Eines Hochwürdigen Dohm-Capittels des hohen Stiffts zu Minden
höchst-verdienten DECANI, des Käyserl. Freyen Hoch-Adelichen Stiffts Levern
hochansehnlichen PRAEPOSITI, und Königl. Preußischen im Fürstenthum Minden
hochbestelleten ersten Land-Raths /
Als derselbe am 1. Martii dieses 1710. Jahrs / nach ausgestandener
vierzehen-tägiger Kranckheit / in seinem Erlöser sanfft und selig entschlaffen
/
Und dessen entseelter Cörper dem 9. Ejusd. bey Volck-reicher Versam̅/>>lung in sein Erb-Begräbniß in der Stiffts- und Stadt-Kirchen
B. M. V. eingesencket wärd /
Aus dem XI. Cap. Ev. Joh. v. 20. 21. 22. 23. 24. 25. 26. In gemeldter
Marien-Kirchen am Sonntage Invocavit In einer Leichen-Predigt vorgestellet
/
Und auf Begehren Der Hoch-Adelichen Angehörigen zum Druck überlassen Von M.
Albrecht Fiedler Knopffen / Königl. Preußischen Inspectore der Kirchen und
Schulen / wie auch Pastore Primario zu Minden.
Denen Hoch-Wohlgebohrnen und Hochwürdigen Herren / Herren Wie auch Denen
Hoch-Wohlgebohrnen Hochwürdigen Respectivè Frauen / Frauen auch Fräulein /
Fräulein Der gesampten Hoch-Adelichen FAMILIE von dem Busch /
übergiebet diesen / Dero Respect. hoch-seligen Herrn Bruder und Vettern / zu
schuldigsten Nachruhm gehaltenen Leich-SERMON;
Mit dem hertzlichen Wunsch / daß GOtt die über diesem empfindlichen Todes-Fall schmertzlich Betrübte kräfftig trösten / und Dero gesampte Häuser mit allen Segen und Hoch-Adelichen Seelen- und Leibes-Wohlergehen reichlich und beständig überschütten wolle / Dero Zum Gebeth und unterthänigen Gehorsam verbundnester M. Albrecht Fiedler Knopff.
|| [3]
I. N. J.
HErr GOtt Vater / du HErr unsers Lebens / der du die Menschen lässest sterben /
und sprichst: Kommet wieder Menschen-Kinder; für dem tausend Jahr sind wie der
Tag / der gestern vergangen ist / und wie eine Nacht-Wache. Und du HErr JEsu /
der du todt warest / und bist wieder lebendig / und hast die Schlüssel der
Höllen und des Todes / sam̅/>>t dem wehrten Tröster dem Heil.
Geist / der da ewiglich bey uns bleibet / tröste uns / und lasse leuchten sein
Antlitz / daß wir genesen mögen / Amen.
Vorbereitung.
ICh werde nicht sterben / sondern leben / und des HErrn Werck verkündigen. Diß
Geliebte / und zum Theil nach dem heiligen Willen GOttes schmertzlich betrübete
Seelen / ist der sichere Ancker einer zuversichtlichen Hoffnung / an welchen
sich der König und Prophet David hielte im 118. Ps. 17. v. da ihm solche Stürme
allerley Unglücks über
|| [4]
fielen /
daß hier eine Tieffe und da eine Tieffe brauseten / alle Wasserwogen und Wellen
über ihm giengen / dadurch er in äusserste Lebens-Gefahr gerieth / insonderheit
hatten ihm seine Feinde umgeben wie Bienen / und dämpffeten wie Feuer in denen
Dornen / v. 12. daß er nach menschl. Vernunfft keinen Weg oder Mittel sahe zu
entrinnen / sondern stack dem Tode im Rachen / in solchen Zustande heget er
diese zuverläßige Hoffnung: Ich werde nicht sterben / sondern leben. Es wird wol
niemand hier gedencken / daß David diß aus einer Temerität oder Vermessenheit
rede / wie man wol dergleichen bey dem rohen Hauffen der sicheren Welt-Kinder
findet / daß wenn sie schon von ihren geistlichen Feinden nicht allein umgeben /
sondern auch bereits von ihnen gefangen gehalten werden zum gewissen Verderben /
sie dennoch wider alle Warnung des Heil. Geistes sich vermessentlich trösten /
sie werden nicht sterben / sondern leben; sondern vielmehr / daß der Mann nach
dem Hertzen Gottes / entweder aus Prophetischen Geist rede / und seiner gewissen
Errettung eine sonderbare Offenbahrung unmittelbahr gehabt / oder daß er sich
durch wahren Glauben gründe auf die Göttl. Verheissungen / GOtt wolle seine
Gläubige nicht geben in die Hände ihrer Feinde / sondern sie aus sechs Trübsalen
erlösen / und auch in der siebenden kein Unglück rühren lassen; oder auch
zugleich mit auf seine eigene Erfahrung / da er zuvor schon mehrmahlen in so
grosse Noth gerahten / und doch von GOtt wunderbahr errettet worden. Wie er
solchen Grund seiner Hoffnung ausdrucket / 6. vers. Der HErr ist mit mir / darum
fürchte ich mich nicht / was können mir Menschen thun. Da wir sehen /
|| [5]
daß er seine Augen nicht wendet auf die grösse der
Gefahr / da Er in aller Menschen Augen so gut als todt war / sondern auff die
gewiß versicherte Hoffnung des Göttlichen Beystandes und Hülffe / und in
Ansehung deren mit freudigem Muth in einem starcken Glauben / wieder allen
Augenschein und Urtheil der Vernunfft schliesset: Ich werde nicht sterben /
sondern leben. Wie solches die Art des wahren Glaubens und der in GOtt
gegründeten Hoffnung ist / daß er nicht urtheilet nach dem Ansehen der Dinge so
ihm begegnen / sondern nach GOttes Wort / daher hoffet ein Gläubiger da nichts
zu hoffen ist mit Abraham / welcher nicht zweiffelte an der Verheissung GOttes
durch Unglauben / sondern ward starck im Glauben und gab GOtt die Ehre / und
wuste auffs aller gewisseste / daß was GOtt verheisset / das kan er auch thun.
Rom. 4/18. Wie uns Paulus den Glauben beschreibet Hebr. 11/1. daß er ist eine
gewisse Zuversicht deß das man hoffet und nicht zweiffelt an dem das man nicht
siehet. Wo er Göttliche Verheissungen vor sich hat / hänget er dran wie ein Kind
an der Mutter Brust / und achtet nicht was die Menschen sehen oder unser eigen
Vernunfft sagt /
GOttes Wort muß ihm gewisser seyn / Spräch auch sein Hertz gleich lauter nein / Läß’t er sich doch nicht grauen. So that auch David / darum sprach er in augenscheinlicher Todes-Gefahr: Ich werde nicht sterben / sondern leben und des HErrn Werck verkündigen / welches GOtt durch seinen mächtigen Arm nach seiner Güte und Wahrheit an ihm thate / worinn er sich dann auch nicht betrogen fand. Was nun hier David für seine Persohn in seinem sonderbahren Leiden so getrost hof
|| [6]
fete / das können alle Gläubige mit ihm und nach seinem
Exempel thun / daß der HErr dem sie im Glauben und Gottseligkeit dienen / sie in
keiner Noth / so groß sie auch sey verlassen werde / sondern allezeit daraus
mächtiglich erretten / wie solches David zeiget / wenn er im 46. Ps. v. 1. das
gantze Häuflein der Gläubigen also redende einführet: GOTT ist unsere Zuversicht
und Stärcke / eine Hülffe in den grossen Röthen die uns troffen haben / darum
fürchten wir uns nicht wenn gleich die Welt unterginge / und die Berge mitten
ins Meer süncken / wenn gleich das Meer wütet und wallet und von seinem Ungestüm
die Berge einfielen. Sela. Auch so gar selbst im Tode / denn weil sie da die
Versicherung aus dem Munde der Wahrheit selbst haben Johan. 8 / 51. Warlich /
warlich ich sage euch / so jemand mein Wort wird halten / der wird den Tod nicht
sehen ewiglich. So sind sie auch im Tode getrost Sprüchw. 14. und rühmen zum
Preiß ihres Heylandes: Ich werde nicht sterben sondern leben und des HErrn Werck
verkündigen.
Ein herrlich Exempel dessen haben wir an dem nunmehr in GOtt ruhenden Meyland
Hochwürdigen und Hoch-Wohlgebohrnen Herrn ALBERT CLAMER von dem BUSCH, des
hiesigen hohen Stiffts hoch-ansehnlichen Decano, des Hoch-Adlichen Stiffts
Levern hochverdienten Praeposito, auch Königlichen Preußischen zu dem
Fürstenthum Min
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den
Hoch-bestelleten Ersten Land-Rath / der nicht allein gutes Muths war in
Trübsahlen / sondern auch selbst im Tode / den er nicht scheuete / sondern
vielmehr bezeugete / wie er desselben ohne Furcht erwartete in williger
Gelassenheit seinem Gott zu folgen. Welches denn billig bey allen über den
Abschied des hoch-seligen Hrn. Dohm-Dechanten Hochbetrübten das Trauren mäßigen
sol / da als Menschen seinen Abschied beklagen Dessen nachgelassene Herren
Brüder / und des vor wenig Jahren verstorbenen Königl. Herrn Regierungs-Rath und
Drosten zu Haußberge nachgelassene hochbetrübte Fr. Wittwe / mit der bitteren
Klage Davids / 2. Sam. 1 / 26. Es ist mir leyd um dich / mein Bruder Jonathan /
daß du gefallen bist / ich habe grosse Freude und Wonne an dir gehabt / deine
Liebe ist mir sonderlicher gewesen denn Frauen-Liebe ist; Des sehl. Herrn
Drosten Herren Söhne / Frauen und Fräul. Töchter samt der gantzen Hoch-Adelichen
Buschischen Familie und Münchhausische Kinder mit Elia: Mein Vater! mein Vater!
2 Kön. 2 / 12. weil sie an dem hochsehl. Hrn. Dohm-Dechant einen rechten Vater
verlohren. Ein Hochwürd. Dohm-Capitul zusamt dem Hoch-Adelichen Stifft Levern
dem Verlust eines Respectivè unvergleichlichen Decani und Praepositi. Die
Hochlöbliche Landschafft dem Verlust einer gewaltigen Stütze dieses Fürstenthums
/ die Armen dem Verlust eines milden Gutthäters / und alle die ihm gekannt dem
Verlust eines rechten Israeliten in dem kein Falsch war. Welche Klagen zwar so
viel weniger zu tadeln je rarer diejenigen unter Menschen sind / welche in
aufrichtiger Frömmigkeit und Teutscher Redligkeit ihren Wandel führen / und
darin ihr Vergnügen suchen / daß sie des Blinden Auge / und des
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Lahmen Fuß seyn mögen / ja mehr
anderer als ihre eigene Wohlfahrt besorgen. Nur daß sie gleichwohl bedencken /
daß sie schuldig sind den Abschied des Hochsel. nicht allein anzusehen als
Menschen / sondern auch als Christen / in welcher Betrachtung sie erkennen
werden / daß obwohl durch die Trennung der Seele von dem Leibe der Hochsehl.
ihren Augen und Umgang entzogen / Er dennoch nicht gestorben / sondern
wahrhafftig lebe / nicht allein dem HErrn seinem GOtt / Luc. 20. allen heiligen
Engeln und auserwehlten Selen / deren seeligen Umgang er der Seelen nach
geniesset / sondern auch auf Erden in seinen grossen meriten / ja in den Hertzen
aller redlichen Leute die ihm gekannt / bey denen sein Gedächtniß in Segen
bleiben wird. Von welchem seinen Leben im Tode ein mehres zum Trost der
Betrübten und unser aller Erbauung zu reden wir für dißmahl für den Augen unsers
GOttes versammlet sind / daß wir aber solchen unsern Zweck erreichen mögen / so
demüthiget euch mit mir für dem höchsten GOtt / und helffet den Beystand des
heiligen Geistes erbitten in einem Glaubensvollen Vater Unser.
Joh XI, 20. 21. 22. 23. 24. 25. 26.
ALs Martha nun hörete / daß JEsus komt / gehet sie ihm entgegen / Maria aber
blieb daheime sitzen. Da sprach Martha zu JEsu: HErr / wärest du hie gewesen
mein Bruder wäre nicht gestorben. Aber ich weiß auch noch / daß / was du bittest
von
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GOtt / das wird dir GOtt geben.
JEsus spricht zu ihr: Dein Bruder soll aufferstehen. Martha spricht zu ihm: Ich
weiß wol daß er aufferstehen wird in der Aufferstehung am jüngsten Tage. JEsus
spricht zu ihr: Ich bin die Aufferstehung und das Leben / wer an mich gläubet
der wird leben / ob er gleich stürbe / und wer da lebet und gläubet an mich /
der wird nimmermehr sterben. Gläubest du das?
Eingang.
GElobet sey GOtt und der Vater unsers HErrn JEsu Christi / der Vater der
Barmhertzigkeit und GOtt alles Trostes / der uns tröstet in allen unseren
Trübsahlen / daß wir auch trösten können die da sind in allerley Trübsahl / mit
dem Trost / damit wir getröstet werden von GOtt / denn so wir des Leidens
Christi viel haben / so werden wir auch reichlich getröstet werden durch
Christum. Da sehet ihr Geliebte und zum Theil schmertzlich betrübte Seelen die
lebendige Quelle alles Trostes / wie uns dieselbe der Apostel Paulus zeiget 2.
Cor. 1. v. 3. 4. 5. Wir sehen (1.) deren Beschreibung welche sehr schön ist /
denn es sagt der Apostel / daß diese lebendige Quelle nicht allein bey GOtt sey
/ sondern daß GOtt selbst diese Quelle sey / aus welcher die Gläubigen allen
Trost schöpffen / welchen er nennet (a) einen GOTT und Vater unsers HErrn JEsu
Christi / nicht wie die
|| [10]
Feinde der
Gottheit Christi meynen (Calov. Bibl. Illustr. in h. l.
Se jungenda illa Deus & Pater respectu Domini nostri Jesu Christi. Ideo
nonnulli hypostigma figunt in voce Deus & figendum monent Theodoretus,
Oecumenius & Theophilactus. Non enim & Deus Pater Jesu Christi,
& Pater ejus dicitur, sed idem est Deus & Pater Domini nostri Jesu
Christi, quia hie filius ejus est ab aeterno genitus ab ipso Ps. 2,7.
Perperam igitur haeretici inde colligunt filium inferiorem Patre, ut qui
Deum Patrem agnoscat & Dominum superiorem a quo ipse Divinitatem
acceperit. Pater enim & filius ejusdem sunt naturae ideo nihil inferius
hic cogitandum. Esti omnino referatur etiam nomen Dei ad Dominum vel
Christum, Deus Christi intelligendus erit ratione humanae naturae: Pater
vero ejus ratione Divinae naturae ut Theophylactus monet &c.) daß
die erste Persohn in der Gottheit heisse ein GOtt JEsu Christi / daß er nach
seiner Gottheit geringer wäre / als der Vater / denn es sind Vater und Sohn
einer Göttlichen Natur und Wesens / wie Christus sagt: Joh. 10. v. 30. Ich und
der Vater sind eins: Sondern er heißt ein GOtt unsers HERRN JEsu Christi nach
der menschlichen Natur / da Er GOttes Knecht ist die Stämme Jacob auffzurichten
/ und von ihm zum Licht der Heyden gemachet / daß Er sey GOttes Heil biß an der
Welt Ende / Esa. 49 / 6. Ein Vater aber unsers HErrn JEsu Christi heißt Er /
weil Er diesen seinen Sohn von Ewigkeit her aus seinem Göttlichen Wesen gezeuget
/ Psal. 2 / 7. Und ist gar schön wenn Paulus den HErrn unsern GOtt beschreiben
wil als die Quelle alles lebendigen Trostes / daß er Ihm nennet einen GOtt und
Vater unsers HErrn JEsu Christi / zu zeigen daß eben darum aller solcher Trost
auff uns komme / weil der HErr ist ein GOtt und Vater unsers HErrn Christi /
denn weil Er das ist / so muß er auch der Gläubigen / welche Christi Glieder
sind an seinem geistlichen Leibe / GOtt und Vater seyn / folglich ihnen Trost
und Barmhertzigkeit erzeigen in allen ihren Trübsahlen / anders wäre solcher
Nahme ein blosser Titul / welches bey GOtt nicht ist.
|| [11]
Denn alle Namen GOttes / die wir in Heil. Schrifft finden / sind eine
Beschreibung dessen was an GOtt in der That ist / und er an seinen Gläubigen
würcklich erweiset. Daher auch Christus beydes sehr schön zusammen setzet Joh.
20 / 17. Ich fahre auff zu meinem Vater und zu eurem Vater / zu meinem GOtt und
zu eurem GOtt. Daß wir wissen / weil GOtt der Vater sey ein GOtt und Vater
unsers HErren JEsu Christi / so sey er auch unser GOTT und Vater durch Christum
/ wie auch der Apostel in angezogenen Worten sagt / daß wenn uns der GOtt alles
Trostes tröste / so geschehe es durch Christum / v. 5. und also GOtt den Vater
das Trösten der Gläubigen nicht zugeschrieben wird mit Ausschliessung der
anderen beyden Persohnen / sondern allein daß er zeige / wie der Vater ist der
Ursprung der Gottheit / so auch derjenige / von welchem uhrsprünglich aller
Trost der Gläubigen herkom̅/>>t. (b) Nennet er ihm den Vater der
Barmherzigkeit. Diß ist eine Hebräische Redens-Art / welche der Apostel
gebrauchet um ihres Nachdrucks willen / dadurch er nicht nur saget / daß GOtt
sey ein barmhertziger Vater / der vor sich nach seiner Eigenschafft barmhertzig
sey / sondern daß alle Barmhertzigkeit / welche in denen Menschen ist / und an
denen Creaturen bewiesen wird / von ihm herkomme / als der die Barmhertzigkeit
in aller Menschen Hertzen gepflantzet hat / wohin auch Paulus sihet / wenn er
Ephes. 3. von ihm sagt / daß er der rechte Vater ist über alles / das da Kinder
heisset im Himmel und auf Erden / ist also diß eine fürtreffliche Beschreibung
der Barmhertzigkeit Gottes / daß er heisset ein Vater der Barmhertzigkeit / denn
so alle Barmhertzigkeit in denen Creaturen auch Vater und Mutter Barmhertzigkeit
nur ausgestreuete
|| [12]
geringe Füncklein
und Strahlen der Barmhertzigkeit Gottes sind / so muß seine Barmhertzigkeit
unermeßlich und unbegreifflich groß seyn / und aller Menschen Barmhertzigkeit so
weit übertreffe / als die Sonne das kleineste Licht / und das grosse Welt-Meer
die kleineste Quelle / wie sie denn auch David also beschreibet im 103. Ps. da
er nicht nur im 8. v. insgemein sagt: Barmhertzig und gnädig ist der HErr /
gedultig und von grosser Güte / sondern bald hernach im 11. v. selbige abmisset
nach ihrer Höhe: So hoch der Himmel über der Erden ist / lässet er seine Gnade
walten über die so ihm fürchten. v. 12. Nach ihrer Breite: So ferne der Morgen
vom Abend ist / lässet er unsere Ubertretung von uns seyn. v. 17. Nach ihrer
Dauerhafftigkeit un̅/>> Länge: Die Gnade des HErren währet von
Ewigkeit zu Ewigkeit / bey denen die ihn fürchten; von Ewigkeit / ob
praedestinationem, in Ansehen seines heiligen Rathschlusses; in Ewigkeit / ob
glorificationem, weil die Gläubigen solche Barmhertzigkeit ewig preisen werden.
Wohin auch gehöret / daß Paulus hier in plurali redet: einen Vater der
Barmhertzigkeiten; nicht als ob viele Barmhertzigkeiten in GOtt wären / denn
eigentlich zu reden ist in GOtt nur eine Barmhertzigkeit / wie sein Wesen nur
eines ist / es wird aber dieselbe nach dem unterschiedlichen Zustande derer
Menschen unterschiedlich betrachtet nach ihrer Ausübung / da ist sie denn
vielerley / wie solches der Heil. Bernhardus gar fein erklähret. (Bernh. Serm. in Ps. 51. v. 1. de triplici misericordia
& quatuor miserationibus. Ubi primam misericordiam vocatparvam, quando
nimirum Deus expectat peccatorem, donec poenitentiam agit, de qua Es. 30. v.
18. expectat Dominus ut misereatur vestri. Secundam vocat majorem, quando
cunctantes ad poenitentiam proemiis & poenis adigit: quod verè plus est
quam expectare poenitentem, & de hac misericordia loquitur Paulus Rom.
2, 6. An ignoras quod bonitas Dei te ad poenitentiam adducit? Tertiam vocat
magnam quae locum habet in peccatis contra conscientiam. Et huic tribuit
quator filias, quas miserationes vocat quarum (a) est immissio amaritudinis
seu crucis quae expellat delectationem peccati (b) oportunitatis subtractio
quae iis contingit qui laboribus sunt occupati (c) est facultas resistendi
desideriis pravis (d) affectionis pravae plena sanatio.) Wohin also
Paulus mit
|| [13]
dieser Zahl der Vielheit
eines Theils siehet. Denn aber auch / daß er dadurch ausdrücke den allerhöchsten
grad der Barmhertzigkeit / welchen er insonderheit ausgeübet in Sendung seines
Sohns wie Christus selbst zeiget Joh. 3 / 6. wenn er sagt: Also hat GOtt die
Welt geliebet / daß er seinen eingebohrnen Sohn gab / und Paulus Rom. 5. v. 8.
Darum preiset GOtt seine Liebe gegen uns / daß Christus für uns gestorben ist da
wir noch Sünder waren / in welchem grad die Barmhertzigkeit GOttes kein Exempel
das ihr gleichete in der gantzen Welt hat / daher auch die Heil. Schrifft von
keiner Göttlichen Eigenschafft häuffiger redet und mehr Wercks machet als von
der Barmhertzigkeit GOttes. (c) Beschreibet er ihm als dem GOtt alles Trostes.
Der Trost ist insgemein zweyerley Art; die eine Art bestehet allein in Worten /
welcher zwar die Betrübniß nicht gantz wegnimmt / doch dieselbe gutes Theils
lindern kan. Die ander Art des Trostes bestehet in würcklicher Hülffe und
Befreyung von dem was uns betrübet / beyderley Arten des Trostes kommen von GOtt
/ der uns nicht allein sein Wort giebt / als ein herrliches un̅/>>
rechtes Trost-Wort / sondern auch durch dasselbe sich selbst denen Gläubigen zum
Trost schencket / wie Assaph sagt: Ps. 73 / 1. Israel hat dennoch GOtt zum Trost
/ wer nur reines Hertzens ist / und abermahls v. 15. 16. HErr / wenn ich nur
dich habe / so frage ich nichts nach Him̅/>>el und Erden / wen̅/>> mir gleich Leib und Seele verschmachtet / so bistu doch Gott
allezeit meines Hertzens Trost und mein Theil. (II.) Zei
|| [14]
get er uns diese lebendige
Quelle alles Trostes nach ihrer Wirckung / der uns tröstet in allen unsern
Trübsahlen / da hören wir / daß wie GOttes Nahme ist / so ist auch sein Werck
und sein Ruhm / er tröstet uns / sagt er / Paulum und alle Gläubige / als welche
allein seines Trostes fähig sind / und sich seiner tröstlichen Verheissungen mit
Grunde annehmen können / wie David sagt Ps. 103 / 13. Wie sich ein Vater über
Kinder erbarmet / so erbarmet sich der HErr über die / so ihn fürchten.
Dahingegen verkündiget der Geist GOttes durch Paulum Rom. 2 / 9. Trübsahl und
Angst über alle Seelen der Menschen die da böses thun. Wie GOtt in Egypten einen
Unterschied machte unter seinen Volck und denen Egyptern / daß da diese in
dicker Finsterniß sassen / hatten die Kinder Israel Licht in ihren Wohnungen /
2. B. Mos. 10 / 22. 23. so thut er noch / das Licht seines Trostes scheinet nur
dem Israel GOttes. Wie aber allein die Gläubigen solches Trostes geniessen /
also geniessen sie es auch alle; daß wir nicht meynen daß diß allein ein
Vorrecht sey der Apostel oder grossen Heiligen / sondern alle die mit ihnen in
lebendigen thätigen Glauben an Christum stehen / wie wir aus dem Ps. 73 / 1.
gehöret / wer nur reines Hertzens ist / daß aber der Apostel sich mit
einschliesset / damit zeiget er uns die Ursache / wodurch er bewogen worden den
GOtt und Vater unsers HErrn JEsu Christi zu nennen einen Vater der
Barmhertzigkeit und GOtt alles Trostes / nemlich nicht nur in Betrachtung der
vielen herrlichen Verheissungen / darin er sich als einen solchen offenbahret /
sondern aus eigener Erfahrung / weil ihm GOtt tröste in allen seinen Trübsahlen
/ also daß nimmer eine Trübsahl über ihm komme / darauff nicht alsobald der
Göttliche Trost
|| [15]
folge. Denn auch so
ist diß nicht von geringen Nachdruck andere Gläubige zu versichern des Göttl.
Trostes / daß GOtt Paulum getröstet in allen seinen Trübsahlen / weil Paulus
wohl einer der allergeplagtesten Menschen auff Erden gewesen / wie er selbst
zeuget 2. Cor. 11 / 23. da er einen solchen Catalogum seiner Trübsahlen erzählet
daß einem die Haut schauret / wenn man bedencket / daß alle solch Leyden über
einen Menschen kommen / und dennoch habe ihn GOtt in allen getröstet / nicht
sparsam / sondern reichlich / wie er selbst zeuget 2. Cor. 7 / 4. Ich bin
erfüllet mit Trost / ich bin überschwenglich in Freuden in allen unseren
Trübsahl. Da wir in Macedoniam kamen / hatte unser Fleisch keine Ruhe / sondern
allenthalben waren wir in Trübsahlen / auswendig Streit / inwendig Furcht. Aber
GOtt der die geringen tröstet / der tröstete uns. Wie aber GOtt an ihm thue / so
thue er auch an andern Gläubigen / die mit und neben ihm leiden. Hat nun GOtt
Paulum getröstet in so vielen schweren und grossen Trübsahlen / wie viel
leichter kan und wird er uns trösten in unsern Leiden / welches gegen jenes kaum
zu rechnen ist. Es bestehet aber wie wir oben gehöret der Göttliche Trost damit
er seine Gläubige tröstet nicht allein darin / daß GOtt ihnen in währender
Trübsahl die Ruhe ihres Gemüths / und dem Frieden ihrer Seelen erhält / daß sie
mit Gott zufrieden sind / alle ängstliche Furcht und Bekümmernüß ablegen / und
sich ihres Leidens nicht schämen / sondern es eitel Freude achten können / wenn
sie in mancherley Anfechtung fallen; sondern auch darin / daß er sie zu rechter
Zeit aus der Trübsahl erlöset / wie es heisset Tob. 3 / 22. Das weiß ich fürwahr
/ wer Gott dienet / der wird nach der Anfechtung getröstet / und
|| [16]
aus der Trübsahl erlöset / und nach
der Züchtigung findet er Gnade. Und solcher Trost GOttes ist nicht allein dem
gnug der ihn empfähet / sondern wircket auch diß / daß sie auch trösten können
die da sind in allerley Trübsalen / mit dem Trost / damit sie getröstet sind.
Denn wie ein Mensch / der selbst in Trübsalen gewesen / am besten weiß / wie
einem solchen zu Muthe ist / so ist er auch am geschicktesten mit einem andern
Mitleiden zu haben / und der selbst den göttlichen Trost in seiner Seelen zur
Zeit des Leydens empfunden / kan solchen auch andern am besten mittheilen /
dahingegen die / so von Leiden selbst nicht viel erfahren / insgemein wie die
Freunde Hiobs leidige Tröster sind. Denn ob es zwar alleine GOttes Werck ist das
Hertz zu trösten / welches kein Mensch aus eigener Krafft vermag / so ist doch
diß eine Frucht des Creutzes / daß GOtt dem Menschen dadurch tüchtig machet mit
dem von ihm empfangenen Trost auch andere zu trösten. Zu geschweigen / daß
solcher im Leiden getrösteten Exempel selbst schon einen Trost in sich fasset.
Endlich so versichert uns auch der Apostel / daß GOtt seinen Trost nach unsern
Leiden abmesse: daß so wir des Leidens Christi viel haben / so werden wir auch
reichlich getröstet durch Christum / da er durch das Leiden Christi welches die
Gläubigen tragen nicht allein verstehet das eigentliche Christen-Creutz / wenn
sie um ihres Glaubens und Gewissens willen etwas leyden / dergleichen denen
Philippern begegnet / davon Paulus sagt Phil. 1 / 29. Daß ihnen gegeben sey um
Christi willen nicht allein zu thun / sondern auch zu leiden; Sondern insgemein
alle ihre Trübsahl / welche sie im Glauben an Christum willig auffnehmen und
gedultig tragen. Denn weil die Gläubigen Christi Glie
|| [17]
der sind an seinem geistlichen
Leibe / so ist ihr Leiden Christi Leiden / wie das Leiden eines Gliedes dem
gantzen Leibe / und also auch dem Haupte zugehöret; wie denn auch Christus das
Leyden seiner Gläubigen für sein Leyden achtet. Matth. 25. Was ihr gethan habt
einen unter diesen meinem geringsten Brüdern / das habet ihr mir gethan. Ap.
Gesch. 9. v. 4. Saul / Saul / was verfolgest du mich. Ja / wie Christus durch
den Glauben in denen Gläubigen wohnet / so leidet er in ihnen. Wie nun das
Leyden ist / so ist auch der Trost / haben sie desselben viel / so werden sie
auch reichlich getröstet / dadurch ihnen auch ein schweres Leyden erträglich
wird / und diß durch Christum / der es ihnen mit seinem Leyden und Sterben
erworben / und durch seinen Geist in ihnen wircket. Und wie er nach seinen
Leyden aus der Angst und Gericht genommen / so erlöset er auch die Seinen zu
rechter Zeit von allem Ubel. Diß ist ja nun wohl eine unschätzbahre Wohlthat
unsers GOttes / welche wir um aller Welt Schätze nicht vertauschen solten / denn
da unser Zustand nach dem Sünden-Fall so beschaffen ist / daß es ein elend
jämmerlich Ding ist üm aller Menschen Leben von Mutterleibe an biß wir wieder in
die Erde begraben werden / die unser aller Mutter ist / Syr. 40 / 1. Und
insonderheit die Gläubigen müssen durch viel Trübsahl in das Reich GOttes
eingehen / Apost. Gesch. 14 / 22. So kan uns nichts erwündschter noch
erfreulicher seyn als dieser Göttliche Trost / zumahlen da er so allgemein / daß
keine Trübsahl davon ausgeschlossen / auch der Todt selbst nicht / er komme
gleich über uns selbst oder über die Unsern / wie wir nun dessen ein schönes
Exempel in unserm Texte finden / so wollen wir uns auch ohne fernern Eingang zu
demselben wenden / und uns daraus vorstellen
|| [18]
Abhandlung.
GEliebte und zum Theil nach dem heiligen Willen GOttes schmertzlich-betrübte
Seelen. Wenn wir dem bey dieser Gelegenheit erwehlten Leichen-Text ansehen / so
finden wir daß er ist ein Stücke der so tröstlichen Geschichte von der
Aufferweckung des verstorbenen Lazari / welche der HErr JEsus kurtz vor seinem
bit tern Leiden und Sterben verrichtet. Denn da dieses letzte Oster-Fest / an
welchen der HErr JEsus als das rechte Lamm GOttes solte geopffert werden für der
gantzen Welt Sünde / heran nahete / da geschiehets / daß zu Bethanien Lazarus /
dem der HErr lieb hatte / kranck wird / und zwar in Abwesenheit des HErrn JEsu /
da er die letzte Haupt-Reise nach Jerusalem fürgenommen durch Samariam und
Galileam / und nunmehr biß nach Parea kommen war / oder wie es Joh. 10 / 40.
beschreibet genseit des Jordans da Johannes zuvor getaufft hatte / dahin senden
nun die Schwestern Lazari und thun dem HErrn zu wissen: HErr / siehe den du lieb
hast / der lieget kranck; da Er das hörete / sagt Johannes / blieb Er noch zween
Tage an den Orte da er war. Wie wir nun aus denen Gesch. der Evangelisten sehen
/ daß je näher sein Leiden kam / je grösser Wunder der HErr gethan / so wolte er
auch hier lieber den verstorbenen Lazarum erwecken / als dem Krancken gesund
machen / auf daß
|| [19]
der Sohn Gottes
dadurch geehret würde / darüm kam Er / als er schon vier Tage im Grabe gelegen /
welches den̅/>> dieses Wunder so viel grösser un̅/>>
herrlicher machte. Zuvor hatte er Jairi Töchterlein aufferwecket / da sie eben
gestorbe̅/>> war / Matt. 9 / 25. nachher erweckte er den
Jüngling zu Nain da man ihm eben zu Grabe trug / Luc. 7 / 11. nunmehr kom̅/>>t er Lazarum zu erwecken / der schon vier Tage im Grabe
gelegen / und die Verwesung dergestalt überhand genommen / daß er schon stanck.
Da Er nun biß an den Flecken Bethania kommen / und Martha des Verstorbenen
Schwester seine Ankunfft erfähret / gehet sie hinaus ihm entgegen voller
Betrübniß über ihren verstorbenen Bruder / und wird daselbst von JEsu reichlich
getröstet. Wenn wir nun diese Tröstung des HErrn betrachten wollen / so müssen
wir sehen (1) die über den Todt des verstorbenen gläubigen Tazari Leid-tragende
/ welche getröstet worden / diß waren nun seine beyde Schwestern / insonderheit
Martha / mit welcher allhier der HErr redete / von welchem / daß sie an Christum
gläubig gewesen / so wohl Lucas im 10. Cap. als auch Johannes in diesem 11. C.
v. 5. sattsahmes Zeugniß geben. Insonderheit erhellet aus diesem Gespräch der
Martha / daß Sie von Christo gegläubet / daß er wäre der versprochene Messias
von welchen die Propheten geweissaget / und der Sohn GOttes der in die Welt
kommen solte. Diß wäre nun ein sehr schönes und herrliches Glaubens-Bekäntniß /
woferne nur Martha solches ihr eigen Bekäntniß dero Zeit recht verstanden / aber
wir sehen aus ihren eigenen Worten / daß sie hier noch sehr schwach und
mangelhafftig gewesen / indem sie Christum zwar für dem Sohn GOttes bekennet /
aber nicht für einen solchen / der selbst wahrer GOtt / und
|| [20]
mit dem Vater eines göttlichen Wesens
wäre / denn wer das festiglich glaubet / der weiß auch und ist versichert / daß
er nicht allein helffen könne / wenn er nach seiner sichtbahren Gegenwart da ist
/ sondern auch / wenn er nach derselben abwesend ist / das glaubete aber Martha
nicht / sondern meynete / das Vermögen einen Krancken zu helffen hinge an seiner
sichtbaren Gegenwart / wie solches ihre Worte deutlich weisen / da sie sagt:
HErr / wärest du hie gewesen / mein Bruder wäre nicht gestorben / womit sie die
meiste Schuld daß ihr Bruder an der ausgestandenen Kranckheit gestorben / auff
die Abwesenheit des HErrn JEsu leget / und ihn den Verzugseiner Ankunfft
verweißlich vorhalten wil / er helffe Frembden und Unbekandten auch wohl ehe sie
bitten / und habe versäumet zu ihnen zu kommen / da sie ihm ersuchen lassen /
biß nunmehro / da es zu späte sey / und möge also selbst urtheilen / ob er als
ein guter Freund gehandelt. (Vid. Lyser Harm. Lib. IV.
Part. 2. c. 140.) Also hielte sie ihn für einen solchen Sohn GOttes
der seinen Wesen nach ein blosser Mensch wäre / nur daß er von GOtt mehr Gnade /
Macht / Ehre und Herrlichkeit empfangen hätte als andere Menschen vor ihm / auch
als die Propheten und übrige Heilige Altes Testamentes / welches sie noch ferner
zu Tage leget / da sie sagt: Aber ich weiß auch noch daß was du bittest von GOtt
/ das wird dir GOtt geben. Denn ob sie wohl hiermit bezeuget sie glaube er werde
noch wissen ihrem Leiden zu rathen / so meynet sie doch nicht daß ers aus eigner
Krafft vermöge / sondern wenn er was thun wolle / so müsse ers durchs Gebeth von
GOtt erlangen wie Elias / Elisa und andere heilige Männer GOttes / wenn sie
Todten erwecket oder andere Wunder gethan / solches nicht
|| [21]
aus eigener / sondern frembden Krafft
/ nemlich des HErrn ihres GOttes solches verrichtet. Wie nun also die liebe
Martha zwar an Christum gläubete / und ihr Hertz gantz aufrichtig war / so war
doch ihr Glaube noch gar unvollkommen und mangelhafftig / indem sie Christum
nach seiner Persohn noch nicht recht erkante / und daher seine Krafft ihren
gestorbenen und schon in der Verwesung liegenden Bruder zu erwecken in Zweiffel
zog / denn obwohl Cyrillus (vide Cyr. l. 7. c. 18. in
Joh.) diese Worte der Marthä ausdeutet als eine Bescheidenheit / so
weisen doch die folgende Worte deutlich genug ihren Zweiffel / wie wir aus dem
39. vers. sehen / da sie dem Befehl des HErrn: Hebt den Stein abe / beantwortet:
HErr / er stincket schon / denn er ist vier Tage gelegen / was wiltu mit einem
stinckenden und schon faulenden Cörper anfangen / das ist vergebens. Daher auch
der HErr / der das zerstossene Rohr nicht zerbrechen / und das glimmende Tocht
nicht auslöschen solte / zu allererst suchet ihren wanckenden Glauben zu
stärcken / und die Hoffnung daß er ihm erwecken werde auffzurichten / mit denen
Worten: Dein Bruder soll aufferstehen. Darin er ihr nicht allein auf eine
Majestätische Weise die Aufferweckung ihres Bruders versichert / sondern auch
nicht undeutlich zu verstehen giebt / daß er solches aus eigener Krafft vermöge
/ welches ein gantz vollkom̅/>>ener Trost für sie gewesen wäre in
dieser ihrer Traurigkeit / wo sie die Worte recht verstanden / da sie itz und /
weil sie meynet / der HErr rede von der Aufferstehung am jüngsten Tage / diese
Antwort also ansiehet / als suche der HErr nur sie damit abzuweisen / da sie
wündschete ihren Bruder noch in diesem Leben wieder zu sehen; also thut sie zwar
in denen Worten: Ich weiß wol / daß er aufferstehen wird in der
|| [22]
Aufferstehung am jüngsten Tage. Ein
herrlich Glaubens-Bekäntniß / von dem hohen Glaubens-Artickul der Aufferstehung
unserer Leiber / welcher der Vernunfft unbegreifflich / und daher von denen
Heyden un̅/>> Sadduceern verlachet wurde. Matt. 22 / 23. Act. 17 /
32. Aber sie giebt auch zugleich damit an den Tag / daß sie zweifele daß
Christus ihren Bruder itzund aufferwecken werde. Daß wir hierin an Martha einen
gar eigentlichen Abriß finden unserer Schwachheit in schweren Versuchungen. So
lange es wohl gehet und GOttes Wille mit unserm Verlangen einstimmet / oder die
Trübsahl die uns trifft so beschaffen ist / daß wir mit unserer Vernunfft
absehen können / wo wir Rath / Trost und Hülffe finden mögen / so behalten wir
noch wol einen guten Muth und Vertrauen zu Gott / daß er als ein liebreicher
Vater für uns sorgen werde / kompts aber daß uns GOtt alles Trostes / den wir in
denen Creaturen finden beraubet und die Stützen wegschlägt darauff wir ruheten /
daß wir keinen Rath noch Hülffe sehen / sondern bloß allein an seinen Worte
hangen sollen / ob wir schon weder Art noch Weise verstehen / wie uns gerathen
werden könne / da zappelt unser Glaube und haben wir mit vielen Zweiffel zu
kämpfen / daß unser zaghafftes Hertz immer meynet Gott thue nicht nach seinen
Verheissungen da er zugesaget Hebr. 13 / 5. Ich wil dich nicht verlassen noch
versäumen / wie Martha / die da meynete / wenn der HErr hätte wollen als ein
guter Freund thun / so hätte er kommen müssen zu helffen ehe Lazarus gestorben
wäre / nun sey es vorbey und wenig mehr zu ihren Trost und Hülffe zu hoffen. Da
gehets recht wie Christus zu seinen Aposteln sagte zur Zeit seines Leydens /
Matth. 26 / 31. In dieser Nacht werdet ihr euch alle ärgern an mir.
|| [23]
Biß dahin hatten die Jünger bey JEsu
ausgehalten / aber nun in der Nacht werden sie sich stossen. Also / wenn eine
solche finstere Nacht grosser Trübsahlen über uns kömt / daß wir mit unser
Vernunfft GOttes Wege nicht sehen und begreiffen können / so entstehet Aergernüß
/ und muß unser Glaube mit vielem Zweifel kämpffen. Welchen Umstand wir darum
wohl mercken müssen / weil wir daraus erkennen / daß nicht allein die
Leidtragende von GOtt getröstet werden / welche um einen starcken völligen und
Helden-müthigen Glauben an ihm halten / sondern auch die Kinder und
Schwach-gläubigen / deren Glaube in grossen Trübsahlen zappelt und mit
mancherley Zweiffel kämpffen muß / wie David sagt Ps. 103 / 13. 14. Wie sich ein
Vater über Kinder erbarmet / so erbarmet sich der HErr über die so ihm fürchten
/ denn er kennet was für ein Gemächt wir sind / Er gedencket daran daß wir Staub
sind. Wie ein liebreicher Vater und Mutter sich gegen ihre Kinder verhalten /
daß so lange sie keine Boßheit und Frevel an ihnen sehen / alle Mängel /
Gebrechen und was sie aus kindischer Unwissenheit oder Unachtsamkeit begehen
gerne übersehen / und darum ihre Liebe nicht von ihnen wenden / weil sie
bedencken daß es Kinder sind / von denen man nichts vollenkommenes erwarten kan
/ so thut auch der HErr unser GOtt mit seinen Kindern / daß er sie um ihrer
Schwachheit und Gebrechlichkeit willen nicht verstosset / sondern sich ihrer so
viel hertzlicher annimpt / wie denn Esaias 42 / 3. insonderheit von dem Messia
zeuget: Das zustossene Rohr wird er nicht zubrechen und das glimmende Tocht wird
er nicht auslöschen / und Christus selbst ruffet solche Elende zu sich Matt. 11
/ 28. Kommet her zu mir alle die ihr mühseelig und beladen
|| [24]
seyd ich wil euch erquicken. Welches
Martha hier in der That erfuhr / da der HErr sich nicht abhalten ließ sie zu
trösten / ob wohl ihr Glaube noch vielen Mangel hatte an der Erkäntnüß / und
durch vielen Zweiffel und Widersprechen der Vernunfft angefochten ward. Allen
denen zum Trost / welche bey dergleichen empfindlichen Trübsahlen in gleichen
Stand gerathen / daß sich ihre Vernunfft an denen Wegen GOttes / welche er mit
ihnen gehet ärgert / und es ihnen schwer wird alsdenn an dem Wort der Göttlichen
Verheissungen zu halten / daß sie wissen / ihr schwacher Glaube sey auch ein
wahrer Glaube / und sie bey demselben des Göttlichen Trostes fähig. Wie wir
solches auch an denen Jüngern Christi sehen / die sich zur Zeit des Leidens
Christi an der Tieffen Niedrigung des HErrn gewaltig ärgerten / daß sie vom
Glauben wenig übrig behielten / dennoch weil es nicht aus Boßheit sondern
Schwachheit des Fleisches geschahe / von Christo nach seiner Aufferstehung
reichlich getröstet wurden.
(II.) Dem Tröster / welcher ist unser HErr und Heyland Christus wie er sich
selbst gleichsam mit fingern zeiget da er sagt: Ich bin die Aufferstehung und
das Leben / unter welchen Nahmen er sonderlich denen Vätern Altes Testaments
bekant war / nicht allein zu Zeiten der Propheten die ihm also den Volck
vormahleten / daß er würde seyn aller Heyden Trost / Hagg. 2 / 8. und Esa. 49 /
6. Es ist ein geringes daß du mein Knecht bist / die stämme Jacob auffzurichten
/ sondern ich habe dich auch zum Licht der Heyden gemacht / daß du seyst mein
Heil biß an der Welt Ende. Daher auch Esai. 40 / 1. der Befehl GOttes an die
Prediger Neuen Testaments also lautet: Tröstet / tröstet mein Volck / spricht
euer GOtt / sondern auch
|| [25]
die heiligen
Väter der ersten Welt. Als dem Lamech ein Sohn gebohren ward 1. B. Mos. 6 / 29.
und er meynete / daß der der verheissene Weibes-Saame seyn solte / hieß er ihn
Noah / Ruhe und Trost / und erklähret selbst / warum er ihn so genennet: Der
wird uns trösten in unser Mühe und Arbeit auf Erden / die der HERR verfluchet
hat. Wie er nun also ist der Tröster aller Mühseeligen und Beladenen / der sie
tröstet in allen ihren Trübsahlen / so ist er auch der Tröster derer über dem
Todt der Gläubigen betrübten Leidtragenden / welches er mit recht Majestätischen
Worten ausspricht / denn als Martha aus der ersten Antwort Christi dein Bruder
soll aufferstehen / (in welcher Er ihr nicht allein die Aufferweckung ihres
Bruders versicherte / sondern auch zugleich zu verstehen gab / wie dessen
Auferstehung von ihm dependirete) die Meynung des HErrn noch nicht vernahm /
bricht er mit grossen Nachdruck aus: Ich bin die Aufferstehung / da gleich in
dem ersten kleinen Worte ich bins eine deutliche Widerlegung des Irrthums der
Marthä stecket da sie sagt: Aber ich weiß auch noch / was du bittest von GOtt /
das wird er dir geben. Es bedürffe hie keiner frembden oder höhern Krafft die er
durchs Gebeth erlangen müste wie Elias / Elisa / Petrus und andere heilige
Männer GOttes / sondern es sey seine eigene Krafft / durch welche er die Todten
aufferwecket / wie er deutlich zeuget Joh. 5 / 21. Wie der Vater die Todten
aufferwecket und machet sie lebendig / also auch der Sohn machet lebendig welche
er wil; nicht nur in der allgemeinen Aufferstehung am jüngsten Tage / davon Er
verß 28. sagt: Es kommt die Stunde in welcher alle die in den Gräbern sind
werden die Stimme des Menschen Sohns hören / und werden herfür ge
|| [26]
hen / und Cap. 6 / 39. Das ist
der Wille des Vaters der mich gesandt hat / daß ich nichts verliehre von allem
das er mir gegeben hat / sondern daß ichs aufferwecke am jüngsten Tage / sondern
auch in der Zeit / denn er hat die Schlüssel der Höllen und des Todes / Offenb.
1 / 18. Wie er nun hiemit klärlich zeiget / daß er aus eigner Krafft und nach
eignem Wohlgefallen die Todten erwecke / so auch daß ers thue auch nach seiner
menschlichen Natur. Denn ob zwar die Krafft das Leben zu geben / oder was
einmahl erstorben ist / wieder lebendig zu machen ursprünglich alleine Gottes
ist / der zu Anfange dem Menschen schuff / und ihm einen lebendigen Odem
einbließ / so ist doch auch solche wie andere Göttliche Krafft der menschlichen
Natur Christi mitgetheilet / wie solches aus denen Worten Joh. 5 / 26. zu sehen
/ da der HErr sagt: Wie der Vater das Leben hat in ihm selber / also hat er auch
dem Sohn gegeben das Leben zu haben in ihm selber / und hat ihm Macht gegeben
das Gerichte zu halten darum / daß er des Menschen Sohn ist / alwo der HErr von
seiner gantzen Persohn redet / denn diß geben das Leben zu haben in ihm selbst
können wir nicht allein verstehen von der Mittheilung durch die ewige Zeugung
daraus der Sohn so wohl das Leben in sich selbst ist / als der Vater / sondern
auch daß seiner menschlichen Natur / weil sie in die Einigkeit des Sohnes GOttes
auf genommen worden / gegeben und mitgetheilet worden / das Leben und die
lebendigmachende Krafft zu haben in ihr selbst / wie ihr gegeben ist die Macht
das Gerichte zu halten. Daher heissets auch nachher / daß die Todten werden
seine (des Menschen Sohns) Stimme hören. Und Paulus sagt nicht allein / 1 Thess.
4 / 16. daß er selbst / der HErr / (also der gantze Christus / eben
|| [27]
der / welchen sie haben sehen von
hinnen fahren / Apost. Gesch. 1 / 11.) wird mit einem Feld-Geschrey un̅/>> Stim̅/>>e des Ertz-Engels und mit der Posaune
GOttes hernieder kommen / und die Todten in Christo werden aufferstehen zuerst;
sondern auch 1 Corinth. 15 / 21. 22. Sintemahl durch einen Menschen der Todt /
und durch einen Menschen die Aufferstehung der Todten. Wie solches auch schon zu
seiner Zeit Hiob 19 / 25. 26. muß erkannt haben / da er sagt: Ich weiß daß mein
Erlöser lebet / und er wird mich hernach aus der Erden auferwecken. Da er dem /
der ihm auferwecken wird / seinen Joel und Bluts-Freund nennet; das ist aber
Christus nach seiner menschlichen Natur / daher wir auch diß nicht anders als
von der gantzen Persohn Christi verstehen können / wenn er sagt: Ich bin die
Auferstehung / so wol nach der Göttl. als menschlichen Natur. Wir sehen aber
wohl / daß in dieser Beschreibung eine Metonomia effectus pro causa ist / welche
der HERR gebrauchet üm mehrern Nachdrucks willen / denn es fasset mehr in sich /
wenn er sagt: Ich bin die Auferstehung; als wenn er allein gesagt hätte: Ich kan
deinen Bruder auferwecken; weil jenes nicht allein zeiget / daß es in seiner
Macht stehe den Todten zu erwecken / sondern auch / daß es allein in seiner und
keines andern Macht stehe / und also alle andere / welche Todten auferwecken /
solches in seinen Namen und durch seine Krafft thun müssen. Wie kemer kan aus
dem Tode kommen / als durch die Auferstehung / und niemand kan lebendig seyn /
als durch das Leben / so in ihm ist. Also könne auch keiner auferwecket werden
oder leben / als durch ihm. Der Ose. 13 / 14. spricht: Ich wil sie erlösen aus
der Höllen / und vom Tode erretten / Todt ich wil dir ein Gifft seyn / Hölle ich
wil
|| [28]
dir eine Pestilentz seyn. Und
Ezech. 37 / 12. Siehe / ich wil eure Gräber aufthun / und wil euch mein Volck
aus denenselben heraus holen. Ist also eine solche Redens-Art / welche in der
Schrifft gar gemein ist / als wenn David sagt im 27. Ps. v. 2. Der HErr ist mein
Licht und mein Heil / weil er alles Licht / Freude und Heil von GOtt hatte. Und
der heilige Ertz-Vater Jacob / 1 B. Mos. 49 / 18. HErr / ich warte auf dein
Heil; da er den Messiam GOttes Heil nennet / weil Gott durch demselben ihm und
allen Gläubigen Heil und Seligkeit schencken werde. So sagt Christus: Er sey die
Aufferstehung; weil die Aufferstehung aller Gläubigen zum ewigen Leben von ihm
herkomme. Denn ob zwar alle Menschen / also auch die Gottlosen von Christo am
jüngsten Tage werden erwecket werden / wie Christus ausdrücklich zeuget / Joh. 5
/ 28. 29. Es kom̅/>>t die Stunde / in welcher alle / die in den
Gräbern sind / werden des Menschen Sohns Stimme hören und werden herfür gehen /
die da Gutes gethan haben zur Aufferstehung des Lebens / die aber Ubels gethan
haben zur Aufferstehung des Gerichts / so ist er doch allein denen Gläubigen die
Aufferstehung zum Leben. Weil allein diese durch die Krafft des Verdienstes
Christi aufferwecket werden / jene aber aus Göttlicher Gerechtigkeit / daher
auch solche Aufferstehung zum Gericht nicht weniger geschehen wäre / wenn schon
Christus nicht kommen und das Werck der Erlösung vollenbracht. Und stehet diesem
nicht entgegen das Paulus sagt / 1. Cor. 15 / 22. Wie sie in Adam alle sterben /
also werden sie in Christo alle lebendig gemacht werden / denn es weiset der
gantze Context daß Paulus daselbst im gantzen Capitel fürnehmlich seine Absicht
habe auf die Aufferstehung
|| [29]
der
Gerechten / welche in Christo / das ist / durch Krafft des Verdienstes Christi
auferstehen. (vid. Gerh. Tom. 8. L. de resurr. §. 18.
p. 1019. Hild. Syst. Theol. l. de resurr. §. 13.) Wie er nun also ist
die Auferstehung / so ist er auch das Leben / welches noch mehr ist; denn wer
Christo allein die Auferweckung der Todten zuschreibet / schreibet ihm zu wenig
zu. (vid. Coccej. Tom. IV. Oper. pag. 191.) Er
ist auch das Leben / nicht nur selbst wesentlich / wie Joh. 1 / 4. 5. von ihm
zeuget: In ihm war das Leben. Und der HErr selbst / Joh. 14 / 6. Ich bin der Weg
/ die Wahrheit und das Leben; sondern er ist auch das Leben seinen Gläubigen /
Ap. Gesch. 3 / 15. der Fürst und Hertzog des Lebens / der nicht nur allen was da
lebet / das natürliche Leben giebt / daß sie in ihm leben / weben und sind / Ap.
Gesch. 17 / 28. sondern er ist auch denen Gläubigen das geistliche und ewige
Leben / nicht nur / weil er ihnen dasselbe verdienet / Joh. 10 / 11. sondern
auch wie Joh. 1. Epist. beschliesset: weil er selbst ist der wahrhafftige GOtt
und das ewige Leben causa materialis & formalis. Diß ist also der herrliche
Tröster aller gläubigen Leydtragenden.
Lasset uns aber nun auch sehen (III.) den Trost / womit dieser Tröster die über
dem Todt der Selig-Verstorbenen Leydtragende tröstet; da heissets nun wol recht:
Wie der Mann ist / so ist seine Krafft; wie der Tröster / so der Trost; ein
herrlicher Tröster / ein kräfftiger Trost. Wer an mich gläubet / der wird leben
/ ob er gleich stürbe; und wer da lebet und gläubet an mich der wird nimmermehr
sterben. Herrliche Worte! davon ein gottseliger Lehrer unserer Kirchen (Phil. Melancht. p. 3. Opp. fol. 756.) recht sagt:
Daß sie seyn die Summa des gantzen Evangelii / welches ist eine Krafft GOttes /
seelig zu machen alle die daran gläuben; der Kern und Zweck
|| [30]
des gantzen Alten und Neuen
Testaments / welches geschrieben ist / daß wir gläuben / JEsus sey Christus /
und daß wir durch den Glauben das Leben haben in seinen Namen / Joh. 20 / 31.
Zwar wenn wir die Worte ansehen / solte es bey deren ersten Anblick fast
scheinen / ob wären sie keine fügliche Antwort auf das Verlangen der Marthä /
welche wünschete / daß ihr Bruder das natürliche Leben wieder haben möchte / daß
Christus spricht: Wer an mich gläubet / der wird leben. Nun konte ja der
Verstorbene nicht mehr gläuben; so sagt ihr auch Christus nicht von dem
natürlichen Leben des Leibes / sondern von dem Leben der Seelen. Wenn wir sie
aber genauer ansehen / so finden wir / daß der HErr nicht allein auf ihr
Verlangen recht und wohl geantwortet / sondern daß er ihr mehr verspricht / als
Martha verlangete; Sie verlangete nur / daß der verstorbene Leib ihres Bruders
wieder leben möchte. Der HErr sagt: Lazarus solle leben / er wolle ihm das Leben
schencken / wie sie wünschet; aber auch noch mehr: Er solle also leben / daß er
nimmermehr sterbe / noch den Todt zu fürchten habe. Thut also der HErr hier nach
seiner Gewohnheit / daß er / wenn jemand mit ihm redete von leiblichen Dingen /
dabey nicht stille stund / sondern bald seme Rede auf höhere und himmlische
Dinge richtete; wie wir dessen ein Exempel finden / Joh. 4 / 13. da er mit dem
Samaritischen Weibe redete / und begehrete / daß sie ihm zu trincken gebe von
dem Wasser / das sie geschöpffet; so gehet er bald weiter / sie von höheren
himmlischen Dingen zu unterrichten / und redet von dem geistlichen und
lebendigen Wasser / welches ist der Heilige Geist; deßgleichen Cap. 6 / 27. wenn
er redet von natürlichem Brodt / dadurch er 5000. gesättiget / wel
|| [31]
ches sie bewog JEsu
nachzufolgen / kömmt er bald auf höhere Dinge / wenn er sagt: Wircket Speise
nicht die vergänglich ist / sondern die da bleibet ins ewige Leben / welche euch
des Menschen Sohn geben wird. So thut er auch hier / daß er von der
Aufferweckung Lazari zum natürlichen Leben Gelegenheit nimmt zu reden von dem
geistlichen und ewigen Leben. Wie er nun in denen vorhergehenden Worten gesagt
daß Er sey die Aufferstehung und das Leben / so weiset er nun wie er solches
denen Gläubigen sey / nemlich nicht in dem Verstande wie die Juden seine Worte
annahmen Joh. 8 / 51. 52. So jemand mein Wort wird halten / der wird den Todt
nicht sehen ewiglich / welches sie von dem natürlichen Tode verstunden / daß
CHristus denen / so an ihn gläubeten die Befreyung von selbigen verheisse /
welches die Meynung Christi weder dort noch hier ist. Denn es bleibet ein
unveränderliches Wort GOttes Hebr. 9 / 27. Es ist dem Menschen gesetzet einmahl
zu sterben hernach das Gerichte / und bleibet also der Todt ein Weg alles
Fleisches welches CHristus nicht auffheben wil / (Cyprian. in lib. de mortalit. vid. Mald. p. 396. in Joh.) wie Er in
diesen Worten selbst weiset da er sagt: Ob er gleich stürbe / verheisset also
allen denen die durch den Glauben mit ihm vereiniget ein Leben welches auch in
dem natürlichen Tode bleiben soll / und zwar ein solches Leben / das vergnüglich
und erfreulich ist. (Vide Flacii clav. Script.. part.
1. pag. 1320.) Wie das Wort Leben / wenn es in heiliger Schrifft ohne
Zusatz gebrauchet und dem Tode entgegen gesetzet wird allezeit ein glückliches
oder seeliges Leben bedeutet / als 5. B. Mos. 33 / 6. Da Mose vor seinem Tode
die Zwölff Stämme Israel segnet / also anfängt: Ruben lebe und sterbe nicht /
und sein Pöbel sey geringe / so wünd
|| [32]
schet er nicht allein die Erhaltung des Stamms Ruben / sondern eine
gesegnete Erhaltung; So verheisset auch Christus denen Gläubigen nicht nur ein
Leben / sondern ein seeliges Leben / wie Er es Joh. 10 / beschreibet Leben und
volle Gnüge / welches ist das geistliche Leben / das Leben der Seelen das denen
Gläubigen auch im Tode bleibet / und das seelige Leben im Himmel / dessen auch
der Leib durch die Auferstehung theilhafft wird / beyderley verheisset er seinen
Gläubigen in diesen Worten / denn wenn er sagt: Wer an mich gläubet der wird
leben / ob er gleich stürbe / so versichert er zwar darinn die Aufferstehung der
Gläubigen nach ihren Leibern zum ewigen Leben / aber diß nicht allein wie
Grotius, Maldonatus, (vid. Calov. Bibl. Illustr. in h.
l. Maldon. in IV. Evang. in h. l.) un̅/>> andere mit
ihnen meynen / sondern er versichert so wohl daß die Gläubigen im Tode leben /
als daß sie nach dem Tode mit Leib und Seel vereiniget leben sollen. (vid. Cocc. oper. Tom. IV. pag. 191. seq.) Was nun
das geistliche Leben oder das Leben der Seelen anlanget / welches die Gläubigen
erhält / daß sie nimmermehr sterben / so ist dasselbe eine übernatürliche Krafft
/ der Seelen welche sie haben von und aus Christo durch den Glauben / da sie
GOtt und seinen Sohn erkennen als das höchste Gut / Ihm allein erwehlen / im
festen Vertrauen auf ihm beruhiget / willig und tüchtig sind zu allem Guten /
und also Christi Sinn haben und theilhafft werden alles was Christus ist und hat
/ wie uns der HErr also selbst diß Leben mit seinem Ursprunge beschrieben hat /
Joh. 17 / 13. Das ist das ewige Leben / daß sie dich der du allein wahrer GOtt
bist / und den du gesandt hast / JEsum Christum erkennen. Und 1 Joh. 5 / 11. Und
diß ist das Zeugniß / daß uns GOtt das ewige Leben hat
|| [33]
gegeben. Und solches Leben ist in
seinem Sohn; Wer dem Sohn GOttes hat / der hat das Leben / wer dem Sohn GOttes
nicht hat / der hat auch das Leben nicht; solches habe ich euch geschrieben /
die ihr gläubet an dem Namen des Sohns GOttes / auf daß ihr wisset / daß ihr das
ewige Leben habet. Wie aber die Gläubige dessen theilhafft werden / das lehret
der HErr / Joh. 15 / 5. in dem fürtrefflichen Gleichniß: Ich bin der Weinstock /
ihr seyd die Reben: Wer in mir bleibet / und ich in ihm / der bringet viel
Frucht / denn ohne mich könnet ihr nichts thun. Und Paulus / Ephes. 5 / 23.
Christus ist das Haupt der Gemeine / und ist seines Leibes Heyland. Da wir hören
/ daß die Gläubigen mit Christo in einer solchen genauen Gemeinschafft un̅/>> Vereinigung stehen / wie die Rebe / die ihren Lebens-Safft
empfähet aus dem Weinstock / und wie Glieder / die den Einfluß von dem Haupt
unaufhörlich geniessen / daß also Christi Krafft und Leben in ihnen ist /
welches ist ein ewiges Leben / das ihnen kein Todt rauben kan. Also leben nun
alle Gläubige in Christo nicht allein / so lange Leib und Seele hier vereiniget
bleiben / sondern auch in und nach deren Trennung; wie solches unser Heyland
herrlich bewiese gegen die Sadduceer / Luc. 22. welche die Auferstehung der
Todten leugneten aus denen Worten GOttes / 2 B. Mos. 3 / 6. da er sich Mosi
offenbahrete und sprach: Ich bin der GOtt Abrahams / der GOtt Isaacs / und der
GOtt Jacobs / welche der Zeit schon längst gestorben waren; woraus der HErr
schliesset / daß sie auch nach ihrem Tode leben müssen / weil Gott nicht ist ein
GOtt der Todten / sondern der Lebendigen / auch dabey zugleich erklähret / wie
sie leben in denen Worten: Denn sie leben ihm alle. Uns Men
|| [34]
schen scheinen die
Seelig-Abgeschiedenen zwar todt / weil wir nichts mehr von ihnen sehen / als dem
in der Verwesung liegenden entseeleten Cörper; aber Gott sind sie nicht todt /
der ihre seelige Seelen in seiner Hand hat / und ihre Leiber zum ewigen Leben
wieder aufferwecken wil und kan / sondern sie sind dem Leibe nach für ihm
Schlaffende / wie auch der HErr CHristus deswegen die abgeschiedene Gläubige
Schlaffende nennet. Also sagt er Matth. 9. von dem Töchterlein des Jairi: Das
Mägdlein ist nicht todt / sondern es schläffet. Und in diesem 11. Cap. Johann.
Lazarus unser Freund schläfft / aber ich gehe hin / daß ich ihm auferwecke. Also
/ wie ein in natürlichen Schlaff für uns da liegender Mensch / feyret von allen
menschlichen Verrichtungen / und seinen ordentlichen Geschäfften / daß wir nicht
mit ihm reden / noch seines Umganges geniessen können / biß er wieder erwachet /
und doch indessen wahrhafftig lebet; So sind die abgeschiedene Gläubige / sie
ruhen und feyren von ihrer Arbeit / biß sie wieder aufwachen / und leben
indessen doch dem HErrn ihren GOtt / ob sie schon uns nicht also leben / daß wir
ihres Umganges allhier wie zuvor geniessen können. Ist also diß das erste Stück
des Trostes Christi für Christliche Leydtragende / daß sie wissen / die
Seelig-Verschiedenen sind nicht todt / sondern leben / obschon ihr Leib
schläffet eine Zeitlang / biß ihm der HERR erwecken wird; Daher sie solche nicht
als Todte zu achten un̅/>> zu beklagen / Ursach finden. Das andere
Stücke des Trostes bestehet nun darin / daß / wie sie gegenwertig nach ihrem
Tode leben / solch ihr Leben ein ewiges Leben sey / daß sie nimmermehr und in
Ewigkeit nicht sterben werden / wie Christus spricht: Wer da lebet und gläubet
|| [35]
an mich / der wird nimmermehr
sterben / nemlich auch nicht des andern und ewigen Todes / welcher ist ein
ewiges Abscheiden und Trennung von Gott / von seiner Gnade / Liebe un̅/>> seligem Anschauen / auch davon sollen sie befreyet bleiben /
denn obwohl alle Menschen so wol Gläubige als Ungläubige von Natur sind Kinder
des Zorns die des ewigen Todes schuldig / so sind sie doch durch den Glauben an
Christum seiner Erlösung von diesem ewigen Tode theilhafftig worden / zu Kindern
GOttes und Erben des ewigen Lebens angenommen / und also das aus Gnaden worden /
was ihr Heyland von Natur ist. Galat. 3 / 27. Ihr seyd alle GOttes Kinder durch
den Glauben an Christum JEsum / denn wie viel euer getauffet sind die haben
Christum angezogen / sind mit ihm vereiniget / und als seine Glieder aller Gaben
und Güter ihres Heylandes und Hauptes theilhafftig worden / daraus denn
nothwendig folget / daß so wenig Theil der ewige Todt an Christo hat / so wenig
Theil hat er auch an ihnen / stirbet denn Christus vom Tode erwecket hinfort
nimmer / und wird der Todt über ihm nicht herrschen / so vermag er auch nichts
an dessen Gliedern / als die aus dem Tode ins Leben kommen sind / und hier schon
ihren Wandel und Bürger-Recht im Himmel haben / und nur in Gläubigen Verlangen
der Offenbahrung ihrer verheissenen Herrlichkeit und Seligkeit erwarten. Wie
aber diß eine Lehre ist welche die Vernunfft nicht fassen kan / so schliesset
der HErr Christus unsern Text mit dieser Frage: Gläubest du das? womit er nicht
allein von ihr den Glauben zu seinem vorhabenden Wunderwercke fodert / wie er
gemeiniglich pflegte diese Frage zu thun an diejenigen / welche eine
Wunderhülffe von ihm baten oder erwarteten / als
|| [36]
Marc. 9 / 23. von dem Vater des
Besessenen: Wenn du köntest gläuben alle Dinge sind möglich dem der da gläubet /
und Matth. 9 / 2. Luc. 17 / 6. sondern auch insonderheit daß er ihr zeigete /
wie diß eine Lehre sey die man nicht nach der Vernunfft und deren Schlüssen
urtheilen / sondern in Glauben annehmen und denen klaren Worten des HErrn trauen
müsse / und also geistliche Dinge als Christen und geistliche Menschen geistlich
zurichten / wo sie das thue / so werde Sie die Herrlichkeit GOttes durch die
Aufferweckung Lazari sehen / und in der That erfahren / daß der HErr sey die
Aufferstehung und das Leben / wie er sich ihr im Worte offenbahret hatte.
Nutzen.
ERkennet Ihr nun Geliebte / und zum Theil schmertzlich betrübte Seelen / den
reichen Trost womit der HErr alle Christliche Leidtragende über dem Todt der
Seelig-Verstorbenen tröstet. So lernet daraus (1.) alle unzeitige Furcht für dem
Tode ablegen / weil ihr aus dem Munde der Warheit selbst höret / daß ihr durch
den Glauben an Christum die Wurtzel der Unsterblichkeit bey euch habt / und also
Christi herrliche Verheissung auch euch angehet. Weil ihr gläubet / sollet ihr
die Herrlichkeit GOttes sehen / darin / daß ihr nicht sterben werdet / sondern
leben / und deß HErrn Werck verkündigen. Ihr wisset / daß ihr durch den Glauben
mit Christo vereiniget seyd / der nicht von euch weichet; Denn es gehet mit euch
nicht wie mit denen Israeliten / welche durch den Jordan giengen / da die
Priester mit der Bundes-Lade drinnen stehen blieben / bis alles Volck durch war;
sondern ihr seyd selbst die Priester / Offenb. 1. welche die rechte Bundes-Lade
tragen / und den herrlichen Gnaden-
|| [37]
Stuhl / welchen GOtt hat fürgestellet durch den Glauben in seinen Blut
/ Rom. 3 / 25. in welchen die gantze Fülle der Gottheit wohnet leibhafftig /
Col. 2. und in welchen verborgen liegen alle Schätze der Weißheit und Erkäntniß.
So wenig nun die Priester die tieffe Fluthen des Jordans scheuen durfften / die
sich / so bald sie ihre Fußsohlen hinein setzeten / theilen musten. So wenig
habet auch ihr zu scheuen die Fluthen des Todes / die euch / so bald ihr hinein
tretet / einen offnen Weg machen zu dem him̅/>>lischen Canaan.
Darum der HErr noch jeglicher gläubigen Seelen zuruffet: Esa. 43 / 1. 2. 3.
Fürchte dich nicht / denn ich habe dich erlöset / ich habe dich bey deinem Namen
geruffen / du bist mein. Denn so du durchs Wasser gehest / wil ich bey dir seyn
/ daß dich die Ströme nicht sollen ersäuffen / und so du ins Feuer gehest /
solst du nicht brennen / und die Flamme sol dich nicht anzünden / denn ich bin
der HErr dein GOtt / der Heilige in Israel dein Heyland. Solte euch das nicht
getrost machen / daß ihr mit David sprechet: Psal. 27 / 1. Der HErr ist mein
Licht und mein Heil / für wem solte ich mich fürchten; Er ist meines Lebens
Krafft / für wem solte mir grauen. Und Psal. 46 / 3. GOtt ist unsere Zuversicht
und Stärcke / eine Hülffe in denen grossen Nöhten / die mich troffen haben.
Darum fürchten wir uns nicht. Wenn gleich die Welt untergienge / und die Berge
mitten ins Meer süncken. Wenn gleich das Meer wütet und wallete / und von seinem
Ungestüm die Berge einfielen / Sela. Denn JEsus ist bey euch drinnen / darum
werdet ihr wol bleiben; GOtt hilffet euch frühe. Warum woltet ihr euch fürchten
für dem / das nichts ist. Was ist euer Todt / ihr gläubige Kinder GOttes / nach
dem Christus sein
|| [38]
Gifft worden / und
ihm den Stachel / welches ist die Sünde / genommen / und euch alle seines Sieges
theilhafft gemachet? Ein Schatten ohne Cörper; solten wir uns für einen Schatten
fürchten. Niemand / als etwa ein unmündiges Kind / fürchtet sich für einen
gemahleten Bilde / das greßlich aussiehet; oder für einen todten Löwen / der
nicht mehr beissen kan. So lasset uns doch nicht mehr Kinder seyn die aus
Unverstande sich fürchten / da nichts zu fürchten ist; sondern mit erleuchteten
Glaubens-Augen durch die finstern Schatten des Todes sehen / so wird sich die
Furcht verliehren. Wenn David / Psalm 23. die Hirten-Treue seines GOttes
bedencket / so spricht er gantz getrost: Ob ich schon wandele im finstern Thal /
fürchte ich doch kein Unglück / denn du bist bey mir / dein Stecken und Stab
trösten mich. Ihr habt aus dem Munde eures Heylandes gleiche Versicherung / Joh.
10. so lasset denn auch die Furcht fahren. Die lieben Alten haben uns diß durch
das bekandte Gedicht lehren wollen / von einem grossen Riesen der ein Kind auf
seiner Achsel trägt / einen Stab in der Hand hat / und also mitten durchs Meer
gehet / dessen Deutung leicht zu finden / wen̅/>> wir uns erinnern
/ wie das Meer oder tieffe Wasser nach der Redens-Art der Schrifft ein Bild sind
allerley Widerwärtigkeiten / die den Menschen in Furcht und Sorge setzen / und
also auch des Todes / welcher der letzte Feind ist der Gläubigen; Stecken und
Stab ein Bild des Wortes GOttes / wie wir aus dem Psalm 23. sehen; das Kind aber
bezeichnet Christum / daher sie diesen Riesen Christophorum, das ist / einen
Christ-Träger genennet / und dadurch einen jeglichen gläubigen Christen
abgebildet / der / weil er Christum trägt in seiner
|| [39]
Seelen / und den Stab des Wortes
GOttes in seinen Händen hat / ohne Angst und Furcht durch die tieffen Fluthen
und Wellen des Todes gehet / zu dem sichern Lande der seeligen Ewigkeit.
Fürchtete sich David nicht als ein junger Knabe / mit seiner Schleuder dem
grossen Riesen Goliath / für dem das gantze Heer der Israeliten zitterte und
flohe / anzugreiffen / weil er zu ihm kam in den Nahmen des HErrn Zebaoth des
GOttes des Zeuges Israel / 1. Sam. 17 / 45. Warum solten wir uns für diesem
letzten Feinde und Kampff scheuen / da wir demselben nicht in eigner Krafft /
sondern in der Krafft dessen der uns mächtig machet Christi antreten / mit
unfehlbahrer Versicherung eines herrlichen Sieges. Zwar ist uns ein Abscheu und
Schrecken des Todes allen angebohren / und bleibet uns der Tod / so lange wir
ihm als Menschen mit natürlichen Augen ansehen ein König des Schreckens / aber
es wird solche Furcht überwunden / wenn wir die im Text gegebene Versicherung im
Glauben annehmen / daß wir auch im Tode sollen leben und nimmermehr sterben. Als
Elias mit feurigen Rossen und Wagen gen Himmel fuhr / ließ er seinem getreuen
Diener dem Elisa seinen Mantel zurück / damit er den Jordan zertheilen kunte und
trocken hindurch gehen.
So hat auch unser Heyland / nachdem er auffgenommen ist gen Himmel uns diß sein
Wort zurück gelassen / daß wir dadurch die Fluthen des todten Meers zertheilen
können / lasset uns dasselbe nur im Glauben feste fassen / und wie gegen alle /
also auch diese letzte Noth gebrauchen / so wird es seine Wirckung zu unsern
Trost thun / denn es fehlet hierin nie an GOtt / noch an der Krafft seines Worts
/ sondern
|| [40]
an uns selbst / so lange
wir unsern Abschied aus dieser Welt noch für einen Todt und Verderben achten /
daß wir dem Worte nicht gläuben wie wir sollen. Wie Elisa 2. B. Kön. 6. von dem
Heer der Syrer zu Dothan belägert ward / gerieth sein Diener in grosse Angst /
da doch sein Herr / um dessen Persohn es denen Syrern fürnehmlich zu thun war /
gantz ruhig war / weil er wuste und kante den mächtigen Schutz GOttes der um ihn
war / so bald aber auff des Propheten Gebeth dem Diener die Augen geöffnet
wurden / daß er sahe wie der gantze Berg voll feuriger Rosse und Wagen um Elisa
her waren / ließ er so wol als sein Herr alle Furcht fallen / so währet auch
unser Schrecken für dem Tode nicht länger biß wir lernen von Hertzen gläuben der
eydlichen Versicherung Christi / Joh. 5 / 24. Warlich / warlich ich sage euch /
wer mein Wort höret / und gläubet dem der mich gesandt hat / der hat das ewige
Leben / und kom̅/>>t nicht in das Gericht / sondern er ist vom
Tode zum Leben hindurch gedrungen / Er sagt nicht / daß er erst werde vom Tode
zum Leben hindurch dringen / sondern sobald er gläubet ist er schon zum Leben
hindurch gedrungen / und Joh. 8 / 51. Warlich / warlich ich sage euch / so
jemand mein Wort wird halten / der wird den Todt nicht sehen ewiglich / also
erwartet er nicht nur in gläubiger Hoffnung eines unsterblichen ewigen Lebens /
sondern besitzet es schon und geniesset hier im Vorschmack / was er dort in
völliger Offenbahrung überkommen wird / wie Mose / der in der Wüsten nicht nur
von ferne das gelobte Land sahe / sondern auch schon die Früchte genoß / welche
die Kundschaffter mitbrachten / denn das Reich GOttes welches hier inwendig in
uns ist / und beste
|| [41]
het in
Gerechtigkeit / Friede und Freude im heiligen Geist / Rom. 14 / ist der Anfang
der Herrlichkeit / mit welcher uns der HErr dort kröhnen wird; das machet unser
Sterben zu einer Friedens-Fahrt / und vertreibet die Furcht des Todes / wie wir
an dem alten Simeon sehen / Luc. 2 da der JEsum auf seine Arme nahm / vergieng
ihm alles Schrecken für dem Tode / daß er mit grosser Freudigkeit ausbrach: HErr
/ nun lässest du deinen Diener in Friede fahren / wie du gesaget hast / denn
meine Augen haben deinen Heyland gesehen. Lerne du gläubige Seele von ihm JEsum
mit Glaubens-Armen zu sassen / so wirds an gleicher Freudigkeit nicht fehlen. Du
wirst alsdenn für der finstern Grufft des Grabes nicht erschrecken / sondern
dich derselben trösten. Fürchtest du dich doch nicht des Nachts in einer
finstern Kammer zu schlaffen / sondern verlangest darnach / wenn dein Leib
ermüdet ist / weil du weist / daß dir darin ein sanfftes Lager zu einer
erquickenden Ruhe bereitet ist. Lernest du deine Grabes-Grufft also erkennen und
ansehen / so wird dich deren Finsterniß nicht erschrecken / die Verwesung deines
Leibes kan dich auch nicht betrüben / weil es ist der Weg zu dessen herrlicher
Verklährung. Wer lässet nicht gerne ein altes lange geflicktes Kleid
zerschneiden / wenn er ein neues dafür zu hoffen hat. Laß deinen Leib / an
welchen der Artzt hier lange geflicket / immerhin verwesen / weil er am jüngsten
Tage sol herfür gehen
In himmlischer Freud und Wonne / Was schadt dir denn der Todt.
Christus ist ja nicht allein das Leben unserer Seelen / sondern auch die
Auferstehung unseren Leibe / und wird so wenig in dem einen als andern sein Wort
unerfüllet lassen; Er ist ja so mächtig uns selig zu machen / als Adam gewesen
uns zu verderben. Nun hat Adam Leib und Seele verderbet / so muß auch so wol
unser Leib als die Seele der Erlösung / die durch Christum geschehen ist /
geniessen / wie uns dessen Paulus versichert / 1 Cor. 15 / 21. 22. Sintemahl
durch einen Menschen der Todt / und durch einen Menschen die Auferstehung der
Todten kompt / denn gleichwie sie in Adam alle sterben / also werden sie in
Christo alle lebendig gemachet werden. Vers. 49. Wie wir getragen haben das
Bilde des Irrdischen / also werden wir auch tragen das Bilde des Himmlischen.
Und vers. 53. Diß Verweßliche muß anziehen das Unverweßliche / und diß
Sterbliche muß anziehen die Unsterblichkeit; wenn aber diß Verweßliche wird
anziehen das Unverweßliche / und diß Sterbliche wird anziehen die
Unsterblichkeit / denn wird erfüllet werden das Wort / das geschriebe̅/>> stehet: Der Todt ist verschlungen in den Sieg; Todt wo ist
dein Stachel? Hölle wo ist dein Sieg? Der Bund / welchen Gott in Christo
gemachet / gehet nicht einen Theil des Menschen an / sondern dem gantzen
Mensche̅/>>; darum nennet sich 2 B. Mos. 3. der HErr nicht
einen GOtt der Seele Abrahams / sondern schlecht hin Abrahams / so muß ja denn
auch der Leib / der in solchem Bunde verheissenen Seeligkeit nach diesem Leben
mit geniessen / Rom. 8 / v. 17. sagt Paulus: Wie wir hier Kinder GOttes sind /
so
|| [43]
sollen wir auch dort seine Erben
seyn. Nun ist der gantze Mensch GOttes Kind / so muß er auch GOttes Erbe seyn.
So laß denn immerhin deinen Leib verwesen / da ihm diß seine Seeligkeit nicht
rauben kan / sondern vielmehr darzu befordern muß / und tröste dich gegen die
Verwesung deines Leibes / daß du hörest / wie Christus nicht nur ist das Leben
der Seelen / sondern auch die Aufferstehung des Leibes. Weil wir aber hören daß
er diß allein seyn wil denen Gläubigen / so lasset uns dahin sehen / daß auch
wir allezeit unter deren Zahl seyn und bleiben mögen / So wird dieser Trost auch
in uns mächtig seyn. Uns zu beruhigen so wohl bey dem Absterben der unsern / als
in unserm eignen Tode. Wie wir dessen ein schönes Exempel haben an unserm
Wohlseel. Herrn Dohm-Dechant / der wie er wohl wuste daß unser Glaube diese
herrliche Verheissung hat / sich ernstlich angelegen seyn ließ / demselben in
seiner Seelen zu bewahren und zu stärcken. Sein fleißig auffmercksames Hören des
Wortes / davon ihr alle Zeugen seyd / wiese seine Begierde diesen Glauben zu
bewahren und immer mehr zu befestigen / und die vielfältigen kräfftigen
Bewegungen welche er aus dem Wort so offte bey gesunden Tagen empfand nach
seinen vielfältigen Bekäntnüß / wiesen daß er kein vergeblicher Hörer des Worts
gewesen / daher es auch kein Wunder / daß sich die Krafft und Frucht davon in
seinen tugendhafften Wandel reichlich zeigete durch hertzliche Liebe gegen
seinen Nechsten / welche er nicht auf der Zungen oder mit Worten / sondern mit
der That und Wahrheit erwiese / so daß es ihm eine hertzliche Freude war / wenn
er jemand auch mit seiner Beschwerlichkeit dienen konte. Die Sanfftmuth gegen
seine Beleidiger /
|| [44]
denen er das Böse
mit Guten zu vergelten gewohnet war; die Friedfertigkeit / da er nicht allein
selbst gerne / so viel an ihm war / mit allen Menschen Frieden hielte / sondern
auch unter andern den Frieden zu stifften trachtete / wo er zerfallen; die
Freygebigkeit gegen Arme und Nothleidende / davon nicht nur viel Arme in dieser
Stadt / sondern auch die Stiffts Leverschen Unterthanen zeugen; die Demuth /
sam̅/>>t vielen andern Tugenden / die er in reichen Maaß besaß
/ können wir nicht anders ansehen als Früchte dieses Glaubens. Am allermeisten
aber war er üm die Stärckung seines Glaubens besorget in seiner letzten
Kranckheit / wie denn sein erster Anspruch in derselben an mich war: GOTT hätte
ihm aufs Krancken-Bette geleget / daß er nicht wissen könne / was derselbe mit
ihm im Sinne habe. Nun erkenne er wohl / wie er die von GOtt für viel tausend
anderen Menschen empfangene geist- und leibliche Gaben nicht allezeit mit
gebührenden Danck erkannt / sondern sich durch deren Mißbrauch mannigmahl in
seinen Leben an GOtt versündiget / daher er sich der Gnade GOttes gerne durch
wahre Busse und Gebrauch des heiligen Sacraments aufs neue versichern wolte.
Denn ob er wol keine Furcht für dem Tode hätte / sondern wenn es GOttes Wille
wäre / gerne sterben wolte / so sorgete er doch / daß er zu diesen letzten
Kampffe noch nicht starck gnug seyn möchte / wolte also von mir vernehmen / wie
ers bestens angreiffen solte / zu einer solchen Glaubens-Freudigkeit zu gelangen
/ als ihm zum seligen Sterben nöhtig wäre. Wie ich ihm nun hierauf nach der
Gnade / die GOtt darreichete / unterrichtet / nahm er solches begierig an / und
bezeugete nach etlichen Tagen / bey
|| [45]
abermahliger Besuchung / wie er GOTT hertzlich danckete / daß er ihm auf dem
gezeigeten Wege viel Trost und Zufriedenheit finden lassen / daß er nun ohne
ferneren Auffschub das heilige Abendmahl von mir verlangete / da er denn sich
nicht scheuete / in seiner mit eigenen Worten gar beweglich abgelegeten Beichte
sich auf die Allwissenheit GOttes zu beruffen / nach welcher er die
Aufrichtigkeit seines Hertzens sehe und erkennete / auch sich bey Verlust
Göttlicher Erhörung dahin verband / sich seine übrige Lebens-Zeit GOtt gantz und
gar aufzuopffern. Welche seine Busse auch der HErr so herrlich segnete / daß er
nach gesprochener Absolution und Gebrauch des heiligen Abendmahls eine gantz
ungemeine Freudigkeit empfand / und GOTT hoch preisete. Und da ich ihn nach
zween Tagen zu Versicherung der Gnade GOttes erinnerte: Er würde ja nicht
vergessen haben / wie reichlich ihm GOtt getröstet und seiner Gnade versichert /
antwortete er mit harter Stimme: Das würde viel zu frühe seyn / solches werde
ich nicht vergessen / so lange ich lebe; und was dergleichen herrliche Reden
mehr waren / die / wie sie von des seligen Herrn Glauben zeugen / also uns die
tröstliche Versicherung geben / daß er auch im Tode lebe / und nimmermehr
sterben werde. Lasset uns nun Andächtige alle diß sein Ende ansehen / und seinen
Glauben nachfolgen / damit wenn auch unser Stündlein kommt / wir mit
gleichmäßiger Vorbereitung uns darzu anschicken / und mit Ihm des Glaubens Ende
/ der Seelen Seligkeit davon bringen mögen.
Ihr aber / die ihr durch diesen schmertzlichen Abschied nach dem heiligen Willen
GOttes betrübet seyd /
|| [46]
erweget dieses
zu euren Trost / daß Ihr wisset / wie der euren Augen entrissene Wohlsel. Herr
nicht gestorben / sondern auch im Tode lebe / damit ihr in eurem Trauren Masse
haltet / wie solches unser Christlicher Glaube erfodert nach der Erinnerung des
heiligen Chrysostomi (Tom. 3. Oper. Hom. 61. pag. m.
298.) da Er sagt: Was thust du Christen Mensch wenn du unmäßig über
deine Todten traurest / als daß du die Christliche Religion beschimpffest. Wenn
dich ein Heyde also trauren siehet / wird er nicht meynen die Christliche Lehre
sey eine Fabul / denn wenn du glaubest die Abgeschiedenen seyn nicht gestorben
sondern zu einem bessern Leben kommen / warum bejammerst du Sie / als würdest du
Sie nimmer sehen. Sind doch wohl Heyden dahin kommen / daß sie auffgehöret über
dem Todt der Ihrigen zu trauren / wenn sie gehöret / daß sie ritterlich für das
Vaterland gestorben / was sollen denn nicht Christen thun? Wenn jemand in seinen
Sünden stirbet / das ist Traurens werth / aber wenn wir der Abgeschiedenen
Seeligkeit versichert sind / müsse unser Trauren dadurch gemäßiget werden /
damit wir durch dasselbe nicht GOtt beleidigen / da wir zumahlen wissen / daß
dergleichen Trauren so wenig uns als denen Verstorbenen etwas helffen kan. In
denen Jüdischen Geschichten lesen wir / daß die / so da traureten / nicht in den
Tempel giengen / als nur durch eine gewisse Pforte / die ihnen angewiesen ward /
in welcher gewisse Persohnen verordnet waren / die Leydtragende zu empfangen /
welche die Traurigen mit denen Worten empfiengen: Der HErr / der in diesem Hause
wohnet / wolle dich erfreuen und trösten. Ihr meine Allerliebsten seyd eingangen
zu diesem Hause
|| [47]
eures GOttes / daß
ihr getröstet würdet. Was kan ich euch aber bessers zu eurem Troste sagen als
dieses: Der Wohlselige Herr / den ihr als todt beklaget / der lebet / und zwar
in einen so herrlichen und seligen Leben / welches er um aller Welt Schätze
nicht vertauschen würde. Nun weiß ich / daß alle über diesen Abschied des
wohl-seligen Herrn Betrübte ihm von Hertzen alles Gutes gönnen. So gönnet ihm
denn auch diese unschätzbare Verbesserung / da er aus einen mühsehligen
Jammer-vollen Leben in ein seliges ewiges Leben / zu einer ewigen über alle die
Maße wichtigen Herrlichkeit eingegangen ist. Es ist gar mercklich / daß bey
denen Jüden im Alten Testament die Gebuhrt / die Ehe / und das Absterben eines
Menschen einerley Zeit hatten; sieben Tage hielten sie bey einem neu-gebohrnen
Kinde / biß zu seiner Beschneidung. Sieben Tage gaben sie zur Hochzeit / wie an
dem Exempel Simsons zu sehen im Buch der Richter / Cap. 14. v. 12. und sieben
Tage gaben sie zum Trauren über einen Todten / wie wir sehen bey der solennen
Begräbniß des heiligen Ertz-Vaters Jacobs / 1 B. Mos. 50. v. 10. zu bezeugen /
daß Kindern Gottes zustehe Maße zu halten / wie in der Freude / also auch im
Trauren. Gehet nun hin / und thut deßgleichen. Ihr habet ja mit allen Gläubigen
Altes Testaments gleiche Versicherung von den Selig-Verstorbenen / so setzet
auch mit ihnen euren Trauren Maße; ja so vielmehr / als klärer ihr die
Versicherung habt aus dem Munde eures Heylandes. Gewehnet Euch des Wohlseeligen
Herrn Abschied anzusehen als eine Reise in sein Vaterland / wie es denn
wahrhafftig ist. Wenn gute Freunde auff einen fernen Weg von einander reisen
verursachets auch Trauren
|| [48]
und Thränen
/ aber die Traurigkeit ist nicht unmässig / sondern weil man des Freundes
Wohlergehen ob schon an einen entlegenen Orte hoffet / tröstet man sich. So thut
auch Ihr in diesem Fall / wie Ihr offtmals gethan / wenn der wohlsel. Herr zum
Besten dieses Landes auff etliche Zeit von Euch gereiset / so habt Ihr seinen
Abschied erduldet / in Hoffnung eines glücklichen Wiedersehens in diesem Leben /
welches doch ungewiß war; vielmehr itzund / da ihr wisset / daß ihr auch nach
dieser Trennung werdet in kurtzer Zeit einander wieder schauen dort in der
Ewigkeit / da euch kein Unglück betrüben / und kein Scheiden mehr trennen wird.
Es haben schon längst die gottselige Lehrer in ihren Betrachtungen über die
Geschichten Hiobs als etwas sonderliches angemercket; daß da ihm GOTT nach dem
Verlust aller seiner Güter / als die Zeit seiner Prüfung vollendet / alles
doppelt wiedergegeben / er ihm doch die Zahl seiner Kinder nicht verdoppelt. Für
sieben tausend Schafe / so er verlohren / gab ihm GOTT wieder vierzehen tausend.
Für drey tausend Cameele / so man ihm genommen / bekam er wieder sechs tausend.
Für fünff hundert Joch Ochsen erlangete er tausend; und in Summa bekam er alles
zwiefältig / was ihm GOtt durch Unglück genommen. Allein an denen Kindern
schiene es zu fehlen. Er hatte zuvor gehabt sieben Söhne und drey Töchter / und
die gab ihm GOtt wieder / ihm zu lehren / daß er seine Kinder nicht wie seine
andere Güter verlohren / denn alles andere war also hinweg / daß er davon nimmer
etwas wieder zu hoffen hatte / diese aber nicht also. Denn ob sie gleich der
Todt hinweg genommen / waren sie doch nicht verlohren / sondern sie lebeten auch
|| [49]
nach ihrem Tode / und war also
auch die Zahl seiner Kinder doppelt / denn er hatte zehen im Himmel / und zehen
auf Erden. Das bedencket auch ihr / meine Allerliebsten; Ist der wohlselige Herr
durch sein Abscheiden euren Augen entzogen / daß ihr seines Umganges allhier
nicht mehr geniessen könnet / so ist er darum nicht verlohren / sondern zum
erfreulichen Wiedersehen euch aufgehoben in der Hand eures und seines GOttes.
Klaget ihr denn / insonderheit die durch diesen schmertzlichen Todes-Fall am
meisten betrübte verwittwete Frau Trostin von dem Busch / daß Sie seiner Liebe /
Rahts und Vorsorge nicht mehr geniessen könne / so gedencke Sie / daß der
Wohlseelige Herr nichts mehr gewesen / als das Werckzeug durch welches GOtt
seine Vorsorge an Ihr verrichtet / ist denn das Werckzeug schon weggenommen / so
bleibet doch GOtt der Er zuvor gewesen / und hat deren mehr durch welche Er sein
Werck an Ihr verrichten kan / ob sie auch gleich deren keinen wüste und kennete.
Ja es ist Ihm so leicht ohne dem Wohl-seeligen Herren sie zu versorgen als durch
ihm / nur daß Sie Ihren GOTT traue / und sich auff seine Verheissung festiglich
verlasse / da Er Ihr verspricht Hebr. 13. Ich will dich nicht verlassen noch
versäumen. Ja wenn Sie und alle über diesem Todes-Fall Betrübte es recht
bedencken / so werden Sie finden daß Sie mehr Ursach haben GOtt zu dancken / als
über das Verfahren GOttes zu klagen. Denn gestehen Sie / daß Sie an dem
Wohl-Seeligen eine theure Gabe GOttes gehabt / so sind Sie ja schuldig GOTT zu
dancken / daß Er Ihnen dieselbe so viel Jahr gnädigst zu Ihrem Trost und Freude
gegönnet. Wenn uns
|| [50]
jemand ein köstlich und
hochnützliches Gut leihet / mit dem Beding / daß er sich die Macht behält /
solches wieder zu fodern / wenn es ihm beliebet / und liesse uns solches zu
unsern grossen Trost und Nutzen zwantzig oder dreyßig Fahr / alsdenn fodert ers
wieder / wären wir nicht schuldig ihm solches willig und mit vielen Danck zu
erstatten / und ihm das Seinige zu überlassen. Nun ist ja alles was wir in der
Welt haben / und also auch unsere liebsten Angehörigen nichts anders als ein von
GOtt uns geliehenes Gut; Warum wollen wir uns beschweren GOtt das Seinige zu
lassen / zumahlen da wir wissen / daß GOtt die Unsrigen so zu sich nim̅/>>t / daß er sie uns nach kurtzer Zeit für seinem Angesicht
wiedergebe. Unser Leben ist ein Weg zur Ewigkeit; Der Wohlselige ist uns
fürgangen / wir folgen ihm nach / es hat ihm kein Feind geraubet sondern sein
himmlischer Vater hat ihn geruffen / wer kan einen Vater verdencken wenn er sein
Kind von der Gesellschafft ab zu sich in sein Hauß ruffet. Bekennet ihr denn wie
ihr ja thut daß GOtt auch euer Vater ist / so bedencket daß es Kindern gebühre
sich ihres Vaters Willen gefallen zu lassen ob er schon nicht nach ihren Wunsch
wäre / und sprechet mit Hiob c. 1. 21. Der HErr hats gegeben der HERR hats
genommen der Nahme des HErren sey gelobet. Daß wird ein heiliger Gehorsam seyn
welchen der HErr mit reichen Seegen und Trost vergelten wird.
Nun der HErr unser GOtt versiegle diß sein Wort in unser aller Hertzen / zum
Preiß seines heiligen und herrlichen Namens / und zu unser aller Trost und
Glaubens-Stärckung; Er tröste was er betrübet / und bereite uns allen zu einer
seligen Nachfahrt / um seines Sohnes unsers HErrn und Heylandes JEsu Christi
willen / wie wir ihm darum ersuchen wollen in einen gläubigen Vater Unser.
|| [51]
PERSONALIA.
DAmit wir nun zum Beschluß des Weyland Hochwürdigen / und Hochwohlgebohrnen Herrn
/ Herrn Albert Clamer von dem Busche der hohen Dohm-Kirchen zu Minden
hochansehnl. Dohm Dechantens / und des Kayserl. freyen Stiffts zu Levern
Hochbestalten Probstens / wie auch Königl. Preußischen Wohlrenomirten Land-Rahts
hiesigen Fürstenthums Minden / Lebens Eingang / dessen Fortgang und endlichen
seligen Ausgang wolhergebrachter Gewohnheit zufolge / annoch Kürtzlich und so
viel man bey dermahlig verschlossenen Brieffschafften erfahren können /
fürstellen mögen; So hat derselbe an allen dreyen Stücken / woran ein
sterblicher Mensch hauptsächlich glückselig geschätzet wird / nemlich wol und
aus einem untadelhafften Geschlecht gebohren zuwerden / wol / ehrlich und
rechtschaffen gelebet zuhaben und endlich wol Christlich und Glorieusement
gestorben zuseyn / überall vortrefflichen Antheil gehabt.
Allermassen Er in Jahr 1653 den 28ten Januarii des Morgens um 1 Uhr aus dem
uhralten und uhrsprünglich in der Graffschafft Ravensberg / wie auch
nachgehendts im hiesigen Fürstenthum Minden und andern Provincien bey nahe über
vierdtehalb hundert Jahre bekandt gewesenem Hochadlichen Geschlechte derer von
dem Busche auf dem Hause Haddenhausen in diese Welt gebohren und entsprossen /
bald darauff auch durch unterschiedene vornehme Gevattern zur Heil. Tauffe
geführet und mit dem Nahmen Albert Clamer in das Buch des Lebens einverzeichnet
worden.
|| [52]
Dessen Herr Vatter ist gewesen der Wäyland Hochwohlgebohrne Herr Hilmar von dem
Busch Erb-Herr auff Haddenhausen und Deputatus der Hochlöblichen Mindischen
Ritterschafft.
Die Frau Mutter ist gewesen / die Weyland Hochwohlgebohrne Frau / Frau Lucia
Elisabeth von Steding vom Hause Holtzhausen.
Der Herr Groß-Vater Vätterlicher Seiten ist gewesen / Herr Johann von dem Busche
Erb-Herr zu Haddenhausen und Loh.
Die Frau Groß-Mutter Väterlicher Seiten war die Hochwohlgebohrne Frau Lucia von
Münchhausen / aus denen Hoch-Adlichen Häusern Schwoebber / Leitzke und
Rinteln.
Der älter Vater aus Väterlicher Linie der Hochwohlgebohrne Herr Clamer von dem
Busche Erbherr zu Hünnefeldt / Ippenburg und Loh.
Die Frau älter Mutter Väterlicher Linie / die Hochwohlgebohrne Frau / Frau Anna
von Aschenberg aus dem Hause Bening.
Der über älter Herr Vater Väterlicher Linien der Hochwohlgebohrne Herr Albrecht
von dem Busche Hochfürstlicher Osnabrückischer hochbestalter Droste der Aempter
Wittlage / Hunteburg und Groneberg / Erbher auf Ippenburg / Hünefeldt / Loh und
Rotenburg.
Die über älter Mutter Väterlicher Linie / die Hochwohlgebohrne Frau Helena von
Buschen.
Der Herr Groß-Vatter Mütterlicher Seiten ist gewesen der Weyl. Hochwohlgebohrne
Herr Wilcken Steding Erbherr des Hauses Holtzhausen.
Die Frau Groß-Mutter Mütterlicher Linie ist gewesen / die Wayl. Hochwohlgebohrne
Frau Agnesa Abel von Grapendorp von Lübbecke.
Der älter Väter Mütterlicher Seiten ist gewesen der Hochwohlgebohrne / Gestrenge
und Veste Herr Johann von Steding / Hochfürstl. Schaumburg. Raht und Droste zum
Binnenberg / Erbgesasse zu Holtzhausen.
Die älter Mutter / Mütterlicher Seiten die Wayl. Hochwohlgebohrne Frau Anna Maria
von Kerssenbruch von Münchenhoffe.
|| [53]
Der Herr uhr älter Vatter Mütterlicher Linie ist gewesen der Hochwohlgebohrne
Herr Heinrich von Steding Erbherr zur Huckelriede und Stedings-Mühlen.
Die Frau uhr älter Mutter Mütterlicher Linie ist gewesen / die Wayl.
Hochwohlgebohrne Frau Johanna von Dincklage vom Hause Dincklage.
Der über älter Vater Mütterlicher Linie / der Wayl. Hochwohlgebohrne und
Gestrenge Herr Wilcken von Steding / Droste zu Delmenhorst und Wilshausen / wie
auch Obrister / welcher testantibus Historicis Anno 1535 die Stadt Münster von
denen Wieder-Täuffern mit grosser Tapfferkeit und Heldenmuth erobert hat.
Die Frau älter Mutter / Mütterlichen Stammes ist gewesen die Hochwohlgebohrne
Frau Gerdruth von Ohnhausen aus dem Hause Eichholtz.
So bald nun Hochselig gedachter Herr Dohm Dechante von dem Busche aus oberzehlten
Uhralten und sehr renomirten Hoch-Adelichen Geschlechten in diese Zeitlichkeit
erzielet worden / haben dessen Gottselige Eltern nicht allein die schuldigste
Fürsorge getragen / daß er von seinen angebohrnen Sünden gereiniget / und unserm
Erlöser und Seligmacher durch das Badt der Wiedergebuhrt und des Heil. Geistes
zugeführet worden / sondern auch / gleich wie dieselbe bald anfangs bey ihren
lieben Sohn Hertz erfreulich wahrgenommen / daß die Weißheit GOttes denselben
mit einem zu allen Geschicklichkeiten und Tugenden fähigem ingenio begabet /
also haben Sie ihre erste und letztere Sorge diese seyn lassen / daß Er zu
forderst in seiner zarten Jugend zur wahren auffrichtigen Gottesfurcht
angeführet / und in denen capitibus pietatis ac Religionis Evangelicae, auch
andern nützlichen Dingen unterrichtet worden / massen Sie ihm dero Behuff nicht
allein unterschiedliche privatos Informatores gehalten / besondern auch auff
gemeine und wolbestalte Schulen und inspecie in Jahre 1667 auf das derozeit sehr
berühmt gewesene Gymnasium zu Göttingen gesandt / woselbsten er 4 Jahre mit
gutem Nutzen sich auffgehalten / und stattliche fundamenta in humanioribus
geleget / auch daselbsten so viel profitiret / daß er ad altiora & Academica
Studia sich qualificiret / und von dannen so fort / und zwar in Jahr 1670 sich
nach der Weltberühmten Chur-Brandenburgischen Universität Franck
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furth an der Oder begeben / an welchem Orte
derselbe / laut beygebrachten stattlichen Attestati, sein triennium integrum
unverrücket mit gar grossem Ruhm gehalten / und mitlerzeit unter der Anführung
der Welt berühmten Herrn Professorum, als des Herrn geheimten Etats-Raths von
Retz / Brunnemanni / Stryckii / und anderer in politicis wie auch Studio Juris
nöhtige principia zu Erreichung des ihm vorgesetzten Ziels gefasset / wenigers
nicht in allen einem Cavallier anständigen Exercitiis und Sprachen sich
dermassen geübet und qualificiret / daß wolgedachte Universität an denselben
ihre extraordinaire Lust und Vergnügen gehabt / anerwogen der Königl. Preuß.
Geheimbte Raht und Director Academiae Hallensis Herr Samuel Strycke / als dessen
Collegia er insonderheit fleißig frequentiret / mehrmahlen zu dessen beständigen
Nachruhm contestiret und erwehnet / wie unser wohlsehl. Dohm Dechante damahlen /
als er zu Franckfurth studiret / ein rechtes Muster eines braven / fleissigen
und mit vielen qualitäten begabten Cavalliers gewesen sey.
Nachdem auff besagter Universität Franckfurth / absolvirten triennio hat er sich
weiter nach Genev verfüget / an welchem Orte derselbe sich ein gantzes Jahr lang
auffgehalten und seine Studia so wol / als auch die Exercitia rühmlichst
continuiret / und von dannen ist er nach Franckreich gangen / worinnen / und
zwar absonderlich in Paris / er über 2. Jahre subsistiret und denen Studiis, wie
auch allen andern nützlichen Wissenschafften obgelegen / inspecie aber in der
Frantzösischen Sprache / Reithen und andern Adelichen Ritterlichen Ubungen sich
trefflich geübet und dermassen qualificiret / daß Jederman seine Freude an ihm
gehabt.
Als nunmehr wolseelig gedachter Herr Dohm Dechante seine Studia cum insigni laude
absolviret und zugleich unterschiedene exotische Länder und Provincien
durchgereiset / ist derselbe in Anno 1679 nacher Hofe gegangen / und gleich wie
S. Churfürstl. Durchl. zu Brandenburg etc. Friederich Wilhelm der Grosse /
Höchstselig- und Glorwürdigsten Andenckens zu ihm gleich anfangs extraordinaire
grosse Gnade gewonnen / die gantze gnädigste Herrschafft auch und das hohe
Ministerium an denselben etwas sonderliches remarquiret, inspecie aber dessen
Treue und Redlichkeit aestimiret / so ist es dann geschehen / daß er bald
darauff / nemlich in Jahr 1680 wegen seines raren Talents / womit er sich vor
andern distinguiret / zum Churfürstl. Cammer-Junckern
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gnädigst bestellet worden; bey
welcher Station derselbe sich dermassen wol auffgeführet und Signalisiret / daß
Höchstseligstermeldte Sr. Churfürstl. Durchl. ihn / nachdem er nun zwey Jahre
bey Hofe gewesen (welches gewiß etwas ungewöhnliches) mit dem Orden de la
Generositè und Gnaden-Creutze in höchsten Gnaden beehret und regaliret; bey
welcher gnädigsten Conferirung mehr höchstgedachte S. Churfürstl. Durchl.
sonderlich gnädigste expressionen und tendresse sich gebrauchet haben sollen
Ja in welchem grossen Ansehen und Consideration der wohlsehl. Herr gewesen /
erscheinet nochmehr daraus Sonnen-heiter / daß / nachdem er allererst in Anno
1683 bey hiesiger hohen Cathedral-Kirche Dohmherr worden und solchen Caracter
kaum 3. Jahre gehabt / derselbe in Anno 1686 quasi exultimo stallo sive
subsellio durch eine allgemeine Wahl eines gantzen Hochwürdigen Dohm-Capittels
zum Dechanten der hiesigen hohen Cathedral-Kirche unanimiter erwehlet / und
gereichen die Umstände / so bey dieser Wahl vorgangen / absonderlich zu dessen
Nachruhm und Ehre / allermassen auff der Notorietät beruhet / daß derselbe der
erstere Evangelische Dohm-Dechante gewesen / so post annum 1624 ex Evangelicis
erwehltt worden.
Zu welcher Wahl vorhöchst gedachte S. Churfürstl. Durchl. selbsten gnädigsten
Anlaß gegeben / und diesen dero getreuen Cammer-Junckern von dem Busch eintzig
und allein respect gnädigst vorgeschlagen und confirmiret / ohnerachtet derselbe
vorher hieselbsten keine Residentz gehalten.
Sothane Churfürstl. Gnade hat auch mit und nach dieser Election keines weges
auffgehöret / sondern es ist vielmehr bekandt / daß der wohlsehl. Dohm-Dechante
nachgehends so lange / biß S. Churfürstl. Durchl. in Jahr 1688 ihren Groß- und
Heldenmühtigen Geist aufgegeben / bey Hofe beständig bleiben und auffwarten
müssen / allermassen Sie / wie jederman nicht unwissend seyn kan / auff
denselben eine ungemeine Gnade geworffen / und dessen Treue nicht entbehren
wollen.
Gleichergestalt bestehet es auff kündiger und offenbahrer Warheit / daß sothane
Churfürstl. grosse Gnade und Hulde auff Dero Durchlauchtigste Nachkommen
transferiret und gleichsahm hereditair worden / zumahlen alle Churfürstl. Herrn
Söhne und Descendenten unsern Herrn Dohm Dechanten eine solche
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ungemeine Gnade und Liebe zugewandt /
selbige auch so vielfältig bey allen vorfallenden Occasionen gegen ihn in der
That bezeuget und ihm unverrückt und absque ullo intervallo (so in dieser sonst
schnöden und argen Welt abermahlen zu admiriren ist) biß an sein seeliges Ende /
gnädigst conserviret haben / derogestalt daß die Menge desjenigen / was man
davon bey dieser Gelegenheit sagen könte / nicht gnugsahm ausgedrücket
werdenkan.
Es beweiset solches klährlich / daß insonderheit S. Königl. Maytt. etc. Unser
allergnädigster König und Herr / demselben viele hochwichtige Sachen anvertrauet
und committiret / auch zu unterschiedenen mahlen als einen Gesandten gebrauchet
und unter andern einesmahls an S. Churfürstl. Durchl. von Pfaltz verschicket /
weniger nicht en egard solcher seiner Treue / Redlichkeit / wie auch
hospitalität und vorab wegen seiner Meriten in Jahr 1703 zu Dero vornehmsten
Landraht hiesigen Fürstenthums in allerhöchsten Gnaden bestellen lassen; anjetzo
geliebter Kürtze halber zugeschweigen / daß er ausser diesen zum öfftern
Gelegenheit gehabt / sonsten bey Hofe sein Glück weiter zu poussiren und zu
höhern Dignitäten zugelangen / so er doch theils aus einer angebohrnen Modestie
und ungemeinen Liebe gegen sein theures Vaterland (vor dessen Wohlfahrt er
unaufhörlich gesorget) theils auch aus andern Christlichen Absichten von sich
abgelehnet hat.
Jedoch ist notorium, gestalt so wol höchstgedachte Se. Königl. Majestät / als
auch die Königl. Herrn Gebrüdere Königl. Hoheiten ihm sonsten ihre höchste Grace
auf unzählbahre Weise gedeihen lassen / derogestalt daß er Jährlich ein oder
zwey mahl nacher Hofe kommen / und seine aller und unterthänigste Auffwartung
thun müssen.
Imgleichen ist unser Wohlseel. Herr Dohm-Dechant bey allen vor und nach gewesenen
Königlichen und Chur-Fürstlichen hohen Premier- und Etats-Ministren, wie nicht
weniger bey der gantzen Generalität / der gantzen Hoffstatt und andern hohen so
wol Civil-als Militair-Bedienten in grossem Ansehen und intimer admission
gewesen / massen dieselbe sammt und sonders (es mögen die Perioden gewesen seyn
/ wie sie gewolt) auf ihm eine mehr als gewöhnliche Faveur / Liebe und
Vertraulichkeit geworffen und denselben vor andern mit Distinction und
AEmulation aestimiret haben.
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In welcher Estime, Consideration, Auctorität und Liebe offt Wohlseel. Herr
Dohm-Dechant bey hiesiger Königl. Hochpreißl. Regierung / Einem hohen
Hochwürdigen Dohm-Capitel / Der gantzen Hochlöblichen Ritterschafft / Allen
Hoch-Adelichen Stifftern / und in specie bey dem Hoch-Adelichen Stiffte zu
Levern (welches Ihn im Jahr 1694. zu Dero Prälaten und Probsten vermittelst
einer einhelligen Wahl erwehlet) so dann auch bey hiesigem Löbl. Stadt Magistrat
und der lieben Burgerschafft dieser guten Stadt Minden / und in summa bey allen
so wol Adelichen als Unadelichen / reichen und armen Unterthanen gestanden / ist
unnöhtig der Breite nach auszuführen / massen er teste ipsâ invidiâ sich
niemahlen anders / als wie es einem rediichen und auffrichtigen Mann und
Cavallier wol anstehet / auffgeführet.
Niemand wird ihm mit Bestande der Warheit ein anders nachsagen können / als daß
er ein solcher Dohm Dechant / Prälate und Land-Raht gewesen / welchen man wegen
seiner Gottesfurcht / Capacität / auffrichtigen Intention und Liebe / so er
insgemein vor alle Menschen insonderheit vor das Vaterland und das bonum
publicum gehabt / sodann auch wegen seiner Auctorität und dexterität / lieben
und veneriren müssen.
In allen seinen rühmlichen Actionen / Thun und Lassen war dessen Absicht eintzig
und allein dahin abgezwecket / umb GOtt seinen himmlischen Vater von gantzen
Hertzen und seinen Nechsten als sich selbsten zu lieben / zu ehren und zu
dienen.
Das gantze Hochwürdige Dohm Capittel wird und muß ihm das ohn paßionirte Zeugniß
beylegen / daß er en general pro salute Patriae allemahl geeiffert / mithin das
interesse der hohen Cathedral-Kirchen mit ernst nicht allein gesuchet / sondern
auch in vielen stücken notoriè verbessert und extendiret.
Die Hochlöblichen Herrn Stände werden solches affirmiren / das Hochadeliche
Stifft zu Levern saget rund aus / daß sie an diesem ihren Prälaten einen rechten
Vater / so es getreulich mit ihm gemeinet / verlohren / massen er vor des
Stiffts Wolfahrt redlich gesorget.
Wir haben an unsern wolseel. Herrn von dem Busche gesehen / daß der kluge Heyde
Seneca nicht un recht hat / wenn
|| [58]
er
geschrieben. Generosa in ortus semina exsurgunt suos. Was von Edlem Saamen ist /
pfleget allemahl seiuem ersten Anfange sehr nahe zu kommen.
Denn wie er mit der edlen Mutter-Milch die wahr Gottesfurcht und daher fliessende
Adeliche Tugenden ihm gleichsahm eingeflösset waren / also strebete er mit allen
fleiß dahin / daß er dem von vielen edlen Stämmen seiner rühmlichen Vorfahren
eingesogenen Safft ihm wol zu nutze machen / mit preißwürdigen Zusatz ohne
unterlaß verbessern und in der That erweisen möchte / daß er ein guter und edler
Busch ja ein trefflicher Baum sey.
Alle diejenige / die viel und offt um ihm gewesen / werden gerne bekennen / daß
er kein Dorn-Busch gewesen / der nur ritzet und kratzet:
So führete er auch nicht zum Sinn-Bilde / einen Diestelkopff / der nur stechen
und verwunden kan / wie etwa jene Ritter in Schottland ein solches Sinnbild
ihnen erwehlet / mit der Uberschrifft: Nemo me impunè lacessit: Keiner
vergreiffe sich an mich / sondern er war ein guter und nützlicher / ein
angenehmer Rosenbusch / welcher mit seiner lieblichen Blüte / mit seinen süssen
früchten GOtt und Menschen zu erfreuen bemühet wahr / er hassete zwar die
Untugenden; liebte aber aus angebohrner Tugend die Menschen / so von denen
Untugenden verführet waren / und hielte für sich Friede mit jederman / befleisse
sich auch / durch den GOtt des Friedens angetrieben / uneinige Gemüther zu
vereinigen.
Zwar ist nicht ohne / daß es ihm an Feinden / welche nach ihrer malheureusen und
verderbten Natur an denselben sich zu wagen sich nicht entbrechen können / gar
nicht gefehlet / doch halte er das principium Aulicum ac Verè Christianum zu
seiner maxime erwehlet pro illatis injuriis gratias referre. massen er von oben
herab unterrichtet / seine Mißgönnere und Feinde mit erbarmenden Augen anzusehen
und dieselbe generoso contemtu und mit aller Freundlichkeit zu überwinden.
Es heisse von diesem Busche: Panditur omnibus: Allen offen / so daß von ihm / wie
von dem Rosen gesaget werden
|| [59]
kan:
Olet & recreat: Der Geruch ergetzet. Denn alles recurirte zu unsern wolseel.
Dohm Dechanten / alles addressirte sich an ihm / bey ihm war allen der Tisch
gedecket / wenn das Land in Sorgen und Bekümmerniß stunde / so muste der Herr
Dohm Dechant sich auffmachen. Wie viele höchst beschwerliche und mannigmahl gar
verdießliche Reisen und Deputationen sind nicht von ihm übernommen / dabey er
bekandter massen sein propres interesse gewaltig zurück gesetzet und negligiret
hat.
Die gantze Hochadliche Familie von dem Busche und andere hohe vornehme
Anverwandten haben nimmer einen getreueren Freund gehabt / als eben diesen
unsern ehrlichen Herr Dohm Dechanten. Mit welcher Treu und Liebe / mit welcher
Embsigkeit und Sorgfalt er seinen Herrn Brüdern und seiner eintzigen liebe Frau
Schwester die Hochwolgebohrne Frau von Münchhausen zu Oldendorff begegnet / was
er in specie an seines lieben Herrn Bruders des Wayl. Hochwolgeb. Gestrengen und
Vesten Joh. Wilcken von dem Busche Königl. Regierungs-Rath und Drosten zu
Hausberge nach gebliebenen höchstbetrübten Frau Wittiben der Hochwolgb. Frauen /
Frauen Gebohrnen von Ledebur und denen 8. Vaterlosen Wäysen vor Liebeswercke
ausgeübet / wie sehr er vor dieselbe Tag und Nacht gesorget / lieget vor unser
aller Augen und ist unnöhtig davon einiges Wort Gepränge zu machen.
So wird es auch nicht bedürffen / von des wohlsehligen Herrn Dohm Dechantens
wahren Gottesfurcht / Pietät, guten Erkändtniß in der Religion / bezeugten Liebe
gegen die Geistlichen / dessen Selensorger und die armen Glieder in Christo
Erwehnung zu thun / massen es jederman ohndem bekandt.
Zwar ist er im geringsten nicht zubeklagen / weilen seine Seele dem Verdruß
dieser argen und falschen Zeiten entnommen ist und bey seinem GOtt die
gnadenvolle Belohnung für Seinen bezeugeten Glauben empfähet;
Aber S. Königl. Majestät in Preussen etc. Unser allergnädigster König und Herr
verliehren einen dero getreuesten Diener / das gantze Land einen rechtschaffenen
Patrioten / die gantze Noblesse eine Zierde / die Armuth einen sonderlichen
Gutthäter /
|| [60]
Witwen und Waysen einen
sichern Beystand / das Hochwürdige Dohm-Capittel einen unvergleichlichen und
erwünschten Dohm Dechanten / die Hochlöbl. Herrn Stände einen verständigen
Vorsprecher / daß Hochadl. Stifft zu Levern ihr Haupt und einen auffrichtigen
Prälaten / die gantze Hochadl. Familie eine Stütze / die lieben Haddenhausische
und Münchhausische Kinder ihren zweyten Vater Erhalter und Versorger / die Frau
Wittwe seines Brudern des wolseel. Herrn Regierungs Rahts und Drostens /
alles!
Endlich seine Kranckheit und darauff erfolgeten sehl. Abschied betreffend / hat
er Gestern vor 3. Wochen / war der 15te Febr. anfänglich eine alteration bey
sich verspühret / welche andern Tages zu einem Gallen / Fieber
ausgeschlagen.
Ob man nun zwar nicht ermangelt sofort erfahrne Medicos als Herr Professorem und
Doctorem Winthern zu Rinteln / wie auch Herr Doctorem juniorem Vasmarum allhier
zu adhibiren / auch GOtt nm seinen Seegen zu denen gebrauchten Mitteln
inbrünstig und mit Thränen anzuflehn; so hat sich doch keine Erleichterung
gefunden / sondern vielmehr hervorgethan / daß besagte Kranckheit und Fieber
sich in febrem malignam verwandelt / welches dann von Tagen zu Tagen dermassen
zugenommen / daß man leichtlich schliessen können / daß der Allerhöchste mit ihm
aus der bösen Welt eilen wolle.
Ehe und bevor aber die allergeringste Gefährlichkeit und signamortis sich
gezeiget / hat der Wohlsehl. sich dermassen mit GOtt seinem Schöpffer versöhnet
und eine solche devotion bezeuget / derogleichen GOtt uns und allen frommen
Christen verleihen wolle.
Darauff er endlich gestern vor 8. Tagen als am 1sten hujus des Abends ein viertel
nach 5 Uhren / nachdem er in diesem Jammerthal 56. Jahre 9. Monate und 1. Tag
gelebet unter andächtigen Gebet seines Beicht-Vaters und der Umstehenden /
sanfft selig verschieden.
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