|| [ID00001]
Der Ruhm eines tüchtigen Regenten / aus GOttes Wort sonderlich dem schönen
Beyspiel Hiobs c. XXIX, 14. --16. Gerechtigkeit war mein Kleid / --------
erforschete ich. und des weyland Durchlauchtigsten Fürsten und Herrn / Herrn
Rudolph-Augusti / Regirenden Hertzogen zu Braunschweig und Lüneburg /
etc.
Nachdem S. Durchl. glorwürdigsten Andenckens den 26. Jan. dieses 1704ten
Jahres / zwischen 7. und 8. Uhr Vormittags auf dem Hoch-Fürstl. Hause
Hedewigs-Burg gantz sanfft und seelig in dem einigen Erlöser / JESu Christo
entschlaffen / und darauff den 29. ejusdem Abends
zwischen 9. und 10. Uhr Der Fürstliche Leichnam nach der Braunschweigischen
Thum-Kirchen in dasiges Hoch-Fürstl. Erb-Begräbnüß abgeführet war Am Sonntage
Laetare, war der 2. Martii an statt der ordentlichen Evangelien- und
Vormittags-Predigt in der Wolffenbüttelschen Hof- und Schloß-Kirchen Bey respectivè Hoch-Fürstl. vornehmer / und Volckreicher
Versammlung vorgetragen von JOHAN. NIEKAMP, Fürstl. Braunschweig. Lüneb.
Hof-Prediger und Consistorial-Raht.
Wolffenbüttel / druckts Christian Bartsch / privilegirter Hof- und
Cantzley-Buchdr.
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Lyneburgensi, Brunsuicensique regenti ANTHON-ULRICO, vita salusque
Duci!
MOses ac Aaron fratrum par nobile, hebraeam Navim flexerunt, velificante DEO. Ille minor natu civilia sceptra vibravit: Ad clavum major sedit in aede sacrà Qui sicut Lucis prior est ingressus in auras, Sic certis annis exiit orbe prior. Si licet antiquis componere nostra: videntur Antiqua haec fratrum tempora facta nova. Ausit te Guelphûm, Dux clementissime, Mosen Appellare tuâ Pace camaena mea. Moses afflictus fuit, & mitissimus idem, Prae cunctis aliis: Codice teste sacro.(Mose war ein geplagter Mensch / Num. XII, 3. uti habet B. Lutheri versio: Vulgati autem: erat Moses vir mitissimus. Junii & Tremellii: Vir autem ille Mosche mansuetus erat valdè. Nimirum utrumque significat, mitem & humilem afflictumque. Sed quidquid sit hujus vocis & interpretationis; rem certè ipsam, Mosis scilicet mansuetudinem & afflictiones hîc & alibi scriptura sacra satis superque ostendit. Gravissimam sanè contumeliam Sibi ab ipso Aarone fratre & sorore Mirjam illatam, & hoc loco Num, XII. descriptam injuriam animo aequissimo tulit.) Visus es afflictus, visus mitissimus idem Brunovicensis Dux generose soli. Visus es & patiens patiendo. Visus & aequo Es patiens animo plura ferendo mala. Nam quas aerumnas fueris expertus, avitos Dum gestas fasces, nosne latere potest? Non licet horrisonos, quibus es jactatus in isto Oceano, fluctus enumerare mihi. Harpocrates signet mea Labra: magisque sonorè Historiae & Famae clangat in orbe tuba. Nolo cicatrices incautâ tangere dextrâ. Ipse Deus medicas applicat hisce manus. Saepe tamen, fateor, subeunt mihi tempora dura. Saepe mihi moesto sors inimica subit. Saepe mihi in mentem redit illa nefanda, Tenebris Densa, suum nomen perdere digna dies, Digna dies Scythicas quae detrudatur ad oras Quae Patriâ Patriae jussit abesse Patrem!(14. April. 1702.) Hîc mansuetudo, & patientia (gloria Mosis Quae fuit) est etiam gloria magna tua. Stabas ad fluctus, ut stat marpesia cautes, Et victor precibus Mosis adinstar eras.
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Quid? num fata domus excelsae defleat atra Melpomene, cudit quae Libitina rapax?
Expedit ad tristes vultus afferre Timanthis Dextram, quos nequeo pingere rite
meâ. Vix equidem excutimus quemvis è pectore Luctum, Ceu canis expulsus fuste,
redire solet. Attamen est satius querulas deponere voces, Nec defunctorum funera
flere nimis. Flevit cum populo ter denos Legifer olim Germanum extinctum Dux
Aarona dies. Nimirum statuit tempusque modumque dolori Ipse Deus, nec non
relligiosa fides. Quod fraterna fides â fratribus exigit, illud Praestitit in
fratrem frater uterque suum Perpetuo fratrem veneratus honore & amore
Defunctum & vivum frater uterque fuit. Majori requies conceditur alma:
minoris Fortiter imperii dextera prensat onus.(Respicitur ad picturam in majore Aulae
Wolffenbüttelenfis Triclinio, quae ad dextram sistit Serenissimum RUDOLPHUM
AUGUSTUM fasces imperii laevâ attingentem, Serenissimum autem ANTONIUM
ULRICUM ad sinistram, dextrâ eosdem
pressantem.) Macte animi, princeps, spartam quam nactus es orna, Vires
& vitam suppeditante DEO! Omen sit felix faustumque in nomine grato, Quod
dedit infanti mystica Lympha tibi! (ANTHONIUS scribitur
à nonnullis, & deducitur à (flos) ac si idem
sit quod Florens, Florentius, ab aliis verò
scribitur ANTONIUS & derivatur ab (liceor
adversus aliquem) ac si idem sit, quod certatim emptus,
pretiosus. Utra harum originationum praeferenda sit, Grammatici
certant, & ad huc sub judice lis est.)
(ULRICUS, Huldericus, Huldreich / gratiâ locupletem, gratiosum, seu Gratianum denotat.) Enthea
multijugos spargat tibi gratia flores! Et tua nos vario
gratia flore beet! Florentes
faxit parentes, atque parentem Te patriae, summi, gratia
larga Dei! Remigio Altisoni priùs Uni puppis habenas Flexistis (sicur Mose
Aaronque) duo. Auxilio Unius nunc unus flectito cymbam Et summo Regi vive
gregique diu!
JUSTO, CLEMENTI, SAPIENTI Musa MONARCHAE Voto & servitiis obsequiosa
manet
Johannis Niekamp mystae servique fidelis dùm vivens artus spiritus hosce
reget.
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Der Ruhm eines tüchtigen Regenten.
Der ewige Vater und allmächtige HErr Himmels und der Erden / sein eingebohrner Sohn / ein Fürst der Könige auf Erden / und der Heilige Geist / ein Geist der Herrlichkeit / der Weißheit und der Furcht des HErrn; Der Dreyeinige gewaltige Herrscher über Tod und Leben / sey mit uns allen / Hohen und Niedrigen / Obern und Unterthanen / Herren und Knechten / nun und allezeit / im gantzen Leben / und in der Stunde unsers Todes / in dieser Zeit und in alle Ewigkeit! Amen! ANdächtige / zum Theil Hohe Leidtragende / allesampt Beliebte in LHristo JEsu. Nachdem es dem HErrn der Zeit und Ewigkeit nach seinem Heil. Raht und Willen gefallen hat / den Durchlauchtigsten Fürsten und Herrn / Herrn RUDOLPH AUGUSTUM, Hertzog zu Braunschweig und Lüneneburg / unsern theuersten Landes-Vater aus dieser Mühsehligkeit in die Freuden-volle Ewigkeit durch einen sanfften und hochseeligen Tod zu versetzen; So sind wir auf hohe und gnädigste Verordnunge / und nach Erheischunge unserer Christlichen Gehorsams-Pflicht und Devotion, einfolglich nach GOttes Wort und Willen allhier bey einander / und in dem HERRN
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entschlossen / uns aus
seinem Heil. Worte zu erbauen und zu erinnern / wie wir uns bey diesem hohen
Trauer-Fall Christlich zu bezeigen / und unsere Augen und Hertzen zu richten
haben auf den / von welchem alles kömmt / Glück und Unglück / Leben und Tod /
der auch als der GOtt alles Trostes uns tröstet in aller unser Trübsal.
Denselben ruffen wir sofort Anfangs demütigst an / daß er der einigen noch
lebenden und überbliebenen Frau Tochter des hochseligsten Herrn / der Durchl.
Fürstinne und Frauen / Frauen DOROTHEAE SOPHIAE, gebohrner Hertzoginne zu
Braunschweig und Lüneburg / vermählter Hertzoginne zu Schleßwig-Holstein /
Stormarn und der Ditmarsen / Gräfin zu Oldenburg und Delmenhorst; Wie auch des
numehr zwiefach / schmertzlichst- und höchstbetrübten einigen Hn. Bruders /
Herrn Hertzogen ANTHON ULRICHS, unsers durch GOttes Gnade noch / und nunmehr
allein-regirenden Herrn und theuresten lieben Landes-Vaters; ja aller hohen
Angehörigen und aller derer Hertzen / die dißfalls von derschlagenden Hand
GOttes empfindlich gerührt und verwundet sind / mit dem Balsam seines Göttlichen
Trostes lindern und heilen / und an statt dieses und alles ihres Leydes ihnen
samt und sonders die Seelen-vergnügende Freude des Freuden-Geistes geben wolle!
Er / der Himmlische Vater lasse Sie / und uns Unterthanen danckbarlich erkennen
das Gute und die Barmhertzigkeit / so diesem seinem treuen Knechte nachfolgete
sein Lebenlang / und die vielfältige Gnade / die auch der Hochseeligste so
hertz- und danckbarlich erkannt und gepriesen hat / daß Er in seinem Letzten nur
von Dancken und Loben hören wollen / und sein Mund / so lange Er reden können /
des HErrn Lob verkündiget hat. Er / der Him̅lische Vater lasse die
hohe Leidtragende und uns alle auch also gesinnet seyn / daß wir mit gleicher
Gelassenheit und Freudigkeit die nehmen- und gebende Hand GOttes küssen / und es
noch immer in unserm / wie in Hiobs, Hertzen und Munde also klinge; Der HERR hat
es gegeben / der (Hiob. 1. 21.) HErr hat es
genommen / der Nahme des HErrn sey gelobet!
Auf diese Hand GOttes / die einem Lande einen tüchtigen Regenten gibt / weiset
uns der weise und wolerfahrne
|| [3]
Sitten-Lehrer mit diesen Worten: Das Regiment auf(Sir.
10.) Erden stehet in BOTTES Händen / derselbe gibt ihr zu Zeiten einen
tüchtigen Regenten. In der Hand des HERRN (ist oder stehet) die Gewalt der
Erden; Heisset es nach der Griechischen Grund-Sprache. Da der(.) Sitten-Lehrer eben das
Wort gebrauchet / welches der Heyden-Lehrer Paulus Rom. XIII, 1. gebrauchet /
woselbst es gedeutschet(Rom. 13. v. 1.) ist /
ein jeglicher sey unterthan der Obrigkeit; Hier aber: Das Regiment auf Erden
stehet in GOttes Händen. Und bedeutet zwar diß Wort magistratum abstractivè
consideratum, das ist / die obrigkeitliche Macht und Herrschafft / als welche in
GOttes Hand stehet / und die GOTT geordnet hat / auch gibt wem er wil: Doch
bedeutet es auch zugleich mit / magistratum concretivè sumptum, das ist /
diejenige Persohnen so Er in diese seine bey der zu Grunde verderbter Welt
hochnöthige Ordnunge eintreten lässet. Die Regenten hat GOTT wie jene Sterne in
der Offenbahrung Johannis in seiner(Apoc. 1.
16.) Hand und Beschirmunge / in seiner Macht und Gewalt; Ein tüchtiger
und nützlicher Regent ist ein Geschenck der Hand GOTTES; Der gibt der Erden /
der Welt / und dem Lande zu Zeiten einen tüchtigen Regenten / das ist / wie es
im Grichischen(
) lautet / auf gelegene und bequeme Zeit / da er nach seiner Weißheit die
Regenten und Leute den Zeiten / und die Zeiten den Leuten bequemet.
Hat nun aber / Andächtige in dem HERRN / diß Hoch-Fürstliche Hauß und das gantze
Land aus der Hand GOttes biß auf diese Stunde ein solches Gnaden-Geschencke
nicht empfangen? Gibt er uns nicht tüchtige Regenten? Und haben wir nicht auch
einen solchen an Ihro Durchl. hochseeligsten Andenckens gehabt? Einen auf diese
unruhige / ungerechte / und grund verderbte Zeiten sich wol schickenden
Friedliebenden / Gerechten / und gottseligen Regenten? Wir wollen uns aus dem
löblichen Exempel Hiobs das ferner mit GOttes Hülffe! vorstellen / was und wie
viel Gutes uns und diesen Landen durch unser hochlöbliches Regiment bißher
erwiesen sey / und was wir auch an unsern in GOtt ruhenden Landes-Vater für
einen tüchtigen Regenten gehabt haben. Damit es nun uns zur Beforderunge der
Danckbarkeit / zu Führunge eines stillen und ruhigen Lebens in aller
Gottseligkeit und Ehrbarkeit / und zu
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Christlicher Vorbereitunge zum seeligen Sterben; Absonderlich diesem
hochbetrübten Fürstlichen Hause zu Christ-Fürstlicher Gedult / Freude und Trost;
Unsern in GOTT ruhenden Landes-Herrn zum höchstverdienten Nachruhm auch allen
lebende̅ Regenten zur Nachfolge: Allermeist aber dem
Allerhöchsten GOtt zu Ehren gereiche / so lasset uns in hertzlicher Andacht
beten.
Vater Unser etc.
Text. Hiob XXIX. 14. 15. 16.
GErechtigkeit war mein Kleid das ich anzog / wie einen Rock / und mein Recht war
mein Fürstlicher Hut. Ich war des Blinden Auge / und des Lahmen Füsse. Ich war
ein Vater der Armen / und welche Sache ich nicht wuste / die erforschete
ich.
ES sey aber ferne von mir rühmen denn allein von dem Creutz unsers HERRN JESU
CHristi / durch welchen mir die Welt gecreutziget ist und ich der Welt. (Galat. 6. v. 14.) In diesem Spruch und 14. vers des
6ten cap. der Epistel an die Galater zeiget uns der Heil. Apostel honestum &
utile, oder den Ruhm und den Nutzen den er und alle Lehrer des Evangelii / ja
alle Christen an ihrem gecreutzigten Heyland haben. Von der Christen Ehre und
Ruhm sagt er: Es sey aber ferne von mir rühmen denn allein von den dem Creutz
unsers HErrn JESU CHRISTI. Da er sich mit dem Wörtlein aber von denen falschen
Aposteln seiner Zeit scheidet / und an ihren eitelen / falschen und
fleischlichen Ruhm gar kein Theil nehmen wil / als die auf die Beschneidunge und
derer Nothwendigkeit zur Seeligkeit hart drungen / und die Leute sich zu
beschneiden zu lassen zwungen / damit sie mit dem Creutze Christi nicht
verfolget / und
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gehasset würden
/ daß sie das Gesetze Mosi hinten ansetzeten / sondern vielmehr aller / der
Juden und Christen Liebe und Freundschafft haben / und sich von dem Fleische
derer rühmen möchten / die sich zu der Beschneidunge und Haltunge des Gesetzes
Mosi bereden und zwingen liessen. Diesen sich fleischlich rühmenden falschen
Lehrern wiederspricht und wiedersetzet sich der Apostel mit diesen Worten: Es
sey aber ferne von mir rühmen / denn allein von dem Creutze unsers HErrn JEsu
Christi. Das Wort es sey ferne / ist dem Heil. Apostel sehr gebräuchlich / und
nichts anders als eine Ausdrückunge eines an einem Dinge habenden grossen
Greuels / wie er vor jenen nichtigen fleischlichen Ruhm einen Abscheu hat / und
als einen Greuel hält und verfluchet / wo man in der Predigt und in dem
Geschäffte unsers Heyls einiges andern Werckes oder Dinges sich rühmet / ohn
allein(Phil. 3. v. 3.) Christi und seines
Creutzes. Wie er auch bezeuget Philip. III, 3. seqq. Vor den Ruhm eigener
Gerechtigkeit / Weißheit und alles fleischlichen Vorzuges einen solchen Abscheu
zu haben / wie man vor einen stinckenden Dreck hat / dafür man die Nase zuhält /
wenn er sagt: Wir rühmen uns von Christo JEsu / und verlassen uns nicht auf
Fleisch / wiewol ich auch habe / daß ich mich Fleisches rühmen möchte. So ein
ander sich düncken lässet / er möge sich Fleisches rühmen / ich vielmehr / der
ich am achten Tage beschnitten bin / einer aus dem Volcke Israel / des
Geschlechts Benjamin, ein Hebraeer aus den Hebraeern / und nach dem Gesetz ein
Pharisäer / nach dem Eifer ein Verfolger der Gemeine / nach der Gerechtigkeit im
Gesetze gewesen unsträfflich. Aber was mir Gewinn war / das habe ich um Christi
Willen für Schaden geachtet / denn ich achte es alles für Schaden gegen der
überschwenglichen Erkänntniß CHristi JESU meines HErren / um welches willen ich
alles habe für Schaden gerechnet / und achte es für Dreck / auf daß ich Christum
gewinne. Also ist und bleibet der einige und höchste Christen-Ruhm Christus:
Nicht nur der erhöhete / herrliche und zu der Rechten auf dem Stuhl der Majestät
im Himmel sitzende / sondern auch der verschmähete und an dem verfluchten
Creutz-Holtze hangende JEsus ist der Christen Ruhm / also daß wir nicht allein
uns rühmen der Hoffnunge der zukünfftigen Herrlichkeit die GOtt geben soll /
sondern wir rühmen uns auch der Trübsaalen.(Rom. 5. v.
2.)
Nun wird das Creutz Christi / des wir uns rühmen / auf zweyerley Weise angesehen
/ erstlich / wie es CHRISTUS un
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ser HERR zu unserer Versöhnunge allein getragen hat / da sein Creutz
alles das ist / was er um unsert Willen in seinem gantzen Leben erduldet hat /
unter welchen das vornehmste ist was er gelitten hat unter Pontio Pilato unter
welchem er gecreutziget und gestorben ist. Dieses Creutz und Leyden unsers HErrn
JEsu Christi / ist das / wes wir und alle Gläubige eintzig und allein uns vor
GOtt zu rühmen haben / als wodurch wir theur erworben und gekauffet sind zu
GOttes Eigenthum. Christus JEsus ist uns gemacht von GOtt zur Weißheit / und zur
Gerechtigkeit / und zur Heiligunge / und zur Erlösunge / auf daßwie geschrieben
(1. Cor. 1. v. 30.) steht / wer sich rühmet /
der rühme sich des HErrn. (Jer. 9. v. 23.) ein
Weiser rühme sich nicht seiner Weißheit / ein Starcker rühme sich nicht seiner
Stärcke / ein Reicher rühme sich nicht seines Reichthums / sondern wer sich
rühmen will / der rühme sich des daß er mich wisse und kenne. Vors andere wird
auch Christi Creutz also angesehen / wie es die Gläubige ihrem Vorläuffer
nachtragen / da es ihr / der Gläubigen Creutz ist und genennet wird / was doch
auch Christi Creutz ist und bleibet / weil es ist ein Creutz der Glieder
Christi. So nennet es Christus selbst (Matth. 11. v.
29. 30.) sein Joch und Last: Nehmet auf euch mein Joch / denn mein Joch
ist sanfft und meine Last ist leicht. Er nennet es seinen (Matth. 20. v. 23.) Kelch und seine Tauffe: Meinen
Kelch solt ihr trincken und mit der Tauffe da ich mit getauffet werde / solt ihr
getauffet werden. (Matth. 10. v. 38.) Doch nennet
er es auch seiner Jünger Creutz sagend: Wer nicht sein Creutz auff sich nimmet
und folget mir nach der ist mein nicht werth. Und in diesem Verstande heisset
das Creutz Christi alles das was ein Gläubiger leydet / um des Nahmens CHRISTI /
um des Glaubens und guten Gewissens willen. Welches Creutzes und Leydens sich
ein Christ auch / sonderlich (2. Cor. 12. v.
9.) aber vor der Welt rühmet / und mit Paulo sagt: Ich will mich am
allerliebsten rühmen meiner Schwachheit / auf daß die Krafft Christi bey mir
wohne. Wenn die Christen um Missethat willen litten / so würden sie sich nicht
zu rühmen haben / wie die (Jesa. 3. v.
9.) Gottlosen sich mannigmahl gleich denen zu Sodom rühmen; Sondern da
müssen sie sich schämen vor GOTT und der Welt: Aber da sie leyden um Wohlthat
willen / rühmen und freuen sie sich in der Gnade GOttes: Denn das ist Gnade / so
jemand um des Gewissens willen zu GOtt das Ubel verträgt / und leydet das
Unrecht / denn was ist das für ein Ruhm / so ihr
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um Missethat willen Streiche
leydet / aber wenn ihr um Wolthat willen leydet und erduldet / dasist Gnade bey
GOtt / denn dazu seyd ihr beruffen / sintemahl auch Christus gelitten hat für
uns / und uns ein Vorbild gelassen / daß ihr solt nachfolgen seinen Fußstapffen:
Also nim̅t sich Paulus und mit ihm alle Christen des(1. Pet. 2. v. 19.) Creutzes und Leydens ihres
einigen Erlösers an / daß sie sich desselben vor GOTT in Glauben / vor der Welt
und vor den Menschen im gedultigen Leben und Wandel rühmen / und sich seiner
Schmach / und seines schmählichen Creutzes vor den Menschen nicht schämen / auf
das sich des Menschen Sohn ihrer auch nicht schäme / wenn er kommen wird in der
Herrlichkeit seines Vaters mit den H. Engeln / sie bekennen damit Christum
und(Marc. 8. v. 38.) sehen sich vor / daß
sie durch Wegwerffunge und Verschmähunge des Creutzes Christi den nicht
verläugnen / der sie sonst vor seinen Himmlischen Vater nicht bekennen sondern
verläugnen würde. Denn daß die Verwägerunge und Verschmähunge des Leydens(Matth. 10. v. 32.) um Christi willen eine Art der
Verläugnunge Christi sey / gibt der H. Apostel mit diesen Worten zu erkennen:
Dulden wir so werden(2. Tim. 2. v. 12.) wir mit
herrschen / verläugnen wir / so wird er uns auch verläugnen! Da das dulden und
verläugnen im Gegensatz stehen / und die Meynunge ist / daß der Christum
verläugne / welcher mit Christo nicht leyden wil. So ist gewißlich das Creutz
Christi ihre grösseste Ehre / und höchste Zierde.
Vors andere stellet uns der Apostel in dem angezogenen Spruche vor den Nutzen /
den alle Gläubige an den gecreutzigten JEsum haben. Und derselbe bestehet in der
Krafft und Würckunge des geistlichen und seeligen Todes und Absterbens der Welt
und des alten Adams in uns. Von dem geistlichen und seeligen Tode oder Absterben
der Welt in uns sagt der Heil. Apostel / durch welchen mir die Welt gecreutziget
ist. Was die Welt allhier heisse / mag einem in GOttes Wort und seinem
Christenthum wol geübt- und erfahrnen Streiter JEsu Christi nicht unbekannt
seyn; Nemlich die weltlichen Lüste / von welchen Johannes sagt: Alles was in der
Welt ist / nemlich(Joh. 2. v. 6.) des
Fleisches-Lust / und der Augen-Lust und hoffärtiges Leben ist nicht vom Vater /
sondern von der Welt / und die Welt vergehet mit ihrer Lust. So gehöret zu der
Welt alle weltliche Eitelkeit / welche Paulus das Wesen , die Figur dieser(1. Cor. 7. v. 31.) Welt
nennet / wie man pflegt von reichen / vornehmen und ansehnlichen Leuten zu sagen
/ sie machen eine Figur; Alle dergleichen Figur / Ehre und Herrlichkeit kan
nirgend hin als zu der
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vergänglichen Welt gerechnet werden / die mit der Welt vergehet. Es gehören auch
hieher die weltlich Gesinnete / die man die Welt-Kinder nennet / von welchen
allen der Apostel sagt / die Welt ist mir gecreutziget. Wie ein Gecreutzigter
ein Fluch und Greuel ist / so ist dem lieben Apostel alle weltliche Lust und
Eitelkeit. Zwar thut es dem Fleische wehe / und dieser Wurm krümmet und windet
sich hin und her / wenn er sterben soll / so ists auch verächtlich vor der Welt
/ und den weltlich-Gesinneten / daß man sich ihr nicht gleich stellet / und ist
der / welchen die Welt gecreutziget ist / wie ein Fremdlinger den Kindern / mit
seiner fremden Creutz-Tracht den Welt-Kindern ein Spott; Wie dann beydes mit dem
Wort gecreutziget angedeutet wird / wie schmertz- und schimpfflich vor der Welt
dieses sey / so uns die Welt gecreutziget ist / sintemahlen der Creutz-Tod ein
so wol schmertzlicher als schimpfflicher und schändlicher Tod war. Aber wie den
allen / so wird es doch durch CHRISTUM leicht und lieblich. Ich vermag alles
durch den der mich mächtig macht / CHRISTUS / durch welchen / spricht der
Apostel (Phil. 4. v. 3.) allhier / mir die Welt
gecreutziget ist. Denn wenn uns Christus sich recht zu erkennen gibt mit allen
seinen Heyls-Gütern und Schätzen / als da sind Vergebunge der Sünde /
Versöhnunge mit GOtt / die Einwohnunge GOtts in uns / die Kindschafft GOttes /
die Erbschafft des ewigen Lebens / so würcket er in uns durch denselben Geist
der Offenbahrunge eine Hochachtunge aller solcher Himmlischen und ewigen Güter /
gegen welche wir die Welt für nichts achten. Ein solcher Verächter der Welt /
dem die Welt durch CHRISTUM gecreutziget (Hebr. 2. v.
24.) war / ist auch Moses gewesen / von welchen der Apostel rühmet;
Durch den Glauben wolte Moses, da er groß ward / nicht mehr ein Sohn heissen der
Tochter Pharao, und erwehlete viel lieber mit dem Volcke GOttes Ungemach zu
leyden / dann die zeitliche Ergötzunge der Sünden zu haben / und achtete die
Schmach Christi vor grösser Reichthum / denn die Schätze AEgypti. Sehet die
Schmach Christi selbst wird allen Welt-Schätzen vorgezogen / wie vielmehr seine
Herrlichkeit der Herrligkeit dieser Welt?
(vid. Luth Tom. I, Jen. Lat. f. 431. Rom. 7. v. 14.)
Der andere seelige und geistliche Tod ist des alten Adams / davon sagt der
Apostel / ich bin der Welt gecreutziget. Er / wie er von Natur fleischlich war /
und unter die Sünde verkauffet / müste gecreutziget werden / wir wissen
(schreibet unser Apostel)
|| [9]
daß
unser alter Mensch samt ihm gecreutziget ist / auf daß der(Rom. 6. v. 6.) sündliche Leib aufhöre / daß wir
hinfort der Sünden nicht dienen. Und abermahl schreibet er: Welche Christum
angehören /(Gal. 5. v. 24.) die creutzigen ihr
Fleisch samt den Lüsten und Begierden. Das ist / sie enthalten sich von den
fleischlichen Lüsten / welche wider die Seele streiten und führen einen guten
Wandel. Da ist(1. Pet. 2. v. 11.) der Apostel /
der Welt / und weltlichen Lüsten / weltlichen Pracht / Ehre / Herrlichkeit und
Ansehen / so abgestorben / daß er allen Welt-Kindern bey allem solchen Wesen wie
ein faules Aaß / und verreckter / vermoderter Leib anstincket / und als ein
Fluch der Welt und Feg-Opffer aller Leute gehalten wird. Die Welt(1. Cor. 4. v. 13.) ist wie das Meer (schreibet
Johann Arndt in ersten Buch von wahren Christenthum c. 13.) dasselbe leydet nur
in sich was lebendig ist / alles was Todt und gestorben ist / wirfft es aus:
Also wer der Welt abgestorben ist / den wirfft und stösset sie aus; Die andern
so ein ansehnlich / prächtig / herrlich Leben führen können / das sind der Welt
liebe Kinder! Summa: Wer es dahin gebracht hat / daß in seinem Hertzen alle
Hoffart / Geitz / Wollust / Zorn / Rachgier gestorben ist / dem ist die Welt
gestorben / und er der Welt. So weit Arndt.
Sehet da den vortrefflichen Ruhm und Nutzen / welchen die Christen haben an und
von ihrem HErrn JESU Christo! Aber wozu wird solches angeführet / und wie
schicket sich dasselbe auf unsere Fürstliche Leichen-Predigt und den verlesenen
Text? Antwort. Was solte sich auf gegenwärtige Zeit / auf die hohe Person des
Hochseeligsten Herrn Hertzogs / und auf den vorabgelesenen Text besser schicken
/ als diese Lehre / daß man sich des Creutzes Christi allein rühmen solle /
dadurch die Welt uns / und wir der Welt gecreutziget werden? Die Zeit welche wir
nach gottseeligen Gutachten der allbereit triumphirenden und noch streitenden
Kirchen / der Betrachtunge des Leydens und Sterbens JEsu Christi geheiliget und
gewidmet haben / leydet es je wol / ja erfodert es / daß man Todes-Gedancken
habe / und die Gelegenheit zu Betrachtunge des Leydens und Todes Christi
gebrauche / welche uns an Hand gegeben wird / durch die Betrachtung unsers Todes
/ der allein den Ruhm / daß er werth geachtet werde vor den HErrn / und dem
Nutzen / daß er der Eingang zum Leben sey / in dem Creutz-Tode unsers HErrn JEsu
Christi findet. Die hohe Person / der wir zu unterthänigsten Ehren und
hochverdienten Fürstlichen Nachruhm bey einander
|| [10]
seyn / war ja auch also
Christlich mit Paulo gesinnet / daß Sie sich vor Ihrem GOtt allein des Creutzes
JEsu Christi rühmete (1. Cor. 2. v. 2.) / und mit
dem Worte von dieser Welt schiede / ich weiß nichts als allein JEsum Christum
den Gecreutzigten. Wie Sie der Welt / und die Welt Ihr gecreutziget gewesen /
davon können die / so die Gelegenheit / Ehre und Gnade des vertraulichen Umgangs
mit Deroselben gehabt haben / besser massen / am besten und vollkommensten der
Hertzen-Kündiger urtheilen. Uns die wir wissen / wie Se. Durchl. hochseeligsten
Andenckens in dem äusserlichen / wie es auch Nahmen haben mag / so wenig Werck
von dem Welt-Wesen gemachet / gebührt nach der Regul der auch dem geringsten
Mit-Knechte / vielmehr unserm gnädigsten Landes-Vater schuldiger Liebe / zu
glauben / daß gleich wie das Exterieur und Aeusserliche / also das Hertz gewesen
/ von der Welt / weltlicher Pracht / Uppigkeit und Wollüsten weit entfernet. Und
wovon redet denn unser E. L. vorgelesener Fürstlicher Leichen-Text anders als
von dem Ruhm eines gläubigen Regenten? Welcher Regenten-Ruhm dem allgemeinen
Christen-Ruhm nicht entgegen / sondern allerdings gemäß / und dieses gewiß ist /
daß wer sich vor GOtt des gecreutzigten JEsu rühmet / derselbe sich auch vor den
Menschen der Gerechtigkeit / Güte und Weißheit / da es die Noth erfodert / in
Christo JEsu rühmen könne. Wie es sich nun wol schickt / daß wo etwas löb- und
rühmlich ist / wir demselben nachdencken / also / da wir in dem gemeinen Ruhm
der Christen / den besondern Ruhm eines Christlichen und tüchtigen Regenten
finden / schicket sich wol / daß wir uns aus unserm Fürstlichen Leichen-Text
vorstellen
Und lehre uns alle bedencken / daß wir sterben müssen / auf daß wir klug
werden! Amen!
|| [11]
WIe köm̅t doch / Andächtige in dem HErrn / der Gottseelige Hiob
dahin / daß er sich selbst also rühmet; Gerechtigkeit war mein Kleid u. s. w.?
Wuste er denn nicht / was nachgehends Solomo wuste / daß sich selbst rühmen eine
den Verständigen und Demütigen verdrießliche und allen Menschen unanständige
Sache sey / wenn er schreibet: Laß dich einen andern loben / und nicht deinen
Mund / einen Fremden(Sprüche 27. v. 2.) und
nicht deine eigene Lippen. Wuste dieses Hiob noch? Ja / er wuste fast wol / daß
also ist / daß ein Mensch nicht rechtfertig bestehen mag gegen GOtt / und er
also vor GOTT(Hiob. 9. v. 2.) und seinem
Gerichte nichts zu rühmen habe. Da ist es von allen Gläubigen / und also auch
von Hiob ferne rühmen ohne allein von ihren und seinem einigen GOTT und Erlöser.
So haben auch des Hiobs Lippen gegen seine leidige Tröster nichts unrechts
geredet und seine Zunge hat kein Betrug gesagt / des(Hiob. 27 v. 2. cap. 42. v. 7. 8.) ihm GOTT selbst zu zweymahlen
Zeugnüß gibt / sagend zu Hiobs Freunden / ihr habet nicht recht von mir geredet
wie mein Knecht Hiob. Ists denn aber recht / daß er sich selbst lobet? Wenn er
es ohne Noth allein sich zu brüsten / und groß zu machen / und eitele Ehre zu
erjagen gethan hätte / wüsten wir ihn nicht zu entschuldigen / so wenig als wir
ihn darinne / daß er den Tag seiner Gebuhrt verfluchet hat / gäntzlich zu
entschuldigen wissen. Allein er hat dieses von seinen leidigen Tröstern
gezwungen geredet. Gleich wie auch der Apostel Paulus von den Corinthern und
falschen Aposteln gezwungen wurde / sich selbst zu rühmen / welches er sonst nie
würde von selbsten gethan haben. Ich bin / sagt er / ein Narr worden über dem
rühmen / dazu(2. Cor. 11. v. 12) habt ihr mich
gezwungen. Hiob solte seine Trübsalen und schweres Leyden mit seinem bösen Leben
verdienet haben / und ein gottloser Mann gewesen und noch ein Heuchler seyn /
dafür ihn seine leidige Tröster hielten. Da dürffte ihm Eliphas von Theman unter
die Augen sagen. Deine Boßheit ist zu groß und(Hiob.
22. v. 5. seqq.) deiner Missethat ist keine Ende: Du hast etwa deinen
Bruder ein Pfand genommen ohne Ursache / du hast den Nacketen die Kleider
ausgezogen. Du hast die Müden nicht geträncket mit Wasser / und hast dem
Hungerigen dein Brod versaget. Du hast Gewalt im Lande geübet / und prächtig
darinne gesessen / die Wittwen hast du leer lassen gehen / und die Arm der
Wäysen zubrochen. u. s. w. Darauf muß und kan Hiob nicht anders antworten / als
es verhalte sich solches also nicht / sondern das
|| [12]
Gegentheil sey wahr / er habe
sich der Gerechtigkeit / Barmhertzigkeit / und Wolthätigkeit gegen seinen
Nächsten allewege beflissen. Daß demnach diese Antwort nicht ein stinckendes
eigen Lob / noch eitele und thörichte Pralerey ist / sondern vielmehr eine
Bekäntnüß und Rettunge der Warheit und seiner Unschuld / die nicht anders konnte
gerettet werden / als daß er / so ungerne er es auch that / und ausser diesem
Fall nimmer würde gethan haben / seinen geführten Wandel rühmete. So gar falsch
ists / will er sagen / daß ich im Lande Gewalt geübet habe / daß ich vielmehr
mich vor andern der Gerechtigkeit / Milde und Weißheit beflissen. Welches
gewißlich ein rechter Regenten-Ruhm ist / der aus den itzo benimten drey
Regenten-Tugenden bestehet: Gerechtigkeit / Milde und Weißheit.
(I.) Die Gerechtigkeit ist nicht einerley Art / wenn sie von den Menschen
gerühmet und erfodert wird. Es ist eine Gerechtigkeit GOttes / oder wie es
Lutherus gedeutschet hat / eine Gerechtigkeit die vor GOtt gilt / da den
Menschen die Gerechtigkeit GOttes und unsers Heylandes JESU Christi zugerechnet
/ und also der arme Sünder in eines andern Gerechtigkeit / wie Jacob in eines
andern / seines Bruders / Kleide / gesegnet wird mit allerley geistlichen Seegen
in Himmlischen Gütern durch Christum: Und diese Gerechtigkeit ist des Glaubens /
und wird durch den Glauben allein erlanget ohne zuthun der Wercke. Nechst dieser
ist eine Gerechtigkeit vor den Menschen / die ist die Gerechtigkeit des Lebens:
Und diese ist entweder allgemein oder eine besondere Gerechtigkeit. Die
allgemeine ist ein Complexus und Begriff aller Tugenden / und nichts anders als
die ungefärbte (1. Joh. 4. v. 7.) Gottseeligkeit /
oder Furcht GOTTes? Die besondere aber ist die Pflicht und Beobachtung derselben
gegen den Nächsten (Tit. 2. v. 13.) / da der
Gläubige gerecht gegen seinen Nächsten lebet. Diese Gerechtigkeit hat entweder
mit den Contracten / Kauffen / Verkauffen und dergleichen Bürgerlichen Händeln
zu thun / oder mit Vergeltung und Belohnung des Guten und Bösen; Jene wird von
den Sitten-Lehrern commutativa Justitia genannt / wir mögen sie die Bürgerliche
Gerechtigkeit benahmsen / diese aber sonst distributiva genannt / mögen wir die
Obrigkeitliche oder Richterliche Gerechtigkeit heissen.
Nun sollten alle diese Sorten der Gerechtigkeit billig beysammen seyn / sind auch
die güldene Kette um den Halß aller
|| [13]
Gläubigen / welche aus allen diesen Gliedern bestehet / so lieblich
aneinander hangen / und davon keines dem Hiob gemangelt hat. Nicht an der
Gerechtigkeit GOttes und des Glaubens / indem er sich fest im Glauben an seinen
Erlöser hielte / sagend: Ich weiß / daß mein Erlöser lebt / u. s. w. Nicht an
der(cap. 19. v. 25.) allgemeinen
Gerechtigkeit oder Gottseeligkeit / indem er von GOTT selbsten das Zeugniß und
Lob hat / daß er schlecht und recht / gottsfürchtig gewesen sey / und habe das
Böse gemeidet:(cap. 1. v. 8.) nicht an der
Bürgerlichen / oder an der Gerechtigkeit die mit den Bürgerlichen Händeln und
Contracten beschäfftiget ist; In dem diese aus jener allgemeinen als ein
Bächlein aus seiner Quelle fliesset / und unwidersprechlich folget / daß wer
schlecht und recht und gottsfürchtig ist / auch schlecht und recht das ist
aufrichtig / ohne Falsch / Betrug und Ungerechtigkeit in dem gemeinen
Bürgerlichen Umgang mit seinem Nächsten seyn müsse. Welche Bewandnüß es auch mit
der Richter- oder Obrigkeitlichen Gerechtigkeit hat / die gleichfalls eine
schöne Tochter ist von jener schönen Mutter / der allgemeinen Gerechtigkeit oder
Gottseeligkeit. Und scheinet / daß Hiob von dieser der Richter- und
Obrigkeitlichen Gerechtigkeit rede / wenn er sagt / Gerechtigkeit war mein Kleid
daß ich anzog wie ein Rock / und mein Recht war mein Fürstlicher Hut. Seines
Rechts gedenckt er / und zeigt damit an / wie lieb und werth er das Recht und
die Handhabunge der Gerechtigkeit gehalten habe. Als sagte er: Mein mir liebes
und werthes Recht / die vornehmste Pflicht meines Am̅ts / habe ich
vor meinen besten Schmuck gehalten. Gerechtigkeit war mein Kleid das ich anzog /
und mein Recht war mein Fürsten Hut. Da den per , und zu
der Sachen desto mehrer Bekräfftigunge / durch beyde Worte Gerechtigkeit und
Recht einerley gemeynet ist / die Richterliche Gerechtigkeit / und derselben
Handhabunge / und kan wol seyn / da er des Kleides und Huts gedencket / daß man
zu seiner Zeit bey öffentlicher Halt- und Hegunge des Gerichts sich eines
besondern Habits mag bedient haben. Doch das gewisseste ist; Es werde damit
angezeiget / daß wie ein Fürstlicher Rock / Hut und Kleid eine Zierde ist an dem
der dieses trägt: Also habe er immer die Gerechtigkeit vor seinen Schmuck und
Ornat gehalten. Gerechtigkeit / sagt er in seiner Sprache / zog ich an / und sie
zog mich an / das ist / Ich führte mich so auf / daß die(
) Gerechtigkeit meine / und ich der Gerechtigkeit Zierde war: In
|| [14]
dem der Fürst Hiob Ehre hatte von dieser
Königine der er dienet / und diese Königinne wiederum durch diesen ihren Diener
berühmet und geehret würde. Da hingegen ein ungerechter Richter sein eigene und
der Gerechtigkeit Schande ist / und gleich einem Hofmeister der eine Jungfrau
die ihm anvertraut ist / schändet.
Was es für ein Kleid sey / damit er die Gerechtigkeit vergleichet / ist nicht
gantz gewiß / doch nicht zu zweiffeln / es sey ein kostbares Fürsten-Kleid / wie
die Fürsten im Volcke GOttes / in dem Kirchen- und Policey-Regiment getragen
haben: In welchem schönen und herrlichen Kleide die Gerechtigkeit auch bey dem
(Jes. 61. v. 10.) Propheten auffgeführt wird.
Ich freue mich in dem HErrn / und meine Seele ist frölich in meinem Gott / denn
er hat mich angezogen mit Kleidern des Heyls / und mit dem Rocke der
Gerechtigkeit gekleidet / wie einen Bräutigam mit priesterlichen Schmucke
gezieret / und wie eine Braut in ihrem Geschmeide berdet. Und das findet sich
auch an dem Hut / dessen er gedencket / sintemal das Hebräische Wort heisset einen solchen Hut / als auch der (Zach. 3. v. 5.) Hohepriester trug. Bey dem
Propheten Zacharia wird gemeldet / daß man dem Hohenpriester einen reinen Hut
auf sein Haupt gesetzet habe. Daselbigs Wort gebrauchet wird. Wie denn auch das
(2. Buch. Mose 28. v. 4.) Wort / mit welchem
des Hohenpriesters Hut benennet wird / von gleichen Wurtzel-Wort herstammet.
Doch die Policey-Fürsten / Könige / und Obrigkeitliche hohe Personen trugen auch
einen solchen (Jes. 62. v. 3.) Hut / wie zusehen
ist / bey dem Jesaia da es heisset / du wirst seyn eine schöne Krohne in der
Hand des HErrn / und ein Königl. Hut in der Hand deines GOttes. Einen solchen
Hut trug nun auch Hiob / der kein Priester sondern ein Gottseliger Weltmann und
vornehmer reicher Herr war / herrlicher denn alle die gegen Morgen wohneten;
darum es denn Lutherus gegeben hat ein Fürstlicher Hut. Von welchem Zeuge und
von welcher Figur und äusserlicher Gestalt ein solcher Priester- und Fürsten-Hut
gewesen / ist eine mehr curiöse als erbauliche Frage; Doch zeiget das Grund-Wort
, welchs umwinden heisset / an / daß es nicht solche
Hüte gewesen wie wir Europäer (vid. Lundius 3. B. der
Jüdischen Heiligthümer. c. 7.) tragen / sondern gewundene Bünde / wie
noch heutiges Tages die Morgen-Länder ihre Bünde auff dem Kopff tragen / die
Türcken ihr Türband / die Perser ihre Mendile. Diese Priester- und Fürsten-Bünde
waren von den schönsten sechsdrätigen subtilisten / weissesten aegyptischen
Leinwand gemachet / so kostbar und rar / daß es eine Krohne / oder Königlicher
Krohne nicht ungleich mag gewesen seyn / und der Lateinische Ubersetzer nicht
|| [15]
zu verdencken ist /
welcher es mit den Worte diadema gegeben Es könte noch mehr von diesen Hüten
angeführet werden / wenn wir versichert wären / daß es der Mühe verlohnete / und
der Zeit / die uns köstlich ist / wehrt wäre; Wir lassen uns daran gnügen / daß
wir verstehen / daß Hiob im Gericht viel schöner innerlich mit Recht und
Gerechtigkeit / als äusserlich mit seinem kostbaren Staats- und Standes-Kleide /
Rocke und Mantel am Leibe / und am Haupt mit dem allerköstlichsten Bunde
gezieret gewesen sey.
(2.) Die Fürstliche Milde und Clemence äusserte sich unter andern gegen zweyerley
Personen / gegen die Gebrechlichen oder Preßhaffte / und gegen die Armen oder
Dürfftigen. Unter den Gebrechlichen finden sich die Blinden und Lahmen. Ich war
/ sagt der Fürste Hiob / des Blinden Auge und des Lahmen Fuß. Etliche von den
Außlegern der Heil. Schrifft / und zwar die meisten / nehmen das Wort / Blind
und Lahm / im uneigentlichen und verblümten Verstande / und verstehen durch die
Blinde solche / die ihnen selbst wegen ihrer Unwissenheit und Verstandes
Schwachheit nicht rahten können: Durch die Lahme die ihnen selbst nicht helffen
können wegen ihres Unvermögens; Doch der eigentliche und unverblümte Verstand /
nach welchen ein Blinder ist und heisset / der seines Gesichts beraubet / und
ein Lahmer / der contract an den Füssen ist / findet auch Beyfall. Also daß die
Clemence und Barmhertzigkeit des Hiobs darinnen bestanden; Daß er den Blinden
und Lahmen in ihren Gerechtsamen beygestanden / und damit was ihnen an Augen und
Füssen gemangelt / ersetzet habe. Allein weil dieser letzterer Dienst in der
ersten Erklärunge mit eingeschlossen ist / nach welcher Blinde und Lahme alle
die sind / welchen es an Vermögen des Verstandes und des Leibes mangelt / so
bleiben wir bey solcher gemeinen Erklärunge / und halten / Hiob wolle so viel
sagen: Dem es mangelte am Rath / dem habe ich mit meinem Rath gedienet / und bin
sein Auge in seiner Blindheit gewesen / und gleichsam sein Wegweiser / da ich
ihn mit meinen Augen geleitet habe / und den Weg(Psal.
32. v. 8. 4. Buch. Mos. 10. v. 31.) gezeiget den er wandeln müste.
(Wie also Mose zu seinen Schwager Hobab sagte: Lieber verlaß uns nicht / du
weisest / wo wir in der Wüsten uns lagern sollen / und solt unser Auge seyn.)
Dem es aber mangelte an leiblichen Vermögen / dem
|| [16]
hab ich mit der That gedienet
/ und bin seine Füsse gewesen / auf welchen er hat können fortkommen / und zu
seinem Recht und Zweck gelangen. Kürtzlich / ich habe meinem Nechsten wo ich
habe können / gedient mit Rath und That / nachdem er meines Raths oder meines
würcklichen Beytritts benöthiget gewesen.
Die andere Classe derer gegen welche des Hiobs Clemence und Mildthätigkeit sich
geäussert / constituiren die Armen; (vers.
12.) Ich war / sagt er / ein Bater der Armen. Vorhin hatte er gesagt / ich
errettete den Armen der da schrye. Da er denn durch das klägliche und
erbärmliche Geschrey sich hat zum Mitleiden und Erbarmen bewegen lassen. Nu sind
aber viele Armen die nicht grosse Klage und Geschrey über ihr Armuth führen /
die sich des Bettelns schämen / und doch der Allmosen mehr benöthiget sind als
die Bettler / oder auch die welche in öffentlicher Armen-Verpflegunge stehen /
solche Armen / die wir die Hauß-Armen nennen. Auch dieser und aller Armen Vater
war Hiob. Denn wie ein Vater nicht allein denen Brod gibt / die ihn darum
beweglich bitten / und kläglich über Hunger schreyen / sondern auch die speiset
und kleidet die solches alles gebrauchen / ob sie gleich nicht winseln und
flehen / und also mit Auffthuunge seiner Vater-Hand nicht allemal so lange
anstehet und wartet / bis seine Ohren mit einen erbärmlichen Geschrey und
Geheule angefüllet werden: Also machte es Hiob auch: Er halff den Schreyenden /
aber auch sonst andern Armen / in und ausser Gericht / mit Nahrunge / Kleidunge
/ Vertheidigunge und Beschützunge wider Gewalt und Unrecht. Wie denn nicht
unglaublich ist / daß er mit diesen Worten wo nicht einig und allein / doch
zugleich mit gesehen habe auff die Gerichts-Händel und Streit-Sachen / welche
die Armen mit denen Reichern gehabt / da die Armen leicht unterdrücket werden /
wenn die Gerichts-Halter / Richter und Obrigkeiten Stieffväter der Gerechtigkeit
/ und Gabenfresser und solche sind / wie die waren (Jesai. 1. v. 23.) über welche der HErr klaget / deine Fürsten sind
Abtrünnige und Diebsgesellen / sie nehmen alle gerne Geschencke / und trachten
nach Gaben / den Waisen schaffen sie nicht recht / und der Wittwen Sache kömmt
nicht vor sie. Ein solcher Stieffvater der Gerechtigkeit und der gerechten Armen
war Hiob nicht /
|| [17]
sondern er
war ihr Vater / der in der Heil. Sprache seinen Nahmen von wollen hat / als
einer der (seinen Kindern) wol( à VOluntat. ( voluit) dictus.) will: Also
wolte Hiob allen Armen von Hertzen wol / und war ihnen mit recht väterlicher
Liebe / Erbarmunge und Gewogenheit in und ausserhalb Gerichte zugethan.
(3) Die richterliche Weißheit ist nicht weniger der Ruhm eines Regenten / als die
vorbeschriebene Gerechtigkeit und Mildthätigkeit. War denn nun auch Hiob mit
solcher Weißheit Gerichte zu halten gezieret? Freylich. Er ward durch die
Unbescheidenheit seiner verdrüßlichen Freunde genöthiget auch diese Wahrheit zu
Widerlegunge der Lügen und unerfindlichen imputationen zu bekennen: Welche Sache
ich nicht wuste / die erforschete ich. eine
Streit-Sache / nu möchte eine solche Sache durch des Klägers Bitte / oder durch
Denuntiation ins Gericht eingeführet und Rechtshängig worden seyn / oder Hiob
möchte sie selbst ex officio, und nach Erheischunge seines Ambts ins Gericht und
Inquisition gezogen haben / so lange er sie noch nicht nach allen Umständen
wüste / und das Factum durch gnugsame Zeugnüß oder den Eyd / oder eigen
Bekäntnüß und vorgezeigtes corpus delicti noch nicht hell und Sonnen-klar
erwiesen war / so forschete / suchete / und bemühete er sich so lange / bis er
sie gewiß und gründlich nach allen Umständen erführe. Dazu ließ er ihm kein Mühe
verdrüssen / und keine Zeit zulang werden. Und solcher Gestalt hatte das was
seine völlige Zeit hatte / gleich der Frucht im Mutterleibe / so zusagen / Hände
und Füsse: Und kamen alle Urtheile dieses gerechten Fürsten und Richters schön
und wolgestalt ans Licht. Da hingegen das was plötzlich heraus geköcket wird /
gar sehr und heßlich stincket. Sie köcken die Urtheile heraus / sagt der HErr
bey dem Propheten.(Jes. 28. v. 7.) Was machets?
Noverca justitiae, praecipitantia, die Ubereilunge / die eine Stieffmutter der
Gerechtigkeit / und der Weißheit Feindin ist. Expende! Alles mit Bedacht! Hiob
forschete und untersuchete die Sachen. Das Forschen / sagt ein Evangelischer
Lehrer / gehöret als ein Stück schuldiger Ambts-Sorge für Regiments-Personen;
Sintemahl wenn bey Streit-Händeln(Geier Allgegenwart
GOttes. c. 6. 5. Buch Mos. 19. v. 18.) zwischen den Partheyen / und
bey Zeugen-verhören nicht alles so klar war / so hieß es: Die Richter sollen wol
forschen. Und abermal: Das Wort bedeutet eine genaue /
unverdrossene / und scharffe Durchsuchunge eines Dinges / da man gerne hinter
dem rechten Grund kommen will / also daß man alle Umstände in acht nimmt / eines
gegen das andere hält / auff die rech
|| [18]
ten Ursachen dringet / damit also das Dunckele klar / das
Ungewisse gewiß / und das Verborgene offenbar werden möge. u. s. w. In welchem
Absehen auch Hiob von sich schreibet / welche Sache ich nicht wuste / die
erforschete ich. Und in solchen Forschen war der weise König Salomo / der ein
gehorsames und verständiges Hertz / Gericht zu halten / und sein Volck zu
richten und zu regiren von GOTT verlanget und erlanget hat / ein rechter Meister
/ und unsers Hiobs Nachfolger. Dann als zwo Mütter über ein im Schlaff
erdrücktes / und über ein noch lebendes Kind uneins und vor Gericht streitig
wurden / und keine des Todten / sondern eine jede des Lebenden Mutter seyn
wolte: da ließ der König Salomo Ihm ein Schwerdt holen / und befahl das
lebendige Kind in zwey Theile zu theilen / und einer jeglichen eine Helffte zu
geben. Da wurd der wahren Mutter des lebenden Kindes Angst / und ihr
mütterliches Hertz entbrannt über ihren Sohn / daß sie sprach: Ach mein HErr /
gebet ihr das Kind lebendig / und tödtet es nicht. Die andere aber sprach / es
sey weder mein noch dein / laß es theilen. Da sprach der König / gebet dieser
das Kind lebendig / und tödtet es nicht / die ist seine Mutter. Und das Urtheil
erschall vor dem gantzen Israel / das der König gefället hatte / und fürchteten
(1. Buch. König. 3.) sich vor dem Könige /
denn sie sahen / daß die Weißheit GOttes in ihm war Gericht zu halten. Sehet /
das war eine herrliche und die erste Probe der von GOtt erbetenen und erlangeten
richterlichen Weißheit. Das war der Ruhm Salomonis eines tüchtigen und weisen
Regenten / das ist auch der Ruhm Hiobs / als eines weisen und tüchtigen Fürsten
und Richters / welche Sache ich nicht wuste / die erforschete ich.
Wol dem Lande / des König / Fürst und Herr ist / wie Hiob war / justus, clemens,
sapiens, gerecht / gnädig und verständig! Wol dem Lande / das GOtt beglücket hat
mit einem gerechten / Gerechtigkeit-liebenden / und handhabenden Regenten! Denn
ein König richtet das Land auff durchs Recht / Gerechtigkeit erhöhet ein Volck /
aber die Sünde ist der Leute (Spr. Sal. 29. v. 3. und
Spr. Sal. 14. v. 34. 2, Sam. 8. 15.) Verderben. Welcher König in Israel
hat diß Volck mehr erhöhet als David? Und das that er durch Gerechtigkeit. David
ward König über gantz Israel / und er schaffete Recht und Gerechtigkeit allem
Volcke. Also blieb es noch zu Salomons Zeiten / da Juda und Israel sicher
|| [19]
wohneten / ein jeglicher unter seinen Weinstock und
unter seinen Feigenbaum / von Dann an bis gen Berseba so lange Salomo(1. B. der Kön. 4. v. 25. 1. B. der Kön. 10. v.
9.) lebete / welcher Gericht und Recht hielt. So bald aber sein Sohn
und Nachfolger am Regiment / der Rehabeam den Ständen entweder ihr Recht / und
gerechte Bitte versagte / oder doch wenigstens mit rauhen / und nach
Ungerechtigkeit und Tyranney-schmeckenden Worten beantwortete / that dieses
Reich einen erschröcklichen Fall von seiner Höhe / zu welcher es unter David und
Salomo hinauffgestiegen war. Es rissen sich gantzer 10. Stämme vom Hause Davids
ab / und wurffen einen eigenen König auff / aus welchen Riß viel Unglücks / in
der Kirchen und Policey / als Abgötterey / Gottlosigkeit / Kriege und
Streitigkeiten erfolgeten. Was ists / das allem solchen Unwewesen steuret? Die
Gerechtigkeit. Was schützet die Unterthanen? Die Gerechtigkeit der Regenten? Was
erhält sie bey ihren Ehren / Gütern / und bey dem Leben selbst? Thuts was anders
als die Gerechtigkeit der Regenten? Was machets / daß die Unterthanen ruhig und
ohne Sorge feindlichen Uberfals / und ohne Schröcken sicher schlaffen und ruhen
können? Das machets / wenn die Regenten die Gerechtigkeit gegen Unterthanen und
männiglichen beobachten. Was hält die Landstrassen rein / daß / wie man sagt /
einer Gold auff dem Kopff tragen / und vor Strassenräubern auch mit solchen
offenbaren Schatz sicher seyn möchte? Das haben wir den gerechten Regenten / und
GOtt / durch welchen und nach welches Willen sie regiren / zu dancken. Die
Gerechtigkeit ist der Unterthanen Vormauer / und Bollwerck. Die Gerechtigkeit
ist treuen Unterthanen und den Stillen im Lande ein starcker Schutz / Schild und
Harnisch wider die feindliche Unternehmunge und Zunöthigungen der Gottlosen. Den
Gottlosen ist die Gerechtigkeit ein vorgeschobener Riegel / und vorgeworffener
Damm / daß sie nicht mit aller ihrer Boßheit durchdringen / und leichtfertig
dahin fahren können wie Wasser. Sie ist ein Kappezaum und Gebiß so ihnen ins
Maul geleget / eine Kette damit ihnen die Fäuste gebunden werden / nicht alles
zu thun nach ihren Muthwillen. Die Gerechtigkeit ist des Landes und Regiments
Grundveste / durch(Spr. Sal. 16. v. 12. Psal. 89. v.
15.) Gerechtigkeit wird der Thron befestiget / ja so gar der Göttliche
Regenten Stuhl selbst. Gerechtigkeit und Gericht ist deines Stuhls Vestunge / so
redet David seinen GOtt an. So nu GOttes Reich auff Gerechtigkeit als seine
Grundveste gesetzet ist / wie kan die Regirunge eines Menschen ohne dieselbe
|| [20]
bestehen? Ungerechtigkeit verwüstet alle Lande / und
böß Leben (Sapient. 6. v. 1.) stürtzet die Stühle
der Gewaltigen. Und was sind grosse und gewaltige Königreiche ohne Gerechtigkeit
anders als grosse Raub-Nester? Welche in die Harre nicht bestehen / sondern
(Obad. v. 4.) von GOtt verstöret und
gestürtzet werden. Wenn du denn gleich in die Höhe führest / spricht GOtt / wie
ein Adler / und machtest dein Nest zwischen den Sternen / dennoch will ich dich
von dannen herunter stürtzen. Die Gerechtigkeit ist der Regenten hohe Ehre / und
die schöneste Ehren-Krohne / ihr Ehren-Kleid / ihr Fürsten-Hut. Wol dem Fürsten
und Herren / der am Tage des Gerichts und in der Stunde der Anfechtunge mit Hiob
sagen kan: Ich zog die Gerechtigkeit an / und sie zog mich an / ich legte sie an
wie einen Mantel und wie einen Hut. Diß war / wie Hiobs / also auch des Samuels
Trost und (1. Sam. 12. v. 3. 4.) Trotz wider seine
Neider; Siehe / hie bin ich: Antwortet wider mich vor dem Herrn / und seinen
Gesalbeten (den König Saul) ob ich jemandes Ochsen oder Esel genommen habe? ob
ich jemand habe Gewalt oder Unrecht gethan? Ob ich von jemands Hand ein
Geschencke genommen habe / und mir die Augen blenden lassen? So will ichs euch
wieder geben. Sie sprachen: Du hast uns keine Gewalt noch Unrecht gethan / und
von niemands Hand etwas genommen.
Wol dem Lande des König / Fürst / und Herr ist / wie Hiob war / Justus, clemens,
Sapiens, das ist / gerecht / gnädig und verständig! Wol dem Lande das GOtt
beglücket und begnadet hat mit einem gnädigen / gütigen und milden Regenten!
(Prov. 19. v. 12.) Denn die Gnade des Königes
/ (eines Regenten) ist wie Thau auff dem Grase. Wie nützlich der Thau dem Grase
ist / welches des Tages von der Sonnenhitze ausgedörret ist / so nützlich ist
ein mildthätiger Regent den Unterthanen; Denn er ist des Blinden Auge / des
Lahmen Füsse / und des Armen Vater. Wenn des Königes (Regentens) Angesicht
freundlich ist / das (Prov. 16. v. 15.) ist Leben
/ und seine Gnade ist wie ein Abendregen. Wie ein Abendregen erfreulich ist nach
der Hitze / so die Gnade und Milde eines Landes-Herren den Bedrückten / die
ihnen selbst nicht rathen noch helffen können. Christus unser Heyland sagt / die
(Luc. 22. v. 25.) Gewaltigen heisset man
gnädige Herren / Wolthäter. Wozu ist ihm denn auch von
GOtt so grosse Gewalt gegeben / als daß sie derselben zum Nutz und Dienst ihrer
Unterthanen gebrauchen sollen? Es ist ja ihnen nicht weniger als den geringsten
(1. Pet. 4. v. 10.) auff Erden gesagt / dienet
einander / ein jeglicher mit der Ga
|| [21]
be / die er empfangen hat / als die guten Haußhalter der
mancherley Gnaden GOttes. Es ist je ihnen nicht weniger Ernst in ihren Gebeth /
als den Geringsten in ihrem Lande / wenn sie in und mit der Christlichen Kirchen
singen:
Es ist ja HErr / dein Geschenck und Gabe / Mein Leib und Seel / alles was ich habe In diesem armen Leben / Damit ichs brauche zum Lobe dein / Zu Nutz und Dienst des Nechsten mein / Wollest mir deine Gnade geben! Von dieser Tugend haben die Regenten den allerlieblichsten und ihnen so wol rühmlichsten / als ihren Unterthanen erfreulichsten Nahmen / eines Vaters des Vaterlandes oder (wie Hiob es für seinen Ruhm und Ehre hält / sich zu nennen) eines Vaters der Armen. Von der Gerechtigkeit haben sie / daß(vid. Senec. l. 1. de clem. c. 14. Psal. 68. v. 6.) sie gerechte Richter sind / von der Milde und Clemence, daß sie Väter heissen. Wie GOTT ist beydes ein Richter der Wittwen / und ein Vater der Waysen / also die Götter auff Erden. Wie aber der Richter-Nahme / und der Ruhm der Gerechtigkeit noch etwas vom Stachel hat wider die Ungerechten / also hat dieser Vater-Nahme nichts als den süssen Honig der Liebe / Güte / und Gewogenheit. Viel erfreulicher und tröstlicher ist dieser Vater-Nahme / denn jener / eines gerechten Richters. Hören und bedencken wir / daß GOtt ein Richter ist / und ein GOtt der täglich dräuet / wer solte sich nicht fürchten? Hören und bedencken wir / daß GOtt ein Vater aller Barmhertzigkeit ist / wer solte sich nicht freuen? Je näher die Fürsten und Herren in ihrem Ambte ihren obersten Lehens-Herrn kommen / von dessen Gnade sie sich schreiben / desto näher müssen sie ihm auch seyn in der Gnade und Güte. Keine Tugend ist / daß ich so sage / menschlicher als die durch welche wir den Menschen gütlich thun / und uns sein erbarmen in seiner Noth: Aber unter(vid. Senec. l. 1. de clem. c. 3.) allen Menschen sind keine welchen diese Tugend mehr zu kömmt / als einem Könige oder Fürsten. Ein Regent und Landes-Vater ist qui non tantum praeest, der nicht nur herrschet und gebeut / denn das kan auch wol ein Tyranne / sondern qui prodest, der seinen Unterthanen nützet / und mit väterlicher Huld und Gnade zugethan ist; Der zu erkennen weiß / non Rempubl. suam(vid. Senec. de clem. l. 1. c. 19.) esse, sed se Reipubl. Der alles hauptsächlich auff den Nutzen der
|| [22]
Unterthanen / und das Heyl des
Vaterlandes richtet / nach dem aber und unter diesem allgemeinen Heyl seine
eigene Wolfahrt mit rechnet. Wie ein Vater in der Wolfahrt des Kindes seine
eigene setzet. Welcher ein Christlicher Fürste seyn will / (Tom. 2. Jen. germanic. sol. 202.) schreibet der
seel. Lutherus, der muß warlich die Meynunge ablegen / daß er herrschen und mit
Gewalt fahren wolle: Denn verfluchet und verdammet ist alles Leben / daß ihm
selbst zu Nutz und Gut gelebet und gesuchet wird / verfluchet alle Wercke die
nicht in der Liebe gehen; Denn aber gehen sie in der Liebe / wenn sie nicht auff
Eigennutz / Ehre / Gemach / und Heyl: Sondern auff anderer Nutz / Ehre und Heyl
gerichtet sind von gantzen Hertzen. Und bald darauff. Ein Fürst dencke nicht /
Land und Leute sind mein / ich will es machen / wie mirs gefällt: Sondern also:
Ich bin des Landes und der Leute / ich soll es machen / wie es ihnen nütz und
gut ist.
Wol dem Lande des König / Fürst und Herr ist / wie Hiob war / justus, clemens,
sapiens. Das ist / gerecht / gnädig und verständig! Das GOtt beglücket hat mit
einem weisen und verständigen Regenten! Denn ein kluger König (Regente) (B. der Weißh. 6 v. 26. Psal. 101.) ist des Volckes
Glücke. Die Gnade und das Recht müssen stets bey einander seyn / wie der
Regenten-Psalm lautet; Von Gnade und Recht will ich singen. Das Band / damit
diese beyde Regenten-Tugenden / Gerechtigkeit und Gnade verknüpffet werden / ist
die Weißheit. Sie gehet zwischen beyden die Mittel-Strasse / und findet ein
Temperament aus / sie ist das rechte Gewichte so zu einer Seite den Ausschlag
gibt. Wo keine Weißheit ist / da fält beydes Gerechtigkeit und Gnade auff die
Erde / und wird zutreten. Denn was hilfft es / daß ein Regente Gerechtigkeit und
Milde liebet / so er sie nicht weißlich übet? Sondern vielmehr wo er
Gerechtigkeit üben solte / da unzeitige Barmhertzigkeit erweiset / wie Saul
gegen die (1. Sam. 15. 2. Sam. 21. v.
7.) Amalekiter und ihren König Agag. Hinwiederum wo er Gnade erweisen und
schonen solte / da strenge und unzeitig oder all
|| [23]
zu gerecht ist / wie
abermal Saul war gegen die Gibeoniter. Darwider der Prediger Salomo warnet / sey
nicht allzu gerecht.(c. 7. v. 17) Da wird
mannigmal Feuer an statt Wassers / und Wasser an statt Feuers ergriffen / und
Gnade erwiesen / wo das Rach-Schwerdt blincken / oder zum wenigsten das Schwerdt
des Mundes gebrauchet und sonst bezeuget werden solte / daß man es ungnädig
nehme: Dahingegen wird offtmalen die Gerechtigkeit vorgeschützet / und Strenge
gebrauchet / und die Tugend gestraffet / die belohnet zu werden verdienet hat.
Wie Saul also seinen Doëg und dem David mit fuhr. Ja David(2. Sam. 16) selbst dem Ziba und dem Mephiboset.
Gewißlich es ist wie Augustinus sagt: (Sicuti est
aliquando misericordia puniens, ita & crudelitas parcens. Nam (ut
exempli gratia manifestum aliquid ponam) quis non crudelem verius dixerit
eum, qui puero pepercerit volenti obstinatissimè de serpentibus ludere? quis
autem non misericordem? qui talia prohibens contemptorem verborum etiam
verberibus emendaverit. Augusti. Tom. 2. Epist. 54. ad Macedonium.) So
wol eine straffende Barmhertzigkeit / als sträffliche und unzeitig-barmhertzige
Grausamkeit. Darum ist die Weißheit ihnen nöthig als eine rechte Mittlerin
zwischen diesen beyden; Da ist zu rechter Zeit / und wenn es GOttes Ehre / und
der Unterthanen Sicherheit und Wolfahrt erfodert / ein Regente strenge / wie
Sirach sagt / ein weiser Regente(c. 10. v. 1.)
ist strenge. Und der Apostel / die Obrigkeit ist GOttes Dienerinne / dir zu gute
/ thust du aber böses / so fürchte dich(Rom. 13. v.
4.) denn sie träget das Schwerdt nicht umsonst / sie ist GOttes
Dienerinne / eine Rächerinne zur Straffe über den der böses thut. Da ist auch
ein löblicher Regent zu rechter Zeit und da es der Diener oder Unterthanen Treue
/ oder auch Elend und Unglück wol wehrt ist / gnädig / mild und barmhertzig. Und
hiezu daß solches alles GOtt zu gnädigen Gefallen / dem Lande und der Kirchen
zur Auffnahme geschehe / gehöret die Weißheit die von Oben herab kömmt / welche
ihr sagen lässet / und ist gelinde / voll Barmhertzigkeit und guter Früchte /
unpartheisch / ohne Heucheley. Da gilt es weißlich forschen / und(Jac. 3. v. 17.) erkundigen / was ein Herr an
seinen Dienern und Unterthanen habe / wie sie gegen GOtt und ihre Herrschafft
gesinnet seyn / wie recht oder unrecht ihre mit andern habende Streitigkeiten
seyn: Da siehet ein solcher rühmlicher Regente nicht mit fremden allein /
sondern auch mit eigenen Augen. Er verläst sich nicht auff seine Räthe und
Diener / daß er seine Unterthanen und obrigkeitliche Verrichtunge selbst aus der
Acht lässet: Son
|| [24]
dern
thut wie David der seine eigene Augen gebrauchte / nach (Ps. 101. v. 6.) dem Zeugnüß Davids. Meine Augen
sehen nach den Treuen im Lande.
Weil aber diese Weißheit nach dem Beyspiel Salomonis, (c. 1. v. 5.) und des Apostels Jacobi Lehre / welche diese ist / so
jemand unter euch Weißheit mangelt / der bitte von GOtt; durchs Gebeth von dem
Vater alles Lichtes erhalten werden muß / und wir wol wissen / daß GOtt die
halßstarrigen Sünder nicht höret / sondern nur den der ihn fürchtet und recht
thut; Und daß (B. der Weißh. 1. v. 4.) die
Weißheit nicht kömmt in eine boßhafftige Seele. So wird beydes von beyden
erfordert / nemlich fleißiges Gebeth und ein Gottseeliges Leben von Regenten und
Unterthanen: Daß man ja nicht wähne / es sey mit einer natürlichen / oder
weltlichen Weißheit alles ausgerichtet / sondern wisse / daß alles an GOttes
Gnade und Seegen gelegen sey. Da heist es nach dem Prediger (c. 9. v. 11.) Salomo, zum Lauffen hilffet nicht
schnell seyn / zum Streit hilffet nicht starck seyn / zur Nahrunge hilffet nicht
geschickt seyn / zum Reichthum hilffet nicht klug seyn / da sind alle Menschen
Narren (Jes. 57. v. 17.) mit ihrer Kunst. Da
wissen wir / daß des Menschen Thun (Jer. 10. v.
23.) stehet nicht in seiner Gewalt / und stehet in niemandes Macht /
wie er wandele oder seinen Gang richte. Da schlägt des Menschen Hertz seinen Weg
wol an / aber der HErr allein gibt / (Spr. S. 16. v.
9.) daß er fort gehe. Welcher Herr und Regente allem diesem Rath GOttes
gehorchet / der regiret also sein Volck / daß er bey seiner Regirunge GOtt
gefällig und den Menschen wehrt / ein tüchtiger Regente / und würdig sey /
Princeps pius, sapiens, justus & clemens gerühmet zu werden.
Nu will ich E. Christl. L. und das gantze Land / urtheilen lassen / welch Recht
und Antheil unser in GOtt ruhender Landes-Herr / der Durchlauchtigste Hertzog
RUDOLPH AUGUSTUS, an diesem Hiobs-Ruhm habe: Gerechtigkeit war mein Kleid / daß
ich anzog wie einen Rock / und mein Recht war mein Fürstlicher Hut. An der
Gerechtigkeit des Glaubens / welche ist die Gerechtigkeit JEsu Christi /
mangelte es Ihm ja nicht; Da er sich wie in der gesamten Lehre unserer
Evangelischen Kirchen / also auch sonderlich in der Haupt- und Gräntz-Vestunge
solcher heiligen Religion (wie die Theologi die Lehre von der Rechtfertigunge
des armen Sünders vor GOtt Acropolin, das ist die Gräntz-Vestunge der waren
Religion zu nennen pflegen) durch GOttes Gnade bis an
|| [25]
sein Hochseeliges Ende
verwahret und behalten hat / daß er durch Irrthum der ruchlosen Leute nicht
verführet / noch entfallen(2 Pet. 3. v. 17.) ist
aus seiner eigenen Vestunge / wie er in JESUM Christum und auff seinen Tod
getauffet war / also ist er auch in diesen seinen einigen Mittler und
Seeligmacher gestorben. So mangelte es dem Hochseeligsten Herrn nicht an der
allgemeinen / doch nur angefangenen und noch mit vielen Unvollkommenheiten
befangenen Gerechtigkeit des Lebens / oder an der Christ-Fürstlichen
Gottseeligkeit / so Se. Durchl. bewiesen haben / in der Liebe GOttes / und
seines H. Worts; In besonderer Hochachtunge anderer / vor allen aber des
seeligen Lutheri, geistreicher Schrifften / welche sie sonderlich wehrt gehalten
/ und als ein Kleinod aufsuchen und auffheben lassen / vornemlich was von erster
und ältester Edition sothaner Evangelischer Schrifften aus diesen / des Lutheri,
Zeiten zu finden gewesen. Insonderheit blicket diese Liebe zu GOTT und seinem
Dienst die gantze Zeit Dero Regirunge hervor in Hochlöblicher Beschützunge der
Kirchen / und Erhaltunge des lieben GOttesdienstes nach der ungeänderten
Augspurgischen Confession. O wie sorgfältig war dieser Lutherscher Fürst /
solchen Aug-Apffel unserer Kirchen zu bewahren / und das Kirchen-Wesen in dem
guten Zustande zu erhalten / in welchem er es aus seines Hn. Vaters
Christ-mildester Gedächtnüß liebwerthesten Händen empfangen hatte! Wie ein
grosser Feind war er aller ohnnöthigen / gefährlichen / geschweige der H.
Schrifft / und dem corpori Doctrinae Julio wol gar widerstreitenden Veränder-
und Neuerunge. In dem er gar wol wuste / und zweiffels ohne Christ-Fürstlich
bedachte / daß ob wol wider GOttes klares Wort kein Kirchen-Gebrauch und
Gewohnheit / wie alt dieselbe immer mehr seyn mag / gelten noch bestehen kan /
sondern der Wahrheit billig weichen muß / gestalt sich Christus der HErr auch
nicht die Gewohnheit / sondern die Wahrheit genennet hat; (Advertendum est (scribit Gregorius Primus, seu ut alii
opinantur Gregor. Septimus) quod dominus dicit: Ego sum
veritas & vita: non dixit, ego sum consuetudo, sed veritas. Et
certè (ut B. Cypriani utamur sententiâ) quaelibet
consuetudo, quantum vis vetusta, quamtumvis vulgata, veritati omnino est
postponenda, & usus qui veritati contrarius est, abolendus. Uti
quoque Augustinus, ac Cyprianus in eandem sententiam adducuntur in Jure
Canonico dist. 8. c. 5. 6. 8. 9. qui nonus & ultimus canon ex Cypriano
notanter ita decernit: Si solus Christus audiendus est, non debemus
attendere, quid aliquis ante nos faciendum putaverit, sed quid, qui ante
omnes est, Christus prior fecerit: neque enim hominis
consuetudinem sequi oportet, sed DEI veritatem, cum per Esaiam Prophetam
DEus loquatur & dicat; sine causa autem colunt me, mandata &
doctrinas hominum docentes. Esa. 29, 13. Matth. 15, 7.) Und
wir Christum allein in sei
|| [26]
nem Worten zuhören / nicht aber darauff zu achten haben / was (Jes. 29. v. 13. Matth. 15. v. 9.) andere vor uns
gethan: Wie denn auch der Prophet ja Christus selbst sagt: Vergeblich dienen sie
mir / dieweil sie lehren solche Lehre / die nichts denn Menschen-Gebote sind.
Doch dennoch auch das gewisse bleibe / daß man alte Kirchen-Gebräuche / nicht
leicht / und ohne Noth / zum Aergernüß der Schwachen und anderer Gefähr- und
Beschwerligkeiten / wenn gleich ein und ander (Praeclare Augusti: Epist. 118. ad Januar: Mutatio consuetudinis etiam quae
adjuvat utilitate, novitate perturbat.) Schein-Nutz vorgegeben wird /
verrücken / und ändern solle. Und also liessen Se. Durchl. Hochseeligen
Andenckens / nicht weniger Dero Fürst-brüderlicher Mit-Regente / unsers nunmehro
allein regirenden gnädigsten Herrn Durchl. die von Dero Christ-Evangelischen
Herrn Vater / und andern Hohen Vorfahren an der Regirung nach der Augspurgischen
Bekäntnüß / dem corpore Doctrinae Julio und der H. Schrifft gemacht- und
gezeichnete Gräntze / ungeängert und unverrücket. Darauff verwieß dieser
theuerster Landes-Vater die Kirchen- und Schul-Diener / und alle seine
Unterthanen / darnach richtete er sich selbst zu einem hochlöblichen Exempel der
treugehorsamsten Landes-Kinder und aller Evangelischen Christen.
Zwar versuchete in einem und andern / und nahmentlich in dem Gebrauch des H.
Abendmahls / der Satanas sein Heyl / und erweckete / weiß nicht / welchen oder
welche / die den lieben Gottseeligen Herren mit solchem Uberreden müssen
beykommen (Gal. 5, 7.) seyn / von welchen Paulus
sagt: Ihr lieffet fein. Wer hat euch auffgehalten der Wahrheit nicht zu
gehorchen / solch Uberreden ist nicht von dem der euch beruffen hat: Ein wenig
Sauerteig versäuret den gantzen Teig. Wer euch irre machet / der wird sein
Urtheil tragen / er sey wer er wolle. Aber wie ist nicht der böse Feind hier zu
Schanden worden! Wie speiete nicht die außerwehlte Seele demselben zuletzt ins
Angesicht / und detestirte allen solchen Betrug nicht nur mit nachdencklichen
bußfertigen Worten / sondern auch mit der That selbsten und mit thätiger
höchst-andächtiger Geniessunge des Heil. Abendmahls / und beweglichster
Preisunge des gütigen / langmüthigen und barmhertzigen GOttes! Ach GOtt welche
Zeit hast du uns erleben lassen! Wie nimmt die Verführunge / und allerley
Ver
|| [27]
derbnüsse der
Leute und Zeiten mehr und mehr zu! daß / wo es müglich wäre / auch die
Auserwehlten möchten in den Irrthum verführet werden. Du aber / O treuer GOtt /
lässest deine(Matth. 24. v. 24. 2. Pet. 2. v.
9.) Außerwehlten in der Versuchunge nicht stecken / noch verderben.
Der HErr / ihr Außerwehlte / weiß die Gottseeligen aus der Versuchunge zu
erlösen. Die Sonne / wenn gleich dicke Wolcken vortreten / bricht doch endlich
hindurch / und ist desto lieblicher und erfreulicher / weil sie eine Weile
verborgen gewesen. Wie ferne kan der himmlische Vater mannigmal seine Kinder
irren / und auff Neben-Wege treten lassen! die er doch zu seiner Zeit wider heim
und zurechte bringet.
Richtet nur nicht von solchen Schwachheiten der Gläubigen ihr Sünder nach eueren
fleischlichen und ruchlosen Sinn: Als hätte man dergleichen für nichtswürdige
Kleinigkeiten zu achten / und als wenn es zu viel und harte geredet sey / wenn
die Kinder GOttes bußfertig und reuig erkennen und bekennen daß sie vom Satan
verführet / und ihr Verführer des Teufels seyn. Sie haben nicht euern
verblendeten sondern Christi erleuchteten Sinn. Christus / als Petrus guter
Meynunge und aus Liebe ihm einrieth / daß er sein selbst schonen und seinem
Leyden aus dem Wege gehen solte / brauchte diese herbe Worte: Hebe dich Satan
von mir du bist mir ärgerlich / du meynest nicht was Göttlich / sondern was
menschlich ist. Die Heiligen sind zartes Gewissens. Es ist ihnen fast Angst. Dem
heiligen(Matt. 16. v. 23. 2. Sam. 24, 10.
14.) und gewissenhafften David schlug das Hertz da er das Volck
gezehlet hatte; Und er sprach zum HErrn / ich habe schwerlich gesündiget / daß
ich das gethan habe. Und nu HErr nimm weg die Missethat deines Knechts / denn
ich habe sehr thörlich gethan. Und da er nur einen Zipffel abgeschnitten hatte
von dem Rocke seines Königs / schlug er in sich / und dachte er hätte(1. Sam. 24. v. 6.) schon zu viele gethan. Von
solchen nicht klein und geringe geachteten / sondern großgemachten Sünden der
Gläubigen heisset es: Wo die Sünde mächtig worden ist / da ist doch die
Gnade(Rom. 5. v. 20.) viel mächtiger worden.
Je mehr die Sünde erkannt wird / desto grösser ist die Gnade der Rechtfertigunge
/ der Heiligunge / der Christlichen Vorsichtigkeit / der kindlichen Liebe und
Danckbarkeit. Ihr sind / heisset es von einer solchen Seele / viele Sünde
vergeben denn sie hat viele geliebet. Welchem aber(Luc. 7. v. 47.) wenig vergeben wird / daß ist / welcher seine Sünde
nicht erkennet / oder klein machet / und der Vergebunge derselben nicht groß
achtet / der liebet wenig. Beschönet und entschuldiget
|| [28]
auch eure beharrliche
Verachtunge des H. Abendmahls und andere herrschende Sünde mit solcher
Schwachheit nicht / bemäntelt nicht eure Boßheit mit dergleichen Nachläßigkeit
und Versäumnüße; Redet nur euren tödtlichen Seelen-Schlaff nicht das Wort mit
diesem Schlummer der Frommen. O wenn zwey einerley thun / so ist es nicht so
fort einerley: Denn es ist nicht einerley Hertz. Aaron und Miriam redeten beyde
(4. Buch. M. 12 / 1. 1. Buch. Mos. 17. und 18. 4.
Buch Mos. 1. 2. Sam. 24. 1. Chron. 30. v. 17.) wider Mosen; Abraham und
Sara lachten beyde. Moses und David zehleten beyde das Volck. Paulus und die
falsche Apostel beliebten die Beschneidunge beyderseits u. s. w. Da thun immer
zwey einerley / und ist doch nicht einerley; Warum aber ist es nicht einerley!
Weil das Hertz derer die es thun nicht einerley ist. Ich weiß mein GOtt / daß du
das Hertze prüfest / und Auffrichtigkeit ist dir angenehm. Auffrichtigkeit kan
seyn bey dem was die Kinder GOttes unrecht thun / und Gottlosigkeit kan seyn bey
dem was die Sünder vor den Augen der Menschen recht thun. Ein Mensch siehet was
vor Augen ist / (1. Sam. 16. v. 7.) der HErr aber
siehet das Hertze an. GOtt mag wol eine ihren JEsum auffrichtig-suchende Seele /
etwas ferne / wie eine Mutter ihr Kind / von sich gehen lassen: Aber er lässet
sie nicht aus seinen Augen / vielweniger aus seinem Hertzen / da er doch
geschehen lässet / daß die unnütze Knechte und Heuchler ihm aus (Matth. 25. v. 12. Matth. 7. v. 23.) seinen
Gnaden-Augen / und aus dem Sinn kommen / von und zu welchen er saget: Warlich
ich sage euch / ich kenne euer nicht. Ich habe euch noch nie erkannt / weichet
alle von mir ihr Ubelthäter! Der Fluch wird auff die Schlange / und Verführer /
hingegen der Seegen Christi auff Adam und die Verführte geleget.
Wie nun der Teuffel selbst unserm theuerstem Landes-Vater den Ruhm der gemeinen
Christen-Gerechtigkeit nicht nehmen können. So wird die Welt ihm den Ruhm der
besondern Regenten-Gerechtigkeit auch lassen müssen. Solte auch hier dann und
wann warhafftig gefehlet seyn / wie alle Menschen (Jac.
3, 2.) / auch die Heiligen / mannigfaltig fehlen: Oder nur von jemande
bevorab in seiner eigenen Sache / darinne er aber nicht wol Richter sein kan /
dafür also angesehen werden; So nimmt doch ein und ander vermeynter oder auch
warhafftiger Fehler dem Ruhm der richterlichen Gerechtigkeit so wenig / als
wenig die Fehltritte des Lebens dem Ruhm der allgemeinen Gerechtigkeit
abbrechen. Wird denn der Hochseeligste in Ansehunge
|| [29]
der allgemeinen Gerechtigkeit
/ von einigen ein theologischer Fürst benahmset / so mag er in Ansehunge dieser
billig heissen / Sacerdos(Rom. 8. v. 1.)
justitiae, ein Priester der Gerechtigkeit. Wer nicht wider besser Wissen und
Gewissen unrecht thut / der thut was er unrecht thut / so / daß nichts
verdammliches in ihm ist / weil er in Christo JEsu ist / und nicht nach dem
Fleische wandelt / sondern nach dem Geiste. Ein David hat auch einen Ziba um
sich / und wird durch denselben praeoccupiret und eingenommen / daß wol ein
Mephiboseth über Unrecht klagen mag / und doch David den Ruhm eines gerechten
Königs behalte. Es bleibet(2. Sam. 16, 3. 4. & 19,
29. Ps. 101.) doch dennoch David gerecht und die reine Wahrheit was er
sagt in seinem Regenten-Psalm. Von Gnade und Recht will ich singen / und dir
HErr Lob sagen. Ich handele fürsichtig und redlich bey denen die mir zugehören /
und wandele treulich in meinem Hause. Ich nehme mir keine böse Sache für u. s.
w. Wie unser in GOtt ruhender Landes-Fürst Ihm so fort bey dem Anfang der
Regirunge ernstlich vorgenommen habe / über Recht und Gerechtigkeit zu halten /
gab er mit dem Fürstlichen Wahl und Leib-Spruche zu erkennen / Rectè Agendo.
Welcher auf den itzt angeführten Regenten-Psalm / und auf die Worte gerichtet
war: Ich wandele auf der Strasse des Rechts.(Sprüch.
Sal. 8. v. 20.) Weil aber der Hochseeligste Herr wol erkannte / daß er
dazu des Göttlichen Beystandes höchst benöthiget wäre / so müste es auch nach
den Worten Sirachs / doch in dem allen ruffe auch(Sir.
37. v. 19.) den Allerhöchsten an / daß er dein Thun gelingen und nicht
fehlen lasse / heissen: Remigio Altissimi. Das ist
Das Schiff wird wol regirt Wenn GOtt das Ruder führt. Von dem höchstverdienten Ruhm der Fürstlichen Clemenz, Gnade / und Güte können die / welche derselben reichlich genossen / am besten zeugen. Zeugen können davon die Studiosi Theologiae und Stipendiaten in grosser Anzahl. Zeugen können davon die Arme / Preßhaffte / Blinde / Lahme / Wittwen / Waysen / und andere Verlassene und Elende / die sothaner Christ-Fürstlichen Milde häuffig genossen haben. Davon zeuget unser AErarium pauperum, darinne diese milde Fürsten-Hand je und je ein Ansehnliches einfliessen lassen. Davon zeugen die bey ihrer Freyheit von dem Hochseeligsten Herrn beschützete
|| [30]
Kirchen und Schulen: die mit
ihrer Klage wider mächtige und reiche Widersacher / gnädigst gehörete
Unterthanen; so gar / daß wol mancher sich mag erkühnet haben / der Gnade dieses
rechtliebenden Herren zu mißbrauchen / als der bey männiglichen in dem Concept,
und also gesinnet war / daß er keinen von den Gewaltigern unterdrücken ließ /
sondern gerne den Armen beystunde / und niemand Hülff- und Trost-loß liesse. Von
Kayser Ferdinando Primo wird gerühmet: (Didac.
Apolephtes im Anhange des Ersten Theils Historischer Erquick-Stunden. p.
628. Hoc, & Simili exemplo Ferdinandi Secundi illustrat Theodorus
Reinking Lib. 2. Tractatus, quem inseribit Biblische Policey / suum Axioma
47. ejusdem Lib. 2. quod ita habet: Die Obrigkeit und Regenten sollen nicht
allein Gericht halten lassen / sondern selber gerne Audientz geben / auch
den Armen und Geringen: und zuweilen den Gerichts-Audientzen selber
beywohnen.) Daß er willig und unverdrossen gewesen / die Leute zu
verhören / also daß er alle Tage vor sich ließ / mit mündlicher Werbunge oder
Supplication, wer es begehrte. Einsmals / als er gewahr ward / daß sein Kämmerer
ein armes Weib mit einem Briefe zurück stieß / straffete er ihn / und sagte:
Wenn wir arme Leute nicht hören / wenn sie klagen / so wird uns GOtt wieder
nicht hören / wenn wir in Nöthen zu ihm schreyen. Dieß wird ihm unser in GOtt
ruhender Landes-Vater auch zu Gemüthe gezogen haben / und immerfort (Buch der Richt. 9. v. 7.) / wenn Blinde / Lahme /
und andere Elende zu ihm rieffen / ihm vorgestellet haben / als wenn sie ihm
zurieffen: Höret mich / daß euch GOtt auch höre.
Wenn wir nicht bedächten / und wüsten / daß Weißheit kein Erb-Gut sey / und daß
niemand könne ererben noch erwerben durch Wercke GOttes Gnade / sondern eben
darum der allerweiseste GOtt es so gehen lasse / daß mannigmahl ein weiser David
und Vater auch einen weisen Salomo und Sohn hat; mannigmal aber auch / daß ein
weiser Salomo und Vater / einen unweisen Rehabeam und Sohn hinterlässet / wie es
dem Vater Salomoni fast geahntet / wenn er schreibet / wer weiß ob er / der
(Prediger Sal. 2. v. 19.) nach mir seyn soll /
weise oder toll seyn wird? Daß auch mannigmal ein unweiser Saul und Vater einen
weisen Jonathan und Sohn hat / damit man die Weißheit nicht aus der ersten /
sondern aus der andern Gebuhrt / das ist aus der Wiedergebuhrt (Jac. 1, 5.) / und nicht bey den Menschen durch die
Natur / sondern bey GOtt durch das Gebeth suche / nach des Apostels Aussage und
Vermahnunge. So jemand unter euch Weißheit mangelt / der bitte von GOtt / der da
gibt einfältiglich jederman / und rückts
|| [31]
niemand auf / so wird sie ihm
gegeben werden. Wenn / sage ich / wir solches nicht wüsten und bedächten / so
würde man sagen / es sey kein Wunder / daß eines weisen / und hochverständigen
Vaters / des Durchlaucht. AUGUSTI glorwürdigsten Andenckens / Durchl. Sohn
darinne patrissiret habe. Da beyde diese Durchlauchtigste Herrn / Vater und Sohn
das väterliche Expende! Alles mit Bedacht! stets vor Augen gehabt / und die zu
Ihren hohen Regenten- und Richter-Ambte gehörige Sache weißlich erforschet und
untersuchet haben. GOttes Gnade ist es allein / der wir Unterthanen es zu
dancken und lediglich zuzuschreiben haben / daß er uns Regenten gibt / die er
mit dem Geiste der Weißheit ausrüstet. Daß er uns Regenten gibt / die er mit der
Liebe der Gerechtigkeit schmücket / als mit einen kostbaren Kleide und
Fürsten-Hut. Daß er uns Regenten gibt / deren Hertz er mit Christ-Fürstlicher
Milde / Clemenz, Mitleiden und Barmhertzigkeit so reichlich erfüllet hat / daß
es auch in andern Landen von denselben so rühmlich und lieblich klinget / als
dorten von den Königen in Israel. Wir haben gehöret daß die Könige des Hauses
Israel (die Hertzoge des Hauses Braunschweig-Wolffenbüttel) barmhertzige Könige
/ und gnädige Herren seyn. Wenn nun jemand von denselben durch(1. B. der Könige 20. v. 31.) den Tod uns
entrissen wird / so beklaget man billig den Verlust. So rühmet man billig die
Gnade des himmlischen Vaters / und alle Christ-Fürstliche Tugenden / mit welchen
sie von der Gnade GOttes zu Ihrer Lande und Unterthanen Schutz und Heyl sind
gezieret und begabet gewesen.
Man führet ihm auch billig dabey zu Gemüthe die Sünden des Landes / damit der
Verlust dieser Gnade verdienet wird / und ruffet Gott demüthigst und bußfertig
an / daß er nicht nach solchen Sünden mit uns handeln / sondern nach seiner
Barmhertzigkeit uns fort und fort tüchtige / gerechte / milde / und weise
Regenten lassen und geben wolle! Daß ist der Inhalt und die Absicht dieser
Fürstlichen Leich-Predigt. Das war auch der Inhalt der Gedächtnüß-Predigt /
welche die Propheten Jesaias und Jeremias dem tüchtigen Regenten und
hochlöblichen Könige Josiae hielten Dessen Ruhm auch der Schluß seyn soll / des
bißher betrachteten Ruhms eines tüchtigen Regenten. Hielt / Josias, nicht über
Recht und Gerechtigkeit / und gieng ihm wol? Er halff(ja) den Elenden und Armen
zu recht / und ging ihm wol. Ists nicht(Jer. 22. v.
15. 16.) also / daß solches heisse mich recht erkennen? spricht der
HErr.
|| [32]
Der gerechte (Josias)
kömmt um / und niemand ist der es zu (Jes. 57,
1.) Hertzen nehme / und heilige Leute werden auffgeraffet / und niemand
achtet darauff. Denn die Gerechten werden weggeraffet vor dem Unglücke / und die
richtig vor sich gewandelt / kommen zum Frieden und ruhen in ihren Kammern. GOtt
gebe uns allen zu der von ihm zu unserer Heimfahrt bestim̅ter Zeit
eine seelige Josiae und Simeons Frieden-Fahrt! um JEsu Christi unsers
Friede-Fürstens willen! Amen!
Und du gerechter GOtt habe Gedancken über uns des Friedens und nicht des Leydes!
Wende alles wolverdiente Unglück von uns und unsern Landen in (Hos. 13. v. 11.) Gnaden ab! Du sprichst zu deinem
undanckbaren Israel: Ich gab dir einen König in meinem Zorn / und will dir ihn
in meinem Grimm wegnehmen. Wir aber sehen / und erkennen / daß du uns unsern
Regenten und Landes-Herren aus Gnaden gegeben habest: Ihm auch / im Leben und im
Sterben / deine Gnade reichlich erwiesen. Dafür wir dir von Hertzen dancken. Laß
alle deine Gnade unserm nunmehr nach deinem Willen allein regirenden
Landes-Herrn zu langwüriger / glücklicher und von dir gebenedeiter Regirunge /
und uns Unterthanen unter dem Schatten dieser gesegneten Regirunge zu einen
stillen und ruhigen Leben in aller Gottseligkeit und Erbarkeit reichlich
wiederfahren! Regire uns / wie bishero mit vielen Verschonen. Wir erkennen deine
grosse Gnade / und alle das Gute / so zu unserm Heyl und Schutz in den theils
nunmehro zu deinen Freuden eingegangenen / theils annoch leben- und regirenden
deinen Knechten / unsern lieben Landes Herrn deine wolthätige milde Hand geleget
hat. Wir haben des Friedens / freyen öffentlichen Gottesdienstes / und
beständigen Schutzes wider alle feind
|| [33]
liche Thätlichkeiten zur gnüge genossen unter diesem
zwey-ästigen Regenten-Baum / den du mit Leibes-Stärcke / Gesundheit und langen
Leben belaubet / mit der schönsten Blühte gottseeliger Printzen und Princeßinnen
/ auch mit den herlichsten Früchten der Gerechtigkeit / Gnade / Weißheit / und
Gottseeligkeit gezieret hast. Ach vergib uns unsern Undanck / da wir solche
Wolthaten nicht allemahl dazu / wohin es von dir gemeynet ist / gebraucht haben!
und erleuchte uns durch deinen Geist / daß wir erkennen die Zeit / darinn wir
heimgesuchet werden / und daß wir uns als die Weisen in die Zeit schicken / weil
es böse Zeit ist. Erhalte uns unsern Regenten / und Landes-Herrn noch viele
Jahre / stärcke und vermähre seine Leibes- und Gemüths-Kräffte / verleihe ihm an
statt des Leides das er bisher erlitten hat / viel Freude! Benedeie von Oben
herab all sein Christ-Fürstliches Thun und Vornehmen / daß er das ihm von dir
anvertrauete Volck weißlich regiere / klüglich beschirme / und deinen Dienst
treulich handhabe: Daß er die Gerechtigkeit recht bediene / gnädig sich erweise
gegen die Treue im Lande / barmhertzig und milde gegen die Arme / behülflich
gegen die Elende / strenge und ernsthafft gegen Boßhafftige / treu und gehorsam
gegen dir / O du HErr aller Herren / und König aller Könige; auff daß er deine
Gnade und Barmhertzigkeit in der Zeit und Ewigkeit zu erlangen würdig sey und
bleibe / und dermassen allhier regire / damit er dort mit dir herrsche in
Ewigkeit! Also nimm auch / du starcker GOtt / in deinen mächtigen Gnaden-Schutz
dieses
|| [34]
gantze Hoch-Fürstliche Hauß / unsern Erb- und
andere Printzen / und Princeßinnen / auch alle hohe Angehörige desselben; Wende
von ihnen alles was ihnen an Seel und Leib schädlich ist / und laß sie
allerseits zum Segen gesetzet seyn immer und ewiglich! Thue dem Würg-Engel auff
lange Zeit Einhalt / und sprich es ist gnug! Wenn es aber dahin kömmt wo eines
jeden Ziel von deiner Hand gestecket ist / so hilff ihnen und uns allen
ritterlich ringen / durch Tod und Leben zu dir dringen! Amen!
Nach Verlesunge der Hoch-Fürstlichen Personalien wurde
folgender Weise geschlossen.
NUn zu tausend mal gute Nacht theuerster Landes-Vater! tausendfachen Danck sagen
wir dir und deinem GOtt vor alle die Gnade / so von Oben herab durch deine
gesegnete Regirunge so viele Jahre gantz reichlich auff uns herab geflossen ist.
Der Nahme des HErren aller Herrn sey gelobet! und dein als eines gerechten /
milden / und weisen Landes-Herrn Nahme und Gedächtniß müsse / und soll bey uns /
und unsern Nachkommen ewig im Seegen bleiben! deine mit dem theurem Blut Christi
als eines unschuldigen und unbefleckten Lammes erlösete / und gereinigte / deine
mit Christi Geist und Wort geheiligte / und von Tage zu Tage erneuerte / deine
in dem Bündelein der Lebendigen bey dem HErrn unsern GOtt eingebundene Seele /
ruhe in der Hand GOttes süßiglich / und werde ewiglich erquicket mit Wollust /
und mit Freuden seines Antlitzes geträncket als mit einem Strohm! Dein
Fürstlicher Leichnam / der Tempel des Heiligen Geistes / werde in der Erden bis
an den lieben Jüngsten Tag wol auffgehaben! Da die Stimme des Sohns GOttes ihn
aus der Erden führen / mit der Seelen wieder vereinigen / mit herrlichen
|| [35]
und geistlichen Eigenschafften bekleiden / und samt
der Seele in aller durch Christum erworbener und geschenckter Herrlichkeit zu
seiner Rechten offenbarlich darstellen / und in die liebliche Wohnunge seines
Vaters einführen wird! Und du O grosser GOTT / regire uns / die wir noch am
Leben sind / samt und sonders / mit deinem Heiligen Geiste / daß wir recht
gläuben / Christlich leben / und seelig sterben / und in allem dem daß du uns
anvertrauet hast / so treu erfunden werden / daß wir eingehen in deine / als
unsers HErrn / Freude! Wer das von Hertzen begehret und von GOtt bittet / der
thue es auch mit mir in dem Gebeth das Christus uns gelehret hat.
Vater Unser etc.
Der Friede GOttes / welcher höher ist etc.