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Kläglicher Sterbe-Munsch Pauli als Ein Wunsch eines Hohen in der Welt / Des
weyland Durchlauchtigsten Fürsten und Herrn / Herrn
Den 12. Decembris des abgewichenen 1706ten Jahrs zu Braunschweig seelig
verschieden / und darauf der verblichene Cörper in die Fürstl. Grufft der
Thum-Kirchen St. Blasii daselbst beygesetzt worden /
Auf Hoch-Fürstl. Gnädigsten Befehl In der Hof- und Schloß-Kirchen zu
Wolffenbüttel aus den Worten Pauli Rom. VII. v. 27. gehaltenen
Leich- und Bedächtniß-Predigt Denen daselbst versammleten Hohen Leydtragenden
und übrigen Anwesenden Einfältig vorgetragen von
Eberhard Finen / Hoch-Fürstl. Braunschw. Lüneb. Hof- und Stiffts-Prediger zu
St. Blasii auch Superintendenten der Kirchen in dem Ampte Campen.
Braunschweig / Gedruckt durch Christoph-Friederich Zilligers sehl. nachgel.
Wittib und Erben.
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Meinem Gnädigsten Fürsten und Herrn Als des in GOTT-ruhenden Printzen
Höchst-treu-gewesenen Herrn Vormund und Pfleg-Vater.
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Denen Durchleuchtigsten Fürsten und Herren / Herrn Ferdinand Albrecht / Herrn
Ernst Ferdinand / Bebrüdern / Hertzogen zu Braunschweig und Lüneburg.
Und der Hochwürdigst-Durchlauchtigsten Fürstin / Princeßin SOPHIAE ELEONORAE,
Hertzogin zu Braunschweig und Lüneburg / Des Käyserlichen freyen weltlichen
Stiffts Bandersheim Canonißin / Meinen Gnädigsten Fürsten und Herren / auch
Gnädigster Princeßin
Als Des Hochseeligsten Printzen und Herrn Hn. Hn. liebwehrtesten Brüdern und
einiger Princeßin Schwester
Ubergiebet diese Leichen-Predigt in unterthänigster devotion, mit beygefügten hertzlich wolgemeynten Anwunsch alles von GOtt kommenden erquicklichen Trostes und stiller Gelassenheit / zu sammt allen selbst-erwünschten hohen Wol-seyn an Leib und an der Seele hier nieden auf Erden und endlich dort oben in dem Himmel Ihrer Hoch-Fürstl. Durchlauchtigkeit unterthänigster Diener und Vorbitter bey GOtt E. Einen.
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GOTT / der die Menschen lässet sterben / und spricht: kommt wieder Ihr Menschen Kinder; JEsus Ehristus der Fürst des Lebens / der durch seinen Todt unserm Tode die Macht genommen und das Leben / und ein unvergängliches Wesen ans Licht gebracht; Und der wehrte H. Geist der durch seinen süssen Trost des Todes Bitterkeit vertreibet; Dieser dreyeinige GOtt sey mit uns allen / lehre uns alle bedencken / daß wir sterben müssen / auf daß wir klug werden und alle seelig sterben mögen / Amen.
Vorrede.
ISt Ihrer auch noch mehr da? Mit dieser traurigen Frage führet dorten Amos die
Leichen-Träger und Todten-Gräber in Juda auf. GOtt hatte(Amos. VI. v. 10.) nach seiner Güte keine
Wolthaten gespahret / das Hertz / das abtrünnige Hertz seines Volcks zu gewinnen
und ihnen die Buß-Thränen aus den Augen zu bringen; Aber umsonst und vergebens.
Denn diese Undanckbahre spahreten wieder keine Ubelthat / um dadurch GOtt immer
mehr zu erzürnen; Sie machten des Abweichens so viel / daß endlich GOTT
genöhtiget wurde / von ihnen abzuweichen. Und da muste nohtwendig auf das
ge
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nossene Wol ein
unerträgliches Weh erfolgen. Amos muste ihnen solches in seinen Predigten
ankündigen. Er muste ihnen bedeuten: daß / wenn sie nicht wolten Thränen
vergiessen über ihre Sünde / so solten Krieges-Gurgeln ihr Blut vergiessen; wenn
sie nicht sich wolten loß machen von ihren Sünden / so solten ihrer Feinde
Banden sie binden und gefangen hinweg führen / ja was noch übrig blieben / solte
durch eine ansteckende Seuche und Pestilentz dahin gerissen werden. Diese
letztere Straffe stellet ihnen der Prophet gar beweglich vor. Er macht dieselbe
so erschrecklich / daß / wenn auch in ein und anderm Hause und Famille noch
zehen Manns-Persohnen von dem Feinden zurück und beym Leben gelassen wären / so
solte doch keiner von demselben das Leben in dieser Pest davon bringen; Ja des
Sterbens solte so viel werden / daß aus Mangel der Leichen-Träger und
Todten-Gräber ein Vetter den andern werde aufnehmen und zu Grabe tragen müssen.
Noch mehr: Es würde des Austragens so viel werden / daß die Träger endlich aus
Uberdruß und Wehemuht fragen dürfften? Ob die Leichen noch nicht alle / oder ob
noch welche übrig wären; Ist ihrer auch noch mehr da? Ist des Sterbens noch kein
Ende; Es sind ja schon so viel aus diesem Hause begraben / daß wol keiner mehr
dürffte vor handen seyn. Ist ihrer auch noch mehr da?
M. A. Wenn wir das Sünden-Register / welches dieser Prophet denen Juden in seiner
Weissagung vorgeleget / durch zusehen die Zeit nehmen wolten / so würde sich
darunter vieles finden / welches auch von uns müste angeschrieben werden. Hätten
wir denn wol nicht mit gleichen Sünden gleiche Straffe verdienet? Aber
barmhertzig und gnädig ist der HERR / gedultig und von grosser Güte und Treue;
daß Er seinen Grimm noch nicht gantz und gar über uns ausgelassen / und uns in
seinen Zorn dahin gerissen. Indessen hat Er doch eine Zeither mehr als einmahl
bey uns angeklopffet; Er hat an die Knäuffe geschlagen / daß die Pfosten beben;
Er hat denen irrdischen Göttern gewiesen / daß sie (Psalm. LXXXII.) wie Menschen sterben müssen. Ach! wie hat das
Durchlauchtigste Hauß Braunschweig und Lüneburg einige Jahre her sich so offt in
dunckle Traur verhüllen / wie
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hat unser Land das Trauer-Geläute so viel und offtmals hören müssen! Kaum
geheilte Wunden müssen nicht wieder aufgerissen werden / sonst würde ich einen
ziemlichen Todten-Zettul Hoher Fürstl. Persohnen ablesen können. Doch kan ich
nicht verschweigen die Hohen Trauer-Fälle / welche der Heilige GOtt / nach
seinen Heiligen Willen bißhero über das Durchlauchtigste Beverische Hauß
verhängen wollen. Ach! die Fürstl. Grufft in unser Stiffts-Kirchen zu
Braunschweig zeigt uns davon einen traurigen Anblick nach dem andern. Die
Leichen-Gerüste sind in derselben mit grossen und kleinen Sarcken angefüllet /
so daß man bey derem Anschauen und Zehlen wol fragen möchte; Ist ihrer auch noch
mehr da / die ihre Ruhe-Kammer hier nehmen werden? Insonderheit mögen wir itzo
wol fragen / und zwar nicht ohne empfindliche Schmertzen und Wehemuht fragen:
Ist der Durchlauchtigsten Printzen von Beverschen Hause auch noch mehr da? Vor
noch nicht völligen Ablauff dreyer Jahre hat diese itzt benahmte Fürstl. Grufft
/ zween Hocherleuchtete unvergleichliche Printzen in dem angenehmsten Flohr
ihrer Jahre bereits auffgenommen / und dem dritten der auch als ein guter Christ
/ und guter Fürst gelebet / und als ein mühtiger Held mitten unter dem Siege
gestorben / schon eine Stätte bereitet. Ach! du gerechter GOtt / wie müssen denn
also unsere Helden fallen? Wie deucht ihnen / M. A. Wenn man dieß in entferneten
Landen höret: Drey Printzen von Braunschweig sind gestorben / dürffte man wol
nicht fragen / Ist ihrer auch noch mehr da?
Nun wir haben hohe Ursach traurig zu seyn / und leyde zu tragen / zwar nicht über
den Wechsel / welchen die Hochseeligste Printzen getroffen. Nein / der Triumph
den dieselbe itzt im Himmel halten / die Sieges-Palmen / die Ihnen in die Hände
gegeben / die Lebens-Kronen so Ihnen auffgesetzet / wollen nicht Thränen und
Klagen / sondern nur Glückwünsche haben. Allein unser Verlust bey Dero
unvergleichlichen Gewinn wil billig beklaget und betrauret seyn. Er fordert von
uns Buß-Thränen; denn warlich es ist wol unser Boßheit Schuld / daß wir so
gestäu
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pet werden.
Er fordert Klag-Thränen; weil der Himmel dasjenige nimmt / dessen die Erde noch
so wol zu geniessen hatte. Doch haben wir auch mitten unter solchen Thränen
unserm GOtt zu dancken / daß es so weit noch nicht kommen / wie bey den Juden.
Denn auf die vor angeführte Frage hieß bey jenen die traurige Antwort: Nein /
sie sind alle dahin. Wir hingegen können mit Ja antworten / Ja es ist ihrer noch
mehr da. Es sind noch da zwo Durchleuchtigste Printzen / Es ist noch da die
Durchleuchtigste Princesse; In Deren unvergleichlichen Hoch-Fürstlichen
qvalitäten / sich der entnommenen Printzen Tugenden spiegeln; in denen wir das
Verlohrne wieder finden. GOTT erhalte Dieselbe nach seinen Heiligen Willen; der
Höchstseeligst Verstorbenen früher Todt müsse Ihnen ein längers Leben bringen.
Das Gedächtniß aber Derer so GOTT aus unsern Augen entrissen / muß billig bey
uns in Ehren bleiben.
Als denn auf Hoch-Fürstl. Gnädigsten Befehl bereits heute von dieser Heiligen
Stelle / deß Weyland Durchl. Fürsten und Herrn / Herrn Heinrich Ferdinands
Durchl. eine Leich- und Gedächtniß-Predigt gehalten worden / so bleibt diese
Stunde des Weyland Durchl. Fürsten und Herrn / Herrn Ferdinand Christians
Durchl. zu einem gleichmässigen Ehren-Dienst gewidmet. Gewiß wir werden an
dessen Todt-Bette eine gute Kantzel finden / und vieles nicht nur zu Dero
unsterblichen Ruhm / sondern auch zu einem Exempel guter Nachfolge wahrnehmen
können. GOTT verleihe dazu seine Gnade um Christi Willen. Darum wir denn
demühtigst ansuchen in einem gläubigem Vater Unser.
Der von dem Weyland Durchläuchtigsten Printzen selbst erwählte Leichen-Text /
ist zu finden Rom. VII, 24.
ICh elender Mensch / wer wird mich erlösen / von dem Leibe dieses Todes?
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Eingang.
ANdächtige in dem HErrn. Wenn in dem letzten Vatter Seegen oder letzten Willen
Jacobs die Reihe seinen Sohn Joseph trifft / so höret derselbe unter andern
herrlichen Verheissungen auch diese: Die Seegen(Genes.
XLIX. v. 26.) deines Vatters gehen stärcker denn der Seegen meiner
Vor-Eltern / nach dem Wunsch der Hohen in der Welt.
Auf zweyerley Art und Weise wil Jacob seinen Sohn die Hoffnung zu einem
zukünfftigen Wolseyn vergrössern: (I.) Hält er das Gute / so er ihn verheissen
gegen das Gute so er selbst genossen / (II.) gegen das Gute / so andere / und
zwar grosse Leute in der Welt wünschen mögen. Die Seegen deines Vaters gehen
stärcker / denn die Seegen deiner Vor-Eltern. Die Ansicht des Texts gibt diesen
Worten unterschiedene Auslegungen. Einige deuten dieselbe also aus / als ob
Jacob sagen wollen: Mein Sohn Joseph / ich dein Vatter habe mehr Seegen und
zeitliche Glückseeligkeiten von GOtt genossen / als mein Vater Isaac, mein
Groß-Vatter Abraham / und alle meine Vorfahren genossen haben / diesen Seegen
theil ich dir wieder mit / und hast du es also gedoppelt / denn du hast nicht
nur deines sondern auch meiner Väter Seegen zugeniessen. Andere aber kommen dem
eigentlichen Bedeutungen derer in der Heil. Sprache befindlichen Particuln näher
/ und schliessen: Daß Jacob hier seinem Sohn Joseph folgenden Wunsch und
Verheissung thue; nemlich / daß der Seegen und die Glückseeligkeiten / welche er
ihm aus Trieb des Heil. Geistes anwünsche / den Seegen und die Glückseeligkeiten
/ welche er von seinen Eltern und Vor-Eltern erlanget habe / weit übertreffen
möchte. Noch deutlicher: Er möchte reicher / höher / glückseeliger seyn / als
Jacob gewesen. Nun war es gewiß ein herrlicher Seegen / welchen dorten Jacob von
seinem Vater Isaac erhielte /(Genes. XXVII. v.
27.) GOtt gebe dir von dem Thau des Himmels und von der Fettigkeit der
Erden / und Korn und Weins die Fülle. Völcker müssen dir dienen und Leute müssen
dir zu Fusse fallen. Verflucht sey / wer dir flucht: Gesegnet sey / wer dich
seegnet. Soll denn Josephs Herrligkeit noch herrlicher
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seyn / so hat er gewiß ein
grosses zu hoffen. Er wil aber auch (II.) diese seine Hoffnung vergrössern /
wenn er die verheissenen Glückseeligkeiten hält gegen dasjenige / was die
Grossen in der Welt ihnen wünschen möchten. Nach Wunsch der Hohen in der Welt.
Nach der eigentlichen Sprache des Heil. Geistes lautet es also: Biß an das
Verlangen und wünschen der Spitzen oder Hügel in der Welt. Da denn einiger
Gedancken dahin gehen: Jacob habe hiemit dem Joseph zugesagt / daß der Seegen
auf seinen Nachkommen bleiben werde / so lange die Welt und Hügel auf der Welt
seyn werden. Andere verstehen durch die Hügel der Welt alle Einwohner der Welt /
und durch das Verlangen derselben den Messiam, als das Allervornehmste / worauf
das Verlangen der Menschen konte gerichtet seyn. Wäre freylich eine grosse
Hoffnung gewesen vor dem Joseph / daß sein Geschlecht so lange solte im Flor und
Glückseeligkeit bleiben / biß der Heyland der Welt der verheissene Messias käme.
Wir bleiben aber billig bey der im Text wolgegründeten Ubersetzung und Auslegung
des seel. Lutheri und anderer geistreicher Theologorum, welche durch diese Hügel
in der Welt verstehen die Grossen / die Vornehmen / die Hohen in der Welt. Was
dieselbe nun ihnen wünschen / was sie verlangen / das wird nichts schlechtes /
nichts geringes seyn; sondern unverruckter Wolstand ihres Reichs / ihrer
Herrschafft / ihrer Güter / und aller ihrer Herrligkeit. So verheist nun Jacob!
So gut als es die Vornehmsten / die Mächtigsten in der Welt nicht nur haben /
sondern auch wünschen und verlangen künten / so gut solle es Joseph und seine
Nachkommen haben.
Wie weit diese Verheissung eingetroffen oder nicht / ist unser Zweck gar nicht zu
untersuchen. Ich dencke nur an die Worte: Nach Wunsch / der Hohen in der Welt.
Nach itzt gehörter Erklärung solte man wol nichts anders schliessen können / als
wenn diejenigen / welche GOTT hoch in der Welt gesetzet / und sie wie Hügel vor
andern an ihrer Macht / Gewalt und Herrligkeit hervorragen lassen / auf nichts
gedächten und nichts wünscheten / als die Beständigkeit und Zunahme zeitlicher
und eiteler Glückseeligkeit; Allein so ists / GOtt Lob! nicht / David und andere
Hohen in der Welt / die GOtt geliebet und gefürchtet / haben noch ihre
Nachfol
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ger /
welche mit ihnen einstimmig das Non est mortale qvod opto zu ihren Wahl-Spruch
haben / und mit Assaph sagen: HErr / wenn ich nur dich habe / so frag ich nichts
nach Himmel und Erden.
Wir M. A. thun ja / was wir itzo thun in diesem GOttes-Hause / zu der letzten
Ehre eines Hohen in der Welt / eines Durchläucht. Printzen dieses Hoch-Fürstl.
Hauses; Daß dessen Wunsch nicht auf etwas eitles auf etwas Vergängliches
gerichtet gewesen / wird keiner leugnen können / der jemahls die Gnade gehabt
mit Ihro Durchleucht. umzugehen. Traun der eintzige Wunsch und Verlangen dieses
Hohen in der Welt war ja dieser / daß Er es mit der wahren GOttseeligkeit immer
höher und höher bringen / und wie Er ein Fürst und Christ / so auch Sein
Christenthum recht Fürstlich und Seinen Fürsten-Stand recht Christlich führen
möchte. Er sahe wol / daß unter dem Himmel ein grosses Theil Seines Wunsches
würde unerfüllet bleiben / daher muste Pauli Wunsch seyn ein Wunsch dieses Hohen
in der Welt / als der mit Paulo seufftzete: Ich elender Mensch / etc. Wie
hertzlich dieser Wunsch bey des Hochseeligsten Printzen Durchl. wie gewöhnlich
derselbe gewesen / wil daraus erhellen / daß Sie denselben schon vorlängst zu
Dero künfftigen Leichen-Text auserwählet. Ihro Heil. Absicht gnug dahin mit
Ihrem Exempel andere zu erbauen / und zu gleichem Wunsch zu ermuntern. Nachdem
Vermögen / so wir von GOtt erbitten / solche Absicht zu erfüllen / nehmen wir
angeführte Worte zu einfältiger Erklärung und Benützung vor uns / und sehen
darinnen in Kürtze und Einfalt
Pauli kläglichen Sterbe-Wunsch / Als Den Wunsch eines Hohen in der Welt. HErr lehre uns unser Elend recht erkennen / daß wir uns auch nach der Erlösung sehnen / und endlich erlöset werden / Amen!
Erklärung des Textes.
DEn kläglichen Sterbe-Wunsch Pauli deutlich zu erwegen / wird nöhtig seyn in
demselben auf zweyerley acht zu geben
|| [8]
II. Auf desselben Vortrag.
Was das erste betrifft / so gibt Paulus solches zu erkennen in der Anzeige seines
Elendes. Er bricht ja in diesen Seufftzer heraus: Ich elender Mensch. So bald
sich Paulus einen Menschen nennet / nennet er eine elende Creatur / nicht zwar
nach der ersten Heil. Absicht des allgütigen GOttes / denn dieselbe war gantz
anders / und gieng dahin / daß der Mensch solte das Alleredelste / das
Allerglückseeligste unter allen Geschöpffen auf Erden seyn; sondern nach dem
Zustande des Menschen nach dem kläglichen Sünden-Fall. Da ist freylich / das
Leben des Menschen wie ein Circul: Es fängt sich an mit Elend und endet sich mit
Schmertzen; Je länger der Umfang unsers Lebens gleich einem Kreiß gezogen wird /
je mehr Elend es in sich fasset. Der Anfang dieses Circuls ist: Du bist Erde /
das Ende: Du must wieder zur Erden werden / und der gantze Zug bestehet in
zusammen gefügter Sorge / Furcht und Hoffnung. Paulus hatte zwar vor andern
Menschen viel Voraus / er schreibt sich von GOttes (1.
Cor. XV, 10.) Gnaden: Von GOttes Gnaden bin ich / was ich bin / und
seine Gnade ist an mir nicht vergeblich gewesen. Er war ein grosser Apostel /
ein auserwähltes Rüstzeug oder (2. Cor. XI. &
XII.) Werckzeug GOttes / und konte sich mit Warheit rühmen / daß er vor
andern Aposteln einen grossen Vorzug hätte. Bey dem allen aber blieb er ein
Mensch / und muste sagen: Homo sum, humani à me nihil alienum puto; Ich bin ein
Mensch / und darff mich dessen / was Menschlich ist / nicht entziehen. Ja / wenn
des Nicephori Nachricht Glauben verdienet / so fand sich bey Paulo / was die
constitution des Leibes und die Leyden an dem Leibe betrifft / mehr Menschliches
/ als bey vielen andern Menschen; Er war einer sehr schwächlichen Natur / und
das äusserliche Ansehen gar gering (Gal. IV, 13. Conf.
2. Cor. I, 8. & 2. Cor. XII, 7. 2. Cor. XI, 10.) / und dabey muste
er so viel travaillen so viel Reisen übernehmen. Hierzu kamen Kranckheiten /
Ketten und Banden / Frost / Hitze / Ruthen / Schläge / Leib und Lebens Gefahr.
Daß also Paulus in dieser Absicht sich wol vor einen ,
vor einen recht Elenden / bejammernswürdigen
|| [9]
oder jämmerlichen / wie der
seel. Lutherus dieses Wort anderswo(Apoc. III,
17.) übersetzet / ausgeben können. Allein diß war es eben nicht / daß
ihn itzo qvälete / und des Lebens müde machte; Massen er ja bey allen solchen
äusserlichen Elende noch zum öfftern seinen freudigen Muth bezeuget. Es sind ja
freudige(2. Cor. IV, 8. 2. Cor. VII. 4. Col. I,
24.) Worte / welche er mitten in seinen Trübsahlen hören lässet: Uns
ist bange / aber wir verzagen nicht. Ich bin überschwenglich in Freuden in allen
unsern Trübsahl. Ich freue mich in meinem Leyden. Das Elend aber / welches ihn
so elend machet / nennet er den Leib des Todes. Der Context muß uns die beste
Nachricht geben / was Paulus allhier durch den Leib des Todes verstehen wollen.
Es ist zwar an dem / daß unser natürlicher Leib wol ein Leib des Todes zu nennen
/ weil er nichts gewissers vor sich hat als den Tod / und über dem so vielen
Ungemach / so vielen Leyden und Kranckheiten unterworffen ist / daß wir offt bey
lebendigen Leibe todt und zu keiner Arbeit fähig sind / dahin zielet das Buch
der Weißheit: der sterbliche Leichnam beschweret(Sap.
IX, 15.) die Seele / und die irrdische Hütte drücket den zerstreueten
Sinn. Zu geschweigen anderer Verdrießligkeiten und Behinderungen an Guten /
welche von den Feinden der Frommen ihnen in den Weg geworffen werden / und
empfindlicher sind als der Todt selbst / wie David darüber seufftzet: Es ist ein
Mord in meinen Beinen / daß mich meine(Ps. XLII,
11.) Feinde schmähen / wenn sie täglich zu mir sagen / wo ist nun dein
GOtt? Jedennoch ist diß nicht eigentlich der Leib des Todes / wie wir schon
etwas angezeiget / welcher Paulum elend und seufftzend machet. Wil man auf den
Zustand Pauli vor seiner Bekehrung sehen / (als wohin etliche der Ausleger /
doch ohne sattsamen Grund diese Klage-Worte insgesam̅t ziehen
wollen:) so kan er sich zwar nicht ausnehmen von dem / was er von andern
Unbekehrten schreibet / daß sie nemlich todt(Eph. II,
5.) in Sünden; hier aber stellet er sich als einen solchen vor / bey
dem die Sünde zwar wohnete / aber nicht herschete / der bey sich fand den
inwendigen Menschen / nach welchen er Lust hatte an den Gesetze GOttes / und der
das Böse so er that / angeben konte / als thäte ers selber nicht / sondern die
Sünde die in ihm wäre / welches von einem Unbekehrten und Unwiedergebohrnen
nicht kan gesaget werden. So verstehet er denn
|| [10]
(Rom. VI, 6.) durch den Leib des Todes das jenige
/ was er vorhin den Leib der Sünden genennet / das ist / die gantze Sünden-Last
/ welche gleichsam ein Corps vieles Ubels / vieles biß in den Todt betrübenden
Jammers ist; und also zu förderst und hauptsächlich die Erb-Sünde / das malum
, das Ubel so uns anklebet / und damit wir gleichsam
umhüllet und umwickelt sind und es nicht abschütteln können; dasjenige
Verderbniß / Krafft dessen wir zu allen Guten an uns selbst untüchtig / und zu
allen Bösen hingegen geneigt und tüchtig sind. Dieses macht uns nun elend genug
/ und Paulus hat hohe Ursach kläglich darüber zu thun. Wir Menschen dencken
leyder! wenig daran / in was vor Elend uus die Erb-Sünde setze. Ist aber das
nicht schon Elends genug / daß (Rom. III, 23.) wir
mangeln der Herrligkeit GOttes / des Ruhms / den wir vor GOtt haben sollen. Daß
wir nun der Gleichheit mit dem unvergleichlichen GOtt / in der Erkäntniß / in
Heiligkeit und Gerechtigkeit uns müssen beraubet sehen. Ja es muß den
wiedergebohrnen Kindern Gottes unleidlicher und mehr zuwieder als der Tod selber
seyn / wenn sie bedencken / daß kein Laster / keine Boßheit / sie mag so
abscheulich seyn / als sie immer wil / zu nennen / dazu sie nicht / so wol als
andere / durch die in ihren Hertzen steckende Wurtzel alles Bösen könten
verführet werden / wenn nicht GOtt durch seine Krafft in ihrer Schwaheit mächtig
wäre / und der Geist dem Fleische die Herrschafft streitig machte.
Hierzu kömmt denn / daß bey Wiedergebohrnen diese angebohrne Erb-Lust nimmermehr
zu solcher Stille und Ruhe zu bringen / daß sie nicht mehr in steter Bewegung
sey und immer (Gal. V, 17.) neue Händel mache. Das
Fleisch gelüstet wider den Geist / daß / ob gleich die böse Quelle / weil ihr
gleichsam ein Damm gesetzet / nicht wie bey denen Gottlosen / mit vollen Strohm
durchbrechen kan / dennoch immer Ritzen suchet / und hier und dar durchdringet.
Daher denn köm̅t die Trägheit zum Guten / und bey Vollbringung
desselben die Unvollkommenheit; Ja was das meiste / so viel böse Gedancken und
Lüste / welchen zwar die Herberge nicht wird gestattet / doch der Ein- und
Anspruch nicht kan verwehret werden. So genau gehet es aber dabey nicht zu / daß
nicht auch das wachsamste Auge ein Schlummer überfällt / der vorsichtigste Fuß
auch strauchelt und der
|| [11]
Frömmste manches mahl aus Ubereilung / Unwissenheit und ohne Vorbedacht
sündiget. Hierzu kommen noch die geistlichen Anfechtungen / welche die Gläubigen
/ ob sie gleich(Rom. V, 1.) Friede mit GOtt
haben / durch ihren HErrn JEsum Christum / dennoch öffters zum Streit aufffodern
/ daß der Glaube an seiner Freudigkeit einen Abgang leidet / das Gewissen auch
wol die schon längst vergebene Sünden wieder aufwärmet / mit dem Zorn GOttes
schrecket / und zuweilen das Hertz ihm selbst nicht vergeben wil / was doch GOtt
schon vergeben hat. Verwundert euch denn nicht M. A. daß Paulus dieses Ubel /
die Sünde die in ihm wohnet / und damit er sich so wol als andere Wiedergebohrne
schleppen müssen / einen Tod nennet. Vors erste wuste er / daß der leibliche Tod
auch der Erb-Sünden Sold. Ferner war es /(Rom. VI,
23.) nach der gewöhnlichen Redens-Art / sein Tod daß er solchen
Widerwillen zum Guten / so viel Neigung zum Bösen / so viel Unvermögen seinem
JEsu / den er so hertzlich liebte / in allen zu Gefallen zu leben spürete / dieß
brachte seinen Geist aus einer tödtlichen Ohnmacht in die andere. So sahe er
auch wol / daß wenn es die Gnade GOttes nicht verhütete / der geistliche und
ewige Tod daraus erfolgen könte.
Bey solchen Umständen kön̅en wir Paulum nicht verdencken / daß er
sich einen elenden Menschen / einen rechten , einen
recht jämmerlichen Menschen nennet. Und wenn wir den rechten Nachdruck nach
anderweitigen Gebrauch dieses Worts ansehen / so hält sich der Apostel denen
gleich / welche durch allerhand Angst / Krieges-Last / Verfolgung / Gefängniß /
schwere Arbeit gantz abgemergelt / abgezehret / ausgesogen / gantz ermattet und
ermüdet sind. In der ersten grossen Verfolgung der Christen wurden einige
Märtyrer an todte Cörper angebunden / und musten so liegend an denselben
verfaulen; Ja einige wurden gar in totes Aaß eingenehet / daß sie in dem
Gestanck und Fäulniß verderben musten. Das Elend dieser Unglückseligen muß sehr
groß gewesen seyn; und siehe bey Paulo und andern Wiedergebohrnen muß der
inwendige Mensch sich mit dem Leibe des Todes / mit der sündlichen bösen Unart
schleppen / gantz davon umgeben seyn / und so zu reden seinen garstigen Geruch
einnehmen / ja wo er sich nicht vor siehet / kan er von der Fäulniß angestecket
werden.
|| [12]
Gewiß in solchem
Zustand mag Paulus wol seufftzen: Ich elender Mensch. Und hierauf folget nun der
Vortrag seines Sterbe-Wunsches: Wer wird mich erlösen von dem Leibe dieses
Todes.
Ein jedes sehnet sich nach seiner Verbesserung / und wünschet dessen entlediget
zu werden / was an vollkommener Glückseeligkeit hindert und hingegen unglücklich
macht. Das brachte denn auch Paulum dahin / daß er diesen Wunsch im Hertzen thut
/ und aus der Feder fliessen läst: Wer wird mich erlösen von dem Leibe dieses
Todes? Dergleichen Fragen pflegen zuweilen einer Verneinung gleich zu seyn. Zum
Exempel / wenn es heisst: Wer wil die Auserwehlten GOttes (Rom. VIII. 33. 35.) beschuldigen? wer wil
verdammen? wer wil uns scheiden von der Liebe GOttes? so ists so viel gesagt /
als: Niemand kan die Auserwehlten GOttes beschuldigen; niemand kan verdammen;
nichts kan uns scheiden von der Liebe GOttes. Hätte Paulus auf solche Art
gefraget / wäre es kein Wunsch / sondern eine Verzweiffelung gewesen; dieses war
ferne von Paulo; Er hätte sonst nicht sofort auf diese Worte sagen können: Ich
dancke GOtt durch unsern HErrn JEsum Christum; Indem er dancket / giebt er zu
erkennen / daß seine Zuversicht so starck und gewiß / als hätte er schon
erhalten / was er verlanget. Indem er aber JEsum Christum nennet / so fraget er
auch nicht aus Unwissenheit / sondern er weiß schon / wer ihn erlösen soll /
nemlich JEsus Christus. So bleibts denn ein sehnlicher Wunsch / wenn Paulus
fraget: Wer wird mich erlösen? Auf gleiche Art (Ps.
XLII. 3.) fraget David: Wenn werde ich dahin kommen / daß ich GOttes
Angesicht schaue. Das objectum seines Wunsches / oder das / was er wünschet /
ist die Erlösung. Eine Erlösung praesupponiret eine Gefangenschafft oder
Knechtschafft; Durch die Sünde waren wir in des Teuffels Gwalt / wir waren seine
Gefangene / seine Knechte / aber JEsus Christus ist unsers Eleisches und Blutes
theilhafftig worden / auf daß (Heb. II, 13.
15.) er erlösete die / so durch Furcht des Todes im gantzen Leben Knechte
seyn musten. Er hat sein Leben gegeben zur Bezahlung (Marc. X, 45. 1. Tim. II, 6.) oder Erlösung für viele. Er hat sich
selbst gegeben zur Erlösung für alle. Mithin hatte auch die Sünde eine
Herrschafft über uns; aber ihr wisset / schreibt Petrus / daß ihr nicht mit
vergänglichen Silber oder Golde
|| [13]
erlöset seyd von euren eitelen Wandel / sondern mit dem theuren Blute Christi /
als eines unschuldigen und unbefleckten Lammes. Und nach Pauli Ausspruch hat
sich(1. Petr. I, 18.) JEsus für uns gegeben
/ auf daß er uns erlösete von aller Ungerechtigkeit / und reinigte Ihm selbst
ein Volck zum Eigenthum / das fleissig wäre zu guten Wercken. Auf(Tit. II, 14.) beyderley Art war Paulus schon der
Erlösung JEsu Christi theilhafftig worden / da ihm nemlich durch den Glauben
dieselbe war zugeeignet / die Sünde vergeben / der Fluch von ihm genommen / und
er zu den würcklichen Genuß der Freyheit kommen / welche ihm so theuer erworben
war; So herrschete auch die Sünde nicht mehr über ihn / sondern er über die
Sünde. Er als einer der Christum angehörete / creutzigte das Fleisch sammt den
Lüsten(Gal. V, 24.) und Begierden. Durffte
also Paulus in solcher Absicht die Erlösung nicht wünschen / er war derselben
schon theilhafftig worden.
Jetzt angeführte Erlösung gehöret in den andern Articul des Christlichen
Glaubens; Es ist aber noch eine zurück / darum wir bitten in der siebenden Bitt
des Vater Unsers: Sondern erlöse uns von dem Ubel / und davon Paulus sagt: Der
HErr wird mich erlösen von allem Ubel / und aushelffen(2. Tim. IV, 18.) zu seinem himmlischen Reich. Diese Erlösung
geschicht nun durch einen seeligen Tod; da wird ja die Seele / der edle Geist /
welcher wie in einem Kercker gefangen gelegen aufgelöset / und kömmt zu der
vollkommenen Freyheit der Kinder GOttes; Sie bleibt nun nicht mehr gefangen
unter der Sünden Gesetze / daruber Paulus kurtz vorhero geklaget; Sie wird
erlöset und frey gemacht von der Wurtzel alles Ubels / der Sünde / und von dem
Ubel selbst / welches die Sünde nach sich ziehet. Der Leib des Todes / der
gantze Braß der Sünden und bösen Lüste / welche sie sonst in der Klemme gehalten
/ und immer auf sie zugesetzet / wird alsdenn gedämpffet / und muß sie im Friede
lassen. Dieß ist nun die Erlösung / welche ihm Paulus wünschet. Er trägt nemlich
ein hertzliches Verlangen die irrdische Hütte abzulegen / aus dem Leibe
auszugehen / und zugleich der unerträglichen Last der bösen Lust sich gäntzlich
zu entladen / und in denselbigen Zustand zu gelangen / da er den Willen seines
GOttes
|| [14]
ohne alle Hindernisse /
ohne allen Wiederwillen seines Fleisches / ja mit Lust und Freuden verrichten
könte. Ach / wil er sagen / ich werde des Lebens müde / denn so lange ich hier
lebe / kan ich nicht leben so heilig / wie ich wünsche / so unsträfflich / wie
es mein Heyland von mir fodert / so gehorsamlich / als Ers um mich verdienet;
Ach! daß ich endlich der auffsteigenden bösen Lüste und Begierden meines
verderbten Fleisches / die mir beschwerlicher sind als der Tod selbst / mögte
entohniget werden; Ach daß die seeligen Stunden meiner Aufflösung schon da
wären; Ach GOtt helffe mir kämpffen und aushalten biß ans Ende / und endlich
über mich selbst und alle meine Feinde den völligen Sieg und die Crone davon zu
tragen.
Gebrauch.
WIr wollen aber auch bey dieser Betrachtung des Paulinischen Sterbe-Wunsches
unsere Erbauung nicht aus der acht lassen / und zwar lässet sich hierbey gar
deutlich erkennen: Der Ernst der Gläubigen mit ihrer Frömmigkeit.
Es ist leyder mit dem schläffrigen Christenthum dahin kommen / daß viele meynen /
sie wollen so zu reden im Schlaff in den Himmel kommen / und daher gar
schlechten Ernst in der wahren Gottseeligkeit bezeigen. Wie unartige Christen
diese sind / muß Paulus in unsern Text zu erkennen geben. O welchen Eyffer /
welchen Ernst läst er sehen bey seiner Frömmigkeit / wie bejammert und beklaget
ers doch / daß er nicht so kan wie er wolte und solte den Bösen wiederstehen.
Gewiß er ist in seinem Apostel-Amt nicht auf Rosen gegangen / sondern weiß von
so vielen Gefährligkeiten zu sagen / von so vieler Schmach / Verfolgung / von
Schlägen / von Banden / von solchen Verachtungen / daß er nebst andern Aposteln
denen quisquiliis dem Auskehrichte sey gleich geachtet worden. Aber da höret man
nicht / daß er hierüber klaget und sich ängstiget / oder sich deswegen vor einen
elenden Menschen ausgiebet. Darinn aber nennet er sich elend uud jämmerlich /
daß er nicht konte so fromm seyn / als er wol wünschete. Ja er giebt gnugsam
seinen
|| [15]
Ernst zu erkennen / wenn
er mit diesen Sterbe-Wunsch bezeuget / daß er lieber sterben als sündigen wolle.
Wolte es die Zeit leiden / so mögten wir in Pauli Briefen noch viel mehr
Zeugnisse finden von dem Ernst den er sehen lassen bey seiner Gottseeligkeit.
Man lese nur die Epistel an die Philipper / wie rühmet er sich in derselben /
daß er verlasse was dahinten / und strecke sich nach dem / was vornen ist /
daß(Philip. III, 13. 14.) er nachjage dem
vorgesteckten Ziel / dem Kleinod / welches fürhält die himmlische Beruffung
GOttes in Christo JEsu? Man halte dabey seine Triumph-Worte / so E. L. diesen
Morgen angehöret / wie er da von kämpffen / von lauffen saget;(2. Tim. IV, 7.) Dieß alles bezeuget einen rechten
Ernst in seiner Fröm̅igkeit.
Dergleichen Ernst werden wir auch vielfältig bey dem König David finden Das war
ja seine Freude / daß er(Ps. LXXIII 28.) sich zu
GOTT hielte / und seine Zuversicht setzte auf den HErrn / daß er verkündigte
alle sein Thun. Er hatte den HErrn allezeit für Augen / bey dem Einigen wolte
er(Ps. XVI, 8. Psalm. LXXXVI, 11. Ps. CXIX,
106.) nur sein Hertz erhalten haben / daß er den Nahmen des HErrn
fürchtete. Und wie läst er sich sonst heraus: Ich schwere und wils halten / daß
ich die Rechte deiner Gerechtigkeit halten wil. Nicht undeutlich giebt er seinen
Ernst in der Gottseeligkeit an den Tag / wenn er saget: Meine Seele(Psal. XLII, 3.) dürstet nach GOtt / nach dem
lebendigen GOtt. Es ist hiebey wol anzumercken / daß David nicht saget: Meine
Seele hungert nach GOtt / sondern / meine Seele dürstet nach GOtt / massen denn
der Durst allerdings ein empfindlichers Leyden ist / als der Hunger / und wir
auch länger hungern als dursten können. Und was bedarffs hie viel Exempel
anzuführen? Es muß allerdings uns ein Ernst seyn mit der Frömmigkeit / wenn wir
wollen seelig werden. Das Himmelreich leidet Gewalt / und die Gewalt thun /
reissen es zu sich / sagt der Heyland selbst. Petrus schreibet:(Matth. XI, 12. 2. Petr. I, 10. Luc. XII, 32.)
Thut Fleiß an eurem Beruff und Erwehlung fest zu machen. Es ist zwar unsers
Vaters Wille / uns das Reich zu geben; Aber Canaan gab GOtt auch den Israeliten
/ jedennoch musten sie vorher darum streiten; So wils denn auch hier gekämpffet
seyn. Es heist: Kämpffe / kämpffe(1. Tim. VI,
12.) den guten Kampff des Glaubens / leyde dich als ein guter Streiter
JEsu Christi. Im Himmel ist der Ort / da wir
|| [16]
unsere Waffen als
Sieges-Zeichen werden können aufhängen / hier aber müssen sie noch gebrauchet
werden. Es ist merckwürdig / daß die Thür oder Pforte in der Stiffts-Hütte nicht
von Ertz und Eisen gewesen / sondern sie hatte nur eine dünne Decke / einen
Vorhang / damit man leicht hinein kommen konte; Der Eingang in den Himmel aber
ist zwar durch Christi Blut geöffnet / aber wir können doch nicht so gleich
durch die enge Pforte kommen / sondern man muß (Luc.
XII, 20.) erst darnach ringen: Ringet darnach / daß ihr eingehet durch
die enge Pforte / spricht der Heyland. Unser Gebet hat zwar einen offenen Paß
gen Himmel / allein es muß doch ernstlich (Jac. V,
16.) seyn; Des Gerechten Gebet vermag viel / wenn es ernstlich ist. Und
wie mit dem Gebet / so ists mit allen andern Stücken unsers Christenthums / es
wil Ernst erfodert werden bey der Frömmigkeit. Gewiß es bedarff einen Ernst
unsere Natur / welche von Natur das Böse liebet / zu corrigiren. Niederwerts
fället ein Strohm von sich selber / wil man ihn aber in die Höhe bringen / das
erfodert Kräffte; so kömmt uns auch das Böse nur gar zu leichte an / aber zu den
Himmel wil sich unser träges Hertz mit Ernst erheben und treiben lassen. Drum
braucht Paulus nicht umsonst solche nachdrückliche Redens-Arten / wenn er bald
schreibet: (Col. III, 5. Gal. V, 24. Rom. IIX,
13.) Tödtet eure Glieder die auf Erden sind. Creutziget das Fleisch
sammt den Lüsten und Begierden. So wil er von den Römern des Fleisches
Geschäffte getödtet wissen. Die Allerheiligsten haben hiemit zu thun / und wil
Ernst erfodert werden / ehe es zum Stande zu bringen; Und wie die Creutzigung
ein langsamer Tod / so gehets auch langsam zu mit der Bezähmung unser bösen
Lüste / da muß gleichsam dem Leibe des Todes alle Tage ein Glied abgenommen
werden / alle Tage eine Neigung zur Sünde geschwächet werden / und man bringets
doch nicht zu dem Stande / daß sie ersterbe / ehe wir sterben. So wil unser
Glaube nicht bestehen / wenn er nicht ernstlich und durch die Liebe thätig /
wenn er nicht die Welt überwindet. So taugt unsere Liebe nicht / wenn sie nicht
ernstlich; unser beichten / unser Abendmahl gehen gefällt GOtt nicht / wenn es
nicht ernstlich. Bey allen Opffern im Alten Testament müste Feuer seyn; So muß
bey aller unserer Pflicht des Christenthums / da wir freylich
|| [17]
unser Hertz auch opffern /
Ernst seyn. Wie wil doch insonderheit unsere Buße und Besserung so ernstlich
angestellet seyn / wenn sie soll GOTT gefallen? gewiß hier ists mit einem
schlechten und ein wenig betrübten Andencken an die Sünde nicht ausgemacht? Nein
GOtt fodert ein zerknirschtes und zerschlagenes Hertz; und das theure Blut JEsu
Christi wil nicht hafften an einen Hertzen / welches noch hart ist wie ein Stein
/ sondern es muß durch wahre Erkänntniß erweichet / zermalmet / und wie David
saget / zerstossen seyn. So heist es auch: Tuht rechtschaffene Früchte(Matth. III, 8.) der Busse. Der Vorsatz taugt gar
nicht / da man beschlossen hat nur in einem und andern Stück sich zu bessern /
ein und andere Sünden aber vor der Hand noch beyzubehalten eyfrig zu seyn in
seiner Bekäntniß und bey seiner Religion / aber dabey laulich in den Wercken der
Gottseeligkeit / in der Liebe des Nechsten / in der Auffrichtigkeit; Nein / es
muß beydes ein Ernst seyn. Wir wollen ja nicht halb seelig und halb verdammet
werden / so können wir auch nicht halb fromm und halb gottloß seyn. Ein
Reisender kommt nicht fort / vielweniger ins Vaterland / wenn er nicht immer auf
der rechten Strasse fortgehet / sondern bald diesen / bald jenen Weg nehmen wil;
Wie wollen wir in Canaan kommen / wenn wir bald wollen den rechten Weg gehen /
bald aber die schändlichen Irrwege der Sünden erwehlen? Verlohrne Perlen lassen
sich im Finstern nicht wieder finden / und die verlohrne Seeligkeit noch weniger
/ wenn man wil seelig werden / und doch dabey lieben die Wercke der Finsterniß.
Ich schliesse diese Lehre mit Pauli Worten: In Christo JEsu(Eph. IV, 21.) ist ein rechtschaffenes Wesen /
Warheit / Auffrichtigkeit / Ernst / Eyfer / Fleiß /
Sorgfalt / Beständigkeit.
Ich weiß E. L. gehen schon mit ihrem Gewissen zu Rahte / und befragen sich mit
ihnen selbst: Obs dann auch ihnen mit ihrer Frömmigkeit bißher ein Ernst
gewesen? Wol dem / der ein hertzhafftes Ja in seinem Hertzen höret / wol auch
dem / der es noch nicht höret / doch aber itzt den heiligen Schluß fasset /
ernstliche Busse zu thun / und hernach durch die Gnade GOTTes mit grössern Ernst
fromm zu seyn. M. L. Was ich ihnen itzund vorgehalten / ist ja eine göttliche
Warheit / sie selbst begreiffen es / daß es nicht anders
|| [18]
sey; Und GOttes Wort wil nichts
davon missen / so kan ich auch nichts missen; Drum bleibts dabey: Wer da wil
seelig werden / des Gottesfurcht muß keine Heucheley / sondern (Eph. V, 5. Apoc. III, 16.) Ernst seyn. Nichts
unreines gehet in den Himmel. Was lau / nicht kalt nicht warm ist / speyet GOtt
aus seinem Munde. Hier wil denn nicht entschuldigen die Schwachheit des
Fleisches; Ein Wiedergebohrner vermag alles durch den / so ihn mächtig macht
Christum JEsum. Hier wil nicht entschuldigen das Wiederstreben des Hertzens;
Paulus streitet und kämpffet / wir müssens auch thun. Und wenn wirs nur
versuchen / so wird sichs mit der Zeit finden / daß das Joch JEsu dennoch sanfft
und seine Last leicht; Daß wir mit Paulo Lust haben / Freude haben an dem
Gesetze GOttes.
Paulus klagt hier über sein Elend / aber nicht darum / daß ihm die Frömmigkeit
saur und verdrießlich werde / sondern darum / daß ers nicht kan zu solcher
Frömmigkeit bringen in diesem Leben / die vollkommen / die ohne Wiederstand und
Hinderung seiner sündlichen Neigung sey. Sonst ist und bleibt an sich die wahre
Frömmigkeit den Frommen eine Lust (Rom. XIV 17. Psalm.
CXXXIIX, 5. Prov. III, 17.) und Freude; Das Reich GOttes ist ja Freude
und Friede. David sagt: Die Gläubigen sollen singen auf dem Wege des HErren. Der
himmlischen Weißheit ihre Wege sind liebliche Wege / und alle ihre Steige sind
Friede. Und laß seyn / daß der Weg nach dem gelobten Lande mit Dornen bewachsen
/ auf den Dornen wachsen doch liebliche Rosen / und Canaan hat süsse Trauben;
Diese Rosen abzubrechen / abzubrechen eine süsse Traube in gläubigen Anschauen
des himmlischen Canaans / ich wil sagen ein süsses Vergnügen nach dem andern in
seinem JEsu empfinden / ist das nicht Liebligkeit? Nun M. L. Sie werden sich
keine Mühe verdriessen lassen bey der ernstlichen Frömmigkeit; Es ist doch ein
Himmelreich darum wir streiten / eine Crone darum wir kämpffen. Der Gottlose
arbeitet sich ja offte mit sauren Schweiß in die Hölle; Warum wir nicht in den
Himmel? Die saureste Arbeit hat uns ja unser JEsus schon vorgethan. Es nimmt ja
doch mit allen Eitelkeiten ein Ende / so müssen wir ja an eine Ewigkeit
gedencken; wollen wir diß versparen biß aufs Tod-Bette? Ach wenns nur nicht zu
|| [19]
späte ist! wenn nur nicht
unsere gar zu grosse Sicherheit uns verstockt und gar zu hart machte? Wenn der
sichere / wenn der wollüstige Sünder / welchen die Eitelkeit dieser Welt gantz
eingeschläffert hat / dem Tode nahe kommt / gewiß es kommt mir nicht anders vor
/ als wenn einen Gefangenen träumet / er lebe in der grösten Herrligkeit / wenn
er aber erwacht / so siehet er sich in Ketten und Banden; Versichert / das Wesen
dieser Welt ist nichts anders / als ein solcher Traum / den der Sünder hat in
seinen Sünden-Schlaff / O wenn ihn der Tod nun aufwecket aus diesem Schlaff /
wie wird er erschrecken vor den Banden / damit ihn Satan gefesselt hat? Euch
aber / die ihr beyzeiten den Sünden-Schlaff aus den Augen gewischet / und den
Himmel mit Ernst gesuchet / euch muß der Tod ein angenehmer Bote seyn: Ihr habt
mit Paulo Lust gehabt an dem Gesetze GOttes / so werdet ihr auch mit ihm Lust
haben abzuscheiden und bey Christo zu seyn. Die Leute welche nichts eigenes
haben / und uicht wissen wo sie hin sollen / wollen nicht gerne das gemietete
Hauß verlassen / wer aber was Eigenes weiß / verlässet gern das Gemietete;
Unbußfertige haben keine Hoffnung zu jenem Bau / den GOtt erbauet / darum kömmts
ihnen sauer an die zerbrechliche Hütte zu verlassen. Wir aber nicht also; Wir
haben hier keine bleibende Städte / der Himmel aber ist unser Eigenthum; So
gehen wir denn mit Lust aus der gemieteten Hütten / damit wir desto eher kommen
zu unsern Eigenthum / desto eher kommen zu Christo JEsu / desto eher kommen zu
der Crone / zu dem Vater / zu der Menge der Auserwehlten.
Nun M. A. wir haben Pauli Sterbens-Wunsch erwogen / ihn auch zu unserer Erbauung
uns / GOtt gebe fruchtbarlich zu Nutze gemacht. Es ist noch übrig diesen Wunsch
auch anzusehen / als den Wunsch eines Hohen in der Welt / des Weyland
Durchlauchtigsten Fürsten und Herren / Herrn Ferdinand Christian / Hertzogen zu
Braunschweig und Lüneburg. Es ist leicht zu gedencken / was dieser theure Fürst
vor ein Hertz und vor Gedancken gehabt / da Er diese Worte Pauli zu seinen
Leichen-Spruch erwehlet. Ich werde nicht irren wenn ich sage / Er
|| [20]
habe damit wollen zu erkennen
geben: Wie müde / wie überdrüssig Er des unvollkommenen sündlichen Wesens dieser
Welt gewesen. Denn Pauli Wunsch und sein Wunsch kam aus einerley Hertzen. Er
hatte so wol als Paulus JEsum angezogen in der heiligen Tauffe / JEsus wohnete
durch den Glauben in Seinem Hertzen; So war der Geist zwar durch die inwohnende
mit-wirckende Krafft JEsu willig zum Guten / aber das Fleisch war schwach / und
das Gesetz in den Gliedern / der angebohrne Wiederwille zum Guten / die zwar
beherschte aber noch nicht gedämpffte Sünde regte sich / setzte sich dem guten
Vorsatz entgegen / daß Er immer mit sich zu streiten hatte. Wenn denn das
Aergerniß / wenn die Exempel / wenn die Gelegenheit zu sündigen dazu kam / so
muste der Kampff hefftiger werden; Was Wunder / daß denn einem unverzagten Muht
eines Fürsten / der so wol als die Durchleuchtigsten Herrn Brüder im Felde /
nicht nur zu treffen / sondern auch zu siegen wünschte / solchen Sieg aber nicht
zu erhalten in dieser Sterblichkeit vermogte / dabey nicht wol zu Muhte gewesen?
Was Wunder / daß Er sich mit Paulo vor einen elenden Menschen gehalten? Was
Wunder / daß Er gewünschet dieses Elendes loß zu seyn.
Ist doch warhafftig viel! Ein Printz von einem Durchlauchtigsten Hause / Ein Herr
/ den jederman wegen seiner sonderbahren Gaben / fürnehmlich wegen einer recht
sonderlichen Pieté aestimiret / Der in der Welt irrdische Glückseeligkeiten vor
andern haben können / giebt sich doch vor einen elenden Menschen aus. Ach ja die
Eitelkeit dieser Welt war dem theuren Fürsten nur gar zu wol bekannt / Er wuste
gar zu wol / daß die Hohen in der Welt Götter / aber doch wie Menschen sterben
müsten / daß unter den gefallenen Schnee auch bißweilen Gestalten der Cronen
gefunden werden / die aber so wol als die gemeinen Flocken zu Wasser werden; Er
erkannte wol mit jenem gelehrten Manne / daß unser Leben wie das Schacht-Spiel /
auf welchen die vornehmsten Steine ihren Vorzug haben / so lange das Spiel wäret
/ aber nach geendeten Spiel werden sie über einander geworffen; Darumsahe dann
das Durchlauchtigste Hertz weiter / und hindurch durch die Eitelkeit / Er wolte
ein
|| [21]
beständiger Vergnügen
haben; da sich daran so viel Hinderniß funden / gestunde Er gerne / daß Er auch
bey dem grösten Glück der Welt unglücklich wäre / und daher kam der Wunsch: Ich
elender Mensch / wer wird mich erlösen von dem Leibe dieses Todes?
Des theuren Fürsten ernstlicher Vorsatz war ja schon von vielen Jahren her in dem
Christenthum nicht laulicht / sondern recht fromm zu seyn; Und so war es Ihm ein
rechter Eckel die Heucheley der Menschen wahrzunehmen / und daß viele sprechen
von der wahren Frömmigkeit anzuhören / aber doch die geringsten Früchte nicht zu
sehen. Sein Wunsch war hingegen / eine rechte Erkäntniß von GOTT und dessen
Willen aus seinem heiligen Worte zu haben / diß war der Zweck des so fleißigen
unermüdeten Bibel-lesens / der Reden aus GOttes Wort und vom Christenthum / des
Lesens anderer geistreicher Bücher; und gewiß / Sein Erkäntniß war lebendig und
so groß / daß mancher grosser Lehrer dadurch sollen schamroth gemachet werden;
Sie war lebendig durch den Glauben / die guten Wercke zeugeten davon; Sein Beten
und Seufftzen war ja unabläßlich / war eyfrig / so daß Er wol eher es
beseufftzet / daß das Beten zuweilen nicht so brünstig seyn wolte / als Er es
gerne hätte / sich aber dabey bald aufgerichtet mit der Zusage Pauli: Daß der
kindliche Geist dennoch in uns schreye Abba(Gal. IV,
6. Rom. IIX, 26.) lieber Vater / ja daß dieser Geist uns vertrete mit
unaus sprechlichen Seufftzen. Sein Gottesdienst war gewiß ein recht Exempel;
Seine Demuht und Leutseligkeit keiner zu vergleichen / als der / welche diesem
Hoch-Fürstl. Hause erb und eigen ist; Seine Liebe zu GOtt als dem höchsten Gut
recht feurig. Nicht ohne Vergnügen meines Hertzens erinnere ich mich des
Vergnügens / so der gottselige Herr ehemahls bey einem geistreichen Buch / der
Vergnügende GOtt genandt / gegen mir bezeuget.
Die Liebe zu dem Nechsten war so hertzlich / daß Sein embsiges Bemühen gewesen /
es dahin zu bringen / jederman nach Vermögen wol / und niemanden Leyd zu thun.
Aus dieser Liebe kam Sanfftmuht / hertzliches Erbarmen / Friedfertigkeit / und
eine ungemeine Güte gegen jederman. Ich flattire und schmeichele nicht / sondern
rede das / wovon
|| [22]
ich Beyfall
von der Warheit und allen denen finden werde / welche jemahls die Gnade gehabt /
bey Ihr. Durchl. um und an zu seyn. Ich setze dieses noch hinzu / daß es dem
hochseeligsten Fürsten mit allen diesen ein rechter Ernst gewesen / und weil Er
dabey die Schwachheit und Fehler wahrgenommen / mit Paulo lieber sterben / als
länger sündigen wollen / und also diesen Wunsch gethan: Ich elender Mensch / wer
wird mich erlösen von dem Leibe dieses Todes?
Niemand deute den Wunsch dieses Hohen in der Welt auf Uberdruß des mühseligen
Lebens; Nein / sein Leben liebte Er als eine Wolthat GOttes; um Erhaltung des
Lebens war keine Artzney zu bitter / keines Brauchens zu viel / und bey dem
Gebrauch unterliesse Er nimmer GOtt um den Seegen anzuruffen. Ja es zeugete von
Seiner Gelassenheit / da Er einen Tag vor Seinen seeligen Ende den Gesang: HErr
wie du wilt / so schicks mit mir im Leben und im Sterben etc. von selbsten
anfienge / und mit brünstiger Andacht betete.
Niemand deute diesen Sterbens-Wunsch auf Ungedult. Ach nein! darum seufftzete Er
/ und liesse andere seufftzen / (Psalm. LXXIII 23.
24.) daß Er biß ans Ende sagen mögte: Dennoch bleib ich stets / O GOtt
/ an dir / denn du hältest mich bey meiner rechten Hand. Du leitest mich nach
deinem Raht / und nimst mich endlich mit Ehren an. Als ich auch in den letzten
Tagen zur Beständigkeit in solcher Gedult Ihn anmahnete / war dieß die Antwort:
Ach mein Creutz ist zwar schwer / mein Leyden währet lange / wenn ich aber
dagegen halte das Gute / so ich bereits von meinem GOtt in so reicher Maasse
genossen / und noch zu hoffen habe / kan ich meines Leydens bald vergessen; Und
wie offte hat der Hochseelige Fürst seine Gelassenheit gegen Dero Durchl. Hn.
Brüder / gegen die Durchl. Princeßin in so herrlichen Bezeugungen spüren lassen?
Ach / sagte Er einstens / (Ebr. IV, 15.) wir haben
einen Hohenpriester / der Mitleyden haben kan mit unserer Schwachheit. GOTT
hilfft mit tragen / und so lang der mit trägt / ist alles erträglich. Das ist
ein (Matth. XI, 28.) schöner Spruch: Kommt her zu
mir alle die ihr mühseelig und beladen seyd / ich wil euch erquicken. Er hielte
|| [23]
Ihm auch selber zur
Auffmunterung in der Gedult das Leyden Christi vor. Gegen dieses Leyden / sagte
Er / ist aller Menschen Leyden wie nichts zu rechnen.
Niemand deute diesen Wunsch auf ein Mißtrauen oder Verzagung an der Gnade GOttes;
Ach dazu war Ihm das Verdienst JEsu Christi gar zu feste ins Hertz geleget. Wie
ergetzte Er sich über den Spruch: GOtt hat den / der(2. Cor. V, 21.) von keiner Sünde wuste / für uns zur Sünde gemacht /
auf daß wir würden in ihm die Gerechtigkeit / die für GOtt gilt. Mit was vor
Vertrauen feufftzete Er: Die Angst meines Hertzens ist groß / führe mich aus
meinen(Ps. XXX, 17. 18.) Nöhten. Siehe an
mein Jammer und Elend / und vergib mir alle meine Sünde; Wie beweglich wuste Er
es seinem Hertzen und Dero Durchl. Geschwister vorzuhalten / daß GOtt gleichwol
einen Eyd darauf geschworen /(Ezech. XXXIII,
11.) Er wolle nich den Tod des Sünders. Diesen Spruch wuste er mit
sonderbahren Nachdruck vorzubringen. Sondern nebst dem Verlangen der Sünden loß
zu werden / war die Ursach dieses Wunsches das Verlangen bey Christo JEsu zu
seyn. Je näher nun die Stunde kam / da Er seines Wunsches solte gewähret werden
/ je hefftiger wurde das Verlangen. Mit was vor Andacht betete Er:
Ein seelig Ende mir bescher / Am jüngsten Tag erweck mich HErr / Daß ich dich schaue ewiglich / Amen / Amen / erhöre mich!
Stärck mich mit deinem Freuden-Geist / Heil mich mit deinen Wunden / Wasch mich mit deinem Todes-Schweiß In meiner letzten Stunden / Und nimm mich denn / wenn dirs gefällt / In wahrem Glauben aus der Welt / Zu deinen Auserwehlten.
Erscheine mir zum Schilde / Zum Trost in meinem Tod /
|| [24]
Und laß mich sehn dein Bilde In
deiner Creutzes-Noht / Da wil ich nach dir blicken / Da wil ich Glaubens-voll /
Dich fest an mein Hertz drücken. Wer so stirbt der stirbt wol.
Sein Glaube an JEsum Christum zeigte sich je mehr und mehr; Mit was vor
Freudigkeit / mit was vor holdseligen Minen nahme Er an die Trost-Sprüche /
welche Ihm von andern und von mir vorgehalten und zugeeignet wurden.
Insonderheit war diß sein Kräfftiger Trost / das Er der Liebe JEsu versichert
wäre / Er hatte solchen Ihme selbst genommen (Joh. X,
28.) aus den Worten JEsu: Niemand soll mir meine Schäfflein aus meiner
Hand reissen Auf diesen Glauben war die Hoffnung nun bald mit Christo JEsu
vereiniget zu werden gegründet. Dieß zeigte sich / als wir den Gesang sungen:
Wenn mein Stündlein verhanden ist etc. und an die Worte kamen: So fahr ich hin
zu JEsu Christ / mein Arm thue ich ausstrecken; Denn da streckte Er die müden
Arme mit sonderbahren Bewegungen aus / zu bezeugen / Er wüste / JEsus böhte Ihm
schon die Hand / Er JEsu wieder; Als ich auch (Rom.
IIX, 38. 39.) endlich Ihme den Spruch Pauli zurieff: Ich bin gewiß /
daß weder Todt noch Leben / weder Engel noch Fürstenthum / noch Gewalt / weder
Gegenwärtiges noch Zukünfftiges / weder Hohes noch Tieffes / noch keine andere
Creatur / mich scheiden mag von der Liebe GOttes / die in Christo JEsu ist
unsern HErren; Und darauf fragte: Ob Er denn dieß auch noch glaubte und JEsum
noch fest in sein Hertz geschlossen hielte? war dieß das letzte Wort / so der
Fürstliche Mund auf der Welt gesprochen: Ja gewiß!
Auf dieß Gewiß sind wir denn gewiß und versichert / daß der hochseeligste Printz
gewiß gewiß in den Armen JEsu eingeschlaffen / Seine Seele gewiß in den Schooß
Abrahams von den Engeln getragen / gewiß ruhe von aller ihrer Arbeit / gewiß
ihren Erlöser itzund sehe / und seiner in vollkommener Herrligkeit geniesse /
gewiß einmahl von JEsu werde mit dem auferweckten Leibe vereiniget mit JEsu
geführet werden in die seelige Ewigkeit.
|| [25]
O wie wol ist nun gelungen der Wunsch dieses Hohen in der Welt! Ja wir wollen
alle wünschen zu sterben des Todes dieses Gerechten.
Indessen kan es auch nicht anders als schmertzlich wehe thun denen Durchl. Hn.
Brüdern / wie auch der Durchl. Princeßin / wenn Ihnen eine Wunde nach der andern
geschlagen / und so offt ein Stück von Ihren Hertzen wird abgerissen. Doch
versichert mich Dero hocherleuchteter Verstand einer Christlichen Maaß in Ihrer
Traurigkeit. Die schon wolgeübte Gedult / die durch fleißige Betrachtung
Göttliches Worts in Ihnen ausgearbeitete und bereits wolgeübte Gelassenheit
erweiset eine Probe nach der andern; Ja ich bin versichert / Sie werden nebst
der Gottseligkeit des hochseeligst Verstorbenen auch Dessen freudigen Muht in
allem Creutz als ein angenehmes Erbtheil nehmen.
Der GOtt aber alles Trostes heile das geschlagene / verbinde das verwundete / und
erhalte das Durchl. Brüder-Paar / nebst der Durchl. Princeßin Schwester / bey
allen hohen Fürstl. Wolseyn; Er gedencke Ihrer allezeit im besten; Er lasse von
Ihnen / daß Sie sich erquicken; Er mehre Ihre Jahre; Er erfreue Ihr Hertz; Er
kröne Sie mit Gnade und Barmhertzigkeit; Er sättige Sie mit langem Leben / und
zeige Ihnen sein Heil.
GOtt verleihe auch nach seinem heiligen Willen / daß nun in vielen Jahren keine
Fürstl. Leich- und Gedächtniß-Predigt von dieser Cantzel wieder gehalten werde.
Er hebe und trage unsern Durchlauchtigsten Landes-Vater in Seinem Alter; Er
verjüngere Seine Kräffte; Er unterstütze dieselbe unter Dero Creutz mit
mächtiger Hand; Er nehme es ab / oder helffe tragen; Und was der Himmel gut und
seelig findet / wiederfahre Ihnen und dem Durchlauchtigsten Erb-Printzen /
Printzen / und Princeßinnen auf Erden / der HErr kröne Sie mit Gnaden wie mit
einem Schilde / und lasse Sie nach langen Jahren sterben; Sterben so freudig /
so seelig / wie der hochseeligste Printz gestorben. Er gebe Ihnen samt und
sonders ein Hertz und eine Seele / und endlich einen Himmel / Amen!
|| [26]
PERSONALIA.
WIr solten nun / der hergebrachten Gewohnheit nach / mit Ablesung des in so viel
Secula sich erstreckenden Stamm-Registers des weyland Durchlauchtigsten Fürstens
und Herrn / Herrn FERDINAND CHRISTIANS, Hertzoges zu Braunschweig und Lüneburg /
etc. billig verfahren. Aldieweil aber vorhin bekannt daß Ihro Durchl. aus denen
uhralten Durchlauchtigsten Braunschweigischen / Hessischen und andern durch
Vermählung mit diesen beyden alliirten grössesten Häusern derer Hohen dieser
Welt / Ihren Uhrsprung genommen / und solches heute Vormittage zu Ende Ihres
Hochseeligsten Herrn Bruders / Hertzog HEINRICH FERDINANDS Durchl. gehaltenen
Gedächtniß-Predigt von dieser Stelle schon guten Theils angeführet worden; Als
wollen wir Weitleufftigkeit zu vermeiden / nach nur angezogenen Hoch-Fürstlichen
Eltern / zu Unsers Hochseeligsten Printzen genommenen Anfang / Christ-Fürstlich
geführten Wandel und seeligsten Abschied aus diesem Vergänglichen uns
wenden.
|| [27]
Ist demnach Ihro Durchl. Herr Vater gewesen / der Hochwürdigst-Durchlauchtigste
Fürst und Herr / Herr FERDINAND ALBRECHT, Hertzog zu Braunschweig und Lüneburg /
der hohen Stiffts-Kirchen zu Straßburg / Evangelischen Thum-Capituls / Decanats
Stadthalter.
Dero Frau Mutter / die Durchlauchtigste Fürstin und Frau / Frau CHRISTINA,
Hertzogin zu Braunschweig und Lüneburg / gebohrne Land-Gräfin zu Hessen /
Fürstin zu Hirschfeld / Gräfin zu Catzen-Ellenbogen / Dietz / Ziegenhayn / Nidda
und Schaumburg.
Von diesen Hoch-Fürstl. Eltern ist unser Hochseeligster Printz den 4. Martii Anno
1682. zu Osterholtz / allwo Dero Hoch-Fürstl. Groß-Frau Mutter / weyland
Land-Graf FRIDRICHS zu Hessen etc. hinterlassene Fürstl. Frau Wittwe / Hochseel.
Andenckens / sich mehrentheils aufgehalten / zur Welt gebohren / auch bald
darauf durch das Bad der Wiedergebuhrt seinem Heylande und Seeligmacher
zugeführet / und der Nahme FERDINAND CHRISTIAN ihm beygeleget worden.
Durch Christ-Fürstliche Vorsorge seiner Hohen Eltern / ist unser in GOTT ruhender
Printz gleich in noch zarter Kindheit / nach Anweisung der heiligen Schrifft /
in unser darin gegründeten Evangelisch-Lutherischen Religion, durch die ihm
zugeordnete treufleissige Informatores wol unterrichtet / womit auch / nach dem
im Jahr 1687. den 23. Aprilis erfolgten frühzeitigen höchstseeligsten Absterben
seines Durchlauchtigsten Herrn Vaters / auf dem Fürstl.
|| [28]
Residentz-Schloß Bevern /
insonderheit unter treuer Anführung des vorm Jahr seelig verstorbenen Herrn
Superintendenten Cahrstedts, als damahligen Informatoris der drey Jüngern
Durchl. Printzen / glücklich continuirret / anbey auch mit Erlernung nützlicher
Sprachen und Wissenschafften ein guter Anfang bey Ihm gemacht worden / biß Er
Anno 1693. auf seiner nunmehro Höchseeligen Frau Mutter und derer damahls
gemeinschafftlich regierenden Herren Hertzogen / Herrn RUDOLPH AUGUSTENS,
Christ-mildesten Andenckens / und Herrn ANTHON ULRICHS Durchl. Durchl. Durchl.
als seiner Hohen Vormünder / gnädigstes Gutbefinden / nebst seinen beyden
Jüngern Herrn Brüdern in hiesige Fürstliche Academie getreten / worin Er die
vorgefundene herrliche Gelegenheit Sich zu qualificiren Ihm sehr wol zu Nutz
gemacht / und / vermittelst des Ihm von GOtt verliehenen fürtrefflichen Ingenii
und angewandten unermüdeten Fleisses / in allen / einen Printzen nöhtig- und
anständigen Wissenschafften / Sprachen / Künsten und Exercitiis dergestalt
zugenommen / daß dahero das Publicum schon damahls grosse Hoffnung von Ihm zu
schöpffen billig Ursach gehabt.
Bey Ausgang des 1697. Jahrs hat der Hochseeligste Printz mit seiner
Durchlauchtisten Frau Mutter / in Gesellschafft seiner eintzigen Princessin
Schwester und Zwillings-Bruder Herrn Hertzog ERNST FERDINANDS Durchl. Durchl.
eine Reise nach dem Königlichen Schwedischen Hofe ge
|| [29]
than / Sich einige Monat
allda aufgehalten / und so wol an diesem / als an dem Königlich-Dähnischen Hofe
/ welchen Sie auf der Hin- und Her-Reise besucht / wegen seiner guten Aufführung
von der Königlichen Herrschafft und allen Bedienten viel Gnade / Liebe und Ehre
genossen.
Nach abgelegter Reise ist unser in GOTT ruhender Printz zu Anfang des 1699. Jahrs
in hiesige Fürstliche Academie glücklich wieder zurück gelanget / und hat nicht
allein seine ehemahlige studia continuiret / sondern auch darneben auf die im
Kriege fürnemlich zu statten kommende Wissenschafften und Exercitia mehr als
vormahls sich appliciret. Denn wie unser Hochseel. Printz Anfangs die Intention
gehabt / GOTT und dem Vaterlande im Kriege zu dienen / wozu Er durch seines
ältesten nunmehro in GOtt ruhenden Herrn Bruders Durchl. höchst rühmliches
Exempel nicht wenig aufgemuntert worden; Also hat Er auch die dazu erfoderte
Geschicklichkeit zu acquiriren sich bemühet / und zu dem Ende bey einer von
Unsers regierenden gnädigsten Herrn Durchl. Ihm gnädigst geschenckten Compagnie
zu Fuß / die Capitains-Dienste zu thun würcklich angefangen.
Alldieweil aber Ihr. Durchl. mit der Zeit verspühret / daß Dero schwächliche
Leibes-Constitution die im Kriege vorfallende Fatiguen nicht würde ertragen
können / haben Sie sich entschlossen davon abzustehen und desto fleissiger denen
Studien ferner obzuliegen / auch durch Reisen in fremde Länder Sich zu
qualificiren / wie Sie denn zu dem
|| [30]
Ende / nach erhaltener Permission von Dero Durchläuchtigsten Herren
Vormündern Anno 1703. im Januario anfänglich / und / weil damahls der Weg nach
Franckreich und Italien durch den Krieg versperret wurde / eine Reise nach
Holland gethan / und im Haag einige Monahte Sich aufgehalten / und mit vielen
hohen Standes-Staats- und Militair-Personen / auch andern vornehmen berühmten
und gelahrten Leuten Bekandtschafft gemacht / und die öfftere Conversationes mit
denenselben / als angenehm-nützlich / allen andern Ergötzlichkeiten vorgezogen;
Hierauf auch in denen vereinigten Nieder-Landen die vornehmste Festungen /
berühmte Städte und was in selbigen curieuses anzutreffen / in Augenschein
genommen / und fleissig remarqiret, nachmahls aber als den 5. Augusti, Dero
Reise unter göttlicheu Geleite nacher Engelland fortgesetzt.
Als der Hochseeligste Printz den dritten Tag hernach in Londen glücklich
arriviret und von dem Zustand des Hofes fodersamste Nachricht eingezogen /
mithin die daselbst anzutreffende Merckwürdigkeiten besichtiget / hat Er Sich
den 22. Augusti nach Windsor, allwo dazumahl die Königliche Hofstadt sich
aufgehalten / begeben / Ihro Hoheit / Printz GEORGE von Dännemarck / besuchet /
und ist darauf bey der so rühmlich als glücklich jetzt regierenden grossen
Königin zur Audience gelassen / auch gar gnädig und freundlich empfangen; Auf
Ihro Majest. selbst eigenen hohen Verordnung sind Ihro Durchl. überall herum
geführet / und von jederman mit grosser Höfflichkeit beehret worden /
|| [31]
den nächsten Tag darauf sind
Sie dem Königlichen Hof nach Hamptoncourt, woselbst der Hertzog von Schomberg in
den Ritter-Orden des blauen Hosen-Bands aufgenommen / gefolget / und als
derselbe den 13. Septembr. zu Windsor mit gewöhnlichen Solennitäten installiret
worden haben Ihr. Durchl. um solches anzusehen Sich wiederum dahin erhoben. Die
folgende Zeit haben Sie mit Besuchung verschiedener berühmten Oerter und andern
nützlichen Occupationibus in Londen zugebracht / biß medio Novembris die
Königliche Hofstatt und mit selbiger eine grosse Menge so In-als Ausländischer
vornehmer Herren / Ministers und Officiers daselbst ankommen / mit welchen unser
Durchlauchtigster Printz mit nicht mindern Nutzen als Vergnügen täglich umgangen
/ wie Er denn auch bey allen Geselschafften so Er frequentiret / durch sein
douces Wesen Sich sehr beliebt und angenehm gemacht.
Als auch Ihro Königl. Majestät in Spanien, CARL der Dritte aus Holland in
Engelland angelangt / und den 9. Januarii 1704. zu Windsor von der Königin aufs
prächtigste eingeholet und tractiret worden / hat unser seeligster Printz
höchstgedacht Ihro Königl. Majestät den folgenden Morgen die reverence gemacht /
und zu Fortsetzung Dero Reise glücklichen Succes gewünschet / worüber Ihro
Majestät ein sonderliches Gefallen bezeuget / massen Sie die Gratulation mit
grosser Freundlichkeit beantwortet / nach Ihro Durchl. und Dero hohen Hauses
Zustand sich erkundiget /
|| [32]
und
Sie im übrigen Ihrer beständigen hohen affection versichert.
Nachdem nun unser in GOtt ruhender Printz Sich biß in den achten Monaht in
Engelland bey unverrückter Gesundheit aufgehalten / und verschiedenen solennen
functionibus bey Hofe / im Parlament und in der Stadt Londen zugesehen / hat Er
Sich zur Abreise angeschickt / und ist nach gehabter vergnügter
Abschieds-Audience bey Ihro Majest. der Königin und Ihro Hoheit dem Printzen von
Dännemarck den 15. Februarii von Londen aufgebrochen / den 17. in Harwitsch an
Bort gangen / und vermittelst göttlicher Hülffe und guten Windes / den folgenden
Tag in Holland und dem Haag ankommen. Nachdem Ihro Durchl. daselbst einige Tage
verblieben und ausgeruhet / haben Sie dero Rückreise nach Hause über Nimwegen /
Wesel / Münster etc. continuirt, und sind den 16. Martii ohne einigen auf dieser
gantzen Reise erlittenen Anstoß an Dero Gesundheit oder andern Unglücks-Fall
allhier in Wolffenbüttel glücklich wieder zurück gelanget.
Im Sommer desselbigen Jahrs hat unser Hochseeligster Printz eine Tour im Reich
herum gethan / und ist / nachdem Er verschiedene Fürstl. Höfe und vornehme
Oerter besucht und in Augenschein genommen / über Leipzig und Dreßden nach dem
Töplitzer Bade gegangen / woselbst Ihro Majestät die Königin von Pohlen sich
eben befunden / welcher Er die reverence gemacht / und ausser dem / daß Er
öffters bey Derselben speisen müssen / hat Sie
|| [33]
unsern seeligsten Printzen Ihre
gnädige Zuneigung durch viele marquen zu erkennen gegeben.
Nach der Abreise Höchstgedachter Königin hat Er Sich nach Prage und von da / nach
einiger Tage vergnüglichen Auffenthalt nach Breßlau erhoben; An diesen letztern
Orte hat Er von des Herrn Teutschmeisters und dessen Herrn Bruders Pfaltz-Graf
CARLS Durchl. Durchl. wie auch übrigen zugegen gewesenen vornehmen Herren / viel
Liebe / Höffligkeit und Ehre genossen / uud darauf seine Rückreise herwarts
genommen.
Anno 1705. im Früh-Jahr haben Unsers regierenden gnädigsten Herrn Durchl. dem
seeligstverstorbenen Printzen die Praeposituren der beyden Fürstlichen Stiffter
S. S. Blasii & Cyriaci in- und vor Braunschweig / nachdem seines Herrn
Bruders / Hertzog FERDINAND ALBRECHTS, Durchl. aus Freund-Brüderlicher Affection
sich deren begeben / gnädig conferirt; Bald nachher haben Ihro Durchl.
Hoch-seeligen Andenckens / abermahl eine Lust-Reise über Düsseldorff und Aacken
zu dero Hn. Bruders Hertzog ERNST FERDINANDS Durchl. in das bey Mastricht unterm
Commando des Duc de Marlebouroughs und Holländischen General-Feld-Marschalls von
Overkerken dero Zeit gestandenes Lager gethan / bey jetzt hocherwehnten dero
Herrn Bruder / deme nichts angenehmers als diese Zusprache begegnen können / mit
grossen Contentement einige Zeit passiret / mit der hohen Generalität und andern
Officiers, welche Ihr viel Ehr und Höfflichkeit erzeiget / connoisance ge
|| [34]
macht / und bey der
Gelegenheit die Ordnung und das Commando so bey einer Armee im Felde gehalten
wird / observiret, worauf Sie gantz satisfait Sich auf den Rückweg begeben / und
nachdem Sie bey dem Chur-Pfältzischen Hofe zu Düsseldorff eingesprochen / und
von dasiger hohen Herrschafft gantz freundlich empfangen worden / auch des
damahligen Bischoffs von Münster Fürstl. Gnaden zu Sassenberg en passant
besuchet / mit Ausgang des Julii allhier glücklich wieder angelangt; Den rest
des Sommers und die folgende Zeit haben Ihr. Durchl. mit allerhand nützlichen
Zeitvertreib zugebracht / sonderlich mit Lesung vortefflicher Bücher und
Wiederholung dessen was Sie auf Ihren Reisen merckwürdiges gehöret und gesehen /
worzu Ihr das Diarium, so Sie selbst gehalten / dienen müssen.
Gleich wie nun Ihro Durchl. durch solche Ihre Bemühung unter andern in Politicis,
Historia moderna & antiqua, Jure publico & privato grosse Wissenschafft
erlanget / also ist Ihr solches in Conversation und Discursen, da Sie auch von
den wichtigsten affairen gründlich zu raisoniren gewust / wol zu statten kommen
/ und hat dieses alles / voraus weil es mit einer un-affectirten und gleichsam
angebohrnen modestie begleitet gewesen / Ihr jedermans Hochachtung / auch
reputation eines so gelahrten leutseeligen Printzens zuwege gebracht; Wie groß
aber unsers Preiß-würdigsten Printzens Erudition und andere bey der Welt hoch
angesehene qualitäten gewesen / so ist doch solches alles gering zu achten gegen
das gehabte Erkänntniß
|| [35]
GOttes
und seines heiligen Willens / welches Er Ihm / durch andächtiges Gebet /
fleissiges Lesen und Betrachten heiliger Schrifft auch anderer geistreichen
Bücher erworben.
Aus diesem Erkänntniß ist geflossen / daß Er den grossen GOtt über alles von
gantzen Hertzen und aus allen Kräfften geehret / gefürchtet und geliebet;
Daß Er in diesem höchsten Gute seine eintzige und wahre Freude gesucht / hingegen
die Welt mit ihrer Lust verachtet; Daß Er sich zu gering gehalten aller
Barmhertzigkeit die der HERR an Ihm gethan.
Daß Er mit Furcht und Zittern geschaffet seelig zu werden / für vorsetzlichen
herrschenden Sünden Sich gehütet / und wenn Er von einem Fehler übereilet worden
/ solches hertzlich bereuet / und dem grossen GOtt in Demuht abgebeten.
Daß Er mit ungemeiner Devotion zu den Liebes-Mahl seines Heylandes Sich jederzeit
angefunden / und dessen theuren Leib und Blut mit einem rechten geistlichen
Hunger und Durst / zu Erquickung seiner Seelen empfangen;
Ferner ist aus diesem Erkänntniß des göttlichen Willens entsprungen der bey des
Hochseeligsten Printzens Durchl. hervorgeleuchtete Eyfer zur Warheit und
Gerechtigkeit;
Der Gehorsam und tieffe respect gegen seine Durchlauchtigste Frau Mutter und
Herren Vormündere / als deren hohen Vorsorge und erzeigten Wolthaten Er Sich mit
grosser Erkänntlichkeit stets erinnert;
|| [36]
Die aufrichtige Liebe und Treue gegen seine Fürstliche Herren Brüder und eintzige
Princessin Schwester / auch andere hohe Anverwandte;
Die Leutseeligkeit und anständige Demuht gegen jederman;
Die Freygebigkeit gegen arme und gebrechliche Leute / Kirchen und Schulen; wovon
aber allhier viel zu gedencken die im Leben von Ihm so sehr geliebte modestie zu
verbieten scheinet.
Aus dieser wahren Quelle aller wahren Tugenden ist ferner auch geflossen das
GOtt-gelassene Gemüht welches in Ihm gewohnet / und die Gedult und
Standhafftigkeit / womit Er die höchstschmertzliche Todes-Fälle seiner so
hertzlich geliebten Frau Mutter und beyder Herren Brüder Durchl. Christmildesten
Andenckens / als auch alle Wiederwärtigkeiten und Trübsal ritterlich
überwunden.
Es ist bekannt / daß es unsern wehrtesten Printzen / als einem lieben Kinde
GOttes / in diesen Jammer- und Thränen-Thal an Leyden nicht gefehlet / war es
also höchst nöhtig / daß Er seine Seele mit Gedult und Beständigkeit waffnete /
und ohne solche Rüstungen würden Ihm die Beschwerlichkeiten / welche Er bey
seiner langwierigen letzten Leibes-Schwachheit / andere vorjetzo stillschweigend
zu übergehen / nach GOTtes Willen ausstehen müssen / ja wol unerträglich gewesen
seyn.
Was nun diese letzte Kranckheit betrifft: So haben Ihro Durchl. schon im Herbst
des 1705. Jahrs von Magendrucken / Schwindel und Blehungen Ungelegenheit
empfunden / woraus man
|| [37]
nicht
ohne Grund geschlossen / daß der Magen übel constituiret und prima digestio in
etwas laediret gewesen. Ob nun wol nach dem Gebrauch derer von dem Stadt-Physico
Herrn Doctor Burchard zu Wolffenbüttel verordneten Artzeneyen erwehnte
incommoditäten auf einige Zeit nachgelassen / so haben sie sich doch bald
hernach wieder eingefunden / und hat denenselben im Martio vorigen Jahrs ein
febris erratica und nachmahls ein catharralischer Husten sich zugesellet / so
daß Ihro Durchl. ob Sie gleich wegen beybehaltenen guten appetits zum Essen /
damals an Ihren Kräfften noch keinen sonderlichen Abgang verspühret / dennoch
mehren theils in Dero Gemach bleiben / und die äusserliche Lufft meiden müssen.
Bey solchem Zustande nun und da aller von vorbemeldten Medico angewandten Treue
/ Sorgfalt und Fleisses ohngeachtet / keine beständige Besserung erfolgen wollen
/ haben Ihro Durchl. im Monaht Junio vorigen Jahres gut befunden den Fürstlichen
Leib-Medicum und Stadt-Physicum zu Braunschweig Herrn Doctor Held / weil
demselben Ihre constitution von vielen Jahren her bekandt gewesen / mit zu Rahte
zu ziehen / welcher denn so wol Anfangs / als Ihro Durchl. denselben zu Zeiten
zu Sich kommen lassen / wie auch nachmahls / da Sie sich / um ihn desto besser
an der Hand zu haben / nach Braunschweig erhoben / an seiner Treu und Fleiß zu
des liebreichen Printzens Genesung alles ersinnliche beyzutragen ebenfalls
nichts ermangeln lassen. Weilen aber keine be
|| [38]
ständige Besserung
leyder! erfolget / sondern vielmehr zu dem Fieber allerhand gefährliche
symptomata, als starcker Schweiß / anhaltender Huste mit abwechselnden Durchfall
und Verstopffung sich eingestellet / und dadurch / wie auch nach verlohrner Ruhe
und appetit zum Essen / durch die innerliche Hitze Ihro Durchl. Leib dergestalt
abgemattet und ausgezehret worden / daß Sie nicht mehr auf seyn / sondern zu
Ende des Octobris Sich legen / und von der Zeit beständig bettlägerig bleiben
müssen / so hat man aus sothanen Umständen / daß die viscera nicht mehr
allerdings incorrupta gewesen geurtheilet / jedoch hat man alle Hoffnung damahls
noch nicht fahren lassen / gestalt auch Ihro Durchl. im Anfang des Novembris
resolvirt den Fürstlichen Hof-Medicum Herrn Doctor Spiessen noch zu consuliren /
welcher auch Dero Zufälle mit unverdrossenen Fleiß so Nachts als Tages
observiret / und mit Herrn Doctor Held alle erdenckliche Genesungs-Mittel
concertiret; Es haben aber die verlohrne Kräffte / ob gleich der paroxismus
febrilis nachgelassen / sich nicht wieder erholen / noch die hectische Hitze
gäntzlich löschen lassen wollen / sondern es seynd Ihro Durchl. nachdem
abermahls eine Diarrhaea dazu gekommen / endlich in einen solchen defectum
virium gerahten / daß Sie den häuffigen zähen Schleim per tussim nicht mehr
aufbringen noch auswerffen können / wodurch denn die respiration gäntzlich
verhindert / und folglich der Tod befodert worden.
|| [39]
Diesen letzten Feind nun haben auch Ihro Durchl. unser hochseeligster Printz /
durch die Krafft dessen / der den Tode die Macht genommen / mit unerschrockenen
Muht erwartet / und auf Ihren Siech-Bette mit denen in Ihrer ersten Jugend ins
Gedächtniß gefasseten Kern-Sprüchen aus der heiligen Schrifft Sich solcher
Gestalt aufzurichten gewust / daß wenn andere Ihr tröstlich zureden / und ihr
Christliches Mittleyden zu erkennen geben wollen / Sie denen insgemein zuvor
kommen / dem lieben GOTT / daß er Ihr die aufgelegte Last väterlich tragen
hülffe / und mit noch empfindlichern Creutz Sie verschonete / Hertz-inniglich
gedancket / und zu dessen Barmhertzigkeit um Verleihung fernerer Gedult und
Gelassenheit vor Sie zu seufftzen diejenige so bey Ihr aus- und eingangen /
fleissig ermahnet; Insonderheit hat der in GOTT so hochvergnügte Printz seines
mitleydenden hohen Priesters und derer aus dessen holdseeligen Munde geflossenen
Worte: Kommt her zu mir alle die ihr mühseelig und beladen seyd / ich wil euch
erquicken / imgleichen: Ich kenne meine Schaffe und sie folgen mir / und ich
gebe ihnen das ewige Leben / und sie werden nimmermehr umkommen / und niemand
wird sie aus meiner Hand reissen / Sich beständigst getröstet.
Weil Er denn dieses letztern Spruches Sich nicht allein wenig Tage vor seinen
Hochseeligen Ende in Gegenwart seiner Hochgeliebten Princessin Schwester Durchl.
als welche Er gefraget: Ob
|| [40]
dieses nicht eine herrliche Verheissung? erinnert / sondern auch des Abends
vorher als der General-Superintendens Böhme von Gandersheim zu seinem nicht
geringen Gefallen Ihn unvermuhtlich besuchet / daraus die letzten Worte: Niemand
wird sie aus meiner Hand reissen / mit zuversichtiger application auf Sich / wie
man eigentlich mercken können / wiederholet.
Gegen die Anfechtung der Sünden hat Er fürnehmlich mit der Betheurung des grossen
GOttes: So wahr ich lebe / ich wil nicht den Tod des Sünders / und mit denen
durchdringenden Worten Pauli: GOtt hat dem / der von keiner Sünde gewust / für
uns zur Sünde gemacht / auf daß wir würden in ihm die Gerechtigkeit die für GOtt
gilt; Sich gewapnet und gestärcket / gestalt Er solche verschiedentlich und
unter andern in der dritten Nacht vor seiner letzten nicht obenhin / sondern mit
Erwegung der darin steckenden Krafft angezogen.
Die von denen Herrn Medicis Ihm verordnete medicin hat Er zwar stets mit
inbrünstigen Wunsch / daß sie GOTT gesegnen möchte / zu Sich genommen / doch
dabey alles / dessen väterlichen Willen anheim gestellet / und des bekannten
Gesanges und Gebets: HERR wie du wilt so schicks mit mir / im Leben und im
Sterben etc. nicht vergessen.
Am II. Decembris, letzt verwichenen Jahrs / da Ihm das Reden nunmehr beschwerlich
gefallen / hat Er mit seufftzen und stillen Gebet zu GOTT
|| [41]
unablässig angehalten / jedoch
die Sprüche und Gebeter / womit seine Fürstliche Geschwister und andere
Anwesende bey der überhand nehmenden Mattigkeit seiner Andacht zu Hülff gekommen
/ absonderlich die nicht unbekante Worte: Ein seeligs Ende mir bescher etc.
imgleichen:
Stärck mich mit deinen Freuden-Geist / Heil mich mit deinen Wunden / Wasch mich mit deinen Todes-Schweiß / In meiner letzten Stunden / Und nimm mich denn wenn dirs gefällt / In wahren Glauben aus der Welt Zu deinen Auserwehlten. mit grosser Devotion, ob gleich leiser Stimme / sehr fleissig nachgesprochen. Und als Er nun den Abend wol gemercket / daß die Stunde seines Todes herangenahet / und seine hochgeliebte Herrn Gebrüdere und eintzige Princessin Schwester / (über derer vor wenig Tagen beschehenen Ankunfft und seiter dem Ihm geleisteten fleissigen Gesellschafft Er Sich so hertzlich erfreuet hatte /) betrübt vor Sich gesehen / hat Er denenselben / Zweiffels ohne Abschied von ihnen zu nehmen / mit liebreichesten Geberden die Hand gereichet / welche Er auch dem Herrn Raht Bossen gleichsam noch zum Zeichen seiner Erkänntlichkeit vor dessen ins neundte Jahr Ihm gelei
|| [42]
stete
unterthänigste treue und sorgfältige Dienste dargeboten. Da auch bald darauf der
Herr Hof-Prediger und Superintendens Finen / der schon vorhin in der Kranckheit
mit seiner Zusprache und erbaulichen Discursen Ihn erfreuet hatte / sich
angefunden / ist Ihm solches / wie Er mit sonderlich holdseligen minen zu
erkennen gegeben / sehr angenehm gewesen. Was derselbe zu Erquickung seiner
Seelen Ihm vorgetragen und vorgebetet / hat Er wol gefasset / und auf dessen
Frage: Ob Er auch seinen JEsum fest in sein Hertz geschlossen / und gewiß wäre
daß Ihn nichts von demselben scheiden werde? mit gantz vernehmlicher Stimme: Ja
gewiß / geantwortet.
Hierauf hat sichs mit Ihro Durchl. je mehr und mehr zum Ende genahet / gestalt
die Sprache / ob gleich der Verstand noch eine gute Zeit unverrückt geblieben /
noch ehe der Tag Ihres Abschiedes / nemlich der 12. Decembris angebrochen / sich
verlohren; da indessen die Umstehende mit andächtigen Beten und Singen
fortgefahren / und obgemeldeter Herr Hof-Prediger Ihro Durchl. eingeseegnet.
Worauf denn dieselbe bemeldten Tages / war der dritte Sonntag vor der Ankunfft
unsers Heylandes ins Fleisch / kurtz nach 1. Uhr sanfft und seelig / in Ihrem
Erlöser verschieden / nachdem Sie in dieser mühseeligen Welt zugebracht / 24.
Jahr und 9. Monaht weniger 3. Tage.
|| [43]
Nun
Ruht wol in Eurer Grufft Ihr Theuren Ferdinande / Eur Geist hat abgelegt die schweren Leibes-Bande / Der Kampff ist aus! die Cron ist da! Ihr seyd nun loß Der Sünden-Last; Eur Lohn ist in dem Himmel groß.
Du aber grosser GOtt / laß nach den vielen Weinen / Nach so viel trüber Lufft die Sonne wieder scheinen! Es lebe / was noch lebt; Was stirbt nach langer Zeit Aus unserm Fürsten-Hauß / das leb in Ewigkeit.
|| [ID00048]
|| [ID00049]
FERDINAND CHRISTIAN, Hertzog zu Braunschw. u. Lüneb. Beyder Fürstl. Stiffter
Sanctorum Blasii & Cyriaci in und vor
Braunschweig Thum-Probst / etc.
Dero Hoch-Fürstl. Alters im 25. Jahr / durch ein saufftes Ende dieses
Zeitliche beschlossen / und in das Ewige eingegangen /
Dero Unterthänigster Diener Hardwig Samuel Schröder.
|| [ID00050]
KAum war die Trauer-Post Von schmertzlichen Verlust von ferne kommen / Da uns den wehrten Printz der Tod entnommen / Blut / Thränen hats gekost! Und Braunschweig sahe schon den andern Printz erbleichen / Eh noch des ersten Leich’ dich / Braunschweig / könt erreichen.
O Tod / wie trennest du Das fest-verknüpffte Band so treuer Hertzen Der Ferdinanden / ach / mit was für Schmertzen Stöhrst du doch Ihre Ruh! Drey sind nunmehro schon davon in Todes-Orden; Sind denn die Löven auch nun gantz zum Raube worden?
Doch GOttes Ordnung lehrt / Man soll sich ihr in Demuht untergeben / Es gehe gleich zum Sterben oder Leben. Zum Guten ists gekehrt! Weil GOttes Vater-Hand Sie zeitig wollen setzen Aus Last in Lust / aus Noht in ewiges Ergetzen!
Augustus tritt voran / Und hat den guten Kampff gar wohl bestritten; Ein Heinrich folgt mit gleichen Ehren-Schritten; Drauf kommt ein Christian! So haben Die / so Blut und GOttes-Furcht verbunden / Im Glauben und Geduld in kurtzen überwunden.
|| [ID00051]
Mir deucht / ich sehe noch Wie Hertzog Christian in seinem Leben / Sich dem / was GOTT gefällt / allein ergeben / Und wie Er CHristi Joch Mit Christlicher Beständigkeit hat übernommen / Daher Er dort als hier ist in der Zahl der Frommen!
Ein Hertz von Richtigkeit / Das allen Schein und Heucheley vermeidet / Auch fremdes Glück und Tugend nicht beneidet / Von Großmuht zubereit; Ein solches war in dieser Fürsten-Brust verschlossen / Drum hat es billich auch der Seelen Ruh genossen!
Das Hertz von Lieb’ entbrannt Zu seinem GOTT und dessen heilgen Wesen / Kunt ausser diesem Schatz nicht seyn genesen: Dieß war Sein Ruhe-Stand! Und wenn man so sich legt mit freudigem Gewissen / Alsdann hat Haupt und Hertz ein sanfftes Sterbe-Küssen!
Von dieser Zeiten Glück / Sprach unser theurer Printz / hab Ich empfangen / Mehr als Ich wehrt gewesen zu erlangen; Denn wenn Ich seh’ zurück In meine Lebens-Zeit / was GOtt an Mir erwiesen / Find Ich / daß Er dafür müß’ ewig seyn gepriesen.
Es ist ein leerer Traum / Was ausser Ihm die Welt hat lieb gewonnen /
|| [ID00052]
Auch selbst Mein Leben ist so bald
zerronnen / Daß Ichs gemercket kaum; Doch hab Ich / GOtt sey Preys / auch in so
kurtzen Jahren / Daß alles eitel sey / mit Salomon erfahren.
Mein Erbe / Land und Sand / Das Mir beständig bleibet / ist dort oben / Wohin Mein Vatter mich nun hat erhoben Im rechten Engel-Land. Fürwahr Ich nähme nicht diß gantze Rund der Erden / Wenn dieses Erbtheil Mir geraubet solte werden!
Er stärckte Seinen Muht Mit dem / was dort der Heyland hat verheissen: Die Meinen kenn Ich; Niemand soll Mir reissen Aus Meiner Hand Mein Gut! Mit diesem Trost / sprach Er / will Ich von hinnen scheiden; Ich werd’ nun gehen ein zu meines JESU Freuden!
Euch sag’ Ich gute Nacht / Die Ihr von einem Blut mit Mir entsprossen / Lebt wohl! Ich geh zu CHristi Reichs-Genossen; Mein Lauff ist vollenbracht! Je früher Ich Euch hier / weils GOtt gewollt / verlassen / Je froher will Ich dort Euch dermahleins umfassen!
|| [ID00053]
ANNO 1706 Gesegnetes Namens-Gedächtniß eines Gottseligen Princen / Des Weiland
Hochwürdigst-Durchläuchtigsten Fürsten und Herrn /
Herßogen zu Braunsch w. u. Lüneb. Der beeden Stiffter S. S.
Blasii & Cyriaci in und vor der Stadt Braunschweig Probsten /
etc.
in Einfalt gestellet von Arnold Gottfried Ballenstedt,
Compastore an der Stiffts-Kirchen zu Gandersheim.
|| [ID00054]
1.
FErdinand Christian eilet von hinnen Aus der verkehrten / verführischen Welt / Weil Sein Verlangen / Begierde und Sinnen Waren gerichtet auffs Himmels-Gezelt. Ferdinand Christian eilet ohn Weile / Daß Ihn das Arge der Welt nicht ereile.
2.
Ferdinand Christian läßt nun dahinden Unglück und Glück dieser mißlichen Zeit. Was bald verschwindet / kont Ihn nicht verbinden: Denn Er wust / daß viel ein bessers bereit Denen / die kämpffen und Glauben behalten / Und den Allwaltenden nur lassen walten.
3.
Ferdinand Christian leget gern abe / Was Ihn von Würden und Bürden beschwer’t; Schickt das Verweßliche hin zu dem Grabe / Bis es mit himmlischen Glantz wird geehr’t: Wohl Ihm / daß hier in die Tieffe gesencket / Was Ihn von Sünden zum öfftern gekräncket.
|| [ID00055]
4.
Ferdinand Christian wünschte zu leben Bey dem / von dem Er den Namen empfieng / Als Ihm das himmlische Erb-Recht gegeben / Und Er durchs heilige Wasser-Bad gieng: CHristus / der hertzlich-geliebteste Bruder / Löset des werthesten Christians Ruder.
5.
Ferdinand Christian ist wohl gefahren / Weil Er begehret bey CHristo zu seyn. Englands und Hollandes köstliche Waaren Nahmen sein gläubiges Hertze nicht ein. CHristus / der Ihm war in Gnaden gewogen / Hat Ihn aus lauter Güt zu sich gezogen.
6.
Ferdinand Christian liebte die Stille / Wurd auch durch Harren und stille-seyn starck. Was Ihn durchs Wort lehrte Göttlicher Wille / Gieng Ihm gar kräfftig durch Beine und Marck. Drum ob Er äusserlich stille geblieben / Ist Er von innen zu GOtt doch getrieben.
7.
Ferdinand Christian liebte das Wissen / Nicht / das die Menschen nur hoffärtig macht. Er war der himmlischen Weisheit geflissen / Welche verachtet den Weltlichen Pracht. Himmlische Weisheit und himmlische Weise Machten Ihn fertig zur himmlischen Reise.
|| [ID00056]
8.
Ferdinand Christian übte Sein Wissen / Durch stete Ubung der Gottseeligkeit / Er wurd dem Zeitlichen dadurch entrissen / Kriegte zum Ewigen sicher Geleit. Geistliches Fliehen und leibliches Leyden Machten die Welt sam̅t der Eitelkeit meiden.
9.
Ferdinand Christian / Zierde der Fürsten / Legt nieder hier seinen Fürstlichen Hut: Kriegt da / wo Ihn nicht wird hungern noch dürsten / An dessen statt ewig-währendes Gut. Danckt GOtt für Fürstliche Hoheit auf Erden / Doch will Er lieber ein Himmels-Fürst werden.
10.
Ferdinand Christian / lebe vergnüget / Mit deinem Heylande ohn alles End’. GOtt / welcher hertzlichen Schmertz zugefüget Deinen Geschwistern / der lindre behend / Was Sie betrübet in dieser Zeit Tagen / Bis Sie sam̅t dir dort die Lebens-Cron tragen.
|| [ID00057]
Bey dem Allzufrühen doch Höchst-seeligen Absterben Des Hoch-würdigsten und
Durchlauchtigsten Fürsten und Herrn / HERRN
FERDINAND CHRISTIANS, Hertzogen zu Braunsch w. u. Lüneb. Thum-Probsten der
beyden Stiffter Sanctorum Blasii & Cyriaci in und
vor Braunschweig / etc.
Wolte unter der allgemeinen Empfindlichkeit auch seine eigene / insonderheit
zum Zeugniß unterthänigster Erkentlichkeit für alle die von
Johann Thomas Liesegang / Vic. Sti Blasii.
|| [ID00058]
HOchseelger Christian, du bist nunschon der Dritte / Der aus der Sterblichkeit nach GOttes Willen geht / Und eine Wohnung sucht / die ewiglich besteht. Betracht ich nun dein Thun / die tugendhafften Schritte / Die Du in dieser Welt hast auf der Tugend-Bahn Mit grosser Emsigkeit / mit Ruhm und Glück gethan / So muß man es gewiß um soviel mehr beweinen / Und klagen / daß du schon der Welt entgangen bist / Als dein Verhalten will in solchem Glantze scheinen / Der warlich allerseits gantz unvergleichlich ist.
DIe schönsten Tugenden / so einen Printzen zieren / Und was Ihm bey dem Volck die größte Liebe macht / Dem hast Du allezeit gar embsig nachgetracht / Und liessest Deinen Sinn auf keinen Irrweg führen; Wie Dein erleuchter Geist die Tugend hat gesucht / So hat hingegen Er die Laster auch verflucht: Es ließ Derselbe sich durch keinen Schein betriegen / Der Firniß blendete Dein helles Auge nicht; Die Laster sah Er da ohn alle Masqve liegen / Und wie durch diese wird Verderben zugericht.
ES war sonst nichts an Dir als Tugendhafftes Wissen / Die wahre Frömmigkeit war Deine höchste Lust / Gerecht und gnädig seyn erfüllte Deine Brust / Und liesse deutlich sich aus Deinen Augen lesen: Wer Dich gekennet hat / ja nur einmahl gesehn / Der weiß wie angenehm mit Dir war umzugehn: Kein unvernünfftig Wort ist ja von Dir geflogen / Denn Deine Zunge ward regieret durch Verstand / Und Deine Freundlichkeit hat jederman bewogen / Daß er sein Hertze Dir mit Liebe zugewandt.
WAs Wunder ist es denn / daß Braunschweig Dich betauret / Daß es nur Ach und Weh mit Hertz und Munde singt / Und über Deinen Tod nun seine Hände ringt. Daß ANTHON ULRICH selbst des Landes Vater trauret / Daß das verwandte Blut in tieffen Kummer fällt / Und alle Frölichkeit hat weit hinaus gestellt?
|| [ID00059]
Was Wunder! daß dabey ein Bruder / der
Dich liebte / Und sahe / daß der Tod dir zu dem Hertzen drang / In seiner Seele
sich dermassen hoch betrübte / Daß Er ohn alle Krafft als todt zur Erden
sanck!
GEwiß man kan sich hier des Weinens nicht entbrechen / Ein Felsen-hartes Hertz empfindet diesen Streich / Und wird in seiner Brust zerschmoltznem Wachse gleich; Für Wehmuth kan ich kaum noch eine Sillbe sprechen: Des Sterbens ist zuviel / der Schaden ist zu groß / Der Himmel schießt auf uns nur Donner-Keile los. Es hat in kurtzer Zeit zwey Helden hingenommen / Und Ihnen viel zu früh verkürtzt des Lebens Lauff / Erblasset sehn wir Sie nach Braunschweig wieder kommen / Und nun gibt CHRISTIAN auch Geist und Leben auf!
ACh! trifft die Brunons-Stadt denn lauter Ungelücke / Soll sie auf dieser Welt nun stets betrübet seyn? Gönnt ihr der Himmel nicht mehr einen Freuden-Schein / Daß nach dem Wetter sie sich wiederum erqvicke? Ach nein! sie weiß nicht mehr / was Lust und Freude heist / Hier qvälet Noht und Tod der treuen Völcker Geist: Es sterben unverhofft die grossen Helden-Söhne / Die FERDINANDEN, so fast jeder hertzlich liebt / Und über Ihren Tod erregt ein solch Gethöne / Daß in der Stadt und Land ein kläglich Echo giebt.
JEdoch was meistern wir mit unsern blöden Sinnen / Was hier der HERR gethan / der alles gibt und nim̅t / Der grossen Fürsten auch hat ihre Zeit bestim̅t / Und lassen ohne Ziel den Brunn der Thränen rinnen? Wer hintertreibet wol des Höchsten Raht und Schluß! Wer weiß nicht / was Er will / daß das geschehen muß! Es muß die Traurigkeit die Geister nicht besiegen / Die / wenn sie gar zu groß / uns selbst zu Boden schlägt / Vernunfft muß allemahl noch mehr als sie vermügen / Und ihr durch diese seyn der Zügel angelegt.
MOlan / so fasset denn / Durchlauchtigste Gefreundte / Die Seele mit Geduld / und seyd damit vergnügt / Wie es der weise Schluß des Himmels hat gefügt / Was unserm CHRISTIAN hier seine Brust umzäunte /
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Den Schmertz / die Noht und Angst /
und was verdrießlich war / Hat Er nun abgelegt / und auf der Todten-Bahr Liegt
nur der todte Leib / die Seele wohnt im Himmel / Da Sie das alles hat / wornach
Sie stets gestrebt; Sie wünscht nicht mehr zu sehn das irrdische Getümmel / Da
Sie vor GOttes Thron in höchster Freude lebt.
IHr rufft zwar: Viel zu früh! zu früh ist Er gestorben / Sein helles Lebens-Licht geht noch vor Mittag aus / Er mehret gar zu jung das schwartze Todten-Haus. Allein wer jung soviel / als CHRISTIAN, erworben / Wer die Vollkommenheit so zeitig hat erlangt / Und dessen Leben auch mit solcher Tugend prangt / Der ist schon alt genug / und kan zu früh nicht sterben; Die Tugend lebt nach Ihm noch eine lange Zeit / Er wird ein ewig Lob auf seinen Namen erben / Und sein Gedächtniß bleibt vom Tode gantz befreyt.
MAn sieht den theuren Printz zwar in die Grufft versencken / Darinnen Fleisch und Haut und Bein vermodern soll; Doch seines Ruhmes ist das gantze Braunschweig voll; Die Tugend balsamirt sein schönstes Angedencken / Und hat dasselbe schon den Hertzen einverleibt / Daß es in Ewigkeit nun unverweßlich bleibt. Der Himmel lasse diß nur in die Seele gehen / Und spreche reichen Trost den Höchstbetrübten ein / Daß unser Fürsten Haus man kan getröstet sehen / So werden Stadt und Land auch mit zufrieden seyn.
DU aber / Seeligster / geneuß der süssen Stunden / Nachdem Du auf der Welt hast Noht und Tod besiegt / Und deine Seele nun in GOttes Armen liegt / Da das Gesuchte Sie im Uberfluß gefunden / Dein Wohl-verhalten hat ein Denckmahl dir gestifft: Von einem Fürsten liegt der Leichnam hier begraben / In welchem Tugend nur beständig Wohnung fand: Dukanst den Lebens-Lauff aus seinem Namenhaben: Er war ein Christian, und auch ein Ferdinand.
|| [ID00061]
Ad Exeqvias O Cives! Non vidistis similes, nec Patrum aetas vidit. Celebrant
istas Bini Fratres binis Fratribus
Ducibus Brunsvicensibus ac Luneburgensibus.
Heu Martis heu Mortis facinus! Conspirantes ad nostras lacrymas Nondum siccos è tot funeribus oculos novo humectant flumine Aufferendo Par illud Fratrum, nisi par Fratrum reliqvissent, sine pari; Ambos florentes aetatibus, AEtates enim omnes simul exegerant: Innocentiâ Infantes, agendi alacritate Viri-Juvenes, Prudentiâ Senes, Pietate aeterni.
Alter horum HENRICUS FERDINANDUS
Princeps aeqve Pius ac Fortis, Uno Fratrum ad Rhenum Gallorum impetus impediente, Altero in Belgio Angliae Reginae Triumphos augente, In Italia Gvelphicae Legionis Tribuni vices egit, Militum amor hostium terror; Italis testaturus, Apud Gvelphos Fortes creari forti Atestinorum suorum sangvine. Et non defuit fortitudini occasio: Scilicet flumen Bianco transeundum; Transire fulminans prohibebat hostis. Princeps nec flumen nec fulmen metuens, Ne tardior carina Victoriam moraretur, Invium flumen praeeundo suis fecit pervium, Pervasit, Hostem invasit, Victor evasit. Ast heu Martis, inqvam, heu Mortis facinus! Fertilem illum Triumphis autumnum Caesari cum Aliis maturaturus Princeps,
|| [ID00062]
Ipse
primum Triumphum ad Augustam Taurinorum Tot Triumphorum
praeambulum adornavit, non egit; Gallorum enim Castra aggere, armis, animis
munita Ascendens & sub glandium grandine transcendens, Cum victos
proseqveretur & victoriam Heu Victor cecidit! Sic mox secutae Victoriae suo
sangvine pretium adjecit, Mediis è palmis ereptus caelitum palmas prensavit
immarcescibiles. Sanè digniori negotio Vitam impendere non poterat.
Alter FERDINANDUS CHRISTIANUS
Princeps Polyhistor Princeps Theologus, Cui S. Biblia ore & opere profiteri qvotidianum, Armigeram Fratrum pietatem sine armis exercuit, In aula pius & sine Aulicismis, Suae Vitae Exemplis aliena taxans vitia, Infensus nemini, praeterqvam verbosis sine pietate piis Sine candore candidis. Interim pio & pacatissimo animo & Ipse Miles, Tot cum Deo, tot Secum, Tot cum mundo & mundi Principe luctis Victor erat; At spes Triumphi nulla, nisi morti Victus cederet. AEgrotantis ergo lectus palaestra erat, In qva hostis hujus impetus, morbos, dolores, angores Mirâ patientiâ, &, cum jaceret, sibi constans, Praeteriti boni memoriâ, futuri spe elisit omnes. Tandem mortalitatis pertaesus, Ut immortalis esset, Sanctissime, uti vixerat, exspiravit.
Agite Cives Ultimum vectigal Cineribus Lacrymas, DEO preces offerte, Ut
claudat rivos lacrymis, lacrymarum satis est.
PROGRAMMA TRIBUS ORATIONIBUS in Schola
Wolffenbüttelana recitatis praemissum.
CUm qvid de sublimi ruit, subjecta omnia alliduntur casumqve sentiunt: reddunt sonum, qvaecunqve tanguntur: qvaedam nisi pertrita penitus vocem qvoqve & clamores edunt. Homine qvidem nihil est vocalius cum superjecti qvid culminis labat aut labitur: qvin post longa etiam intervalla, qvoties damni facti recordatur toties, qvod semel passus est, iterum sentit. Nos sane qvi sub fastigio Serenissimorum Ducum Brunsvicensium ac Luneburgensium delitescimus, tot intra triennium accisis de eo partibus vehementer attriti, tunsi, afflicti sumus cum aliis nuper qvidem, postqvam decesserunt duo Serenissimi Principes & Germani Fratres DN. FERDINANDUS CHRISTIANUS DN. HENRICUS FERDINANDUS, Domini qvondam nostri Clementissimi. Testati qvoqve id, sed adhuc privatim modo, sumus jam publice, ut fecimus in superioribus, facturi proximo die Lunae post sacra publica.
|| [ID00064]
Qvod uti Qvorum à latere fissura facta est, SERENISSIMUS PATRIAE PATER
beatissime Defunctorum indulgentissimus Patruus, &
Eorundem SERENISSIMI DNN. PATRUELES & FRATRES, Principes
ac Domini nostri Clementissimi, audire gratiosissimè dignentur, optamus
humillime, orare non sustinemus.
Alios cujuscunqve conditionis intra moenia versantes nostra modo literas ament, fidenter, sed tamen debito cultu idem rogamus tres de schola nostra, dicturi ego in utriusqve beatissimorum Principum memoriam prosa latina, & in posterioris maximè honorem duo ex alumnis nostris Johannes Henricus Lohe, Brunsvicensis metro latino: Johannes Bernhardus Hassel, Wolffenbüttelensis, metro vernaculo. Nulla forsan re alia, nisi pietate probabimur & brevitate vix integras duas horas insumturi. Si qva praeterea placebimus, erit ab aliena gratia qvam devotissime decenterqve grati agnoscemus: qvod singulorum nomine polliceor Dabam XX. Jan. MDCCVII. FRID ERICUS WEICHMANN, Scholae Wolffenb. Rector.
|| [ID00065]
Seqvitur Oratio Rectoris, omisso titulo.
ETsi optandum erat, ut vivorum potius qvàm defunctorum ex Aula nostra Ducali
Principum Serenissimorum honores celebrandi fuisset occasio: tamen, cum secus
tulerit divina voluntas, neqve sic officium qvanqvam ingratissimum defugere
licet, nobis praecipuè, qvi peculiari qvadam gratia ad has partes à beatissimis
duobus Fratribus, dum superabant, fuimus invitati. Vidimus ante annum &
qvadrantem, in solenni aedis hujus dedicatione, hic ante oculos nostros sedentes
praeter Ipsum Patriae Patrem Clementissimum aliosqueve Serenissimos Principes,
illos etiam Duces gloriosissimos, & inusitata patientia dignantes, qvae tunc
ex utraqve hac cathedra proferebantur. Ac profecto cum Heroës tam excelsi ex
Principali fastigio suo ita se demittunt in humiles Musarum colles; qvanta haec
est indulgentia! Ego qvidem tum statim diem istum Scholae tam serenum ac felicem
candidissimo notavi calculo, talemqueve censui, qvi hanc potissimum ob causam
semper colendus, semper memorandus esset, qvamdiu coetus aliqvis Musarum in hac
domo foret superfuturus. At vero qvam atra, qvam funesta tempora, qvam acerbi
casus fuere consecuti! Et, cum brevi post, fati inclementia ab Ipso illo, qvi
molem Reipublicae totam humeris suis sustentat, fecerit initium, manum tamen
retrahens, in alios conversam; qvid conjectare possumus fere aliud, qvam in
aeterno concilio adversus ipsum illud sacratissimum caput primo gravius qvid
fuisse statutum, nostris autem & totius Gvelforum populi precibus expugnatum
Deum, hujus qvidem corpus attigisse tantùm, abstinuisse vita, ejusque loco
aliorum adoriri animas voluisse. Verùm hoc cum decretum esset, an non satius
erat, mittere Ducalem Domum, & grassari in illos tantumqvibus subjectio sua
& fides injungebat, vitam profundere pro Ejus salute, à qvo universi
pendent, ut horum sangvine satia
|| [ID00066]
retur, si qva esset concepta ira, integraqueve nobis servaretur
Optimorum Principum, qva gaudebamus, numerosa series? Ita non solus forte
qveribundus ego disputo, si qveri, si disputare licet cum illo Numine, qvod pro
immensa potestate, qvicqvid vult, agit, & cujus consiliorum causas expiscari
velle aliqvando nefas est. Unde in hac qvaestione labra compescere, aliamqueve
dicendi viam inire malo. Etiam Ipsi manes beatissimi nolunt, aliam sui mentionem
fieri, qvam animo recto & in sede sua perstante: nolunt, qvenqvam altiores
excessus sui rimari causas: nolunt qvestibus lugeri, defleri lacrymis, suspiriis
reqviri, (qvod omittere etsi durum, faciendum tamen, qvantum fert humana
imbecillitas) volunt contra, nos agnoscere dotes divino beneficio sibi
concessas: preces, qvae pro Ipsis etiam fervebant qvondam, tanto magis nunc
cumulare in superstites, & ademta sibi lustra, his ut accedant, comprecari:
haec, ut faciamus, volunt: haec post fata expostulant. Qvam voluntatem, sive
qvod Ipsi eam haud longe ante obitum hoc ipso in loco qvasi praesentientes fata
instantia, visi sunt ostendere, siveultro, provocatus Ipsorum gratia, ego exeqvi
non recuso, potiusqve in explendo digne, qvam libenter suscipiendo hoc munere
desiderari qvid patiar. Ast hujus instituti cum testes atqve arbitros habeo Vos,
Serenissimi PRINCIPES, Domini clementissimi, ac praeterea aliqvos praestantes ac
conspicuos dignitate, judicio, doctrina Viros; eqvidem non mediocriter
perhorrcsco, sat sciens, qvam gravis sit provincia, dicere in tali consessu
& panegyri, qvae comprobentur. Sed gratia, qvam ex singulorum oculis legere
mihi videor, & benigna favoris aura, qvam mihi sentio aspirari, rursus addit
animum, certamqueve gignit fiduciam, & in toto orationis cursu me ex
sententia sublevatum, & exiguitatem dicendi meam non plane fastiditum iri:
eaqve aura tanqvam facili vento fretus, audacter jam vela explico, altumqve
ingredior, brevissimo itinere portum aliqvem repetiturus.
Qvemadmodum Epirotam Pyrrhum, illum ab ipso hoste Romano tanti aestimatum
Principem, gratias Diis egisse ferunt, primo, qvod Regem se fecerint, deinde
qvod animum quevoque sibi dederint regium: ita nostrum merito est praedicare
ante omnia de Serenissimis qvondam, nunc beatissimis duobus Principibus atqve
Fratribus, non solum qvod, etiamsi usu caruere sce
|| [ID00067]
ptrorum, genus principale ac
regium sint adepti, & qvo, si ad paternum modo respiciamus, in orbe hoc
Europaeo nullum usqvam reperitur antiqvius; sed etiam qvod animos hoc stemmate
dignos ab ortu primo acceperint. Ac magnum sane est, trahere sangvinem non à
plebe obscura, non ab alia minoris conditionis gente, qvanqvam haud ignobili;
sed referre ad ipsos terrarum praesides, ad populorum domitores, & qvibus
per tot secula contigit parcere subjectis & debellare superbos. Majus autem
est, animos atqve spiritus esse nactum, qvi cum tanta generis magnitudine
conspirent atqve concordent. Neqve enrm perpetuo ista vinculo cohaerent: qvod
certo indicio est, non situm esse in potestate genitorum, dare prosapiam ex asse
moribus suis respondentem, sed valentiorem intervenire manum, qvae dirigat atque
gubernet, imo qvae peculiariter conformet atqve effingat, ut generi animus,
animo genus exacte conveniat. Hujus beneficio Nostri tum sangvinem hauserunt ab
Augustis, Ernestis, Henricis, plurimisque talibus gloriosissimis Ducibus; tum,
qvod amplius, ea indole pollebant, ut nihil esset arduum, utqve ad res vel
maximas adhiberi possent. Enimvero sapientissimo qvodam consilio Deus O. M. ita
mortales distinxit, eas singulis naturas atque ingenia dispensavit, ut, cum
tuendae publicae tranqvillitatis causa, alios praeesse, & imperia gerere,
aut ad ea gerenda educari; alios submittere cervices & imperata facere
oporteret; illis ejusmodi mentes inspiret, qvae pares sint tantis rebus
administrandis. Valeant contemtores atque hostes Majestatis: valeant, qvi
aeqvalitatem inter homines, & parem omnium conditionem crepant. Nihil hi
sapiunt, nihil intelligunt, nihil qvaerunt, nisi turbas & bellum omnium in
omnes. Qvod uti certum, ita nimis compertum est verum, si deficiente Principum
stirpe desiderentur haeredes, gravia mala incubare terris, contraque habere has,
qvod gratulentur sibi de firmiori salutis portu, si regnatrix Domus foecunda sit
talium Heroum, qvi omnis praestantiae capaces & compotes inveniantur.
Floruerunt aliqvando terrae nostrae illo hujusmodi Principum numero, qvi longe
perfectissimus à qvibusdam existimatur; at continuis fere funeribus jam dimidia
pars decessit. Ita pro octuplici, qvadruplex relicta spes est. Qvam ut tanto
arctius amplectimur: ita illam, qvae evanuit ex oculis, non dimittimus è
memoria. Et in iis qvidem Principibus, qvi nuper occubuerunt, eam recolere hoc
tempus ju
|| [ID00068]
bet, ut intelligatur,
qvam pulchrè hi qvoque jam in viridi aetate vota Patriae impleverint atque
superarint. Non opus est, longe arcessere hujus immaturae (ut sic loqvar)
maturitatis causas. Primas sine dubio partes obtinet naturae ac indolis, qvam
dixi, eminentia: hanc subvexit atqve excoluit solicitissima educatio atqve
institutio: adjuverunt exempla & consvetudo Serenissimorum Patruorum,
Patruelium & Fratrum aetate majorum: confirmavit opera domi forisqueve
impensa. Ex his praesidiis atqve subsidiis, praecipue divina ope fortunante, non
potuit non praeclarum aliqvid existere, ac tale, qvod cives & amici
admirarentur, qvod exteri atque hostes partim suspicerent, partim inviderent,
qvod fastis inscriberetur, qvod omnis coleret posteritas. Duo sunt, nisi fallor,
artium & studiorum genera, ad qvae animum curamque referunt ex Augusta Domo
progeniti, eaque huc spectant, ut aurea pax vel rite colatur, vel graviter
violata aut periclitans armorum impetu rite reficiatur. Intra haec duo
publicarum rerum momenta, in his ambobus qvasi cardinibus volvitur continuo
ambitu & circumagitur Imperantium cura, consilium, labor. Nihil majus, nihil
difficilius, nihil, ut proprie loqvar, divinius reperiri, dici, imo ne fingi
qvidem & excogitari potest. Etenim ipse Dominorum Dominus aliqvando in
populo suo, nullius utens ministerio hominis, nisi talis, qvi ex ore suo mandata
deferret, imperium illud exercuit, ut appareret, qvi digne velit gubernare
populos, aut DEum ipsum oportere esse, aut ab eo qvasi partem aliqvam
divinitatis atqve Numinis commodato accepisse. Qvorsum haec? qvorsum? ut pateat,
cum ad negotia pacis & belli, qvibus imperium, res omnium gravissima,
constat; nati, instructi, educati fuerint Nostri, & jam re ipsa iis maxime
aptos se praestiterint, nihil eis defuisse ad culmen altissimum, nisi solium
atque sceptra. Sentient, opinor, aliqvi, in duobus qvidem istis duo illa studia
effulsisse, non tamen utrumqve in utroqve, sed alterum his, alterum illis
inserviisse. Qvi si hoc volent, neutri utramqve concedendam esse laudem,
fallentur sine dubio, cum hoc modò obtineant, alterum in altero magis
apparuisse. Alter operatus est Marti, non bellandi pruritu, sed qvia vires &
occasio suppetebat hoc pacto in commune consulendi; Idem vero & paci extra
bellum poterat abundanter satisfacere. Alter qvietem praetulit, non abhorrens à
sagatis artibus, utpote qvas didicerat ac tenebat, sed qvod corporis ita
requirebat habitus: nec ambiguum est, qvin
|| [ID00069]
urgentibus causis in belli qvoqve
negotio, si non pugnando certe pugnis dirigendis optime fuisset staturus.
Atqve, ut sigillatim prius dicam de PRINCIPE dulcissimo, qvi prior à nobis
ablatus est, qvam admirandum in modum ille omni regia laude excelluit, ut, si
diuturna contigisset usura vitae, fulgidissimo splendore universi, qva patet,
orbis plagas qvaqvaversum videretur fuisse illustraturus. Mitto cultum variarum
lingvarum: mitto cognitionem disciplinarum rerumqueve in orbe gestarum: mitto
itinera per florentissimas regiones dextre peracta. Etsi incredibile est,
qvantam ille prudentiam partim his, partim superioribus adminiculis mente sit
complexus, & tum sermone tum facto declararit: ut, qvi propius noverunt
Ducem Optimum, sancte affirment, non vicenarium Juvenem, sed Virum
qvadragenarium se probasse. Qvod si praeter omnem opinionem est, illud sane haud
minus, qvod militaribus ausis pariter ultra aetatem longissime sit provectus.
Praeludia fuere satis eximia, qvae Nabi, qvae Danubii, qvae Rheni accolae
conspexerunt. Italia autem qvantum est, qvod vidit! Vidit ad se liberandam
mitti, qvi primo non erat destinatus istuc. Vidit pro Chiliarchae vicario
repente ipsum Chiliarcham. Vidit vectum navi, cum illa haereret in vado,
exsilientem subito in aqvas, & stricto ferro obstantes hostes repellentem.
Vidit deniqve ad fatale Turinum omnes animos ac virtutes bellicas expedire atqve
effundere. Non poterat clarius apparere facultas Heroica, qvam isto in loco,
inprimis cum hi, qvi ante Nostrum HENRICUM FERDINANDUM, haud semel hostile
vallum erant adorti, non sustinentes vim objectam, consilio frustrati requeve
infecta recessissent. Ipse autem ubi acer alacerqueve subiit, nihil morari,
nihil retardare instantem valuit: ascendit continuo, perrupit, pepulit,
occupavit, circumspectans jam late vertentes terga & effugia qvaerentes
Gallos. Satis hoc ad laudem, atqve ad felicitatem erat, modo hîc metam licuisset
figere. Sed cum aliqvi duces Caesariani militis, qvorum autoritatem verebatur
Noster, gratulabundi accederent, comiterqve adhortarentur, ut ex alio qvoqve
loco, qvi in conspectu erat, pari gloria removeret hostes, qvid faceret? Nec
imperium illorum, nec vivida virtus animiqve vigor id recusare sinebant.
|| [ID00070]
Aggressus ergo est iterum, repressit
iterum, sed hoc illaetabili casu, ut simul ipse hostili plumbo ictus &
pugnare & vivere desineret. Nemo vestrum, Auditores, exspectet hîc à me
aliqvam ex hoc casu doloris significationem, qvando id praeter institutum meum
est contraqve voluntatem Principis. Liceat ergo abstrudere luctum intra pectus
meum, & qverelarum aliqvid deinceps indulgere his duobus adolescentibus.
Gloriam verò partam minime jam continebo animo: erumpat illa potius, qvantum
potest, ex ore, & inopia etiam dicendi mea hoc subjectissimi genus officii
Vobis benignissimis Judicibus non praetermittat. Abiit HENRICUS FERDINANDUS
militatum pro Patria: qvid honestius? Pro eâ fortiter manum conseruit: qvid
praeclarius? Vicit generose: qvid illustrius? magnificentius? Sangvinem cum vita
Victor profudit: Ipsa haec est nominis mortales inter vita & aeternitas. O
qvam multi Heroës hujusmodi mortem sibi votis omnibus expetierunt! Nactus est
Noster, non obtrudens sese, sed vocatus, ambitus, invitatus. Vanum vero est,
oggerere, majorem fore Illum, si victoriae isti supervixisset. Qvis enim
ignorat, ex ultimo vitae actu gloriae magnitudinem solere pensari &
constitui? Is autem si cum tali tropaeo concludatur, nihil profecto sibi par
habet, nedum excellentius qvicqvam: certumqve puto, nunqvam fuisse futurum, ut
recens usqve vireret fama Borealis istius Monarchae, GUSTAVI ADOLPHI, nisi
mortem in defendenda salute publica triumphans invenisset. HENRICUS qvidem
FERDINANDUS beatissimae recordationis, locum in hostili seu aggere seu campo,
qvem ceperat, obtinuit: ibi stans, eminus misso globo (qvod fieri potest ab
ignavissimo quoque) caesus atque interemtus est: cadentem sui sustulerunt ac
retulerunt: nec arma, nec corpus venere in hostium potestatem aut manus. Contra
verò petitus ab iis, ipsos avertit: vulneratus cecídit, cadens prostravit:
jacens deturbavit, moriens exanimavit, fecitque, ut sanguinis sui copiose
profluentis calore, ipsorum ardor exstingueretur, eosqve sanguis frigidus in
praecordia coiens ad capessendam fugam magis adigeret. Concipiamus ergo, si
placet, Nostrum ceu fulmen trisulcum, ejaculatum arce Wolffenbuttelana, &
trinam virtutem suam valide expediens: qvod primo perrumpat ac terebret
obstantia montium cacumina, de
|| [ID00071]
hinc dissipet ac discutiat objectos sibi ad Athesin, Padum, alibique
militum cuneos: qvod tandem ad Augustam Taurinorum accendat & concremet
hostilia quaevis, & in concitato à se incendio ipsum exstinguatur. Aut, si
mavultis, ponamus ob oculos Aquilam, avem illam regiam, & armigeram Jovis.
Heros certe noster, velut ejusmodi ales, ex Germaniae coelo missus est cum
fulmine in capita adversariorum: sumsit, avolavit, demisit sese per Alpinas
nubes, donec Taurinorum agrosattingeret. Ibi verò fulmen istud acriter admovit
applicuitque. Statim res hostium concepere flammas: quae ut latius irent, dum
alis expansis atque agitatis adjuvat, hae corripiuntur iisdem flammis subito,
unaque ipse consumitur: interim tantum incendium, partium adversarum excidio
conflavit, qvod inde usqve adhuc durat, & duraturum porro videtur. Qvid
multa? Fecit ac passus est fortissimus HENRICUS, qvod ante biennium praesens
viderat in gloriosissimo Fratre, natu maximo. Hujus ad exemplum pari animo,
consilio, virtute rem adortus est, adoriens certavit, certans vicit, vincens
obiit, obiens casu sangvineque suo fontem excitavit plurium aliarum longissima
serie insignium victoriarum. Ita Hic qvoque ex rebus à se gestis nihil abstulit
praeter gloriam, qvae tamen summa & incomparabilis est; fructus item post se
nobis aliisqve carpendos fruendosque reliqvit uberrimos & lectissimos: qvae
res utiqve omnem praedicationem exsuperat, omnes eloqventiae humanae opes
exhaurit. Tanto magis ego deficior apparatu verborum atque rerum, qvi tantae rei
non dicam ornandae, sed exponendae sufficiat. Unde, si qvid ex tenui penu adhuc
possum depromere, id sacrum esto alterius beatissimi Principis, qvam item modo
celebramus, memoriae.
Alia plane studia extiterunt Optimi hujus Ducis, FERDINANDI CHRISTIANI, etsi non
tam alia, qvam alius modi fuisse videantur. Acceperat corpus tale, qvod non
ferret illas agitationes, qvas hi, qvi seqvuntur castra, subire coguntur
interdiu atque noctu. Animo qvidem haut destituebatur ad omnia summa negotia
& vel difficillima promto ac parato; verum ut fit, cum ille firmitate ac
robore membrorum haud sustinetur, ita hic etiam accidit, ut propterea Noster ad
qvietem se componere, qvam fatigare ultra vires, mallet, hoc
|| [ID00072]
est, uti recte eo, qvod concessum
erat, cetera mittere: qvo nihil prudentius, laudabilius, felicius poterat fieri.
Multi multa praeter ingenium conati, turpiter se dederunt, & pro laude re
tulerunt infamiam atqve dedecus. Qvanto rectius Noster. qvi in proprio maluit
habitare solo, qvam colere alienum. Neqve etiam necesse est, ut, qvi vel surgit
in spem patriae, vel ejusdem rebus cum imperio gerendis jam est admotus,
tempestate belli ipse accingatur gladio, ipse arma ferat ac vibret, nisi aut
graviore qvadam mentis vi, qvasi divino instinctu, rapiatur istuc, aut
necessitatis ratio ita efflagitet. Alius enim auspiciis & consiliis, alius
demum ductu suo rem agit felicius: alius utrinqve dum licet, abstinet, sibi
vivens interea, & ingenio suo salutariter & cum respectu verae tum
privatae tum publicae salutis obsecundans. Non sine causa humanae vitae
aestimatores, simulacrum ejus aliqvod satis aptum reperire sibi vifi sunt in
fabulis & scenicorum ludis. Etenim in hujus theatro vitae suam qvisque agit
personam per varia aetatum, negotiorum, casuum intervalla; nec actuum suorum
ante, qvam vivendi finem facit. Et procul dubio ille creditur qvam scitissime
rem suam gerere, qvi toto vitae curriculo personam sibi imponit accommodatam
indoli & facultatibus, qvas à natura & institutione habet. Ridentur, qvi
secus faciunt in fabulis; par ratio in vita est. Beatissimus Princeps
FERDINANDUS CHRISTIANUS eas profecto elegit partes, qvae ipsum maxime decebant.
Ita & consilio conditoris summi, & suo officio satisfecit rectissime,
& in suo genere laudem praeclarissimam reportavit. Nec dubito ego hanc
solidam & perfectam perhibere gloriam, tametsi forte sint, qvi aliqvid
desiderent, ii nempe, qvi veterum qvorundam more ideam ac formam aliqvam
perfectionis, omnibus numeris, partibus rerumque generibus absolutissimae, animo
secum praefigunt. At verò de singulis aliter omnino judicandum est. Satis
consummatus, satis integer est, qvi suis bonis insistit atque inhaeret, in iisq,
ad eum gradum conscendit, qvem omni studio potest contingere. Qvid qvaeso defuit
Nostro? Natus factusque ad tranqvillitatem erat: hanc coluit, hanc sectatus est
Principe Patriaque dignam. Cedo ullum studium eò spectans, cui se non addixerit:
cedo virtutem, qvam non exercuerit, possederit: cedo artem, qvam neglexerit
insuperqve habuerit. Vo
|| [ID00073]
bis, Ex
Vobis, Auditores, eos appello testes, qvi omnia haec magis me perspexerunt. Et
peccarem, ut mihi persvadeo, tum in hanc vestram notitiam, tum in sanctissimos
manes, si longius hic evagarer in amplissimum campum, qvi non ad Istrum, non
ultra Alpes, aut alibi locorum procul à nobis constitutus fuit, sed hîc
potissimum intra Brunsvicenses oras, atqve adeò in omnium vel infimorum civium
oculis aperte patuit. Hoc tamen pace vestra non praetereo, qvod CHRISTIANUS
Noster non modo Christianae arti, seu doctrinam seu usum poscas, exemplo perqvam
raro se dediderit; sed etiam Musas nostras, pacis illas fidelissimas
administras, habuerit in pretio, qvodqve dignatus sit eas & salutare
familiariter & interius cognoscere, sicqve nihil honesti otii fecerit
reliqvum, qvo cetera, eaqve graviora pacis studia utiliter dispungi sensit. Ecce
otiosum Principem, nec tamen minus otiosum, qvam cum otiosus fuit! Ecce
Principem tranqvillum, qvietum, placidum, mitem, uno verbo, pacificum! Sed tamen
ita, ut, si materiam laudis ex bello qvaeras; non hostes, non arma, non acies,
non praelia, non deniqve victoria ei defuerit. Bellandum fuit Nostro diu satis
cum adversario qvodam valde infesto ac pertinaci, & parum qvietis
concedente, nec semel pactas rumpente inducias. Qvis ille hostis tam improbus?
valetudo corporis atqve morbus, affligens Ducis Optimi membra, & ipsum
qvoque generosissimum spiritum non parum afficiens, eo gravior hostis, qvo
propior atqve intimior. Nec solus ille bella movit, sed sociis cinctus bene
multis, cum vitâ ipsam qvoque animam petentibus. Qvae arma Noster opposuit?
Patientiam & divinam consolationem. Qvo ordine? Ab unâ parte stabat agnitio
voluntatis Dei: ab alterâ, pectoris innocentia, &, cum illa non satis
valeret, fiducia in Salvatoris innocentissimi defixa merito, erat in subsidiis
multo firmissimis. Aciem claudebat spes, aliqvando vel in hoc, vel altero saltem
aevo evadendi ex omni malorum turba & colluvie. Cum autem fiebat, ut simul
omnes omnino adversarii velut agmine facto incurrerent, omnemque vim adhiberent;
ut par esse posset universis, cunctam istorum armorum copiam atque opem collegit
in unum, precibusque ardentissimis Christiano more CHRISTIANUS praeliatus est,
tandemque immortales triumphos obtinuit. Ecce ergo bellico
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sum qvoque & victoriosum
Principem, nec gloriosissimo Fratri concedentem qvicqvam! Ecce bellum ejus &
in bello pugnas, in pugnis victoriam, in victoria mortem, qvin potius in morte
victoriam. Verum est, Hunc non in campo stantem, sed decumbentem in lecto
decertasse: non obviam iisse morti, sed eam exspectasse: solùm coeleste, non
item civile consecutum esse tropaeum. Sed aliis forte modis Hic eminere videtur.
Etenim in praeliando multis ictibus tentatus, caesus est; Ille uno concidit: Hic
diu sensit plagas inflictas, Ille ne sensit qvidem: vicit Hic solo spiritu, cum
langveret corpus & deficeret: vicit nullo milite extra se stipatus, sed
intra se omnia habens auxilia: obiit ita victor, ut ipsi impetrarit sibi, ipse
jam fruatur & fruiturus usque sit, pro qvo decertavit: nec modo Heroibus
bellicis, sed Christianis omnibus singulare praebuit exemplum pari virtute
divina & fidendi & dimicandi & pervincendi. Ita duo illi beatissimi
Fratres certant de relata gloria: qvam litem dirimere non est nostrum.
Id potius nostri jam muneris & facultatis est, ut agnitis & celebratis
eorum laudibus atque meritis, gratulemur iis reportatos illos honores
eminentissimos: ut dolorem ex eorum decessu pectoribus nostris illatum
consolemur illis Celsissimis Ducibus, qvi divina gratia supersunt, utque his
diuturnam incolumitatem devotissimo studio exorare nitamur. Ac facile jacturam
illam solatur unus Serenissimus Princeps ac Dominus, Dominus ANTONIUS ULRICUS,
Patriae Paterac Dominus noster Clementissimus. Hic qvamdiu viribus integris
gubernaculo reipublicae praesidet, clavumque regit; non fluctuabimus in undis
& tempestatibus, non submergemur in profundum, non allidemus ad scopulos,
non haerebimus in syrtibus atqve vadis; sed vel in medio pelago tanqvam in portu
coelo tranqvillissimo versabimur. Utinam Principi tam sapienti, tam magnanimo,
tam clementi immortalitatem vota nostra conciliare possent! Qvod cum humanae
vitae ratio non sinat, hoc tamen relinqvitur integrum, ut longius aevum, ut
seram placidamque senectutem ad annos vel paternos vel Nestoreos devotissime
Serenitati Ejus comprecemur. Vivat ergo Dux Maximus, ex agnatorum decurtatis
annis longaevitatis incrementum capiat, & vires, qvas ex inopinato ante
annum casu recepit,
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servet, firmet,
augeat hilaris, fortis, felix. Qvi fata rerumpublicarum in veterum monumentis
scrutantur, hi, si pervenerint ad Augusti Imperatoris tempora, & cum nostris
illa componant, dicent credo, se similitudinem illorum aliqvam in his terris sub
hodierno imperio reperire; sed aliqvi verebuntur forsan, ne, sicut illic trium
laudatissimorum Heroum, Drusi, Germanici, Marcelli praematurus obitus infausta
qvaeque seqventi seculo portenderit, ita nobis etiam talia funera ingratam
nimium vicissitudinem in posterum comminentur. Verum abundent hi sensu suo,
fingant sibi omina, vel, ut verius dicam, somnia, cumque iis in animo tanqvam
cum larvis inanibus pugnent. Nos meliora multo habemus futurae so:tis indicia
atqve pignora. Adest enim Haeres proximus, Serenissimus Princeps ac Dominus,
Dominus AUGUSTUS WILHELMUS, Dominus noster clementissimus. Hic è regione Solis
velut exoptata Iris ante oculos nostros jam pridem positus est, non ut
significet ac praedicat imbres ex sententia Poëtarum & eorum, qvi alta
vestigant; sed qvalem DEUS aliqvando suis dedit. Hoc signo nobis proposito nihil
metuimus in proximum, nisi ne coelum ruat fractusque illabatur orbis, ceterum
securi degentes, & post salutem maximi Parentis, hujus dignissimi Haeredis
prosperitatem humillimae pietati nostrae maximè habentes commendatam. Non minus
vanam illam augurationem prodit atque infringit Serenissimus Princeps ac
Dominus, Dominus LUDOVICUS RUDOLPHUS, Dominus noster clementissimus. Habemus in
Eo, qvicqvid Principem decorare potest. Adhuc devotissimi agnoscunt omnes,
qvantus aliqvando Mars steterit pro Patriae incolumitate. Nunc cum sago deposito
in toga incedit, admiramur & suspicimus in Eo Apollinem qvendam, talemqve
Principem, qvi & ipse condus promus est omnis divinae humanaeqve sapientiae,
& cultores ejus singulari gratia & patrocinio mactat. Hoc salvo atqve
sospite non potest angi animo Patria, nec obscuratam sollicitudine frontem
gerere. Utqve propria & perpetua Ei ac nobis illa sit voluptas, nec ullis
hamanis casibus perturbetur, omnibus modis obtestamur atque obsecramus. Qvid
dicam de Augustae Domus reliqvis duobus fulcris, de Serenissimis Principibus
atqve Dominis, Domino FERDINANDO ALBERTO, & Domino ERNESTO FERDINANDO,
Do
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minis nostris
clementissimis, qvi certe hoc ampliora nobis promittunt, postqvam pauciores ex
pluribus sunt relicti. Ac praedicanda maximopere est infinita supremi Numinis
bonitas, qvod, etiamsi ambo Heroës isti saepius eisdem periculis, eidem bellorum
violentiae, qvâ duo ex beatissimis Fratribus occubuere, capita sua objectarint:
tamen adhuc salvos atqve incolumes Eos intueri nobis ac venerari liceat. Iidem
vero cum iterum ardere videantur in arma, agnoscit qvidem Patria ingenitam illam
generositatem, extollit acre studium salutis suae propugnandae; sed qvî potest
aliter, qvam ingenti anxietate simul premi, ne redditi castris & expositi
denuo hostili ferro, itidem humani qvid patiantur. Itaqve hac Eos voce, illa
nunc alloqvitur: Sat meritorum est, qvibus obligata & devincta Vobis,
fortissimi Duces, sum. Revocate jam animos à certamine Martio. exuite thoraces:
deponite gladios, & aliâ in posterum ratione commodis inservite meis. Ecce
in Vobis situm est, ne qvando orbitas ista, qvae tot alias terras infestavit,
concussit, evertit, meis qvoqve finibus discrimina atqve damna importet. Haec
amoliri, haec prohibere in manu vestra est. Demite hos mihi metus: auferte hos
timores, & missis praeliis cultaqve domi pace rationem habete desideratae
nimium posteritatis. Haec cum tacite precatur Patria, optat qvidem impetrare,
optat feliciter succedere, qvod cupit; sed tamen, cum potestatem sibi non sumat,
id ab invitis exigendi, omnibus simul precibus fatigat coelum, & nos ei
votis calidissimis succinimus, ut, si Heroibus illis perstet animus revertendi
ad tubas & ad bellicorum tonitruum fragores, intacti semper ab omni injuria
conserventur: imo ut potius metu nominis ac virtutis, qvam incursione atqve
impetu copias hostium rejiciant, oppida alia expugnent, alia liberent, itaqve
sine periculo profundendi sangvinis pretiosissimi, majestatem Caesaris,
integritatem jurium Austriacorum, libertatem ordinum Imperii, & salutem
dilectae Germaniae tutentur, relinqventes spem sartam arqve tectam, post Maximum
Patruum & Serenissimos Patrueles, qvorum fata diutissime morari velit DEUS,
ex augustissima stirpe Gvelfica videndi posteros & haeredes nullo unqvam
seculo defuturos.
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Die nicht liebliche Bruder-Einigkeit / In dem gedoppelten Trauer-Fall Der
weyland Durchlauchtigsten Fürsten und Herren /
J. S. Bach / Cantor des Hoch-Fürstl. Stiffts St.
Blasii.
DEr Theure David will es fein und lieblich nennen / Wenn Brüder einig sind: Recht! was von einem Blut / Was unter einer Brust gezeuget und geruht / Kan ohne Traurigkeit sein Einigseyn nicht trennen. Dennoch wird David auch zu sagen mir vergönnen / Daß gar nicht lieblich sey / wenn itzt ein Bruder-Paar Aus unserm Fürsten-Haus biß auf die Todten-Bahr Will einig seyn; O nein! Ich muß mein Leid bekennen. Gewiß / wenn Redligkeit von alten Korn und Schrot / Wenn Fromm und Tapffer seyn verhinderte den Todt / So lebten Beyde noch; Die nun die Bruder-Liebe So gar zum Sterben hat vereinet. Doch wie gut Thut Ihnen das / was uns so schmertzlich wehe thut. O! daß das andre Paar noch lang’ im Leben bliebe.