der Göttlichen Wollthaten / sich
erniedriget / nachdem Er an sich keine Würdigkeit gefunden; Und darauff
schreitet Er nun /
Zum andern /
ZU der Erhöhung seines GOttes / und führet dessen Ruhmwürdigkeit an: Du hast
Barmhertzigkeit und Treue an deinem Knecht gethan. Ja das war freylich des Ruhms
und Lobes GOttes woll werth / und konte der liebe Jacob nicht anders / denn daß
Er das erkennete und preisete. Er hatte sich gleichsam mit seiner Nichtigkeit in
die eine Waag-Schale / GOttes Barmhertzigkeiten und Gnaden aber in die andere
gelegt: und da befand er sich / und seine Wercke viel zu leicht / GOttes Güte
aber gantz überwichtig und zu schwer; wie solte er nun dieses verschweigen / und
nicht hoch erheben? Ich bin zu gering aller Barmhertzigkeit und Treue / die Du
an deinem Knecht gethan hast. Das Gottselige Hertze Jacobs / schreibet ein
geistreicher Lehrer über diesen Text / war in dem Lobe seines GOttes begriffen /
und gleich einem siedenden Topffe / welcher bey dem Feuer der Güte GOttes mit
Dancken und Loben überging. (M. Schimmer. lib. Just,
p.m. 229.) Deßgleichen nennet der selige Lutherus diese Worte ein
schönes Danck-Opffer / da Er GOttes Gna
|| [23]
de und Treue mit herrlichen Worten außgesprochen und groß
gemachet. (Tom. IX. Altenb. fol. 1013.) Und so
ist es; sich erniedrigend erhöhete er GOttes Gütigkeit / und verkündigte dessen
Ruhm.
Wessen? GOTTES: Du hast Barmhertzigkeit und Treue an deinem Knechte gethan. Daß
er aber den wahren GOTT damit gemeinet / solches erhellet aus dem vorhergehenden
Versicul / da Er / zu GOtt betend / denselben genennet / den GOtt seines Vaters
Abrahams / und seines Vaters Isaac / JEHOVAH / den HERRN / den wahren /
lebendigen / einigen und ewigen HERRN / ausser den kein ander GOtt und HErr in
aller Welt zu finden; Wie Er selbst / der grosse GOTT von sich zeuget: So
spricht der HErr / der König Israel / und sein Erlöser / der HErr Zebaoth: Ich
bin der Erste und der Letzte und ausser Mir ist kein GOtt. (Es. XLIV. 6.) An diesen GOtt glaubte Jacob; Und /
wer solte es nicht sagen / an den wahren GOtt und JEHOVAH, der da einig ist im
Wesen / und dreyfaltig in Persohnen / ein wahrer Vater / ein wahrer Sohn / ein
wahrer Heiliger Geist. Denn allerdings hat Er auch von dem Sohne GOttes / dem im
Paradieß verheissenen zukünfftigen Messia, sehr gute Erkäntniß gehabt / als mit
welchem er gerungen / von welchem er auch nach dem Ringen gesegnet worden /
(Gen. XXXII. Virum hunc, Jacobi colluctatore̅, non Angelum alique̅ malum, uti Judaei, teste
Lyrano, commenti sunt, nec spectrum aliquod, ut Josephus somniavit, neque
Angelum bonum creatum, id quod multi putarunt, & adhuc non pauci
statuunt, sed Angelum increatu̅, Filium Dei fuisse, prolixe
beat. Dnus. D. Calov. in h.l. probavit.) der ihn / als der
unerschaffene Engel / von allem Ubel erlöset / (Gen.
XLIIX. 16.) und / auff den er so sehnlich und ängstiglich gewartet /
HERR / seufftzend / ich warte auff dein Heil! (Gen.
XLIX. 18. Hoc suspirium Jacobi Patriarchae, non tantum Patres antiqui de
Messia exposuerunt, sed ipsi quoque Ebraei veteres agnoverunt, Patriarcham
hîc Messiae redemtionem anhelasse. Ita nimirum Paraphrasis Onkelos,
similiter Paraphrasis Jonathanis: Dixit Pater noster, non exspecto
redemtionem Gideonis, Filii Joas, quae est salus temporalis, neq; exspecto
redemtionem Simsonis, quae est salus transitoria, sed exspecto redemtionem
Messiae, Filii David, qui venturus est, ut adducatsibi filios Israel, cujus
redemtionem exspectat anima mea. Et paraphrasis Hierosolymitana: anima mea
speravit in redemtionem, quae futura est populo tuo filiis Israel per VERBUM
TUUM; Per quod, Verbum, Messias designari solet. D.
Calov. in Gen.) Ja diß war des gläubigen Jacobs und der
|| [24]
alten Israelitischen Kirchen ihr Glaube / darauß sie
ihnen ein sanfftes Haupt-Küssen / im Tode selig einzuschlaffen / gemacht haben.
(D. Jac. Weller. Fascicul. Viventium, p.m.
808.) Denn wir glauben durch die Gnade unsers HErrn JEsu Christi selig
zu werden / gleicher Weise auch Sie / die Väter / selig worden sind. (Act. XV. 11.) Und wer wolte auch zweifeln / daß
der woll-unterwiesene und gelehrte Ertz-Vater die wunderbare Regierung und
Führung GOttes des Heiligen Geistes gnugsam erkant und gepriesen; So daß Er auch
seinen GOTT darum mit David täglich angeflehet: HErr lehre mich thun nach deinem
Wollgefallen / denn Du bist mein GOtt / dein guter Geist führe mich auff ebener
Bahn. (Ps. CXLIII. 11.) Diesen drey-einigen GOtt
hält nun unser Jacob für die eintzige Brunn-Qvell aller guten Gaben / ohn dem
nichts ist / was ist / von dem wir alles haben. Er wuste / daß Er der Vater des
Lichts / von welchem alle gute und alle vollkommene Gaben von oben herab kommen
/ (Jac. I. 17.) und von dem ihm auch alles
überflüssig und reichlich zukommen; nachdem Er ihn je und allezeit gesegnet und
gekrönet mit grosser Treue und überschwenglicher Barmhertzigkeit.
Und das ist es / was der selige Vater nun preiset / und warum er seinen GOtt
höchst-ruhmwürdig schätzet; Er habe nemlich Barmhertzigkeit und Treue an ihm
gethan. In der heiligen Sprache finden wir zwo Wörter / welche recht lieblich
und schön lauten / aber nicht woll und völlig außzusprechen oder auszudrücken
sind / und die auch gar vielfältig in der Schrifft zusammen-gesetzet gelesen
werden / so daß sie als zwey Schwestern anzusehen / derer jede der andern
gleichsam die Hand biete / indem die Güte von der Warheit und Treue / und
Warheit und Treue von der Güte und Barmhertzigkeit zeuget. Sonderlich hat sich
der König David derselben in seinen Psalmen woll bedienet / und daran seine
süsse Lust
|| [25]
und Freude gehabt und
bezeuget. Die Wege des HErrn / schreibet Er / sind eitel Güte und Warheit. (Ps. XXV. 10.) Ich verhehle deine Güte und Treue
nicht; Laß deine Güte und Treue mich allezeit behüten. (Ps. XL. 11. 12.) GOTT sendet seine Güte und Treue. (Ps. LVII. 4.) Du HErr bist von grosser Güte und
Treue / (Ps. LXXXVI. 15.) und so mehr.
Das erste Wort / welches / verteutschet / Barmhertzigkeit heist / und sonsten
durch Gnade und Güte übersetzet ist / bedeutet sowoll affectum Dei, oder die
gnädige Zuneigung GOttes / da GOtt ein geneigtes Väterliches Hertz gegen uns hat
/ und uns woll will / wenn David etwa betet: Wende dich HErr / und errette meine
Seele / hilff mir um deiner Güte willen; (Ps. VI.
5.) als auch effectum, die daher fliessende Gnaden-Wercke / Güte und
Wollthaten / und zwar wie sie aus pur lauter Gnade und Güte uns erzeiget werden
u. gleichsam zuströmen. Wie also die bedrengte und gedruckte Israelitische
Kirche ihre Erhaltung noch als eine lautere Gnade ansahe und rühmete: Die Güte
des HErrn ist / daß wir nicht gar auß sind / seine Barmhertzigkeit hat noch kein
Ende / sondern sie ist alle Morgen neu / und seine Treue ist groß. (Thren. III. 22. 23.) Und gewiß ist da kein
Verdienst an unser Seite / aber lauter Güte und Barmhertzigkeit an GOttes Seite.
Auff welche Art denn auch Rabbi Moses ben Maimon in seinem More Nebochim part.
3. Cap 53. das Wort also woll angesehen und erkläret hat / nemlich von einem
solchen Woll-wollen und einer solchen Zuneigung / so man zu demjenigen trägt /
und dem auch in der That erweiset / dem man nichts schuldig ist. (D. Joh. Bened. Carpz. Conc. Funebr. Part. IV. p.m.
349.) Wie es / zum Exempel / eine pur lautere Gnade war / als der
König Ahasverus, der sonsten armen und verlassenen Waysen / der Esther, die
Königliche Krone auffs Haupt setzte. (Esth. II.
17.) Daß demnach der GOtt preisende Jacob allhie auff keine andere
Gnade seines GOttes gesehen / als die er um GOtt gar nicht / und keinesweges /
verschuldet noch verdienet / welches dann mit seinem vorigen Bekäntniß und
seiner Demüthigung schön überein
|| [26]
stimmet. O der verdienens auch die jungen Störche um ihre Alten / wenn
diese ihnen ungemeine Liebe und Treue erweisen? Um welcher willen sie zum
Sinn-Bilde der zarten elterlichen Liebe gestellet sind / auch in der ebräifchen
Sprache einen solchen Namen führen / der von chesed, benignitas, beneficentia,
Gutthätigkeit und Barmhertzigkeit / und chasid, benignus, beneficus, Gutthätig
und Barmhertzig herkömmt / als chasidah ein Storch. (Vid. Clar. Buxtorfii Lexicon, ubi vocabulum ita
explicat: significat id boni, quod gratuitò fit. Et postea: Ciconia vocatur
eo quod exercet
beneficentiam erga socios suos, alimentum cum illis communicando.)
Das andere Haupt-Wort heist / nach der Ubersetzung des seligen Lutheri, Treue /
oder eigentlich Warheit / nach welcher GOtt treulich hält / was Er gnädiglich
verheissen und versprochen / und also den herrlichen Namen mit Recht führet:
, DEUS VERITATIS, ein GOtt der Warheit / ein treuer
GOtt. (Ps. XXXI. 6.) Ja da ist sein gantzes Wesen
eitel Warheit und Treue / und dannenhero der rechte / der wahre GOtt / wie Er
bey dem Propheten Jeremia also / im Gegensatz der falschen und von Menschen
Händen / aus Gold und andern Stücken gemachten Götzen / nach drücklich genennet
wird: Aber der HERR ist ein rechter GOtt / ein einiger
lebendiger GOtt / ein ewiger GOtt. (Jer. X. 10.)
Was ist auch an GOtt / in GOtt und bey GOtt / das nicht Warheit sey? Er ist die
Warheit selber / wie sich Christus die Warheit und das Leben genennet. (Joh. XIV. 6.) Treu ist GOtt in seinem Hertzen; Und
glauben wir schon nicht / so bleibet Er doch treu / Er kan sich selbst nicht
läugnen. (2. Tim. II. 13.) Treu und warhafftig
ist Er in allen seinen Worten und Verheissungen / also daß man sich auff seine
Zusage sicher- und festiglich verlassen kan. Des HErrn Wort ist warhafftig / und
was Er zusaget / hält Er gewiß. (Ps. XXXIII. 4.)
Dannenhero wir auch halten sollen an der Bekäntniß der Hoffnung / und nicht
wancken / denn Er ist treu / der sie ver
|| [27]
heissen hat. (Hebr. X. 23.)
Treu ist Er in seinen Wercken. Der HErr ist treu / der wird uns stärcken und
bewahren für dem Argen. (2. Thess. III. 3.) GOtt
ist getreu / der uns nicht lässet versuch’en über unser Vermögen / sondern
machet / daß die Versuchung so ein Ende gewinne / daß wir es können ertragen.
(1. Cor. X. 13.) Gleich wie nun Moses GOtt
dem HErrn das Lob und die Ehre gab / daß Er treu / schreibend: Treu ist GOtt und
kein böses an Ihm / gerecht und fromm ist Er; (Deut.
XXXII. 4.) Und Paulus in einem heiligen Eyfer voller Verwunderung
ausbrach: O ein treuer GOtt! (2. Cor. I. 18.)
Also hatte Jacob keine andere Gedancken von demselben / die Treue / sowoll an
seinen Vätern und Vor-Eltern / also auch an Ihm / so vielfältig / erwiesen /
reifflich überlegend. O GOtt! wolte er sagen / wie ist deine Treue doch so groß
/ und hastu deinem Knechte treulich gehalten / was Du ihm auß lauter Güte
versprochen: Siehe ich bin mit dir / und will dich behüten / wo du hinzeuchst /
und will dich wieder herbringen in diß Land; denn Ich will dich nicht lassen /
biß daß Ich thue alles / was Ich dir geredt habe. (Gen.
XXIIX. 15.) Nun das hastu / treuer GOtt / gethan / und wirst ferner
thun / was von deinen Verheissungen noch übrig / daß durch deine starcke und
allmächtige Hand alles erfüllet werde: Und wie solte ich dann deine Güte und
Treue nicht erkennen noch rühmen?
Sind das aber / M. L. nicht fürtreff liche Stücke / die Jacob also hoch erhoben?
GOttes Barmhertzigkeit und Treue. Wir mögen solche woll ansehen als zwo feste
und starcke Grund-Seulen / die weit schöner / als die von dem Könige Salomone
auffgerichtete Seulen an der Halle des Tempels / Jachin, die zur rechten Hand /
und Boas, die zur lincken Hand gesetzet war. (1. Reg.
VII. 21.) Wer sich auff diese / die Barmhertzigkeit und Treue GOttes /
stehnet und lehnet / und sich darauff verläst / der wird nimmermehr zuschanden.
Nehmen wir den auch die göttliche Allmacht dazu / so haben wir eine dreyfache
Schnur / die nicht leicht entzwey
|| [28]
reisset. (Cohel. IV. 12.) Wie der selige
Theologus, Doct. Henrich Müller / eine solche dreyfache Schnur auß den Worten
Salomonis schön geflochten / und recht süsse und anmuthige Gedancken darüber
geführet / wenn Er geschrieben: GOtt ist gütig / das erfreuet mich: GOtt ist
warhafftig / das erhält mich: GOtt ist allmächtig / das stärcket mich: Die Güte
legt mir das Creutz auff / die Warheit hilffts tragen / die Allmacht überwinden:
Die Güte will helffen / die Warheit wird helffen / die Allmacht kan helffen. Die
Güte ist das Hertz / die Warheit der Mund / die Allmacht die Hand. Ich habe
Gottes Hertz / Mund und Hand / was will ich mehr? Sein Hertze bricht Ihm für
Erbarmen / sein Mund trieffet von Honigseim / seine Rechte kan alles ändern.
(Part. 1. der Erquick-Stunden. it. Im Evangelischen
Hertz-Spiegel.) Ja wahr ist es / und woll dem / der sich dessen von
Hertzen trösten kan. Denn weil Er ein barmhertziger GOTT / so will Er uns ja
woll / und nicht anders / weil Er nichts denn Güte ist; welches dan̅ sein rechter Name / wie der selige Lutherus davon nachdencklich schreibet:
Wir Teutschen nennen GOtt mit dem Namen von Alters her / feiner und artiger /
denn keine andere Sprache / nach dem Wörtlein gut / als Der ein ewiger
Quell-Brunn ist / der sich mit eitel Güte übergeußt / und von dem alles / was
gut ist / und heisset / ausfleußt. (Beat. Lutherus in
seinem grössern Catechismo, Tom. 2. Altenb. fol. 477.) Weil Er aber
Treu ist / so thut Er uns auch woll / denn seine Warheit hält Er treulich im
Himmel: (Ps. LXXXIX. 3.) Er hält Glauben
ewiglich. (Ps. CXLVI. 6.) Laß nun dazu seine
Allmacht kommen / was kan uns denn fehlen? Er kan ja überschwenglich thun über
alles / das wir bitten und verstehen. (Eph. III.
20.) Und ist bey Ihm kein Ding unmüglich. (Luc. I. 37.)
Es gedencket aber unser Jacob der göttlichen / Ihm erwiesenen / Barmhertzigkeit
und Treue nicht schlecht hin / sondern / nachdem Er sie recht und / so zu reden
/ mit beyden Augen ein- und angesehen / so fand Er gar viele Barmhertzigkeiten
und Treue / und die da lauter und eitel Seine / GOttes / Barmhertzigkeiten und
|| [29]
Treue / wenn Er im Grunde recht
emphatisch und nachdrücklich redet: Ich bin zu gering aller dieser deiner
Barmhertzigkeiten und aller dieser deiner Treue. OGOtt! will Er sagen / wie so
viel Güte und Barmhertzigkeit hastu an mir gethan? und wie so mannigfältige
Treue hastu mir erzeiget? Ja da wandte Er seine Augen bald auff sich selbst und
gedachte: Wie wunderbar hastu mich doch / mein GOtt / bereitet und gemacht / und
aus meiner Mutter Leibe gezogen? wie so gnädiglich hastu mich doch versorget von
meiner Mutter Brüsten an? wie väterlich gegängelt in der Kindheit / geleitet in
der Jugend / und mich biß daher so mächtig beschirmet und beschützet / erhalten
und gesegnet? Von sich warff er seine Augen auff die Seinigen / seine Weiber und
Kinder / Knechte und Mägde / und denn auch auff das Seinige / auff den grossen
Reichthum / den er nun hatte / da er zwey Heer worden; nicht weniger auff seinen
dürren Stab / den er allein / für seinen Bruder fliehend / mit in Mesopotamien
genommen / und nun gleichsam so herrlich gegrünet / geblühet und überflüssige
Früchte bracht. Mein GOtt / muste er da bekennen / welche Barmhertzigkeit!
welche Treue! Ich war arm / da ich hingieng / nun kehre ich reich und begütert
zurück: Ich war einsam und verlassen / nun aber habe ich eine stattliche
Begleitung: Ich war bekümmert und traurig / und nun bin ich völlig getröstet.
Woher aber das? Von Dir / von Dir / OGOTT! Du hast es gethan / und nach der
Demüthigung mich groß gemacht.
Es ist HErr alles dein Geschenck und Gab / Leib / Seel / und alles was ich hab
In diesem armen Leben.
|| [30]
Gebrauch.
NUn sehet / Gel. also hat der Ertz-Vater Jacob / oder Israel / in Erwegung der
empfangenen Göttlichen Wollthaten / löblich und rühmlich sich verhalten / wenn
Er deren nicht allein bey aller Gelegenheit / in Glück und Unglück / in guten
und bösen Tagen / gar woll sich erinnert / sondern auch dabey an einem Theile
seine Unwürdigkeit / am andern Theile aber GOttes Ruhmwürdigkeit erkannt und
bekannt. Wobey wir dann zu unserer Erbauung noch kürtzlich anmercken die rechte
Art wahrer und rechtschaffener Christlicher Israeliten / als welche alle also /
wie Israel / geartet sind / und auch seyn sollen und müssen / wo sie anders /
nicht nur dem blossen Namen / sondern auch der nöthigen Folge nach / und in der
That und Warheit / Christliche Israeliter heissen wollen. Der Name und der Mund
/ oder der äusserliche Ruhm machets hie nicht aus; sondern das Werck und der
Grund / oder die gleichförmige Aufführung und Erweisung. Quam multi vocantur
Medici, qui curare non norunt? quam multi vocantur vigiles, qui totâ nocte
dormiunt? sic multi vocantur Christiani, & in rebus tamen non inveniuntur,
schreibet der Heil. Augustinus: Wie viele gibts derer / die den schönen Titul
eines Artztes ihnen zueignen / und wissen doch keiner Cur recht vorzustehen? Und
wie viele sind / die Wächter seyn wollen / und schlaffen doch die gantze Nacht
hindurch? Also sind nicht weniger einige / ja sehr viele / die mit dem schönen
Christen-Titul prangen / und werden doch in den Wercken des rechtschaffenen und
lebendigen Christenthums nicht als Christen erfunden. Daß man demnach billig
einen Unterscheid zu machen hat unter wahren und falschen Israeliten. Nicht
diese / sondern jene / sehen auff das Exempel Israels / und folgen dem nach /
als des gläubigen Israels geistliche Glaubens-Kinder; dazu sie denn von GOtt /
nach seiner unerforschlichen Barmhertzigkeit / und aus lauter Gnaden / auch
erwehlet sind / nachdem Er seinen undanckbaren Kindern / dem untreuen / tollen
und thörichten Jüdischen Volcke / so zu reden / den Scheide-Brieff gegeben; So
daß die / die da weiland nicht ein Volck waren / nun Gottes Volck sind / und die
weiland nicht in Gnaden waren / nun in Gnaden sind / und Kinder des
|| [31]
lebendigen GOttes genennet werden.
(Hos. I. 10. II. 23. Rom. IX. 25. 26.) Die
sollen nun seyn das auserwehlte Geschlecht / das Königliche Priesterthum / das
heilige Volck / das Volck des Eigenthums / daß sie verkündigen sollen die Tugend
des / der sie beruffen hat von der Finsterniß zu seinem wunderbahren Lichte.
(1. Petr. II. 9.)
Welche da nun Israels Geist und Art haben / oder recht Israelitisch gefinnet sind
/ die verhalten sich gleich also / und lassen / nach der guten Unterweisung
Pauli, in allen Dingen ihre Bitte im Gebet und Flehen / mit Dancksagung für GOtt
kund werden. (Phil. IV. 6.) Sie verbinden Gebet
und Dancksagung miteinander / danckend für das schon empfangene / betend um das
zukünfftige. Ja da stehet die Dancksagung billig voran: Opor. tet enim prius
Benesactorem, Deum, laudare, deinde ei offerre precationes & supplicationes,
schreibet Theodoretus über den jetzt angezogenen locum Pauli; Es gebühret sich
zufoderst / den grossen Wollthäter / unsern GOtt / hoch zu rühmen und Ihm zu
dancken; und dann soll man Ihn um etwas mehr bitten und anruffen. Wie uns
darinnen auch der HErr JEsus vorgegangen; Denn bey dem Grabe Lazari hub Er seine
Augen empor / und sprach: Vater ich dancke dir / daß Du mich erhöret hast / und
ich weiß / daß Du mich allezeit erhörest / sondern um des Volcks willen sage
ichs / daß sie gläuben / Du habest mich gesandt. (Joh.
XI. 41. 42.)
Daß demnach bey unserm Beten / in allen Aengsten und Nöthen / die Erinnerung des
schon empfangenen Guten nöthig / dadurch wir denn zum ferneren Vertrauen
gestärcket werden. Und wer solte sich der Barmhertzigkeiten GOttes / und seiner
Treu / nicht erinnern können? Ist doch niemand davon bloß / sondern ein jeder /
wie armselig und gering er auch seyn mag / reichlich genug und überflüssig damit
überschüttet. Oder was hat der Mensch gutes im Zeitlichen / Leiblichen und
Geistlichen / das ihm nicht aus der Barmhertzigkeits-Quelle seines GOttes
zugeflossen? Leib und Leben / Gesundheit und
|| [32]
Friede / Nahrung u. Kleider (und wäre es nur eitel Brodt u. Wasser
und ein grobes Tuch) Bewahrung in Creutz / Errettung aus Noth / ein fröliger
Muth und gutes Gewissen; Glaube / Liebe / Hoffnung / Gedult / und was sonsten
mehr / sind ja alle Gaben von GOtt / und Güter des Höchsten / die seine
wollthätige und milde Hand uns dargereicht und gegeben. Ja da ist warlich nichts
/ das gut an und bey dir / mein Mensch / das nicht von GOtt dir zukommen. Hat
denn aber der Mensch nichts / welches er nicht von GOtt empfangen / wie solte er
sich denn rühmen / als hätte ers nicht empfangen? (1.
Cor. IV. 7.) Oder wer hat dem grossen GOtt etwas zuvor gegeben / das
ihm wieder vergolten werde? (Rom. XI. 35.) Solte
auch woll ein Kind gnter Art von seinen Eltern sagen / Sie geben mir nichts?
Oder ein Wandersmann / der sich des Sonnen-Lichtes bedienet / sagen / dasselbe
Licht theile ihm keine Erleuchtung mit? Und ein Bettler / der täglich seine
Allmosen von gewissen Wollthätern hebet / man schencke ihm nichts? Strömet denn
nun aber alles / alles Gute / aus dem Meer der Göttlichen Gnaden /
Barmhertzigkeit und Treue / auff uns zu / so soll auch alles wieder dahin
zurücke fliessen / so daß wir uns dessen jederzeit danckbarlich erinnern / und
den Geber alles Guten deßfals von Hertzen rühmen und preisen; wie solches nicht
allein Jacob gethan / sondern auch David / welcher mit dem Jacob ein gleiches
demüthiges und Ruhm-volles Bekäntniß vor seinen GOtt gebracht: Wer bin ich /
HERR / HERR / rieff Er / und was ist mein Hauß / daß Du mich biß hieher gebracht
hast? dazu hast Du das zu wenig geachtet / HErr / HErr / sondern haft dem Hause
deines Knechts noch von fernem zukünfftigen geredet. (2. Sam. VII. 18. 19.) Andere demüthige und danckbare Heiligen für
dasmahl zu übergehen.
Allein und ob dieses nun woll eine nöthige Pflicht Christlicher Israeliter / so
finden wir doch zwo Arten derer / die da gerne gute und rechtschaffene
Israeliter nach dem Geiste seyn wollen / und sich dessen zum Theil auch hoch
rühmen / welche aber die ihnen zufallende viele unzehliche Wollthaten GOttes
dennoch nicht recht einsehen / noch in Erniedrigung ihrer selbst danckbarlich
erkennen. An der einen Seite stehen die Unwissende / Schläffrige / Nachlässige
und Undanckbare / die nicht wissen / was ihnen geschicht / und wie sie durch
GOttes Treue und Barmhertzigkeit / von einer Zeit zu der andern unterhalten
werden; oder da sie es gleich wissen / doch
|| [33]
dem HErrn ihrem GOtt nicht die Ehre des schuldigen Lobes opffern.
Welche dann gleich sind dem tummen Vieh / dem unvernünfftigen Mast-Vieh / so da
die Eicheln von der Erden zu sich nehmen und fressen / aber nicht in die Höhe
auff den Baum / davon sie abgefallen / sehen. Ja noch tummer sind solche wie das
Vieh; Denn ein Ochse kennet seinen Herrn / und ein Esel die Krippe seines Herrn
/ aber Israel kennets nicht / und mein Volck vernim̅ts nicht /
spricht der HErr. (Es. I. 3.) Oder aber sie
bilden sich ein / ihre sonderbare Geschicklichkeit / Verstand / Klugheit und
Stärcke habe ihnen alles zuwege gebracht / und sprechen: Wir habens durch unser
Hände Krafft ausgerichtet / und durch unsere Weisheit / denn wir sind klug.
(Es. X. 13.) Unsere Kräffte und unser Hände
Stärcke haben uns diß Vermögen ausgerichtet; und gedencken nicht an den HErrn
ihren GOtt / der es doch alleine ist / der uns Kräffte gibt / mächtige Thaten
und gutes zu thun. (Deut. IIX. 17.) Aber
danckestu also dem HErrn / demen GOtt / du toll uud thöricht Volck? Ist Er nicht
dein Vater und dein HErr? Ists nicht Er allem / der dich gemacht und bereitet
hat? (Deut. XXXII. 6.) Daß also bey denen meisten
keine Erkäntniß noch Demüthigung / noch die schuldige Erhebung der Göttlichen
vielen Barmhertzigkeiten und Treue. Von denen Heydnischen Römern und Grichen
wird gemeldet / daß wenn sie vormahlen herrliche Siege / Befreyung von Pest /
oder sonsten dergleichen / erhalten / sie solches alles nicht gering geschätzet
/ noch ihrer Würdigkeit zugeschrieben / sondern es ihren nichtigen Göttern und
deren Güte zugeeignet / und dannenhero denenselben zur Danckbarkeit gewisse
Tempel erbauet; Alleine bey uns Christen / wie ein gewisser Theologus, wenn er
den jetzt gemeldeten Gebrauch der Heyden anführet / sehr woll erinnert / würde
man viel Meilen reisen müssen / wenn man die kleineste Kirche wolte antreffen /
die zum Lobe des wollthätigen GOttes erbauet worden wäre; sondern es muß der
liebe GOtt mit einem mündlichen Te DEUM laudamus, HErr GOtt dich loben wir /
etc. sich begnügen lassen. (D. Stisser. Aretol, Christ.
p. 294.) Solten nun
|| [34]
aber
die Christen / die sich doch des Lichts der Offenbahrung rühmen / hierinnen von
denen verfinsterten blinden Heyden nicht beschämet seyn?
Auff der andern Seite finden wir die Werck-Heiligen / die ihnen einbilden / wie
alles / was ihnen gutes von GOtt wiederfahren / nach ihrem Verdienst und
Würdigkeit geschehen; sie wären solcher Güter und Gaben woll werth / und sey
GOtt ihr Schuldener / der ihnen solche zu geben verpflichtet: folglich hätten
sie nicht groß Ursach / sich für Demselben zu demüthigen und Ihm zu dancken. Und
diese Unart hat man nicht bloß zu erkennen an denen alten / sondern auch neuen
Pharisäern / als die gleichergestalt das non sum dignus, Domine, HErr / ich bin
zu gering / woll dahinden lassen / und hingegen sich auffblähend / das dignus
sum, HErr ich bins werth und würdig / und habe ich mit meiner Heiligkeit /
strengen Fasten / Casteyen und dergleichen / mehr und überflüssiges / ja den
Himmel und die Seligkeit / verdienet / anstimmen. Wobey zu bedauren / daß der
Hoffarts-Geist auch die zuweilen eingenommen / und noch einnim̅t
und besitzet / die doch aus GOttes klaren und deutlichen Worte eines gantz
andern unterrichtet und überzeuget sind; wenn sie ihre Frömmigkeit und
Heiligkeit stets forne an die Spitze stellen / und sich mit stoltzen
Einbildungen kitzeln. Aber ach! was will und soll doch alle unsere Frömmigkeit
und Heiligkeit / daß die GOtt treiben solte uns mit Wollthaten zu versehen! Ist
es denn von uns / so wir gerecht und heilig wandeln / oder ist es von GOtt? GOtt
ists ja / der in uns wircket beyde das Wollen und Vollbringen / nach seinem
Wollgefallen. (Phil. II. 13.) Ist denn unsere
Gerechtigkeit und Heiligkeit auch also beschaffen / daß sie vollkommen gut /
oder ist sie nicht viel mehr sehr mangelhafft und sehr beschmutzt? Wir sind ja
allesam̅t wie die Unreinen / und alle unsere Gerechtigkeit ist
wie ein unflätig Kleid. (Es. XLIV. 6.) Wer war
heiliger als Jacob? und doch fand er an sich keine Würdigkeit / sondern hielt
sich zu klein und zu gering. Wer war heiliger als David? und doch wuste Er von
keiner selbst-Erhebung / sondern Er demüthigte sich und schrieb: Was ist der
Mensch / daß du sein gedenckest / und des Menschen Kind / daß du dich sein
annim̅st. (Ps. VIII. 5.) Uber
welche Worte ein alter
|| [35]
geistreicher
Lehrer unserer Kirchen also nachdencklich und nachdrücklich geschrieben: Diß
Sprüchlein hält uns für aller Menschen Nichtigkeit / Unvermögen / Jammer und
Elend / Tod / Hölle und Verdammniß / daß GOtt uns nicht um der Würdigkeit und
Verdienstes willen geholffen / und seinen lieben Sohn geschencket / sondern aus
lauter Gnaden und Barmhertzigkeit; Und hiemit will uns GOtt all unsern Ruhm
unserer Würdigkeit / Vermögens und Verdienstes niederlegen / auff daß Er allein
die Ehre / Ruhm und Preiß unser Seligkeit behalte. Diß ist das Ziel der gantzen
heiligen Schrifft / daß wir von unsern Kräfften und Vermögen / Würdigkeit und
Verdienst abgeführet werden zur Erkäntniß unsers Elendes und Nichtigkeit / und
denn ferner gebracht werden zur Erkäntniß der Gnaden GOttes. Und bald darauff:
Der Mensch kan die Gnade Gottes nicht erkenne̅ / noch recht zu
Hertzen nehmen / wen̅ er nicht zuvor seine Nichtigkeit erkennet /
und in ihm selbst gar zunichte gemacht wird. (Joh.
Arndii Auslegung des Pfalters Davids.) Abermahl gestehet David / sich
zum höchsten darüber verwundernd / seine Unwürdigkeit und GOttes unbegreiffliche
Gütigkeit / wenn Er anderswo auch schreibet: HERR / was ist der Mensch / daß du
dich sein annim̅st? und des Menschen Kind / daß Du ihn so achtest?
(Ps. CXLIV. 3.) Ist sehr emphatisch gefraget
/ HErr / was ist der Mensch? Darauff er sofort vers 4.
antwortet: Ist doch der Mensch gleich wie nichts. (Extenuandi vim habet haec quaestio vel maximè, ita ut invicem opponantur
infinita Dei, adeò benignè nobiscum agentis, majestas, & nostra extrema
ac impurissima vilitas, quam citra stuporem nemo cordatorum satis conferre
potest. D. Gejer. Commentar. in h.l.) So da nun die Heiligen selbst
sich der Göttlichen Gnaden in allen Stücken zu geringe geschätzet / denen wir
doch nicht gleichen; warum solten wir denn auff unser Verdienst und Würdigkeit
für GOtt trotzen? Selbst ein Päbstlicher Scribente bekennet: Bona opera
|| [36]
suapte natura non esse talia, ut eis
remuneratio debeatur à Deo, d.i. Daß die guten Wercke an und vor sich selbst /
und ihrer Natur nach / nicht so beschaffen wären / daß GOtt eine Belohnung vor
dieselben schuldig wäre. (Estius sup. cap. 6. ad
Hebraeos.) Der selige Lutherus heist die Werck-Gedancken ein
scheußliches monstrum und Greuel / so man weit von dem Gebet wegthun und
ausfegen soll / sonsten werde das Gebet verdrehet / und beyderley Opffer /
nemlich der Tödtung und der Danckbarkeit / mit solchem Stauck und Unflat gar zu
schanden gemachet. (Tom. IX. Altenb. p. 1013.)
Freylich / ein wenig Unflats verdirbt den gantzen / sonst lieblichen und
kräfftigen / Balsam; ein wenig Sauerteig durchsäuert den gantzen Teig: Also
macht auch die geringste Einbildung von unserer Verdienstlichen Würdigkeit all
unser Gebet / wie woll und schön es sonst / unserer Meynung nach / eingerichtet
/ dennoch zunichte. Der Hoffärtigen und Werck-Stoltzen Gebet hat GOtt nie
gefallen / aber Ihm hat allezeit gefallen der Elenden und Demüthigen Gebet.
(Judith IX. 13.) Und was bringt doch die
Selb-Erhöhung denen Stoltzen für Vortheil / hingegen die Selbst-Erniedrigung den
Demüthigen für Schaden? Werden nicht diese vielmehr erhöhet und erhöret / jene
aber erniedriget und verworffen? (Matth. XXIII.
12.)
Demnach so folge / liebes Christen-Hertze / ja keinen unter den jetzt-bemerckten
/ und trit weder zur Rechten noch zur Lincken; Geselle dich nicht zu den
Schläffern / viel weniger zu den stoltzen Werck-Heiligen; Sondern siehe woll zu
/ daß du / zwischen diesen gefährlichen Klippen sorgfältig hindurch-schiffend /
dich als einen wahren rechtschaffenen Israeliten erweisest / erkäntlich /
demüthig und danckbar zu seyn. Ach ja erkenne es / und gedencke daran / was dein
GOtt an dir / in Leiblichen und Geistlichen gethan: Wie Er dich von dem Anfang
deines Lebens an / da du noch in der Tieffe verschlossen warest / biß auff diese
Stunde / mit so vielen Gütigkeiten angesehen und gekrönet. Gedencke an seine
ewige Barmhertzigkeit und Liebe; Da der GOtt / der da reich von Barmhertzigkeit
/ durch seine grosse Liebe / damit Er dich geliebet hat / dich / da du todt
warest in Sünden / sam̅t Christo lebendig gemacht. (Eph. II. 4.) Wie Er dich gesegnet hat mit
aller
|| [37]
ley geistlichen
Segen / in himmlischen Gütern / durch Christum / und dich erwehlet durch
denselbigen / ehe der Welt Grund geleget war / und hat dich verordnet zur
Kindschafft gegen Ihm selbst durch JEsum Christ / nach dem Wollgefallen seines
Willens. (Eph. I. 3. 4. 5.) Gedencke / wie dich
dein GOtt je und je geliebet / und dich zu sich gezogen / aus lauter Güte. (Jerem. XXXI. 3.) Gedencke an deine Gebuhrt / und
noch mehr an deine Wiedergebuhrt / wie dich GOtt / der Vater unsers HErrn JEsu
Christi / nach seiner grossen Barmhertzigkeit wiedergebohren hat / zu einer
lebendigen Hoffnung / durch die Aufferstehung JEsu Christi von den Todten / zu
einem unvergänglichen und unbefleckten und unverwelcklichen Erbe / das behalten
wird im Himmel / denen die aus Gottes Macht bewahret werden zur Seligkeit. (1. Petr. I. 3. 4.) Gedencke an die theure Erlösung
/ so durch JEsum Christum geschehen ist. (Rom. III.
24.) Gedencke an die gantz Gnaden-reiche Heiligung / durch die
Schenckung seines Geistes / welcher ist das Pfand unsers Erbes / (Eph. I. 14.) welches GOtt in unsere Hertzen
gegeben hat. (2. Cor. I. 22.) Gedencke auch an
deine wunderbare Erhaltung und mächtige Beschützung; wie GOtt nicht allein
Fleisch und Haut dir angezogen / und mit Beinen und Adern dich zusammen-gefüget
/ sondern auch / wie Er Leben und Wollthat an dir gethan / und sein Auffsehen
deinen Odem bewahret. (Hiob. X. 11. 12.) Hieran /
und was sonsten mehr damit verknüpffet seyn mag / gedencke / und vergiß des
allen nicht / so du anders recht gesehen und beachtet / geschmecket und
empfunden / wie gütig und freundlich / wie barmhertzig und treu der HErr über
dir / und in dich / gewesen / daß du auff Ihn trauen können. (Ps. XXXIV. 9.) Dabey aber erkenne dann auch / wie
dir dein GOTT das alles aus lauter Gnaden geschencket / da du es warlich nicht
würdig warest / und achte dich deshalben viel zu gering aller solcher seiner
Barm
|| [38]
hertzigkeiten /
und aller seiner Treue. Es wird dir ja noch unentfallen seyn / wie dich unser /
nun schlaffender / Lehrer und SUPERINTENDENS, vormahlen / bey gleicher
Betrachtung / eben auch hiezu ermuntert: Liebe Seele / sprach Er / laß doch GOtt
allezeit in deinen Augen alles / dich selbst aber nichtes seyn. Halt immer gegen
einander Gottes Gnaden-Krafft und deine Schwachheit / Gottes Barmhertzigkeit und
dein Elend / Gottes Hoheit und deine Niedrigkeit / Gottes Güte und deine
Unwürdigkeit: (In der An. 1710. über die Worte Davids
2. Sam. VII. 18. Wer bin Ich / HErr / HErr / etc. gehaltenen Leich-Pred. p.
26.) Und also lerne doch das non sum dignus, dem lieben Jacob fein
nachsprechen: denn das ist die rechte Sprache Canaans / (Es. XIX. 18.) nemlich der Gläubigen und GOtt / wie
auch sich selbst / recht erkennenden Christen. Welche Worte auch ein in GOtt
ruhender Lehrer zu dem Bilde des heiligen Apostels Petri geschrieben / welcher /
nachdem er einen reichen Fischzug gethan hatte / auff seinen Knien liegt / und
mit auffgehabenen Händen dem HErrn Christo / für den bescherten Segen
dancket:
NON SUM DIGNUS. GOtt hats beschert / Ich bins nicht werth. (M. Klemms im HErrn ergetztes Auge und Ohr. p. 662.) Zu welcher Erkäntniß und Demüthigung / nebst der schuldigen Dancksagung / uns nicht weniger der Sel. Herr Lutherus treulich erwecket und angewiesen / wenn er uns / in der Erklärung des ersten Articuls unsers Christlichen Glaubens / also zu beten und zu bekennen gelehret hat: Das alles / was GOtt an uns gethan / und noch thut / geschicht aus lauter väterlicher Göttlicher Güte und Barmhertzigkeit / ohne all unser Verdienst und Würdigkeit; des alles wir Ihm aber zu dancken / und zu loben / und dafür zu dienen und gehorsam zu seyn / schuldig sind / das ist gewißlich wahr. So mercket nun diese Pflichten woll / Gel. daß ihr eurem GOtt und seiner Gnaden-Quelle / alles allein mit danckbaren Hertzen und
|| [39]
Munde / Euch aber nichts / ohne nur
eure Unwürdigkeit / zuschreibet / nach welcher ihr überall nichts Gutes von GOtt
zu erlangen hättet / wenn nicht der barmhertzige treue GOtt euch dennoch die
Brünnlein seiner Liebe reichlich rinnen und zuströmen liesse. Da soll es dann
heissen: Von Gottes Gnaden sind wir / das wir sind; (1.
Cor. XV. 10.) und so auch / von GOtt haben wir / das wir haben: Von
seiner Hand ist alles kommen / und alles ist seyn. (1.
Chron. XXX. 14. 16.) Dabeynebenst lassets denn auch an der
danckbarlichen Erhöhung und Erhebung des barmhertzigen und treuen GOttes nicht
fehlen / welches gewiß der Wille Gottes in Christo JEsu an uns ist / (1. Thess. V. 18.) und die Forderung unsers
geistlichen Priesterthums / Krafft welches wir verkündigen sollen die Tugend des
/ der uns nicht allein beruffen hat von der Finsterniß zu seinem wunderbaren
Lichte / (1. Petr. II. 9.) sondern auch in allen
vielfältig gekrönet mit Gnade und Barmhertzigkeit. (Ps.
CIII. 4.) Dancket doch alle allezeit GOtt / der grosse Dinge thut hie
und an allen Enden / der uns von Mutter Leibe an lebendig erhalten hat / und
noch erhält / und thut uns alles guts. (Sir. L.
24.) Stimmet mit der demüthigen und danckbaren GOttes-Mutter / der
Maria / ein Magnificat nach dem andern an: Meine Seele erhebt den HErrn / und
mein Geist freuet sich GOttes meines Heylandes. Denn Er hat seine elende Magd
angesehen / und hat grosse Dinge an mir gethan / der da mächtig ist / und des
Name heilig ist. Und seine Barmhertzigkeit währet immer für und für bey denen /
die Ihn fürchten. (Luc. I. 47. 48. 49. 50.) Ist
doch die Danckbarkeit und die Erhebung der Göttlichen Wollthaten nicht von denen
geringsten Edelgesteinen / so in unsern Brust-Schildlein funckeln sollen. Sie
ist dem angezündeten Weyrauch gleich / darüber die Gelehrten schreiben:
Coelo sua munera reddit. Es steiget wieder auff empor / Von da es kommen ist zuvor.
|| [40]
Es soll aber die schuldige Erhöhung der Göttlichen Barmhertzigkeiten und Treue
nicht geschehen mit blossen Worten / sondern auch in Wercken / in der That und
Warheit; wie da auch der demüthige und danckbare Jacob / seinem Groß-Vater
Abraham / und seinem Vater Isaac nachfolgend / für GOtt gewandelt und from̅ gelebet. Non enim verbo tantum vel linguâ, sed opere &
veritate exhibeamus nos gratos, quandoquidem gratiarum actionem magis, quam
dictionem, à nobis exigit dator gratiarum Deus, schreibet gar recht der fromme
Bernhardus, (Bernh. Serm. contra pessimum vitium
ingratitudinis.) Wir müssen nicht bloß mit der Zungen und mit Worten
danckbar seyn / sondern vielmehr in der That und Warheit / weil GOtt nicht
sowoll Dancksagung / als Danckthuung von uns erfordert. Und dann auch soll
solche Erhebung geschehen beständig und allezeit. Weil nemlich die Güte des
HErrn alle Morgen neu / und seine Treue groß / so soll auch die Erhöhung solcher
Güte und Treue bey uns täglich und immerdar neu und groß seyn. Und wie das
heilige Feuer im alten Testament ohn Unterlaß auff dem Brand-Opffer-Altar
brennen muste / und nicht verlöschen durffte: (Levit.
VI. 12. 13.) also soll auch das Hertz eines Christen ein solcher Altar
seyn / darauff das Feuer der schuldigen Dancksagung stets brenne. Wie da dann
Philo das Göttliche Gebot vom heiligen Feuer / das ewig brennen solte / auff die
Danckbarkeit gegen GOtt gedeutet hat. (D. Stiss.
Aretol. Christ. p. 287.) Ja auch in der letzten Stunde / und bey der
Ab- und Hinfarth aus dieser Welt / da wir das mühselige Mesopotamien mit dem
seligen und ruhigen Canaan verwechseln / müssen und sollen wir daran gedencken /
und GOtt für seine Barmhertzigkeiten und Treue dancken; als wie jene 60. jährige
Gottselige Matron gethan / und ihr Leben also woll beschlossen. Von selbiger
schreibet der Sel. M. Scriver, daß Sie auff ihrem letzten Lager / von sich
selbst und aus eigener Bewegung / angefangen und zu ihrem Beicht-Vater
gesprochen: Ach! mein Herr Beicht-Vater / wie viel Liebe und Barmhertzigkeit hat
doch mein GOtt an mir / mein Lebelang / gethan! Er hat / was Er mir in dem
Tauff-Bunde gnädiglich ver
|| [41]
heissen / treulich gehalten; Er hat mich hertzlich geliebet /
reichlich versorget / und mich in keiner Noht verlassen. Ich bin in der blutigen
Eroberung dieser Stadt (Magdeburg) um meinen Mann / und mein Hauß und Güter
kommen / und habe nichts / als mein Leben / zur Beute davon gebracht. Er aber
hat hernach sich meiner wiederum treulich und väterlich angenommen / und mirs
nie an nothdürfftigen Unterhalt mangeln lassen. Zwar hat Er mir niemahls keinen
Uberfluß gegeben / so hat Er mich auch in mancherley Trübsal lassen gerathen:
Allein ich weiß / daß dieses auch ein Theil seiner Liebe und Güte ist. Darauff
erhub sie ihre Hände / schlug sie mit Freuden zusammen und sagte:
HErr Christ / dir Lob ich sage Für deine Wollthat all / Die Du mir all mein Tage Erzeigt hast überall / etc. (M. Scriv. Seelen-Schatz / Part. V. Conc. V. §. 114.) Gel. lasset uns im Leben und Sterben deßgleichen thun / daß wir uns erniedrigen für GOtt / unsern GOtt aber in seinen Wollthaten erhöhen / wie Christlichen Israeliten zustehet. Alsdann werden wir dem HErrn wollgefallen / und von Ihm mit mehreren Gnaden / nach seiner ewigen Treue / gekrönet werden. Denn gar grosse Lust hatte ja der HErr an den Opffern der Tödtung / wie der selige Lutherus redet / oder Demüthigung / und der Danckbarkeit / welche die gläubige Ertz-Väter Ihm gebracht. Sintemahl Er sich ihnen darauff immer weiter und weiter geoffenbahret / und Sie mit neuen Begnadigungen angesehen. Als Noah nach der Sünd-Fluth aus dem Kasten gieng / und aus demüthigem danckbaren Hertzen / wegen seiner und der Seinigen Erhaltung / dem HErrn einen Altar bauete / und Brand-Opffer opfferte / da roch der HErr den lieblichen Geruch / und ließ Ihm solches in Gnaden wollgefallen. (Gen. IIX. 20. 21.) Als Abraham sich für dem Sohn GOttes
|| [42]
demüthigte / da wurde ihm der Isaac
verheissen und geschencket. (Gen. XIIX. 3. 10.)
So auch als unser Jacob seinen wollthätigen GOtt demüthig preisete / da segnete
Er ihn / und wandte das Hertze Esau / daß der freundlich mit ihm reden muste.
Nun so wird dann der HErr auch uns hold seyn / und über uns seine
Barmhertzigkeiten und Treue / nach dem Wollgefallen seines Willens / vermehren;
Er wird bey uns seyn in Nöthen und Aengsten / uns herausreissen aus allen
Gefährlichkeiten / und in allen uns zeigen sein Heil. (Ps. XCI. 15. 16.) Und dann letztlich wird Er uns erlösen von allem
Ubel / und aushelffen zu seinem him̅lischen Reich. (2. Tim. IV. 18.) Da wir mit Engeln und
Außerwehlten für seiner Majestätischen Herrlichkeit und herrlichen Majestät uns
demüthigen / und Ihn loben und erheben werden / ohne auffhören / immerdar.
Dieses / Gel. wuste und glaubete nun auch unser wollseliger Herr Superintendens,
JOHANNES Niekamp / darum so war Er stets embsig / in seinem gantzen Leben / und
in allen Stücken / sich zu erweisen einen rechtschaffenen Israeliten / und
sonderlich auch was die von dem Israel erlernete Erniedrigung sein selbst / und
die Erhöhung des wollthätigen GOttes betrifft. Gewiß war Er ein Mann / der aus
sich nichts / aus seinem GOtt aber alles gemacht; Ein Mann der bey allen denen
von GOtt ihm verliehenen grossen Gaben und mancherley Gnaden-Schätzen dennoch
niedrig und gering in seinen Augen war / und noch immer geringer zu werden
suchte. (2. Sam. VI. 22.) Ja der HERR / sein GOtt
/ hatte warlich sehr viel und grosses an diesem seinem Knecht gethan / welches
dann seine Seele auch woll erkannt. (Ps. CXXXIX.
14.) Nicht zu gedencken / wie Er von Christlichen frommen Eltern in
dem Schoosse der Evangelischen Kirchen geboyren / und sorgfältig in wahrem
Glauben erzogen / als welches Er mit dem heiligen Augustino allerdings für eine
hohe und grosse Wollthat geachtet; (August. lib. de
diligendo Deo. c. XI.) Noch zu reden von der wunderbaren Göttlichen
Leitung und Führung / die Er jederzeit zu Hause und in der Frembde woll
verspüret / darüber sich hertzlich gefreuet / und derselben / zum Ruhm und Preiß
seines GOttes zum öfftern Erwehnung gethan: Sondern nur zu sagen / wie der treue
und barmhertzige GOtt mit vielen herrlichen Gaben Ihn reichlich ausgerüstet /
mit Weisheit und Verstand / mit ungemeiner Erudition, fürtrefflichem judicio,
gründ
|| [43]
lichen Wissenschafften in
Philosophicis und Theologicis, und andern zu einem rechten Theologo gehörigen
Stücken. Und wie Ihn sein GOtt also tüchtig gemacht / so hat Er ihn auch
beruffen / und auff den Leuchter in seiner Kirchen gestellet / so daß Er an
verschiedenen Orten / dahin Er auff seines GOttes Winck gehen müssen / ein
brennend und scheinend Licht / Hohen und Niedrigen / seyn müssen. Welch einen
freudigen Muth hatte GOtt nicht in Ihm geleget / recht deutlich und
nachdrücklich die Einfältigen zu unterweisen und zu lehren / und auch ohne
Furcht und Scheu die Sünder zu straffen / ob Er woll darüber von der Welt
offtermahl viel leyden müssen / welches Er aber nichts geachtet / sondern
beständig in der That erwiesen / wie Er seinem GOtt mehr / als denen Menschen /
zu gehorchen schuldig. (Act. V. 29.) Seine grosse
Erfahrung in Kirchen- und Gewissens-Sachen // seine Arbeit / Wachsamkeit und
Unverdrossenheit in Kirchen und Schulen / seinen brennenden Eifer / das lautere
und rechtschaffene Wesen in Christo allenthalben zu befodern / und seinen
ungeheuchelten exem plarischen Fürgang und Wandel / und was noch sonsten mehr /
darff ich nicht weitläufftig berühren / denn Ihr seyd / Gel. dessen lebendige
Zeugen. Aber ich muß hie stille stehen / und mit wenigen nur noch in der Warheit
bezeugen / wie das alles unsern seligen Hrn. Niekamp doch nie / nie auffgeblähet
/ noch stoltz gemacht / sondern Er sich je und allezeit herunter gehalten zu dem
Niedrigen: (Rom. XII. 16.) sich gar nicht werth
achtend aller Barmhertzigkeiten und Treue / die sein GOtt an Ihm / seinem Knecht
/ gethan; und wie Er dabey nicht vergessen des schuldigen Lobes und Preises
seines GOttes / allezeit danckend für alles / GOtt und dem Vater in dem Namen
unsers HErrn JEsu Christi. (Eph. V. 20.) Ja könte
sein Bet-Kämmerlein reden / so würde es gewiß von seiner Demuth und Danckbarkeit
/ die Er bey allem seinen Beten darinn kniend erkennen lassen / viel predigen
und Zeugen. Wir / Gel. wollen dieses sein Christ-löbliches Verhalten bey uns
nicht ersterben lassen / sondern seinem guten Exempel folgen / fleissig beten /
betende an die Göttliche Barmhertzigkeiten gedencken / und in Erkäntniß unserer
Unwürdigkeit solche herrlich preisen: womit wir dann das beste Andencken an
unsern treuen Lehrer beweisen / und in der That die schöne Frucht seiner uns
gehaltenen geistreichen und erbaulichen Predigten / und seines unsträfflichen
Wandels / bezeugen werden.
|| [44]
Was die hinterbliebene sehr betrübte vornehme Leydtragende / die Fr. Wittwe /
lieben Kinder / und Herren Schwieger-Söhne / auch andere / durch des wollseligen
Herrn SUPERINTENDENTENS Abscheiden / in grosse Traurigkeit gesetzte Anverwandte
und Freunde betrifft / so kan und wird ihnen allen dieser wahre Nach-Ruhm / daß
ihr seliger Ehe-Herr / Vater / Schwieger-Vater und Freund ein rechtschaffener
und auffrichtiger Israeliter gewesen / der ohne falsch für seinem GOtt sich
stets gedemüthiget / GOttes Namen aber je und allezeit erhöhet / zum schönen und
kräfftigen Trost gereichen; Zumahlen sie also versichert und gewiß hoffen können
/ wie Er nun von GOtt erhöhet / und in seinem heiligen Himmel mit ewigen Gnaden
/ der Seelen nach / bereits gekrönet / tragend die unverwelckliche Krone der
Ehren / (1. Petr. V. 4.) der Gerechtigkeit /
(2. Tim. IV. 8.) des Lebens / (Apoc. II. 10.) und Er / als ein treuer Knecht /
nun über viel gesetzet / und eingegangen zu seines HErren Freude. (Matt. XXV. 21. 23.) Dahin dann auch sein
sehnliches Verlangen gieng / in gewisser Zuversicht / sein bestes / schönstes
Erbtheil sey im Himmel. Dannenhero Er in seiner Kranckheit mit dem heiligen
Vater Ambrosio sich vernehmen ließ: Bonum Dominum habui, bonum Dominum habeo,
mori non timeo, Ich habe in meinem gantzen Leben einen guten HErrn an meinem
GOtt gehabt / habe auch noch jetzo einen guten HErrn an Ihm / und werde Ihn also
ewig haben / darum so fürchte ich mich gar nicht zu sterben. Und wohin ging sein
Bitten an seine hertzlich-geliebte Ehegenossin und Kinder anders / wenn Er
gesprochen: Haltet mich nicht auff! Haltet mich nicht auff! als daß Er Lust
hatte / seinen HErrn im Himmel als ein treuer Knecht gerne zu dienen. O! wie
hell gläntzete sein Glaube an seinen einigen Heyland / und sein festes Vertrauen
auff dessen allein gerecht und seligmachendes / theures blutiges Verdienst!
Nicht meine Gerechtigkeit / sondern meines JEsu Gerechtigkeit / und keine
andere; Nicht mein Verdienst und Würdigkeit / sondern allein GOttes
überschwengliche Treue und Barmhertzigkeit ist der eintzige
|| [45]
Grund meiner Hoffnung / rieff Er /
und dabey will ich verbleiben: Und also vollendete Er seinen Lauff mit Freuden.
(Act. XX. 24.) Wenn die Hinterlassene einen
solchen Mann / Vater und Freund verlohren hätten / der anderst gelehret / und
anderst gelebet / der andern geprediget und selbsten verwerfflich gewesen / der
andere zur Demuth und Danckbarkeit angeführet / und selbst ein stoltzes und
undanckbares Hertze gehabt / und GOtt aus den Augen gesetzet / der mit seinem
Leben niedergerissen / was Er mit seiner Lehre erbauet; so mögten Sie betrübt
und traurig seyn: Aber nun haben Sie sich damit auffzurichten / daß Er sich /
wie einen reinen Theologum und Lehrer / ob dem lautern und unverfälschte̅ Worte das gewiß ist / und denen / damit übereinstimmenden /
symbolischen Büchern fest haltend / als auch einen rechtschaffenen Christen und
Fürbild der Heerde / (1. Petr. V. 3.) ich will
sagen / einen in dem Hause seines GOttes treuen Knecht / (Hebr. III. 2.) jederzeit erwiesen / also daß sein
Name unter uns in Hildesheim nicht vergehen / sondern grünen und blühen wird
unverwelcklich. VIVIT POST FUNERA VIRTUS! muß es auch von unserm wollseligen
Hrn. SUPERINTENDENTEN JOHANNE NIEKAMPIO heissen / wie etwa der / nun auch
ruhende / selige Herr Senior M. Sylv. Tappe, von dem weiland fürtrefflichen
Theologo, D. Johanne Hilperto, nachdem Derselbige in die 24. Jahr auch Kirchen
und Schulen allhie treufleissigst fürgestanden / und Anno 1680. sanfft und selig
verschieden / in der demselben gehaltenen schönen Leich-Predigt / gesprochen /
und geschrieben: VIVIT POST FUNERA VIR TUS, trotz allen Mißgönnern / so wird
doch die Tugend grünen auch nach dem Tode. Ja woll / unsers werthesten NIEKAMPII
Gedächtniß soll und wird stets bey uns bleiben / und wir werden seiner nicht
vergessen; wie Er dessen nach seinen vielen meriten woll werth und würdig
gewesen. Und sonderlich wird sein geehrter Name nicht verwelcken in denen
nachgebliebenen und sich recht woll anlassenden Sprossen und Zweigen / als bey
welchen die Knospen und Blüte sich bereits nach Wunsch herfür thun. Er lebet /
ob Er woll gestorben: Er bleibet / ob Er woll dahin gegangen / und sein Ruhm
wird fortgepflantzet werden auff Kindes Kind. Wir aber loben den HErrn in allen
seinen Wercken / auch bey diesem traurigen Hintrit / und trösten uns / daß Er
wie Daniel hingangen und nun ruhe / biß Er auffstehe in seinem Theil am Ende der
Tage. (Dan. XII. 58.) Amen.
|| [46]
PERSONALIA.
GEtreffend nun des Sel. Hrn. SUPERINTENDENTIS von Ihm selbst entworffenen
Lebens-Lauff; So ist Derselbe Anno 1654. am S. Johannis Abend auff diese
mühsahme Welt gebohren.
Sein seliger Herr Vaterist gewesen Herr LUCAS Niekamp / Bürger und Kauff-Händler
in der Stadt Fürstenau / Stiffts Oßnabrück / die Mutter aber die auch selige
Frau Maria von Bockern.
Von welchen seinen Christlichen Eltern Er sofort zur Heil Tauffe befodert / und
nach seinem mütterlichen Groß-Vater mit dem Nahmen JOHANN benennet / auch so
bald Er dazu tüchtig worden / zur Schule und Kirche fleisig gehalten; folglich
da seine selige Eltern vermercket / daß Er Lust und von GOtt einige
Geschicklichkeit zum studiren gehabt / nacher Oßnabrück in die lateinische
Schule geschicket: von dannen aber ist Er Anno 1673. auff die Preussische
Universität Königsberg gezogen / woselbst Er sich zwey Jahr studirens-halber
auffgehalten / und Anno 1676. in Churland bey einem Fürnehmen von Adel condition
genommen / dabey Er Gelegenheit gehabt die Curische Sprache zu lernen / in
selbiger sowoll als in Teutscher offt und viel geprediget / daß fast jederman
vermuhtet Er würde dem HErrn / in selbiger Curischen Kirche zu dienen / als
Prediger beruffen werden / wie Er sich denn auch selbst dazu angeschicket: da Er
aber Anno 1679. in sein Vaterland gereiset / um von seinen lieben Eltern /
Geschwistern und Verwandten Abschied zu nehmen / und sodann in Churland wiederum
zurück zu kehren / da hat es GOtt gefallen zu seinem Kirchen-Dienst in patria
Ihn zu behalten / indem Ihm die erledigte Schloß-Prediger-Stelle zu Iburg sam̅t einer damit combinirten Adjunctur auff dem angelegenen Dorffe
Hilter / angetragen / und nach vorgängiger Examination und Ordination An. 1679.
Dominica 3. p. Trinitatis, zu Iburg / und folgenden Montags darauff zu Hilter
introduciret worden ist / worauff Er an dem Ort / von wannen sein seliger Herr
Vater gebürtig war / an S Johannis, als an seinem Namen- und Geburts-Tage /
seine Antrits-Predigt gethan / und in sein von GOtt und seiner Kirche Ihm
an
|| [47]
gewiesenes
Predig-Ampt getreten. Anno 1682. den 10ten Novembris hat Er sich mit
Einwilligung beyderseits respectivè Eltern und Anverwandten mit deritzo
hochbetrübten Frau Wittwen / damahligen Jungfer Anna Flsabe Schmidts / seligen
Hrn. Herman Schmidts / gewesenen Kauff- und Handelsmanns in der Stadt Fürstenau
/ nachgelassener Eheleiblichen Tochter / in den heiligen Ehestand begeben /
Zeitwährender Ehe miteinander gezeuget 13. Kinder / als 6. Söhne und 7. Töchter
/ von welchen 3. Söhne und 2. Töchter allbereit in dem HErrn verstorben / die
übrigen aber / so lange es GOtt gefällt / noch am Leben sind / welcher Frau
Wittwe und Kinder der Vater der Barmhertzigkeit und GOtt alles Trostes sich
ferner in Gnaden wolle annehmen. Nachdem nun der selige Mann der Iburgischen und
Hilterschen Gemeine über fünff Jahr vorgestanden / ist Er von Sr. Hoch-Fürstl.
Durchl. Herrn ERNST AUGUST hochseligen Andenckens / als Bischoffen zu Oßnabrück
/ von besagter Oeroselbiger Fürstl. Schloß-Capelle zu Iburg / auff
Recommendation der Hoch-Adelichen Burg-Häuser und säm̅tlichen
Vorsteher der Evangelischen Gemeine / auch Stiffts Oßnabrück / zu Melle / dahin
gnädigst transferiret und befordert / woselbst Er / wie eine weit grössere und
Volck-reichere Gemeine / also auch mehrere Gelegenheit bekommen mehr zu arbeiten
in des HErrn Weinberge. Er ist daselbst am 20sten Sonntage Trinitatis besagten
1684sten Jahrs introduciret / und denen dreyen / nemlich Adelicher /
Bürgerlicher und Kirchspiel-Gemeinen vorgestellet worden. An. 1692. ist Er von
vor-hochgedachter Sr. Chur-Fürstl. Durchl. als Bischoffen zu Oßnabrück / zum
Consistorial Raht gnädigst beruffen / und auff Dero gnädigen Befehl den 23.
April selbigen Jahrs in das Oßnabrückische Land-Consistorium introduciret /
welche dreyfache Befoderung nach Iburg / Melle / und ins Consistorium, und
andere hohe Chur-Fürstl. Gnade der selige Mann ohn Unterlaß mit unterthänigsten
Danck erkannt / gerühmet und sam̅t denen Seinigen dem hohen
Königl. und Chur-Fürstl. Hause / als von welchem Er nechst GOtt all sein
Ampts-Glücke und Ehre hatte / alles erwünschte Hochergehen in Geist- und
Leiblichen angewünschet und von GOtt erbeten / wie Ihm dann auch nichts liebers
würde gewesen seyn / als in eines so gnädigen Landes-Herrn
|| [48]
Kirchen- und Consistorial-Diensten biß an sein Ende zu beharren /
wann es nicht dem Allerhöchsten anders gefallen / als nach dessen ungezweifelter
Schickung / ohne alle des seligen Mannes Vorwissen / Gesuch und Verlangen Er
Anno 1693. den 8. Octobris, styli novi, war der Sonnabend vor dem 20.
Trinitatis, (anwelchen Er vor 9. Jahren zu Melle introduciret war) schrifftliche
Vocation von denen Durchl. Durchl. Fürsten und Herren / Herren RUDOLPHO AUGUSTO
und ANTHON ULRICH, Gebrüdere / Hertzogen zu Braunschweig und Lüneburg / zu Dero
Hoff-Prediger / Consistorial-Raht und respectivè Beicht-Vater / bekommen /
welche Vocation, wie Er sie nicht allein selbst eingesehen / sondern auch von
andern gelehrten und gewissenhafften Theologis Beyfall gefunden / also
beschaffen war / daß Er dieselbe für rechtmässig und Göttlich halten und dafür
achten müssen / daß Er derselbigen sich mit gutem Gewissen nicht widersetzen
dürffte / derowegen dieselbe im Nahmen des HErrn angenommen / den 2ten Decembris
im Oßnabrückischen Consistorio valediciret und von seinen Herren Collegen
Abschied genommen / den 6ten Decembris neuen styls darauff / war der 2te
Advents-Sonntag / zu Melle seine Abschieds-Predigt gehalten / und demnechst den
26sten ejusdem, styli novi, gleichfals am andern Sonntag des Advents / nach dem
alten Calender / zu Wolffenbüttel in der Schloß Kirche seine Antrits-Predigt
gethan / nachdem Er vorigen Freytag in dasiges Fürstl. Consistorium introduciret
war. Als Er nun über 12. Jahr daselbst gestanden / und in seinem schweren Ampte
Glauben und gut Gewissen zu bewahren / dem HErrn / nach dem Vermögen / das Er
selbst Ihm dargereichet / getreu gewesen / ist Er Anno 1706. anhero nacher
Hildesheim / zu beyder Städte Kirchen Superintendenten und Schulen Ephoro
vociret / welche Vocation Er auch aus bewegenden GOtt und seiner Kirchen
wollbekandten Ursachen annehmen müssen / selbige auch in dem Nahmen des
Allerhöchsten sofort darauff angetreten / und zu dem Ende den 11ten Januarii
besagten 1706ten Jahrs / Montag post Epiphanias, seine Reise nacher Hildesheim
angetreten / von E. Hoch-Edlen Raht / Kirchen-Vorstehern und säm̅tlichen Löbl. Bürgerschafft mit allen Liebes- und Ehren-Bezeigungen empfangen
und angenommen / folgenden Donnerstag auff dem hohen Chor in der Haupt-Kirche
St. Andreae denen säm̅tlichen Kirchen- und Schul-Dienern
vorgestellet / und also zu seinem Ampte introduciret ist. Den folgenden
|| [49]
2ten post Epiphanias hat Er seine Antrits-Predigt
gehalten. Die gantze 10. Jahre / die Er allhier GOtt und seiner Kirchen gedienet
/ ist Er von Hohen und Niedrigen geliebet und geehret worden / so daß er in
Zufriedenheit und Ruhe die Zeit seines Hierseyns zugebracht / dafür Er auch der
gesam̅ten Stadt und Bürgerschafft GOttes reichen Seegen
vielfältig angewünschet. Was aber die vorhin Ihm begegnete Widerwertigkeiten
anbelanget / hat Er nicht gewolt / daß von selbigen umständlich Erwehnung
jetzund allhier geschehen solte / als welche er in stiller Gelassenheit dem
lieben GOtt anheim gestellet / wie Er denn auch nicht verlanget / daß von seinem
Christenthum und Ampts-Verrichtungen mehr denn nur dieses gesaget werden solte /
daß er die grosse Gnade des lieben himmlischen Vaters mit kindlichem Danck
preisete / und denselben durch IEsum Christum bäte / daß / wo Er dißfals /
nemlich in dem rechten Gebrauch seiner Göttlichen Gnaden-Wollthaten / oder sonst
in übrigen seinem gantzen Leben gefehlet oder gemangelt hätte / Er ihm aus
lauter Barmhertzigkeit um JEsu Christi willen verzeihen und vergeben wolle.
Anlangend aber endlich seine Kranckheit / als den Schluß seines Lebens / so hat
Derselbe bereits für 7. Jahren / wie auch für etwa halbjähriger Frist / einen
schweren morbum scorbuticum ausstehen müssen / wovon er jedoch beydemahl unter
fleissigen Gebrauch diensamer Mittel durch Göttlichen Seegen glücklich befreyet
worden. Es hat sich aber eben derselbige Affect in verwichenen Fasten / zu
Anfang des Monats Martii, von neuen gemeldet / wobey Er einige Schmertzen an den
Beinen empfunden / daher Ihm das gehen und stehen sehr beschwerlich worden /
also daß er auch die Passions-Predigt am Donnerstage vor dem Sonntage Laetare
sitzend verrichten müssen / welche denn auch seine letzte Predigt gewesen / die
er gethan hat. Ob er nun wohl den Montag nach Laetare in der Schule allhier zu
St. Andreae das Examen, wiewohl nicht ohne grosse unverhoffte Beschwerde /
verrichtet / und gemeinet / Er wolle nechst GOtt die übrige Passions. Predigten
auch noch halten / und damit seine Zuhörererbauen / so haben dennoch die
Schmertzen an denen Beinen nicht allein zugenommen / sondern Er ist auch recht
matt und kranck worden / daß Er sich ins Bette legen müssen. Man hat zwar
alsofort nicht ermangelt einen berühm̅ten Artzt zu gebrauchen /
der auch die allerkräfftigste und diensamste Artzeneyen verordnet / mit welchen
man auch immer continuiret; Allein es hat sich doch auch hier gefunden was der
Poët saget:
|| [50]
Non est in Medico semper relevetur ut aeger, Interdum doctá plus valet arte malum. Indem die Kranckheit / in welcher Er von seiner Ehe-Liebsten und Kindern / sowoll bey Tag als bey Nacht / fleissigst gepfleget und gewartet worden / von Tage zu Tage zugenommen / und wegen der unterschiedenen symptomatum, welche sich dabey eingefunden / immer gefährlicher worden / biß endlich die Kräffte / insonderheit da der appetit zum Essen und Trincken sich gäntzlich verlohren / täglich mehr und mehr abgenommen / und also Er selbst / wie andere / woll gemercket / daß sein Lebens-Ziel vorhanden / dazu Er sich dann in Christlicher GOtt-gelassenheit bereitet; Wiewohl der selige Mann ohndem mit der Bereitung zum Tode nicht biß hieher gewartet / sondern Er hat gleich Anfangs der Kranckheit seine Seele dem HErrn des Lebens und des Todes zum seligen Abschied aus dieser Welt befohlen / und forthin von nichts liebers reden und hören mögen als vom Tode und seligen Sterben. Damit Er aber im Glauben / in der Hoffnung und in der Gedult gestärcket und erhalten werden mögte / so hat er sich bey anhaltender Schwach- und Kranckheit der rechten Speise und Trancks / welche da ist Christi Leib und Blut / im Hochwürdigen Abendmahl bedienet / und sich dadurch mit seinem JEsu destofester vereiniget. Ja Er hat von seinem GOtt nichts mehr begehret / als auffgelöset zu werden und bey Christo zu seyn / wie Ersolches zum öfftern gegen die lieben Seinigen / wie auch gegen seinem Hrn. Beicht-Vater / der Ihn etlichemahl besuchet / sowohl mit Worten als Gebärden bezeuget hat / dessen Er denn in Gnaden ist gewäret / und das öffentliche Gebet / so für Ihm in denen Evangelischen Kirchen zu GOtt abgeschicket / in so weit um Christi willen erhöret worden. Denn da Er einige Tage fast immer geschlaffen / und ohne sonderliche Empfindlichkeit gelegen / ist Er endlich in der Nacht auff den 3ten Pfingst-Feyer-Tag / war der 2te Junii, zwischen 11. und 12. Uhr / unter dem Gebet und Seufftzen seiner umftehenden lieben Angehörigen / sanfft und selig / ohne alle Todes-Züge und Gebärden / in GOtt entschlaffen / nachdem Er auff dieser Jammer-vollen und mühsamen Welt gelebet 62. Jahr weniger 3. Wochen / und zu 13. Kindern Vater und zu 11. Kindern Groß-Vater worden.
|| [51]
POSTPERSONALIA.
ES melden die Historien / daß als der vortreffliche Griechische Lehrer
Chrysostomus seinen beredsamen güldenen Mund geschlossen und gestorben / der
Käyser Theodosius seinen verblichenen Leichnam in einem silbernen Sarck gen
Constantinopel bringen / und in der Haupt-Kirchen daselbst auff die Cantzel /
von welcher Er vormahls zu predigen pflegen / stellen lassen; worauff denn nicht
allein eine unzehlige Menge Volcks zur Kirchen kommen / sondern auch auff
solchen Anblick alle hefftig und sehr geweinet / und bekennet / daß ihre Hertzen
niemahls mehr / als dazumahlen / von ihrem Prediger wären gerühret worden. (Engelgrav. part. 1. Luc. Evang. p. 274. è Baronio &
Radero.)
Gel. Wir sehen den erblaßten und verblichenen Cörper unsers gewesenen
geistreichen / theuren und werthen Lehrers und SUPERINTENDENTENS, JOHANNIS
NIEKAMPII, nicht auff / sondern vor der Cantzel / von welcher Er uns so viele /
herrliche und erbauliche Predigten / den Wachsthum unsers Glaubens / und die
Erbauung in unserm Christenthum zu befördern / gehalten / in seinem Sarcke vor
uns gestellet / welcher nun jetzt in seiner Mutter Schooß eingesencket werden
soll. Und solten dann bey solchem Anblick unsere Hertzen und Augen nicht
rechtschaffen übergehen? Solten wir nicht dadurch sehr empfindlich gerühret
seufftzen und klagen? Ach Vater! ach Vater! Wagen Israel und seine Reuter!(2. Reg. II. 12.) Ja ich glaube es / und bins
gäntzlich versichert / daß der selige Mann mit seinem demüthigen / eiffrigen und
brünstigen Gebet / deß sein Hertze voll war / und dessen sein Mund täglich
übergieng / viele Noth und Gefahr von uns und unser lieben Vater-Stadt
abgewendet; Denn das Gebet des Gerechten vermag viel wenn es ernstlich ist.
(Jacob. V. 15.) Nun aber ist sein Hertze ohne
Leben / sein Mund / geschlossen / und seine Hände / die Er in die Höhe gen
Himmel zu richten pflegen / sind nun gesuncken und liegen erstarret. Und wer
weiß was dieser Riß noch nach sich ziehe? sintemahl viele Scribenten nicht
vergeblich angemercket / daß auf das unverhoffte Absterben grosser Lehrer und
Regenten / und wenn solche Kirchen- und Regiments-Seulen umgerissen worden /
nicht viel
|| [52]
gutes erfolget. Ambrosii
Ende sahe der Hertzog Stilico, des Käysers Honorii Eydam / also an / daß er
daraus den Untergang Italiens prognosticirte / so da auch darauff erfolget. GOTT
bewahre uns in Gnaden / und lencke unsere Hertzen zur wahren Busse: Er erwecke
uns auch / daß wir woll behalten das Wort / das unser Sel. Herr Superintendens
im Namen des HErrn uns deutlich geprediget hat / daß wir darnach thun.
Im übrigen dancken wir dem grossen GOtt für alle seine Barmhertzigkeiten und
Treue / die Er an diesem seinen Knecht / in seinem gantzen Leben biß zum
Beschluß desselbigen / gethan hat / für die herrlichen Ampts- und Gnaden-Gaben /
für seinen exemplarischen Wandel / beständige Gedult / und für das sanffte und
selige Ende / so Er demselbigen verliehen. Und wie wir das gäntzliche Vetrauen
zu GOtt haben / Er werde die Seele seines / biß in den Tod treu gewesenen
Knechts zu sich in sein him̅lisches Freuden-Reich auffgenommen
haben / und nun mit Freuden und Wonne ergetzen; so wolle Er den verblichenen
Leichnam in seinem Ruhe-Kämmerlein auch bewahren / und biß zu herrlichen
Wieder-Vereinigung mit der Seelen sicher ruhen und schlaffen lassen. Derselbige
treue GOTT / der GOtt alles Trostes / tröste doch die Hinterbliebene / und durch
diesen herben Riß und schweren Fall höchstbekümmerte Frau Wittwe / Frauen und
Jungfer Töchter / die lieben Söhne und respectivè Herren Schwieger-Söhne / und
welche sonsten dadurch in grosse Traurigkeit gesetzet sind. Er gebe ihnen den
Geist des Erkäntnisses / auch in diesem seinen heiligen und besten Willen woll
zu erkennen / und schencke Ihnen viel Freude für das Leyd / das Sie also
erlitten haben. Er gedencke denn auch unserer in Gnaden / und ersetze zu seiner
Zeit die nun erledigte Superintendentur mit einem gleich gearteten / gelahrten /
Friede und Einigkeit liebenden und Gottseligen Subjecto, dadurch Kirchen und
Schulen und unserm Evangelischen Ministerio woll gerathen sey. Uns alle aber
lasse der HErr stets und allezeit bedencken / daß wir sterblich sind / und
sterben müssen / und mache uns also klug; damit wir uns zu einer seligen Hinfart
/ in steter Wachsamkeit / recht gläubend und Christlich lebend / bereit halten
mögen. Um welche Barmhertzigkeit und Güte wir Ihn demüthig und gläubig anruffen
wollen in einem stillen und ändächtigen V. U.
|| [53]
Die Selige Leitung und Auffnehmung der Gläubigen Gottes / Bey Beerdigung Des
weyland Hochwürdigen / in GOtt andächtigen und Hochgelahrten Herrn / HERRN
JOHANNIS Niekampen / Vornehmen THEOLOGI und Hochverdienten SUPERINTENDENTIS,
Auch Der Schulen INSPECTORIS Beyder Städte Hildesheim / War am Sonntage
Trinitatis An. 1716. in der Haupt-Kirchen St. Andreae, Vor der PROCESSION An die
Hochansehnliche Leich-Begleiter In einer Dancksagungs-Rede angemercket
TIT. S. Meine allerseits Hochzuehrende und Großgeneigte Herren
Anwesende.
WIr befinden uns dißmahl bey der hochschmertzlichen Leiche des weyland
Hochwürdigen / in GOtt Andächtigen und Hochgelahrten Herrn JOHANNIS Niekampen /
eines vornehmen THEOLOGI, und wie vorhin anderweit / also auch um unser
Evangelisches Hildesheim in das eilffte Jahr hochverdienten Lehrers und
SUPERINTENDENTIS. Wann ich denn nun zu dessen Ehren-Gedächtnisse etwas zu reden
mich allhie verpflichtet finde / so bekenne sofort / daß ich dessen Ruhm bey
allen rechtschaffenen Hertzen so geständlich und sonderbar erachte / daß wie
ausführlich und weitläufftig ich auch von demselben zu reden anheben würde / gar
leicht eine allgemeine und auffrichtige Beystimmung finden muß.
Es erkannte der liebe selige Mann bey seinem ersten Aufftritt auff die Cantzel
vor zehen Jahren / daß sein Beruff von GOtt sey / eben wie Paulus, da er einen
Mann bey der Nacht im Gesicht gesehen / der da sprach: Komm hernieder in
Macedonien / und hilff uns. (Apostel Geschicht XVI.
9.) Er ergriff die Apostolische Erinnerung: Allenthalben stelle dich
selbst zum Fürbilde guter Wercke / mit unverfälschter Lehre / mit Ehrbarkeit /
mit heilsamen und untadelichen Wort. (Tit. II.
2.) Und da wir die Erfüllung durch GOttes Gnade gesehen / so können
wir mit allem Rechte rühmen / daß Er unserm Evangelischen Hildesheim / nach Art
der treuen und theuren Seelen-Hirten geholffen / und ein unsträfflicher Lehrer
in Lehre und Leben gewesen sey. Würde ich also von Ihm sagen / was
|| [55]
die Schrifft von dem Prediger der
Gerechtigkeit Noa (1. B. Mos. VI. 9.) gesagt: Er
war ein frommer Mann / ohne Wandel / und führte ein Göttlich Leben in seinen
Zeiten / das ist / Er lebete erbar / auffrichtig und Gottfürchtig / so könte ja
solches niemand in Zweifel ziehen.
Dieser Platz selbst würde mir den Beweißthum in den Mund legen / in welchem Er
gewohnet gewesen / die zorte Jugend zu versam̅len / und zu der
öffentlichen Catechismus-Lehre zu bereiten. Da Er ohne Zweifel sich öffters
erinnert / daß Er an eben diesem Orte von einer solchen Todten-Bahre / wie
anitzo geschiehet / predigen würde / daß wir allesam̅t zu einer
seligen Bereitschafft durch diesen Anblick mögten erbauet werden.
Unser Gymnasium hielt Er für seinen angenehmsten Lust-Garten und ergetzte sich an
dem Wohlgedeyen der dasigen Pflantzen mehr als an allen Blumen des Feldes. Er
halff selber das Unkraut mit ausreuten und mit Lehre und Unterrichtung gute
Früchte zu befordern. Die beschwerliche Stiege hinauff nennete Er seine scalam
Jacobaeam oder Jacobs-Leiter / und tröstete Sich / und Uns / mit erbaulicher
Begegnung / davon ich alleine gar weitläufftige Vorstellung thun könte.
Die Cantzel und GOttes-Hauß waren sein bestes Vergnügen / so lange Er Vermögsam
war dieselbe zu betreten. Seine Gaben und Aufführung haben wir mit grösserm
Rechte bewundert / als Athen ehemahls den Demetrium Phalaraeum, dem sie drey
hundert und sechtzig Ehren-Seulen auffgerichtet. Und was war das für ein Mann?
Cicero schreibet von ihm (Lib. 1. de Off. c. 1.)
daß Er gewesen Disputator subtilis, Orator parum vehemens, dulcis tamen, ut
Theophrasti discipulum possis agnoscere. Er wäre scharffsinnig in seinen Reden /
ohne Hefftigkeit / doch angenehm gewesen / daß man wohl mercken könne / daß er
von dem vortrefflichen Theophrasto sey unterrichtet wotden. Also werden wir mit
grösserm Rechte von unserm seligen Hrn. Superintendente sagen / daß Er ein
gründlicher Theologus gewesen / und obgleich nicht ein hefftiger Sturm-Prediger
/ doch ein süsser und angenehmer Lehrer / aus dessen gesam̅ten
Predigten alle wahre Liebhaber des Göttlichen Worts urtheilen können / daß Er
ein rechtschaffener Jünger des demühtigen und sanfftmühtigen JEsu gewesen.
|| [56]
Und was würde mir nicht für eine Weitläufftigkeit vorhanden seyn / wenn ich
dessen erbauliche und offt höchstmerckliche Predigten in einen kurtzen Begriff
fassen solte? Davon alleine die letzten gnug seyn würden / Ihn als einen
Glaubens- und Liebes-Prediger nach dem Exempel Johannis vorzustellen / zu
geschweigen andere fast viele Merckwürdigkeiten / welche zu dessen Ehre alle
verdienten durch besondere Reden angeführet zu werden.
Doch weilen der sehlige Herr SUPERINTENDENS selbst ausdrücklich bedungen / nicht
sowoll sein Lob weitläufftig bey seiner Beerdigung zu machen / als vielmehr die
Barmhertzigkeit GOttes gegen Ihn zu preisen: Zu welchem Ende Er zu seinem
Leich-Texte die Worte Jacobs erwehlet: Ich bin zu gering aller Barmhertzigkeit /
die der HErr an mir gethan hat: (1. Buch Mos. XXXII.
10.) So habe auch diesesmahl meine Pflicht zu seyn erachtet / mich in
dem sonst schuldigen Ruhm zu mässigen / undetwa auff eine anderweite Panegyrin
Scholasticam (videatur Programma.) zu verschieben
/ hingegen dasjenige / was bey seinem Lebens-Gedächtniß zu einer gemeinen
Erbauung dienen möchte / mit wenigen zu berühren.
Ich lobe den HErrn / der mir gerahten hat / sagt David gar merckwürdig / (Ps. XVI. 7.) und will uns damit anweisen / was für
Barmhertzigkeit / die GOtt an uns thut / sonderlich zu preisen sey. Diesemnach
weiß ich nichts bessers an dem seligen Herrn SUPERINTENDENTE zu mercken / als
die Erfüllung dessen / was Assaph (Ps. LXXIII.
24.) nachdem Er ins Heiligthum gegangen / mit gebracht und von David
gesungen / da Er spricht: Du leitest mich mit deinem Raht und nim̅st mich endlich / oder wie es in seiner Sprache lautet / hernach / oder in
kurtzen / mit Ehren an. (1. Ps. LXXIII. 24.)
Denn wenn wir den Lebens-Lauff des Sel. Herrn SUPERINTENDENTEN betrachten / so
finden wir keinesweges / daß Er mit der Welt als auffs Ungewisse gelauffen /
(1. Cor. IX. 26.) sondern sich an seinen GOtt
gehalten und in seinem Beruff treulich fortgegangen / und also eine stete
Göttliche Leitung und selige Auffnehmung gefunden hat. Es ist der selige Mann
Anno 1654.
|| [57]
zu Fürstenau / im Stifft
Oßnabrück / von namhafften Eltern gebohren / nnd wie in seinem Vaterlande / also
auch zn Oßnabrück zu allenguten / auch in Künsten und Sprachen sorgfältig
erzogen. Von da hat Er sich Anno 1673. nach der Universität Königsberg begeben /
da Er zween Jahre glücklich studiret / und hernach in Churland bey einem
Vornehmen von Adel informiret / auch also sich in der Churländischen Sprache
geübet / daß Er in derselben öffentlich geprediget und gewisse Beforderungen
vermuhtet. Als Er aber von den Seinigen Abschied zu nehmen in sein Vaterland
gekehret / leitete Ihn der Raht GOttes also / daß Er im Jahr 1679. zu Iburg als
Schloß-Prediger und Adjunctus zu Hilter beruffen und bestellet wurde. Nach fünff
Jahren gieng sein Beruff nacher Melle / woselbst Er neun Jahr gestanden / und
zugleich in dem Oßnabrückischen Land-Consistorio eine ansehnliche Stelle
bekleidet. Im Jahr 1683. wolte Ihn GOte auch in diese Lande führen / da Er zum
Ober-Hoff-Prediger / Consistorial-Raht und Beicht-Vater Ihrer Hoch-Fürstl.
Durchl. zu Wolffenbüttel beruffen wurde. Welchem Ampte Er zwölff Jahrlang
vorgestanden / biß Er im Jahr 1706. auch zu der hiesigen SUPERINTENDENTUR
beruffen und dem Willen des Höchsten gefolget ist / da Er solches Ampt / nach
dem Raht GOttes / mit grosser Erbauung rühmlichst geführet und sein Leben durch
eine selige Aufflösung im zwey und sechtzigsten Jahr seines Alters beschlossen
hat.
Niemand wird seyn / der nicht gestehet / daß der selige Herr SUPERINTENDENS bey
so wichtigen Aemptern die Leitung GOttes nach seinem Raht allerdings bedurfft /
und auch herrlich genossen hat. Ich erinnere mich unter vielen Zeugnissen von
hohen Persohnen / nicht ohne Bewegung / gehöret zu haben / daß Er bey seinem
ersten Aufftritt zu Wolffenbüttel mit diesen Worten angcfangen: Ich stehe hier /
GOtt helffe mir. Und was war dieses anders / als ein Seufftzer um GOttes
Geleitung und Beystand? HErr leite mich nach deinem Raht und nim̅
mich endlich mit Ehren an.
Welches denn ohne Zweifel die beste Entschliessung und Verfassung / sowohl eines
rechtschaffenen Christen insgemein / als sonderlich eines GOtt-ergebenen Lehrers
seyn und bleiben muß. O wie köstlich ist es / wenn eine Seele von Jugend auff
sich fasset und saget:
|| [58]
Das ist meine
Freude / daß ich mich zu GOtt halte / und meine Zuversicht setze auff den HErrn
/ HErrn. (Ps. LXXIII. 28.) Ja allertheureste
Seele: Befiehl dem HErrn deine Wege / und hoffe auff Ihn / Er wirds wohl machen.
(Ps. XXVII. 10.) Die Wege des HErrn sind
eitel Güte und Warheit. (Ps. XXV. 10.) Drum
seufftze ohn Unterlaß: HERR lehre mich thun nach deinem Wollgefallen / denn Du
bist mein GOtt / dein guter Geist führe mich auff ebener Bahn. (Ps. CXLIII. 11.) Laß deine Güte und Treue mich
allezeit begleiten. (Ps. XL. 12.)
Die Wege davon die Schrifft redet / sind mancherley / welche theils GOtte /
theils dem Menschen zugeschrieben werden / Christus nennet sich selbst einen Weg
/ da Er spricht: (Joh. XIV. 6.) Ich bin der Weg /
die Wahrheit und das Leben / niemand kömmt zum Vater denn durch mich. Die Wercke
der Göttlichen Regierung und Vorsehung sind gleichfals Wege / welche eitel Treue
und Warheit sind / denen die seine Zeugniß halten / ob sie gleich offtmahls
unerforschlich sind nach der heutigen Fest-Lection. (Rom. XI. 33.) GOttes Wege sind auch seine Rechte und Gebote / darum
David bittet: (Ps. XXV. 4. 5.) HERR zeige mir
deine Wege und lehre mich deine Stege / leite mich in deiner Wahrheit und lehre
mich. Der Menschen Wege sind nicht nur / da der Mensch seinen Geschäfften
nachwandelt / sondern theils sein Beruff und Stand / darinn GOtt einen jeden
setzet / theils sein gantzes Leben / Thun und Lassen / in guten und bösen
Vornehmen / auch Zustande des Glücks und Unglücks / theils der allgemeine Weg
alles Fleisches. O seliger Zustand eines Menschen! wenn es allenthalben heißt:
Du leitest mich nach deinem Raht / und nim̅st mich endlich mit
Ehren an. Sind wir in Christo / so sind wir auff einem seligen Wege / und so
wunderlich uns GOtt auch führet / so leitet Er uns doch selig / und wir werden
nicht umkommen auff dem Wege. Lassen wir unsere Füsse gleich für sich gehen /
nach dem Worte und Raht
|| [59]
GOttes / so
gehen wir gewiß. Wancken wir weder zur Rechten noch zur Lincken / und wenden
unsern Fuß vom Bösen / (Sprüche. XIV. 17. Ps. LXXIII.
18.) so werden wir nicht versincken in Unglück / noch auffs
schlipffrige gesetzt und zu Boden gestürtzet werden. Der HErr / der uns leitet /
wird uns zu Ehren / ja zu seiner ewigen Herrlichkeit annehmen.
Kein Zweifel ist / daß wir an dem Sel. Herrn SUPERINTENDENTE deßfals ein
merckliches Exempel haben. Er wandelte in seinem JEsu und nach dem Befehl seines
GOttes / und muste offte erkennen / daß dessen Regierung an Ihm wunderbar
gewesen. In seinem Beruff und gantzen Leben / ja im Todeselbst / hat Ihn der
HErr geleitet. Wo Er von einem menschlichen Fehler übereilet wurde / da leitete
Ihn die Hand des HErrn zu rechte. Wie eine Mutter ihr Kind gängelt / wie ein
Hirte seine Schafe führet / wie ein Feld-Herr seine Krieges-Leute oder ein
Lehr-Meister seine Schüler führet: so war der HErr mit ihm auffeine viel höhere
und herrlichere Weise durch seine gnädige Auffsicht und Göttliche Regierung. Der
HErr hat Ihn sofort / da Er zu Fürstenau gebohren wurde / angenommen und Ihn
geweidet auff der grünen Auen der Göttlichen Warheit / und geführet zu dem
frischen Wasser. Er hat ihn in seinen Schul-Jahren selbst gelehret / Er hat ihn
mehr als zum Königs-Berge geleitet / da Er Ihn zu seinem heiligen Berge geführet
/ Er hat Ihn in seinem Lehr-Ampte mit vielem Segen geschmücket / und erhalten
lassen einen Sieg nach dem andern. (Ps. LXXXIV.)
Was Abraham begegnet / welcher aus einem Lande in das andere geführet wurde /
was Jacob / den seine Eltern nach Mesopotamien schickten / da ihn GOtt versorget
und auch seiner Engel Geleite gewehret / was Joseph / der für sich schlecht
hinging und in allerley Gefahr gerieth / aber herrlich heraus geleitet wurde /
was so viel andern Zeugen der wunderbaren Regierung GOttes / das müssen wir auch
billig von unserm Sel. Hrn. Superint. Niekamp sagen / der HERR hat Ihn geleitet
nach seinem Raht.
Würde Er sich selbst geleitet haben oder Fleisch und Blut sich haben führen
lassen / würde Er dem Beyspiel der auff dem breiten Wege wandelnden Menschen
gefolget seyn / würde Er sich zur Rechten
|| [60]
oder zur Lincken anders gewendet haben / als der Raht und das Wort
des HErrn erfodert / so würde Er den Segen nicht gefunden haben / dessen Er sich
in seinem Leben und Tode hat erfreuen können / und der auch denen Seinigen
bleiben wird. So aber hat Er sich von GOtt nach seinem Rahte leiten lassen / und
ist in seinen Wegen gesichert blieben. Denn dessen Wege dem HErrn wollgefallen /
mit dem machet Er auch seine Feinde zufrieden.
O! möchten doch alle / die der Frommen Beyspiel gesehen und gehöret / sich
dadurch ermuntern in ihren Beruffs- und Lebens-Wegen also von der Hand des HErrn
leiten zu lassen / wie sowoll würden sie sich und die Ihrigen versorgen. Es
bleibet zwar rechtschaffenen Christen das Creutz und Widerwärtigkeit nicht aus /
wie also auch unser seliger Herr SUPERINTENDENS sein liebes Creutz gleichfals
empfunden / allein der HErr hat Ihn doch mit Ehren angenommen / das ist /
herrlich gerettet / aus grosser Trübsahl befreyet und in einen seligen Zustand
gesetzet / daß Er wohl sagenmag: Du HErr bist der Schild für mich / der mich zu
Ehren setzet und mein Haupt auffrichtet. (Ps. III.
4.)
Es ist dieses wie sonst offtmahls in seinem Leben bey mancherley Widerwärtigkeit
/ also absonderlich in seinem letzten schweren Lager und endlichen seligen Tode
erfüllet / da Ihn GOTT durch seinen Geist ausgerüstet / in Glauben und Gedult
gestärcket / und endlich sanfft und selig einschlaffen lassen. Der Tod ist zwar
eine Aufflösung des natürlichen Bandes zwischen Leib und Seele / auff dessen
Festigkeit sonst die sichere Welt trotzet; aber die Gläubigen suchen ein Band /
das nicht zureisset / nemlich mit GOTT vereiniget zu seyn / dessen sie sich auch
im Tode selbst zu erfreuen haben. Ihre Trennung vom Irdischen / ist eine
Erhebung zum Himmlischen / ihre Wegführung von der Erden / ist eine Auffnehmung
zur Ehre des Himmels.
Es wardie Stunde des Abschieds unsers Seligverstorbenen zu Mitternacht / nach
geendigten Heiligen Pfingst-Fest. Es hindert aber keine Finsterniß den Vater des
Lichts die Seinigen zu finden und auffzunehmen. Auch in der Nacht ist der HErr
JEsus geneigt den Nicodemum zu sprechen: Nicht weniger aber die Ihm vertraute
Seelen in der Nacht auffzunehmen / und Sie in die selige
|| [61]
ewige Ruhe zu versetzen. Gleichwie
nun der seligverstorbene Herr seinen Beruff zu uns ansahe / wie das Gesichte
Pauli in der Nacht / da es hieß: Komm herab und hilff uns: Also mögen wir uns
bey seiner Abfoderung aus dieser Welt versichern / daß Er die Stimme seines
Erlösers gehöret / da es geheissen: Komm herauff zum Himmel / und laß Dir
helffen / daß deine Seele genese ewiglich.
Nun wir zweifeln keinesweges / es sey dieses an dem seligen Hrn. SUP: erfüllet /
und der HErr habe seine Seele angenommen zu ewigen Ehren / gegen welche alle
Ehre und Herrlichkeit dieser Welt für nichts zu achten. Der HERR wolle denn auch
die Seinigen leiten mit seinem Raht / und Sie selbst auch zu Ehren annehmen /
und Weisheit und Segen verleihen Kind und Kindes Kindern. Nicht weniger die
Hochbetrübte Frau Wittwe / Frauen Töchtere / und geehrteste Herren
Schwieger-Söhne kräfftiglich trösten und auffrichten / und des väterlichen
Segens und Gebeths beständig geniessen lassen.
Im übrigen nehmen wir Gelegenheit aus dem von dem seligen Herrn in denen
Wochen-Predigten erklärten Briefe an die Hebräer uns zu ermuntern / daß wir
gedencken an diesen theuren Lehrer / der uns das Wort GOttes gesagt / daß wir
sein Ende anschauen / wie sichs gebühret / und seinen Glauben nicht weniger
beständig / als itzo seiner Leiche mit aller Liebe nachfolgen.(Cap. XIII. 8.) Welches wir uns destomehr
versichern können / je Volck-reicher und ansehnlicher sich diese hochgeehrteste
Versam̅lung in diesem Trauer-Hause anfinden wollen. GOtt
vergelte einem jeden meiner hochzuehrenden Herren solche Gunst und
Ehren-Bezeugung / und lasse es in den Augen der gantzen Stadt hochgeachtet seyn
/ daß der HErr durch ihre Christliche Zuneigung und Ehrenleistung auch den
Leichnam des hochsehligen Herr SUPERINTENDENTEN anitzo läßt zu Ehren annehmen /
und auffs ansehnlichste zu seiner Ruhe-Stäte hinbegleiten.
|| [62]
Es gereicht dieses insonderheit der geehrtesten Niekampischen FAMILIE zu
sonderbaren Trost / welche denn dafür durch meinen wenigen Mund allen
Ehren-gebührigen schuldigen Danck abstattet / und nichts mehr wünschet / als
Gelegenheit in angenehmen Zustande solches zu vergelten: Voritzo aber sich und
das Angedencken des theuren Mannes zu aller Gunst empfielet / und allen Seegen
und selbst-erwünschendes Wollergehen / sowohl dieser gantzen liebwehrtesten
Stadt / als einem jeden insonderheit erwünschet und mit ihrem Gebeht von GOtt zu
erbitten beständig verpflichtet. Indessen
Geh hin du theurer Mann / wohin dich GOtt geleitet / Da Er auff ewig Dir hat Ehr und Trost bereitet. Geh hin / der HErre nim̅t auch deinen Leichnam an / Und deiner Treue Ruhm folgt Dir von jederman.
(AE. 1. 14.) INSIGNEM pietate virum, cui maxima rerum(AE. 9. 279.) (9. 290.) Verborumque fides & mens sibi conscia recti,(1. 608.) (6. 429.) Abstulit atra dies & funere mersit acerbo. (10. 462.) Stat sua cuique dies, breve & irreparabile tempus(G. 3. 284.) (463.) Omnibus est vitae, sed famam extendere factis(AE. 6. 806.) (464.) Hoc virtutis opus: fato prudentia major.(G. 1. 416.) (AE. 12. 19.) O praestans animi, nulli virtute secundus.(AE. 11. 441.) (8. 500.) Flos veterum virtusque virûm, TE gloria tollet.(10. 144.) (Ec. 5. 34.) Tu decus omne tuis, TE non praestantior alter(6. 164.) (Ec. 5. 78.) Semper honos nomenque tuum laudesque manebunt. (AE. 11. 159.) Felix morte tua (cuncti se scire fatentur)(11. 344.) (Ec. 6. 11.) Te nemus omne canet, Te nostrae dona Minervae.(2. 189.) (AE. 8. 76.) Semper honore meo, semper celebrabere donis(8. 76.) (Ec. 5. 77.) Dumque thymo pascentur apes, dum fronde capellae(Ec. 10. 30.) (AE. 4. 336.) Dum memor ipse mei, dum spiritus hos reget artus.
|| [ID00065]
THRENODIAE QVIBUS VIRI SUMME REVERENDI, DOMINI
JOHANNIS NIEKAMPII, SUPERINTENDENTIS HILD. MERITISSIMI, PIOS
MANES PROSEQVVNTVR MEMBRA MAXIME REVERENDI MINISTERII, COLLEGII GYMN.
ANDREANI, FILII ET AUDITORES QVIDAM MOESTISSIMI.
HILDESIAE, Typis GEISMARIANIS, An. MD CC XVI.
|| [64]
ICh bin / O HErr / dein Knecht / und aller deiner Gnaden / Die Du an mir gethan / zu unwerth und zu klein! Drum rühm ich deine Güt’ / womit Du mich beladen / Und spreche: Dir / OHErr! sey Preiß und Ehr allein. So wolte des wollseligen Hrn. Superint: längst von Ihm selbst erwehlten Leichen-Text kürtzlich Reimweise hinzusetzen M. Franciscus Henricus Meyer / Past. ad Div. Andr. & Reverendi Minist. Subsenior.
MAs soll ich / Seeligster / zu seinem Ruhme schreiben / Und zum Gedächtniß auch der Nach-Welt einverleiben? Drey Stücke weiß ich woll von ungemeinen Wehrt / Dabey man allezeit getreue Lehrer ehrt: (Bergman in Tremenda mortis hora, Part. II. erzehlet von Valerio Herbergern / daß er gewolt / man solte ihm nach seinem Tode nichts mehr nachrühmen / als (1.) daß Er seinen JEsum hertzlich geliebet; (2.) seinen Zuhörern denselben fleissig vorgetragen; und (3.) auff sein Verdienst seelig gestorben sey.) Die Liebe JEsu; und der Vortrag reiner Lehre; Ein Tod / der drauff erfolgt zu ihres Meisters Ehre; Da man sich nicht geschämt / daß man gelebet hab’ Doch aber auch sich nicht gefürchtet für das Grab. Die Welt vergist / was sonst noch billig ist zu loben / Doch bleibt es ohnedem bey GOtt woll auffgehoben; Er hat in allen uns ein Beyspiel dargethan / Und ist von uns gerückt ins Himmels Feld hinan. Wir wollen Ihm darinn mit allem Fleiß nachgehen / Biß wir uns dermahleinst im Himmel wieder sehen. GOtt gebe nur / daß auch des HErrn JEsu Ehr Mehr ausgebreitet werd’ durch Leben / Tod und Lehr. Dieses wolte zum beständigen Angedencken des Sehl. Herrn Superint: hinzusetzen M. JOH. HENR. Rittmeyer / Pastor ad St. Lamberti.
|| [65]
DA wir im nechsten Jahr das Jubel-Jahr noch hoffen / Nach überstandener unzehliger Gefahr / So ist dein Jubel-Fest schon früher eingetroffen / Diß Jahr / du treuer Knecht! ist Dir ein Jubel-Jahr! Mit diesen wenigen Zeilen wolte sein hertzliches Mitleyden gegen die vornehme Trauer Familie bezengen. SYLVESTER Tappen / Past. ad D. Andr.
MUß nicht der Mensch allzeit (ist Hiobs seine Frage) In vollen Streite seyn? Ja ist die Antwort drauff. (Hiob VII. 1.) Dann Angst / Verfolgung / Leyd / Versuchung / Sorg und Klage / Mit allem Rechte heist der Frommen Lebens-Lauff. Das hat der theure Mann / Herr Niekamp / auch erfahren / Ein treuer Lehrer muß in vollem Kampffe stehn; Fleisch / Teufel / Sünde / Welt / zusammen sich offt paaren / Und uns mit voller Macht gar starck entgegen gehn. Nie ohne Kampff ein Wort das Lehrer müssen führen: Ein Nahm der Ihnen recht die Ampts-Verrichtung lehrt: Ein Creutz / und schöne Kron / die ihr Haupt muß beziehren: Ein Zeichen / das man Sie als Christi Diener ehrt. (2. Tim. II. 3.) Wie aber auch der Kampff Sieg / Kron und Frieden bringet: So hat Herr Niekamp diß in seinen Händen schon. Nie soll Erkämpffen mehr; Ein Friedens-Lied Er singet; Siegreich bekrönet Er nun steht vor GOttes Thron. O wohl / wer also hat ein’n guten Kampff gekämpffet! (2. Tim. IV. 7.) O wohl / wer so / wie Er / den Glauben hat bewahrt! O wohl / wer so / wie Er / die Feinde hat gedämpffet! Der hält mit Ihm gewiß siegreich die Himmelfahrt. Dieses wolte der vornehmen Trauer-Familie zum Trost hinzuthun. Rudolph August Stieber / Past. ad D. Martini.
|| [66]
MAnn Loth aus Sodom geht / so fällt bald Feur vom Himmel / Und machet das Garaus mit Sodom / und umher. Auch wenn Herr Niekamp scheid’t aus diesem Welt-Getümmel / So werd’ ein jeder fromm / und sich zu GOtt bekehr / Wann ihn nicht treffen soll Noht / Unglück / Angst und Leyd / Hingegen aber will mit Niekamp haben Freud. Dieses setzte wohlmeinendlich hinzu Anthon Hilmar Werckmeister / Past. zu St. Mich.
IHr Hertzen / die Ihr traget Leyd / Laßt toben / Glück und Fall und Zeit / Laßt / was nur will / sich an Euch reiben. Könn’t Ihr bey GOtt in Gnaden stehn So mag die Welt zu scheitern gehn / Ihr und Eur Saame wird wohl bleiben. So schrieb JOH. JONAS Dörrien / D. Michaëlis Pastor.
NUnc quoque post multos casus, multosqueue labores Hinc noster Praesul cessit ad astra Poli; At fato est major, stabitqueue decus sine fine. Mortuus ergò haud, qui dicitur esse modò. Memoriae beatiss. Dni. Superintend. scrib. LUC. ULR. Albrecht / Past. ad D. Annae.
Täglich sterben heist recht sterben / Und das ist der Christen Pflicht: Wer so stirbt / dem fehlt es nicht / Er muß GOttes Reich ererben. Denn solch sterben führt zum Leben / Welches GOtt verheist zu geben.
|| [67]
Tod und Tod sind unterschieden / So
wie böß und gutes ist. Lebt und stirbt man als ein Christ / So wird auch der Tod
vermieden / Der für ungerechtes Leben Wird zum rechten Lohn gegeben. Davon
kanstu / Seelger / zeugen / Denn Du starbst hier in der Zeit / Da Du zu der
Ewigkeit Dein Hertz fingest an zu neigen. Und diß macht / daß Dein Erbleichen
Dir zum Leben muß gereichen. Du / als vieler Lehrer Lehrer / Hast im Leben stets
gezeigt / Wie man dieses Ziel erreicht / Und so lehrtstu Deine Hörer. Ach! daß
Deine Art zu lehren Wir noch täglich möchten hören! Nun Du stirbst / und wir
bedauren Daß Du uns entrissen bist / Ja / wer sonsten Christlich ist / Wird noch
diß dabey betrauren Daß Du nicht durch längers Leben Uns solt Lehr und Nutzen
geben.
Zu letzten Ehren des seligen Herrn Superintendentis, und zum Trost der
hochbetrübeten Hinterbliebeuen setzte dieses
M. LUD. ANT. Hansen / Past. zu St. Georg.
DEr Evangelischen ihr zweytes Jubel-Jahr / Und Christum in dem Wort’ hier ferner anzusehen / War / Seeliger / dein Wunsch. Es ist auch nun geschehen / Da Du verblichen bist / und fehlt nicht um ein Haar. Denn wo die Warheit ist / (wie es dann bleibet wahr) Daß hier die Streitenden darnach im Glauben stehen / Was Triumphirende dort in den Himmels-Höhen Vor sich bereits erlangt; So ists auch Sonnen-klar / Daß deinen Heyland Du in jenen Jubel-Auen Nunmehro klärlich kanst auff ewiglich anschauen. Welche geringe Zeilen zu Ehren des wollseeligen Herrn Superintendentis setzen sollen LUDOLPHUS ERNESTUS Beseke / Past. ad St. Lambert.
|| [68]
MORIBUNDI (Jac. V. 3.) DOMINI EPHORI J.
NIEKAMPII ULTIMAE AD DEUM PRECES.
FUtiles (Eccl. I. 14.) odi DEUS apparatus: Displicent nexae vitiis (Ps. I. 1.) coronae: Mitto sectari, nova quo locorum Gaza (Marc. VIII. 36.) moretur. Caelitum templo nihil (Ps. LXXIII. 25. 26.) allaborem Sedulus curo: Neque me peresum De decet (Act. VII. 59.) cura haec, neque te (Rom. VIII. 15.) parentem Velle favere. CHRISTIANUS Pantzer. R.
MIe war O Hildesheim Dir damahls wohl zu muhte! Mein Hertz belieff mir gantz die Seele schwam im Blute / Als unser EPHORUS Herr Niekamp von uns wich Und seine Augen schloß / wie sehr betrübt’ ich mich Da eine Traur-Music ich solte hier zu Ehren Vorstellen und dadurch den theuren Mann verehren.
Herr Niekamp du bist todt / und lebest doch in Freuden / Dein treues Vater-Hertz verursacht grosses Leyden / Dein Nach-Ruhm stirbet nicht / Du GOtt geweyhter Mann / Ich lieb’ und ehre Dich / so viel als ich nur kan. Die gantze Vater-Stadt / die Grossen mit den Kleinen / Das MINISTERIUM vergessen nicht der Deinen.
Auch unsre Musen-Schaar sam̅t ihren Praeceptoren Die stimmten traurig an mit allen dreyen Choren / Bekannten frey heraus / Du seyst ein GOttes-Knecht / Ein frommer Gülden-Mund / ein Mann der ächt und recht.
|| [69]
Herr Niekamp ist dahin / Er ist nunmehr gestorben /
Der Leichnam liegt im Sarck / die Seele bleibt unverdorben.
Sie ist in GOttes Hand dem Schöpffer hingegeben / Wir dencken offt an dich / du bleibest stets im Leben / Dein wohlerworbner Ruhm und deine Redlichkeit Ist unsrer Vater-Stadt die Zierde jederzeit. Gedencke doch an uns / laß dein Gebät erklingen Im Himmel / da wir GOtt zu Ehren werden singen. Aus schuldigen Gehorsam und ungemeiner Liebe setzte dieses seinem hochgeehrten Herrn EPHORO und dessen hochwehrtesten Angehortgen zum Nachruhm und Ehren in Eile JOH. JUST. Grumbrecht / Cantor.
WEr gerne sterben will / hat siegreich überwunden; Weil hier nichts schrecklichers uns düncket als der Tod. Herr Niekamp hatte sich mit GOtte fest verbueden; So kahm der volle Sieg nach seinem Wunsch von GOtt.
Ein Sieger heist sein Nahm / wenn man ihn soll erklären; Er hat mit allem Recht den Nahmen mit der That. Die Beute hat Er weg auff Christliches Begehren; Weil / wer da ewig lebt / den Tod besieget hat. Zum immerwarenden Andencken des Sel. Herrn Superintendenten und dessen wehrten Nahmen schrieb solches JOH. FRANCISCUS Sprenger / Conrector.
BIS DUO censores (Ephori) mihi jure feere laborum ANNIS TRIGINTA quos ego QVINQVE colo: GÖTZIUS & BROKIUS, RIMERUS, morte beati; Exequias quorum non comitata suit
|| [70]
Nostra palaestra, locum quia mutavere vocati. At functum NIEKAMP
nostra sacella tegunt. VIR VENERANDE DIU, coelum TIBI carius orbe Exstitit, ergo
vale! Laus tua fine caret.
JOHANNES CHRISTIANUS Sprenger /
Collegarum Gymnasii Andreani Senior.
SIccine NIKAMPI Praesul Venerande, triseclis Digne senis seclo, concidis ante diem? Siccine Magne Parens, morbo confectus iniquo, Exigua in tumba, non tumulande, jaces? Magnus eras quondam Vir fato Bennonis Urbi Redditus Eximiis ante Viris viduae. Magnus eras timido Christi Defensor ovili, Nempe lupos rabidos ense abigendo Dei: Magnus & Antistes Musarum, magnus & Ipse Doctor, magnus amor praesidiumque Domus. Perdidit ast Decus hoc miserando Hildesia fato Praepropero Tanti funere moesta Viri. Perdidit audentem Christo gens sacra Patronum, Doctorem gnavum perdidit alma Schola: Perdidit heu! Conjux curae casusque levamen, Sed facilem viridans Stirps & adulta Patrem. Fletibus ergo meis pia gens accede Sionis, Supremo metuens Excubitore cares. Suspirate, Cohors discensque Docensque Scholarum, A ptaque funesto dicite verba die. Funde pias lacrymas Prosapia cuncta Beati, Moesta Parens digne perge dolere Viro. Sed modus in luctu, justo modus esto dolori, Nam coeli in sancta luce beatus agit. Hîc Claros inter Doctores fulget, ut inter Sidereos ignes lucida Luna micat,
|| [71]
Augustumque Deum
Majestatemque verendam Aspicit, aeternis perfruiturque bonis. Non illic morbus,
non aerumnosa senectus, Muneris aut moles urget acerba Virum, Otia sed
plaususque juvant, animamque JEHOVA Ipsius è vitae fonte perenne rigat. Sic voti
compos, coeli novus incola factus NIKAMPI Praesul vive DEUMque vide.
In Honorem BEATISSIMI VIRI, EPHORI sui desideratissimi lugens fecit
B. Bartels / G, A. Coll.
ESt ita, crede, datum cuicunque absolvere fatum Quam cito lege jubet Divus eique lubet. Sat pro comperto, nects aspera regula certo Troibus ut Siculo, nititur articulo. Fata manent cunctos, humano foedere junctos: O cave mortalis, si tibi mica salis! Natus ab Adamo capitur quoque mortis ab hamo, Te rapit iste Caron, sis licet alter Aron. Cernimus exemplo Clerum qui munia templo Praestitit in vivis candida more nivis. Nomine sincerus NIEKAMP pietateque verus Haec noscenda dabit, dum moribundus abit. Triste valedixit gressus & ad aethera fixit. Sperans sede soli faustior illa poli: Tu DEUS alme tamen rellictis esto levamen, Et largire piis, his & abire viis. Intr IstIs DoLorIs ContestatIoneM ponere VoLVIt HENR. Bötger. G.A. Collega.
|| [72]
ORba Praesule templa nostra plangunt, Pullo Syrmate musa stat revincta, Non siccis oculis colenda busta NICAMPI recolens, viri beati, Summa quem pietas, probique mores, Sacra & dogmata firmitasque mentis, Vectavêre per orbis alta tecta. Augustos JOANNIS, aureaeque linguae Gressus, Praesulis atque signa pressit, Non molli calamus recurvus aurâ, Nec flatu boreae ruens crepante. Hinc luget pia civium corona, Musarum soboles sacrata luget, Doctoremque Patremque quaeritantes. Ast moeror recidat, modus dolori Figatur! Requie beatus alma Antistes Reverendus, & coruscus Palmis, Elysii superba libat Campi praemia, nescius malorum, Quae mortalibus imminent caducis. Ornabit cathedras viro benigno Numen, qui clypeo tegat Camoenas, Qui dias epulas piis ministret. Patrono & Maecenati summo posuit G. W. Pfingsten. Gymn. ad D. And. Collega.
|| [ID00075]
Letztes Denck- und Danckmahl / Dem weyland Hochwürdigen / in GOtt andächtigen
und Hochgelahrten Herrn / HERRN JOHANN Niekamp / Bewesenen fürtrefflichen
THEOLOGO, und beyder Städte Hildesheim Hochverdienten SUPERINTENDENTEN,
Wehemühtigst von dessen hinterlassenen Dreyen Söhnen Und Vier Schwieger-Söhnen
auffgerichtet.
Im Jahr 1716.
|| [ID00076]
|| [73]
INdem dein Todes-Fall mir Hertz und Augen netzet / Mein Vater / und dich nun die Todes-Grufft beschließt / So wird ein Schatten-Riß von dem mir vorgesetzet / Was man von Mose dort auff GOttes Blättern ließt: Ein sehr geplagter Mann / heist er / auff dieser Erden / (Num. XII. 3. 7.) Ein Knecht der treu dem HErrn / (Num. XII. 3. 7.) der hoch hielt Christi Schmach / (Ebr. II. 26.) Drum wolt auch selbst der HERR sein Todten Gräber werden (Deut. XXXIV. 6.) Wenn ihn erst Canaan ergetzt dem Ansehn nach. (l, c. v. 4.) Du theurer GOttes-Knecht / es ist dein letzter Wille / Daß man nichts rühmen soll von deiner Priester-Treu / Von deiner Plag und Schmach / deshalben schweig ich stille / Sonst seh ich gnug an dir des Mosis contrefay; Nur eins: Was ist dein Tod / dein sanfft und seclig Sterben? Wie deutlich deutet diß des Mosis-Abschied an? (l. c. v. 5.) Auch läßstu uns hierob so viel Erschrecken erben / So viel dort Moabs-Feld der Thränenzehlen kan; (l. c. v. 8.) Nur darinn werden wir des Unterscheides innen / Der zwischen deinem Sarg und Mosis Grabe liegt: Dort weiset Gottes Schluß den frommen Knecht vonhinnen / Eh ihn das Hoffnungs-Land mit seiner Lust vergnügt / (l. c. v. 4.) Hier aber / da GOtt dich / mein Niekamp / seitwerts führet / Und dir den neuen Kamp voll Milch und Honig weißt / (Exod. III. 8.) So wird als bald dein Hertz von Sterbens-Lust gerühret / (Phil. I. 23.) Bald gar mit Honigseim in Canaan gespeißt. Du kanst nun ruhiglich in Lust-Gefielden gehen / In denen sich kein Feind noch Räuber-Volck versteckt. Es kan dein muntrer Geist das grüne Nain sehen / (Luc. VII. 11.) Wo keine Noht noch Tod der Freude Leid erweckt. Wohl dann / wir gönnen Dir die unumschränckte Freude / Geniesse nur der Lust in jenem Canaan / Ob schon dein Weib und Kind nun eine dürre Heyde / Ein schwartz-bedeckter Kamp den man kaum kennen kan. (Thren. IV. 8.) GOtt gebe uns dabey nur gnädig zu erkennen / Daß dennoch dieser Streich vom lieben Vater sey / Und uns nichts möge hier von JEsus Liebe trennen / So fügt uns diese dort auch unserm Seel’gen bey.
|| [74]
Indessen gute Nacht / Hertz-lieber Schwieger-Vater /
Hab tausend Danck vor all’s / vor Liebe / Gut und Blut / So Du mir zugewandt /
der ewige Berather / Dein Schild und grosser Lohn (Gen.
XV. 1.) mach ewig alles gut. Ich aber werde hier / so lang ich lebe /
klagen / Daß ich an Dir verlohrn was mir unschätzbar war. So muß auch Kirch und
Stadt mit grossem Leyde sagen; Ja / wer dich nur gekant legt diese Grabschrifft
dar: Hier liegt des HErren Knecht / ein Mann dem viel gegeben / (Luc. XII. 48.) Den Er im gantzen Hauß getreu und
redlich fand / (Ebr. III. 2.) Nun hat Er seinen
Lohn in jenem Freuden-Leben. (Matt. XXV. 21.) Ach
Leser / such doch auch diß dir gelobte Land.
Dieses schrieb in Wehmuth seinem hochwerthesten Hrn. Schwieger-Vater zu letzten
Ehren
AUGUSTUS Stisser / General-Superint. und Pastor Prim. zu Gandersheim.
NOmina non temere dantur fortasse creatis. Saepius est verum: Nomen & omen habet. Laudat Johannem & celebrat, qui fallere nescit Christus Servator, praetereunte die:(Dom. III. Advent.) Quod Constans, Animosus, Praecellensque Propheta. Omnia conveniunt, nam TVA facta docent: Quod fueris Constans, Animosus Praeco Jehovae, Tum fidei exemplar, tum pietatis amans. Non me permittit moeror nunc scribere plura. Solare Omnipotens pectora nostra Deus. Christe repleto locum vacuum Johanne fideli, Constanti, Insigni, qui bene pascat oves. In honorem summe Reverendi Domini Soceum JOHANNIS NIKAMPII moestus posuit gener JOHANN CHRISTIAN GREVE, Past. raptim Dom. III. Adv.
|| [75]
1.
WAnn düstre Traurigkeit die frommen Hertzen hüllt / So führt sie GOttes Wort zu hellen Gnaden-Höhen / Und läst sie Licht und Trost und Fried’ und Freude sehen Bey GOtt / der uns in Noht mit holdem Glantze stillt. Gleich wie den Steuer-Mann der Leit-Stern muß beglücken / Wenn Wellen / Winde / Sturm das Schiff zu Grunde rücken. 2. Wenns Creutz absonderlich dort den Eliam jagt / (1. Reg. XIX. 8. ss.) Zeigt GOtt dem theuren Man an Horeb seine Güte. Wann Noth die Lehrer druckt sehn sie wohl gleiche Blüthe; Sie haben Anmuths-Schein nach dicker Unglücks-Nacht / Daß sie vergessen sey; GOtt läßt auch Gnade blitzen / Bevor sein Raht sie heist im Jammer-Nebel sitzen. 3. Ich dencke itzt an das / was man auff Thaborsah / (Historia extat Matth. XVII. 1. sqq. Et creditum vulgo est antiquis etiam Ecclesiae patribus facta̅ fuisse in Thabor, qui & fuit mons excelsus, qualem Evangelistae fuisse referunt.) Da war ein schönes Licht voll von Verklärungs-Strahlen Um JEsum GOttes Sohn / ihn Göttlich abzumahlen / Das alte Testament stellt zweene Zeugen da / Das neue hat dabey drey heilige Propheten / Die wie ein GOttes-Chor in helles Licht eintreten. 4. Der gröste / Christus / muß hier Sonnen-ähnlich seyn; Er hat in seinem Ampt bißher gnug Trauer-Stunden Bey dem verboßten Volck / bey seinem Volck / gefunden / Drum kleidet Ihn nun GOtt in höchstes Licht hinein; Und weil die dickste Nacht des Leydens solt anbrechen Will GOtt im grösten Licht Ihm grösten Trost einsprechen. (vid. Luc. IX. 31.) 5. War Moses nicht mit Ihm ein sehr geplagter Mann? (Num. XII. 3.) Drum muß Ihn auch ein Glantz der Herrlichkeit umscheinen / Die Seele ist verklärt / den lebenden Gebeinen (Non enim videre est, cur non aeque ac Elias in proprio corpore apparuerit.) Fehlt es an Klarheit nicht. Sieh’ auch Eliam an / Bey seiner Auffahrt will erst Noth sam̅t Jordan weichen / (2. Reg. II. 7. 8.) Drum muß für seinem Glantz hie Sternen-Glantz erbleichen. 6. Und sehen wir zuletzt der andern Führung an / So muste Petrus ja am Creutzes-Holtz erkalten / (Euseb. Hist. Eccl. l. 3. c. 1.) Jacobus muß dem Schwerdt des Wüterichs herhalten / ( inter Apostolos Act. XII. 2.) Johannem weiset ins Elend Domitian. (Apoc. I. 9. Eus. l. c. c. 16.) Nun solche Unglücks-Nacht mit Krafft zu überwinden / Läst GOtt auff Thabor erst die Nacht-Laterne finden. 7. GOtt zeigt hie auch das Licht das ewig brennen soll; Sey Lehrer gutes Muths / wenn Sturm und Wetter dräuen / In schwartze Wolcken kan GOtt schon ein Licht einstreuen / Geschichts nicht in der Zeit / geschichts in jenem Wohl / Wenn dich nur Christus kan den treuen Lehrer nennen / Wird dort dein Freuden-Feur mehr als auf Thabor brennen.
|| [76]
8. Mein Vater!
mein Gesicht dein Tod in Trauren hüllt / Doch seh’ ich / daß Du hier gewest auff
Thabors Höhen / JOHANNES hiessestu / Du mustest mit hingehen / Wo Christus
seinen Knecht mit Heyl-Erleuchtung füllt / Thabor heist rein und schön / du
hattest reine Lehren / Und reine Frömmigkeit die Lehren selbst zu ehren. 6. GOtt
stellte dich allhier auff seinem Berge hin / (Matth. V.
14. sqq.) Die Kirche GOttes hat dein Licht sehr weit gesehen / Du
mustest wie ein Berg auch offt im Sturme stehen / Und stundest wie ein Berg.
Dein vor-erleucht’ter Sinn Vorhero so viel Licht auff Thabor hatt’ erblicket /
Daß dirs bey jedem Sturm im Glaubens-Kampff geglücket. 10. Der Todes-Berg must
auch noch letzt erstiegen seyn / Dein Glaube gieng hinauff / wie Moses (Deut XXXIV. 1. sqq.) durch zu schauen In jenes
Freuden-Land / durch gläubiges Vertrauen Geh’stu ins Freuden-Hauß des ew’gen
Thabors ein. GOtt laß uns allen hier sein Gnaden-Thabor sehen / GOtt helff uns
allen durch zu den verklärten Höhen!
So schrieb seinem Wohlsehligen Herrn Schwieger-Vater zu letzten Ehren
Justus Theodorus Gießler / Past. Wolffenb.
ALs dorten Samuel mit seinen heil’gen Lehren Die Stämme Israel zum guten führte an / Da gab Ihm jederman / der sich gab ihn zu hören / Das Zeugniß / daß er sey ein rechter Gottes-Man̅.(1. Sam. III. ???. 20.) Und must auch solches nicht / ein jeder / der ergeben Der Treu und Redlichkeit / bezeugen öffentlich? Da der Wohl-seelige / mit seiner Lehr und Leben Zu förderen was gut / ließ angelegen sich? Brach man nicht offt heraus? O woll Uns! daß wir haben Nun wieder ein solch Haupt / daß uns recht lehren kan. Und dieser Ruhm bleibt Ihm / auch da Er schon begraben / Daß Er gewesen sey / ein theurer wehrter Mann.
|| [77]
Ein Mann bey dem man sah viel sonderbahre Gaben / Ein Hertz voll
Gottesfurcht / voll Glaube / Lieb und Treu / Voll Hoffnung / voll Gedult / und /
welches auch muß haben Ein Lehrer der da lehrt / voll Muht und ohne Scheu. Ein
Hertz voll Wissenschafft in viel und grossen Dingen / Und sonderlich in dem was
Gottes Wort Uns lehrt / Voll Weisheit und Verstand / voll Klugheit vor zubringen
/ Nur was den Menschen nützt und GOtt den HErren ehrt. Ja ja ein solcher Mann
war der in seinem Leben / Der nun im Himmel ist / Herr Niekamp meine ich / Der
hier an diesem Ort / mit Dienste sich ergeben / Der Kirche und der Schul gantz
treu und emsiglich. Drum trauret man itzt auch / es trauren sehr die Seinen / Es
traurt ein treuer Freund / es traurt die gantze Stadt; Wenn man daran gedenckt /
vom Grossen biß zum Kleinen / Daß man den theuren Mann so früh verlohren hat. Ja
ich / der ich das Glück durch GOttes Schickung hatte / Daß Er mich seinen Sohn
und ich Ihn Vater hieß / Betraur auch sonderlich / das / da des Todes Schatte
Mir diesen Liebes-Schein so bald / sofort entriß. Doch dieses ist mein Trost /
der mich anbey erquicket / Daß Er bey GOtt nun ist / und dessen Angesicht In
höchster Freud und Wonn anschauet unverrücket / Ohn alle Dunckelheit / in einem
seel’gen Licht. Denn da werd ich / mit GOtt / Ihn endlich wieder sehen / Weil
ich mit Ihm mich streck / zu dem das künfftig ist / Wenn mich aus dieser Welt
mein GOtt wird heissen gehen Zur Freude / die uns hat erworben JEsus Christ. Da
werde ich mit Ihm ohn unterlaß GOtt loben / Der uns erschaffen hat / erlös’t und
geheiligt / Da werde ich mit Ihm im Himmel hoch dort oben Geniessen Seeligkeit /
die nimmer von uns weicht. Nun GOtt / du weist / daß ich nach diesem
Himmels-Leben / Da keine Sünd noch Qvaal uns ferner mehr anficht / Von gantzem
Hertzen tracht / und hoff’ Du wirst mirs geben / Gib nur / daß stets mein Sinn
bleib auff diß Ziel gericht.
Zu dezeugung seiner Hochachtung gegen seinem nunmehr seel. Hrn. Schwieger-Vater /
wie auch hertzlichen Leydwesens über dessen tödtlichen Hintrit hat dieses auch
hinzusetzen wollen
JOHANN LUDEWIG Maurer. Pastor ad D. Pauli.
|| [78]
WAs für ein Trauer-Fall läßt sich von uns erblicken / Betrübte Todes-Nacht / die sich den Augen zeigt. Muß uns ein Freuden-Fest mit Aloe erquicken / Indem sich unser Stam̅ zum Todes-Falle neigt? Was für ein Jammer-Schlag zerschmettert unsre Sinnen? Was für ein Unglücks-Sturm reist unsre Seule ein? Seh ich nicht lauter Schmertz für Freuden-Nectar rinnen? Mein Vater ach ist todt! Ach mögt ich bey Ihm seyn! Unglückliches Geschick / was hat dich doch bewogen / Daß du jetzt unser Hauß so mit Cypressen deckst? Wie wird doch dieser Platz mit schwartzen Flor bezogen: Was ist warum du uns so hartes Leyd erweckst? Will jeder Stern forthin uns als Comet erscheinen / Ach! das sey GOtt geklagt / was kräncket uns für Noht? Mein Hertz zerspringt für Leyd / mein Haupt zergeht für weinen / Ich klage gar bestürtzt / mein Vater ach! ist todt. Was nützet mir nunmehr mein klagen-volles Leben / Da ich für Traurigkeit stets aus mir selber bin / Möcht ich doch meinen Geist dem Tode willig geben / Vor diesen Waisen-Stand. Doch Sinn / wo denckstu hin? Kanstu auch wider GOtt und dessen Raht was machen? Meinstu / daß dessen Hand auch was vergeblich thut? Mein Vater ist nicht todt / Er wird mit uns erwachen / Die Seele bleib’t bey GOtt / ob gleich der Leib hie ruh’t / Diß ist also mein Trost der alles Aechtzen dämpffet / Voraus da seine Stim̅ in meinen Ohren kling’t: Ich habe ritterlich den guten Kampff gekämpffet / Mein Glaubens-Sieg ist auch schon überall bekandt. GOtt hat nun meine Last in süsse Lust gewendet / Ja dieser neue Kampff macht mich mit GOtt bekant. Hinfort ist mir der Krantz der Ehren beygeleget / Heyl und Gerechtigkeit muß jetzt mein Schleyer seyn. Die Crone die mein Haupt aus GOttes Händen träget / Beschämet Ehr und Gut / ja aller Perlen-Schein. Wer will also von euch mir diese Freude rauben? Mißgön̅’t ihr mir den Stand der mehr als englisch ist?
|| [79]
Mein Heyland speiset mich mit lauter
Freuden-Trauben / Davor man in der Welt nur Todes-Aepffel frißt. Gewiß / ich muß
gesteh’n / wer dieses recht bedencket / Thut seiner Seelen weh’ wenn er das
Sterben scheu’t. Entschlaffener / Er lebt / und da sein Tod uns kräncket / So
lebt der Höchste doch / der uns noch Trost anbeut. Drum ruhe Er nur sanfft /
will GOtt uns jetzt betrüben / So gehet wieder auff sein froher Gnaden-Schein /
Ich weiß / GOtt hat uns schon in seine Hand geschrieben / Er wird schon unser
Schutz und unser Vater seyn.
Dieses setzte mit schmertzlicher Empfindung über den Abschied seines
allerliebsten Hrn. Vaters hinzu
Anthon Lucas Niekamp / Gymn. Andr. Hild. Alumnus.
WEnn uns der Himmel dreut mit starcken Ungewittern / So muß ein Löwen-Hertz auch beben und erzittern / Und wenn ein Donner-Keil in harte Eiche schlägt / So wird der gantze Stam̅ von diesem Schlag erregt. Diß findet gleichen Platz bey frühen Todes-Fällen / Wenn sich der Himmel selbst will gegen uns verstellen / Daß Er für süsse Lust nur lauter Leyd anbeut / Und uns für Freud’ und Heyl mit Donner-Schlägen dreut. Wenn ein erblaster Stern am Firmamente schimmert / Und schwartzer Trauer-Flor uns für den Augen glimmert / So kommt ein starcker Fall der uns erstarrend macht / Und Muht und Blut verwirrt und wie der Donner kracht. Diß ist was eben ich itzt beydes so erfahren / Indem mein Vater-Hertz liegt auff der Todten-Bahren / Da Ihn der Lebens-Feind mit seiner Macht besiegt / Und damit unsern Trost und Schutz zur Beute kriegt. Diß ist was mich bestürtzt / was soll ich doch beginnen? Soll schon mein junger Geist auff Trauer-Lieder sinnen? O Jammer! es zerbricht das theure Lebens-Glaß. Was fang’ ich immer an / dein Tod macht mich auch laß. Was ist der Tod? ein Schlag der Geist und Seele schrecket / Ein Unglücks-voller Sturm / der uns mit Jammer decket / Ein steter Kampff und Streit der Geist und Seele brennt / Ein Feind / der das was lebt nur alles seine nennt:
|| [80]
Ein schrecklichs Jammer-Bild / ein Wesen ohne Wesen / Ein Buch /
darinne man kan alle Nahmen lesen / Ein unversöhnter Feind / der stets
tyrannisirt / Ein Weiser / welcher uns zum schwersten Sätzen führt / Doch halt /
daß ich diß Bild erst recht genau erwege / Und meines Vatern Tod im Glauben
überlege. Ein Christe stim̅t mit mir hierin nicht überein / Er
spricht / mir kan kein Tod herb und erschrecklich seyn. Was ist also der Tod
recht GOtt-ergebnen Seelen? Ein Gang nach Salems Burg hier aus AEgyptens Hölen /
Ein Abschied alles Leyds / ein Zug von GOttes Hand / Ein Paß aus dieser Welt ins
rechte Vaterland. Hochseelger Her? PAPA, Er kan diß ja bezeugen / Drum soll mein
blöder Mund und traurigs Hertze schweigen. Rufft Ihn der Höchste nicht zu sich
ins Himmelreich / Und machet Ihn nunmehr den Schaaren Gottes gleich? Er ruhe
also sanfft in jenem Zions-Leben / Der Höchste wird uns Trost in unserm Trauren
geben. Wie wir Ihn jetzt erblast sehn auff der Bahre stehen / So werden wir Ihn
bald verklärt im Himmel sehn.
So klagte und tröstete sich bey dem seitgen Abschied seines theuresten Hrn.
Vaters
Frid. Wilh. Niekamp. Gymn. Andr. Hild. Alumnus.
ISst jemand dem das Hertz für Wehmuht ist beloffen / Bey diesem Trauer-Fall / der unser Hauß verstört; So muß mans mir gestehn / mich hats zu hart getroffen. Was Wunder / daß man mich nun schmertzlich seufftzen hört? Mein Vater / ach mein Schutz / mein Trost und mein Ergetzen! Mein alles / der mein Heyl besorgte Tag und Nacht / Ach soll ich mich nicht mehr zu seinen Füssen setzen / Und haben auff den Trost und Unterrichtung acht / Dadurch Er meinem Geist das beste Gut einflößte / Und seinen Seegen mir legt’ unermüdet bey? Ach ja / diß ist mein Schatz / damit ich mich noch tröste / Sonst gienge mir mein Hertz für Wehmuht schier entzwey.
|| [81]
Kaum war ich auff
die Welt sein Benjamin gebohren / So sorgte man / daß ich im Bund der Gnaden
wär. Es gienge niemahls die geringste Zeit verlohren / Man sorgt’ ohn Unterlaß
für gute Zucht und Lehr. Er habe dafür Danck / mein allertheurster Vater / Ja
GOtt vergelt es Ihm in seinem Himmelreich. Der sey denn auch mein Schutz / mein
Führer und Berahter / Und gebe / daß ich hier und dort Ihm werde gleich.
So drückte seine kindliche Liebe gegen seinen seel. Hn. Vater auß
JOHANN LUCAS Niekamp. Gymn. Andr. Hildes. Alumnus.
Die Lehrer erhalten einen Sieg nach dem andern / l’s: 84,
v. 8.
. Qui campos pandit amoenos, Et sata recludit foederis alma novi, Huic dat laurigeros arridens palma triumphos, Huic campi florent: Huic nova terra patet. . NICAMPIUS ILLE CELEBRIS, Hoc nobis voluit tradere sorte sua. Haud unquam campis dicebat; Cursio campi Illius auspiciis arx pietatis erat. Limosas studio omni declinare lacunas Monstrabat, sola ut pax tuba faxque foret. . Pax vincit & arte revincit, Quicquid in orbe novi lisque manusque serunt. Campi ductor erat: Suggestum, altaria, templum Hoc recinunt, nec non unanimi ore docent. . Quare omnipatentibus arcis Astrigerae campis mentem animumque rigat. Luctá sepositâ Neo-Pagus fulget apertus, MYSTA VERENDE, novo flore & amore tibi. Venisti, vidisti, vicisti atque volasti, Nullaque * campi haerens est nota nota tibi.(vid. Valer. Max. li. 6. c. 9.) . Grator de pectoris imo; Quandoquidem NAKOM sidera celsa colis. Vincite, LUGENTES ANIMI, angorem atque dolores. . Numen amara levet. JOH. CHRIST. Harenberg / Langenholtza-Hild, Gymn. And. Al.
|| [82]
SONNET. Die Lehrer werden leuchten wie des Himmels Glantz. Dan. XII.
ACh! allzustrenger Schlag! Du ritzest gar zu weit. Wie / dreustu Hildesheim mit schwartzen Todes-Kertzen / Und wilt das Kirchen-Haus mit Trauer-Flor beschwärtzen / DV zlehst Herrn NIeka Mp hIn aVs aLLer NiChtlgkeit. Das Trost-Fest seLbst MaChstV Vns zVr Trost-Losen Zelt. Hoch-wehrt-Betrübteste! Eur Jammer / Euer Schmertzen Zerschmettert aller Muht / und trifft auch unsre Hertzen / Dem Kirch-Stand / Schul und Euch steht dieses Leyd bereit / Denn alle drey sieht man jetzt ohne Haupte gehen / Wir klagen über Schmertz / daß uns zu viel geschehen / Allein was hilffts? da Er sich seinem GOtt geweyht / Lebt Er in Zions-Burg und trägt den Sieges-Krantz / Und gläntzt nach Lehrer-Art schon wie des Himmels-Glantz / Drum ächtzet nicht so sehr / gedenckt / daß jenes Leben Euch Eurem Pfleger wird / und Ihn Euch wieder geben. Dieses wenige solte aus tieff-verpflichtesten Hertzen und schulotgster Bezeugung seines schmertzlichen Beyleyds hinzusetzen RUD. FR. Sölemann / Brunk. Brunsv. Gymn. Andr. Hild. Alumnus.
ELoquar an sileam? memora Tritonia Pallas Cum sol, cum Phoebus deserit ipse polum. Dicite Pierides, dum cives undique lugent, Quid mihi, quid cunctis muneris ergo siet? Heu cecidit mortemque obiit NIEKAMPIUS atque In letho nigros tam cito junxit equos. Occubuit patriae lumen, terramque reliquit, Qui quondam nostrae Phosphorus urbis erat. Vir, quem sacrati nuper decus ordinis ingens Vidimus & rexit templa scholasque pias. Astra petit, Christum, quem vivens semper amavit, Illico visurus gaudia summa capit.
|| [83]
Fortunate senex, quo nemo beatior
alter, Dum tibi victorum nunc diadema datum. Vivis & egregium duxisti à
morte triumphum. Vivis, nil Lachesis saeva nocere potest. Non moritur, quam vis
moriatur, vivit in ipsa Morte, cui pietas anchora sacra fuit. Interea mores
Ecclesia moesta requiret Illius, & nomen tempora sera canent. Optabunt vocem
cives modo tempus in omne, Dum coelum stellas, dum vehet amnis aquas. Quod super
est, adflicta domus depone querelas Atque VIRI TANTI desine flere necem. Qvi
viduas facit atque orbos vel utroque parente Respicit, is (voveo) tristia fata
levet, Ipse quiescat humo placide compostus in urna, Crypta stet inscripto
carmine pulla brevi: Antetulit rebus coelestia cuncta
caducis, Haec quem defunctum scrobs memoranda tegit.
P. C. MARS. Hildes. Gymn. Andr. Alumnus.
ACh leyder! was entsteht bey diesen Trauer-Tagen? Was für ein Thränen-See erschrecket das Gesicht? Man höret überall ein ungemeines Klagen / Daß uns entzogen sey der Sonnen klares Licht. Hat lauter Nebel-Thau die liebe Stadt umgeben? Stellt sich ein Unfall denn stets nach dem andern ein? Soll man denn immerhin in Finsternissen leben / Und so entfernet sehn gewünschten Glantz und Schein? Kaum hat man überlebt / daß jüngst der Erden-Rachen Ein auserleßnes Paar riß durch den Tod dahin Aus dieser Zions-Burg; bey so bestalten Sachen Sehr viel’ in Leyd gesetzt / bestürtzet Geist und Sinn: So muß sich leyder nun der Zähren-Fluß vermehren Bey jedermänniglich / da wir von neuen sehn Den schmertzlichen Verlust der süssen Himmels-Lehren / Die wie ein sanffter Wind durch unsern Garten wehn /
|| [84]
Indem ein
theurer Mann das Haupt der GOttes Diener Uns hingerissen wird. O allzuherber
Fall! Es wurde unser Feld durch guten Wachsthum grüner; Und nun verlieret sich
die Hoffnung überall. Ihr Freunde GOttes kommt beseufftzet und beweinet. Ihr
Musen klaget heut das euch entzogne Licht; Ihr wisset / wie Ers auch so woll mit
euch gemeinet Und dauret billig / daß euch diese Frucht gebricht. Er selber ist
ein Baum der seinen Schmuck verlieret / Wenn Wiesen und das Feld mit Schnee sind
angefüllt. Im Sommer aber auch auffs neue steht gezieret Mit schöner Blühte
Pracht / die seine Zweig’ umhüllt. Sein Winter auff der Welt hat sich mit Ihm
geendet. Sein’ Lebens Müh und Schweiß hat Er gewünscht vollbracht. Des Himmels
süsse Lust hat sich zu Ihm gewendet / Die aller Freude voll / drum sagt Er gute
Nacht. Wohl dem der in dem Kampf diß Kleynod hat erlanget / Daß Er der Höllen
Macht nunmehro sieht gedämpft. So ist der Sieg nicht weit / Er triumphirt und
pranget Mit seiner Himmels-Kron / um die Er wohl gekämpft; Drum unterbrechet nun
die bittern Thränen-Qvellen / Als Perlen voller Weh / und lasset es geschehn.
GOtt selbst / der beste Trost wird sich zur Seite stellen Und dem betrübten Hauß
in seiner Krafft beystehn. Indessen bleibt der Ruhm des Seelgen hier auff Erden
/ Er lebet / da Er gleich gestorben / voller Freud. Bey Frommen wird noch sein
gedacht zum öfftern werden / Und sein Gedächtniß blühn auch in der späten Zeit.
Doch was bemüh’ ich mich biß an die Stern zu setzen Sein Welt-berühmtes Lob / so
auch zu hoch für mich: Die Musen sind bemüht in Marmor es zu ätzen. Was zwingt
ein Kiesel-Stein nach Diamanten sich?
C. F. Specht / Landwernhaga-Hannoveranus.
Gymn. Andr. Hild. Alumnus.
|| [85]
ACh du Saphirne Burg! Du GOttes Lust-Gemach! Wie bringstu meinen Geist an diesen Unglücks-Tag? So hastu gantz und gar dich wider mich entrüstet / Daß sich ein Zorn-Geschick bey meiner Freud einnistet? O Centner-schweres Leyd! Ich leb / und lebe nicht / Indem ein kalter Grauß durch Marck und Sehnen bricht. Der Thon von meiner Wonn’ hat sich in Noht verkehret: Ein todter Nebel hat mein Leben hie gestöhret: Was Wunder / daß ich denn mit so geringer Zier Die Feder führen muß? Ich bin selbst nicht bey mir. Es werden mir so gar die Sternen zu Cometen: Ich schweif’ herum nach Art der trüben Traur-Planeten; Verwirrte Finsterniß umschliesset meinen Muht / Und durch die blasse Furcht erstarret Hertz und Blut. Der rohe Menschen-Fraß zerscheitert meine Seule Daran mein Leben hieng / in allzustrenger Eile. Der Vater meines Heyls macht mich gantz Vaterloß / Auß dessen Munde sonst ein süsser Honig floß. Denn darf mein blöder Geist hie etwas stille stehen Und auff das weite Feld der vielen Güte sehen / So gönnt die Traurigkeit und schlechter Wörter-Satz Zwar selbe nach Verdienst zu preisen keinen Platz. Jedennoch dringet mich mein Hertze und Gewissen / Und will aus Danckbarkeit von keinem Schweigen wissen / Und also rühr ich denn mit wenig Sylben an / Was meine Zung annoch für Schmertzen lallen kan. So offt der Morgen-Glantz die Ober-Welt bestrahlte / Und meinen Hoffnungs-Klee mit holder Anmuht mahlte / So bald war mir der Weg zu diesem Mann gebahnt / Ich selbsten wurd hiezu durch Wollthat angemahnt. Da wurde denn die Schrifft / der Richtigkeiten Siegel / Der Weißheit güldner Schatz und unbefleckter Spiegel Eröffnet und erklärt das rechte GOttes-Bild / Der Wahrheit Schutzpanier / der Frommen Tartsch und Schild. Die Liebe prägte sich durch Reden in die Geister / Das Feur der Wissenschafft blieb Hertzog / Herr und Meister: Der güld’ne Himmels-Mund beströhmte meinen Witz Mit reiner Lehr / und nahm in meinen Sinnen Sitz. Wie mir mein Vater wurd’ in früher Blüht entrissen / Ließ dieser Gottes-Held mir ohn Verdienste wissen / Daß Er die Zuversicht entblößter Zweige wär’ / Und deckte über mich die Gnaden Flügel her.
|| [86]
Wann uns das Sonnen-Licht den Tag
des Herren zeigte / Sah dieser theure Mann / daß Er den Zweck erreichte / Zumahl
die GOttes-Lehr’ in ihrer besten Pracht Gleich einem Diamant mir wurde
zugebracht. Betrübte Schüler-Schaar / wie kanstu ohne Thränen Nebst mir den
herben Fall des wehrten Manns erwehnen? Bedencke / wie Er dich mit hoher Gunst
umfieng / Und kurtz vor seinem Schmertz noch ins Examen gieng. Wie? daß den
matten Leib die muntre Seel erregte Und Er der Seelen Heyl mehr als des Leibs
erwegte? Zog Er nicht unsern Nutz der eignen Wollfahrt für? Insonderheit war Er
mein Leit-Stern und Panier. Wie manch Examen hat Er selbst nicht überstanden?
Jedoch gedachte man / sein Schiff lein würde stranden / So wurd’ Er nach der
Prob’ erhöhet und vermehrt / Und aus der Sternen-Höh’ mit Gut und Muht geehrt.
GOtt prüft die Hirten-Treu / wie Gold in Gluth und Feuer Und zeiget dadurch an /
Sie sey ihm lieb und theuer. Er war zu jeder Zeit Ihm selbst ein Prüfe-Stein /
Und hielte seinen Gang von allen Flecken rein. Er prüfte jeden Geist / ob er von
GOtt entsprossen / Und lag in JEsu Schooß gantz ruhig und verschlossen. Wenn diß
die gantze Stadt Ihr zu Gemühte zieht / Und auff ein Augen-Blick die
Neben-Sinnen flieht / So muß Sie Leib und Geist in schwartzer Nacht verhüllen /
Und kan die scharffe Wund’ auff keine Weise stillen. Altar und Cantzel stehn
gleichsam durch Leyd entfärbt / Zumahl auch Kirch und Schul ein kläglich Antheil
erbt. Jedoch / Hochwürdges Haupt / Dir ist es woll gelungen / Du hast im Neuen
Kampf die rechte Kron errungen: Du bist ein treuer Hirt’ (Joh. X. 4. Welches Evangelium eben auff den dritten
Pfingst-Tag fiel / an welchem der Seelig-Verstorbene Todes
verblichen.) und gehest vor uns hin: Wir hören deine Stimm / und
folgen deinem Sinn. Du ruffst: Gehabt Euch woll / und wischet Eure Thränen / Was
wollt Ihr euch nach Mir / Ihr Hoch betrübte / sehnen? Mir ist in Israel ein
neues Feld bestimmt / Das Euch in kurtzer Zeit mit Lust gleichfals auffnimmt.
Sie / Wehrtgeschätzete / erwarte denn zum Lohne Auff Leyden / Angst und Schmertz
/ die Ihr bewahrte Krone.
JOH. BARWARDUS Koken / Hild. Gymn. Andr. Alumnus.
|| [87]
ICh war der Hoffnung zwar das Glücke hier zu haben / Dich hochgeprießnen Mann zu kennen und zu sehn. Ich wolt’ an deiner Lehr / wie einer Qvell / mich laben / Wie aber seh ich Dich nun in dem Sarge stehn? Du hast mit allem Ruhm in dieser Stadt gelehret / Und dein gehabtes Ampt mit aller Treu verricht’ / Und darum wird dein Nahm von jederman geehret / Der Du geleuchtet hast gleich als das Sonnen-Licht. Gewißlich / wo Gebeht und Seufftzer hätten können Dich retten von dem Tod / Du lebtest noch anitzt / Dir war vor andern ja das Leben wohl zu gönnen / Der Du sehr vielen hast gedienet und genützt. Ich habe nun das Glück zwar also nicht genossen / Dich hochverdienten Mann zu hören und zu sehn. Doch was für Lehren sonst von deiner Treu geflossen / Soll / weil ich leben werd / an meine Seele gehn. Ich will auch bey dem Sarg hin in mein Hertze schreiben Des Glaubens Beyspiel / als den Inhalt treuer Lehr. Es heist ja / lasset doch in dem Gedächtniß bleiben Der Lehrer Zeugniß und versiegelt das Gehör. Ja schaut ihr Ende an / das alle Wercke krönet / Das Ende / das ohn dem man frühe lernen muß. O woll! wer sich darnach in Glaubens-Folge sehnet / Der lebet / leydet / kranckt / und stirbet ohn Verdruß. Indessen wünsch ich / daß solang als Menschen leben / GOtt sein so theures Wort erhalte und bewahr / Damit wir festiglich an solchen gleichsam kleben / Und unter seinem Schutz besiegen die Gefahr. GOtt wolle selbst mit Trost die Traurigen erquicken / Und auff den Trauer-Tag gewähren viele Freud. GOtt laß es seiner Kirch in Gnaden doch gelücken / Und gönne / daß Sie bald verwechßle solches Leyd. G. A. Steinmann. e Salinis Heroum Hannoveranus. Gymn. Andr. Hild. Alumnus.
|| [88]