|| [ID00001]
LIBERII VERINI Wahrhaftiger Bericht An einen guten Freund / Worinnen erwiesen
und dargethan wird /
Daß Der Liebhaber der Wahrheit / wie er sich nennet / in seinem zu Leipzig A.
1711 bey Joh. Fried. Braun in 8. gedruckten Send. Schreiben an einen Theologum,
von der lieben Wahrheit weit abgegangen / und fälschlich ausgesprenget habe /
daß die 50. Motiven diejenigen seyen / welche eine Erlauchte oder Hoch-Fürstl.
Person zum Abtritte von der Evangelischen Lutherischen zu der
Römisch-Catholischen Kirche verleitet hätten / und derselben Autor entweder die
hohe Person selbst / oder ein Römisch-Catholischer Geistlicher seye / der sie in
dero hohen Nahmen aufgesetzet.
Hochgeehrter Herr /
DEmselben sage ich schuldigen Danck / daß er mir das neulich in Leipzig bey Joh.
Fried. Braun gedruckte Send-Schreiben an einen Theologum, in welchem die 50.
mitgedruckte Motiven von einem / der sich einen Liebhaber der Wahrheit nennet /
geprüfet worden / hat communiciren / und überschicken wollen. Dieweil aber der
Autor solches Send-Schreibens in dem Wahn stehet / dieselbigen Motiven hätten
eine Erlauchte Person / die vor weniger Zeit von der Lutherischen Kirche zur
Römisch-Catholischen getreten / eben darzu verleitet / und er solches in die
Welt aus
|| [4]
sprenget / so wil
ich hiermit darthun und erweisen / daß der Herr Pastor oder Verfertiger des
besagten Send-Schreibens gar gröblich irre / und etwas falsches hingeschrieben
habe.
Ich muß aber vor allen Dingen die Schlupff-Winckel / darein solche Leute / die
niemahls wollen unrecht gethan haben / zu lauffen pflegen / fleißig verrennen
und verstopfen: denn er mögte sagen / er habe diese 50. Motiven nicht gerade hin Sr. Hochfürstl. Durchl. tribuirt und zugeeignet / sondern also gesetzt auf dem Titul / daß
eine Erlauchte Person dadurch soll seyn verleitet worden; und in der Vorrede
habe er sich also heraus gelassen: Ob die hohe Person / oder vielmehr ein
Römisch-Catholischer Geistlicher / unter dem Nahmen dieser hohen Person / der
wahre Autor zu dieser Schrifft sey / wil ich nicht
untersuchen.
Aber davon ist nicht die Frage / ob
|| [5]
er diese 50. Motiven gerad hin Sr. Hochfl. Durchl. zugeeignet habe / sondern
dieses fraget sich: Warum er dem Geschwätz anderer Leute geglaubet / und solches
in den Tag hingeschrieben? denn er ist ja nicht wider dasselbe / und enthält
sich dessen nicht / sondern platzet damit in einer offentlichen Schrifft heraus
/ und spricht / eine Erlauchte Person soll seyn dadnrch verleitet worden. Er
weiß die Gewißheit nicht / wer der Autor der 50. Motiven sey; doch meynet er /
es seye derselbe entweder diese hohe Person / oder vielmehr ein
Römisch-Catholischer Geistlicher / unter dem Namen dieser hohen Person; und also
seyen diese Motiven eben diejenigen / die derselben zur Kirchen. Veränderung
Anlaß und Ursache gegeben. Ist nicht diß seine rechte und pur lautere Meynung?
Saget er ja / so fällt seine oben gemachte Exception dahin / und er wird
folgentlich darüber zu einen falschen Berichter / und Verfehler der Wahrheit:
saget er nein / so ist er / citra animum injuriandi zu reden / ein
|| [6]
Calumniant, der einem andern / und
zwar einer hohen Fürstl. Person / wider sein besseres Wissen oder Glauben /
etwas zumisset / und solches dem offentlichen Druck zu übergeben sich nicht
entblödet.
Nachdem nun dem Herrn Pastori alle Ausflüchten benommen worden / so ist zu
forschen / ob diese 50. Motiva die jenigen seyen / welche Se. Hochfl. Durchl.
zur Religions. Veränderung bewogen / und von Derselben / oder unter Ihren hohen
Nahmen von einem Römisch. Catholischen Geistlichen / aufgesetzet worden. Dieses
alles sollte der Herr Pastor, als pars affirmans, beweisen; er wird es aber in
Ewigkeit nicht thun können: denn 1. ist gewiß / daß Se. Hochfürstl. Durchl.
diese Motiven noch niemahls gesehen; wie kan er denn sagen / daß Sie durch
dieselben seyen bewogen worden? 2. So sind diese Motiven schon A. 1705. in
Lateinischer Sprache / und in so genannter Duodez-Form herauskommen / unter
diesem Titul: Quinquaginta RATIONES & MOTIVA,
|| [7]
cur in tanta varietate religionum
& confessionum fidei, in Christianitate moderno tempore vigentium, sola
religio Romano-Catholica sit eligenda, & omnibus aliis praeferenda. Cum
facultate Superiorum. Hildesii, Typis Jo. Leon. Schlegelii, Episc. & summi
Capituli typogr. 1705. Die Veränderung aber ist geschehen 3. Jahre hernach / und
darüber. Wie kan er dann dahin stellen / ob die hohe Person / oder vielmehr ein
Römisch-Catholischer Geistlicher unter dem Namen dieser hohen Person / der Autor
solcher Motiven seye?
Nemlich der Irrthum ist daher entstanden / daß die besagte Motiven aus dem
Lateinischen ins Teutsche übersetzet / zu Maynz A. 1711. in 12. mit dem auch ins
Teutsche gebrachten Schreiben des jetzigen Römischen Pabstes an Se. Hochfürstl.
Durchl. gedrucket worden. Daraus haben die Leute / aber gantz ungereimt / also
geschlossen: Weil dieses Schreiben an die Hochfürstl. Person / den 50.
|| [8]
Motiven angehenget ist: ergo
müssen diese Motiven eben die jenigen seyn / die den Herrn zur Aenderung
gebracht / und entweder von demselben / oder einem Römisch-Catholischen
Geistlichen in dessen hohen Namen aufgesetzet worden. Und mit diesen Irrenden
ist unser lieber Herr Pastor auch gelauffen / und hat sich eben so verstolpert /
wie sie / und da er ein Theologus seyn wil / hat er sich zum Pseudologo gemacht
/ und an den Tag geleget / daß sein Judicium Logicum, ob er schon mehr als ein
Collegium Logicum weyland mag gehöret haben / gar schlecht beschaffen sey. Ja
sein Irrthum ist viel gröber / als jener ihrer: denn jene haben sich nur mit
ihrem Maul / dieser aber hat sich gar mit der Feder vergriffen / und so viel
100. mahl vor der Welt Unwahrheiten geschrieben / und die Leser damit betrogen /
als er Exemplaren seiner Prüfung hat drucken lassen-Wie viel besser hätte er
gethan / wenn er vorhin sein Hertz geprüfet / und die Sache selbst wohl erwogen
hätte /
|| [9]
ehe er der unnützen Mähre
geglaubet / und seinen Vorurtheilen und Affecten den Zaum gelassen hätte! Er
weiß ja / und soll andern vorpredigen was der kluge Syrach cap. XIX, 15. sagt:
Glaube nicht alles / was du hörest. Warum hat er dann nicht darnach gethan?
Aber es ist ihm ergangen / wie jenem Stadt-Pfarrer / der auch so leichtgläubig
war / und darüber betrogen / und zu Schanden wurde. Es war bekannt / daß dieser
Mann sich leicht etwas aufbinden lasse / und damit auf die Cantzel lauffe / und
es offentlich ausruffe. Demselben nun eines anzuhencken / gieng ein gewisser
Burger / der eines lustigen humeurs war / einmahl zu ihm / und brachte unter
andern Discursen vor / wie daß ein Mann in der Stadt wäre / der 5. Weiber
zugleich hätte. Was? fuhr der Pfarrer mit grossem eiffer heraus / und hube seine
Hände auf gen Himmel / ein Mann zugleich 5. Weiber? Ach / dis ist eine
Himmel-schreyende
|| [10]
Sünde.
Nechstens trat er auf die Cantzel / und sagte: Ihr lieben Zuhörer / ich habe
vernehmen müssen / daß bey uns so greuliche Sünden vorgehen / daß sich billich
fromme Hertzen / und auch wohl ehrbare Heyden davor entsetzen: Denn ich muß /
leyder! eröffnen / daß unter unserer Gemeine ein Mann ist / der zugleich 5.
Weiber hat. Gedencket / wie Gottes Zorn dadurch wider uns gereitzet werde / daß
kein Wunder wäre / wenn GOtt diese Stadt / wie Sodom und Gomorra / mit Feuer
heimsuchte / und sie gantz zu Aschen machete. Und wo die Obrigkeit dieses
ungestrafft hingehen läßt / wird sie es nimmermehr vor GOtt und der Welt
verantworten können. Jederman erstaunete über dieser Rede / und war begierig zu
wissen / wer doch dieser Mann wäre. Des nechsten Tages kam man zu Raht / und
wurde das angehörte proponiret / und darauf beschlossen / den Herrn Pastorem
zuersuchen / daß er belieben möchte den Verbrecher anzudeuten / so solte alsdann
die Sache
|| [11]
untersuchet / und
derselbe nach Befinden abgestrafft werden. Aber der Herr Pastor wuste denselben
nicht zu benennen / sondern bezog sich auf den / der ihm dieses referiret hatte.
Da nun dieser vorgefordert und befragt wurde / sagte er / er habe solches dem
Pastorn nicht zu dem Ende erzehlet / daß ers weiter sagen / und gar in der
Predigt vorbringen sollte / sondern habe sich nur vexiret / und durch den Mann
mit seinen 5. Weibern nichts anders verstanden / als einen Hahn mit seinen 5.
Hennen / die er selbst in seinem Hause habe. Hierüber wurde ein Gelächter / und
der Pastor wurde mit seiner Einfalt und Leichtglaubigkeit / wie auch mit seiner
Unvorsichtigkeit und blinden Eiffer zu Schanden / und hätte wünschen mögen / daß
er sein Maul gehalten hätte.
Also ergehets auch jetzt unserm Domino Johanni, und Sendschreibens-Macher / und
hat er von seiner gethanen imputation nichts anders / als eine lange Nase / und
daß jeder
|| [12]
mann / der bessern
Unterricht von der Sache hat / ungescheuet saget: Ist der Mann nicht thumm und
einfältig / daß er sich nicht besser vorgesehen / und das jenige in offentlichen
Druck gegeben / was doch ohne Grund / falsch / und erdichtet ist? Dis ist nun
die Belohnung seiner Ambition, da er meynete / grosse Ehre zu erjagen / wenn er
Fürstl. Motiven prüfete und widerlegte: Denn darinnen suchen solche Leute / wie
der Herr Pastor ist / eine sonderliche gloire, daß sie sich unterfangen / grosse
und berühmte Leute zu refutiren / die refutation mög beschaffen seyn / wie sie
immer wolle. Dergleichen Pursche ein kluger und fürnehmer Theologus nicht
unbillich grosse Bäum-Ausreisser genennet hat.
Aber ich will nun unsern beschämten / und wie Butter an der Sonne bestehenden
Dominum Examinatorem und unberuffenen Prüfer mit seinem erbärmlichen Gesicht
stehen / und ihn seine praecipitanz bereuen las
|| [13]
sen / wünschend / daß er
hinfüro möge klüger / behutsamer / und vorsichtiger werden. Mein Hochgeehrter
Herr aber wird hieraus ersehen / wie die Sache / von welcher er vorher keine
rechte Kundschafft hatte / eigentlich beschaffen seye / und auch aus diesem
Exempel wahrnehmen / daß man nicht unbillich sage: Qui facilis credit, facilis
quoque fallitur idem, Wer leicht glaubet / wird leicht betrogen. Und ich
verharre jederzeit
Meines Hochgeehrten Herrn
dienstwilligst- uud schuldigster
Gegeben den 18. Nov. 1711.
LIBERIUS VERINUS.