Transkription

Frauenzimmer Gesprechspiele, so bey Ehr- und Tugendliebenden Gesellschaften ... beliebet und geübet werden mögen : Von vielen Künsten ... und absonderlich von der ... Bildkunst ; benebens einem Anhang benamt Frauenzimmer Bücherschrein
Harsdoerffer, Georg Philipp
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GeſpraechſpieleSiebender Theil:handlendVon vielen Kuenſten/ Fragen/ Geſchichten/ Gedichten/ und abſonderlich von der noch unbekantenBildkunſt:Benebens einem Anhang benamtFrauenzimmer Buecherſchrein.gefertiget durchEin Mitglied der Hochloeblichen Fruchtbringenden GeſellſchaftNuernberg/Gedrukkt und verlegt bey Wolffgang Endtern.Im Jahre 1647.
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Dem Hochwolgebornen Herrn/ Herrn CHRISTIAN Des Heiligen Roemiſchen Reichs Grafen von Pentz/ Rittern/ Herrn zu Wandesbeke/ der Koenigl. Majeſtaet zu Dennenmark/ Norwegen/ etc. Geheimen Raht/ Koeniglichen Statthalter zu Gluekkſtatt/ Ambtmann zu Steinburg/ und im Suedern Ditmarſchen/ Oberſten/ etc.
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Seinem gnaedigen Grafen und Herrn.
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Hochgeborner Graf und Herr.
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Dieſes Kunſt= und Tugendbild zeiget zu der rechten Hand/ der belobten Ahnen Schild/ mit dem ſtarken Loewenthier/ das den Heldenmut beweiſet/ und die kluge Tapferkeit/ in der Pentzen Stammen preiſet. Dieſe Lantze/ dieſes Buch/ zeigt des Adels Eigenthum/ (* Joh. Riſt/ in der Lob= rede von H. Graf Pentz= en Kriegs= haendeln. gedrukkt 1646.) und zu Krieg= und Friedenszeit/ aller Ritter wahren Ruhm. Wie von dir/ der Rueſtig * heiſſt/ in dem Heldenton geſungen/ daß es von dem Muſenberg/ bis an Pegnitzfluß erklungen. Solches weltbewuſte Lob/ gleicht dem guldnen Sonnen= glantz/ und dieweiles ewig bleibt/ dem niefalben Lorbeerkrantz.
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Darům hat das Tugendbild * dein Gedaechtniß aufgerichtet/(* Iſt beſchrib ner maſſen zu ſehen bey Ceſar Ripa part. 3. Icon. fol. 176.) an dem ſteten Ehrenſtein/ welchen keine Zeit vernichtet. Wie der Welſch und der Frantzos/ wie der Caſtiljaner ſpricht/ hoeret man aus deinem Mund/ (als uns dz Geruecht bericht/) daß das Haubt der Chriſtenheit ſich verwundrend mit Be= hagen/ dir den hohen Grafenſtand allergnaedigſt aufgetragen. deiner ſeltnen Gaben Zier macht/ daß dich der Koenig liebt/ dem der Denen Volk gehorcht/ und es deiner Treu’ ergießt. Milde/ Huld und Freundlichkeit/ heiſſen deinen Namen ehren/ daß Soldaten und Gelehrte dein Lob hier und dar ver= mehren: Jene ſagen/ dieſe ſchreiben/ was dein Degen hat gethan/ und wie er in deiner Fauſt ſeinen Feind beſiegenkan.
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Durch dich hat dein Vaterland in Geſandſchaft oft gerede du haſt mit ermanntem Mut deine Neider oft befedet: ja durch deinen klugen Raht ruht der Denen Reich ergetzt/ und ward nach erdultem Krieg in den Friedenſtand geſetzt. Gluekkſtatt traurte ſonder Gluekk/ wann du/ wie ich hoeren ſagen/ ſoltſt den Scepter von Norwegen/ an ſtatt deines Koenige tragen/ doch ſol dein verdienter Ruhm hoch erklingen fort und fort/ (* Unter den Fruchtbrin= genden der 281 einge= treten 1636.) Wann du/ wie wir wuenſchen/ lebſt/ an ſo weit entlegnem Ort.
Laß dann/ laß dan ̅ / holder Held/ laß es dißfalls ietzt geſchehe ̅ / daß die noch erwarte Welt moege deinen Namen ſehen auf der Schwelle dieſes Buchs. Deine Tugend hat erkent/ der mit dem Geſellſchaftswort dich Anſehlich * erſt genennt/
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Als du/ vor verwichner Zeit/ in der Fruchtgeſellſchaft Orden/ zu Behufd’ Teutſchen Sprach/ ein geliebtes Mitglied worde ̅ : Solches deut die Nadelblum in erhabner vieler Bluet/ und daß in deim Angeſicht iſt zu ſehen dein Gemůt; dein Gemuet/ dz wolgeneigt meinen |juengſterfundne ̅ Spielen/ die im Eingang dieſes Theils auch zu deinen Ehren zielen.dem hochgeehrten Anſehlichen ſetzet dieſes zu unterthaentger Dienſt= bezeugungNuernberg den 4. des Herbſtmo= nats 1647.der Spielende.
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Epigramma. Ad Effigiem Illuſtrisſimi Domini, Domini CHRISTIANI, Comitis S. Rom. Imperıi, à PENTZ | Equitis, &c.
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FInge mihi, Alcimedon, * glaucopis Palladis ora,(* Sculptor nobilis apud Virgil. Eclog. 3.) quam cumulat ſocius Martis & Artis honos. Indole Daedalea polles, dum fingis Heröa Pentzium: utrumq; decus posſidet ingenio. Te Daniae columen totfortia facta loquuntur: Te decorat Regis judicioſus amor. Uteris Auſoniâ loquerisq; Hiſpana venuſtè, quin Latii ſermo & Gallica Lingua tua eſt. Alternante manu verſans gladiumq; librosq;, Biſtonicae & clariae Palladis orageris.
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Das I. Lobgedicht.
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HErr! der Befreyend’ hat in Gnaden mir einmal Ein Spiel von euch gezeigt/ in seinem Bůcherſaal/ Den er im Guelphenhaus’ hat Fůrſtl. angerichtet/ Daraus hab’ ich erſehn/ wie ſcharffihr ſpielend dichtet/ Geheimniß kluger Ding’: hiedurch ihr kunſtreich ziert Der viel fruchtbringenden Geſellſchaft Ehr und Wuerd’ (Pſ. 150.) In mancherley Spiel ehrt Gott alles/ was hat Odem: (Prov. 8.) Die Weißheit ſpielet ſelbſt auf Goettlichem Erdboden: Ach ſpielet fort/ iſt doch diß Leben nur ein Spiel/ Ihr habt Unſterblichkeit darvon/ der Tugend Ziel: Ich wůnſche/ daß ihr noch in Freuden lange ſpielet/ Weil euer Spiel zu ſehn und hoeren nichtvervielet.D. H. williger Freund/ der Erwachſende.Jochim von Glaſenapp/ Fr. Pomm Hofmeiſter.
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II. Schauplatz der Vollkommenheit zu dem VII. Theil der Geſpraechſpiele.
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Beſtehend in ſieben Baumen/ nach den ſieben Altern des Menſch= en geſetzet/ und folgender Geſtalt beſchrieben.

1. Der Weidenbaum.
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Die Weide gerne waechſt/ wo helle Baeche flieſſen/ man kan die Kinderzucht mit Spielgeſpraech durchſůſſen der Spielend ſo mit Lob die erſte Bahn erbricht/ dem Kinderwachsthum beut die Hand/ zum Unterricht.

2. Der Oelbaum.
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Der Oelbaum Sanftmut deut/ ſein Fett beruht den Schmertzen/ der Knabſchaft ſanfter Mut erfreut der Vaeter Hertzen:
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ſo/ ſo der Spielend auch gantz kunſtverſtaendig zeigt/ wie man der Knaben Sinn zu ihrem Frommen beugt.

3. Der Lorbeerbaum.
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Der Lorbeerbaum deut Lob/ iſt fort und fort begruenet: der Jugend ſteter Fleiß auch gleichen Preis verdienet/ darzu der Spielend ſie mit Vorbericht anweiſſt; der Schertz ertheilt Verſtand/ Verſtand die Seele ſpeiſſt.

4. Der Eichenbaum.
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Die Eich’ ein hartes Holtz/ de ̅ Streich nicht leichtlich weichet/ des Juenglings tapfrer Mut ihr nicht uneben gleichet: was Ehr’ ein junger Mann mit Mund und Hand erhaelt/ der Spielend gleicher Weiߒ hat kůnſtlich vorgeſtellt.
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5. Der Myrtenbaum.
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Die Myrten reucht zwar wol/ doch iſt ihr Kaelt zuwidery Ach! der verlobten Freud ſchlaegt bald ein Unglůk nieder: diß hier der Spielend lehrt/ wie Lieb nicht ſonder Leid Zucht/ Keuſchheit/ reiner Sinn/ erwirbt der Seelen Freud.

6. Der Palmenbaum.
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Der Palmen Blat und Frucht mit allem allzeit nutzet: Gleichwie das Alterthum mit Raht und Thaten trutzet: Der Spielend alles diß mit ſatten Farben mahlt. Verſtaenduiß macht den Mann/ und nicht das Alter alt.

7. Der Cypreßbaum.
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Cypreß nicht leichtlich welkt/ das Holtz der Faeule wehret. ſo nach dem Tod der Ruhm gelehrter Leute mehret: der Frommen Nam nicht ſtirbt/ der Spielend weiſlichſchreibt/ daruem auch allezeit ſein Lob begrunet bleibt.
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Ausbildung der Vollkommenheit.
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Unter vorbeſagten und in der Mitten ſtehenden Eichenbaum iſt ein von feinem Gold gegoſſenes Weibsbild auf einem vierekkicht= en weiſſen Marmor ſitzend/ in folgender Geſtalt zu ſehen.Im Angeſicht ſcheinet ſie etwas bejahret ſeyn/ doch nit ungeſtalt= lich. Ihr Haubt iſt mit einem Schleier bedekkt/ wo doch etliche lange krauſe Haare hervorflattern/ uem das Haubt hat ſie einen Ring oder Reiffe/ mit ſieben Sternen beſetzt. An dem Leib traegt ſie einen engen Rokk mit kleinen Boenlein/ und vielen Kornaehren ein= geaetzet; uem den Leib oder die Lenden eine Guertel/ daraufgegraben: die Vollkommenheit. Uber die Schulter zwerchs herabhangend einen Mantel/ mit Wuerffeln alſo eingewirket ſcheinend daß ſie al= lezeit die ſiebende Zahl zeigen/ un ̅ die Zahlen 1. 2. und 4. im Geſichte [ID00028] bleiben. Vor ihr auf der Schoß haelt ſie mit einer Hand was wenig erhoben ein rundes Goldblech/ auf welchem eine Vierung/ und in der Vierung ein Dryangel verzeichnet/ ueber welchen das gedachte Weibsbild mit der andren Hand einen offnen Zirkel/ an deſſen Knopf ein Aug gebildet/ gleichſam mit beſonderm Bedacht ſetzet. An der Rukkſeiten des Blechs ſeind dieſe 4. Zeilen zu beobachten:
Gleichwie die Element in ihrem Streit ſich einen/ ſo grad und ungrad auch in ſich vereinpart ſcheinen: dieſelbe Miſchung hier diß ſchoene Rund erfuellt/ ſo iſt in vier und drey Vollkommenheit verhůllt.Vnten an dem Marmorgeſtelle/ an den vier Seiten/ iſt ein vierſtaendiges Sin ̅ bild vorge= ſtellet/ nachberichter maſſen. 1. Bonen auf die Helfte in die Erde ̅ geſtekket/ mit der Umſchrift: Was Můhe ſeet; 2. Bonen/ die gemaehlich im Kraut aufgehen/ mit dem Beywort: durch Fleiß aufgeht; [ID00029] 3. Ulueende Bonen/ die ſich an einem Stab uemwunden/ dabey geſchriehen mit Luſt ſich drehet. und dann 4. allerley Bonen in einer Schalen ligend/ mit dem Wort: im Nutz beſteht.Zu unterſt an dem Rand/ bemeldten Geſtells/ ſeyn in der Reihe heruem folgende vier Reimzeilen zu leſen:
Das/ was der Spielend jetzt mit ſeiner Muehe ſeet/ durch unverdroſſnen Fleiß bekleibet und aufgeht/ vollkommen bald ſich zeigt/ mit Luſt hoch an ſich dreht/ ihm zu beliebtem Lob und andrer Nutz beſteht.Dieſes hat dem Spielenden zu ſchuldigſten Ehren vorſtellig machen wollen und ſollendeſſelben DienſtbefliſſnerJohann Hellwig/ D.
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III.
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MEine Begierden trieben mich nicht unlaengſt friſchere Luft zu ſchoepfen/ und von des Poevels Beſchwerlichkeit entfernet/ in Anſchauung der gruenbeziert= en Gaerten/ meıne einſame Gedanken zu beluſtigen/ da ich wider alles Vermuten an einen ſolchen Ort gerahten/
da Flora ihren Pracht hat reichlich ausgebreit/ warob der Wundergart Semiramis auch Streit aus Neid erregen ſolt/ dann hier die Bluemlein ſtutzen/ wie teure Steinim Gold/ dort manche Kraeutlein nutze ̅ in gruenſatinem Kleid’; der Baumenſtoltze Wacht/ der Baechleinklare Flut/ mit Lueſpelſpielen lacht. Heſperien hindan mit deinen Gaerten weiche/ noch Alcinous Luſt mit dieſem Ort dich gleiche!
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ſo gar war dieſer Platz bereichet und geziert/(* Deren be= ſagten/ wie auch ander= er mehr Lycoſthenes Pſellionorus in ſeiner Luſtgarten am 9. Blat/ wie auch Petrus Lau- renbergius in ſeiner Horticultu- ra: l. 1. e. 1. p. 37. gedenken.) in Gaengen hin und her/ und kuenſtlichſt aufgefuehrt. im Waaſen und Geſtaeud’/ erſchienen * Gartengoetter/ die Chloris ſonder Schein/ nechſt bey dem Rebenretter/ dem Bacchus/ ſtund’ entbloeſſt/ Pomona und der Pan/ der Priapus/ wie auch Feronia dem Plan/ dem vorbeſagten Plan/ zum Schutze gleichſam ſtande ̅ / der Dryadinen Zunft mit Rhea ſich auch |fanden/ Saturnus/ Ceres hier/ Apollo bey der Schaar ſamt der Proſerpine/ bemeldte Goettin war von Kuenſtlers Hand gebildt.Dieſer Ort/ ſag ich/ |hat mir nicht allein eine ſondersfreuliche Ergetzlich= keit mitgetheilet/ ſondern auch die darinnen befundene ſchattenreiche und an= mutige Gallerien und Spatztergaenge ferners einen ſichern Schirm wider die hitzige Sonnenſtralen bereitet/ daß ich veranlaſſet worden/ nicht mit geringerm Vertrauen darunter auszuraſten/ und mich deſto hertzhafter uemzuſehen. Aber [ID00032] die unausſprechliche Schoene und Seltzamkeit der mancherley Arten fremder Gewaechſe beunruhigte ſtets meine umſchweiffende Augen/ und erregete ein ſolches bruenſtıges Verlangen in mir/ daß ich vermeinte/ ohne wirkliche Be= trachtung einer und der andern beſagten Seltzamkeit/ nicht mueglich von dan= nen zu ſcheiden. Wie auch meine Hoffnung nicht gefehlet/ noch mein Wunſch vergebens geweſt/ indem jemand/ weiß nicht wer/ meinem hitzigen Beginnen begegnet aus ſonderer Milde von den dreyen ſeltenſten Gewaechſen/ als der Jugken/ Granadill oder Paſſionblum und gefůllten Kaeiſerskron/ einen ſchoenen Zweig abgebrochen/ und mir verehret hat. Was Freude ich nun ueber ſolchem ſeltenen Geſchenk gehabt/ als der ich einen unvergaenglichen Gart= (a) In ſeiner Iſagoge in rem her- bariam im 1. Buch im letzten Capitel.) enluſt mir eingebıldet/ wie etwan dorten (a) Spiegelius von dem gruenen Win= terluſt ſehr artlich ſchreibet/ iſt abzunemen aus dem/ daß ich nicht allein mit gnauem Anſchauen der beſagten dreyer Blumen/ mich nicht erſaettigen koenn= en/ in Beobachtung der ſo unausſprechlich ſpielenden Natur/ ſondern auch [ID00033] endlich unverdachtes Muhts zu einem ueberaus koſtbaren Gebaeu eines Pa= laſts genahet/ welcher
— — — nach Kuenſtlers Recht und Satz gantz herrlich aufgeſtellt/ von Marmor ausgehauen/ mit groſſem Sinnverſtand war Bilderwerk zu ſchauen an dem beſagten Ort/ der an ihm ſelbſt voll Pracht/ doch kluge Kuenſtlers Hand hat ihm mehr Pracht gemacht.Deſſen Eingang ich kaum betretten/ kamen mir an einer ſchoen gemahlten Wand alsbalden zu Geſichte/ zwo meines anfaengliche ̅ bedunkens nach/ durch die hellglaentzende Sonnenſtralen vorgeſtellte Bildungen.Worueber ich in Verwunderung beſtuertzet/ inniglich wuenſchte einen Oedi- pum oder Ausleger dieſes Gebaeus und ſolcher Ebentheur nechſt mir zu habe ̅ . Und als ich ſolcher maſſen meiner ſelbſt entzukket ſtokſtill ſtunde/ hat mir/ ei= ???e Stimme/ heimlich ins Ohr geblaſen/ daß gegenweſende Stralen durch die ???erſte Bıldung der Fruchtbringende ̅ Geſellſchaft vornemen Glied eines eigent= ???ichen Namen/ oder die erſte Buchſtaben des Taufs=und Geſchlechts=Name ̅ ???eſchloſſen vorſtelleten; Bey Erkuendigung aber der anderen Bildung bliebe ich [ID00034] [ID00035] in Gedanken gantz verirret ſtehen. Wo ich mich doch ſelbſte ̅ wideruem ermah=((b) Thoma- ſo Garzoni, nella Piazza univerſ. Dıſc. CXLV Herr Magiſt. Daniel Schvventer in ſeiner ac= heimen Magi- ſchen/ ???uer= lichen Red= und Gebrei??? kuenſt im 3. Buch/ bey der 4. Erzehlung.) nend/ den ineinander geſchrenkten Buchſtaben was tiefers nachgeſun ̅ en/ und bey Findung des Woertleins Spielende leicht erachten moegen/ daß diß Ge= baeu dem klugen Sin ̅ verſtand/ und reichem Tugendhaab des edlen Spielen= den zu Ehren mueſte aufgerichtet ſeyn. Alſo wie man weilanden (b) Pytha= goras und dem Mondſchein glaublich zugemeſſen/ alſo ſag ich/ auch die Son= ne/ die jenige Stralen wiederuem auf den Erdkreiß zu rukke werffe/ die ſie vor= mals von dannen aus des Spielenden Lobſchall ueber deſſen Sinnreichen Erfindungen erhebet hatte.Demnach ſolches Wanderſtuk gebuehrlich ehrend/ beſchloſſe ich dieſen Ort als einen Ehrentempel mit denen dreyen in Handen tragenden Blumen zu beſchenken/ und zugleich allen genetgten dienſtlich [ID00036] en Willen hertzgruendig damit anbietend/ folgende Reimen den Blumen als einem dreyſtaendige Sinnbild beyzuſetzen.

1. die Jugke. Was Neid beſticht.
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Der Jugken hoher Stamm zu Sommerszeiten prachet/ ein langgeſpitztes Laub/ ſtark/ ſattgruen aus der Erd deſſelben untren Theil beziert/ und ſicher machet/ je mehr der Stamm aufſteigt/ je hoeher er begehrt/ wie Cymbein ohne Zahl die Silberblume lachet; Caneda diß Gewaechs uns erſtlich hat gewaehrt: Alſo die Neiders Zung den Spielenden nurſchutzet/ indeß der Tugend Glantz mit reinem Weſen trutzet.

2. die Granadill. Zu Nutz gericht.
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Der Granadill Gewaechs gar ſchwacher Wurtzel iſt/ die wunder gruene Blum das Chriſti Leiden zeiget/ mit Blutstroepflein bemerkt/ mit Naegeln ausgerueſt/ nechſt kleinzerkerbten Blat die Frucht ſich groß ereiget/ Virgınia dieſelb’ im Magenweh genieſſt. Der Spielend gleicher Weiſ im Anfang zart ſich zeuget/ dann bluet die Ehrenblum durch bitterſauren Freiß/ der Honigſueſſe Nutz erhaelt auch hier den Preiß.

3. die gefuellte Kaiſerskron. Mit Ruhm durchbricht.
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Die volle Kaiſerskron in hoher Majeſtaet herwaechſt/ bey jedem Blat ein weiſſes Punctlein ſteht/
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am ſchwartzgetuepflet gruenbraeunlichtem Stengel hanget die gold gefaerbte Blumin einer ſchonen rund’ und ungewiſſer Zahl/ zu oberſt herrlich pranget ein gruener Buſch/ wie auch des Stengels untren Grund lang ſchmales Laub uemzwaengt. Der Spielend ſo gelanget(c) deſſen ge= denkt Herr M. Daniel Schvventer in ſeinen Ma thematıſch= Philoſophi= ſcheu Erquick= ſtunden im VI. Theil 15. Aufgab/ am 288. Blat.) hoch an in ſeinem Ruhm/ mit kluggelehrtem Pfund.Unter ſolcheu Gedanken nun mich was mehrers nahend/ werde ich eines ſonderlichen Kunſtſtuk= kes von Spiegeln gewahr/ welches niemand ohne vorbewuſt haette ſo leichtlich vermerken koennen/ und auch dergleichen von dem Pabſt Paulo (c) an einem Ort gedacht wird. Weswegen ich mich hinter diß Geheimniß richtend/ etliche Spiegel in ſolcher Ordnung und Maß geſtellet befunden/ daß ſie mit ih= rer Widerſtralung obbemeldte Ausbildungen oder Buchſtaben kunſtgruendig vorſtelten.Weiln mir auch dirſes Spiegelwerk zu Gedaechtniß fuehrete/ wie vor Alters die Spiegel ob ıhren herrlichen Glantz den Goettern (d) Iovi, Iunoni, Minervae und der Venerı, als denen ſie eınig ob ihrer wunderſamen Schoene geziemeten/ geheiliget worden: Aus der Urſache hab ich auch mit ſolch= em zu Papier gebrachten Ehrengedaechtniß den Siebenden Theil der Lehrleuchtenden Geſpraechſpie= le ſchuldigſter maſſen verehren ſollen und wollen/ alsdes Spielenden(d) Iacob. Philipp. To- maſinus de Donariis c. XVI.) dienſtwilliger und ergebener Diener Joh. Georg Volckamer/ D.
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DEs Archimedis Kunſtverſtand bereit die Feuerſpiegel/ die flammen unerdachter Weiſ’ auf Syracuſen Huegel; Der Sonnen Gegenſtraal entzuendt entlegne Schiff’ im Meer/ beſieget alſo/ ſonder Krieg/ durch Kunſt/ der Feinde Heer: Es gleichet dieſer Spiele Fund des Archimedis Spiegel; Durch weitbelobte Kunſt bereit/ dort auf der Muſen Huegel: Seht/ dieſer Spieleſtrenger Straal brennt gleichſam ueber Meer(vid. P. Betti- ni Apiar. VI. progym. 2. f. 32. & Apiar. VII. prog. 3. f. 43.) und zuendet auch bey Fremden an/ Gunſt/ Liebe/ Lob und Ehr.Dieſes ſetzte aus ſchuldiger Ehrerbietung ſeinem hochgeehrten Herrn Vettern/ Johann Paulus Paumgarnter.
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WIe das frůe Morgentauen in den fettbetrieften Auen bringer Blumen/ Gras und Frucht. Alſo waechſet auch bey vielen/ durch das oftbeliebte Spielen/ Kunſt/ Verſtand und Tugendzucht. Auf dem Feld und in dem Garten iſt der Winter zu erwarten. Diß bleibt in der Zeiten Flucht.Aus ſoehnlichem Gehorſam ſetzet dieſes; Carl Gottlieb Harsdoerffer.
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Vorrede Zu dem ſiebenden Theil der Geſpraechſpiele.
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ES iſt eine alte Streitfrage: Ob der muendliche oder ſchriftliche Unterricht der Jugend vortraeglicher ſey? Das Aug vnd das Ohr ſind gleichſam die Thore/ vermittelſt welcher alle Wiſſenſchaft durch die redenden und ſtummen Lehrmeiſtere in vnſren Sinn eingefuehret werden. Die Rede iſt begleitet mit beweglichen Geberden/ mit Ver [ID00042] wendung der Augen/ mit Erregung der Lippen/ mit Behandlu??? der Haende/ Erhoehung deß Haubts/ Erhebung der Stim ̅ e/ und d??? gantzen Leibes nachdruekklichſter Begeiſterung und Beyhuelffe. Hi??? gegen iſt der todte Buchſtab ohne Bericht/ ohne Eifer und Wor??? klang/ der in begebenen Zweiffel keine Eroerterung leiſten kan.2. Gleichwie das Sigel ſeine Gleichheit dem Wachs ein??? drukket; alſo ſenket des Menſchen Rede Freude und Traurigkeit??? Lieb und Haß/ Zorn und Freundſchaft/ und eine jede Neigung??? ſo der Redner bey ſich fuehlet/ in unſer Gemuet. Die Schrift abe??? iſt eine Bildung der Stimme/ nach eines jeden Volkes Beliebung??? erdacht/ vnd kan ſo viel nicht zu verſtehen geben/ als die Rede welche??? die Gedanken vollkommener ausbildet.3. Im Gegenſtand iſt die Schrift mit mehr Bedacht zu Papier??? [ID00043] geſetzet/ und wird mit mehrn Nachdenken zu Sinne gefaſſet/ als die ???uechtige Rede/ welche vielmals unſre Augen blendet/ daß wir uns ???ehr von des Redners Geberden/ als ſeinen Worten bewegen ???ſſen. Die Schrift iſt ohne dergleichen Berukkung/ und durch ???ie Ausrede nicht verkuenſtelt. Die Rede iſt ſchnell/ und lautet aus ???nes klugen Mannes Munde weit anderſt/ als wann man ſie von ???nem einfaeltigen Leyen hoeret. Die Schrift giebet dem Leſer ſo viel ???edacht/ und Nachſinnen/ als er ſelber wil; er kan widerholen/ was ??? nicht verſtehet/ und nachſuchen/ was er vergeſſen/ ja die Schrift ???artet vns/ als ein Knechte/ auff/ wann wir wollen; da wir dem Red= ???er zu Dienſten ſtehen mueſſen.4. Viel wenigere Fehler werden in den Buechern/ als in den ???eden begangen; und ſolte auch die muendliche Stimme einen naeh [ID00044] ern Weg zur Wiſſenſchaft weiſen; ſo iſt doch die ſchriftliche Unt= errichtung viel ſicherer/ und nutzlicher; maſſen alle Gelehrte beken= nen werden/ daß ſie mehr auß Buechern/ als aus Geſpraechen erler= net. Deß Menſchen Gedaechtniß nimmet mit zuwachſenden Jahren ab; ſolchen Mangel erſetzet nun die Schrift. Die Wort ver= hauchen in dem Lufft: die Schrift bleibet unveraenderlich in ihrem Begrief. Zu geſchweigen/ daß viel Wiſſenſchaften ohne die Schrift und das Gemaehl nicht wol erlernet werden koennen.5. Wil man nun dieſe Frage reiffer betrachten/ ſo muß man ſetz= en/ daß die Rede/ ſowol als die Schrift/ in gleicher Vollkommen heit beruhe: und zween Juenglinge/ von gleicher Faehigkeit/ gleichen Alter/ und in gleicher Zeit/ das in der Rede/ und in der Schrift ver??? faſſte/ lernen ſollen. In ſolchem Fall iſt auſſer allem Zweiffel/ daß??? [ID00045] ???er eine Juengling durch die Rede geſchwinder/ und nachdruekklicher ???nterwieſen werden ſolte/ als der andere durch die Schrift. Daher ???iehet man auch/ daß viel Blinde/ aber keine Taube zu finden/ welche gelehrt werden. Die Schrift iſt ohne die Stimme ???iemand nutz; dann daruem lieſet man/ daß man reden/ und Zuhoe= ???er haben wil; wie dann alle Sprachen/ durch die Rede/ und nicht durch die unvernemliche Schrift erlernet werden mueſſen.6. Wie nun in vielen dergleichen Fragen nichts gewiſſes ???u ſchlieſſen; als will ich glauben/ daß ein geſchwinder Geiſt eine Sache viel leichter und beſſer durch die Rede faſſen ſol; da hingegen ???in mittelmaeſſiger oder ſchwacher Verſtand ſich der Buecher ???eſſer bedienen wird. Was in der Betrachtung und wirklicher Behandlung hafftet/ wird billich muendlich gelehret; was aber ein [ID00046] groſſe Gedaechtniß erheiſchet/ kan ohne Buecher nicht behalte werden.7. Zu den Geſpraechſpielen wird erſtlich erfordert die ſchriftlich Anweiſung/ was und wie man ein/ oder das andere Spiel vor und anbringen ſol: Zum andern die Rede und das wirkliche Ge??? ſpraech/ und iſt zwiſchen beeden keine weſentliche/ ſondern eine zu faellige Unterſcheidung; geſtalt man ſchreibet/ was man reden kan und redet/ was geſchrieben wird.8. Wolche Buecher in offentlichen Drukk geben wollen/ ſind denen gleich/ ſo an die Straſſen bauen; Sie mueſſen die Steine von alten Gebaeuen herholen/ oder aus einem neuen Bruch ſelbſten hauen und zu Werk bringen: jenes iſt ſo ſchwer nicht/ und bedarf faſt mehr Fleiß als Verſtand; dieſes aber iſt muehſamer/ und lob [ID00047] wuerdiger/ zu ſolchem Schriftgebaeu muß man erſtlich einen Uber= ſchlag machen des gantzen Haubtſtands; alsdann von niedrigem Grund anfangen/ ſchlechte/ doch ſtarke Pfeiler ſetzen/ dann nach und nach das gantze Werk meiſterlich und kunſtzierlich auffuehren; wil man anderſt nicht mehr Schande als Ehre darvon haben/ oder das anfangs erlangte Lob in nachfolgender Arbeit wiederuem verlieren. Die voruebergehenden wahnweiſen Tadler muß man reden vnd urtheilen laſſen: verſichert/ daß andere von ihrem Urtheil/ wideruem ſchlechtlich urtheilen werden.9. Es ſind der Buecher ſo viel/ daß faſt ſchwer iſt wol zu wehlen; doch finden ſich der unterſchiedlich gearten Geiſter noch viel mehr/ und hat man noch auf die Gelehrten/ noch auf die Ungelehrten allein/ noch auf die Ekkelhaften/ noch auf die Lieb haber der Poeterey/ [ID00048] oder der Gemaehle/ oder der Muſie allein zu ſehen; ſondern auf alle zugleich/ daß ein jeder jhm anſtaendige Gedanken finden moechte.10. Ich muß geſtehen/ daß wir in einer kunſtreichen Zeit leben/ da die Vorſichtigkeit hoch vonnoehten/ und ſowolim Schreiben und Reden niemals unzeitig ſcheinet. Gewißlich man hat noch keine gnugſame Schulen gefunden/ darinnen man/ nach Anlaß der Ge= legenheit/ ſein Reden und Stillſchweigen gebuehrlich haette maeſſigen lernen. Verſtaendige Leute haben ebenſowol unterſchiedene Neigungen/ und die guten Urtheil ſind unter ihnen mehrmals ſtrittig. Dieſer kan ſeinen Sachen keine Geſtalt geben/ jener hat nicht viel geleſen; dem mangelt es an den Worten/ einem andern an Beſcheidenheit/ der wil das Wort allein haben/ und von jederman gehoert werden/ aber niemand anhoeren; unbetrachtet/ daß eine Zeit [ID00049] zu reden/ und eine Zeit zu ſchweigen ſeye/ niemals keine/ darinnen man alles auf einmal heraußſtoſſen ſoll.11. Es iſt nicht wenig daran gelegen/ daß man ſich von Jug= end auf zu guten Buechern/ und guter Geſellſchaft angewoehne/ damit die edle Zeit nicht verlo hren gehe; welche auch GOTT ſo ſchaetzbar geachtet/ daß er von Haab und Gut den zehenden/ von der Zeit aber den ſiebenden Theil/ als den Sabbath/ erfordert. Wie man nun ſchaendliche und naerriſche Buecher fliehen ſol/ ſo muß man auch (meines Erachtens) meiden die laſterhaften/ und nichtswiſſ= ende: maſſen mit den erſten das Gewiſſen nicht verſichert/ mit den andern aber kan unſer Verſtand nicht vergnueget werden. Wer mit ſolchen Leuten uemgehet/ muß ihnen gleich/ oder ihr Feind werd= en; ja er muß jhre Boßheit vertheidigen/ oder ſich ihrer Unwiſſen= heit nicht widerſetzen.
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(Antipathia.) 12. Es iſt manche verborgene Feindſchaft in den natuerlichen Sachen/ deren Urſachen nocht nicht erkundigt worden: Aber keine groeſſere Feindſchaft kan ſeyn/ zwiſchen der Tugend und dem Laſter; zwiſchen der Geſchikklichkeit und Ungeſchikklichkeit. Das unnuetze Geſpraech verderbet die guten Sitten viel leichter/ als daß das gute Geſpraech boeſe Sitten ſolte beſſer machen; und dieſes iſt auch von den nutzlichen und unnutzlichen Buechern zu verſtehen. Iſt gleich in einem und auch nichtswerthem Buch etwas Gutes/ wie man zu ſagen pfleget/ ſo iſt es doch wie die Frucht der wilden geimpfeten Baeume/ die entweder ſaure/ oder ungeſchmakke Fruechte bringen/ welche ein zarter Mund noch koſten/ noch ein ſchwach= er Magen verdaeuen kan.13. Was von den VI. Theilen der Geſpraechſpielbuechlein zu [ID00051] halten/ wollen wir andern Strafurtheil untergeben; ſind aber ver= ſichert/ daß wir dardurch niemand geaergert/ aber viel zur Tugend und Wiſſenſchaft zu leiten/ vermeinet haben. Wie uns dann auch von hohen Orten Befehl/ und von guten Freunden (welche ſolche muendlich außzuueben pflegen) wolgemeinte Erinnerung beſcheh= en/ dieſelben ſchriftlich fortzuſtellen.Vielleicht ſolte dergleichen Arbeit vielen unthunlich fallen/ und ihnen/ wo nicht an Verſtand und darzu noehtigen Sprachen Wiſſ= enſchaft/ jedoch an dem Fleiß und der Zeit ermanglen.14. Der Spielende verhoffet hiermit/ etlichen/ die ſolcher Spiele faehig ſind/ zu dienen/ und folget den Italiaenern in dem/ daß er nicht wenig ſolche Sachen zu Papier gebracht/ welche ſpiel= weis nicht anzubringen/ aber doch leſwuerdig/ und in andern Ge [ID00052] ſpraechen nicht undtenlich ſcheinen. Er hat auch zu Erſparung der Unkoſten nicht alle Bilder mahlen/ ſondern etliche derſelben nur dergeſtalt beſchreiben wollen/ daß man ſie leichtlich wird auf= reiſſen koennen. Wegen beſagter Urſaechen ſind auch die Andachts= gemaehle den erſten Buchſtaben/ der hin und wieder eingeſchallten Gedicht angebracht worden/ welcher Anfang in des Sechſten Theils Zugabe gemacht/ und von vielen beliebet worden.15. Fuer ſolche Arbeit begehret er noch eitles Lob/ noch unver= diente Schand/ und bildet zu Beſchluß dieſer Vorrede die doppelt= bezuengte Falſchheit/ mit abgekuertzten Fluegeln; in der Rechten den Feuerbrand/ in der Linken den Waſſerkrug tragend/ mit einem weiſſen Uberkleid/ und ſchwartzen Unterkleid uemgeben.
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Uber das Bildniß der Falſchheit.
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(Pindariſche Ode nach Spaniſcher Reimart.)
Du haſt zwar auf mich gedrungen(Satz.) doppeltfalſche Luegner=Zungen/ und gedraut den Feuerbrand/ meinen Spielen einzuſtekken; doch ſoll mein Gemuet nicht ſchrekken deine tolle Frevelhand. Solche Zungen ſonder Zuegel ſchweben ob der Thoren Thor: ihre ſtets gekuertzte Fluegel tragen ſie nicht lang empor.
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Welche mit Betruegen prallen/ mueſſen endlich ſchaendlich fallen.

Gegenſatz.
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Ja/ du haſt auf mich gedrungen mit der ſueßvergifften Zungen/ und den vorentflammten Brand auszuleſchen/ und zu dekken/ oder vielmehr abzuſchrekken mit der liſtigargen Hand. Um den Teutſchen Phoebushuegel und der Redlichkeiten Thor/ mueſſen Fledermaeuſefluegel niemals ſchweben hoch empor. Ihr vermeſſnes ſtoltzes Prallen macht das Liecht der Warheit fallen.
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Nachſatz.
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Laß den ausgeleſchten Brand fallen aus der Meuchelhand! laß das Hoenigwaſſer triefen! denn du kanſt mich nichterſchrekken: man wird deine Falſchheit pruefen/ und auch deine Schand entdekken. Prallen kan ein jeder Thor: mit ſo hochgeruehmtem Fluegel/ aber ſchwing dich auch empor uem der Muſen gruenen Huegel. Was haſt du mit falſcher Zungen errungen?
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Perſonen/ Welche in dieſen Geſpraechſpielen unter= redend eingefuehret werden.
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Veſpaſian/ ein alter verſtaendiger Hofmann. Angelica/ eine adeliche Jungfrau. Reymund/ ein gereiſter Hofjunker. Caſſandra/ eine adeliche Jungfrau. Degenwert/ ein gelehrter Soldat. Julia/ eine kluge Matron.Mehrer Bericht von Verfaſſung dieſes Werkleins iſt zu Ende zu finden.
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Der Geſpraechſpiele Siebender Theil. Veſpaſian/ Julia/ Reymund/ Angelica/ Degenwert/ Caſſandra.
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Veſpaſian.
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ICh habe der Geſellſchaft Ankunft mit faſt bruenſtigem Verlangen erwartet/ und weil ſie/ ueber beſtimmte Zeit verzoegert/ eine andere Sache vorgenommen; lege ihnen deswegen auf/ zu Anfang unſrer gewoehnlichen Spiele/ daß ein jedes die Urſache ſeines Ver= zugs/ und unzeitigen Ausbleibens anzuzeigen ſchuldig/ und gehalten ſeyn ſol.
|| [2]
2. Jul. Wir wollen uns (daß ich fuer alle antworte) ſolchem Spiel= gebot nicht entziehen; jedoch mit dieſer Bedingung/ daß uns der Herr zuvor ſeiner vor Handen habenden Arbeit theilhaftig mache/ und dann zu jedes Ent= ſchuldigung/ und Urſachen des Verzugs etliche Reimzeile aufzuſetzen/ hin= wideruem verbunden ſeyn ſolle.3. V. Was das erſte Begehren anlanget/ kan ich der Frauen/ ohne ihre und aller Anweſenden Beyhuelffe/ nicht voellig wilfahren.4. J. Waruem nicht mein Herr?5. V. Weil ermeldte meine Arbeıt eines Theils in der Muſic beſtehet/ anders Theils in dem Abriß. Die Muſic kan ich/ ohne ihre geſamte Handbietung/ nicht hoeren laſſen: die Gemaehle aber liegen hier entworffen.
|| [3]
6. R. Ich ſihe wol/ daß dieſe Arbeit ein Schauſpiel zu Roß be= trifft; dergleichen vıel leichter zu Papier/ als im Werke zu ſehen ſeyn moechte/ maſſen wolerfahrne Rittersleute/ und viel ſchulrecht abgerichte Pferde darzu erfordert werden.7. V. Wie die Ritter aufziehen ſollen/ hab ich auf dem erſten Grund be= deutet: nemlich auf ſtarken Hengſten/ im vollen Kueraß/ guten Gewehren/ mit hohen Federn/ ſchoenen Binden/ und Gezeugen.8. A. Das verſtehen wir leichtlich.9. V. Der Schauplatz iſt groß/ weitlaufftig/ und mit hohen Gebaeuen ???mgefangen: wie etwan zu Paris der Koenigliche Platz/ * darauf dergleichen(la place royale. *) Dantzſpiele gehalten worden.10. D. Solches wird vielleicht deswegen erinnert/ damit viel Perſonen ???uſehen und ſich in ſolcher Ritterlichen Ubung beluſtigen koennen; ſonſten iſt ???eines Erachtens kein abſonderlich Gebaeu darzu vonnoehten/ und koente man ??? im freyen Feld/ oder einen andern groſſen Rennplatz anſtellen.
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(12. Reuter 4. —— 48. 4. Rittm. —— 52. Sum ̅ a.) 11. V. Die Anzahl der Rittersperſonen ſind in allem 52. abgetheilet in 4. Hauffen/ welche 4. Rittmeiſter fuehren/ deren ein jeder 12. Pferde hinterſich hat. Die Trompeter halten beſeits/ und blaſen ein beſonderes Stuek/ welches gleichsfalls in 52. gantzen Schlaegen oder Noten beſtehet/ wie ich hernach zu probiren geben will.12. C. Dieſe Zahl hat ſonders Zweiffel auch ihre Urſachen.(12. 4. —— 48.) 13. V. Die Urſach iſt die gleiche Abtheilung/ indem nemlich die vier Rittmeiſter erſtlich in der Zugordnung daher rukken 12. breit und 4. hoch. So bald ſie mitten auf den Platz kommen/ ſchlieſſen ſie einen dreyfachen Ring/ (16. 3. —— 48.) jeden mit 16. Pferden/ in welchem die vier Rittmeiſter heruemdummelen.14. J. Das haben wir geſehen.(6. 8. —— 48.) 15. V. Ferners rukken ſie 6 und 6. reyenweis aufeinander/ und machen ihr 12. und 12. ein Zwerchkreutz/ die andern 12. und 12. ſchlangen= kreutz.
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16. R. Auß dem Abriß kan man des Herrn Meinung beſſer er= ſehen.17. V. Ferners doppeln ſie die die Reyen/ und rukken 6. und 6. wider= uem ſchlangenweis gegeneinander/ die Rittmeiſter halten benebens noch 8. Reutern/ und laſſen uem ſich heruemſprengen.18. A. Dieſes ſcheinet etwas irrſam.19. V. Wie ſie nun dieſes ſchlangenweis vollzogen/ alſo thun ſie des= gleichen in grader Linien: jedesmals 6. und 6. die Rittmeiſter halten gegen= einander20. D. Und dieſes alles muß nach der Muſic gleich einem Dantz be= ſchehen.21. V. Nun ſtellen ſie ſich wieder auf ein andere Weis in 5. Hauffen/(10. 10. 10. 10. 12. —— 52.) nemlich 10. und 10. auf die vier Ekken/ und 12/ darunter die vier Rittmeiſter ſind in der Mitte. In dieſer Ordnung laſſen ſie die Pferde verſchnauffen. [ID00064] [ID00065] [6] (5. 10. —— 50. 2. —— 52.) Alsdann theilen ſie ſich in 5. und 5. und treffen jedesmals 2. und 2. aufein??? ander.22. D. Wie koennen aber die Trompeter ſo lang blaſen?23. V. Sie moegen abwechſlen/ und einander entſetzen: oder man kan ihnen zwiſchen jeder Stellung eine Ruhezeit vergoennen. Im Ende aber laſſen ſich alle ſolche Umſtaende nicht beſchreiben/ man muß ſich nach den Leut= en richten/ die man darzu haben kan.24. J. Was hat dann der Herr auf dieſes Papier gezeichnet?(16. 3. —— 48. 4. —— 52.) 25. Den letzten Aufzug: wie ſie ſich in vier Hauffen/ und aus jedem drey corbetirend in die Mitte rukken/ gegeneinander dummelen/ und dann wieder= uem in die Zugordnung 3. und 3. in vier Hauffen/ wie anfangs/ das gantze Schauſpiel enden.
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Man koente zwar noch viel Veraenderungen haben/ wollen aber ſolches ??? anderer mehr mueſſigen Nachdenken geſtellet ſeyn laſſen/ und uns begnuegen??? daß wir alle die gleichen Abtheilungen dieſer Zahl beobachtet; aller maſſen be??? den Dantzſpielen gebraeuchlich ıſt.26. R. Ich muß bekennen/ daß ich dergleichen nie geſehen/ noch geleſen wolte aber erwuenſchen/ ſolches nicht nur auf dem Papier/ ſondern auch wuer lich vorgeſtellt zu ſehen.27. V. Die Muſic beſtehet in 6. Stimmen/ und koennen wir ſelbe unter uns theılen.[Iſt zu Ende des Werks zu finden.]
|| [8]

Julia.
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ICH will nun des Herrn vorbeſagtes Spiel anfangen/ und die(Die 1. Ent= ſchuldigung.) Urſache meines verzueglichen Ausbleibens ſagen/ mit erwehntem Beding/ daß der Herr etliche Verſe darueber verabfaſſe.2. V. Mir wird freyſtehen auch eine Bedingung beyzuſetzen.3. J. Die Urſache/ welcher wegen ich nicht zu beſtimter Zeit erſchienen/ ſind geweſen meine Hausgeſchaeffte; und zwar abſonderlıch/ daß ıch/ mit Ur= laub zu melden/ ein Maſtſchwein ſtechen laſſen.4. V. Inzwiſchen ich nun hiervon meine Verſe zuſammenrichte/ beliebe ihnen von dieſer Frage Eroerterung zu thun: Waruem doch die Thiere ſchreyen/ wann ſie geſchlagen/ geſtochen/ oder ſonſten ſchmertzlich verwundet werden?5 R. Dieſes iſt der Geſpraechſpiele Art/ und Eigenſchaft/ zu vielfaelt= igen Fragen und Auſgaben zu veranlaſſen.6. J. Wir wollen dann von der Frage reden/ und H. Veſpaſian inzwiſchen dichten laſſen.
|| [9]
7. R. Die Frau mache den Anfang.8. J. Gleichwie dem Menſchen die vernemliche Rede gegeben iſt/ ſeine vernuenftige Gedanken zu eroeffnen: alſo haben/ meines Exachtens/ die unver= nuenftige Thıer eine unvernemliche Stimme/ ihre Neıgung zum Guten oder zum Boeſen/ auszudrukken: jedoch mit dieſem Unterſcheid/ daß die Stimme eıne natuerliche Vergleichung mit ihrer Deutung hat; des Menſchen Rede ab= er von dem Wıllen/ und mehrmals einer beliebten Kunſtrichtigkeit herruehret. Hieraus entſtehen die unterſchiedlichen Sprachen/ unterſchiedlicher Voelker/ da hergegen die Kuehe/ Ochſen/ Schafe/ und Gaenſe in Teutſchland ſchreyen wie in Welſchland/ Frankreich/ und Hiſpanien. Daß aber die Thiere wegen des Schmertzens mehr ſchreyen/ als ſonſten ohne Schmertzen/ mag dieſes die Urſache ſeyn/ weil ſolcher Schmertz ihnen das Verderben an= drohet/ und ſie ſo viel Verſtaendniß haben/ als zu ihrer Erhaltung vonnoehten iſt.9. R. Nicht alle Thiere koennen ſchreyen/ und heulen; fondern nur die jenigen/ welche eine Lunge haben. Die Fiſche/ auſſer dem Delphin/ und alles [10] Gewuerm iſt ſtumm/ meiſtentheils ohne Gebluet/ und Hitze. Die Mukken/ Heuſchrekken und Grillen haben eigentlıch keine Stimme; ſondern toenen durch die Zuſammenſchlagung ihrer Fluegel: denn dıe Stimme wird genennet ein deutliches Getoen/ das durch den Mund/ und die Luftroehren ſchallet. Ich ſtehe aber in den Gedanken/ daß die Thiere durch ihr Geſchrey die Menſchen zu Barmhertzigkeit bewegen wollen; maſſen der Allerhoechſte auch dieſelben in ſeinem Gnadenſchutz erhaelt/ und befohlen/ daß/ wann man den Ochſen oder(5. Moſ. 22/4) Eſel ſiehet fallen/ auf dem Weg/ daß man denſelben ſol unter der Laſt auf= helffen.10. A. Weil die Thier ſchwaecher/ als der ſie beleıdiget/ ſo ſcheinet/ daß ſie GOtt uem Rettung anſchreyen; er wolle ſich ihrer erbarmen/ und ſein Geſchoepf gnaediglich erhalten. Die allerruchloſſten Menſchen heben ihre Augen gegen dem Himmel empor/ wann es ihnen an das Leben gehet: ſo gar auch die/ welche im Unglauben verzweifflen11. D. Gleichwie der Menſch ſein Leben mit den ſtummen Zehren an [11] faengt/ und mehrmals ohne Reden endet/ alſo beginnet das Thier mit Wintzeln zu leben und mit Heulen zu ſterben: wıe es im widrigen Fall in dem Zorn ergrimmet/ und in Fortſetzung ſeines Geſchlechts ſchmeichelt.12. B. Wan ̅ der Menſch traurt/ oder groſſe Qual leidet/ pflegt er keine aus= geſuchte oder ſchoene Wort zu gebrauchen/ weil ihm der Schmertz die Vernunfe verwirret/ daß er gleich den raſenden Thieren heulet/ ruellet und bruellet. Was iſt ſich dann von den Thieren zu verwundern/ wann ſie in ihren Schmertzen ſchrey= en? Erzehlte Urſachen koennen vielleicht alle zugleich gueltig ſeyn: ſetze aber den= ſelben darzu/ daß die Thiere auch mit dem Geſchrey ihre Widrige zu Zeiten er= ſchrekken.13. J. Sind nun die Verſe fertig?14. V. Schonlaengſten. Ich habe ſie nur nicht verhindern wollen/ an??? der vorgegebenen Frage. Mit dem geſchlachten Schwein laeſſet ſich vergleichen ein alter Geıtzhals/ das Schwein iſt in ſeinem Leben niemand nutz: Es giebt keine Milch wie eine Kuhe: Es ſchiebet keinen Wagen wie ein Ochs: Es traegt [12] keine Wolle/ und duenget nicht wie das Schaf: ſondern wann es fett genug iſt/ dienet es in ſeinem Tod/ und ıſt nichts daran/ welches man nicht zu Nutzen bring en koente.15. A. Die Gleichniß laeſt ſich hoeren/ wo bleiben aber die Verſe?16. V. Zu einem Sinnbild moechte man darueber ſchreiben: Es nůtzet in dem Tod/ und darunter ſetzen folgende Verſlein:
Das fettgemaeſte Schwein dient nicht in ſeinem Leben;( den Anfangs= buchſtaben.) doch kan es/ nach dem Tod/ viel Wuerſt’ und Braten geben: Der Geitzhals iſt ein Schwein; Er nuetzet in dem Tod/ indem er mit dem Spekk’ erfreut der Erben Noht.17. R. Bevor ich meine Entſchuldigung/ wegen beklagter ſpaeten Ankunft/ einwende/ muß ich erinneren/ daß der billich zu loben/ der die Entſchuldigung erſtlıch erfunden hat; weil ſolche wenig koſten/ und viel helffen.
|| [13]
18. D. Der Satanals ein Ertzvatter der Luegen/ hat die Entſchuldigung= en erſtlich erdacht/ und dem Adam ſo bald nach dem Fall eingegeben/ als er ſich entſchuldiget und geſagt: Das Weib/ ſo du mir zugeſellet/ hat mich verfuehret. Die Eva entſchuldiget ſich mit der Schlange/ daß ſie von ihr betrogen worden.19. J. Dieſes ſeynd falſche Entſchuldigungen/ wir wollen von dem Herrn die Warheit hoeren.(Die II. Ent= ſchuldigung.) 20. R. Ich hab mich zu lang aufgehalten/ bey dem Mahler/ und be= trachtet eine ſonderbare Abbildung des Krieges.21. A. Was war dann beſonders daran|?22. R. Wie man ſonſten aus Blumen/ Fruechten und Buechern ein An= geſicht zuſammenſetzet/ alſo war das Bild des Krieges/ von allerley Waffen/ Rueſtungen und Geſchuetzen/ gleich einem Rhinocerot/ (jedoch auſſer dem Naſenhorn) zuſammen geordnet. Seine Zunge war eine Feldſchlange: [ID00075] [14] ſein Haubt ein Harmſch: ſeine Augen Helm: ſeine Schuppen Petarde/ n gold= glaentzende Schild/ und eiſerne Schwerter/ u. d. g.23. V. Inzwiſchen ıch das Thier beſchreibe/ ſo bliebe der Geſellſchaft zu entſcheiden: Ob das Gold/ oder das Eiſen ein ſtaerkeres und maechtigers Metall ſey?24. J. Die Erden bringt allerley Metall vor/ den Menſchen zu unter= ſchiedlichen Dienſten. Das Gold iſt das einige Mittel das Eiſen oder den Degen zu gebrauchen es ſey im Volk zu werben/ auf den Beinen zu halten/ oder heimliche Kriegsliſt auszuwirken. Jener Koenig ſol geſagt haben/ daß keine Feſtung leichtlich einem Eſel/ mit Gold geladen/ Widerſtand thun koenne/ welche ſonſten einem gantzen Kriegsheer lange Zeit zu ſchaffen machet. Die Urſach des Kriegs iſt Gold und Geld/ oder Land und Leute/ welche nicht geachtet werden/ als wegen ihres Reichthums. Das Eiſen kan den Leib allein bezwingen/ das Gold aber das Hertz zugleich beherrſchen/ und wer kan den ge= harniſchten Maennlein auf den Ducaten Wıderſtand thun? daß er ſich ihnen nicht zn Dienſten ergebe.
|| [15]
25. R. Die Soldaten werden erhalten durch Belohnung des Guten/ und Abſtraffung des Boeſen: Zu jenem wird das Gold/ zu dieſem das Eiſen ge= braucht. Das Gold iſt die Sonne in der Erden/ wie die Chimiſten reden; das Eiſen der finſtere Stern/ deſſen Farbe weiſet/ daß es ein Werkzeug des Todes ſeye. Wie die Furcht ſtaerker iſt/ als die Hofnung/ alſo iſt auch das Eiſen ſtaerker/ als das Gold! Aller Gewalt auf dieſer Welt/ wird mit dem Schwert ab= und ausgemeſſen. Das Eiſen bringt das Gold aus der Erden. Das Eiſen erhaelt Land und Leute/ in welchem/ und von welchem das Gold muß hergenommen werden. Die Soldaten/ ſo uem Geld erkaufft ſind/ bleiben nicht laenger behertzter/ als das Geld dauret; und wann ſie ueberflueſſiges Geld haben/ ſo macht ſolches vielmehr???verzagte/ als behertzte Kriegsleute. Das Eiſen hingegen obſieget allen Metallen/ ein jeder/ der Gold hat/ fuerchtet ſich/ vor dem/ der nichts als Eiſen und das Schwert an der Seiten hat; weil mıt ſolchem mehr zu verlieren als zu gewinnen iſt. Die Verraehtereyen ſind ſelten daurhafft/ [16] zwar angenem/ aber der Verraehter wird von jedem| angefeindet. Da hingegen eine tapfere Heldenthat von Freunden und Feinden geruehmet wird.. Kurtz zu ſagen: das Gold kan/ ohne das Eiſen/ noch aus der Erden gegraben/ noch durch die Handarbeit/ noch durch oeffentlichen Gewalt erlanget werden.26. A. Das Gold und das Eiſen kan auf zweyerley Weiſe betrachtet werden: als ein Metall: und dann als ein Werkzeug des menſchlichen Lebens. Als ein Metall/ hat es mehr Vollkommenheit/ Glantz/ und Reinlichkeit/ als das Eiſen/ welches unter allen Metallen faſt das geringſte iſt. Als Werkzeuge des menſchlichen Lebens/ ſo ıſt das Gold nicht erſchaffen/ daß man darmit geitzen/ und prachten ſoll/ ſondern zu der Artzney/ des Menſchen Leben zu erhalt= ten; da hingegen das Eiſen viel Unſchuldige wuerget. Das Gold iſt unter allen Metallen das ſchwerſte und ſchatzbarſte/ weiches durch das Feuer ge= reiniget/ aber nicht gemindert/ oder vernachtheilt wird/ und alle andere Metall zu Dienſten hat.27. D. Das Eiſen meiſtert das Gold unter den Haemmern; giebet die [17] Pflugſcharen/ durch welche alle Menſchen erhalten werden: verfichert die Staedte/ vertheidtget alle Staende/ und dienet zu tapfern Heldenthaten/ wie jenes zum Geıtz und Wucher/ ja zu Bemittlung aller Laſter. Das Gold wird in das Eiſen/ als das allerſtaerk/ ſteeingeſchloſſen und verborzen/ damit es nicht Haß und Neid anrichte/ oder ſeinen Herrn in Gefahr ſetze.28. C. Das Gold gewinnt die Kundſchafter/ ohne welche das Schwert gleichſam ohnmaechtig iſt. Man ſage mır aber/ was man wolle/ ſo were mir ein Beutel mit Geld lieber/ als tauſend ſpaniſche Klingen. Man kan wol reich und fromm ſeyn/ aber nıcht wol der grımmigen Waffen mıt Gottesfurcht gebrauchen.29. V. Zu des Herrn gedachtem Gemaehl ſchreibe ich folgende Erklaerung:
Das ungeheure Thier iſt Jammerkrieg genannt/ das mit den Waffen hier verderbet Leut und Land: Es iſt der Armen Fraß/ der Reichen Marterpein; es welket Laub und Gras/ von ſeines Schattensſchein.
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Ach GOTT wie lang! wie lang macht dieſer Behe= moth uns Suendenmenſchen bang/ mit ſeiner Moerderrott! Ach komm! O guldner Fried/ das Eiſenwerd ein Pflug! aus unſrem Leid ein Lied/ der Segen aus dem Fluch.(Die III. Ent= chuldigung) 30. A. Ich were laengſten allhero gekommen/ ſo hab ich unterwegs einem begegnet/ der auf hohen Steltzen gegangen: weil nun ſolches bey uns eine ſelt= ene Sache iſt/ bin ich lang ſtillgeſtanden/ und hab dem Abendtheurer zuge= ſehen.31. V. Einer/ der auf Steltzen gehet/ vergleichet ſich den Ehrgeitzigen/ und Ruhmgierigen. Frage deswegen: Ob ein ruehmlicher Ehrgeitz koenne gefunden werden? Inzwiſchen will ich hierueber etliche Verſe begreiffen.
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32. J. Man ſagt/ dıe Noht habe Fluegel/ wie auch die Furcht/ und das Geruecht: aber der Ehrgeitz iſt mehrmals befluegelt wie ein Strauß/ deſſen ???chwerer Leib von denſelben nicht kan emporgefuehret werden: mehrmals fleugt ???r auch zu hoch/ wie Icarus/ und verbrennet die Fluegel wie die Muekklein/ und Schnakken/ welchen die Hitze/ dadurch ſie leben/ ſo angenem iſt/ daß ſie zu ???hrem Tod haeuffig eilen. Dieſe Begierd zu Ehren zu kommen/ iſt ſo blind/ ???aß ſie ohne Bedacht/ ohne Vernunft/ und ohne Gewiſſen/ nach Wuerden ???achtet/ und ſich ſo wenig mit erlangter Hoheit vergnuegen laeſſet/ als der Geitz= ???als mit dem Reichthum/ daher auch der Ehrgeitz ſeinen Namen bekom ̅ en. So wenig nun der Geldgeitz ruehmlich iſt/ ſo wenig und weniger iſt der Ehr= ???eitz loeblich; als welcher in Sorgen/ Wahn/ Titeln und andern Eitelkeiten be= ???ehet; da das Geld hingegen ein Werkzeug der Tugend/ und der Freygebigkeit ???yn kan.???3. R. Das Woertlein Ehrgeitz hat dreyerley Bedeutung/ und wird ???rſtlich genommen fuer eine unerſaettliche Begierd der Erhoehung erlangter [20] Ehre. Zum andern der verlangten/ aber nicht erlangten und noch zukuenftigen Ehre: drittens fuer eın ſtoltzes Gemuet/ welches von andern mehr Ehrerbietung erheıſchet als ihm gebuehret. Jener ſagt zu einem/ der den Hut nicht vor ihm abgenom ̅ en: Ihr mueſſt ein grober Geſell ſeyn/ daß ihr nicht vor mir abziehet. Hoert aber zur Gegenantwort: Ihr mueſſt ein ſtoltzer Mann ſeyn/ daß ihr begehrt man ſol vor euch abziehen. Es iſt zu andrer Zeit gedacht worden/ daß das Loben in Worten/ das Ehren in (Geſpraechſ. C.) Geberden beſtehe: wiewol beede Woertlein mehrmals ohne Unterſcheidung ge= brauchet worden. Auf die Frage nun zu antworten/ ſo muß man betracht= en/ daß der jenige hier gemeinet wird/ welcher nach Ehren ſtrebet/ und nicht der/ ſo eine Wuerde erlanget/ und ſich mtt ſelber nicht vergnuegen laeſſet. Wer nun das ſo loebliche End will/ der muß nun den Weg wehlen/ der dahin fuehret/ ich will ſag= en: Wer nach Ehren ſtrebt/ der muß die Tugendmittel lieben/ durch welche er zu Ehren kommen kan. Es iſt aber die Ehre eine ſolche ſchatzbare Sache/ daß auch der hoechſte GOttnichts anders/ als Ehrevon uns armen Menſch [21] en fordert. Will nune ner mehr Ehr haben/ als ſeinem Verdienſt (welcher nach verſtaendiger Leute Ermeſſen/ und nicht nach eigenem Wahn zu beurtheilen iſt) gebuehrt/ ſo heiſſt es/ groſſe Segel/ kleine Schiffe/ und wird erbillicher deswegen fuer einen Faulwitzer (wie Lutherus redet) gehalten/ und iſt zwiſchen der Thorheit/ und ſolchem Ehrgeitzer nur eine Wand von Spinneweben. Wie nun alle Tugenden ihre Mittelſtelle haben/ alſo beruhet auch die Ehrbegier in ihren Zweyen Schranken: Sich mehr Ehre anmaſſen/ als man wuerdig ıſt; und ihm nicht getrauen/ oder ſich einiger Ehre wuerdig achten/ oder ſein Ehrenſtand verleiſten Was iſt unartiger/ als ein Bauer/ der ein Edelmann wird und veraechtlicher/ als ein Edelmann/ der ein Bauersarbeit verrichtet. Hingegen aber iſt loeblich/ daß einer von Adel/ durch die Feder/ oder durch den Degen/ nach Ehren ringe. Schlieſſe alſo/ daß ein loeblicher Ehrgeitz ſey/ nemlich dieſer/ welcher durch gehoerige Mittel zur Tug= end leitet.34. A. Alles Thun der Menſchen iſt nach erfolgendem Ausgang zu be [22] urtheilen. Wann man nun den Geitzer betrachtet/ wird man finden/ daß ſolcher die Urſache alles Unheils in der gantzen Welt iſt. Woher kommet Haß/ Neid/ Zank/ Mord/ ja der Krieg und alles Elend? aus dem Ehrgeitzer. Waruem iſt niemand mit ſeinem Stande vernuegt? wegen des teuffliſchen Ehrgeitzes. Ich ſage teuffliſch: dann der Ehrgeitz iſt die Suende/ welche die Engel zu Teuffeln gemachet hat. Ein ſtoltzes Hertz iſt dem HERRN ein Greuel: Ein ſtoltzes Hertz beſtehet in dem Ehrgeitzer/ welcher taeglich erjung= et/ und mit zuwachſenden Jahren nicht ab=ſondern zummmet. Wie ſolte dann ſolches Ertzlaſter noch loeblich und ruehmlich koennen genennet werden?35. D. Dieſes alles iſt zu verſtehen von der ueberflueſſigen Ehrſucht/ welche gleich der Waſſerſucht unerſaettlich. Hierdurch aber wird die gemaeſſigte Begierd/ durch rechtmaeſſige Mittel zu Ehren gelangen/ keines Wegs ver= nachtheilt. Was ſolte aus einem Knaben werden/ der noch Ehre/ noch Schande achtet? was wuerden die Feldherren/ und alle Befehlshaber aus= richten/ wann ſie nicht Ehren wegen Leib und Leben wagen/ und die anver [23] traute Feſtung bis auf den letzten Mann verfechten ſolten? Der Ehrgeitz iſt das Feuer aller hohen Tugenden; da hingegen die Schande der Koht iſt/ in welch= en ſich das Poevelvolk/ ungeſcheut ſtuertzet. Alexander/ Caeſar/ Scipio und andere Helden ſind jenes/ Sardanapalus und Apicius dieſes Beyſpiele.36. C. Die Ehr beſtehet meinſtentheil in einem Wahn/ und iſt der Schatten einer wuerklichen Widergeltung/ der gewiß/ ohne das verbeſagte Sonnenmetall/ nicht lang annehmlıch iſt. Wer die Ehre verachtet/ iſt keiner Ehre wehrt. Ich pflichte aber vorgedachter Meinung bey/ daß durch zim= liche Mittel nach Ehren zu ſtreben/ welche dem Stand/ und Tugenddienſten gemaeß ſind/ zulaeſſig und ruehmlich ſey.37. D. Es ıſt wol hiervon geredet worden/ hoeret nun auch meine Verſe.
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DIe auf ſchwachen hoeltzern Beinen mit den ſtoltzen Steltzen prallen/ werden auf den ſchroffen Steinen leichtlich auch zu Boden fallen: Dann gewiß nichtlang beſteht/ der ſich ſelbſt aus Stoltz erhoeht.38. D. Ich ſehe wohl/ daß der Herr aus unſren Entſchuldigungen ſchoene Sinnbilder und Gleichniſſe machet: daraus auch zu allerley Fragen veranlaſſt wird. Ob nun auch ſolches bey meiner Entſchuldigung thunlich ſeyn wird/ will ich gerne hoeren.(Die IV. Ent= ſchuldigung.) 39. V. Der Herr ſage dann ſein Entſchuldigung.40. D. Ich habe mich zulang aufgehalten bey etlichen Meiſtern des Kegelſpiels/ und darbey der rechte ̅ Zeit der beſchehene Einladung vergeſſen.
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41. V. Die Kugel kan ein feines Bild ſeyn des menſchlichen Lebens: wann ſie von einer ſtarken Fauſt geſchoſſen wird/ iſt ihr Lauff anfangs ſchnell/ nimm= et aber nach und nach ab/ und bleibt endlich ſchwach/ und ohne Bewegung liegen. Des Menſchen Leben iſt erſtlich friſch/ ſtark/ behaend/ nimmet aber mitzuwachſenden Jahren nachgehends ab/ und endet nach vielen Krankheiten in dem Todengrab. Daher frage ich: In welchem Lande die Leute am laengſten leben/ oder nach natuerlichen Urſachen leben koennen.42. J. Das Land/ darinnen die Altvaeter ihr Leben/ ueber hundert und mehr Jahre/ gebracht/ iſt ſonder Zweiffel das jenige/ von welchem gefragt worden.43. R. Die alten Patriarchen der erſten Welt haben von GOTT die Gnade lang zu leben/ wegen vieler Urſachen/ erhalten; als/ daß ſie die Welt mehren/ den Lauff des Himmels erlernen/ und ihre Kinder lehren koenten. Iſt alſo ihr Langleben nicht dem Lande/ ſondernvielen andern Urſachen/ der [26] Maeſſigkeit/ Arbeit/ ſtaerkern Nahrung/ und/ wie beſagt/ des Hoechſten beſond= erer Gnadengabe beyzumeſſen: daher ſihet man auch/ daß heutzutage die Morgenlaendiſchen Voelker nicht laenger leben/ als wir. Unter der Linie/ welche von der Nacht= und Taggleichheit den Namen hat/ ſol man Leute finden von 150. und mehr Jahren/ vielleicht/ weil dieſelbigen Leute dıe we= nigſte Veraenderung der Jahzeiten empfinden. In Egypten und Schottland ſollen die meinſten alte Maenner und Weiber gefunden werden.44. A. Vielmehr ſolte man vermeinen/ daß die Laender/ welche noch mit zu groſſer Hitze/ oder zu groſſer Kaelte vernachtheilt/ zu des Menſchen Leben am bequemeſten weren. Die Sonne und des Monds Kraeften ſind bey des Menſchen Leibsbeſchaffenheit ſehr maechtig/ wie in allen Kranckheiten zu be= obachten.45. D. Ich halte vielmehr/ daß die Erden unſer Langleben befoerdere/ als der Himmel. Eines jeden Vatterland iſt am dienlichſten lang zu leben: maſſen der Luft/ die Nahrung der Speıſe/ das Waſſer/ Fruechte [27] Erd gewaechſe ſind ſeiner Geſundheit viel gemaeſſer/ als in dem beſten fremd= en Land.46. C. Ich hab jederzeit hoeren ſagen/ daß der Wind/ und Luft/ der Menſchen Krankheit verurſache/ und ihre Geſundheit befoerdere. Iſt nun dem alſo/ ſo koente man bejahen/ daß das Land/ in welchem der reinſte und ge= fundeſte Luft were/ zu Verlaengerung des Lebens am vortraeglichſten ſeye. Wo(buona terra cativa gente) ſonſten das Land gut iſt/ da ſind die Leute faul/ traeg/ mueſſig und allen Laſtern/ daraus die Krankheiten entſtehen/ ergeben: wo das Lande rauhe/ hart und un= ſchlacht/ wird die natuerliche Hitze/ durch die Arbeit/ beſſer erhalten/ und in ſolcher Hitze/ und Feuchte beſtehet des Menſchen Leben.47. V. Aus der beſagten Entſchuldigung/ von dem Kugel= und Kegel= ſpiel/ mache ich ein ſolches Sinnbild. Ich mahle eine Hand/ welche mit einer Kugel ſcheuſſt/ mit dem Beywort.
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Strang/ aber nicht lang.
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Der ſtrangen Kugellauff eilt ſchnell zu ſeiner Ruh’/ und unſrer Jugendzeit dem Todengrabe zu.Nun wollen wir der Jungfrau Caſſandren Entſchuldigung auch an= hoeren.48. C. Meine Entſchuldigung darf ich nicht wol ſagen.(Die v. Ent= ſchuldigung.) 49. R. Waruem? die Warheıt ſol man nicht bergen/ und wann wir ſelbe gleich nicht entdekken/ ſo iſt ſie doch in unſrem Gewiſſen unvergeſſen.50. C. Ich hab zulang geſchlaffen/ indem mir getraumet/ ich ſehe ein betruebtes und gruenbekleidtes Weibsbild auf einem Anker ſchlaffen; und [29] wiederuem ein anders mit weiſem Gewand angethan/ mit Aehren gekroenet/ und einen Oelzweig in der Hand fliehen: Indem man aber in die Trompeten ſtoeſſt/ die Trummel ruehrt/ und ein Feldgeſchrey machet/ (als mich im Schlaff be= dunkte) bin ich mit Schrekken erwacht/ und ſo beſtuertzt geweſen/ daß mir unſre Zuſammenkunft nicht zu Sinne kommen/ als faſt zu ſpat/ und kurtz zuvor/ als ich mich hieher begeben.51. V. Es ſcheinet/ ob ſolcher Trum mehr erdichtet als wuerklich vorge= gangen ſey. Frage aber nach ſolches Veranlaſſung: Was auf die( Hievon folg= et. §. 56.) Traeume zu halten ſey? Inzwiſchen will ich des beſagten Traums kurtze Deutung zu Papier ſetzen.52. J. Des Menſchen Sinn iſt begierig das Zukuenfftige zu wiſſen/ und wil ſich dadurch gleichſam GOtt aehnlich machen. Nichts iſt in der H. Schrift wunderſamer/ als die Propheceyungen; in der Artzney/ das Urtheil von der Krankheit Ausgang; in Rechtſachen/ der Obſieg. Iſt ſich alſo nicht zu verwundern/ wann man auch aus den Traeumen das Kuenftige mutmaſſet/ [30] als auf welche Weiſe Joſeph/ Daniel und die Propheten ihre Weiſſag= ungen erlernet. Ob es nun das Anſehen hat/ als ſey auf dergleichen Prophe= ceyung nicht mehr zu halten/ als auf der Kalender Wıtterung/ und daß die Erfuellung nur zufaellig/ und ungefehr beſchehe; ſo iſt doch nicht zu laugnen/ daß eine Gleichheit zwiſchen dem Traum/ und derſelben Deutung befindlich/ wie aus bewuſten Traeumen Joſephs, und andern bekant iſt. Die Perlen ver= gleichen den Zehren und bedeuten Traurigkeit. Die Schlange iſt ein liſtiges Thier/ und bedeutet heimliche Feinde Die Zaehne werden uns nicht ohne Schmertzen ausgerıſſen/ und bedeuten den Tod der nechſten Freunde.53. R. Daß ſich der Menſchen Vorwıtz zu weit erſtrekket/ iſt nit zu laugnen. Es ſind aber zweyerley Urſachen der Traeume/ und ſelbe entweder in uns/ oder auſſer uns: die Urſachen in uns ruehren her I. von der natuerlichen Leibs= beſchaffenheit/ alſo traumet der Traurige von traurigen Sachen/ der Froelıche von froelichen/ etc. oder II. von denen Sachen/ mit welchen wir taeglich um= gehen/ und vor Augen haben/ deren unterbrochne Bildniſſen/ unſren Ge [31] danken ſtetig vorſchweben/ III. kommen die Traeume her/ entweder von der Furcht/ welche wir eiferigſt zu Sinne gefaſſet/ oder auch von der Hoffnung/ und den Sorgen welche uns anliegen. Die Urſachen auſſer uns kommen von uebernatuerlicher Goettlicher/ oder bey gottloſen Leuten/ von teuffliſcher Eingebung. Daß nun dieſe Traeumarten an gewiſſe Gleichniſſen gebunden ſeyn ſollen/ iſt mit nichts beſſer/ als mit unſrem Wahn beweißlich. Das iſt aber gewiß/ daß die Gedaechtniß= und die Bildnißkraefften/ gantz abſonderlich= es Weſen/ und Wirkungen haben/ welche auch in unſerer Ruhe unruhig ſind.54. A. Wan ̅ aber das Hirn/ durch die aufſteigende Daempfe verdueſtert wird/ ſind ſolche Kraeften der Bildung gantz unerkaentlich/ daher der erſte Schlaff ſelten mit Traeume ̅ unterbrochen wird/ und die Bezechten/ wie auch die Kınder keine/ oder gar ſeltne Traeume ſehen. Gegen den Morgen aber/ wann die Daeuung geſchehen/ ſo iſt das Hirn aufgeklaert/ |und werden die Traeumbilder leichter bemerket/ werden wol allezeit vermiſchet/ gleich einem Gemaehl/ [32] das noch nicht gefertiget/ oder mit vermiſchten Farben untermahlet wird.(Ammianus Marcellin.) 55. D. Etliche Voelker ſollen gantz keine Traeume haben; und ſagt man/ daß die/ ſo Lorbeerblaetter unter das Kopfkueß legen/ wahre Traeume ſehen/ welcher Deutung ſicher erfolget. Wer ſich auf Traeume verlaeſſt/ ſagt Sirach/ der greifft nach dem Schatten. Jener ſagt/ es haette ihm getraeumt/ wie er in einen Nagel getretten haette/ und es dem geklagt/ welcher mit ihm redete/ der andere antwortete: Es were ihm von Hertzen leid/ daß er es nicht gehoeret/ und ihm geantwortet; gebe ihm aber den Raht/ er ſolte ja nicht mehr barfůß ſchlaffen.56. C. Was man aus den Traeumen ſchleuſſt/ iſt ſo ungewiß/ als wann man nichts daraus ſchleuſſt! weil die Deutung gantz zweiffelhaft/ und oft gut und boeß ſeyn kan. Als wann einer getraeumet/ er were hoch an die Wolken geflogen; man koente darans ſchlieſſen/ er were zu hohen Ehren kommen; oder auch/ er were ſich in euſſerſte Gefahr ſtuertzen. Nun wollen wir dıe Deutung meines Traums anhoeren.
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57. V. Die Erklaerung zu ſolchen Sachen ſol allezeit in wenigen Reim= zeilen begriffen ſeyn: in Betrachtung/ man zu Sinnbildern und Gemaehlen nicht Raum hat viel beyzuſchreiben. Ich hab aber nicht allein etliche Verſ= lein zu der Jungfrau Caſſandra Traum gemachet/ ſondern auch denſelben al= hier ein wenig entworffen. Die Erklaerung iſt folgende.
Wie heiſt das zarte Weib? die Hoffnung/ ſo erkranket und von der Schmertzenangſt des langen Krieges wanket/ ja gar zu Boden ſinkt/ als ſey ſie bloetzlich todt. Warům? der Fried entflieht/ und laeſſt uns in der Noht.Wann ich nun alle dieſe Entſchuldigungen betrachte/ finde ich/ daß ſie etlicher maſſen aneinanderhangen. Der Geitz/ von welchem Frau Julia zu reden Anlaß gegeben hat/ iſt eine Urſach des Kriegs/ deſſen Bildung [34] Herr Reymund bey dem Mahler geſehen. Der Ehrgeitz/ deſſen ferner ge= dacht worden/ kuertzet/ auf mancherley Weiſe/ der Men ̅ ſchen Leben: daß alſo Geld= und Ehrgeitz billich eine Wurtzel des Kriegs/ des Krieges ungluek= ſeligſte Frucht/ die Verkuertzung unſers Lebens. Die Hoffnung der beſſern Zeıt iſt krank/ indem der ſo lang erwuenſchte Friede ſich entfernen wil.
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Reymund.
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IN jetzbemeldtem Traum iſt gedacht worden daß die Hoffnung mit dem Anker gruen/ der Friede mit Oelzweigen weiß bekleidet geweſen. Hieraus finde ich Gelegenheit von der Bildkunſt Anregung zu thun.2. A. Was iſt das fuer eine Kunſt?3. R. Es iſt eine noch der Zeit wenig bekante/ aber allen Poeten/ Red= nern/ Herolden/ Mahlern/ Bildhauern/ und kuertzlich allen Gelehrten eine faſt nohtwendige Kundigung/ wie nachgehends zu erſehen ſeyn wird.4. C. Wir wollen gerne darvon berichtet werden.5. R. Bevor ich die Sache angehe/ muß ich von dem Wunderbau des menſchlichen Leibs/ als der Bildkunſt Grund/ Meldung thun.Unter allen Geſchoepfen des Allmaechtigen iſt der Menſch das vollkom [36] menſte/ nach welches Ebenmaß* dıe Baukunſt gerichtet worden. Aus(* Symme- tria.) Gottes Wort iſt uns unverborgen/ daß die Arche des Altvaters Noae aus Goettlıchem Befehl gebauet worden.300. Eln lang @ @ 30.50. Eln breit @ in den kleinern Zahlen @ 5.30. Eln hoch @ @ 3.Man meſſe nun einen nach der Laenge ausgeſtrekkten Menſchen/ und theile ſeine Laenge in 30. Theile/ ſo werden 5. ſolcher Theile die Breite/ und 3. die Dikke oder Hoehe ſeyn.6. D. Dıeſes kan niemand ohne Verwunderung betrachten. Es iſt mir auch nicht unwiſſend/ daß alle Baumeiſter den Grund der Haeuſer/ die Fuß. geſtelle der Seulen/ ihre Kroepflein oder Capitaele/ Daecher/ Geſimſe/ Kronen etc. [37] zu den Fueſſen/ Kopf/ und Leibe/ des Menſchen vergleichen werden.7. V. Es iſt auch dieſes nicht zu vergeſſen/ daß die einzaehligen Theile/ als die Naß/ der Mund/ das Hertz/ der Nabel/ etc. in der Mitte/ die doppelt= en Theile/ als Augen/ Ohren/ Haende/ Arme/ Schultern auf den Seiten??? ſtehen.8. R. Allein der Menſch gehet aufgerichtet/ und machet eine gerade ( den Anfangs= buchſtaben.) Linie/ mit ausgeklaffterten Armen/ eine Vierung/ er kan mıt Haenden und Fueſſ= en/ ſo weit reichen/ ſo lang er iſt. Die Breite gehet von einem Rieb zum andern. Elebogen/ Bruſt/ und Kopf mit dem Halſe/ machet jedes ein Sechstheıl von der Laenge/ die Laenge des Angeſichts/ iſt gleich der Laenge der Haende/ genommen von dem Knoechel des Arms/ bis zu dem Ende des mittlern Fingers/ die Hoehe der Stirn/ die Laenge der Naſen/ der Ohren/ des Daumens/ und der Raum unter der Naſen bis zum Kien/ ſind einander gleich lang. Alſo hat alles ſeine richtige Abmeſſung/ welche der Mahler und Bildhauer verſteh= en ſol/ und muß.
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9. J. Woher muß man ferners die Bildkunſt erlernen/ wann man der= ???elben Grund wiſſen wil?10. R. Aus der Griechen und Roemer Muentzen/ und Bilderſeulen/ was man Neues hierinnen erfindet/ wird von den Meiſtern der Kunſt ſelt= ???n wolgeſproche ̅ / und ruehret mehrmals her aus Unerfahrenheit der alte ̅ Sach= ???n: doch kan der/ ſo die Kunſt verſtehet/ wol etwas erſinnen/ das ſich laeſſt ver= ???ntworten.11. A. Iſt dann ſo groſſer Verſtand in ſolchen Bildereyen?12. R. Ja/ mehr als wir vermeinen.Erſtlich muß man bey einem Bild betrachten die Stellung/ des An= ???eſichts/ ob ſelbes traurig oder froelich auf die Erden/ oder gegen dem Himmel ???erichtet/ darnach kan man aus de Armen/ Fueſſen/ Sitzen/ Stehen/ Gehen/ der Bekleidung/ und was in den Haenden zu ſehen/ von dem gantzen Bild ur=((Folgendes iſt aus der cono ???gia del Caeſare R???pa geteutſchet.) heilen/ dann ſolche Geberden/ (wann alſo zu reden verlaubtiſt) gleichſam ???er Stummen Seulen Rede ſind/ durch welche ſie ſich zu erkennen geben. [39] Als zum Exempel: auf Kaeıfer Hadriani Denkpfenning war gebildet der Wunſch/ mit gefaltnen/ und erhabnen beeden Haenden. Die Froelichkeit/ mit erhabnen aber nicht gefaltnen Haenden.Zum zweiten iſt zu betrachten der Bilder Geſtalt/ ob ſie weiß/ ſchwartz/ jung oder alt/ fett oder mager/ etc. welches dann zu Verſtaendiß der Deutung (Alex ab Alex §. 2. G. D. c. 9.) nicht geringe Anleitung giebt. Wie aus des Menſchen Angeſicht ſeın Sinn und Gedanken zu erkennen; alſo iſt nicht weniger aus dem Bild die Deutun??? abzunehmen.Drittens iſt zu ſehen auf die Gleichheit/ welche das Bild/ oder was demſelb= en beygefuegetiſt/ mit der Deutung hat. Als zum Exempel: eine Seule iſt eine Abbıldung der Staerke/ weilen die Gebaeu auf Seulen ſtehen. Eın Schild mit einer Spitzen iſt eine Bildung der Beredſamkeit/ welche ſchutzet/ und zu= (Non ab ac- cidente & contingen- te, ſed qua litate offen- tiali.) gleich den Gegner beleidiget: Dieſe Gleichniß nun iſt der Kunſtgrund der Bilderey/ und muß nicht von zufaelligen/ ſondern weſentlichen Eıgenſchaften eines Dings hergenommen ſeyn.
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13. D. Alſo koente ich die Verzweiſſtung nicht bilden durch einen/ der ſich erhengt/ oder die Liebe durch zwey/ die ſich uemarmen.14. C. Waruem aber?15. R. Dieweil eben dieſes zu bilden iſt/ und ich mich nicht vergleichen kan mit mir ſelbſten. Hierbey iſt zu beoachten/ daß man die Gleichniß zu hohen Sachen nicht ſol von nichtigen und verachten Haendeln hernehmen: und im Widerſpiel zu ſchlechten Haendeln hohe Gleichniſſen ſuchen. Wie jener ge= prediget: Gleıchwie eine alte Schwemsmutter ihre junge Ferklein liebet; alſo liebet die Obrigkeit uns/ ihre liebe Unterthanen.16. V. Was man mit den Augen des Gemuets erſehen kan/ findet man alles mit dem Leib eines Bilds bekleidet bey den Egyptern; daher die Alten ſehr viel auf dieſe Kunſt gehalten/ und zu mehrer Verſtand die Namen (wıe ſonderlich auf den Muentzen zu ſehen) jedesmals beygeſetzet. Wie man die Gerechtigkeit/ Liebe/ Hoffnung/ etc. bildet/ iſt allen ſo bekant/ als andre Sachen zu bilden gantz unbekant iſt. Wir wollen etliches zu bilden aufgeben/ damit die Sache leichter werde.
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17. J. Wir ſind zufrieden: Wie bildet man den Uberfluß?18. R. Ich mahle ein holdſelige Weibsperſon/ mit einem Blumenkrantz auf dem Haubt/ gruen bekleidet/ mit einer guldnen Guertel uemgeben: ſie ſoll ın der rechten Hand halten das Fruchthorn/ welches der Amalthea ſonſten zuge= ſchrieben wird/ voll Fruechte/ Weintrauben und Olivien; in der linken Hand Aehren/ von welchen etliche als ueberzeıtig abbrechen.19. A. Wie bildet man die Fuchsſchwaentzerey?20. D. Durch ein Weib/ buntbekleıdet/ mit zweyen Angeſichten/ deren das fordere jung und ſchoen/ das hintere abſcheulich/ und alt iſt/ weıl die Fuchsſchwaentzer erſtlich gute Wort/ darnach boeſe geben. Dieſes Bild ſol auf einer Floeten ſpielen/ auf einer Seiten einen Hirſchen/ der ſich durch ſolches Spiel (wie man ſch???eibt) ſol fangen laſſen/ und zahm werden; auf der and= ???rn Seiten einen Bien= oder Imenkorb haben: weil das Bıen benebens dem Hoenig auch den Stachelweiſet.
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21. C. Der Herr mahle mir die Hůlffe.22. V. Solches kan geſchehen durch eine Mannsperſon/ maennliches Alters/ weiß bekleidet/ und ueber das Kleid einen Purpurmantel tragend: ſein Haubtkan gekroent ſeyn mit Oehlzweigen/ uemgeben mit einer Klarheit/ oder hellen Schein. An ſeinem Hals hangt eine guldne Ketten/ und an derſelben ein Hertz: Seine Rechte iſt offen/ in der Linken haelt er einen angepfaelten Reb= en voll Trauben/ bey ſich habend einen Storch.23. C. Was deutet aber dieſes alles?24. V. Das maennliche Alter iſt noch der unverſtaendigen Jugend/ noch den geitzigen Jahren zugethan/ und hat mehr Kraeften zu helffen/ als beede. Das weiſe Kleid bemerket die Aufrichtigkeit und unbeflekkte Treu. Der Pur= purmantel deutet oberherrliches Anſehen/ und Liebe. Der Schein/ ein erleucht= es und wolthaetiges Gemuet. Die Oehlzweige Barmhertzigkeit und Milde. Die guldne Ketten und das Hertz giebt zu verſtehen das huelffliche Beyrahten/ die offne Hand/ die Handreichung/ und den ſtarken Arm. Der Pfal mit [43] dem Reben deutet die Huelffe/ welche Eheleute einander leiſten. Letzlich iſt der Storch eine Bildniß der Lıebe und Beyhuelffe/ welche dıe Eltern den Kindern/ und die Kinder den Eltern ſchuldig ſind.25. A. Es iſt alles wol ausgedacht. Wie bildet man aber die Froe= lichkeit?26. R. Durch eine junge Weibsperſon/ froeliches Angeſichts/ weiß be= kleidet/ und mit gruenen Zweigen/ und Blumen eingemengt/ wie man dann zu ſagen pfleget/ daß alle Erdgewaechſe lachen. In der rechten Hand kan die Froelichkeit ein Gefaeß tragen von Kryſtall/ mit rohtem Wein/ in der linken eine guldne Schale/ dantzend in einer gruenen Auen.27. C. Weil die Herren dieſe/ ſonſt ungewohnte/ Haendel ſo wol verſteh= en/ ſo mahl der Herr den Ehrgeitz.
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28. R. Das iſt leicht. Ich mahle ein junges Weibsbild mit verbundenen Augen/ aufgeſchuertzten Kleidern/ bloſſen/ ıch will ſagen/ muehſamen Fueſſen/ mit den Haenden etliche Kronen auf das Haubt hebend/ groſſen Fluegeln/ und neb= en ihr habend einen Loewen mit offnen Rachen/ zu bemerken/ daß der Ehr= geitz niemals ohne Stoltz ſey.29. A. Wie mahlet man die Freundſchaft?30. D. Die Freundſchaft kan gebıldet werden durch eine Weibsperſon/ in groben und ſchlechten weiſſen Kleidern/ welche die lınke Schultern und das Hertz eroeffnet hat/ mit der Hand auf dieſe Wort deutend:Nah und ferne.Anf dem Rand ihres Kleides ſol auch geſchrieben ſeyn:Todt und lebendig.Sie ſol auf zerraufften Haaren tragen einen Myrtenkrantz/ mit Granat [45] enbluet untermengt/ zu bedeuten/ daß die Frucht der eintraechtigen Liebe nicht ſonder guten Geruch ſeye/ und zwar ohne Pracht und euſſerlichen Schein. Dieſes Bild ſol einen verdorrten Ulmenbaum uemgreiffen/ der mit eınem Weinreben uemwunden iſt/ zu bezeichnen/ daß die Freundſchaft auch in dem Ubelſtand unverwelkt ſol beharren: Die Seele bildet man durch einen gefluegelten und ſchoengeſtalten Engel/ der das Angeſicht mit reinem Flor be= dekket hat/ zu bedeuten/ daß die Seele unſichtbar iſt/ und ſich nur in etlichen Wirkungen erweiſet. Ihre Bekleidung ſol ſchneeweiß/ / rein und durch= leuchtig ſeyn/ mit eınem Stern ueber dem Haubt/ und Fluegeln an den Schult= ern/ die Unſterblichkeıt und Behaendigkeit des Verſtands und des Willens zu deuten.31. A. Wie koente man die Kunſt bilden?
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32. R. Durch eine Weibsperſon/ mittelmaeſſigem Alter/ mit aufge= ſchuertzten gruenen Kleidern/ die Fertigkeit und Hoffnung je mehr und mehr Frucht zu bringen/ bedeutend. In der rechten Hand haltend einen Pfal mıt Fruechten uemwunden/ die Nohtwendigkeit zu bemerken; in der linken den Pinſel/ und Grabſtichel/ die Lieblichkeit/ und das Beluſten zu bezeichnen. Oder man mahlet der Kunſt einen Cirkel/ und Winkelmaß in eine/ und in die andere Hand eine Feuerflamme. Mit dem Cirkel bildet man auch die Schoen= heit/ welche ın dem Mittelmaß aller Sachen beſtehet/ mit der Feuerflamme den erleuchten Geiſt der Kuenſtler.33. C. Wie aber die Argliſtigkeit?34. D. Durch eın Weib mit rotem Angeſicht/ und Fuchsbaelgen bekleidet/ auf dem Arm tragend einen Affen.35. J. Ich hab auch den Geitz gemahlt geſehen/ in Geſtalt einer Frauen/ mit gantz blaſſem Angeſicht/ zu bedeuten die Sorg/ und die aengſtige Furcht/ mit einem ſchlechten Kleıd/ einer Wunden in dem Angeſicht/ dıeweil der [47] Geitz ſein eigner Feind/ abſcheulich/ dem Waſſerſuechtigen gleichet/ und neben(* Ovid. Vimus amat vites, vitis non deſerit Ul- mos.) ihr einen unerſaettlıchen Wolff.36. A. Der Eheſtand wird gebildet durch ein liebliches Weibsbild mit einem bunten Rokk/ wie der Regenbogen/ oder opalenfarb/ zu bedeuten/ daß ein Weib eine Gnadengabe Gottes ſey. Auf dem Haubt hat ſolches Weib(Catullus. At ſi fortè eadem eſt ulmo con- juncta ma- rito.) einen Krantz von Weinlaub/ uem Holtz oder Schiene von einem Ulmenbaum gewunden/ in den Armen tragend einen Eißvogel/ von welchem die Natur= kuendiger ſchreiben/ daß ſie ſieben Tage bruten/ und in ſolcher Zeit kein Unge= witter auf dem Meer ſey. * Zu bedeuten die Ruhe eines gluekkſeligen Ehe=(Plin. 10, 30. Sanazar ec- log 5. Con- dere, & Hal- cyonis ni- dum mihi pellere ven- tos Dicitur, & ſaevas pe- lagi mulcere procellas &c.) ſtands.37. C. Wie koente man aber die Wolthat bilden?38. V. Alſo: man mahlet einen ſchoenen Juengling/ mit lachendem Munde/ entbloeſſet/ und nur mit einem blauen/ mit ſilbernen Sternen einge= wirktem Tuch bedekket/ zu bezeichnen/ daß wir/ wie der Himmel gutthaetig ſeyn ſollen/ Boeſen und Frommen. Auf der rechten Hand ſol das Bild der [ID00114] [48] Wolthaetigkeit tragen die drey Huldgoettinnen; an der linken Fluegel/ die Behaendigkeit wolzuthun bemerkend/ und einer Ketten derſelben/ weil die Wolthat gleich als mit Ketten/ und Feſſeln verbindet. Die drey Huld= goettinnen mahlet man unbekleidet/ einander uemarmend/ deren die eine das Geſicht gegen uns/ die zwo andere die Schultern gegen uns wenden: zu be= deuten/ daß man allezeit die Guthat ſol doppelt wiedergeben. Die erſte hat eine Roſen/ zu bemerken die Freundlichkeit/ die zweyte einen Wuerffel/ den Wechſel zu bedeuten; und die dritte einen Myrtenſtrauch/ der niemals ver= welket oder falbet. Sie ſtehen auf zweyen Muehlſteinen/ deren einer ohne den andern nicht dienen kan/ wie auch kein Menſch iſt/ der des andern Huelffe nicht ſol vonnoehten haben. Die Guetigkeit koente man auch mit einem Pelican mahlen; wann ſolche den Kindern. von ihren Eltern wiederfaehrt.39. R. Ich hab auf eine Zeit das Bild der Luegen hoeren auslegen/ folg= ender Geſtalt. Es war ein junges/ und abſcheuliches Weibsbild/ mit ge= ſchminktem Angeſicht/ weiß bekleidet/ weil die Luegen anfangs einen feinen [49] Schein hat/ und mit Schoenbarten und mit Maſquen verbremt; auf dem link= en Fuß hinkend: dann die Luegen kan nicht beſtehen: verbrennend eine Schuette??? Stroh/ die bald groſſes Feuer machet/ und bald wieder verliſchet. Etliche mahlen einen Mohren mit einem weiſſen Schleir verhuellet. Wie mahlet man??? aber die Teurung.40. D. Man ſtellet ein altes mageres/ und uebelbekleidtes Weib/ in einer Hand einen unfruchtbaren Weidenzweig tragend/ in der andern eine magere Kuhe fuehrend.41. J. Die Keuſchheit wird gebildet durch ein weiß und reinlich be= kleıdtes Weib/ mit einfaeltigem und verhuelltem Augeſicht/ in einer Hand ein Sieb voll Waſſers tragend (wie eine Veſtalin zu Bezeugung ihrer Jung= frauſchaft ſol gethan haben) in der andern eine Peitſchen/ oder Zimmetrinden/ welche unter den Doernern zu wachſen pfleget: gehend (zu entfliehen dem Mueſſiggang) oder auf eine Schlange (der Wolluſt) trettend.
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42. V. Der Gerechtigkeit Bildnıß/ oder vielmehr Gleichniß kan ſeyn der Granatapfel/ in Form eines Hertzens aufgeſchnitten/ welcher viel Koerner als gleichgeſinnte Hertzen verſchleuſſt/ und bekroenet.43. R. Das Verlangen nach GOtt wırd gebildet durch einen ſchoenen Juengling/ derrot und gelb bekleidet/ gefluegelt/ und mit einem brenn= enden Hertz/ und ſein Angeſicht ſiehet auf gen Himmel. Neben ihn iſt ein Hirſch/ der duerſtet nach friſchem Waſſer.44. A. Das Vertrauen hab ich mahlen ſehen mit einem Schiff/ die Erhaltung zeitlicher Gueter/ mit einem guldnem Ring/ oder Cirkel mit Oehl= zweigen uemwunden.45. D. Es ıſt auch alhier nicht zu vergeſſen das Bildniß des Rechts/ oder der Berahtſchlagung/ welches ſehr lehrreich/ und wolerfunden ſcheinet. Ein alter Mann/ mit einem langen anſehlichen Rokk bekleidet/ mit eıner Kett= (Pierius I. 34. Hierog.) en an dem Hals/ und an derſelben ein Hertz/ daher der boeſe und gute Raht des Menſchen kommt. Dieſes Bild hat in der rechten Hand ein Buch/ [ID00119] [51] dann viel Wiſſen machet gute Raehte/ und auf dem Buch eine Eule/ dardurch die Scharffſichtigkeit in tunkeln Sachen/ benebens reiffen Gedanken bedeutet wird/ oder auch die Verſchwiegenheit der wolbedachten Rahtſchlaege durch das zugethane Buch bemerket. In der linken Hand hat er einen Hunds=Loew= en= und Wolffskopf/ zu bemerken das Vergangene/ Gegenwaertige/ und Zu= kuenfftige. Der Wolff iſt ein Thier ohne Gedaechtniß/ der Loew mutig und unverzagt/ der Hund ſchmeichelt ſeinen Herrn/ in Hoffnung/ ein Stukk Brod davonzubringen. Die vergangne Zeit giebt die Exempel; das Gegenwaertige/ die Betrachtung der Umſtaende/ das Zukuenftige/ die Hoffnung oder Furcht/ die Rahtſchlaege zu maeſſigen. Zu den Fueſſen dieſes Bilds liegt ein Beer/ und ein Delphin. Zu bedeuten/ daß man noch den Zorn/ noch der Eile in den Rahtſchlaegen ſtatt geben ſol; ſondern ſolche Begierden unter dıe Fueſſe tretten.46. C. Es iſt wol ausgedacht. Ich moechte ferners wiſſen/ wie man die Gewonheit mahlen koente.
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47. V. Es kan ſeyn ein alter Mann/ der an einem Stekken gehet/ weil die Gewonheit durch lange Zeit gueltig/ und achtbar iſt: vor ıhm iſt ein Wetz= ſtein/ welcher durch die Ubung auch das Eiſen verzehret. Er traegt auf dem Rukken allerley Muſicaliſche Inſtrument/ deren Gebrauch/ die Gewonheit kuenſtlich gemachet.48. J. Hier iſt zu unterſcheiden die gute und boeſe Gewonheit/ dahin viel= leicht die Muſicaliſche Bereitſchaft zielet/ welche zu Gottes Ehre/ und dann auch zu vielen Laſtern angewendet wird.49. R. Die gute Gewonheit kan man auch durch einen Hund/ der einen Blinden fuehret/ bilden; die boeſe Gewonheit durch ein Schwein/ das ſich nach ???er Schwemm wieder in den Koht waltzet.50. A. Dieſes iſt alles faſt leicht zu bilden/ ich moechte aber hoeren/ wie man das Geſpraech mahlen koente?
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(Caeſar. Ripa. nell Icono logia f. 144.) 51. D. Ich will ſagen/ wie ich es geſehen. Ein freundlicher gruenbe= kleidter Juengling/ (weil die gruene Farb auch die Voegel und alle wilde Thier erſreuet) bekroenet mit einem Lorbeerkrantz/ zu bemerken ein tugendloebliches Geſpraech. In der Hand hatte er eine Schrift mit dem Wort;Weh dem/ der allein iſt.benebens einem Stab uemwunden mit einem Myrten= und Granatenzweig/ deren Frucht und Geruch eine groſſe Verwand= und Freundſchaft haben ſol. Wie nun der Stab Mercurit oben zwey Fluegel hat alſo ſind an dieſem zwo Zungen angehefftet/ zu bedeuten/ daß dem Menſchen die Rede gegeben mit andern/ und nicht mit ſich ſelbſt/ (welches er im Sin ̅ thun kan) zu ſprechen. Dieſes Bild neiget ſich mit hoeflichen Geberden.52. C. Wie mahlet/ oder bildet man das Gewiſſen?53. V. Durch eine ſchoene Weibsperſon/ welche das Hertz vor die Augen haelt ſtehend mit einem Fuß auf einem doernichten Weg/ mit dem andern auf [ID00123] [54] einem luſtigen Blumenweg/ zu bedeuten/ daß das Gewiſſen von dem Guten leichtlich zu dem Boeſen abweichen kan.53. J. Die Beſtaendigkeit kan ein Bild ſeyn/ welches die Hand mit einem Schwert in dem Feuer verbrennet/ und in der anderen eine Seule haelt.54. R. Die Faulwitz/ welche alles hoeren/ ſehen und beurtheılen wil/ mahlt man in Geſtalt einer Weibsperſon rot/ und blau bekleidet/ voll Ohren/ und Froeſche/ wegen derſelben groſſen Augen: Ihre Haare ſtehen in die Hoehe/ gleichende ihren Gedanken: ihre Haende ſind mueſſig/ und hat Fluegel an den Achſlen; weil nichts unbeſtaendigers iſt als ſolche Faulwitz.( den Kupfer= titel.) 55. A. Ich hab auch geſehen die Ehre/ in Geſtalt eines Weibs= bılds mahlen/ welche einen ſchoenen ausgehauenen Stein auf dem Rukken truge.65. D. Die Beſcheidenheit hat man gebildet mit einem Sieb/ und [ID00125] [55] einem Rechen/ dann Beſcheidenheit iſt nichts anders als Zeit/ Ort/ Per??? ſonen unterſcheiden/ und ſein Thun/ und Laſſen geziemlich darnach richten.57. C. Die Treu mahlet man in Geſtalt einer verſtaendigen Matron/ mit einem Siegelring in der rechten/ und einem Schlueſſel in der linken Hand.58. V. Die Unbeſonnenheit/ oder den Zorn bildet man durch einem wilden Juengling/ der mit verbundnen Augen/ viel Spieſe zugleich gegen die Feinde werffen wil.59. J. Wie wird des Menſchen Geiſt/ ſeine Neigung/ oder Ver= ſtand gebildet?60. R. Durch einen gefluegelten Knaben/ die ſchwebenden Gedanken zu be= (Plin. l. 12, 1 AElian. l. 2. c. 13 Tıbul. 2. e- leg. 2) deutend/ in der Hand habend die Geraetſchaft derer Sachen/ darzu er Luſt hat: Als da ſind Waffen/ Buecher/ Geigen/ etc. die Alten haben ſo beſagten Knaben gekroent mit Maßholderlaub/ wegen der Schoenheit ſolcher Blaeſter/ ıhres [ID00127] [56] Schattens Schutz/ und weil des Platonis Studirort mit denſelben beſetzt ge= weſen.(* Pyramis eſt ſymbo- lum gloriae. Plin. l. 36. c. 12.) 61. A. Wie richtet man ein Bild zur Ehrengedaechtniß auf?62. D. Dıe Alten haben geſtellet eine ſehr ſchoene Weibsperſon/ mit reinen und weiſſen Haaren/ in den Arm haltend eıne Flammſeule/ * wie man vor= zeiten auf groſſer| Herren Graeber zu ſetzen pflegen. Man mahlet auch ein Weib/ mit zweyen Angeſichten/ in der Hand ein Buch/ und ein Feder haltend; bey ſich habend einen Loewen/ und einen Adler.63. C. Wie mahlet man Ruhmraetigkeit?64. V. Durch ein Weib mit ſtoltzen Geberden/ bekleidet mit Pfauenfed= ern/ in der Hand habend eine Trompeten.65. J. Weil wir ſo viel von der Bildung geredet/ ſo moechte ich wiſſen/ wie man unſre Bildungskraeften bilden koente?66. R. Durch einen Koenig/ deſſen Haubt mit eıner flammenden Krone gegen dem Himmel gewendet iſt/ in der Hand habend einen Scepter mit einem [ID00129] [57] Auge/ und darueber einer Flamm/ neben dieſem Bild ſtehet eın hochfliegender und hellſehender Adler/ ſeine Kleidung iſt opalenbunt. Der Fleiß wird ge= mahlt als eine Koenigin/ reichlich bekleidet/ ſich ſteurend mit einer Hand auf eine Bıen= oder Im ̅ enbeuten in der andern Hand hat einen Scepter mit eıner off= nen Hand/ und in derſelben ein Aug; bemerkend den Verſtand/ durch welchen der Fleiß ſol regiret werden.67. J. Der Fleiß hat zwo Urſachen: Eignen Nutz/ und anderer Be= luſten/ beedes kan durch des Mercurit Stab/ mit welchem er dıe Todten er= wekken ſol/ und Pfeiffen/ oder Floeten/ damit er den Argus eingeſchlaeffert/ ver= ſtanden werden.68. C. Mir faellt nichts mehr zu fragen bey.69. J. Die Erfindung bildet man durch eine junge und wolgeſtalte Jungfrau. Ihr Haubt iſt mit bunten und kuenſtlich geſtikkten Schleiren/ und Federn gezieret; ihre Schlaeſe mit Fluegelen. In der linken Hand hat ſie das Bildniß der Natur/ dıe rechte Hand ausgeſtrekkt/ und mit Armbaendern [ID00131] [58] beſchmukket. Ihre Kleidung iſt ſchneeweiß. An ihrer Guertel lieſet man dieſe Wort:aus mir ſelbſt/ unnd keinem andern.70. J. Wie mahlet man das Lob?71. V. Durch eine holde Frau mit einem Roſenkrantz auf dem Haubt/ (Plin. 37. Jaſpis ſol Hu???d und Gunſt wirk= en.) einem Jaſpis an dem Halſe/ auf einer Poſaunen blaſend/ aus welcher ein heller Glantz ſtralet/ zu bedeuten/ daß ihr Name hell leuchten ſol vor allen andern.72. D. Die Muſie mahlet man auf unterſchiedliche Weiſe/ die beſte iſt folgende: Eine ſchoene Jungfer ſitzet auf der blauen Himmelskugel/ zu be= deuten die Ruhe des Gemuets// ober ihr ſchwebet eine Nachtigal/ neben ihr ſtehet eine Flaſchen mit Wein/ welcher das Hertz erfreuet/ wie d|ie Muſic: Sie ſpielet auf der Laute/ und iſt ihr eine Seite zerſprungen/ deren Tonein Heuſchrekk erſetzet: Ihre Kleıdung iſt liechtgruen/ wie das Graß im Lentzen. Alſo hab= en auch die IX. Muſen ihre ſondere Bildniſſen.
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73. C. Wie dann? Ich hab ſie niemals anderſt/ als Jungfern gemahlt geſehen.(à id eſt lau- dare. Cliogeſta ???anens transacti tempora reddit.) 74. V. Clio traegt auf dem Haubt einen Lorbeerkrantz; in der rechten Hand eine Trompeten/ in der lınken ein Buch/ darauf geſchrieben ſtehet: Herodotus. Weil dieſer Muſa oder Kunſtgoettinn die Geſchichtſchrei= bung zugeeignet wird/ daher ihr auch der ſtetsgruenende Lorbeerkrantz ge= buehrt.75. R. Euterpe Haubt mit mancherley Blumen gezieret/ und hat in beeden Haenden unterſchiedene blaſende Inſtrument. Dieſe iſt der Froelich= keit vorgeſetzet.76. D. Thalia hat ein froeliches/ und lachendes Angeſicht/ einen Krantz (Comicala. ſcivo gau- det ſermo- ne Thalia.) von Epheu/ in der Hand eine Maſque oder Larve/ an den Fueſſenniedre Schuhe; zu bemerken/ daß dieſer Muſa Werke zu den Freudenſpielen gewidmet ſind. Hat die Floeten/ einen Pfeil die Laſter anzuſtechen/ und neben ihr eınen Affen/ wann ſie allein gemahlet wırd.
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77. V. Melpomene iſt eine anſehliche. und herrliche Muſa/ ſtattlich/(Melpomene tragico pro- clamat moe- ſta boatu.) und ſehr praechtig bekleidet/ hat Scepter und Kronen in den Haenden/ und bey de ̅ Fueſſen liegen/ in der rechten Hand einen entbloeſſten Dolchen/ tritt herein auf hohen Schuhen. Iſt die Muſa der Trauerſpiel.(Signat cun- cta manu, loquitur Polyhymuia geſtu.) 78. R. Polyhymnia lieget auf den Knien betend/ mit Perlen bekroen= et/ und bunt bekleidet/ mit der Rechten gegen dem Himmel deutend. Dieſe Muſa bittet/ und giebt Raht und Troſt.(Nunc mihi ſi quando Puer & Ci- therea fa- vere) 79. D. Erato iſt mit Myrtenzweigen und Roſen gekroenet/ hat in der linken Hand eıne Leyr/ oder Geigen/ mit ſehr lıeblichen Geberden ſpielend. Iſt die Muſa/ welcher die Liebshaendel zugeſchrieben werden.80. V. Terpſichore iſt auch von annemlicher Geſtalt/ gekroent mit(NuncErato, nam tu no- men amoris habes.) allerley bunten Federn/ zu deuten die geſchwinden Gemuetsbewegungen/ welche ihr ſind zugeeignet worden/ hat eine Cyther in der Hand.81. R. Urania traegt einen Krantz von hellglaentzenden Sternen/ hat(Terpſicho- re affectus cytharis movet, im- perat, au- get.) in der Hand die Himmelskugel.
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(Uranie Coeli motus ſcru- tatur & aſtra Carmına Calliope li- bris heroica mandat. videat. Plu- tarch. Sym- poſ. IX. quaeſt. XIII.) 82. C. Calliope hat auf der Stirn einen guldnen Spangencirkel/ in dem Arm viel Lorbeerkraentze/ und in der Hand drey Buecher. Dieſe kroenet die vollkommenen Poeten/ und iſt die vornemſte unter den neun Schweſtern.83. J. Wie mahlet man die Noht?84. V. Als eine trotzige ſtarke Frau/ welche in der Rechten einen Hamer/ in der Linken etliche Naegel traegt.85. R. Die Deutung iſt leicht. Wie kan ferners der Fried gebildet werden?86. R. Eine Sache kan unterſchiedliche Bildungen haben/ deswegen wil ich den Fried anderſt/ als vor beſchehe ̅ / mahlen durch ein gefluegeltes Weibs= bild/ gekroent mit Oehlblaettern/ in der rechten Hand habend eine ausleſchende Fakkel/ dardurch die Waffen/ als Schild und Spieſe angezuendet werden: in der linken Hand einen Loewen und ein Lamm/ an einer guldnen Ketten fuehrend/ ihre Bekleidung iſt weiß. Alſo ſihet man den Frieden auf den alten Muentzen [ID00137] [62] gepraegt/ etliche Bildniſſen haben den Eißvogel in den Armen/ welches mi??? aber nicht gefaellt/ weil er nicht erkaentlich iſt ohne Beyſchrift.87. D. Sonderlich iſt zu merken das Bildniß der Halßſtarrigkeit/ welches gleichsfalls eine Weibsperſon iſt/ aber gantz ſchwartz bekleidet/ und uemwachſen mit Epheu/ oder Wintergruen/ mit ineinandergeſchloſſnen Arm= en/ und einen bleyernen Wuerffel auf dem Haubt. Die ſchwartze Farb iſt be= ſtaendig/ und deutet auch Unverſtand und Unwiſſenheit/ welches insgemein halßſtarrig machet/ und dahin zielet dich der beſagte Wuerffel.(Haud facile emergunt quorum virtutibus obſtat Res anguſta do- mi. Sılius. Ital.) 88. V. Es iſt hier nicht zu vergeſſen der Armut/ welcher Bildniß in der rechten Hand einen ſchweren Stein angeſchmiedet hat/ in der linken zween Flueg= el/ mit welchen ſie ſich hochzuſchwingen bemuehet/ aber von dem Laſt verhind= ert wird: ſind auf einem Felſen/ uebelbekleidet/ und mit verfallenem traur= igem Angeſicht.89. R. Nicht alle Bildungen laſſen ſich wol mahlen/ oder ſind aus dem Gemaehl deutlich zu verſtehen/ ohne Beyſchrift: Als/ wann ich die boeſen/ und [63] nicht hafftenden Gedanken bilden wolte/ durch einen Mann/ der ſeine Kinder an einem Stein zerſchmeiſſt/ das laeſſt ſich beſſer ſagen/ als mahlen/ daß man die Meinung daraus vernemen koente. Alſo laeſſt ſich beſſer hoeren/ daß man einen Mann/ der etliche Pfeil hoch in die Luft geworffen/ mit dem boeſen Geſchrey/ oder der Verleumdung vergleıchen/ als wann man ſolches mahlet.90. D. Etliches dient zum Gemaehl den Poeten/ und Rednern zugleich. Als wan ̅ ich will mahlen die Goettliche Weißheit/ ſo ſetze ich ein ſchoenes/ anſehliches/ und herrliches Weibsbild/ auf einem dreyekkichten Stein ge= wappnet/ und auf dem Helm einen Hanen tragend: bey ihren Schlaefen geh= en Stralen heraus/ ın ihrem Schild iſt Gott der H. Geiſt/ und an ſtatt des Ge=(Offenb. 5/3) wehrs das Zeugniß des Lamms.91. R. Zu Zeiten ſcheineten ſolche Bildungen etwas ungereimt/ und(Verecundia venuſtatem ingerit, & gratiam au- get. Bern ad Cant. ſerm. 33) haben doch einerichtige Deutung. Als wann jener dıe Schamhaftigkeit bildet in Geſtalt einer ſchoenen Jungfrauen/ welche die Augenniederſchlaeget/ [ID00140] [64] mit beſchaemten Bakken/ und roter Bekleidung/ auf dem Haubt einen Elephantenkopf tragend.92. C. Dieſes iſt abendtheurlich.93. R. Alſo bedunkt mich auch: doch iſt die Urſach nicht zu verwerffen/(Plin. l.8.c.3) weil nemlich der Elephant das ſchamhaffſte Thier ſeyn ſol/ welches ſeinen Lieb= esluſt niemals ſehen laeſſt. Ferners ſtehet auf beſagten Bildes Hand ein Falk/ der lieber hungersſtirbt/ als eines Aaß geneuſſt.(Barthol. An- gelic. de rer. proprietat. l. 12. c. 20) 94. A. Ohne Schrift iſt dieſes ſchwer zu verſtehen.95. R. Man kan durch eine Oberſchrift/ oder unterſchiedene Erklaerung die Deutung ausfuendig machen: doch iſt mehrmals das verborgene ange= nemer/ und verurſachet mehr Nachfrage/ als das/ was gleich in dem erſten An= blikk erkennet wird.96. J. Was iſt aber der Nutz dieſer Bildkunſt?97. V. Man kan ſich dieſer Sachen auf viel Wege bedienen/ ſonderlich zu Auszierung der Schauplaetze/ zu Aufrichtung der Siegesboegen/ zu den [65] Traur= und Freudenſpielen/ zu den Grabſeulen/ zu Erfindung der Gedichte/ der Gemaehle/ der Sinnbilder/ zu allerhand Luſtgebaeuen/ Seulen/ Brunnen/ Buecher titeln/ und was dergleichen mehr iſt.98. D. Auſſer allem Zweiffeliſt/ daß die Wort ohne das Gemaehlunſicht= bar/ das Gemaehl ohne die Rede ſtumm zu nennen; wie zu andrer Zeit von Verbruederung der Mahlerey und Poeterey/ als der lieblichſten Redart/ ıſt ge= dacht worden.99. C. Genug von dieſem.100. R. Wol/ die Jungfrau empfahe den Spielſtab/ und fange an/ was ihr beliebet.
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Angelica.
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ICH hab in jetztgeendtem Spiele drey beobachtet. I. Daß die Stellung oder Geberden des Bilds ihre gewiſſe Deutung haben/ und ſolches gehoert zu der Deutkunſt. II. Daß den Bıldern jed= esmals ein Thier/ oder Gewaechs wird beygeſetzet/ dardurch ſelbe erkennet werden; und ſolches gehoert zu der Sinnbildkunſt. III. Daß die Kleidung eine gewiſſe Farb hat/ und ſolches ıſt ein Theil der Heroldskunſt |/ welche von der Farben Deutung handelt. Wie koente man aber eine gantze Meinung ge= ſtalten?2. R. Als zum Exempel.3. V. Unſer Seeligmacher lehret uns achterley Arten der Gottſeligkeit/ od= ???er Seeligkeit/ welche wir beſſers Bemerks willen ausbilden wollen.4. D. Wir folgen der Anfaengerin.
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(Matth. 5/ 3.) 5. A. Erſtlich preiſet er ſeelig/ die geiſtlich arm ſind.6. R. Solche Wort koente man bilden durch ein Kind/ mit kurtzen und zerriſſnen Kleidern/ welches dıe Augen aufhebt gegen dem Himmel. Ein Kind glaubet leichtlıch/ und iſt noch nicht verſchalkt/ wie etwan die Knaben/ oder Maenner. Die langen Kleider bedeuten Ehre/ und Wuerden/ die kurtzen Kleider Arbeit/ Muehe/ und Fertigkeit/ ungehindert Chriſto nachzufolgen. Das zerriſſne Kleid bedeutet eıgentlich hier die Demut des Hertzens/ welcher Belohnung bey GOtt/ und nicht bey den Menſchen zu hoffen iſt. Man koente (Regnum coelorum paupertate venale eſt. Auguſt.) darzuſchreiben: Das Himmelreich iſt ům Armut zu erkauffen.7. A. Zum zweyten Sind ſeelig/ die leid tragen/ dann ſie ſollen getroeſtet werden.8. D. Ein Kind auf den Knten/ mit zuſammengefaltnen Haenden/ haeuff= ige Threnen ueber die Wangen/ zu Bezeugung des hertzlichen Leides verroehrend. Daß aber ſolche Threnen aus reuigem Gemuete flieſſen/ iſt durch das Knien/ [68] und geſchloſſne Haende/ wie dıe zu thun pflegen/ welche beten/ abzumerken mit der Beyſchrift: Leid bringt Freud.9. A. Drittens Sind ſeelig die Sanfftmuetigen/ dann ſie werd= en das Erdreich beſitzen.10. V. Ein Kind/ welches ein Laemmlein uemarmet/ als das ſanfft= muetigſte und gedultigſte Thierlein/ mit dem Beywort: Gedult bringt Huld.11. A. Vierdtens Sind ſeelig/ die dahungert und duerſtet nach der Gerechtigkeit/ denn ſie ſollen ſatt werden.12. R. Durch Hunger und Durſt wird verſtanden ein williges Gemuet/ niemand unrecht zu thun; benebens auch die Gerechtigkeit/ welche fuer Gott gilt/ beſtehend in der Gnugthuung unſers Heilands. Mahle alſo denſelben an dem Creutz hangend/ und ein Kind/ das darvor kniet/ und von ſeiner Wund= en Blut geſpeiſet wird.
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13. A. Fuenftens Sind ſeelig die Barmhertzigen/ dann ſie werden Barmhertzigkeit erlangen.14. D. Barmhertzig ſeyn/ iſt mit des Nechſten Ungluekk Mitleiden hab= en/ und/ ſo viel mueglich/ huelffliche Handreichung bieten. Ich mahle alſo ein Kind/ das ein Brod zertheilet/ und es zweyen Armen darreichet.15. A. Sechſtens Seelig ſind/ die reines Hertzens ſind/ dann ſie werden GOtt ſchauen.16. V. Durch das reine Hertz wird verſtanden die Unſchuld und Rein= lichkeit von der Suenden Unflat/ boeſen Gedanken/ Worten und Werken. Solches kan bemerket werden mit einem Kind/ dasein Hertz in der Hand traegt/ und ſelbes mit vielen Threnen benetzet.17. A. Siebendens Sind ſeelig die Friedfertigen/ dann ſie werden GOttes Kinder heiſſen.18. R. Hier werden verſtanden nicht nur die jenigen/ welche gerne Friede haetten/ ſondern welche Frieden machen/ und all mueglichſte Befoerderung dar [70] zuthun. Mahle alſo ein Kindlein mit einem Oehlzweig/ welches Spies/ Schild// Wehr und Waffen unter den Fueſſen ligend/ zerbrochen/ und zer= tretten hat.19. A. Achtens Sind auch ſeelig/ die uem Gerechtigkeit will= en verfolget werden/ dann das Himmelreich iſt ihr.20. D. Ich mahle ein Kind mit einer guldnen Kron/ in einer Preſſe lieg= end/ welche zwo/ mit vielen Ringen/ und Armbaendern gezierte Haende zu= ſchrauben/ die Krone aber nicht zerbrkchen koennen.21. A. Waruem wehlen die Herren Kinder zu ihrer Ausbildung/ und nicht vielmehr erwachſne Perſonen/ welche mehr Jahre/ und mehr Verſtand haben.22. V. Die Kinder leben in der ſeligſten Unſchuld/ ſind leichtglaubig/ kein= en Laſtern/ oder boeſen Begierden unterworffen/ daher Chriſtus ſagt/ werdet(Matth. 18.) ihr nicht werden wie eines dieſer Kindlein/ ſo werdet ihr nicht in das Himmel= reich kommen.
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23. A. Nun will ich ſagen/ wie ich eben dieſes auf ein andre Art geſehen. Es wargemahlt ein junges Weibsbilo/ ſowol wegen des harten Gemuets/ als der Reinlichkeit ihrer Gedanken/ mit kurtzen Kleidern zerriſſen und zerlnmpt.24. R. Seelig ſind/ die geiſtlich arm ſind.25. A. Ihr Angeſicht iſt traurig/ und neiget ſich zu der Erden.26. D. Seelig ſind/ die da leıd tragen.27. A. Hat bey ıhren Fueſſen liegen ein durchſtochenes Laemmlein.28. T. Seelig ſind die Sanfftmuetigen.29. A. Ihr Angeſtcht iſt mager/ hungerig und ungeſtalt.30. V. Seelig ſind/ die hungertnach der Gerechtigkeit.31. A. Nechſt der rechten Seiten ſtehen zwey Kindlein/ welchen das Bild ein Stuekk Brods mittheılet.32. J. Seelig ſind die Barmhertzigen/ dann ſie werden Barmhertzigkeit empfahen.
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33. A. Ihr Hertz iſt entbloeſſet/ und gehen aus demſelben etliche Flammen.34. R. Seelig ſind/ die reines Hertzens ſind.35. A. In dem Arm hatte ſie einen Oehlzweig.36. D. Seelig ſind die Friedfertigen.37. A. Um beſchriebnes Bild liegen etliche ermordte/ und verwundte Kindlein.38. C. Seelig ſind/ die ům der Gerechtigkeit willen Verfolg= ung leiden/ etc.39. R. Die Mahler beobachten/ daß der Kinder ihre Koepfe mit dem andern Leib kein Ebenmaß/ oder Proportion habe/ bis ſie das zehende Jahr er= reicht/ und iſt die Urſache vielleicht dıeſe/ daß der Kopf viel Gebein/ Kroſpel und Schalen hat/ welche nicht ſo geſchwind/ als Haut und Fleiſch zu= ???ehmen.40. A. Hierbey nehme ich Gelegenheit zu fragen/ welcher Theil/ an ???des Menſchen Leib das edelſte ſey?
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41. D. Alle Theil und Glıeder an dem Menſchen haben ihre abſonderliche Dienſte/ und Verrichtungen/ zu welchen ſie von GOtt gegeben worden. Wie nun ein Dienſt an eines Fuerſten Hof hoeher und anſehlicher als der andere/ alſo iſt auch ein Glied nutzlicher/ und edler/ als das andre zu achten. Was iſt aber edler als das Leben/ welches beſtehet in den Geiſtern/ die das Hertz nehret/ und in alle Glieder des Leibs austheilet. Das Hertz lebt am erſten/ und ſtirbt am letzten/ und iſt in der kleinen Welt die Sonne/ die alles Leben und Beben macht. Deswegen findet man kein Thier/ das nicht ein Hertz habe/ aber viel/ die anderer Theile des Leibs ermangeln. Das Hertz iſt gebildet gleich einer Flamme/ haelt ſich mitten ın dem Leib/ und iſt ſeine geringſte Wunde toedlich.42. J. Die Meinung iſt zwar ſcheinlich/ doch halte ich die Zunge fuer das vornemſte Glied des Menſchen/ welche maechtig iſt Gutes und Boeſes aus= zu wirken/ ja die gantze Welt zu regiren. Was were doch den Menſchen das Leben nutz/ wann ſie ſtumm weren/ und einander nicht mit Raht und That [74] beyſpringen koenten. Durch die Rede/ welcht ohne Zunge niche vernehmlich iſt/ muß man ſich nehren/ und ſo gar der Bauersmann/ kan ſeinen Akker nicht pfluegen/ wann er nicht den Ochſen zuſchreyet/ und ſie mit der Stimme regiret. Schlieſſe alſo kuertzlich/ daß die Zunge das vortrefflichſte Glied des Menſchen ſey.43. V. Der abweſenden Zunge iſt die Feder/ und richtet ſie viel Gutes(la penna es la leugua entre los abſentes Rerez in ſous Cartas.) an/ ſchafft ſie ihm wideruem nicht weniger Boeſes. Sie iſt aber ein Werkzeug des Hertzens/ als aus welchem alle gute und boeſe Gedanken aufſteigen/ die jed= esmals mehr zum Boeſen als Gutem geneiget ſind. Wil man aber die Ub= ertrefflichkeit einer Sache ueberlegen/ ſo muß man ſehen/ ſeine Ankunft/ und Nohtwendigkeit; ſolcher Geſtalt halte ich es mit der Leber/ in Betrachtung/ der Menſch erſtlich/ nicht anderſt lebet/ als ein Erdgewaechs/ das ſeines Nahr= ungs Saft vonnoehten hat/ wie der Menſch der Leber/ die das erſte iſt in dem Menſchen/ und dardurch das Hertz ein Hertz/ das iſt/ die Lebensquelle iſt. Wann die Leber kein Gebluet kochet/ ſo muß der gantze Leib ohnmaechtig dar [75] niederliegen/ deswegen vıelleıcht die Leber von dem Leben ihren Namen erhalt= en/ als dıe Urſache und Werkſtaette des Gebluets/ in welchem die Lebensgeiſter= lein ſchweben. Ich halte alſo die Leber fuer das edelſte Glıed des Menſchen.44. C. Was von der Zunge geſagt iſt/ moechte man auch von der Leber ſagen; ſie kochet gutes und boeſes Gebluet/ ſie laeſt ſich verſtopfen/ und an ihrer Wirkung leichtlich hindern. Wann man aber den Menſchen/ als einen Menſchen beobachten wil/ ſo muß man ſehen/ worinnen ſein Verſtand be= ſtehet/ mit welchem er alle Thiere und die Erdgewaechs weit uebertrifft. Aus dieſer Urſach kan noch das Hertz/ noch die Zunge (dann die Hetzen und Papegeyen reden auch) noch die Leber das edelſte Theil des Menſchen ſeyn; ſondern das Hirn/ als der Sitz der Verſtaendniß/ Gedaechtniß und B???ld= ungskraeften/ welches deswegen auch von der Natur mit harten Schalen ver= wahret/ mit vielen Haeutlein uemwikkelt/ und in ein wunderſames Netz gleich= ſam eingebunden iſt; ja wegen des Hirns ſind dem Menſchen alle Glieder ge= geben/ dann er ſelber ſonſt nicht mit Verſtand gebrauchen koente.
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45. D. Ich kan unter dieſen Meinungen keiner beyfallen/ ſondern halte darvor/ daß des Menſchen Geſchlecht zu erhalten hoeher zu achten ſey/ als etwan ein Menſch allein. Was bishero geſagt iſt/ kan alles nicht dıenen/ als einen abſonderlich zu erhalten: Wie viel hoeher aber wird zu ſchaetzen ſeyn/ der Theil des menſchlichen Leibs/ durch welchen viel/ ja alle Menſchen ſamt= lich in dıe Welt geboren/ und alle Glıeder eines vollkom ̅ enen Geſchoepfs erzeugetwerden. Wann einer an der Mannſchaft geſchwaechet wird/ ſo ver= lieret er zugleich die ſonſt gewohnliche Farbe/ Stimme/ und auch den Mut/ welches an den Haanen ſonderlich zu betrachten iſt. Unſern Verſtand kan oft ein Geraeuſch/ eıne Widerrede/ ja eine Mukke verwırren: unſer Hertz kan die Furcht und der Schrekken verunruhen; aber zu vorbeſagten gehoeren/ faſt mehr als menſchliche Tugenden; faſten und beten/ mueſſen benebens ſcharffen Ge=ſetzen angewendet werden/ uem die Liedsbegierden zu be= zwingen.
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46. A. Ich will andere darueber urtheilen laſſen/ und nur das bey= ſetzen/ daß der Theil des Leibs/ welchen man am meinſten ehret/ indem man uns niederſitzen heiſſt/ der allerveraechtlichſte ſey. Hiermit uebergiebe ich Herrn Degenwert den Spielſtab.
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Degenwert.
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DIe Heroldskunſt hat mit der Bilderey eine groſſe Verwand= ſchaft; maſſen die alten Wapen ſelten ohne Deutung/ oder eine ſondere Geſchichte von den Herolden gegeben worden.2. C. Wer ſeynd dann die Herolden?3. D. Vor Alters ſind ſelbige in groſſem Anſehen geweſen/ als welche(Heroldenam ̅ t) ſich zehen gantzer Jahre im Kriegsweſen tapfer gehalten/ und nachdem ſie das viertzigſte Jahr erlanget/ ihrer Dienſte erlaſſen/ und zu Ruhe geſetzet word= en/ ihrem Herrn mıt Raht beyzuſtehen und den wolverdıenten Soldaten die Wapen/ als eine Belohnung und Kennzeichen ihrer Tugend auszutheilen/ und zu zu erkennen. Dieſe haben nachmals in ihrer Ambtsverrichtung gehabt/ den Krieg anzukuenden/ Fried und Anſtand zu handlen/ erwachſende Strittig= keit beyzulegen/ ueber die hohen Haeuſer und Geſchlechte Regiſter zu halten/ [79] in welche aller Herren Geburt/ Verheuratungen/ und Abſterben ord= entlich verzeichnet wurde/ dergleichen in Engelland noch gebraeuch= lıch iſt.4. V. Wann ſolche in Teutſchland wieder ſolte aufgerichtet werden/ koente man manche Irrung/ wegen der Geſipſchaften/ vermeiden/ uebelhergebrachte Wapen abgethan/ und ſolte eines jeden Lands Herold/ dem Reichsherold/ od= er Wapenkoenig (daher er auch einen Scepter fuehret) zu Gebot ſtehen/ und ſchuldig ſeyn von ihm das Ambt lehenweıs zu empfahen. Ein ſolcher Herold ſolte ihm gute Einkommen machen/ und dieſe adeliche Wiſſenſchaft wieder (Carol. V. Agripp. de Vanit. ſci- ent. c. 81.) empor/ und in den alten Ehrenſtand bringen/ in welcher ſie zu Zeiten Kaeıſer Carls des Groſſen geweſen/ da ſie niemand als vor dem Kaeiſer beklagen doerff= en/ ja ſie ſind den groſſen Herren am Hof als Helden geehret worden.5. A. Man nennet die Herolden auch Ehrenholde/ wann ich mich recht erinnere.
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6. R. Ehrenhold iſt dem Wort nach einer/ der ſich der Ehren befleiſſ= ıget/ der die Tugend lieb und wehrt hat/ aber noch nicht in Heroldsdienſten iſt/(Georg Ruep= ner in der Vorrede des Turnierbuchs Bl. 7. und 10.) ſondern die Heroldskunſt noch lernet/ vor Alters benamt ein Wapenkuend= iger. Die Herold folgen ıhres Herrn Hof/ und ſind bey allen Reichsbe= gaengniſſen/ und Verſamlungen gegenwaertig/ wiewol viel derſelben die ſo ge= nante Heroldskunſt wenig verſtehen.7. C. Ich hab mehrmals bey mir gedacht/ waruem doch zwiſchen dem Adel/ der durch den Degen/ und dem/ der durch die Feder erworben wird/ keine Unterſcheid in den Wapen zu bemerken: da doch der Ankunft nach eine groſſe Ungleichheit beweißlich.8. D. Es iſt nicht zu zweiffeln/ daß der Adel von der alten Tapferkeit her= ſtammet/ welche in den Nachkommen fortgepflantzet/ und eines Theils durch Nachahnung der rittermaeſſigen Eltern/ anders Theils durch die Auferziehung/ welche gleichſam die andre Natur iſt/ erhalten wird. Bevor aber ich meine Meinung hiervon ſage/ iſt zu betrachten/ daß der Adel aus andern mehr [81] Urſachen kan zuwegengebracht werden/ dann ich nur die vortrefflichſte ge= dacht/ nemlich der Waffen und der Geburt. Weil mehr Gefahr/ Muehe und Arbeıt in dem Kriege/ als in dem Burgerlichen Stande/ hat man ſolche Noht= wendigkeit/ durch die Ehre verſueſſen/ und mit den hohen Titeln/ als der Be= lohnung der Tugenden und Heldenthaten/ beliebet machen mueſſen/ und ſolcher Geſtalt die Waffen mit den adelichen Wapen verbunden/ damit tapfere Ge= mueter die Ruhe verlaſſen/ und dem Kriege nachziehen ſolten/ und darzu weg= en ıhrer adelichen Lehengueter verpflichtet weren. Der Urſprung des Teutſchen Adels/ hat mit Kaeiſer Carl dem Groſſen/ meıſtentheils/ angefangen/ und nach/ und nach zugenommen/ indem er das mit Waffen ritterlich eroberte Land unt= er ſeine tapfere Soldaten ausgetheilet/ und mit dem Beding verliehen/ daß ſie ihm/ in begebenden Kriegszeiten/ mit einem/ zweyen/ dreyen und mehr Roſſen/ (Specim. Phi. lolog. Diſq. XI. §. 2.) nachdem das Lehengut wenig oder viel wehrt/ zu dienen ſchuldıg ſeyn ſolten: und weil ſie ihr Leben mehrmals in der Gefahr eingebueſſet/ hat doch ihren Heldennamen die Hoheit des Adelſtands verlaengert. Der beſte Adel iſt [82] wie der Egyptiſche Fluß Nil/ deſſen Quelle/ oder Urſprung/ aus Laenge der(Sie haben ſich genennet Indigenas, terrigenas, Erdenſoehne/ Erdenkinder. Auſ: Nunc & terrige- nis patrıbus memore- mus Athe- nas. von den Heuſchrekken hatten ſie den Namen Heuſchrekt= entraeger.) Zeit/ unbekant iſt. Alſo ruehmten ſich die Athenienſer/ ſie weren von der Erden erzeuget/ und trugen deswegen guldne und ſilberne Heuſchrekken in den Haaren/ weil ſie von der Erden geboren werden/ in welcher ſie auch ſterben. Die Arcadier haben des Mondſcheins Bildniß auf dem Haubt getragen/ weil ſie ſich geruehmet/ ſie weren ſo alt als der Mondſchein. Jener Frantzoß wolte aus dem erweıſen/ daß er ein Edelman ̅ were/ weil ſeine Voreltern alle mit dem Schwert gerichtet worden weren: ſetzte auch darzu/ daß der Apoſtel Paulus ſeinen Adel gleich ſowol dardurch behaubten koente/ weil er ſonſten nicht were enthaubtet worden.9. J. Wer die neuen von Adel verachtet/ der verachtet ſeine Voreltern/ welcher Adel/ er ſeye ſo alt/ als er wolle/ vorzeiten neu geweſen/ und einmal muß angefangen haben. Wann der Adel von der Tugend herkommet/* ſo beſtehet die Tugend nicht nur in mannveſter Tapferkeit ſondern auch in der Geſchikk= lichkeit/ Kuenſten und Wiſſenſchaften/ welche nicht mit uns geboren/ ſondern [83] (* Sic Mari- us. ap. Saluſt. Ex jure me deſpiciunt, faciant idem Majoribus ſuis, quibus, uti mihi, ex virtute no- bilitas coe- pit: ınvident honori???meo, ergò invide- ant labori, unocentiae & periculıs. Philo in vita Moſ.) erlernet werden mueſſen. Edel ſeyn/ iſt ſoviel/ als von langen Jahren her beruehmte/ und uem das gemeine Weſen wolverdiente Ahnen/ in aufſteigender Linie gehabt haben. Was iſt aber das vor ein Ruhm? Was hılfft es einen Blinden/ daß ſein Vater/ ſein Anherr und Uhranherr wolgeſehen haben? Die Ehr beſteh det in dem Wahn; der Wahn iſt eine nichtige Nichtigkeit.10. R. Den Unterſcheid/ welchen GOtt unter die Staende der Menſch= en geſetzet/ wird niemand mit guten Urſachen aufheben wollen.Unter den Juden iſt der Stamm Levi/ welcher zu dem Gottesdienſt ausgeſondert worden/ fuer den edelſten gehalten worden/ nach demſelben Juda und Ephraim. Ich halte die jenigen billich fuer edel/ welche etwas Neues erfinden/ dem Nechſten zu Dienſten; daher auch die Heyden dergleichen Er= finder fuer Goetter gehalten.11. A. Meines Erachtens iſt der Adel ın den Staedten nicht zu verwerffen/ als welchem die Wehnung mehr Mıttel zur Tugenden ertheilt/ als das einſan: [84] Dorff. Viel macht der Reichthum edel/ ſo durch die Handlung/ und Kaufmannſchaft erworben wird, viel werden durch wolgeleiſte Herrendienſt geadelt: viel werden in dem geiſtlichen Stand anderer adelichen Freyheiten theilhafftig.12. R. Obwol in Welſchland/ und Hiſpanien die Kauffmannſchaft den Adelſtand keıneswegs nachtheilig gehalten wird/ haben doch die Teutſchen und Frantzoſen/ alles gewinnſuechtiges Gewerb von den Ritterwuerden ausge=(videntur l. nobiliores C. de com- merc. i ne quis C. dc dignit. & l. eos. C. ne milites ne- gocientur.) ſchloſſen: eines Theils/ weil ſolche Nahrung der Aufrichtigkeit eines redlichen Gemuets zuwıderſcheinet; anders Theils/ auch allen Kriegsverrichtungen ent= gegenlaufft.Unſer Seeligmacher iſt gegen jederman ſanfftmuetig/ freundlich und gelind geweſen: aber gegen die Kauffleute hat er einen groſſen Ernſt gebrauch= et/ und der Wechſter Tiſche/ und der Taubenkraemer Baenke uemgeworffen/ ſie fuer Moerder und Rauber geſcholten/ und mit Gewalt aus dem Tempel ge= trieben.
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Es bleibt doch darbey/ was dorten ſtehet: Wie der Nagel zwiſchen der Wand/ ſo iſt Ungerechtigkeit zwiſchen Kauffer und Verkauffer.13. C. Es muß darumb ein Kauffherr nicht ſelbſten einen Handel treib= en; er kan alles durch ſeine Diener beſtellen. Die Kauffleute koennen auch gute Soldaten geben/ wie wir zu unſren Zeiten dergleichen tapfere/ Feldherren gehabt haben. Sie haben insgemein mehr Gelds/ als die von Adel/ und im Nohtfall mehr Vertrauen/ Geld aufzubringen. Sie haben aller Orten gute ̅ Kundſchaft/ ſind ſorgfaeltig fuer die Ihrigen/ und geben gute Haushalt= er. Der Gewinn kan zuzeiten wol bey der Ehre ſtehen; und die Ehre/ ſonder Gewinn/ iſt der Rauch vom Braten/ der Klang vom Geld/ und eın Ring am Finger/ der ziert/ aber nicht nutzet.14. V. Ich halte| den fuer einenrechten von Adel/ der von adelichen Elter??? geboren/ auch adeliche Tugenden an ſich hat. Der Reichthum iſt des Adels [86] Zier/ aber nicht deſſelben nohtwendigſtes Mıttel. Wer von guten Eltern herſtammet/ gleichet einem Zwerch/ der auf eines groſſen Rıeſen Achſel ſitzet/ und alles ſiehet/ was der Rıes ſehen kan/ ja noch viel weiters/ weil er ſo viel hoeher emporgetragen wırd. Ronſard dichtet/ Deucalion und Pirrha haben unter= ſchiedliche Stein hinterſich geworffen: edle/ aus welchen die von Adel erwachſ= en/ und ſchlechte/ aus welchen das Poevelvolk herkommen.15. J. Auſer Widerrede iſt/ daß alle Tugenden durch das hohe Her= kommen ̅ angenehmer und ſchaetzbarer werden: Maſſen ſolche Leute eine groſſe Menge Zero/ oder Ringlein gleichſam auf ihren Zettel tragen/ und wann 1. oder 2. oder 3. darzukommet/ ſo machet es eine groſſe Zahl:16. R. WIr wollen dieſes zu einem Sinnbild machen/ und darzu ſchreiben:Eins iſt euch vonnoehten.
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17. A. Hierdurch iſt aber die aufgegebne Frage noch nicht beantwortet: Wie der Stammadel und der Gelehrten Wapen unterſchied= en werden.18. D. Ich habe gehoert/ daß vor zwey=dreyhundert und mehr Jahren dieſer Unterſcheid ſey beobachtet worden/ daß der/ ſo durch Tapferkeit geadelt worde ̅ / Thier/ als Loewen/ Adler/ Beeren/ Greiffen/ Tuerne/ Degen/ Lantzen/ und der= ( CXXIX. Geſpraechſp.) gleichen im Schild gefuehret: andre aber/ Hertz=oder Kleeblaettlein/ Ringe/ Pfaele/ Wellen=oder Zin ̅ en/ Linien/ Hakke ̅ und dergleichen Sachen/ welche nicht zu dem Kriegsweſe ̅ dienen; wiewol vieler ſolcher Edelleute Nachkom ̅ en/ mehr Luſt zum ( CLXXIX. & CLXXX.) Waffen/ als Buecherngehabt/ und nicht wenig in beeden beruehmet worden ſind.19. C. Nechſt den Edelleuten ſind die/ ſo von Ankunft nicht edel gebo= (VVehner. obſerv. pract. voc. Siegelmaeſſig) ren/ aber doch Hof= oder Stadtdienſte betretten/ und deswegen Siegel= maeſſig genennet werden. Heuzutage iſt es leıder dahinkommen/ daß ein jeder will einer von Adel heiſſen/ und giebt ıhm ſelbſt ein Wapen/ wie er wil; [88] ſolten es auch drey Schneepallen in kinem warmen Waſſer ſeyn. Ich moechte aber wiſſen/ was vorbeſagte Thiere fuer Deutungen haetten.20. V. Insgemein deuten ſie Tapferkeit/ und Staerke/ deren ſich befliſſen/ die ſolche in ihrem Schild gefuehret: als der Loew iſt ein Bildung der adelichen Großmuetigket/ Mildigkeit/ und Wachtſamkeit.21. J. Wie iſt aber zu verſtehen/ daß der HERR CHriſtus ein Loew vom Stamm Juda/ und der Satan ein bruellender Loew genennet worden?22. R. Der Stamm Juda hat einen Loewen in den Fahnen gefuehrt/ dahin vielleıcht der Spruch zielet. Die Herolde theilen den Loewen in zwey Theile: das Haubt/ die Bruſt/ und das gantz Vortertheil bedeutet Großmuet= igkeit/ und Tapferkeit; das hintre aber die Staerke/ Grimm und Zorn/ ſo dem Bruellen folget.Es iſt aber zu beobachten/ daß der Herold heutzutage ſelten auf die Be [89] deutung des Wapen ſihet, der Poet aber demſelben eine Meinung zudichtet/ welche ſich auf die Perſon ſchikket. Vorzeiten haben die jenigen/ ſo wilde Thiere auf den Wapen gefuehrt/ nicht eben ihnen nachzuahmen begehrt/ ſond= ern eınes oder mehr auf der Jagt begegnet/ ſelbe gefaellet/ und darmit ſolche Ehre eingelegt/ daß ſie/ zum Gedaechtniß/ einen Kopf/ oder eine Datzen dar= von in dem Wapen fuehren wollen: daher ſihet man/ daß viel Alte von Adel Beeren/ Schwein/ Hirſchen/ Hunde/ Fuchſen/ Woelffe und dergleichen/ von der Begebenheit einer Jagt/ erhalten haben. Die Soldaten aber haben meiſt= entheils etwas von Waffen/ mit welchen ſie uemzugehen pflegen/ ausge= betten.(VI Aldrov. tom. 1. ornith= de Avibus.c.19.) 23. D. Von etlichen werden die| Voegel hoeher gehalten/ als die Thiere/ ſo auf der Erden leben/ weil ſie dem Himmel naeher/ und trefflicher Natur ſind/ als der Adler/ welcher einen ſcharffen Verſtand bedeutet; der Sperber einen guten Schuetzen/ die Gaenſe/ einen ſorgfaeltigen Waechter; die Nachteul einen ſinnreichen Mann; der Drach einen Rahtgeb/ etc.
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24. V. Die Fiſche in dem Wapen bemerken mehrmals das Ort/ oder die Statt in welcher ſie gefangen werden. Die Schlangen ſind eine Bild= nıß der Klugheıt. Wer wolte aber alles erzehlen? den Poeten ſtehet frey/ ſeine Auslegung darueber zu machen/ wie er wil.25. J. Ich hab hoeren ſagen/ daß die Wapen bey den Turnieren daher kommen/ daß man den gewaffneten Ritter durch den Schild erkennen koennen/ weil er aus dem Angeſicht nıcht erkaentlich ſeyn moegen.26. R. Dıe Urſach iſt nicht zu verwerffen/ und hat der ſiegende Ritter mehrmals eine Kron/ oder Krantz zu ſeinem Helm erlangt.27. A. Iſt aber ein Unterſcheid unter den Kronen?28. D. Freylich/ und verfahren die Mahler/ in dieſen wie vielen andern dergleichen Sachen/ unbedachtſam/ und unverantwortlich: indem ſie einem jeden eine Krone auf den Helm mahlen/ die mehrmals keinem Grafen/ oder Freyherrn gebuehren.
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29. C. Wie iſt dann ſolcher Kronen Unterſcheid zu beobachten?30. V. Die Frantzoſen und Italiaener/ welche von der Heroldskunſt ge= ſchrieben/ ſetzen alſo/ daß ein jeder Stand an der Kron/ ſo dem Wapen beyge= ſetzt/ zu erkennen. Solcher ſind ſechſerley:I. DIe Kaeiſerskron iſt oben geſchloſſen mıt einem Reichs= apfel und dem Creutz.II. DIe Koenigskron hat ueberſchlagne Kleeblaetter/ mit Edelgeſteinen verſetzt. Wann aber die Koenige Par= ???ement/ und keine Erbkoenigreiche beſitzen/ haben ſie vor Alters
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DIe Kron mit den vier Boegen gefuehret.III. DEr Hertzogen und Fuerſten Kron hat auf den Spitzen groſſe Perle.IV. DIe Marggrafenkron/ hat ein gantzes/ und zwey halbe Kleeblaetter/ mit drey Perlen verſetzet.
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V. DIe Grafenkron/ hat ein Perle an dem andern uem und uem.VI. DDie Freyherrnkron iſt nur ein Cirkel/ mit Rauten und ablangen Steinen.Denen von Adel geziemet keine Kron/ auf dem Helm/ es ſey dan ̅ aus ſonderer Begnaedigung/ wegen einer loeblichen That. Wie aber unſre Zeit mit der alten Tugend und Einfalt niemals zufrieden iſt/ alſo kan man keinem genug Titel/ und Ehrenzier zumeſſen/ weil ſich meınand/ mit ſeinem Stand ver= gnueget.
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31. J. Es iſt wie mit den Muentzen beſchaffen: die Wapen= und Titelſchrift nimmet zu/ aber die weſentliche Guete/ an Schrot und Korn nimmt ab/ und iſt mit dem alten Geld nicht zu vergleichen.z32. R. Man ſagt/ daß die ſchoenſten Wapen die ſchlechſten ſind: weil die neugegebenen von der| Alten Art gantz unterſchieden/ und leichtlich u erkennen. Die Abtheilung des Schilds vergleichen die Herold mit dem Angeſicht/ wie wir andersmals geſagt.33. A. Weil wir von dieſer adelichen Wiſſenſchaft der Wapen zu reden kommen/ ſo moechte ich hoeren/ wie man den Adel bilden koente.34. D. Man mahlet eine anſehliche Matrone ſtehend/ mit einem langen Roemiſchen Rokk/ in der Rechten tragend eine filberne/ und guldne Kron: in der Linken das Bıldniß Minervae/ auf dem Haubt tragend einen Stern.( den Anfange= buchſtaben.) Den langen Rok hat zu Rom kein unedler ankleiden doerffen. Die zwo [95] Kronen/ und das Bild Minervae bedeuten’/ daß man durch Kunſt und Tapferkeit zu adelichen Ehren kommen kan/ oder auch es koennen/ durch die Kronen die Gueter des Verſtands/ und die Gueter des Leibs be= deutet ſeyn/ welche beede von GOTT/ durch den Stern/ bemerket/ gegeben werden.
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Caſſandra.
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AUs dem Geſpraeche von der Bilderey faellt mir bey/ daß ich ſagen hoeren von etlichen/ die eine Sprache wollen aufbringen/ welche alle Voelker haben verſtehen ſollen. Gewiß kan es nach meinem Bedunken keine andere Kunſt/ als eben von den Bildern geweſen ſeyn/ welche ein jeder/ der ſie anſieht/ erkennet. Das Gemaehl hat mehr Gleichheit mit der Deutung/ als das Wort/ indem es eines Dings weſentlıche Geſtalt zeiget/ welche das Wort nicht ausdrukken kan/ es ſey dann ein Laut oder Ton. Dieſem nach wolte ich ſagen/ daß das Gemaehleın natuerliches/ das Wort eın kuenſt= liches Kennzeichen ſey/ dieſes oder jenes Ding. Was man ſiehet/ kan man mahlen/ was man nicht ſiehet/ iſt meiſtentheils zu wiſſen unnoehtig/ oder es kan durch eine ſichtbarliche Figur/ gleichnißweis/ gebildet werden.2. V. Man muß dem Gemaehl nicht mehr beymeſſen/ als es leiſten kan. Einmal iſt es eın ſtummes Bild/ welches nicht mehr als eine Geſtalt oder [97] Stellung leiden mag; dardurch des Menſchen Thun nicht beygebracht wird; man wolte dann ſo viel Bilder erfinden/ als Dinge in der Welt ſind/ ſo faſt unzehlich ſcheinen. Die Gleichniß/ auf welche man in den Gemaehlen zielet/ ſind mehrmahls verborgen/ und werden von wenigen/ nach des Er= finders Meinung/ ausgedeutet.3. J. Man ſagt aber/ daß der Chineſer Sprache in gewiſſen Bilder= buchſtaben beſtehe/ und daß ſie ſich mehr bemuehen/ ihre Sprache zu ſchreiben/ ald zu reden.4. R. Wer der Chineſer Sprachkunſt vollkommen erlernen wil/ muß zehentauſend Bilderbuchſtaben wiſſen: wer aber fuenf in ſechstauſend erlern= (Specim. Phi- lolog. Germ. Diſq. X. §. 9.) et hat/ kan mit jederman auch zurecht kommen. Wann ſie einander nicht verſtehen/ mahlen ſie den Buchſtaben in die Luft/ auf den Tiſch/ oder einer dem andern in die Hand. Waruem wolte man aber auf eine ſolche Schriftbildung Muehe und Arbeit wenden/ indem man mit 16. Buchſtaben/ aller Menſchen Gedanken fueglicher begreiffen kan? ja des Menſchen [98] Gedaechtniß iſt faſt nicht faehig/ ſo viel zugleich zu erlernen/ und zu be= halten.5. A. Geſetzt aber/ man haette dergleichen zu Werk gerichtet; wer wuerde ſich geluſten laſſen/ ſolchen Unterricht anzunehmen? Man mahle/ was man wolle/ ſo wird ein Baur das Gemaehl kennen/ wann ihm anderſt deſſen Inhalt bekant/ und zuvor zu Geſichte kommen/ aber die Deutung deſſelben kan er nicht leichtlich errahten.6. D. Die Deutung iſt auch mehrmals zweiffelhafftig/ und kan/ wie vor von den Loewen geſagt worden/ gut und boeß ſeyn. Dıe Schlange iſt ein Bild der Klugheit/ der gifftigen Verleumdung/ und wann ſie den Schwantz in dem Mund hat/ eine Abbildung der Ewigkeit. Die Alten haben dergleichen Geheimniß hochgehalten/ und ihnen dardurch/ bey dem gemeinen Mann/ ein groſſes Anſehen gemacht.7. C. Mein Spiel ſol/ zu Folge jetztbeſagtem/ alſo angefuehret werden. [99] Wir wollen durch die vier Element betrachten/ was zu den Sinnbildern dienlich iſt.8. V. Hieraus wird erhellen/ wie man aus den Wapen Sinnbilde machen ſol: maſſen nicht allezeit freyſtehet/ andere Figuren zu wehlen/ wann man ſelbe in den Wapen findet.9. C. Das Feuer kan dreyerley Deutung haben/ I. geiſtliche Sachen/ II. Regimentshaendel/ III. Liebesſachen. Zu dem Gottesdienſt iſt es ge= braucht worden in dem Alten Teſtament bey den Juden und Heyden. Die Veſtalen/ keuſche Jungfrauen/ haben das ewige Feuer verwahret/ und koenn= en eine Deutung haben der Keuſchheit/ der Immerwaerenheit/ der Wacht= (* Mu???ius Seav6la: Fortia face- re & pati Chriſtianum eſt.) ſamkeit. Die Koenıge haben ihnen das Feuer vortragen laſſen; indem jener Roemer * die Hand verbrennet/ als er den Schreiber fuer den Koenig erſtoch= en hatte. Des Feuer bey Jeremia bedeut Krieg und Verderben. Ferners wird auch unſer Geiſt feurig genannt/ wie auch die Begierd. Wann man [100] nun auf das kuenſtliche Feuerwerken die Gedanken richten wolte/ wuerde man noch mancherley Erfindungen haben.10. D. Die Salamandra ſol im Feuer leben/ und iſt eine Bildung der Beſtaendigkeit.11. A. Die Indianiſche Leinwad wird im Feuer gewaſchen/ und kan(Tergit, non ardet.) eine Deutung haben/ daß wir durch das Feuer des Elends bewaeret werden.12. R. Ein gruenes Holtz im Feuer kan auf der Jugend Liebesflammen gezogen werden: ob zwar ſolches aus dem Gemaehl nicht erkaentlich/ ſo wird doch die Uberſchrift/ dieſen Mangel leichtlich erſetzen.13. J. Alſo moechte man auch ein duerres Holtz in der Flamme mahlen/ und darzu ſchreiben: Geſchicht das an dem duerren Holtz?14. V. Des Perilli glueender Ochs/ in welchem er verbrennet worden/ kan eıne Bildung ſeyn des Sprichworts: Untreu trifft ſeinen eignen Herrn.
|| [101]
15. C. Mit dem Feuer und Eiſen zeidelt man das Hoenig/ iſt eine Ab= bildung eines frommen Chriſtens der Gutes fuer Boeſes thut.16. D. Das Feuer iſt zu vergleichen mit groſſer Herrn Gnade/ welcher man nicht zu nahe gehen ſol/ daß man nıt verbren ̅ e/ noch zu ferne/ daß man er= friere. Das Kunſtfeuer hat mancherley Gebraeuch in den Sinnbildern/ als die Ernſtkugel/ Granaten/ Raquet. Wie ſich dieſes letzte mit dem Gebet ver= gleichen laeſſt/ wil ich in einem Gedicht anmelden.DEm Knecht iſt nicht erlaubt den Herren zu beklagen: (I. Andachtsge= maeht vom Gebet.) doch moecht’ ich meinen Gott/ nach meiner Einfalt/ fragen:
Was doch die Urſach ſey/ daß unſer Angeſicht/ (nicht wie des Thieres Stirn/) iſt ůberſich gericht?
|| [102]
Erſol der Sternen Heer/ die ſilberhellen Flammen betrachten; weil die Seel ſproſſt aus des Himmels Stammen/ und nicht der Erden Schoß. Er ſolallein den Sinn erſchwingen in die Hoeh’/ und in den Himmel hin. Wol. Waruem iſt denn das/ was wir ſtets ſollen lieben/ entfernet von dem Aug’? Es iſt bisher verblieben die Erd’ ein groſſes Haus der Fremdling’/ in der Welt/ und bleibt der Frommen Sitz/ der hohe Himmelszelt. Der zwar die Thiere dekkt/ doch ſonder alles Hoffen der ewigreichen Freud’: uns ſteht der Himmel offen/ dahin das Angeſicht der Menſchen wird gewendt/ ſo nicht durch eitlen Thand/ der ſchnoeden Welt verblendt. Wie ſol man dann von hier durch Luft und Wolken kruemmen. Das hoechſte Himmelsſchloß erſteigen und erklimmen?
|| [103]

Wann du mit dem Gebet folgſt dieſem Luffraquet/ das/ bald es angefeurt/ bis an den Himmel geht/ und ſeinen Stralenglantz erweiſet mit dem Knallen: So kan der Andacht Brnnſt GOtt im Gebet/ gefallen/ das nach dem rechten Stab ſeins Willens iſt gericht/ Er wil/ wann es uns nutzt/ die Bitt verſagen nicht.
Ach! unter vielen Sůnden/ die GOtt und Menſchen ſcheiden/ iſt dieſe meinſt zu finden/ (ſo wir doch ſolten meiden) daß nemlich die Gedanken/ im Beten fladrend wanken. GOtt/ Gott hat nie erhoeret/ wann Mund und Hettz ſich trenn???/
|| [104]
wann unſer Sinn verkehret/ das/ was der Mund benennt?17. A. Ferners iſt ein Feuerſtein und Feuereiſen ̅ / mit dem Wort: ſchlaegſt du mich/ ſo brenne ich dich: oder veracht den Funken nicht: zu deuten/ man ſol die Gelegenheit zu ſuendigen meiden.18. R. Dieſes hat mir vor allen andern gefallen/ daß jener auf die unveraenderlıche Beſtaendigkeit eines Chriſtloeblichen Fuerſten gemacht/ als ihm ſeine Fuerſtliche Haubtſtadt in die Aſchen geleget wurde/ und er ſich dar= ueber/ aus Großmuetigkeit/ nicht betruebte; nemlich ein Diamant in den Flam ̅ = en/ mit der Beyfchrift:Unveraenderlich.(Semper idem.)
|| [105]
Weil dieſer edle Stein ſich in dem Feuer nicht veraendert/ wie der Rubin/ der??? Sapphir/ und andre.19. J. Der Phoenix in dem Feuer verbrennend/ kan mancherley Deut= ung haben.20. V. Es iſt auch das Feuer eine Abbildung des Geitzes/ weil es ſo viel??? Holtz verzehret/ als es greiffen kan.21. C. Der Luft iſt fuer ſich keine Fıgur zu den Sinnbildern/ der Wind aber/ die Wolken/ und die Voegel/ welche in Lueften ſchweben???/ koennen hieher auf mancherley Weiſe dienen.22. D. Die Winde bedeuten feindliche Waffen/ ſchnelle Landsverderb= ung/ groſſer Herren Zorn und Grimm. Abſonderlich aber koennen die Winde betrachtet werden/ nach ihrer guten oder boeſen Wirkung. Alſo were ein Sinnbild zu machen/ auf die Hochloebliche Fruchtbringende Geſell= ſchaft/ wann man mahlte eıne Waſſerwolken/ welche ueber einen beſaemten [106] Akker ſchwebte/ erwartend des Windes/ oder der Sonnen// mit Fruchtba= ren Regen zu triefen. Die Beyſchrift koente ſeyn:
WAnn wir reiffe Fruechte bringen/ iſts nicht unſrer Arbeit Gab: es trieft von dem Himmel ab/ was die Felder kan bezwingen.23. A. Unter den Voegeln iſt der Adler Koenig/ und in vielen Sinn= bildern gebraeuchlich. Wann man lieſet/ was die Naturkuendiger von ihm ſchreiben/ kan man Gutes und Boeſes daraus erſinnen. In der H. Schrift wird des Adlers vielmals gedacht/ nemlich/ daß er ſich verjunge: daß er ſein(Pſat. 101.) Neſt auf die hoechſten Felſen mache: daß er ſich von dem Aaß ſaettige/ welches(Obad. 1. Thren. 4. Ezech. 17.) die geringſten Adler zu thun pflegen/ dan ̅ derſelben ſechſerley Arten ſeyn ſollen: daß er ſchnell flıege: daß ſeyn Weg unerforſchlich/ etc. welches alles ſchoene Deutungen leidet.
|| [107]
(Plin. 1. 10 ???. 14.) 24. R. Der Adler und der Drach bemerken eine unſterbliche Feind= ſchaft. Der Adler und der Hirſch/ einen ſchweren Kampf/ dann ſich die Ad= ler auf des Hirſchen Gewey ſetzen/ und den Staub/ mit den Fluegeln/ ın die Augen wehen ſol. Alles zu ſagen/ wuerde zu lang werden.25. C. Der Herr hat fortgeſetzet/ was ich angefangen/ er muß aber noch eines andern Vogels gedenken.26. R. Die Nachteule iſt ein Bild des Nachſinnens/ der Klugheit und des Verſtandes/ welcher bey naechtlicher Weile ſcharffſichtiger iſt/ als bey Tage; daher auch dieſer Vogel der Palladi zugeeignet wird. Es iſt auch die Nachteule eın Bild des Todes/ weil man den Ubelthaetern eine gemahlte Nachteule zuſchikket/ dardurch ihnen das Leben abgeſagt worden.27. J. Die Kraehen bilden das Geſchwaetz/ Unheil/ Zank/ Undank/ arg= liſtige Feindſchaft und dergleichen.28. V. Der Rab bedeutet einen/ der ſeiner Kinder nicht achtet/ und ſie hungerſterben laeſſet; daher ſagt man/ Rabeneltern/ und iſt zu verſtehen der [108] Spruch Davids/ daß GOtt denjungen Raben ihre Speiſe gebe: wann ſie nemlich in dem Neſt von den Alten verlaſſen/ und ſich nehren von dem Morgentau. Der Rab bildet einen Wollueſter/ der das ſtinkende Aas liebet. Es iſt auch eine Fabel/ daß ein Rab/ ſo das Waſſer aus engem Gefaeß nicht trinken koennen/ ſo viel Steine hineingeworffen/ daß das Waſſer empor= geſchwellet/ und es ſolches genieſſen moegen. Hieraus kan ein Sinnbild be= grıffen werden mit der Beyſchrift:ES naehret der Verſtand.(???ufficit inge- nium.) 29. C. Die Tauben bedeuten die Keuſchheit.30. D. Der Sperken hingegen die Unkeuſchheit.
|| [109]
31. A. Der Papegey bedeutet einen Schmarotzer/ Schmeichler/ einen unnuetzen ſtoltzen Suppenfreſſer.32. R. Der Sperber bildet ein hohes Gemuet/ Sieg/ Gehorſam/ und vergleichen: wird auch fuer einen Rauber genommen.33. J. Der Pfau iſt eine Bıldniß des euſſerlichen Stoltzes/ der Eitel= keit/ die Nacht/ wann er ſeine gleichſam mit Sternen gezierte Federn erhebt/ und den Tag/ wann er ſelbe fallen laeſſt.34. V. Der Haan bildet dıe Kuenheit/ den Tag/ die Wacht oder Wachſamkeit/ die Tapferkeıt. Von der Nachtigall habe ich folgendes Ge= dicht aufgeſetzt.(II. Andaechtsge= maehl von der Frommen Sicherheit.)
DA ihr hoert die Nachtigall in den Waldgebueſchen ſingen und ihr holdes Klinggedicht ihrem GOTT und Schoepfer bringen;
|| [110]
ſo betrachtet/ daß die Stimme nicht ſey ſonder Wortver= ſtand: Nein dergleichen Liebelieder ſind der ſůſſen Freyheit Pfand. Solcher Meinung ſinget ſie:

1.
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Wann die ůbermuedte Nacht andre Voegel ſchlaefert ein/ halt’ ich auf den Felſenſtein gute Wacht. bald die Sonn’ iſt aufgegangen/ iſt der Vogler Meuchelliſt/ wider unſer Volk gerueſt/ uns zu fangen.
|| [111]

2.
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Aber hoeret meine Kunſt/ welche mir gelůckt/ daß mich keiner hat beſtrickt: Gottes Gunſt Laeſſt mich frey und ſicher leben/ weil ich ihnvor Augen hab/ und ihm dank uem ſeine Gab/ Hut/ und Leben.

3.
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Es iſt niemand weit und breit/ der ſich ůber mich beſchwert/ weil ich jemand nie gefehrt; als zur Zeit
|| [112]
kleine Wuermer mich zu ſpeiſen. mein Beruf iſt mit Geſang/ und der Felſen Gegenklang Gott zu preiſen.

4.
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Faengt mich auch/ aus Unbedacht/ der verſchalkte Voglersmann/ nimt er mich gefangen an und betracht/ daß mein Tod ihm wenig dienet; ja haelt mich mit groeſtem Fleiß/ wol verſorgt mit Trank und Speiß/ neu begrůnet.
|| [113]

5.
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Dir/ dir/ dir/ dir hoechſter Hort/ bring’ ich mit erfreutem Klang/ mein verirrtes Lobgeſang fort und fort. Ich laß andre Thiere klagen; meinem Feind iſt nun gewehrt/ der mich als ein Freund ernehrt/ mit Behagen.

6.
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Andree Thier ſonder Nohte/ fuehret man zur Schlachtungszeit von der fetten Maſtungsweid in den Tod.
|| [114]
Ich bin froelich und gefangen/ und auch meinem Keffig hold: weil es mir/ wie Gott gewolt/ iſt ergangen. So beliebte Lieder lehren/ daß wir Menſchen jezumal von den Nachtigallen hoeren: wie/ den frommen Gott ergebnen alles dient zu Freud’ und Nutz; und ſie in der Jammerangſt ſpueren Gottes Gnadenſchutz!Hier wird abgeſehen auf den Spruch zun Roem, am 8. Es muß denen/ die GOtt lıeben/ alles zum Beſten kehren.
|| [115]
35. C. Das Waſſer/ die Flueſſe/ die Quellen/ das Meer/ und was dar= innen iſt; giebt ferners mancherley Nachſinnen/ zu den dikkermeldten Bildern. Der viel wunderſamen Brunnen zu geſchweigen/ welcher Wirkung nicht wol kan gemahlet werden/ iſt ſonderlich dienſtlich die Kunſt auf mancherley Weiſe die Waſſer zu leiten/ allerley Bewegung damit anzurichten. Alſo hat jener ein Schoepfrad in ſeinem Schilde gefuehret/ mit dem Wort:(Ilenos de dolor, y los vazios de ſpe- ranza.) Hoffnung leer/ und Schmertzen voll.Verſtehend/ daß er ohne Hoffnung/ wie die leeren Waſſergefaeſſe/ und voller Schmertzen/ wie die vollen Waſſerſtuetzen lebe.36. D. Das Waſſer iſt eine Bildung des gemeinen Poevels/ welches ſich von jedem Windlein erregen und bewegen laeſſet/ das Leichte traegt/ das Schwere ſinken laeſſet.37. A. Die Fiſche insgemein bedeuten Verſchwiegenheit.
|| [116]
38. R. Der Delphin bedeutet ſchnelle Huelff in der Noht.39. J. Der Krebs bildet ungewiſſen Reichthum/ und Falſchheit.40. V. Die Oſtrien ſind ein Bildniß des menſchlichen Lebens/ deſſen Geiſt in einem finſtern Schrein/ des Leibs gleichſam verſchloſſen lebet.Es werden auch alle Werkzeuge/ ſo in dem Waſſer/ und zu der Fiſche= rey gebraucht werden/ in den ofternanten Sınnbildern gebraucht/ dergleichen iſt das Netz/ die Reuſſen/ Seegen/ Setzkorb und dergleichen. Wir wollen ein Exempel von der Angelruten geben/ in folgendem Ge= dichte.

1.
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EIn belobter Fiſchersmann(III. Andachtsge= maehle von der Anfecht= ung/ und Gottes Wort.) Haengt des Angels Anbiß an etwan ein Geruecht zu fangenr Er ſenkt ſeines Angels Rut in die ſilberhelle Flut/ ihm iſt mancher Fiſch entgangen:
|| [117]
Weil ſie in des Fluſſes Kruemmen ſchaute ſeine Strikke ſchwimmen.

2.
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Nachmals/ als der Regenguß trůb gemacht den ſchlanken Fluß ſah’ er an dem Angel hangen/ von dem ſtummen Schuppenheer nach und nach/ je mehr und mehr/ die er alle hat gefangen. Weil ſie in den trueben Fluten/ nicht bemerkt die Angelruten.

3.
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Gottes Wort/ das hoechſte Gut/ iſt dergleichen Angelrut/
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die uns nicht kan leichtlich fangen in der Ruh= und Glůkkeszeit: Kommet Trůbſal/ Angſt und Leid/ hoffen wir dann mit Verlangen uns zu reiſſen aus dem Mangel/ an dem Anker gleichen Angel.41. C. Folget nun von der Erden zu gedenken/ und zwar erſtlich von den Metallen/ Edelgeſteinen/ und Aertzſchlakken/ etc. Zum zweyten/ von den Erdgewaechſen/ Kraeutern/ Wurtzeln/ Stauden/ Baumen/ etc. Drittens von den vernuenftigen/ und unvernuenftigen Thieren/ ſo auf der Erden wallen.42. V. Die Metall dienen fuer ſich ſelbſten nicht wol zu den Sinnbildern/ weil ſie im Gemaehl unerkaentlich/ wann ſie aber durch die Kunſt zu Werke ge= bracht werden/ moegen ſie auf unzaehliche Weiſe dienen. Als zum Exempel: [119] Wann aus dem Gold ein Ring/ aus dem Silber ein Trinkgeſchirr/ aus dem Eiſen ein Pflugſchar/ Feſſel oder Degen/ etc. gemachet/ und zu einer Gleich= niß gezogen werden.43. J. Daher gehoert jenes zerbrochne Glokken/ zu bedeuten/ daß groſſer Herren Gebrechen nicht koennen verborgen bleiben.44. R. Unter den Erdgewaechſen ſind etliche bekant/ und in dem Gemaehl leichtlich unterſcheiden; etliche unbekant/ und moegen ohne Beyſchrift ihres Namens nicht gebrauchet werden:45. A. Were dieſes Bild gut: Zwo Tauben auf dem Palmbaum/ zu bedeuten/ daß die Einfalt/ und Redlichkeit endlich ueberwinde.46. D. Die Tauben pflegen auf keinen Baumen/ der ſo rauhe Aeſte hat/ zu ſitzen/ iſt alſo die Erfindung der Natur nicht gemaeß.47. C. Was bedeuten dann die unterſchiedlichen Arten der Baumen?48. V. Der Maßholder= Eſchern= und Ulmenbaume be= deuten Armut/ weil ſie keine Frucht tragen; benebens aber wegen ihrer Blaetter/ [120] und Stammen ein tapferes Gemuet. Alſo deutet auch der Bux= und die Myrtenſtauden eine Sache/ die ſich wol anlaeſſt/ und uebel ausgehet.49. R. Die Fichten iſt der Schiffer Holtz/ bemerket die Einſamkeit/ und Furcht. Der Lorbeerbaum Gluekkſeeligkeit/ ſo durch Muehe zuweg= engebracht wird. Die Kytten zeigen Traurigkeit.50. D. Der Mandelbaum bedeutet falſche/ aber liebliche Traeume/ weil es bey der Nacht bluehet. Der Eichbaum iſt ein Bild eines alten Geitzhalſes/ der ein groſſes Anſehen hat/ aber ſchlechte Frucht bringet/ und nur geringen Leuten ertheilet. So haben auch alle Thiere nach ihren Eigen= ſchaften gewiſſe Deutungen/ als die Schlange bemerket die Liſtigkeit/ die Taube Einfalt/ der Loew Staerke/ etc. Darzu muß aber jedesmals das Gedicht die Meinung des Verfaſſers voellig ausfindig machen. Zum Exempel ſey ein(No ſufro mas de lo que puedo Iovius in Emblemas.) Kameel/ ein Thier/ welches lange Zeit Durſt leiden kan/ und ſich nicht laeſſet ueberladen/ daher ihm auch niemals zuviel aufgebuerdet wird. Solches kan mit dergleıchen Gedicht erklaeret werden:
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(IV. Andachtsge= maehl von der An= ſechtung und Gedult.) HIer das Kameel traeget eine ſchwere Buerd’ als es ihme nach dem Alter mancherley/ und der Staerke Wagrecht aufgelaſtet wird zaudrend durſtig/ durch die oede Wueſteney. (Gott legt uns eine Laſt= auf/ aber er machet/ daß wir die Laſt ertragen koennen. Pſal. 68. und Rom. 10.) Dieſes Hoekker laeſſt ſich nicht zuviel beſchweren/ wann es willig ſeine krumme Knie beugt/ und die Buerde gleichſam leget zu begehren; auch im Mangel ſich gedultigſt ſtets erzeigt.Gott der Hoechſte giebt uns manche ſchwere Buerd’/ Angſt und Jam ̅ er/ Creutz und Elend mancherley; Aber niemand von ihm’ ueberlaſtet wird/ weil wir wallen in der Welte Wueſteney. [122] Keiner ſol ſich ſeines Antheils nicht beſchweren/ wann er fuer Gott Hertz= und Andachtsknie beugt/ und auch niemals minder oder mehr begehren. Wol dem Menſchen/ der gedultig ſich bezeugt!51. C. Von den Thieren iſt zuvor Meldun ???ſchehen. Wann ich mich aber erinnere/ hab ich gehoert/ man ſol keıne Figur eines Menſchen in den Sinnbildern fuehren.52. V. Wenn man erſtbeſagtes alles durchdenket/ wird es gewißlich keinem an Bildern manglen/ ſeine Gedanken ausfuendig zu machen. Im Fall er aber ja nichts anſtaendiges finden ſolte/ kan man die Kunſtarbeıt durchgehen/ und ein Bild daraus wehlen/ wie zu andrer Zeit mit mehrerm iſt gedacht word= en. Die Bildung aber eines Menſchen hat man deswegen nicht gerne in den Sinnbildern/ weil ein verborgener Sinn in dem Gleichniß ſeyn ſol/ welche [123] zwiſchen einem andern Menſchen in dem Gemael nicht kan angeſtellet werden; ſonderlich aber wann ſie gewiſſe Perſonen einer Geſchichte vorſtellen. Solche Erfindungen ſind Gemaehle/ darzu eine Erzehlung in ungebundner Rede ge= hoerig iſt/ und keine Sinnbilder/ ſo halb geſchrieben/ und halb gemahlet werden ſollen.52. R. Wann ???re Bild den Verſtand des Sinnbilds nicht belangt/ ſondern nur ſein Thun deutbar iſt/ und es deswegen beygeſetzet: So kan ich wol ein Kindlein/ einen Engel/ oder Menſchen gebrauchen. Das Gleichniß wirket nicht in dem Erfinder/ (dem Menſchen ſage ich) ſonder auſſer dem= ſelben; ſo muß es/ als der Sinnbilder Grund/ auch auſſer ſeiner Perſon ge= ſuchet werden.53. D. Der Menſch/ als das Meiſterſtuekk unter allen Geſchoepfen/ kan von dieſer Kunſt nicht wol ausgeſchloſſen werden; maſſen er ja ſchoener ge= ſtaltet/ als kein Thier/ oder alles/ was bishero erzehlet worden. Als zum [124] Exempel: Eine Jungfrau traegt ihr Buſenhuendlein auf dem Arm/ und ſelb= es beult einen groſſen Kettenhund an/ oder man mahlt ein ſtachlichtes Hals= band/ mit dem Wort:Schutz und Trutz.Hier iſt das Jungfraubild/ welches dem kleinen Huendlein Schutz haelt/ nohtwendig/ als welches ſich ſonſten wider den andern Hund nicht doerffte auflehnen/ wie auch bey dem ſtachlichten Halsband/ daß es ſich beugen laeſſt. Beedes iſt eine Abbildung der Schoßkinder/ die ſich auf ihrer Herren Gnade verlaſſen/ und andere/ denen ſie lang nicht gleichen/ verachten.54. V. Es iſt auch nicht auſſer Obacht zu laſſen/ daß ein Theil von einem [125] (I. C. Cappac- cio l. 2. delle Impreſ. c. 47. f. 98.) Menſchen/ als etwan eine Hand/ ein Aug/ ein |Haubt/ etc. zu dem Sinnbild dienen kan. Wann aber von einem Thier dergleichen Glied gebraucht wırd/ ſo ſol derſelbe als tod gemahlet werden.55. R. Alſo hat jener Hofmann/ der die Warheit zu Unzeiten von ſeinem Herrn geſagt/ und deswegen in Ungnaden kommen iſt/ zu einem Sinnbild gefuehret eine Hand/ mit dem Handſchuhe/ darauf ein Sperber ſtehet/ mit der Schrift:Das kan ich leider nicht.Er wolte ſagen/ er koenne nicht auf den Haenden tragen. Waruem er aber dieſen Stoßvogel/ und keinen andern erwehlt/ ıſt leichtlich zu erachten.56. D. In den geiſtlichen Sin ̅ bildern ſol man keine Figuren wehlen/ welche [126] nicht Gleichnißweis/ in der H. Schrift zu finden ſind: doch hat dieſes einen Abfall/ und ıſt verantwortlich/ wann die Auslegung nur ſchriftmaeſſig komm= et/ wie ın folgendem Exempel zu ſehen.Die Laute redet.
Ich konte vor der Zeit das Sorgenwachen ſtillen/(v. Andachtsge= máht vom Glauben.) die Furcht/ die blaſſe Furcht mit meinem Ton verhuellen. Die Winde hoerten mich/ der Baeche Liſpelgang/ verzoegert’ auenwarts/ ob meinem ſůſſen Klang. Nun iſt mein Freudenlied/ in neues Leid gewendet/ ich bin ein leeres Holtz/ beraubet und geſchaendet/
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geſchaendet und beraubt/ durch eine Frevelhand/ die mir bey důſtrer Nacht mein holdes Seidenband zerſchnitten und zerſtuekkt. Komm doch mich zu verbrennen/ komm/ komm/ bring deine Flamm/ weil ich bin tod zu nennen. Nachdem mein Sternendach/ mein Dach von Helffenbein/ zu helffen mancher Pein erbaut/ geriſſen ein. Mein Zwek/ iſt ohne Zwek/ mein Steg iſt gantz veroedet/ Ich bin ein eitles Nichts/ verſtummer und erbloedet/ zuvor hat meinen Ton der Himmel ſelbſt begehrt/ nun bin ich nimmer nicht/ ſo hoher Milde wehrt. Der Glaub befreyt von Sorgen/ die in dem Menſchenhertzen verhuellet und verborgen/ und doch mit Seufftzen ſchmertzen/
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mit Threnen/ Angſt und Flehen/ ſich klaeglich laſſen ſehen. Der Satan kan dem Glauben/ daß wir in Jammer ſterben= und Hoellenbrand verderben/ aus bloeden Sinnenrauben/ Der Glaub iſt Geiſt und Leben/ in dem wir ſind und ſchweben. Wann wir nicht Glauben haben/ wird unſer Thun und Laſſen/ gleich faule Opfergaben/ der Himmelsſchoepfer haſſen.57. V. Es ıſt auch noch eine andre Art der Sinnbilder/ welche dem Gemaehl faſt gleichen/ und durch ihre Deutung allein ſolchen Namen erlangen.
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58. J. Wie daun?59. V. Wann man von bekanten Sachen/ und einer feinen Begegniß eın ſchikkliches Gleichniß nimmet/ und ſelbes durch ein Gedicht erklaeret. Zum Exempel ſetze ich/ etliche Dreſcher in einer Scheuren: darueber verfaſſe ich nachfolgende Gedanken.
Es iſt bereit verſtummet der Lerche leichte Klag/(IV. Andachtsge= mahl von den Maertern.) die rauhe Winterszeit vermuendert uns den Tag. Der wollenweiſe Schnee bekleidt die kalten Felder/ bedekkt die kalen Waelder./ Bevor das Sonnenliecht mit fernen Stralen lacht/ hat ſich der Bauersmann aus ſeiner Ruh gemacht: Er wekkt das Dreſchervolk/ zur Arbeit anzubringen/ die Drůſchel hochzuſchwingen.
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Die Garb/ die falbe Garb erloeſſt von ihrem Band/ wird hin und her gelegt/ zerſtreut und uemgewandt Man jagt aus dem Geſtroeh das angeneme Koren/ darinn es war geboren. Bevor es aber uns den Hungersnoehtenſteurt/ wird es gemalt/ zerſtaubt/ gewerket und geſaeurt? und letzt in groeſſter Hitz daraus ein Brodgebachen/ zur Staerkung vieler Schwachent Wer nun das liebe Brod und das Getreid bedenkt/ das uns des Himmels Gunſt/ durch Mueh/ anf Erden ſchenkt/ verwundert ſich hierob l was ſchwacher Staub geweſen/ Giebt Staerk und das Geneſen. Was wird hierdurch gebildt? die wehrte Maerterſchar/ zerſtreut/ von Haus und Hof verjagt/ ſtets in Gefahr/
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verfolget und verbannt/ gemartert und geſchlagen mit vielen Jammerplagen; Bis daß ſie endlich wird gleich jenem Himmelsbrod von dieſem Erdenland genommen durch den Tod.| zum groſſen Mahl des Lamms; da wir es nicht erkennen und nicht mehr irdiſch nennen. Was aber ueberbleibr/ das faellet hin und her/ bringt wucherreiche Frucht/ der wundervollen Aehr. Es iſt der Maerter Blut der wahren Kirchen Samen/ ein Troſt der Chriſten Namen.60. J. Iſt aber dieſes Bild in der H. Schrift zu finden?61. V. Ja/ aber nicht eben in dieſem Verſtand/ ſondern unſre Leiber werd= en mit dem Getreidkoernlein verglichen/ wegen der Auferſtehung; und wir ſoll=(2. Cor. 11.) en gleich werden dem Ebenbild Chriſti/ der das Himmelbrod genennet wird/ dahin zielet dıeſe Gleichniß.
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62. C. Weil bey vorigen Spielen eine Frage aufgegeben/ und die Er??? findung aber der Sinnbilder jederzeit fuer ſinnreich gehalten worden; will ich??? fragen: welches die ſinnreichſten Leute in der Welt ſind?63. V. Das Wort ſinnreich wird verſtanden von denen/ die viel er??? ſinnen/ erfinden und ausdenken koennen: deren innerliche Sinne wol beſchaff en/ das Hirn rein/ und die Bildungskraeften faehig ſind. Wer nun dergleichen von ſich ſehen laeſſt/ der wird ſinnreich genennet. Solcher Geſtalt wurde Apelles ſin ̅ reich genennet/ ald er in eine ſubtile Linie/ noch eine ſubtilere gezogen. We??? in den Streitfragen/ eines von dem andern wol zu unterſcheiden weiß/ wird ſinnreıch oder ſcharff ſinnig genennet: Wann nemlich der Sınn/ nach ſeiner Art ſcharff ſihet/ wie das Aug/ nach ſeiner Art/ hell und klar in die Ferne ſihet. Ich halte alſo die Voelker gegen Mittag fuer die ſinnreichſten/ weil ſie am weit= eſten ſehen/ und das allerſubtilſte ausſinnen; darzu ihnen dienet die Galle/ welche ſie ueberflueſſig haben/ und von keıner Urſache/ als der Furcht/ und Straffe Gottes ſich wollen regiren laſſen.
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64. J. Wann ſinnreichſeyn in Subtiliteten beſtehet/ ſo wird eine Schuſt= ersahle hoeher zu achten ſeyn/ als ein ſpaniſches Rappier: aber jenes kan/ weg= en der gar zu ſchwachen Spitzen/ nicht lang dıenen/ wie dieſes. Welcher in einer Streitfrage ſeinen Gegentheil verwirren kan/ hat ſo groſſes Lob/ als der ſich mit dem Unterſcheiden kan herauswikklen. Welcher nun ſubtile Linien zıeh= et/ iſt deswegen kein Mahſ???er zu nennen. Sehr wenig ſehen von ferne kleine Sachen; und die jenigen/ ???o in der Naehe ein bloedes Geſicht haben; und iſt nıcht gnug eine Sache allein beobachten: man muß auf viel zugleich die Ge= danken richten/ wann man will mit Fug fuer ſinnreich gehalten werden. Ich halte alſo die melancholiſche Leute/ fuer ſinnreichere als die Galliſchen/ welche ſich den Zorn uebereilen laſſen: daher lıeſet man/ daß die Mitternaechtiſchen Voelker denen gegen Mittage/ zu jederzeit ueberlegen geweſen/ mit Kriegsliſt und Tapferkeit.65. R. Wann man von dieſer Frage reden wıll/ muß man betracht= en/ die Voelker insgemein; und dann abſonderlıch nach eines jeden Leibs [134] Beſchaffenheit/ wie ſelbe geartet/ gemehret/ und von jugendauf erzoge??? worden.66. V. Dieſer Unterſcheid iſt ſinnreich.67. R. Wann man von den Voelkern ınsgemein redet/ ſo halte ich/ daß wie alle Erdgewaechſe/ Perlen und Edelgeſtein Gewuertz und Rauchwerk vo??? den Morgenlaendern gebracht werden; alſo auch die Menſchen der Guete deſ??? elben Landsart/ in dem Verſtaendniß genieſſen. Die natuerliche Urſache iſ??? dıe Sonne/ welche ihre erſte Stralen in dem Aufgaug/ ſo viel kraeftiger erweiſet und ihren Einfluß ſo viel reichlicher mittheilet/ als andern Laendern. Gott ha??? die Morgenvoelker erwehlet zu den erſten Geſetzgebern.68. J. Da ſind auch die meiſten Ketzereyen entſtanden.69. R. Dieſes dienet meine Meinung zu behaubten: maſſen mehr Ver??? ſtand vonnoehten/ eine boeſe/ als eine gute Sache zu vertheidigen. Wann nun die Frage waltet:/ welche Leibsbeſchaffen heit/ den innerlichen Sinnen am??? dienſtlichſten ſeye? So halt ich es mit den Blutreichen: I. Weil ſolche [135] Leute geſunder als andere; die Geſundheit aber iſt der Grund eines guten Ver= ſtands/ als der Werkzeug der innerlichen Sinne. II. Weıl das Gebluet die Geiſterlein fuehret und iſt richtig/ daß der viel geſundes Gebluet hat/ auch einen geſunden Verſtand habe. III. Weil die blutreichen Leute zu der Lıebe ge= neigt ſind: was iſt aber ſinnreicher/ als die Lieb?70. A. Iſt der Herr blutreich?71. R. Meine Jungfrau/ es iſt ſchwer ſich ſelbſten zu erkennen/ man muß andere fragen.97. A. Sinnreich ſeyn/ kommt nicht von dem Land her/ in welchem wir geboren werden/ ſondern von der Auferziehung/ und Unterrichtung. Man findet aller Orten Verſtaendige/ und Unverſtaendige; Kluge und Narren. Unſer Verſtand kommet von dem Himmel/ und nicht von der Erden; der Himmel aber iſt rund/ und an allen Orten gleichwirkend. Die Leibsbe= ſchaffenheit kan auch keine Urſach des guten/ oder boeſen Verſtands ſeyn/ weil man ſiehet/ daß die Narren am geſundſten/ und am laengſten leben: ja/ [136] es keine ſolche Leibsbewandniß/ welcher nicht die Thoren auch theilhaftig ſeyn ſolten. Dieſem nach halte ich einen ſinnreichen Verſtand fuer eine ſonder??? Gabe Gottes/ darfuer der abſonderlich zu danken hat/ welcher damit begabt iſt.73. D. Aus der Jungfer Rede iſt zu ſchlieſſen/ daß ihr ſolche Dankbar keit auch obliegt. Wir reden aber hıer nicht von der erſten Urſache/ welch??? Gott iſt/ ſondern von den Afterurſachen/ durch welche die erſte wirket. Dem??? Erdboden wolte ich nicht gerne zu wenig/ noch zu viel beymeſſen; dann wie de??? Himmel rund ıſt/ ſo iſt auch die Erde rund/ und ſcheinet ein Theil nicht mehr gegen Morgen/ oder gegen Mittag/ als der andre/ wann man die Kunſtſatz= ungen beyſeits leget/ als welchem unſrem Wahn/ und nicht in dem Werke??? beſtehen: erfunden/ unſre Unwiſſenheit in himmliſchen Sachen zu verbergen. Jedoch ıſt die Hitz und Kaelte nicht eine geringe Urſache des wol oder uebel be= ſchaffenen Verſtands: die mittelmaeſſige Bewandniß/ iſt und bleibet/ in dieſen wie allem andern die beſte. Unſer Teutſchland iſt nicht zu warm/ [137] wie Welſchland und Spanien/ noch zu kalt/ wie die mitternaechtiſchen Laender. Die Menſchen ſind noch zu klein/ noch zu groß von Leib/ und der Verſtand noch zu ſubtil/ noch zu grob. Iſt eine ſinnreiche Kunſt in der Welt/ ſo iſt ſie von Teutſchen erfunden worden. Iſt eine Sprache in der Welt/ ſo lernen ſie die Teutſchen/ und ueberſetzen derſelben nutzlıche Buecher in die ihrige. Wann ihre Thaten von Anfang der Welt beſchrieben weren/ wie andrer Voelker/ ſo wuerde man mehr Exempel der Tapferkeit von ihnen/ als von allen andern zu erlernen haben.74. C. Meine Frage iſt geweſen: Welches die ſinnreichſten Leute ſeyn? Ich wolte faſt ſagen/ daß ſolchen Titel die jenigen fuehren/ welche von verſtaendigen Eltern geboren/ in der Furcht Gottes/ und allen freyen Kuenſten und Sprachen wol unterrichtet/ in fremden Lande ̅ / viel erfahren/ und viel ſinnreiche Buecher geleſen; auch ob der Verſtanduebung ſelbſteigenes Belieben tragen. Etliche wollen/ daß dıe jenigen/ ſo aus unehlichem [138] Bette geboren ſind/ ſinnreicher ſeyn ſollen/ als andere! ſie moegen aber fueg??? licher liſtig als ſinnreich genennet werden: darvon der weiſe Mann ſagt: de??? (Sir. 19/ 19.) Gottloſen Tuekk iſt nicht Klugheit. Die Sinnreichen oder Sinn haften/ gebrauchen ihre von Gott verliehene Gaben zu Nutz des Nechſten/ die Argliſtigen aber/ zu deſſelben Schanden/ und ihrem eignen Verderben.
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Veſpaſian.
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UNter den Voelkern insgemein/ werden die Spanier fuer die ſinn= reichſten gehalten; und gewiß ſind ſie dıe erſten geweſen/ welche das Liebsgedicht/ und Rittergeſchicht zu Papier geſetzt: weil aber andere nachgefolgt/ und abendteurliche Reden/ auch mehrmals gantz unver= amwortliche Haendel mit eingemiſchet/ hat ſich einer gefunden/ der den Pigote della Mancha mit ſeinem Sancho Panſa ausgerueſtet/ ſolche Fantz= endichter zu Schanden zu machen. In Frankreich hat dieſe Art Buecher ſehr ueberhand genommen/ wie auch in Welſchland/ und Teutſchland/ daß vıel ge= wiſſenhafte/ gelehrte Maenner darueber muendlich und ſchrıftlich bıllich geklagt: wenig aber hoeren ſolches/ und noch weniger leſen ſolche Klage/ ſich daraus zu beſſern. Belley hat lehrreiche Geſchichte/ ſo zu unſrer Zeit geſchehen/ wie auch Belle-foreſt traurige Geſchichte geſchrieben/ die neugierıge Welt damit zu vergnuegen/ und die boeſen Buecher zu hintertreiben/ aus welcher beeder Schrifte ̅ [140] bereit viel geteuſchet worden. Keiner aber hat/ meines Erachtens die Thor= heit ſolcher Scribenten beſſer an den Pranger geſtellt/ als Jean de la Lande ??? mit ſeinem wahnwitzigen Schaefer; nachahmend des Cervantes Gigote de la Mancha,/ deſſen ich erſt gedacht.2. C. Der Herr laſſe ihm gefallen/ etwas daraus zu erzehlen/ wann es luſtig zu hoeren iſt.3. V. Ich will es kuertzlich zuſammenfaſſen/ und nur etliches gedenken; dann das Buch groß und ſehr weitlaeufftig. Ein Student/ dıchte??? er/ ſo von Jugend auf in den Schaefergedichten Dianae/ Julia= na/ und ſonderlich in der Aſtrea geleſen; hat ihm eingebildt/ daß ſolches alles wahr/ und ſich/ wie beſchrieben/ im Werk befinde/ da doch die Poeten weit ein anders Abſehen gehabt/ wie be= wuſt. Dieſer Student nun nennet ſich Lyſis/ und weil er keine Eltern hatte/ ſondern ſich bey Adrian ſeinem Vettern authielte??? entſchleuſſt er ſich/ das Stadtleben zu verlaſſen/ und eine??? Schaefer zu geben.
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4. J. Es wird vielleicht der jenige ſeyn/ welcher das ſchoene Bildniß ſeiner( Geſpraechſ???. XV.) Liebſten/ in ihrem Abweſen hat machen laſſen.5. V. Ja eben dieſer iſt es. Sein Vater hat ihn vielmals von Leſung ſolcher Buecher abgemahnet/ aber nichts erhalten/ und als er ihn mit Gewalt noehtigen wollen/ die Geſetze/ und dz Kaeiſerliche Recht zu ſtudiren/ hat er ſich darvon gemacht/ ihm einen Hut von Stroh/ einen Schaeferſtab/ und eine weiß leinene Kleidung gekaufft/ ſeine Hirtentaſchen in ein ſeidnes Band gehaengt/ und als er eine kleine Herde Schafe kauffen wollen/ iſt er mit etlichen gantz raeudigen und ſchaebigen/ die niemand haben moegen/ leichtlich betrogen worden. Einſten als er eine Magd erſahe/ welche ihn ſehr ſchoen gedeuchtete/ verliebet er ſich/ wie alle ſolche Schaefer/ nach ſeiner Meinung/ thun muſt= en/ und als er verſtanden/ daß ſie ſich auf dem Land in Dienſten aufhalte/ hat er ſeine Schafe dahin getrieben/ und von ferne [142] geſehen/ daß ſie einen Lappen von dem Schuhe abgeſchnitt= en/ und von ſich geworffen: ſolchen hebte er ſo bald auf/ Will= ens/ denſelben als ein Heiligthum in hellen Kryſtall einfaſſen zu laſſen.6. R. Hiermit belachet der Dichter der jenigen Lappen/ welche ihrer Liebſten Geraetſchaft/ Haarbaender/ Neſtel/ etc. gleichſam anbeten/ kueſſen/ hoch= halten und anreden.7. V. Nachdem er nun/ nechſt Paris/ bey S. Clou/ ſeine Schafe dahertreibt/ begegnet er von ferne einem rechten Schaefer/ den er alſobalden mit hoeflicher Begrueſſung an= ſpricht/ er ſolte ihm die Ehre thun/ und ſein letztgemachtes Feldliedlein ſehen laſſen/ oder das Lob ſeiner Phylis. Er gabe zur Antwort/ daß ſein Bauer den nicht lobte/ der viel iſſt. Die Lieder finde man auf der neuen Brukken zu kauffen. Du ſpotteſt/ ſagte Lyſis/ oder wilt aus Demut dein Lob verbergen. [143] Ich weiß wol/ daß alle Schaefer Poeten ſind/ und koenten ſie ſonſt ihre Liebsmarter nicht erzehlen/ wann ſie nicht ohne Vorbedacht/ zierlich reimen koenten.8. A. Hier beruehrt er die fremden Namen/ und die Gedichte/ welche ohne Unterſcheid allen Schaefern Reimen zumeſſen/ deren oft in einem gantzen Land kaum einer einen Satz zuſammenbringen kan. Daß alle Poeten Schae= fernamen fuehren/ iſt mir nicht unwiſſend/ daß aber alle Schaefer poetiſieren ſollen/ folget nıcht.9. V. Kenneſt du meine Charite/ (alſo hatte er ſeiner vermeint= en Liebſten den Namen Catharine geaendert) fuhre Lyſis fort? Ja/ du muſt die Sonne dieſer Gegend geſehen haben/ deren Stralen der Schoenheit nicht koennen vernebelte oder ůb= ernachtet werden. Sie naehret der Verliebten Threnen/ be= zwinget die Hertzen/ verrukket die Sinne/ und bezaubert alle/ die ſie anſehen. Der Baurenſchaefer antwortet/ indem er ein [144] Creutz fuer ſich gemacht: Dieſe mag wol eine Drut ſeyn/ GOtt behuete mich fůr ſolchen Leuten.10. D. Dergleichen Reden ſind den Verliebten gemein.11. V. Der Schaefer fragte Lyſis: wer er were? Ich/ ſagte er/ bin ein Leib ohne Seele: Charite hat mich mir ſelbſt ge= raubt. Warne du die Schaefer dieſer Gegend/ daß ſie nicht auch in ſolche Liebsfeſſel gerahten/ und meiner Goettinn opff= ern/ damit ſie ſie nicht verbrenne.(* Metaphora) 12. C. Hier ſind unterſchiedliche Umſaetzungen/ * deren keine an der andern haenget.13. V. Nachdem dieſes Geſpraech geendet/ und von einem Innwohner zu S. Clou/ dem er von Adrian befohlen worden/ wieder nachts zurukke gefuehret werden wollen/ hat er ſich dar= zu nicht bereden laſſen/ bis man ihm zu verſtehengeben/ Charite begehre ſeiner. Ihre Hoffarbe iſt rot/ dann ich hab geſehen/ [145] daß ſie rote Schuhbaender traegt/ fuhre Lyſis fort; gewiß dieſes Jahr ſind mehr rote/ als weiſſe Blumen gewachſen: Kirſchen und Erdbeere ſind ihr zu Ehrenwol gerahten/ wie auch der rote Wein/ und Aepfel. Ja/ ſagt er/ ſehet doch/ die Sonne gehetrot zu Bette/ und wird morgen nicht eh als Charite auf= ſtehen. Anſhelm/ dem Lyſis/ wie geſagt/ anbefohlen war/ fuehret ihn mit ſich/ und fragte unterwegs/ von der Sonnen Bette/ ob die Federn und Leilacher nicht in Gefahr ſtuenden/ verbrennt zu werden. Lyſis berichtet/ wie die Sonne ihr Bett im Meer haette/ welches die Nereides zubereitet: oder ſie ſey zu Zeiten bey dem Meergott Neptun zu Gaſt/ und trinke mit Freuden aus ſeinen Meermuſcheln. Wol/ ſagte Anſhelm/ wie kan ſie aber den Mondſchein erleuchten/ wann ſie weit entfern= et? Lyſis antwortet mit erhabner Stimme: Ach/ Einfalt/ ůber alle Einfalt! Es iſt nur eine Sonne an dem Himmel/ [146] aber vielmehr ſind Sonnen auf der Erden/ unter welchen allen meine Charite den groſſe ̅ Schein der Schoenheit von ſich ſtralet. Von ihr hat der Mond ſein Liecht/ nach ihr wendet ſich die Sonnenblume/ ſie erleuchtet dieſe Gegend/ etc.14. J. Hier ſpottet der Dichter etlicher Poeten/ die ihre Liebſten mit der Sonnen vergleichen.15. V. Mit dieſem Geſpraech kommen ſie nach S. Clou. (* ſo reden die Schaefer von einer kleinen Herde.) Als er nun ſein Baendlein Schafe * in einen Stall gebracht/ und ſich zu Tiſche geſetzt/ hat er vonke iner Speiſe eſſen wollen/ ſie were dann rot/ wie der Charite Schuhbaender. Hierinnen haette er nicht unrecht; erheiſchend Salm/ Krebs/ rote Ruben/ Kirſchen/ Weichſel/ etc. ſetzte auch noch darzu/ daß er wolte hungersſterben/ wann ihm der Freßgott Comus nicht wuerde verſchaffen/ was er wolte/ und Bacchus roten Wein darzu verſchaffen.
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16. R. Hierinnen hat Lyſis ueber den Sirene und Celaden ſeyn wollen/ deren keiner ſo gar bethoert geweſen. Die Wirte haben Mittel rote Naſen zu mahlen/ aber nicht allezeit rote Speiſen auzuſetzen/ ſie wolten dann das Fleiſch ungekocht auf den Tiſch bringen.17. V. Nachdem ihn nun die Suppengoettinn und Kuchen= nymphen/ ſowol als der Ganimedes des Kellers (wie er zu re/ en pflegte) wol bewirtet hatten/ und ſchlaffen gewieſen word= en/ hat er viel rote Gedanken/ und Traeume gehabt. Morgens vor Tags verkauffte Adrian die raeudigen Schafe/ ſo gut er ge= koent/ der Meinung/ Lyſis von ſeiner angefangenen Thor= heit wendig zu machen. Als aber Lyſis aufgeſtanden/ und ſelbſt gegenwaertig anſchauen mueſſen/ wie der Fleiſchhakker et= liche geſchlachtet/ hat er ſehr betraurt/ daß ſie nicht zu de ̅ Opf= fer der Goetter aufgeſparet worden/ und angefangeu etliche Klaglieder ueber ihren Tod zu ſingen.
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18. A. Dieſes iſt faſt laecherlich.19. V. Nachdem Anſhelm dem Lyſis zu Gemuet gefuehret/ daß dieſer Ort von dergleichen verliebten Schaefern nicht be= wohnet were/ und nahe bey Paris/ da der Ehr= und Geldgeitz die Luft vergiftet; hat er ihn beredt/ in das Laendlein Foreſt/ welches bey der alten Stadt Liongelegen/ zu ziehen/ und allda dem Sylvander/ Celaden und Lycidas Geſellſchaft zu leiſten. Dieſe/ und alle ihre Schaeferin mueſſen noch im Leben ſeyn/ antwortet Lyſis/ dann der Herr von Urfe/ welcher ihre Liebsgeſchicht verfaſſet/ ſchreibet an die Aſtree/ und Co= laden wie zu leſen im Anfang des erſten/ und andern Theils deſſelben. Was begiebt ſich! Lyſis begegnet ſeine Charite/ die von dieſem treff lichen Thoren nicht ein Wort gewuſt/ noch ſagen hoeren.
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20. D. Hierinn folget er dem Gigote de la Mancha, der die Dulcinea de Teboſa liebte/ und ſie doch niemals geſehen hatte/ noch ihr bekant worden.21. V. Zu allem Ungluekke fande ſich/ nechſt Charite/ ein Baurenknecht/ welcher ſich unterſtehen wollen/ ſie zu kueſſen. Solches vermeinte Lyſis zu verhindern/ und ſchlaeget mit ſein= nem Hirtenſtab auf den Bauren zu/ trifft aber Charite mit ein= em ſtarken Schlag auf den Kopf; daß der Bauer von ihr ab= ablaeſſt/ dem Lyſis ſeinen Stab abnim ̅ t/ und etlichmals ueber den Rukken miſſet/ bis endlich Anſhelm darzukommen/ und durch ſeine Laqueyen den Bauren entlauffen machen; wie auch Charite die ſich fuer Anſhelm/ als einen der Orten be= kanten Edelmann/ ſcheute.22. D. Dieſer erſte Liebsgruß iſt ſchlecht abgegangen.23. V. Anſhelm/ welcher bey der Charite Frauen wol be= kant/ name Lyſis zur Abendzeit/ mit dahin/ dem angeſtellten [150] Dantz beyzuwohnen. Seine Beſchaffenheit war der anweſ= enden Geſellſchaft/ etlicher von Adel/ bereit wiſſend/ fiengen deswegen an nach den Reyenliedern zu dantzen/ und ſagten ihm/ daß er die Charite bey der Hand nehmen/ und mit dantzen ſolte/ wann er mitſingen koente: dar auf Lyſis mit vielfaeltig= em Neigen/ Bukken und Handkůſſen mit ja geantwortet/ und daß er ſo viel Lieder ſingenkoente/ ſo viel Kaeſe in Holland/ ſo viel Zoebel in der Moſchkau/ und ſo viel Aepfel in Frankreich wachſe ̅ . Ach/ daß ich mein Liederbuch nicht bey mir hab/ fuhre er fort/ ich wolte mehr als als ſieben Wunderwerke mit Liedern thun. Indem begiebt ſich/ daß das Liecht ausgebutzt wird; Lyſis er= greifft es ſo bald/ und ſtoeſſt es ſeiner Charite in die Augen von derſelben Flamm das Liechtwieder anzuzůnden.24. J. Kan auch was naerriſchers erdacht werden?
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25. V. Die Charite ziehet den Kopf zurukke/ nimt ihm das Liecht aus den Haenden/ und zuendete es in der Kuchen wieder an. Dergleichen hat ſich viel begeben mit dieſem wahnwitz= igen Schaefer.26. A. Ich bitte/ der Herr wolle uns ein Mehrers von ihm er= zehlen.27. V Einſten findet er bey Anſhelm/ welcher (wie geſagt) ihn zu ſich genommen/ einen Kalender auf dem Tiſch liegen. Ach/ ſagte er/ dieſe blinde Weltviſierer fehlen des gantzen Him ̅ = els/ Welcher kan doch der Verliebten Kalender aufſetzen? in demſelben ſind die Stunde Tage: die Tage Monat/ die Mo= nat Jahre/ ein Jahr iſt ſo lang als ſonſtrauſend. Die Tage/ welche man die Liebsmarter erdultet/ ſind mit ſchwartzen Steinlein/ wie hier die Werketage/ bezeichnet; die Tage/(albo notare lapillo. apud Horat.) welche die Liebſte freundlich ſihet/ ſind mit weiſſen Steinlein [152] bemerket/ wie hier die Feyertage mit rot. Die Sonnenfinſter= niß geſchehen in der Schoenen Abweſen. Die Mondsfinſter= niß begeben ſich/ wann der Verliebte einen Fehler begehet. Die Jahrmaerkt ſind zu finden bey geitzigem und gewinnſuecht= igem Frauenvolk.28. D. Faſt dergleichen Reden hoeret und lieſet man bey andern auch.29. V. Einſten hoerte Lyſis/ daß eine Comoedie/ ein Schau= oder Freudenſpiel zu Paris ſolte gehalten werden/ ſolches zu ſehen nahme Anſhelm den Lyſis mit ſich. Als er aber/ bey An= fang des Spiels/ in Obacht nahme/ wie einer Schaeferin Vater/ ſeiner Tochter Bulbrief gefunden/ und ſelben/ durch einen/ der ihre Hand nachgeſchrieben/ veraechtlich beantworten laſſen; hat ſich Lyſis nicht mehr enthalten koennen/ ſondern iſt auf den Schauplatz hinabgeſprungen/ und hat der Schaeferin den Be= trug entdekket. Hierueber haben ſich die Zuſeher verwundert/ [153] und vermeint/ dieſer Lyſis were von Sinnen kommen/ wann er nicht zu ſolchem Spiel gewoehnliche Kleider angetragen. Die Schauſpieler lieſſen ihn hineingehe ̅ / und wolte ̅ ihm/ wege ̅ ſolcher Verhinderung/ den Hirtenſtabe zwiſchen die Schulter legen: daß ſolches Anſhelm kaumlich verhindernkoennen.30. C. Alſo hat ihm der einfaeltige Menſch eingebildet/ es ſeye alles wahr/ was er geſehen und geleſen.31. V. Nach vielen andern Begebenheiten machte ſich Anſhelm/ mit einer groſſen Geſellſchaft/ darunter auch der Charite Herr ware/ auf ein Landgut/ zwo Tagreiß von Paris gelegen/ alda den angehenden Herbſt zuzubringen. Damit ſie aber die Zeit vertrieben/ beredeten ſie Lyſis/ er were nun in dem Laendlein Foreſt/ da die Aſtrea mit Celaden/ Stella/ Hylas/ Sylvandre/ und den andern Schaefergenoſſen/ welche der Herr von Urfe in 5. groſſen Buechern beſchrieben/ ſich auf= hielten.
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32. J. Das wird Lyſis leichtlıch geglaubt haben.33. V. Unterwegs ſagte Anſhelm/ er haette im Traum geſeh= en/ als ob Lyſis in einen Eſel/ Charite aber in eine Eſelin ver= wandelt weren/ welche man angeſocht/ und ziehen machen. Lyſis ſagte/ daß der ſinnreiche Schlaffgott ihn nicht betroge ̅ / ſondern bedeuten wolle ̅ die ſchwere Arbeit/ welche ſeine Schae= ferinn/ und er unter dem Joch der Liebe erdulten und ertrag= en mueſſten. Ja/ antwortet Anſhelm/ es kan ſeyn/ daß/ wie der guldne Eſel/ unter der Geſtalt ſolches Thiers/ einen menſch= lichen Verſtand gehabt/ daß Lyſis unter der Geſtalt eines Menſchen/ mit einem Eſelsverſtand begabt iſt. Dieſem ſey/ wie ihm wolle/ verſetzte der Schaefer/ ſo iſt noch ein andres Ge= heimniß in dem Traum: Charite iſt eine Eſelin mit langen Ohren/ mein Seufftzen und Klagen zu hoeren. Es troeſtet mich [155] auch/ fuhre er fort/ dieſer Traum/ daß wir bald in das Joch des Eheſtands ſollen eingeſpannet werden.34. R. Er hat vermeint/ daß er alle Reden auf eine andere Deut= ung bringen mueſſte.35. V. Als nun beſagte Geſellſchaft angelangt/ und Lyſis die Schaefer des Lands zu beſuchen begierig/ auch eine lange Rede an die Aſtree/ und den Celaden bey ſich bedacht/ wie auch ein Gedicht aufgeſetzt/ den Fluß Lignon zu begrueſſen/ mit Verſprechen/ denſelben mit ſeinen Threnen ſchiffreich zu machen. Hat ihn/ wegen der naerriſchen Bekleidung/ ein Hund angefallen/ und gebiſſen/ daß er ſich ſelben ſchwerlich/ mit dem Hirtenſtab erwehren moegen. Er beklagte ſich ſehr ůber die Unhoeflichkeit der Hunde des Lands/ welche nicht erroeten/ den Fremden alle Unehr zu erweiſen.
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36. A. Dieſes iſt faſt laecherlich.37. V. Indem er nun ſeinen Weg verfolgt/ begegnet er einem Einſidel/ welcher ſein Gebet verrichtete: dieſen ſahe er fuer einen Druyden an/ machte ſich deswegen zu ihm/ und neigte ſich bis auf die Erde/ und fragte ihn: ob er noch ferne von dem Weidgang der Aſtree/ und des Celadens wer? Der Einſidel hat dergleichen Bůcher nie geleſen/ antwortete deswegen/ daß ihm die benanten Leute nicht bekant weren. Wo komt ihr aber her/ durch dieſen Abweg? fragte er ferners. Lyſis ſetzte ſich zu ihm/ ſeine Geſchichte kuertzlich zu erzehlen.38. D. Wie nemlich der fremden Schaefer Gebrauch iſt/ in allen Liebsgedichten.39. V. Mein Vater/ ſagte der Schaefer. Ihr ſolt wiſſen/ daß ich der Geburt nach ein Pariſer bin. Mein Wirt iſt in dieſem Land Montenor. Mein Geſellſchafter Anſhelm. [157] Mein Freund Leonor/ meine Feindin Charite. Ihr wiſſt/ daß die Nacht ſtill und ruhig iſt/ daß man nichts hoeret/ als die Winde rauſchen/ und die Bruennlein platſchern: Ich hab ſie aber beluſtiget mit dem Wind meiner Seufftzer/ und mit den Brunnen meiner Augen. Die mitleidige Morgenroete hat mich auf der Ceres gruenen Bettdekke ſchlaffen gefunden/ und meinen Zuſtand mit triefendem Tau beweint/ indem ſie mich von dem harten Lager erwekket. Der Einſidel ſagte/ hart liegen were wol gethan/ alle boeſe Fleiſchesluſt auszu= leſchen. Aber/ fragte er ferners/ was iſt euer Thun? Mein Thun iſt/ ſagte der Schaefer/ lieben. Wol verſetzte der andre/ Gott lieben/ iſt das hoechſte Gut/ in welchem man den groſſen Schatz dieſer Sterblichkeit findet/ nemlich/ die Beruhigung des Gemůts/ und die Erkaentniß aller hinfallenden Eitelkeit= en. Lyfis ſagte/ daß er wegen Beruhigung des Gemůts/ die [158] Eitelkeit des Staedtweſens verlaſſen/ und ein Schaefer worden were. Als er nun die Schaefer an dem Lignon nicht erfragen koennen/ verfolgt er den Rukkweg/ und komt zu eines von Ad= els Haus/ der bereit/ wegen des Lyſis Wahnwitz/ von Anſ= helm Nachrichtung erlangt. Dieſer Edelmann/ Hircan be= namt/ ſpatzirte mit einem Stab daher/ als ihm Lyſis begegnet/ welcher ihn ſo bald fuer einen Zauberer angeſehen. Nachdem er ſich zu ihm genahet/ und ům Verzeihung gebeten/ daß er ſein Einſamkeit verhindere. Ich weiß/ ſagte er/ daß ihr die Erden bewegen/ die Geſtirne verfinſtern/ und den Tribut/ welchen die Flůſſe dem Meer reichen/ hintertreiben koent? Aber ſo groſſe Sachen begehre ich nicht/ ſondern daß ihr mir ſagen ſolt: Ob m???ch meine Schaeferin/ mit der Zeit/ lieben wird? Hircan nah= me dieſen Schaefer zu ſich/ und weil er ein froelicher Mann war/ bedacht er bey ſich eine Kurtzweil anzurichten; fůhrte des [159] wegen den Lyſis zur Abendmalzeit/ und beredet ihn/ ſeine Ge= mahlin were eine Waſſergoettin/ ſo er ihm zugezaubert haette. Kurtz zu ſagen. Lyſis wird durch Hircan verſichert/ daß er die Charite/ vermittelſt der Beſtaendigkeit/ erlangen wuerde; allein ſetzt er darzu/ ihr werdet ſie lang nicht ſehen koennen/ wann |ihr nicht einer Schaeferin Geſtalt annehmen wollet. Wie nun Lyſis darein verwilligte/ tauchte er ihm den Kopfin ein Eimer kaltes Waſſer/ und legte mit allen ſeinem Hausgeſinde an/ daß man ihn ſeine ſchoene Schaeferinn nennen ſolte/ und ihn alſo glauben machen/ er were nun verwandelt. Die Waſſergoettin/ des Hircans Gemahlin/ ſtellet ſich gleichs= fals/ daß ſie ihn fůr eine Nymphe anſehe; und erzehlte ihm ihre Geſchichte/ folgenden Inhalts. Ich bin eine Tochter/ ſagte ſie/ eines Hertzogens in Burgund/ und hab mir eingebildet/ daß ich mich nicht wolte verheuraten/ als an eine Koenigliche [160] Perſon. Mein groeſter Luſt ware Jagen/ und fande man mich Tag/ und Nacht in den Waeldern/ und Feldern/ mit den Boegen und Werffpfeil gerueſtet. Diana hatte von mir gehoert/ und auf eine Zeit mich zu ihr erfordern laſſen/ unter ihre Nymphen auf= genommen/ und/ nach dem ich ſtete Keuſchheit geloben můſſ= en/ mir ein hohes Ambt/ nemlich den Hunden das Brod/ zu geben/ aufgetragen. Ein Grafvom Chambaigne/ verliebte ſich inmich: einſchoener Herr/ der ſeines gleichen nicht hatte/ als in dem Spiegel. Er ſagte mir/ wie er mein/ und alles deſſ= en/ was mein were/ ja auch meiner Hunde ihrer Floehe Diener were. Er haette rechnen lernen/ damit er ſeine. Seufftzer zehlen koente/ und legte auch derſelben Zahl mit Rechenpfenn= ingen. Ich aber wolte mein Gelůbd nicht brechen/ ſondern wurde von der Goettin Diana in einem Fluß gebadet/ daß ich gantz von Eis worden. Der Graf hingegen entlehnet von [161] dem Cupido die Fakkel/ und nahete ſich zu mir/ daß ich zer= ſchmeltzen/ und zu einem Brunnen werden muſſte. Doch hab= en mir die Goetter die Gnade gethan/ daß ich als eine Waſſer= goettinn meine vorige Geſtalt behalten/ und bin eine Zeitlang her von dem Hircan bezaubert/ in dieſem Schloß zu ver= bleiben/ gezwungen.40. C. Dergleichen wunderliche Geſchichte ſind gewiß mehr/ in beſagtem Buch zu leſen.41. V. Ja/ und alle zu dieſem Ende erdichtet/ der Poeten ungereimte Einfaelle vorzuſtellen. Zu andrer Zeit/ wil ich erzehlen/ wie es dem Lyſis fern= ers ergangen/ wie man ihn verwandelt in einen Weidekoppen/ und allerley Kurtzweil mit ihm angefangen.42. R. Unter allen ungegruendten Gedanken der weltlichen Witz/ iſt kein unbedachtſamer/ als von der Verwandlung/ oder der Seelen nach dieſem Leben Wanderung/ in unterſchiedliche Leiber/ ſo ſehr vielen gefallen. Jene [162] Schriftgelehrten vermeinten/ unſer Seeligmacher were Elias/ Johannes der Taeuffer/ oder ein Prophet/ weil ſie aus ſo vielen Wundern geglaubt/ es mueſſe eine von dieſer Seelen in ihm wohnen. Daß die Seelen unſterblich weren/ zweiffelten ſie nicht; wo ſie aber hinkaemen/ wann ſie von dem Leib abſcheid/ n/ daß konten ſie nicht ergruenden/ weil ſie nicht erkennen moechten die Auferſteh= ung der Todten/ und die Verbindung der Seele mit eben dieſem Leibe/ an jenem Tag. Aus dieſer Lehre mueſſte folgen/ daß niemals nicht mehr Menſchen auf der Welt weren/ als das andremal/ und das eben dıe Stund/ wann einer ſterbe/ ein andrer an die ſtatt geboren wuerde; ja/ daß von Anfang der Welt der Menſchen eıne gewiſſe Zahl/ und eine gewiſſe Beſchaffenheit derſelben Seel= en/ welches ſich niemals aendern koente. Solcher Geſtalt doerffte man nicht ſaeen/ weil eın Korn nicht mehr als eines bringen wuerde/ und wir/ die wir taeglich zu leben haben mueſſen/ uns des Hungers nicht erwehren koennen.43. D. Dieſe Meinung laeſſt ſich noch hoeren/ wann man ſie nur von dem Menſchen verſtehet: von den Thieren aber und Kraeutern iſt es noch viel [163] laecherlicher/ wann man lieſet/ daß Pythagoras habe kein Fleiſch von Thieren/ ja auch keine Bonen wollen eſſen/ befuerchtend/ er beiſſe ſeinem Großvat= er ein Stuekk von ſeiner Seele. Viel ſtehen aber in den Gedanken/ daß man durch dieſe Lehre/ die Leute von den Laſtern habe wollen wendig machen/ in= dem man ſie berede/ ihre Seelen mueſſen/ nach dieſem Leben/ in den Leibern der unvernuenftigen Thiere gequaelet werden. Die Zaghaften/ ſagten ſie/ wuerden Haaſen; die grauſamen und blutgierige Wueteriche wuerden Woelffe; die Zaenker Hunde, etc. Die Tapfern/ Tugendbefliſſene hingegen/ wuerden in den Leibern der Helden/ und Halbgoetter leben. Etliche von den Vaetern neuen Teſtaments/ haben dieſer Meinung gewiſſer Maſſen beygepflichtet/ und dahin gedeutet den Spruch/ wann Moſe von GOTT ſagt: Er habe(1. Moſ. 2/ 2.) geruhet von allen ſeinen Werken/ und alſo auch von Erſchaffung der Seelen.
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44. V. Die Antwort hierauf iſt leicht/ und iſt ſolche Ruhe/ den nachgeſetzten Segen des Hoechſten gantz nicht zuwider/ als ohn welchen die (1. Moſ. 1/28.) Erde nicht koennen erfuellet werden. Daß eine Seele ſeye/ iſt aus den noch nicht lebenden und verſtorbenen Leibern leichtlich abzunehmen. Daß aber ſolche Seelen der Menſchen nicht gleich ſeyn koen ̅ en den Seelen der unvernuenft= igen Thiere/ iſt aus deroſelben unterſchiedlıchen Wirkungen leichtllch zu ſchlieſſen. Das Thier hat ſoviel Verſtand/ als zu Erhaltung ſeines Weſens vonnoehten iſt; erkennet das Gegenwaertige/ und ſein Leben beſtehet in dem Blut/ deswegen es den Juden zu eſſen/ verbotten worden. Des Menſchen Verſtand hingegen erjunget ſich/ wann wir alt werden; urtheilt von Gegen= waertigen und Zukuenftigen/ Sichtbarn und Unſichtbaren: weiß ohne Unt= errichtung/ was recht oder unrecht iſt/ nach Leitung ſeines Gewiſſens: erkennet/ daß ein GOTT ſey/ der guetig und gerecht/ das Gute belohnet/ das Boeſe ſtraffet/ und daß nach dieſem Leben noch ein anders Leben zu erwarten.
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Hieraus iſt leichtlich zu ſchlieſſen/ daß dergleichen vernuenftige Seele/ keines unvernuenftıgen Thiers Leib regirenwerde. Jungfrau Angelica em= pfahe den Stabe und bedenke ſich auf eines andern Spiels Vortrag.45. D. Es wird ihr an guten Gedanken nicht ermangeln.
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Julia.
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AUs der luſtigen Erzehlung von dem Schaefer Lyſis/ werde ich veranlaſſt von dem Lehrgedicht/ und derſelben unterſchied= lichen Arten Meldung zu thun.2. C. Wie kan aber ſolches ein Lehrgedicht genennet werden/ indem nur kurtzweilige/ und laecherliche Einfaelle darinnen vorkommen.3. R. Das Abſehen aber iſt die Lehre von Vermeidung der Poeten wund= erlichen/ und zum theils unverantwortlichen Fantzengedichten/ und faſt thoer= ichten Redarten. Bevor wir aber nun in dieſer Sache verfahren/ iſt von dem Nutzen der Fabel kuertzlich zu gedenken. Der Verſtand/ iſt ſowol der Arbeit/ dem Schmertzen und Verdruß unterworffen/ als der Leib; hat deswegen ſeiner Ruhe und Ergetzlichkeıt/ gleich ſowol/ als der Leib vonnoehten ̅ . Den Luſt zu der Speiſe reitzet man durch Olivien/ Gewuertz und Saltzen: den Luſt zu lernen [167] durch die Gedichte. Wie der leere Magen die boeſen Feuchtigkeiten daeuet; alſo kochet der mueſſige Verſtand boeſe Gedanken. Damit aber ſolche Be= luſtigung des Gedichts auch einen Nutzen bringe/ ſind in und unter derſelben allerhand nohtwendige Lehren verborgen/ welche auf ſo angenehme Weıſe ge= bildet/ lieber erlernet/ und leichter behalten werden.4. C. Wer die Warheit wil durch die Luegen gueltig machen/ der ſuchet das Liecht in der Finſternıß/ und wie jener doppelten Lohn erheiſcht/ einen zu unter= weiſen/ der zuvor uebel unterrichtet worden; damit er erſtlıch wider vergeſſe/ was er bereit gefaſſt/ und dann von neuem wol gelehret werde: Alſo wird ein Kind/ das eine Fabel gelernet/ erſtlich ſelbe mit Muehe vergeſſen/ und dennoch mit groeſſerer Muehe derſelben verbluemten Geſchichte oder Lehre Inhalt faſſen koenn= en. Es iſt mit den Fabeln bewandt/ wie mit den Krebſen oder Schnekken: man hat mehr Muehe in dem Zerlegen/ und Zurichten/ als man Gutes zu genieſſen findet.
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5. D. Wann hierdurch die Fabel der alten Weiber verſtanden werden/ iſt ſolches alles mcht zu verneinen: maſſen nicht ein geringer/ aber doch gemeiner Fehler/ daß man den Kindern/ mit gantz unnuetzem Fabelwerk/ die zarten Ohren anfuellet/ welche ihnen zwar belieben/ aber mit Verabſaumung anderer noeht= igerer Unterrichtung/ in dem Gedaechtniß beharren.6. J. Keine Wolredenheit iſt aerger/ als die Luegen/ und ſo viel ſchaedlicher/ je kuenſtlicher ſie vorgetragen wird. Der Luegner iſt allezeit ſchelt= und ſtraff= bar/ und viel ſchaendlicher/ als der einen Gift beybringt/ denn ſolcher nur den Leib/ jener aber den Verſtand vergiftet. Die Luegen/ ſo in dem Gedicht ver= borgen lieget iſt eine Mißgeburt der liſtigen Kunſtwort: und iſt gleich/ als wann man die Maeſſıgkeit in Sauffhaeuſern lernen wolte/ oder die Keuſchheit zu Prag hinter der Mauren. Einmal ſol man nicht Boeſes thun/ daß Gutes daraus erfolge/ weil die Warheit der Luegen niemals vonnoehten hat/ und der= ſelben feindſeliges Widerſpiel iſt.
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7. V. Dieſes alles kan mit Grund geſagt werden von den Luegen/ welche zu des Nechſten Schaden und Nachtheil gemeint ſind: oder auch von denen Gedichten/ welcher Lehre zu Laſtern und Untugenden verleiten: dergleichen Un= warheit hat eine wahre Erzehlung eines Geſchichtſchreibers nicht vonnoehten: den Poeten aber iſt erlaubt/ etliche Umſtaende beyzufuegen/ ohne welche das Gedicht unartig/ und noch mit Luſt/ noch mit Nutzen kan geleſen werden.( die Dicht= kunſt.) Solte aber deswegen nıchts aus einem Freudenſpiel zu erlernen ſeyn/ weil keine Koenige/ und Fuerſten auf den Schauplatz reden? das folget nicht; ſondern es iſt ſo beſagte Lehrart viel dienlicher/ als die Warheit ſelbſt/ indem ſie keinen Zuſatz leidet/ und ſich nicht nach Wıllen beugen laeſſt/ wie das Gedicht.8. A. Gleichwie man keine ſo ſchoene Jungfrau findet/ als das jenige Ve= nusbild geweſen/ welches Apelles von allen ſchoenen Weibsperſonen in gantz Griechenland ſtuekkweis zuſammengetragen: Alſo iſt auch keine Geſchicht/ nach aller wahrer Begebenheit ſo angenehm/ lehrreich und vollkommen/ als ???in wol verabfaſſtes Gedicht/ das von vielen Geſchıchten kan abgeſehen werden. [170] Nun ſol ein jedes ſchuldig ſeyn/ eine ſondere Art der Lehrgedichte zu er= zehlen.( LXIV. I. Art der Lehr= gedichte.) 9. R. Das Lehrgedicht iſt insgemein eine fortgeſetzte lange Gleichniß/ zu Vorſtellung einer Lehre ausgedacht. Dieſe Art etwas vorzutragen/ iſt die aeltſte/ und dem gemeinen Mann anſtaendigſte/ als welche ſeinem Verſtand gemaeß/ und von ſolchen Sachen angenommen worden dıe er fuer Augen/ und erlernet hat. Unſer Heiland hat/ nach des Propheten Meinung/ ſeinen Mund aufgethan/ durch Gleichniſſe von dem Weinberg/ vielerley Samen/ einen boeſen Haushalter/ von klugen Jungfrauen/ von dem verlohrnen Schafe/ von dem Menſchen/ ſo unter die Moerder gefallen/ und andern dergleichen mehr: weches alles fuer eine ſondere Lehrart kan gehalten werden/ wann man daß Gleichniß alſo achtet/ daß es der Warheit gemaeß geſchehen/ odrr haette geſchehen koennen.10. A. Hierbey muß der Herr ein Exempel erzehlen.
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11. V. Es hatte ein vornehmer Herrz ween Diener: einen Mohren/ und einen andern/ weiſſes Angeſichts. Der Mohr war ungeſtalt/ rabenſchwartz/ unbericht; ungelehrt/ widerſinnig/ faul/ ungehorſam/ und ſtunde ſeinem Herrn vielmals nach dem Leben. Der andre Dıener war hin= gegen ſchoen von Angeſicht/ adelich in Geberden/ getreu/ fleiſſig/ ſeinem Herrn hold/ der ſeinen Nutzen befoerderte/ und ſeinen Schaden warnete. Jener war von dem Herrn wolgehalten/ wolbekleidet/ geliebet/ und geehret: dieſer gehaſſ= et/ verachtet/ kuemmerlich ernehret|/ und ſeine treue Vermahnungen in den Wind geſchlagen. Hier fragt ſichs; ob dieſer Herr nicht ein unbill= icher Mann ſeye/ daß er Boeſes mit Gutem/ und Gutes mit Boeſem be= lohnet.12. A. Daran iſt nicht zu zweiffeln. Was wird aber dardurch an= gedeutet?13. V. Der Menſch/ welches Weſen beruhet in der Seele/ und dem Leibe: [172] jenes Treue wird veraechtlich gehalten/ und verworffen; dieſes Untreue wird geehret/ und koeſtlich genaehret.(Die II. Art der Lehrge= dichte.) 14. C. Dieſe Art koente man erdichte Geſchichte nennen/ und werden hier= unter gezehlet die Schaefergedichte/ ſo alle der Wahrheit gemaeß ſeyn ſollen. Mir hat aber nie gefallen/ wannich geleſen/ daß man Heydniſche Goetter/ und Goettinnen eıngefuehret/ und ſelbe mit groſſer Ehrerbietung angeſprochen. Verantwortlicher iſt einem Chriſten/ ſeine Erfindung aus vorgeſagter Bild= kunſt herzunehmen/ und unterredend vorzuſtellen.15. A. Hier muß wiederuem ein Exempel/ oder ein Pfand gegeben werden.16. C. Die Beſchreibung der Zeit und des Orts uebergehe ich/ wegen be= liebter Kuertze/ und erzehle aus dem Teutſchen Palmbaum/ zu Ehren der Hochloeblichen Fruchtbringende ̅ Geſellſchaft/ daß uns begegnet viel Weibsper= ſonen/ deren die erſte war eine ſchoene Jungfrau/ mit Gold bekleidet/ die rechte [173] Hand auf einem Bienſtokk haltend/ und in der linken tragend einen Zweig/ von einem Eichenbaum/ mıt ſeinen Aeichlen. Die Verſe darzu will ich Herrn Degenwert ſagen laſſen.17. D. Wann das Bild die erſte guldne Zeit bedeutet/ ſo konte ſie alſo ſagen:
Einfalt/ Tugend/ Ehr und Zucht/ war die erſte guldne Frucht: Klugheit/ und der Sprachen Fleiß/ iſt der letzten Zeiten Preis.18. C. Die andre Jungfrau war von mindrer Schoenheit/ gezieret mit vielen Perlen/ und bekleıdet in gantz Silber: die rechte Hand ſteurend auf eıne Pflugſchar/ und in der linken etliche Kornaehre tragend bemerkend die ſilb= erne Zeit.
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19. D.
Durch die Arbeit wird geſucht/ der durchpfluegten Erdenfrucht: Wie der Teutſchen Sprache Preis mehrt der letzten Zeiten Fleiß.20. C. Drittens folget die kupferne Zeit: Eine Weibsperſon von maennlichem Anſehen/ auf dem Haubt habend einen Helm/ mit einem Loewen; ihre Kleidung iſt aufgeſchuertzt/ dıe Waffen darueber von Kupfer/ oder Stahl/ in der rechten Hand fuehrt ſie eınen Spies/ oder eine Lantze/ in der linken eınen Schild/ auf welchem eine Trompete iſt.21. D.
Ich wolt’ alle Welt bezwingen; doch weicht meine Tapferkeit jener Helden letzte Zeit/ die viel edle Fruechte bringen.
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Hier wird geſehen auf die Hochloeblichen/ Fruchtbringenden Geſell= ſchafter/ ſo meiſtentheils Rittersleute/ viel auch Feldherren/ und Obriſten ſind.22. C. Dieſen folget die letzte Zeit/ gebildet durch ein faſt betagtes Weib/ mit grimmigem Angeſicht/ auf dem Haubt hat ſie einen eiſernen Helm/ mit eınem Wolffskopf/ in der Hand ein Schwert/ und einen Brand/ neben ihr Geſchuetze/ ſamt den Fahnen mit dem Fruchtbringenden Indianiſchen Palmbaum.23. D.
Schwert und Feuerkan bezwingen mit ergrimmter Tapferkeit: doch ſol in der letzten Zeit Kunſt= und Freundſchaft Fruechte bringen.24. C. Der Anfang und das End iſt in dergleichen leichtlich/ nach Be [176] lieben beyzuſetzen/ und| mit Beſchreibung der Umſtaende/ des Orts/ und der Zeit ſchikklichſt auszuzieren.25. V. Obwol ſolche keine eigentliche Lehrgedichte ſind/ weil ſie von keiner Tugend abſonderlich handlen; ſo wird doch hierdurch das lobwuerdige Vorhaben hochbeſagter Fruchtbringenden Geſellſchafter artlichſt vorge= ſtellet.26. D. Mir gefallen ſolche/ zu den Gemaehl dienliche Erfindungen weit beſſer/ als keine andre: geſtalt ſie auch ſinnreicher/ und kuenſtlicher ſcheinen/ auch ſeltner vorkommen; weil die Bildkunſt/ noch der Zeit/ wenig be= kant iſt.27. A. Deswegen hat man auch mehr Ehre darvon/ indem die neugierige Welt das Alte haſſet/ und das Neue ſeltne liebet.28. D. Die dritte Art der Lehrgedichte kan ſeyn/ wann man unvernuenftige(Die III. Art der Lehr ge= dichte.) Thiere redend einfuehret. Dergleichen hat der beruehmte Fabeldichter Eſopus/ Homerus/ Locmann und viel andere/ vor langen Zeiten/ ageſchrieben.
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In dieſe Zahl gehoeret der Reınkenfuchs/ der ſinn= und lehrreiche Froſch= maeuſler/ der Bienkorb und Eſelkoenıg. Solte man aber dergleichen Erfind= ung nicht auch erfinnen koennen? haben unſre Leute nicht ſowol Hirn in dem Kopf/ als die vor uns gelebt haben?29. A. Wir wollen eine Prob hoeren.30. D. Der Fuchs wuenſchte/ daß er ſo einen ſchoenen Schwantz/ als der Pfau haben moechte/ damit er bey andern Thieren ein groeſſeres Anſehen erlang= en/ und bey ihren Zuſammenkunften/ vor andern geehret wuerde. Der Pfau hingegen/ als er ſolches hoerete/ ſagte/ daß er lieber wolte den Fuchsſchwantz als ſeine Augenvolle Federn haben; der Hoffnung/ er nicht nur in den Vorhoefen/ ſondern in groſſer Herren Zimmern/ leben wuerde: Als ihnen beeden die Nacht= igall zugehoert/ hat ſie ihnen ihre Thorheit verwieſen/ und vermahnet/ es ſolte jener mit ſeiner Argliſtigkeit/ dieſer mit ſeiner Schoenheit ſich vergnuegen laſſen/ und keine ſolche Ungeſtalt erwuenſchen: gleicherweiſe/ wie ſie in der freyen Luft/ und in ihrem Keffig gefangen/ wol vergnuegt zu ſingen pflegte.
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31. J. Die vierdte Art der Lehrgedichte koente beſtehe ̅ in denen Erfindungen/(Die IV. Art der Lehrge= dichte.) welche allerhand andre Geſchoepfe redend/ oder thuend einfuehren. Ein ſehr ſchoenes Exempel iſt in Eſra zu leſen.Ich reiſete (ſpricht er) zu einem Walde/ da machten die(4. Eſr. 4/ 15) Baeume einen Anſchlag/ und ſprachen: Kommt/ wir wollen gehen/ und einen Krieg am Meer erregen/ daß es vor uns weiche/ und wir uns daſelbſt andre Waelder machen. Des= gleichen thaeten auch die Wellen des Meers/ die namen ihnen auch fuer/ und ſprachen: Kommet/ wir wollen hinaufſteigen/ und die Baeume in den Waeldern bekriegen/ daß wir uns aldar einen andern Raum machen. Aber die Gedanken des Walds wurden nichtig/ dann es kam ein Feuer/ und verzehret ihn. Desgleichen iſt auch geſchehen den Wellen des Meers/ dann der Sand ſtunde ůber ſich/ und hielte ſie zurukke.
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Die Deutung folget/ daß die Menſchen/ welche ohne gute Urſachen/ aus Ehr= und Geldgeitz kriegen/ zu Schanden werden/ und mit groſſem Ver= luſt ablaſſen mueſſen: Soll deswegen ein jeder mit den Seinigen zufrieden ſeyn/ gleichwie den Waeldern die Erde zugeordnet iſt/ und dem Meer ein Ort/ darinnen ſeine Wellen bleıben ſollen.32. V. Hierunter gehoeren auch die Blumen/ Kraeuter/ Metall/ Flueſſe/ etc. welche alle unterredend koennen eingefuehret werden. Die fuenfte Art der Lehr= (Die V. Art der Lehr= gedichte.) gedıchte kan beſtehen in denen Erfindungen ſo von den Verſtorbenen hand= len/ und ſelbe/ als wieder auferſtanden/ oder noch Lebende vorſtellen. Alſo kan man man von den Sibyllen dichten/ daß ſie von dieſem oder jenem weis= (Ein Exempel iſt in dem Teutſchen Palmbaum) ſagen. Die verſtorbnen Poeten vorſtellen daß ſie dieſes Lob beſingen. Hie= her gehoeren auch die Hoellengeſichter unſers Traumenden/ da er die boeſen Geıſter einfuehret/ und der Welt Lauff mit lebendigen Farben abbildet. Hier= unter ſind zuzehlen die Schriften Boccalini nnd Asſarini, ſo bereit meiſten [180] theils geteutſchet ſind/ wie auch der Selbſtſtreit von Herrn Homburg aus dem Niederlaendiſchen gedolmetſchet.33. A. Der Herr wird uns auch ein Exempel von ſeiner Erfindung hoeren laſſen.34. V. Der edle und wolthaetige Roemer Mecoenas begegnete einer armen/ und uebelbekleidten Fraue ̅ / welchert Augen mi Staub verhuellt/ und mit einem groſſe ̅ Schaubhut beſchattet waren/ weil ſie das Son ̅ enliecht nıcht ſehen konte. Dieſe forderte durch ein ſchoenes Gedicht/ mit unhoeflichen Geberden vorge= bracht/ einen Zehrpfenning/ und ſteurte ihren Bettelſtab/ aus Unvorſichtig= keit/ auf dieſes Herrn Fuß. Mecoenas reichte ihr eine geringe Gabe/ ſagend: Ich liebe deine Kunſt/ und haſſe deine Sitten/ welche der Cleopatrae Per= le in einer irdenen Schalen vortrage ̅ : geh aber hin/ waſche deinen Staub in dem Hoforunnen ab/ ſo wirſt du in das Liecht ſehen/ und neue Sitten an dich nehmen; komſt du alsdann wieder zu mir/ ſo will ich dir mehr Gutes thun.
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(Die VI. Art der Lehrge= dichte.) 35. A. Die ſechſte Art der Lehrgedichte kan beſtehen/ in denen Erfindung= en/ welche Buchſtaben oder gantze Woerter/ als Perſonen einfuehren/ wie wir ın Ausbildung der Vernunft und Redkunſt gehoeret.36. R. Wir erwarten auch ein Exempel.37. A. Nachdem aus dieſem beharrlichen Kriegsweſen viel Elend erwachſ= en geweſen/ iſt auf fleiſſige Nachforſchung befunden worden/ daß alles Unheils Urſache ̅ von dieſen zweye ̅ Woertlein mein und dein entſtande ̅ . Nach gehabter Berahtſchlagung iſt endlich geſchloſſen worden/ man ſolte dem Woertlein mein zu einem Zuchtmeıſter verordnen die Sylbenge/ welcher ſelben vor= gehen/ und daraus machen ſolte gemein. Das Woertlein dein aber/ weil (???etterwechſel.) es auch den Neid inſich hatte/ ſolte man aus der Teutſchen Vertraeulichkeit ſchaffen: ob es wol erwieſen/ daß es dem Nechſten dienen koenne. Nach= gehends/ als dem Wort muß die Vollziehung dieſes Urtheils anbefohlen/ hat ſich befunden/ daß das Ungluekk der Waffen dadurch nıcht geendet/ ſondern vielmehr gehaeuffet worden: deswegen denn die zwey Woertlein mein und [182] dein wiederuem eingeſetzet/ mit Verſprechen/ daß ſie abgeſondert/ friedlich leb= en ſolten/ und iſt das muß an ihre Statt in die Tuerkey verjaget worden.38. V. Hierbey iſt zu beobachten/ daß in den Lehrgedıchten zuzeiten eine Art mit der andern vermiſchet wird: als wann die erſtbeſagten die Gerecht= igkeit mit dem gemeinen Nutz verbunden die Woertlein mein und dein/ als Aufruehrer verjagen wolten/ etc. Da dann die Gerechtigkeit nach der Bild= kunſt vorgeſtellet/ nicht zu dieſer letzten Art/ ſondern zu der zweyten gezehlet werden mueſte. Alſo verhaelt es ſich auch mit andern Erfindungen/ deren man gantze Buecher voll ausdenken koente/ wıewol allezeit eine beſſer iſt/ als die andre.39. A. Hierbey muß ich ein Frage anfuegen: Warům doch einjeder vermeine/ er ſey der Verſtaendigſte/ ſeine Erfindung ſeye die beſte/ und ob ſeiner Meinung eifere?40. D. Gleichwie das Aug ſich ſelbſten/ ohne Gegenſtralung nicht ſehen kan; alſo kan unſer Verſtand von ſich ſelbſten nicht urtheilen/ wıe von andern [183] Sachen: Giebt deswegen niemand lieber/ als ihm ſelbſten gewonnen. Ein jeder wirfft ſich zu einem Richter auf/ und indem er von andern urtheilet/ erweiſſt er unwiſſend/ was von ſeinem Urtheil zu halten ſey/ und ver= gleicht ſeinen Verſtand nicht mit andern/ als durch eine verfinſterte Wolken/ des falſchen Wahns/ oder durch ein Fernglas/ das aus einer Mukken einen Ele= fanten ſcheinen machet.41. C. Meine Meinung iſt dieſe/ daß ein jeder ſeinen Verſtand mehr be= trachte/ als keines andern/ nıcht zwar an und in ſich ſelbſten dem Weſen nach/ ſondern nach desſelben Wırkungen. Dann/ wann wir groß achten einen Freund/ deſſen Geſchenke uns taeglich fuer Augen liegen; wie ſolten wir dann die Verrichtung unſers Verſtands/ und unſrer Gedanken vergeſſen koennen? Der Menſch betrachtet ſich ſelbſten Abends/ und Morgends/ ſchlaffend/ und wachend/ und indem er gluekkliche Verrichtungen hat/ ſchreibt er vermeſſen ıhm zu/ was er GOtt beymeſſen ſolte. Ja/ wann er ſihet/ daß es nicht recht in der Welt hergehet/ vermeinet er/ wann ihn Gott zu einem Regenten/ oder Feld [184] herrn gemacht haette/ er wolte dem gemeinen Weſen weit beſſer vorſtehen. Wann er ſich auch mit andern in die Waagſchalen der Vergleichung ſetzet/ ſo leget er mehr auf ſeıne Seiten/ und unterdrukkt andrer Leute Lob/ ſich groß zu machen: dadann das Zuenglein der Schmeıcheley mehrmals einen falſchen Ausſchlag giebt.42. V. Nicht ein jeder haelt viel auf ſich/ und achtet ſich fuer den Verſtaend= igſten: ja es iſt ein Anzeıgen einer Thorheit/ mehr unterfangen/ als man leiſten kan. Etliche trauen ihnen gar zu viel/ ueber ihr Vermoegen/ wie geſagt; etliche gar zu wenig/ und erkennen ihre Kraeften nicht/ ſondern laſſen ſich leıten wie ein Kind einen ſtarken Ochſen treibet. Sich ſelbſten recht erkennen/ iſt ſehr ſchwer/ und werden wir unſrer Fehler nicht ſo leıchtlich gewahr/ als andrer; daher unſer Heiland ſolche Leute Heuchler nennet/ die andrer Splitter aus den(Luc, 6.) Augen ziehen wollen// aber ihres Balkens nicht gewar werden.43. J. Keiner weiß/ nach dem Sprichwort/ wo ihn der Schuhe drukkt/ als der ihn anhat. Wer iſt/ der ihm ſelbſten unrecht giebt? er ſey dann ueber [185] wieſen. Die Entſchuldigung mangelt uns niemals/ und legen wir gerne die Fehler auf andre; und daher achtet ſich ein jeder fuer den Verſtaendigſten.44. R. Unſer Verſtand kan in dieſer Welt nichts groeſſers/ als ſich ſelb= ſten finden/ der da faehig iſt das Goettliche Weſen etlicher maſſen zu begreiffen/ und ein Engelsleben/ von aller Eitelkeıt abgeſondert/ zu fuehren. In dieſer Erkantniß achtet er ſich hoeher als andre/ deren Beſchaffenheit ihm ſowol nicht wiſſend ſind/ als die ſeinen/ ja er iſt groeſſer/ indem er alles andre begreifft. Gleichwie das/ was uns nechſt fuer Augen ſtehet/ groeſſer ſcheinet/ als das ent= fernte: Alſo ſcheinet uns nichts groeſſer/ als unſer Verſtand/ der uns der nech= ſte iſt/ und dıe Erfindungen/ ſo von demſelben herkommen: ja/ er ſteht uns ſo fuer Augen/ daß wir ihn nicht voellig erſehen moegen.45. D. Hierzu kommt auch dieſes/ daß andre Haendel niemand ſo tief zu Sinnn faſſet/ als ſeine eigne. Wann ich aber meine Meinung frey hiervon ſagen ſol/ ſo bedunket mich/ der allweiſe GOtt/ habe dem Menſchen dıeſe an= geneme Irrung/ ſeinen Verſtand hochzuhalten/ zu einem ſondern Troſt ge [186] laſſen; indem andre Weltgueter ſehr ungleich ausgetheilet/ daß wenig darmit zufrieden ſind, in dieſem aber ein jeder vergnueget iſt.46. J. Nun kommt der Spielſtab an den Herrn Reymund.
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Reymund.
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UNter allen Lehrgedichten/ koen ̅ en keıne den Namen mit beſſerm Fug erhalten/ als die/ welche etliche gewiſſe Kuenſte und Wiſſenſchaft= en lehren. Dergleichen lieſet man in der Chimıſten Buechern; ſind aber ſo tunkel fuergebracht/ daß man nicht mehr als einen fluechtigen Schatten darvon abſehen kan.(Straßburg gedr. 1615.) 2. D. Ein ſolches Buch iſt die Chimiſche Hochzeit Chriſtian Roſen= creutzers/ das Geſpraech Salomons/ mit der Koenigin aus Reich Arabia/ und andre.3. R. Viel beſſer aber hat mir gefallen des uebertrefflichen Engellaendiſchen Cantzlers Verulamii Benſalem/ oder Salomons Haus/ von welchem er dichtet/ daß gegen Mittag/ in den noch unbekanten Inſlen liege/ ein heiliges/ und mıt vielen Gottsfuerchtigen Gelehrten angefuelltes Land/ die erbauet [188] haetten einen Palaſt/ nach den VII. Tagen/ der Erſchaffung der Welt.4. C. Die Erfindung iſt ſchoen.5. R. Dichtet alſo/ daß beſagter Palaſt ſey abgetheilt geweſen/ in VI. Haubttheile/ deren jeder eine groſſe Weitſchaft uemfangen/ und abgeſondert’/ doch dergeſtalt/ daß es nicht 6. Haeuſer/ ſondern ein in die Rundung erbauter Palaſt geweſen.6. J. Es laeſſt ſich viel ſagen/ und ſchreıben/ das doch langſam zu Werke kommen kan.7. R. Dieſem Vorſchlag hat in Engelland ſollen nachgeſetzet werden; iſt aber durch den Krieg verhindert worden.8. A. Zu was Ende?9. R. Die Endurſache des gantzen Gebaeus/ und derſelben koſtbaren Zu= gehoer iſt geweſen/ die endliche Erkundigung aller natuerlichen Urſachen/ ſo weit es nemlich menſchlicher Verſtand bringen kan: Zu dieſem Ende haben alle [189] Gelehrte aus der gantzen Welt mit Koenigl Unkoſten beſtellet/ und darzu ab= ſonderlich unterhalten ſollen werden/ damit jeder an ſeinem Ort/ und alle mit geſamtem Raht/ und That/ alle Kuenſte und Wiſſenſchaften auf das hoechſte/ ſo immer mueglich/ und thunlich/ bringen ſolten.10. V. Gewiß iſt/ daß alles/ was geſchicht/ entweder uebernatuerlicher/ natuerlicher oder kuenſtlicher Weiſe gewirket wird. Ob wir nun vıeler Sachen natuerliche Urſachen nicht wıſſen/ ſo ſind doch ſelbe andern nicht verborgen/ die mehr Fleiß/ ſolche zu erkundigen/ angewendet.11. R. Wir wollen einen kleinen Blikk/ in beſagtes Salomons Haus thun; dann alles und iedes/ ſo darinnen zu betrachten/ viel Tage/ ja Jahre er= fordern ſolte.13. A. Waruem nennet er es Salomons Haus?14. R. Weil Salomon/ der weiſeſte unter allen Koenigen/ allein erkennet (1. Reg. 15.) die Geheimniſſen der Natur/ von den Cedern auf dem Libano an/ bis auf Hyſ= ſop/ der aus der Wand waechſt; hat alſo dem Erfinder dieſes Kunſtpalaſtes/ [190] odervielmehr deſſelben Baumeiſter dieſer Name beliebet/ wiewol er es nicht ausgebaut/ und kaum den Grund darzu aufgeriſſen hat.15. C. Wie wil aber der Herr durch ein Spiel ein ſolches Wun= dergebaeu fuehren?16. R. Solcher Geſtalt.J. Angelica ſol aus der H. Schrift ſagen/ was an jedem Tage erſchaffen wordenH. Degenwert ſol ein Kunſtſtuekklein aus meiner Beſchreibung auf= geben.J. Caſſandra ſol eine Frage beybringen.H. Veſpaſian ſol ein Sinnbild darzu erfinden.Fr. Julia ſol ſchuldig ſeyn/ etwas ſonderliches/ darbey zu merken.17. V. Obwol die H. Schrift nicht zu dem Ende geſchrieben/ daß man daraus natuerliche Urſachen eines/ oder des andern erlernen ſol; ſo iſt doch ge= wiß/ daß alles/ was von Erkundigung der Natur darinnen beruehret worden/ [191] ſo ungezweiffelt wahr/ als die darinnen befindliche Glaubensſachen. Sa= lomon wird ob ſolcher Wiſſenſchaft auch fuer weis und klug gehalten/ von der Koeniginn/ aus Reich Arabien; und dienete ſolche Betrachtung der Heyden (zun Roem. 1.) nicht wenig zu der Erkantniß Gottes; waruem ſolte ſie dann der Chriſten Frommkeitnicht vermehren/ indem ſie ſehen/ daß die Himmel erzehlen die Ehre Gottes/ und alles was auf der Erden waechſt/ bis auf das Gewuerm/ lob= et den HERRN/ wie die drey Maenner in dem Feuerofen ſingen.18. D. Viel ſtehen in dem Wahn/ daß alle Wıſſenſchaft/ auſſer der H. Schrift/ ungewiß ſey.19. C. So wollen wir nun in dem Vothof dieſes Palaſts ſtillſtehen/ und zuvor von der Frage hoeren: Ob eine Gewißheit/ und unfehlbare Sicherheit in den Wiſſenſchaften zu finden?20. V. Es ſcheinet/ ob alles unſer Wiſſen auf Zweiffel gegruendet were: eines Theils wegen des Menſchen Verſtands/ der in groſſer Unvollkommen= heit beſtehet/ und nichts ſo gewiß faſſen kan/ daß man nicht mit Gegenurſachen [192] ſolte ſtrittig machen koennen: anders Theils/ weil die Sinne ſo betrueglich/ daß wir auch denſelben nicht allezeit Glauben zuſtellen koennen. Das Aug ſol der gewiſſe Zeug ſeyn/ und ſihet doch das Entfernte kleiner/ als es iſt; den gerad= en Stab in dem Waſſer fuer krumm: den Mondſchein/ der ſo groß iſt als die Erde/ ſihet das Aug kaum in der Groeſſe eines Hollaendiſchen Kaeſes. Die Sonne iſt groeſſer Abends/ als Morgens/ wann wir dem Augenmaß glauben: Alſo gehet auch die Erde fort/ und ſtehet das Schiff ſtill/ andres Betrugs des Geſichts zu geſchweigen. Das Gehoer wird betrogen durch den Gegen= hall/ daß eine Trompete/ als fuenfe oder ſechſe derſelben erklinget. In dem Blitz und Donner werden unſre Augen und Ohren betrogen/ indem beede zu= gleich beſchehen/ aber zu ungleicher Zeit geſehen/ und gehoeret werden. Der Geruch und der Geſchmakk iſt bey Kranken und Geſunden ſehr betrueglich. Wann nun die euſſerlichen Sinne nichts Gewiſſes faſſen koennen; wie ſollen ſie dann denen innerlichen Sinnen ſichern Bericht von dieſem oder jenem vor= [193] (* Democri- tus) tragen koennen? daher jener * recht geſagt/ die Warheit ſey in einem Brunnen verborgen/ und werde ſchwerlich herausgeſchoepfet.21. J. Wiſſen iſt/ die Urſachen einer Sache erkennen: zweifflen/ iſt aus widrigen Urſachen einen Wahn faſſen. Waruem dem Aug in die Ferne alles kleiner ſcheinet/ und in dem Ohr die Stimme wiederhalle/ oder der Geſchmakk/ und Geruch ſich aendere/ deſſen Urſachen ſind uns nicht verborg= en/ und kan dahero nicht geſchloſſen werden/ daß keine Gewißheit in unſrer Wiſſenſchaft ſey.22. R. Unter allen Wiſſenſchaften ſind keine ſo gewiß/ als welche in dem Maß/ Zahlen/ und Gewichten beſtehen. Gleiche Zahl zugleicher Zahl/ bleibet gleich: uugleich zu ungleich/ wird gleich: gleich und ungleich/ bleibt ungleich. 2. mal 3. iſt 6. und 2. mal 6. iſt 12. Das Gantz iſt groeſſer als ein Theil/ und dergleichen unwiderſprechliche Sachen/ welcher Kundigung mit uns gleich= ſam geboren wird/ und mit Grund der Warheit eine Wiſſenſchaft ge= nennet werden mag.
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23. A. Beſagtes giebt keine Urſachen/ waruem dieſe ſo/ oder ſo/ ſondern erweiſet augenſcheinlich/ daß die Sache ſich alſo/ und nicht anderſt verhaelt; iſt deswegen keine Wiſſenſchaft/ weil es keine Urſachen vermeldet.24. D. Weıl aller Sachen gewiſſe Urſachen ſind/ die meiſten aber der= ſelben/ uns verborgen liegen; ſo iſt daraus zu ſchlieſſen/ daß die Wiſſenſchaft= en gewiß/ aber wenig zu finden/ dieſelbe gruendlich erforſchet haben. Die Un= wiſſenheit kan hierinnen nicht Richter ſeyn; und iſt eine ſtoltze Rede/ wann einer ſagt: Ich weiß keine Urſache/ daruem kan kein andrer auch ſelbe wiſſen/ oder erkundigen.25. A. Zu Folge angefangenen Vortrags leſe ich die Wort/ aus dem erſten Buch der Schoepfung/ alſo lautende: Im Anfang ſchuff GOtt Himmel/ und Erde/ etc. und GOTT ſprach/ es werde Liecht/ und es ward Liecht. Dardurch der erſchaffene/ unformliche Klump ſichbar gemachet werde.
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26. R. An der Pforten dieſes Hauſes Salomonis/ ſtehen zwiſchen beederſeits Toſcamſchen Seulen/ die Bilder des Himmels und den??? Erden/ deren ungeſtalte Runde/ ein Liecht beederſeits ueber= ſtralet.27. J. Ich bemerke hierbey/ daß alle 6. Theile dieſes Palaſts beſondere Pforten und Bilderſeulen haben werden.28. V. Mein Sinnbild iſt eine leere Weltkugel/ oder ein faules Holtz/ welches in dem Tunklen leuchtet/ verglichen mit der Wiſſenſchaft/ ſo wir von dergleichen Sachen haben koennen. Die Beyſchrift koente ſeyn:IN tunklem Bedunken.
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29. R. In dieſen Zimmern ſol alles/ was man von der Sehkunſt zu er= lernen/ beobachtet werden: als da ſind Vergroeſſerungsglaeſer/ Ferneglaeſer/ mancherley Arten Brillen: und wird gewieſen/ wie man die Geſichtsſtralen unterbrechen/ wiederblikken/ verdopplen/ ſchwaechen/ und vermindern ſol. Das Geſicht iſt gewißlich der edelſte Sinn: Zu ſolches Behuf/ hat die Kunſt nicht ein geringes geleiſtet/ durch die Glaeſer/ vermittelſt welcher man in die Sonne/ und in den Mond ſehen/ ja Sterne bemerken kan/ die ſonſten unſren ſchwachen Augen unſichtbar ſind/ wie die Mediciniſchen Flaemmlein/ die uem den Planeten Jovem ſtehen.30. C. Waruem nennet man ſie alſo?31. R. Weil ſie von Galılaeo Galilaei einem trefflichen/ und dieſer Sach= en wolerfahrnen Mann/ erfunden worden/ durch gnaedigen Vorſchub/ des Großhertzogen von Florentz/ von dem Haus Medici buertig. Es hat aber viel Jahr zuvor/ Jacob Metz/ eines Brillenmachers Sohn/ von Alcmar [197] (de Charde en ſa Dio- ptrique. f. 2.) in Holland/ zwey Brillenglaeſer/ deren das eine in der Mitten dikk/ und uem den Rand duenn das andre uem den Rand dikk/ und in der Mitte duenn/ in ein Rohr zuſammengeordnet/ und alſo den Gebrauch der Ferneglaeſer ungefehr er= funden; aus welchem Fund hernach mehr erdacht worden. Hiervon ein Mehrers zu gedenken/ muß ich mich etlicher Gleichniſſen gebrauchen/ dardurch des Geſichts Eigenſchaft leichterzu erlernen ſeyn wird.( dzCLXXXIV. Geſpraechſp.) Wer bey finſtrer Nacht gehet/ gebraucht ſich eines Stabs/ und verſich= ert durch deſſelben Fuehlen ſeine Schritte/ wie die Blinden pflegen.32. D. Daher hat jener/ der mıt den Haenden bey der Nacht gedappet/ und ſich an eine offne Thuer geſtoſſen/ den Wahn gefaſſt/ ſeine Naſe were laenger/ als die ausgeſtrekkten Arme/ und Haende.33. R. Was man nun mit des Stabs Spitze beruehret/ das fuehlt man ſo bald in der Fauſt/ wiewol es von ſelber entfernet iſt: gleicher Geſtalt/ was uns zu Geſicht kommet/ erſehen wir in einem Augenblıkk/ wann es auch ſo wei??? von uns/ als die Sonne von der Erden. Der Blinde fuehlet durch ſeinen [198] Stab/ was Stein/ Holtz/ Erde/ Waſſer iſt; wie der Sehende unterſche det die mancherley Farben: daraus zu ſchlieſſen/ daß nicht Weſentliches/ in unſre Augen kommen muß/ was wir erkennen ſollen. Das Mittel aber/ dardurch wir ſehen/ iſt das Liecht/ ohne welches wir alle gleichſam Blinde mit offnen Augen weren.34. D. Es iſt ein groſſer Unterſcheid/ zwiſchen dem erleuchten Luft/ und dem Stab eines Blinden.35. R. Es ıſt ein Gleichniß/ und aus dieſem erſten Gemaehl iſt nicht alles zu erſehen/ ſondern folget ferners hier eine Kuffe/ darinnen man den Weın kaeltert.
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Dieſe hat zwey Loechlein/ dardurch der Saft ausgepreſſet triefet: Der Saft aber wırd von vielen Traubenbeeren zugleich flieſſen/ als zum Exempel bemerket iſt/ durch C. D. E. ohne Verhinderung.
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36. A. Das verſtehen wir wol/ wie ſchikket es ſich aber daher?27. R. Alſo die Loechlein gleichen den Augen/ die von vielen Stralen zugleich erleuchtet werden/ ohne Verhinderniß eines/ oder des andern. Weiters ſehen wir hıer an der Wand einen Pallen/ trifft er die gerade Wand K. D. L. an/ ſo prelleter mit gleichen Winkeln wieder/ wie A. B. C. auf D. wiederprellen in G. H. I.
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Trifft der Palle auf eine ungleiche Wand/ ſo prellet er mit gantz ungleich en Stralen zuruekke/ nachdem die Kruemme iſt.38. D. Dieſes erfahren die Pallenſpieler taeglich/ wann der Pall nur eine??? krummen Stein antrifft.39. R. Wann aber der Pall in ein Waſſer/ oder durch eine Leınwad ge??? ſchlagen wuerde/ ſo geht er zwar gerad von A. bis B. von B. ſolte er gehen bis D??? [202] wird aber von dem Waſſer unterbrochen/ und gerichtet/ in grader Linie auf ??? jedoch nur mit halber Staerke.Dergleichen Beſchaffenheit hat es mit den Geſichtsſtralen/ wann ſie auf einen flachen/ bauchigen/ oder ausgeholten Spiegel/ oder durch ein Glas [203] treffen. Kurtz zu ſagen/ die Stralen/ ſo von einem Liecht fallen/ kom ̅ en mit ihren Gegenſtralen ın das Aug. Hier ſtehet auf der Fleche A. B. das Liecht C. iſt nun das Aug D. ſo empfaeht es ſeine Gegenſtralen: oder iſt die Fleche durchſichtig/ wie ein Glas/ Leinwad oder Papier/ ſo dringen die Stralen doch auf das Aug E.Geſetzt nun/ der Palle A. treffe auf die ebene Erde C. B. E. ſo iſt gewiß/ daß er wiederſpringt in F.
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und zwar in ſolcher Geſchwindig= keit/ als er von A. in B. geflogen iſt. Alſo lauffen auch die Sehſtral= en allezeit mit gleichen Winkelen/ in A. C. F. E. und in folgender Figur A. C. D. E.
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Wann aber das B. ein Raquet were/ daß mit gleicher Staerke gleich gewend= et/ den Pallen wieder zurukke ſchliege/ ſo ſolte er im A. wiederkehren. Gantz ſolche Art hat es auch mit den Stralen/ die durch einen Spiegel gegen unſer Aug gerichtet werden. Das Aug laeſſt ſich vergleichen/ mit dem Loechlein in einer finſtern Kammer/ dardurch auf einem weiſſen Tuch (mıt dem Haeutlein hinter dem Augapfel/ verglichen) alle Bilder/ ſo fueruebergehen/ geſtaltet werden: das Glas ſo man in beſagtes Loechleın ſetzet/ iſt der Augapfel/ dardurch die Stral= en ſchieſſen.(videatur Per ıus Betti= nus Apiar 6. prog. 3. c. 8.) 46. V. Hieraus kan ein feines Sinnbild/ oder Andachtsgemaehl er= funde ̅ werde ̅ / daß nemlich eine glaubige Seele/ in dem Finſterniß dieſes Elends/ durch das Heydenliecht/ ſo in die Welt kommen/ erleuchtet werde.DUrch den Glauben.
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Erklaerung.
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Wunderſchoenes Tagesliecht/ das die gantze Welt bemahlet/(VII. Andachtsge= maehl von des Glaubens Liecht.) und jetzumeines Hertzensſchrein durch erneuten Geiſt beſtralet: Ich leb’/ aber mit Gedult/ in der blinden Welte Nacht. Ich ſchweb’/ jede ſchnelle Stund/ in der finſtern Todes= macht. Himmel! Sterne! Sonnenglantz! helle Liechter! hohe Flammen! Engeltempel/ Wolkenſaal! was hılfft/ daß ich meinen Stammen von euch allen fuhre her? wann ich in der Erdengrufft mit verdůſtertblindem Sinn/ nicht durchblıkk’ in eure Lufft.
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Wann nicht durch der Mauren Riß/ mich ein Sonnenſtral beſcheinet’/ Haett’ ich in der Demmerung faſt die Augen ausgeweinet. Aber mich erleucht das Liecht/ das die Heydenwelt erfreut/ das vom hoechſten Himmel kommt/ und mein altes Hertz erneut. Durch den dikken Maurenriß/ (durch den Glauben will ich ſagen/) mahlet dieſer Silberſtral/ was uns Menſchen ſol behagen. Was dort ob der Sonnenlauff/ in der Engel Vaterland ſich begiebet/ wird gebildet hier an meines Hertzen Wand durch das rundgeſchliffne Glas. Mein Hertz gleichet dem Gemach/ das empfaehet ſeinen Glantz von dem hohen Himmels= dach.
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Daß ich GOTT in ſeinem Thron/ nunmehr kan zu ſehen hoffen/ ja/ zu ſo verlangtem End’/ iſt auch mein Hertz oben offen. Wol/ ich ſihe/ was ich nicht mit den Augenſehen kan/ in mir bricht durch ſolches Liecht/ jenes Tages Morg= en an.41. R. Wann wir uns nicht gar zu lang aufhielten/ wolte ich in den andern Zimmern weiſen/ die Zergliederung des Augs/ welcher Geſtalt die Bildung eines Dings/ in das Hirn gleichſam gedrukkt/ und hernach bey den Schwangern/ bis zu der Leibesfrucht wirklichſt gelange.42. J. Es kan zu andrer Zeit geſchehen. Ich merke aber hierbey/ daß jener eine groſſe Thorheit begangen/ der ihm die Augen ausgeſtochen/ einer Sache ohne wenıger Verhinderniß/ nachzuſinnen; weil wir durch das Ge [209] ſicht/ zu Betrachtung der Wunder Gottes veranlaſſt werden. Das Geſicht iſt der edelſte Sinn/ welcher ſich bis an den Himmel erſtrekket/ da hingegen alle andre/ nur auf ein gewiſſe Ferne gelangen/ das Geſicht iſt faſt ſo ſchnell/ als unſre Gedanken. Die Augen ſind die Waechter unſers Leibs/ und der Spıegel unſers Hertzen. Hingegen iſt die Fınſterniß und Blindheit eine Strafe und groſſes Elend. Abſonderlich iſt aber zu merken/ daß faſt alle Thıere/ die nur ſo viel Verſtand erweiſen/ als zu ihrer Erhaltung vonnoehten/ gleiche Augen hab= en: der Menſchen Augen aber/ ſind von unterſchiedlichen Farben/ wie ihr Sinn von unterſchiedenen Gedanken und Neigungen angefuellet. Daher auch (* Senſus in- ventionis.) das Geſicht der Sinn der Erfindung/* das Gehoer/ der Sinne der Unter= (* Senſus di- ſciplinae.) weiſung * genennet wird.43. D. Meine Kunſt iſt/ durch Spiegel ſcheinen machen/ als ob Geiſter/ und Geſpenſte herfuergebracht wuerden. Man nimt einen Spiegel in Form eines Cylinders/ oder einer kleinen runden Seulen/ haenkt |ihn in der Mitten eines finſtern Gemachs/ laeſſet drauſſen vor einem Loch im Laden allerley ab= [ID00289] [210] (P. Bettin.) ſcheuliche Gemaehle bewegen/ welche durch den Spiegel wiederſtralen. Man kan auch Spiegel von Eis machen/ wann man das Waſſer ueber ein verzientes Blech gieſſet/ und gefrieren laeſſet. Die Brennſpiegel werden von Staal ge= machet/ weil der Staal das zarteſte und haertſte Metall iſt/ dardurch die Sonn= enſtralen nicht brennen/ ſondern nohtwendig in einem Mittelpunct gehaeuffet/ ihre Hitze verſtaerken/ und anzuenden mueſſen.(P. Bettin. A- piar. VIII. progym. IV. propoſ. 2. boroll.) 44. C. Meine Frage iſt dieſe: Wann jemand ſein Aug in dem Mondſchein haette/ ob die Erden groeſſer ſchiene/ als ſie iſt?45. R. Ich ſetze/ daß der Luft von allen Daempfen gereiniget ſeye/ wie das reinſte Waſſer. Sage aber/ daß die Erd= oder Weltkugel viel groeſſer zu ſehen ſeyn wuerde/ wie ein Pfenning in dem Waſſer groeſſer ſcheinet/ als er iſt. Solcher Geſtalt ſehen wir durch die Brıllen/ ſo unfrem Alter ge= maeß/ viel beſſer/ weil dıe Stralen/ die ſonſten zuſammenlauffen/ durch beſagte Brillenglaeſer voneinander gehalten werden.
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46. J. Wann wir das gantze Haus Salomonis beſehen wollen/ ſo mueſſen wir weiters gehen/ und in gar zu ſchweren Sachen keine Zeit zubringen.
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Reymund.
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UNnſer Text lauter ferner/ wie J. Angelica leſen wird.(der zweyte Tag.) 2. A. Und GOTT ſprach: Es werde eine Feſte zwiſchen den Waſſern/ und dieſey ein Unterſcheid zwiſchen den Waſſ= ern/ etc. und GOtt nennet die Feſte Himmel.3. R. Dieſem Wundergeſchoepfe ahmet die Kunſt etlicher Maſſen nach/ in dem Diſtilıren/ oder Waſſerbrennen/ darinnen das Trokene von der Feuchte geſondert wird. Es iſt aber dieſe Feſte/ oder das Firmament der Himmel/ an welchem hernach die Sterne geſetzet worden: In Abſehung deſſen/ ſind bey oder zwiſchen den Doriſchen Seulen zu ſehen zween Engel/ in blauer Bekleid= ung/ deren der zur rechten Hand die Himmelskugel; der zur linken die Erd [213] kugel traegt/ und werden als Engel gebildet/ weil GOTT/ nach der Gelehrten Meinung/ die guten und boeſen Engel den zweyten Tag erſchaffen/ maſſe ̅ darbey nıcht ſtehet/ wie bey den andern Tagen/ daß GOTT geſehen/ daß es gut war.4. J. Wir wollen hoeren/ was hierinnen zu beobachten ſeyn wird?5. C. Zuvor aber frage ich: was von der Scheidkunſt oder Chi= mica zu halten?6. R. Dıe Chimia hat einen gantz ſchaetzbaren Gebrauch/ und wird mit einem Schatz verglichen/ den ein Vater ſeinen Kindern/ in einem Weinberg vergraben hinterlaſſen nicht wiſſend/ an welchem Ort: als ſie nun/ nach des Vaters Tod/ den Weinberg uemgegraben haben/ haben ſie zwar den Schatz nıcht (ich will ſagen/ die Kunſt Gold zu machen) gefunden/ aber den Wein= berg dardurch ſehr fruchtbar gemachet/ das iſt/ viel herrliche Artzneyen/ und Geheimniſſen der Natur ent???ekket. Hier wird nun gewieſen/ wie aus allen Erdgewaechſen das Saltz/ der Schwefel/ und das Quekkſılber gezogen werden [214] ſol; auf unterſchiedliche Weiſe/ daß die beſten Meiſter noch genug darinnen zu lernen haben. Die Erfahrung bezeuget/ daß ſie in ihrer Meinung gegruend= et ſind/ als zum Exempel: das Holtz naſſet ın dem Feuer/ wann es noch gruen/ und dieſelbe Naeſſe verrauchet/ wann das Holtz duerriſt: was uebrig iſt/ unter= haelt die fluechtige Flamme/ und brennt zu Aſchen/ ſo eine Schaerffe/ oder Saltz in ſich hat. Wann in den Liechten nicht eine Mercurialiſche/ waſſerıgte Feucht= en were/ ſo koenten ſie nicht rauchen. Viel ſind dieſer Meinung zuwıder/ und wollen behaubten/ daß durch die Verbrennung des Holtzes/ oder des Liechtes/ eıne gantze Veraenderung geſchehe/ welcher es ſonſten nicht faehig: gleicher Ge= ſtalt/ wie das Holtz in dem Waſſer die Feuchte/ ſo es zuvor nicht hat/ an ſich ziehet; und indem Feuer ertroknet/ welches beedes von euſſerlichen/ und nicht innerlichen/ weſlıchen Eigenſchaften herruehret. Die unterſchiedlichen Werk= zeuge/ welche dieſer Kunſt genoſſen gebrauchen/ ſind theils auch auf den hohen Bergen/ und tiefen Thaelern zu gebrauchen. Hiervon haben andre viel ge= ſchrieben/ denen wir nicht eingreiffen wollen.
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7. D. Zu verwundern iſt/ daß man den Aſchen von einer Roſe/ oder einer Bren ̅ nelſtel/ alſo zu richten kan/ (jedoch wird ein gantzes Jahr darzu er= fordert/) daß er ueber dem Liecht oder Feuer; ſeine erſte Geſtalt weiſet/ die(Guercetan. & Gaffarel.) darvon melden/ ſchreıben/ daß ſie es mit groſſer Verwunderung ſelbſt geſehen.8. J. Meine Anmerkung iſt/ daß/ wie ich ſagen hoeren/ das Gold/ gleich allen andern Erdgewaechſen/ einen Samen bey ſich haben ſol/ welcher durch das kuenſtliche Feuer/ gleichwie das Gold/ in der Erde/ durch die Sonne ge= zeitiget/ ſich vermehret und waechſet. Ob dieſem alſo/ und alle Metalle einer= ley Art/ und Eigenſchaften ſeyn/ von der Sonnen aber weniger oder mehr ge= zeitiget/ laſſe ich andre verfechten.9. V. Weil bishero von der Chimia geredet worden/ welche man zu Teutſch die Scheidkunſt nennen koente/ weıl ſie nichts anders thut/ als daß ſie das Reine/ von dem Unreinen ſcheidet; ſo mahle ich zu einem Sinnbild den Tod/ der in einem Diſtilierofen die Glut aufflammet; verſtehend/ daß des [216] ( den Anfangs= buchſtaben.) Menſchen Leib und Seele/ oder irdiſches und himmliſches Weſen/ durch den Tod geſchieden wırd.10. J. Was muß man aber ueber dieſes Sinnbild ſchreiben?11. V. Dieſe Wort: Durch den Tod geſchieden. Darunter aber folgende Erklaerung:
DEr tiefen Erden hohler Schlund (VIII. Andachtsge= maehl von dem Tod.) verhůllt die goldgemengten Schlakken: der Bergmann/ mit der ſcharffen Hakken/ erhebt dieſelben aus dem Grund: mit ſolchem angenemen Fund/ belaetſt er den ſtarken Nakken/ legt ſelbe mit des Feuers Zakken. zu ſchmeltzen in des Ofens Mund.
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Das Gold wird durch die Glut erkennt/ und von den Schlakken ausgebrennt. Der Menſch wırd durch den Tod geſchieden: der Leib wird in der Erd verzehrt; die Seele zu dem Himmel kehrt/ aldar ſie lebt in vollem Frieden.
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Reymund.
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NUn folget der dritte Tag.2. A. GOtt ſprach: Es laſſe die Erde aufgehen Graß und (der dritte Tag.) Kraut/ daß ſich hernach beſame und fruchtbare Baeume/ da ein jeglicher nach ſeiner Art Frucht trage/ und habe ſeinen eigenen Samen bey ihm ſelbſt auf Erden: und es geſchahe alſo.3. R. Zu Eingang dieſes Theils des Palaſts/ iſt zwiſchen Joniſchen Seulen zu ſehen das Bild des Feld= und Gartenbaues. Jenes hat neben ſich eine Pflugſchar/ auf dem Haubt einen Krantz/ von Kornblumen/ unter dem Arm eine Garb/ von allerley Getreid/ und in der Hand eine Sichel: Dieſes hat das Haubt gekroent/ mit allerley Laub von Baumen/ hat in der [219] Hand einen Birnbaum/ auf welchem etliche Aeſte gepeltzet/ in der andern eine Hippe.4. A. Wie/ ſind die Gaerten auch in den Zimmern zu ſehen?5. R. Ja/ in dem Gemaehl. Wirklich aber/ auſſer dieſem Haus Salo= monis. Der Feldbau iſt auſſen hieruem gelegen/ beſtehend in unterſchied= lichen Orten des Erbodens/ nach eines jeden Gewaechſes und Eigenſchaft bequemet: zu den frue und ſpaten Fruechten/ zu den wilden und zahmen Ge= waechſen/ zu den fremden/ und eınheimiſchen/ etc. Der Garten iſt abgeſond= ert/ nach den zwoelff Monaten/ nicht zwar von unfruchtbarem Holtz koſtbar er= bauet/ ſondern mit aller hand Kraeutern und Blumen/ ſo vıel in der neuen und unſrer Welte zu bekommen/ zierlichſt angepflantzet. In einem jeden Baum=(Verulam de Interior- rer. f. 237.) und Blumenfeld ſind die/ ſo das ſelbe Monat ueber bluehen/ und inden Winter= monaten/ alle die jenigen/ ſo ſtets uuverwelkt gruenen/ ausgetheilt: als Epheu/ Lorbeer/ Cypreß/ Bux/ Roſmarin/ Myrten/ Lavendel/ Wachholder/ Eiben= baum/ * Fichten/ weiſſe Tannen/ Singruen * mit weıſſen/ roten und(* Taxus. Pervinca.) [220] blauen Bluemlein/ Majoran. Dieſe kan man in dem Chriſtmonat/ theils in dem Feld/ theils in darzu gewaermten Stuben ſehen. In dem Jenner und Hornung bluehet das Seidelblaſt/ Friedelaria/ die fruee Tulipan/ Anemo= ni/ etc. In dem Mertzen kom ̅ en allerley Arten Veils/ blaue Narciſſen/ und viel andre/ welche zu ſehen ſind/ ın Marx Roſenkreutzers Blumenkalendern. Dieſer Blumen Geruch muß man nicht nur/ wann ſie abgepflokket/ ſondern wann ſie noch auf dem Staengel ſtehen/ genieſſen. Der erſte Theil des Gartens/ ſol die Grasweid/ der zweite/ den Blumgarten/ der dritte/ das Baum= gefild haben/ damit keines von dem andern gehindert/ und ſchoene groſſe Gaenge darzwiſchen gelaſſen werden/ was nun hierin ̅ en die Kunſt und Fleıs leiſten kan/ iſt leichtlich zu erachten/ und werden die Artzneyverſtaendigen/ nicht nur einen Luſtgarten/ ſondern auch einen Kraeutergarten hierbey anzuſtellen wiſſen/ in der= en Erkundigung noch viel ermangelt.(Sericum ve. getabile Verulam.) 6. D. Meine Kunſt/ ſo ich darzuzuſagen ſchuldig/ koente ſeyn/ die wachſ= ende Seiden/ welche von dem allerzaerteſten Flachs/ durch ſondern Fleis/ [221] auf einen darzu bequemten Erdboden/ kan zuwegengebracht werden. Was ſonſten in dem Gartenwerke/ und dem Feldbau fuer Handgriffe ſind/ wie auch/ wann man jede Blum/ und jedes Kraut ſamlen ſol/ hat beſchrieben vorbe= ſagter Roſenkreutzer/ und vor ihm/ Johann Carrichter/ und andere.7. J. Meine Anmerkung iſt/ daß GOtt der erſte Gaertner geweſen/ und zu des Menſchen Troſt die Gaerten/ als eine ſonderbare/ zulaeſſige/ unſtraeffliche Beluſtigung verſtattet. Alle koſtbare Palaeſte/ und Koenigliche Gebaeue/ ſind mıt Menſchenhaenden gemacht: zu dem Gartenwerk ſteuret die Natur viel= mehr/ und laeſſet uns die Freude des Landlebens/ ohn Verdruß der Einſamkeit/( Die Verrede der Feld= und Gartenbe= trachtung/ H. Johann Michael Dilherrns.) mit der Bequemlichkeit des Stadtlebens. Uber die unterſchiedene/ und faſt mehr als erdenkliche Arten/ der Erdgewaechſe/ iſt ſich billich hoechlich zu ver= wundern. Etliche haben keine Wurtzel/ wie die Pfifferling/ Schwammen und Manhen: Etliche haben nur die Wurtzel allein/ wie die Ruben: Etliche haben nur die Blaetter/ wie die Waſſerlinſen: Etliche tragen nur den Samen/ zu gebrauchen/ wie das Farnkraut: Etliche bringen Blaetter/ und Fruechte zu [222] gleich/ wie der Feigenbaum: Etliche bluehen/ und tragen keine Frucht/ wie die wilden Pomrantzen= und Granatenſtauden.8. C. Meıne Frage ſol ſeyn: Woher doch komme/ daß die Kraeuter meiſtentherls gruen ſeyn/ und etliche durch die Hitze/ etliche durch die Kaelte/ mit ſolcher Farbe zu= oder ab= nemen.9. R. Der erſte Saft/ von welchem die Kraeuter gemehret werden/ iſt weiß/ ſolche Farbe haben ſie alle in der Erden: ſo bald ſie hervorſproſſen/ werden ſie von der Erden/ und zugleich von dem Luft/ welche den Erdenſaft austroknet/ unterhalten: die Sonne alsdann veraendert in dem Wachsthum die Farbe/ und machet das Gewaechs gruen; wie man ſihet/ daß auch das ſteh= ende Waſſer gruenlich wird. Alſo iſt dıe gruene Farbe ein gewiſſes Kennzeıchen/ daß die Frucht zunimmet und reiffet; wie hingegen die gelbe Farbe ein Kenn= zeichen iſt/ daß die Frucht abnimmt/ und ihr Saft von der Sonne verzehr= et wird.
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10. V. Die Erdgewaechſe/ ſo ohne Beyſchrift zu erken ̅ en/ geben viel ſchoene Sinnbilder. Wir wollen aber hier ſehen/ daß GOtt/ uns elenden und armen Bettlern/ mehr giebet/ als wir wehrt ſind/ und verdienen koennen: da wir hingegen uns/ gegen unſre Mitchriſten ſehr unbarmhertzig erweiſen/ dardurch auch die Straffe des Undanks ueber uns ziehen; da wir doch Gottes(1. Cor. 15/35. Was du ſaeeſt wird nicht lebendig/ es ſterbe dann. v. 42. es wird geſaeet verweſlich/ un ̅ wird aufer= ſtehen unver= weſtich.) reichen Segen/ durch das Almoſen/ unfehlbarlich/ zu gewarten haben. Dıeſes bilde ich mit einem Saemann/ und der Beyſchrift:

Das hab ich/ was ich gieb.
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Hoert eine Wunderſach! Als ich juengſt ausſpatzierte/ da die benaſſte Furch/ die fetten Felder zierte/ ſah’ ich den Akkersmann/ mit reichgefuellter Hand(IX. Andachtsge= mahl vom Almoſen.) beſamen hin und her/ das neugepfluegte Land.
|| [224]

Das hab ich/ was ich gieb/ ſagt’ er/ mit frohen Sinnen: was ich verlohren hab/ das macht mich mehr gewinnen. Ich hab es GOtt vertraut/ dem beſten Schuldners= mann/ (* honeſta a- varitia. apud Senee. Ep. 1.) der mirs zu rechter Zeit/ |garwol erwiedern kan. Was ich aus gutem Geitz/ * geworffen in die Erden/ wird mir im reichen Herbſt/ mit Wucher wieder werden. Das hab ich/ was ich gieb. Ich traue meinem GOtt/ der den/ ſo ihm vertraut/ nicht laeſſt in Noht und Spott: der aus dem Leichengrab’/ uns Menſchenkan erwekken/ wird mich/ von dem Getreid/ den Segen laſſen ſchmekken: von dem/ was hier verweſt/ und gleichſam lieget todt/ giebt er uns (wann er wil) das ſatte Lebensbrod.
|| [225]

So hab ich/ was ich gieb’. Es hat ihn nicht gereuet/ dann/ als er ſelbe Stund/ den Samen ausgeſtreuet/ war alles aehrenvoll/ gleich in der Erndezeit/ die Halme waren falb/ wie ſie der Schnitter ſchneidt. Ein jedes Weitzenkorn/ hat eine Garb getragen. Nun gieb ich/ was ich hab/ hoert ich den Bauren ſagen.
Des Hoechſten liebſter Schatz/ das reichbefruchte Land/ iſt/ wie die Deutungweiſt/ des Armen Bettlers Hand. Wer kaerglich ſaeetaus/ hat nichts dardurch erſparet/(2. Cor. 9. v. 9. 10. Pſ. 112. v. 9.) er erndet wenig ein. Das/ was das Feld verwahret/ iſt kein verlohren Gut. Wer hier den Armen giebt/ des Kind geht nicht nach Brod; er wird von GOTT(Da Elemo- ſynam, ne filii tui indi- geant Ele- moſynâ Druſ.) geliebt.
|| [226]

Der ihm verſprochen hat/ die Fuell’ in dieſem Leben/ und dort zu ſe:ner Zeit/ des Himmels Kron zu geben. GOTT naehrt des Menſchen Volk/ mit ůberreicher (Plat. 110.) Treu; und ſeine Himmelsgnad’/ iſt alle Morgen neu.
|| [227]

Reymund.
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NUn folget der vierdte Tag.2. A. Ich leſe ſerners: Und GOtt ſprach: Es werden Liecht= er/ an der Feſte des Himmels/ und ſcheiden Tag und Nacht/ und geben Zeichen/ Zeiten/ Tage und Jahre.3. R. Zu Eingang dieſer Zimmer iſt zu ſehen/ die Abbildung der Sterne= kunſt; beſtehend in zweyen Bildern/ deren jedes an der Guertel ſechs himmliſche Zeichen hat/ das zur Rechten die Sonne/ und die Geſtirne/ der obern Himm= elskugel/ das zur Linken/ den Mond/ und die Geſtirne/ der untern Himmels= kugel/ der blauen Bekleidung eingewirkt. An beeder Haeubter ſind Fluegel zu ſehen/ bedeutend/ die hohen Gedanken/ ſo zu dieſer Kunſt erfordert werden. In dieſen Zimmern ſollen verwahret ſeyn/ alle die Geraetſchaften/ ſo zu der [228] Sternkunſt/ Sonn= und Monduhren/ Kalendermachen/ etc. vonnoethen/ ſamt allen darzugehoerigen Buechern. Unter allen Wiſſenſchaften/ ſcheinet dieſe die alleruebertrefflichſte zu ſeyn/ indem ſte nicht irdiſch/ ſonden himmliſche Sachen behandelt.4. J. Meine Anmerkung hiebey iſt/ daß die himmliſchen Geſchoepfe ſich (1. Moſ. 8/22. Jerem. 33/ 20/25.) nicht geaendert haben/ wie etliche Unberichte vorgeben/ ſondern daß ſo lang die Erde ſtehet/ nicht aufhoeret/ Froſtuend Hitze/ Sommer und Winter zu geben/ nach der Ordnung/ die GOtt gemacht hat. Wann auch eine ſo merkliche Aenderung vorgegangen ſeyn ſolte/ iſt gewiß/ daß die Sonn= und Mondsfinſterniſſen nicht koenten ausgerechnet/ und lang zuvor verkuendiget werden.5. A. Weil der Sonnen Lauff/ Sommer und Winter verurſacht/ neh= me ich daher Urſach zu fragen; welche unter beſagten Jahrszeiten die geſundeſte ſey?
|| [229]
6. R. Die Frage laeſſet ſich nicht mit ja/ oder nein beantworten; ſondern nach eines jeden Leibs Beſchaffenheit. Die Gallreichen befinden ſich beſſer in dem Winter/ als in dem Sommer. Die mit ſchleımigter Feuchte angefuellte/ ſind geſuender in dem Sommer. Zum zweyten/ iſt zu unterſcheiden das Alter: die Weiber und Kinder/ werden in dem Sommer geſuender/ als in dem Wint= er: erwachſne Juenglinge im Winter.7. V. Solcher Geſtalt/ kan man niemals etwas gewiſſes ſchlieſſen. Man betrachte den Menſchen/ als einen geſunden Mann/ bey voelligem Alter/ in einem noch zu kalten/ noch zu warmen Land. So ſage ich/ daß der Winter viel geſuender iſt/ als der Som ̅ er; weil durch dıe Kaelte die innerliche Hitz gleichſam verſchloſſen bleibt und dardurch alle Kochungen des Magens/ und der Leber beſſer geſchehen/ des wegen man mehr zu eſſen pfleget; wie dann auch durch die kleinen Schweißloechlein/ die Geiſterlein nıcht vertufften koennen/ wie in dem Sommer/ daher die Traegheit/ und Muedigkeit entſtehet.
|| [230]
8. D. Die natuerliche Hitze/ die Erhalterin unſer Lebens/ hat keinen aerg= ern Feind/ als die Kaelte/ ſo mit des Lebens Ende des Menſchen Leib zugleich an= faellet. Man ſihet/ wie alle Erdgewaechſe von dem Winter verderbet werden/ daß errecht von den Poeten genennet worden/
der Felder Bereiffer und Blumen Zerſchleiffer.Waruem fliehen wir aber zu dem Feuer/ oder erhitzen uns durch manch= erley Ubung/ wann wir nicht der Hitze mehr vonnoehten haben/ als der Kaelte? Die Sonne iſt die Gebererin alles Wachsthums/ und vermehret des Menſch= en Geſundheit/ ſo bald der Tag ſich erlaengert/ und ſie naeher zu uns kommet; dahin auch die Aertzte ihre Kranken vertroeſten.9. J. Solcher geſtalt were der Frueling/ von welchem die Frage nicht iſt/ derg eſundſte.
|| [231]
10. A. Es finden ſich aber in dem Lentzen/ am allermeiſten boeſe Feuchtig= keiten in den Menſchen.11. C. Zu welcher Zeit der Menſch am ſtaerkſten iſt/ dieſelbe wird ver= hoffentlich die geſundſte ſeyn; maſſen die Staerke ein gewiſſes Anzeigen der Geſundheit iſt: Es iſt aber der Menſch viel ſtaerker/ in dem Winter/ als in dem Sommer: daher ſchlieſſe ich/ daß die Winterszeit viel geſunder ſey/ als Sommershitz/ welche die innerliche Lebenswaerme ſchwaechet/ und verzehret. Doch iſt die gar ſtrenge Kaelte/ ſo wenig geſund/ als die gar zu groſſe Hitze: wann aber unter beeden eines/ den Vorzug hierinnen haben ſolte/ ſo iſt die Kaelte/ als der Geſundheit vortraeglicher/ zu wehlen.12. D. Hier weren noch viel treffliche Fragen beyzubringen. Von dem Donner/ und dem Blitz/ von den Flekken in der Sonne/ und dem Monde/ von(* Meteoris.) den Luftzeichen/ * wie ſelbe in der H. Schrift/ und bey den Naturkuendigern/ beſchrieben werden.
|| [232]
13. C. Dieſe Sachen ſind uns alle zu hoch.14. D. Von den Sonn= und Monduhren/ iſt zuvor Anregung geſcheh= en: daher wil ich eine Brodkunſt/ wie man zu reden pfleget/ beybringen. Wie man nemlich einen Liechtkompaß machen ſol?15. A. Das wollen wir gerne lernen.16. D. Ich nehme ein gantzes Liecht???/ und einen noch ungezeichneten Compaß/ zuende das Liecht an/ und wende zugleich eine Sanduhr uem: Iſt die halbe Stund ausgeloffen/ bemerke ich ſolchen Schatten/ auf dem Compaß/ alsdann die erſte gantze/ zweyte/ dritte/ vierte/ etc. Stunden/ ſo lang das Liecht brennet/ und man den Schatten in dem Compaß ſehenkam. Nun muß ich dergleichen Wachsliechte/ an der Laenge/ und Dikke mehr haben/ und den Compaß in vorigen Stand ſtellen/ ſo giebt das abnemende Liecht/ wie ſonſt der Sonnenlauf/ von jeder Stund ſeine gewiſſe Bemerkung. Vielen ſolte dieſe Sache unthunlich und laecherlich vorkommen.
|| [233]
17. V. Der Gottloſen/ mit Unrecht erhaltene Ehrenſtelle/ wird mit dem(Les proſpe- ritez de la terte ſont des esclairs ſuivis d’ un tonnere. Laretraite d’ Alcippe.) Blitz verglichen/ nach welchem der Donner/ und die Goettliche Straffe bald folget/ ſo erſtlich erſchrekket/ nachmals auch die Stoltzen zu Boden ſtuertzet.18. D. Dieſes iſt ein feine Gleichniß/ aber noch kein Sinnbild.19. V. Ich mahle einen Sonnencompaß/ mit dieſer Erklaerung:
Schaut/ wie die vermeſſne Kunſt/ den gewoelbten Himmel(X. Andachtsge= maehl von des Glau= bens Be= ſtaendigkeit.) miſſet/ und ausdollem Freveltrieb/ ihrer Ohnmacht gantz vergiſſet. Wol/ ſie ſchlaegt den Cirkel an/ dreht ihn nach dem falſchen Wahn eine Rundung/ ſagend frey: Hier der Auf= und Nidergang; hier Mittag/ hier Mitternacht; dieſer Himmel iſt ſo lang/
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und ſo breit in dem Begrief/ gleich der halben Kugel/ tief. (* Polus.) Dieſes iſt der Sonnen Weg/ dieſes iſt der Winkel Stern * hier ſind beede Sonnenwend’/ hier iſt/ was dort ſtehet fern. Dieſe himmliſch hohe Lehr/ zehlt der Sterne Flammenheer. Wol/ das Wort iſt nicht genug. Iſt auch dieſe Kunſt be= waehrt? Ja/ ſie weiſet eine Prob/ dem/ der ſie von ihr begehrt. Schau/ die ſchlechte Sonnenuhr/ folgt in allem der Natur. Wann die Morgenroete blikkt/ und die hohen Bergemahlt/ ſteht die Uhr hier angericht/ und wird voellig ueberſtralt/ auſſer/ daß der Eiſenſtrang zeiget/ durch den Schattengang/
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jeden Schritt des Tagesliechts; zehlend ihrer Reiſe nach/ rechnet/ wie ſie Meil fuer Meil gehet/ an des Himmels Dach. Hier in dieſer Meiſterprob/ weiſet ſich der Kuenſte Lob. Durch den ſteiffbefeſten Glauben/ welcher hier dem Schatten gleichet/ ſehen wir des Hoechſten Willen/ der uns ihm zu folgen zeichet. in uns dieſer Glaub nicht ruhet/ ſondern allen Gutes thuet. Wie nun in dem Winterwetter/ in denkaltbetruebten Zeiten/ dieſer Eiſenſtefft beſtehet/ unbewegt zu allen Seiten: ſo kan uns den waaren Glauben/ keine Noht und Trůbſal rauben.20. J. Iſt alſo dieſes Sinnbildes Gemaehl eine Sonnenuhr: der Ubel= ſchrift aber iſt noch nicht gedacht worden.
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21. V. Man kan darzu ſchreiben:der Sonnen Weg.oder durch den Schatten ſchau das Liecht/ n ̅ emlich durch den Glaub= en die Sonne der Gerechtıgkeit.
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Reymund.
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NUn folget ferners/ wie J. Angelica leſen wird.2. A. Und GOtt ſprach: Es errege ſich das Waſſer/ mit bewenden/ und lebendigen Thieren/ und mit Gevoegel/ das auf Erden/ unter der Feſte des Himmels fleugt.3. R. Die Bilder/ zwiſchen den Seulen/ von zuſammengeſetzten Zier= arten * weiſen das Waſſer/ und die Luft. Das Waſſer wird auf manche(dell’ ordi- ne Compo- ſito.) Weiſe gebildet/ durch den Neptun/ auf einer Muſchel/ mit Meerpferden fahr= end: durch die Flußgoettinnen/ auf groſſen Waſſerhaeffen lehnende/ etc. ſolche Gemaehle aber dienen uns nicht/ weil ſie von den Heydniſchen Gedichten ge= nommen ſind.
|| [238]
4. J. Wie koente man aber das Waſſer anderer Geſtalt vorſtellen?5. R. Durch eine entbloeſſte Weibsperſon/ uemgeben mit einem weislich= blauen Leibband/ das gleichſam wellenweıs in dem Luft ſchwebet. Dieſes Bıld ſtehet auf einem Anker/ iſt uemhaengt mit Perlen/ und Corallen/ hat die Brueſte mit zweyen groſſen Muſcheln bedekket/ ſteuret ſich auf ein Ruder/ und traegt eines Walfiſches Rachen/ oder ein Schiff auf dem Haubt.6. J. Wie man nemlich ſonſten dem Erdenbild Haeuſer auf das Haubt mahlet.7. R. Der Luft wird ferners gebildet/ durch eine junge und ſchoene Weibs= perſon/ uemgeben mit einer Wolken: Ihre Haare ſind ausgebreitet/ und ſchweben in der Luft: in der Hand traegt ſie einen Falken/ oder Pfauen/ und hat (Plin. l. 8. c. 33.) unter den Fueſſen liegen/ das Thier Camaleon/ welches von dem Luft leben ſol. Es koente auch ueber ihr ſtehen ein Regenbogen. Die Kuenſte/ ſo in dieſen Zimmern behandelt werden/ ſind von den kuenſtlichen Waſſerwerken/ Gebaeu= en/ Meerhaefen/ Schiffarten/ Schiffbauen/ allerhand Waſſergewaechſen/ [239] von allen Thieren in dem Meer/ ihren Eigenſchaften/ Namen/ Nutzen/ Bein=oder Geraetkrippen/ und was mehr davon geſchrıben/ und erdacht werden kan. Nicht weniger iſt benebens zu betrachten/ die Beſchaffenheit des Lufts/ wie derſelbe mit dem Waſſer/ und der Feuchte vereinigt/ getrennet/ vermehret/ gezwaenget (als in dem Ballon/ und den kuenſtlichen Lufthoehlen beſchicht) ge= reiniget/ und wie der Wind/ in der Hoehe viel ſtaerker/ als auf der Erden ſeye/ welches letzte aus dem Schiffſegeln leichtlich zu erweiſen iſt.8. J. Ich merke hierbey/ daß alle Waſſer aus dem Meer kommen und(Sirach 22.) wideruem in das Meer flieſſen; daher unſchwer zu ermeſſen/ woher auf den hoechſten Bergen/ die ſtetstriefenden Brunnquellen entſtanden: weil nemlich der Hoechſte in der Erſchaffung/ ſolche Waſſergaenge hat gleichſam angezaepft/ daß ſich das Waſſer nach und nach herauszıehet/ wie durch einen Trichter/ da= mit nichts leeres in der Erden erfunden werde. Laufft nun ſolches Waſſer durch gutes Aertz/ ſo nimt es deſſelben Farb/ und Tugenden an ſich/ daher die Sauer= und Geſundbrunnen ihre natuerliche Urſachen haben.
|| [240]
9. D. Meine Kunſt iſt dieſe/ daß das Waſſer in dem Sommer gefriere. Man nimt eın ſiedendes Waſſer/ geuſſt es ın eine glaeſerne Flaſche/ und ſtekket ſelbe/ ſo geſchwind es ſeyn kan/ in eine kalte Quelle: ſolcher Geſtalt/ wird Hitz und Kaelte/ miteinander ſtreiten/ bis die Hitz von der Kaelte ueberwunden/ und das Waſſer gefriert. Alſo machet man auch den gefrornen Wein/ in kaltem Waſſer wieder aufleinen/ daß er ſeıne Kraft behaelt.10. C. Ich frage: Waruem das Eis/ welches kaelter iſt als das Waſſer/ doch ſo viel leichter ſeye?11. R. Unter dieſer Frage ſind etliche andere verborgen.1. Waruem das Eis haerter ſey/ als das Waſſer? 3. Waruem es leicht= er ſey? das harte iſt meiſtentheils ſchwer: das weiche leicht. Waruem das warme warme Waſſer viel ehe gefriere/ als das kalte.Die Urſach iſt der erkaelte Luft/ welcher die Geiſterlein in dem Waſſer/ gleichſam austreibet/ und ſich in eine Haerte verſchleuſſt/ indem nemlich des Waſſers Obertheil am erſten gefriert/ wie an den Flueſſen zu ſehen iſt/ wegen [241] ſolcher Zuſammendrukkung/ wird das Eis hart/ aber nicht ſchwer/ weil der leichte Luft darinnen verborgen lieget. Der Schnee/ iſt wegen beſagter Ur= ſache/ auch leichter/ als das Waſſer. Im Gegenſpiel/ wann das Eis kein Waſſer in ſich hat/ welches geſchicht in den tiefen Thaelern/ da das Waſſer von unten aufgefrieret/ und den Luft austreibt; ſo iſt ſolches Eis ſchwerer/ als das Waſſer/ und wird von uns genennt Kryſtall/ der nicht ſchwımmen kan/ wie das Eis.12. D. Man kan aber auch machen/ daß der Kryſtall ſchwimmt/ wann man denſelben aushoelet/ daß ſo ſchwer Waſſer hineingehet/ als das gantze Gefaeß wigt.13. V. Nun ermangelt mein Sinnbild/ welches ſeyn ſol ein Fels/ daraus eine Quelle ſtrudelt/ mit der Beyſchrift:
|| [242]

Hoff/ da nichts zu hoffen iſt.
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(Rom. 4/18.) Es ſind die Wort des Patriarchen Abrahams/ der aus dem erſtorbenen Leibe Sara Erben verhoffte/ da ſie nach menſchlicher Vernunft/ in ihrem hohen Alter nicht mehr geberen konte. Die Erklaerung ſey folgende.

NEptun/ oder das Waſſer redet.
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(XI. Andachtoge= maehl von der beſtaend= igen Hoff= nung.)
Mich zwingen der Berge hochfelſigte Waeler/ Zu flieſſen und ſchieſſen durch ſchlankende Thaeler/ zu wallen und fallen/ mit wachſendem Strom/ zu mehren die Fluten und Struten im Meer/
|| [243]
die Wellen zu ſchwellen mit haſtigem Sohm; *(* Sohm oder Soom iſt ein altes Wort/ und ſo viel/ als ein Laſt/ daher die Sohmroß den Namer haben.) von dannen auch wieder zurukke mich kehr’. Ich ſuche der Erden tiefſchroffigten Enge/ und folge durch gulden= und ſilberne Gaenge/ verliere des Meeres wildſalſigte Kraft/ ich trinke die Tugend von vielen Metallen/ ſie fůhrend in meinem nie ruhenden Saft/ und pflege viel ſeltene Wege zu wallen. Man findet auf Falſen viel zapfende Quellen/ getrieben von fernenſaltzſchaumigen Wellen/ Wie? kommet das laſtige Waſſer aus Stein? das Weiche beginnet in kieſigter Haerten/ uns ſchenket die Schwere von obenab ein/ und triefet mit liſpelen/ ſonder Geferten.
|| [244]
Ihr Menſchen kom ̅ t/ Felſen und Steine zufragen; ob jemals Gott laſſen den Frommen verzagen? Er fuehret die Heiligen wunderlich um. Iſt Waſſer aus trokkenen Steinen zu hoffen/ ſo ſtehet/ zu Gottes ſtetswaerendem Ruhm/ den Menſchen in Noehten/ das Hoffen auch offen. Vom Himmel pflegt Tauen und Regen zu fallen/ das Waſſer wil wiederuem wolkenan wallen/ durch Hitze der Sonnen gezogen empor; die Threnen/ ſo ſchmertzlich betrůbte vergieſſen/ die ſteigen bis neben den Engliſchen Chor/ Ihr koennet in Hoffnung der Freude genieſſen.Dieſe fluechtige Reimart/ iſt meines Erachtens/ zu dem Waſſer nicht unſchikklich.
|| [245]
14. J. Wo bleihet aber vorgedachte Obſchrift?15. V. Weil dieſes Gedicht die Wort der Schrift nicht leidet/ die Bey= ſchrift aber mit eingebracht werden ſol/ koente man an derſelben ſtatt dieſe ſetzen:Es ſtehet den Menſchen das Hoffen ſtets offen.16. D. Die Hoffnung wird mit Fug der Zehrpfenning des menſchlichen Lebens genennet/ und ıſt der ungluekkſeelıg/ der keine Hoffnung hat/ und ver= meinet/ Gott habe keine Mittel/ ihm in ſeinen Noehten zu helffen/ da er doch troeſtlich ſaget: ſeine Hand ſey nicht verkuertzt/ daß er nıcht helffen koenne/ und ſeine Ohren nicht dikk worden/ daß er nicht hoere?17. C. Was folget ferners?
|| [246]

Reymund.
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MUß ich allezeit erinnern/ daß J. Angelica ſol fortlefen?2. A. Und GOtt ſprach: Die Erde bringe herfuer lebendige Thiere/ einjegliches nach ſeiner Art/ viel Gewuerme auf Erd= en/ etc. Und GOtt ſprach: laſſt uns Menſchen machen/ ein Bild/ das uns gleich ſey/ die da herrſchen/ ůber die Fiſche im Meer/ und ueber die Voegel unter dem Himmel.3. R. Bey dem Eingang dieſes Zimmers/ ſind zwiſchen den Seulen/ vor= gedachter/ doch andrer Geſtalt/ gezierter Ordnung/ zu ſehen/ Bilder/ gleich den Todenkrıppen/ eines Menſchen/ und eines Loewen. Hieraus iſt leichtlich zu er= achten/ daß in dieſen Zimmern zu ſehen ſeyn/ und behandelt werden ſol/ alles/ was von des Menſchen Leib/ und Seele/ wie auch alles/ was von den Thieren [247] kan geſagt/ und ausgedacht werden. Hieher gehoeren die Geſchichte/ von allen beruehmten Leuten/ die jemals gelebt/ die Beſchreibung des menſchlichen Leibs/(* Anatomiâ.) mit deſſelben Zergliederung. * In den Thieren/ wollen die Gelehrten/ daß ſolche Zergliederung nicht nach ihrem Tod/ ſondern weil ſie leben/ und alle Be= wegungen/ ſo in den Geiſterlein des Gebluets beſtehen/ viel gewiſſer koen ̅ en beob= achtet werden/ geſchehen ſolle. An denen/ darzu nohtwendigen Buechern/ und Werkzeuge/ ſol es in dieſen/ und allen Zimmern nıcht ermanglen/ ſondern die/ noch der Zeit unbekante erfunden/ und die erfundene beygeſchaffet werden.4. J. Dieſe Sachen alle/ wollen wir den Gelehrten auszufuehren/ ueber= laſſen. Ich will hierbey merken/ daß unter den Menſchen die Weiber viel edler ſeyn/ als die Maenner in ihrem Geſchlecht.5. V. Wir wollen die Urſachen anhoeren.
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6. J. Indem uns die Maenner aufwarten/ und unſer begehren/ geſtehen ſie heimlich/ daß ſie uns wuerdiger achten/ als ſich ſelbſten; maſſen niemand be= gehret/ was veraechtlich iſt/ und er nicht hochhaelt. Der Mann iſt von der Erd= en geboren/ das Weib von dem Mann: ſo viel der Mann hoeher zu ſchaetzen/ als die Erde/ ſo viel iſt das Weib wehrter/ als der Mann. Wie erzehlter maſſen die Erſchaffung von den geringſten Thieren/ bis auf die vornemſten/ die Ord= nung gehalten worden/ alſo iſt der Mann nicht das letzte/ und oberſte Ge= ſchoepf/ ſondern das Weib/ welches nach dem Mann erſchaffen worden. Be= treffend die Gaben/ ſo beeden ertheilt/ ſo ſind die Weiber/ insgemein/ ſchoener= als die Maenner/ ihr Verſtand zeitigeteh/ und iſt viel geſchwinder/ daher ſie nach den Geſetzen im zwoelfften Jahr fuer mannbar gehalten werden/ da hin= gegen die Mannsperſonen in den 14 oder 15. Jahren vogtbar ſind. Sie erweiſen mehr Tugend und Standhaftigkeit/ in Beſchuetzung ihrer Keuſch= heit. Sie ſind viel getreuer/ viel mitleidiger/ viel liebreicher/ viel weichhertziger/ und gedultiger/ als die Maenner. Sie ſind auch mehr Unheil unterworffen/ [249] indem ſie als Eva Toechter/ mit Schmertzen Kınder gebehren/ da viel A= damsſoehne/ ıhr Brod nicht im Schweiß ihres Angeſichts eſſen: deswegen ſie mehr Lohn zu gewarten/ weil ſie mehr leiden/ und ausſtehen mueſſen. Wann man durch die Geſchicht gehen wolte ſolten ſich faſt ſo viel gelehrte/ und tapf= ere Weiber/ als Maenner finden: dadoch vermutlich derſelben/ aus Neid wenig gedacht worden. Ich erinnere mich hierbey der Fabel, daß ein Mahl=(Fabel.) er einem Loewen auf einer Tafel gewieſen/ wie ein Jaeger einen Loewen erwuergete: darauf der Loew geſagt wann wir Loewen mahlen koenten/ ſo ſolten mehr Loewen die Jaeger/ als Jaeger die Loewen uemgebracht haben. Alſo ſage ich/ wann wir Weiber/ die Buecher geſchrieben haetten/ ſo ſolten unſres Geſchlechts Tugenden/ der Maenner Thaten leichtlich uebertreffen.7. R. Weil hier innen alle Richter/ einem oder dem andern Theil zuge= than ſeyn/ will ich aus ſchuldiger Ehrerbietung/ noch den Weil sperſonen zu Nachtheil/ noch den Maennern zu Vortheiliſprechen/ ſondern beede mit Still= ſchweigen ehren.
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8. A. Man kan die Weiber dergeſtalt loben/ daß man die Maenner dar= bey nicht verachtet. Gott hat beede erſchaffen/ zu vernuenftigen Menſchen; beede mißbrauchen ihren Verſtand/ und gebrauchen auch ſelben zu allen loeb= lichen Tugenden/ zu welcheu keinen Theıl der Weg verſchloſſen iſt9. D. Weil ſich die Weiber gerne loben hoeren/ will ich/ aus Hoeflichkeit ihrem Geſchlecht/ das ſonſt ein ſchwacher Werkzeug genennet wird/ den Vor= zug/ und hoehere Wuerdigkeit/ nicht widerſprechen.10. C. Es giebt in allen Orten gute und boeſe. Ein Weib kan mehr Tug= enden haben/ als ein Mann, ein Mann kan auch ein Weib/ in allem ueber= treffen: und iſt nicht aus dem Geſchlecht ohne Unterſcheid/ ſondern von jeder Perſon anſonderlich/ das Urtheil zu faellen. Eines oder des andern Maengel koennen nicht allen/ und jeden zugemeſſen werden.11. V. Weil die Weiber aus Adams Riebe erſchaffen ſind/ iſt kein Wunder/ daß ſie harte Koepfe haben/ und hat Gott von ihnen nicht geſagt/ wie von andern Geſchoepfen daß ſie gut ſeyn. Gott hat ſie auch dem Adam zu [251] geſellt im Schlaff/ als er ſolche verderbliche Gefertin/ noch nicht erkant hatte. Dergeſtalt/ daß/ wann man betrachtet/ was Nutzen die Weiber/ in Vermehr= ung des menſchlichen Geſchlechts ſchaffen und das Unheil/ ſo ſie in der Wel= verurſachet/ koennen ſie mit Wahrheit genennet werden: Ein nohtwend= iges Unglůkk. Das Unkraut zeitiget eh/ als die gute Frucht/ iſt aber des= wegen nıcht mehr wehrt. Die ſchwangern Weiber ſetzen den lınken Fuß/ nicht ohne ſonderliche Deutung vor/ und wurden 60. Tage in dem alten Te= ſtamente als unreine gehalten/ wann ſie eine Tochter, und nur 30. Tage/ wann ſie eınes Soehnleins genoſſen. Es kan aber hierinnen niemand beſſer Richter ſeyn/ als der Haußlehrer Sirach/ wann er ſagt: Der Wein und die(Cap. 19/2.) Weiber/ bethoeren die Weiſen.Und was darf viel Fragens: es bleibt darbey/ daß der Mann des Weibes Haubt/ ſie ihm unterthan/ und nicht ihres eıgnes Willen ſeyn ſol.12. R. Der Fr. Julia Anmerkung/ iſt vielmehr eine Frage/ die unter [252] ſchiedliche Meinungen und Urſachen leidet/ wird ſie alſo ſchuldig ſeyn/ eine andere Anmerkung beyzubringen/ oder ein Pfand zu reichen.13. J. Weil von den Thieren zu reden kommet/ will ich zur Buß/ begang= enen Fehlers/ zweyerley Anmerkungen beybringen. I. von den Bienen/ daß ihre waechſerne Zellen/ alle gleich ſechsekkigt/ deren jeden Seiten der halbe Theil (* Diameter.) * von dem durchgeſchnittnen Cirkel. II. bemerke ich der Spinne Kunſtge= wirk/ welches ſo richtig nach dem Ebenmaß ausgetheilet/ daß in dem Mittel= punct die zweymal ſechs/ das iſt/ zwoelff Faeden ſich kreutzen/ und ſo maßrecht getheilet/ daß kein Faedelein beweget werden kan/ deſſen die Spinne in der Mitte nicht ſo bald eintraechtig werden ſolte. 1
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14. C. Meine Frage ſol ſeyn: Ob die Welt aelter werde?15. V. Wann die meiſten Stimmen gelten/ ſo were der Schluß leicht zu machen/ daß die Welt veralte/ und in ohnmaechtigem Zuſtand/ zu Ende gehe. Die ſolches waehnen/ ſind meiſtentheils alte Leute/ und vermeinen/ der Himmel ſey verfinſtert/ wann ſie nicht mehr wol ſehen. Die Menſchen mueſſen ſtetig etwas zu klagen haben/ es geſchehe mit/ oder ohne Ur= ſachen. Weil aber das End der Welte uebernatuerlich erfolgen wird/ iſt auf keine wirkliche Abnehmung zu ſehen. Weil die Elemente mit ihren widrigen Eig= enſchaften ſtreiten/ iſt der Welt Abnehmen nicht zu befoerchten. Eines Dings Untergangs/ iſt des andern Aufnemen/ und kan/ ohne Wunderwerk/ ſo wen= ig etwas nichts/ als aus nichts etwas werden.16. R. Wann man durch das Woertlein Welt/ verſtehet die Menſchen/ ſo nehmen dieſelben an den Tugenden ab/ und an der Zahl und Boßheit zu: dann man ſonſten|keıne ſo groſſe Kriege/ lange Zeit/ fuehren koente: wıewol [254] in einem Ort mehr/ als in dem andern. Wann man aber das Welt= gebaeu verſtehet/ ſo iſt darinnen kein Alter zu ſpueren/ aus vorangezoguen Spruechen.17. D. Die Menſchen nehmen ab/ an ihren Jahren/ an ihren Kraeften/ wie auch die Kraeuter/ und Fruechte/ keine ſo gute Nahrung geben/ als vor Zeiten. Hieher gehoeren die viel unerhoerte Krankheiten/ von welchen unſre Vor= fahren nichts gewuſt.18. J. Es ıſt ein Unterſcheid/ zwiſchen alt und verſtaendig werden/ und Abnehmen/ wie ein alter Mann/ der ſich mit vielen Krankheiten dem Grab nahet.19. A. Ich wolte lieber ſagen/ die Welt werde jaehrlich neu/ indem in der= ſelben je mehr und mehr Menſchen geboren werden.20. C. Wie man in einem Cirkel nicht ſagen kan/ welches der Anfang/ oder das Ende ſey: ſo kan man auch in der Welt Lauff nicht ſagen/ was neu/ [255] oder alt ſey. Alles nimt ab; alles nimt wieder zu/ und iſt die groſſe Welt in in dieſem Fall/ mit der kleinen Welte nicht zu vergleichen.21. D. Mein Kunſtſtuekk ſol ſeyn/ daß man des Menſchen Leib (von ein= em Ubelthaeter/ dann ſonſten die Verſtorbnen/ alle Kraft verlohren haben) durch die Kunſt/ zur Erden machen/ und allerley Geſaeme darein ſaeen kan/ nach Unterrichtung der Chimiſten. Wie auch der Menſch/ und alle Thiere/ zu der Artzney/ ſowol als Gold und Silber/ ſo GOtt/ noch zum Pracht/ noch zum Geitz erſchaffen/ dienen/ iſt von vielen uemſtaendig be= ſchrieben worden.22. V. Weil der Menſch das edelſte Thier/ und in demſelben/ das edelſte die Vernunft/ welche ihr Abſehen auf Gott hat/ will ich zu einem Sinnbild mahlen/ den unanſehlichſten/ aber doch edelſten/ und nutzlichſten Magnet/ od= er Eiſenſtein/ in einem Meercompaß/ der einem Hertze/ gleich geformet iſt/ mit folgender Erklaerung.
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(XII. Andachtsge= maehl von der Beſtaendig= keit.)
MAnhoert/ den ſchwanken Wind/ der Wellen Berge haeuffen/ man ſihet ſeinen Grimm/ zerſchmeiſſen/ und er= ſaeuffen/ erſchittern meinen Kiel/ zerſchlittern meinen Maſt/ und zwingen den Patron/ daß er den reichen Laſt wůrfft ploetzlich ueber Port. Wer kan/ wer kan vor Grauſen? der Fluten Wuerbelſchaum/ des Nordes Stuermerbrauſen/ den pfeilgeſchwinden Blitz/ den Stral und Donner= ſchlag entweichen in dem Schiff? wer fůhrt nicht groſſe Klag? Was Mittel/ Huelff und Raht/ iſt dieſes Orts zu hoffen/ wer iſt wol auf dem Meer/ dem ſchnellen Tod entloffen?
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der Schaum und Wetterleucht/ ſind in der Nacht das Liecht/ es ſchaut das matte Hertz/ des Todes Angeſicht/ indem er naeher komt. Wie nun? das Schiffgezimmer zerſcheitert und zerſtuekkt/ in ſaltzbenaetzte Druemmer. Das Leichte ſchwimmt empor/ das Schwere ſinkt zu Grund/ das anvertraute Gut/ verſchlingt des Meeres Schlund. Der wil dort auf dem Maſt/ der auf dem Bret ent= ſchwimmen/ man hoeret ein Geſchrey/ von vielen Jammerſtimmen. Iſt alles gleich dahin/ und an den Strand gelendt/ iſt doch der Meercompaß/ von Norden nicht ge= wendt.
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es gehe/ wie es woll’. Ach/ werhat doch getrieben/ das Eiſen artend’ Aertz/ den Himmel ſo zulieben? der wunderreiche Stein/ der nutze Schiffmagnet macht/ daß ſein Angelpfeil/ faſt unbeweget ſteht.
Wol nun/ es ſol mein Hertz dergleichen Zeicher geben/ und in dergleichen Fall/ nicht fallend/ bebend ſchweben: Obgleich der Donner rollt/ und folgt der Blitzer Liecht/ (Pſal. 42.) ſo will ich ſicher ſeyn/ es wird mich treffen nicht. Ob mich nun/ wie das Schiff/ des Ungluekks ſtrenge Flut/ beraubet alles Habs/ und kraenket meinen Mut.
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der Leichenblaſſe Neid/ ſchaumt gleich denſelben Wellen/ erſchoettert meinen Sinn; doch ſoll es mir nicht fehlen; weil meine Hertzbegierd/ ſich nach dem Himmel richtet/ und das/ was irdiſch iſt/ als Erdentand vernichtet. Ich ſage/ die Begierdiſt gleich der Angel Spitz’ indem ſie windgeſchwind/ zielt nach der Engel Sitz. Betruebniß/ Noht und Angſt/ kan zwar das Hertz erregen/ und durch den Jammerfall/ bald hin und her bewegen/ doch bleibt des Hoechſten Lieb’/ in unverrukktem Stand/ mich treibet der Magnet/ weit von dem Erdenland.
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23. R. Der ſiebende Ruhtag/ iſt dieſer Welt nicht zu hoffen/ indem wir nemlich mit den Wiſſenſchaften/ und in der Vergnuegung des Gemuets/ (Qui quaerit ſcientiam, quaerit do- lorem.) vielmehr die Unruhe ſuchen/ und finden. Von der Handarbeit kan man leichtlich abſtehen/ von den Gedanken aber niemals; dann eın jeder Menſch/ ſtetıg etwas gedenket/ und zum wenigſten das/ daß ſeine Gedanken auf nichts Gewiſſes gerichtet ſind: gleicher geſtalt iſt auch in allen Geſchoepfen/ keın Ruhe= ſtand zu befinden; ſie wachſen/ und nehmen zu/ oder welken/ und nehmen ab. Ihre hoechſte Vollkommenheit aber/ iſt ſchwerlich zu erlernen.24. D. Hier were vıel zu fragen/ von der ſtetswaerenden Bewegung/ ob ſolche durch die Kunſt/ ohne Zuthun der natuerlichen Bewegung des Feuers/ oder des Waſſers/ zu Werk gebracht werden kan. Von der Muſic/ von den Zahlen und ihren Eigenſchaften/ und koente man von einem jeden Tag ein ab= ſonderliches Buch/ ja mehr als eines ſchreiben.25. J. Dieſe Sachen ſind fuer uns zu hoch/ und wollen lieber erwarten/ was J. Angelica fuer eine Aufgabe ausgedacht/ nachdem der Spielſtab in ihren Haenden/ und ſie faſt lang gedichtet.
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26. C. Es iſt kein Wunder; weil faſt ſchwer etwas Neues/ und Luſtig= ges vorzubringen/ nachdem von ſo vielen Sachen/ bereit geredet worden.
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Angelica.
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ES iſt bishero geredt worden/ von den Eigenſchaften/ und wie ſelbe des Menſchen Sinn/ nechſt Gott/ vergnuegen/ und kraeftigſt erfreuen. Weil aber H. Reymund gedacht/ daß auch in denſelben eine Un= ruhe/ und ſchmertzliches Verlangen/ wegen der Unvollkommenheit/ alles Wiſſens ſeye/ werde ich darzu veranlaſſt/ zu fragen: Welches des Menſchen groeſſte Freude auf dieſer Welt ſeyn ſolte? damit nun ſolche Frage ein Spiel werde/ gebiete ich/ Kraft tragenden Spielambts/ daß allezeit die folgende Frage/ von dem letzten Wort/ der vorhergehenden Frage anfange.2. D. Die Freude entſtehet von denen Sachen/ welche mit unſrem Ge= muet eine genaue Verwandſchaft haben: daher gefaellet dem Aug das Ge= maehl/ dem Ohr der Muſicklang/ etc.Weil nun unſre Gemueter/ gantz unter= ſchiedliche Beſchaffenheiten haben/ iſt ſchwer zu ſagen/ was den Menſchen er [263] freuet/ oder erfreuen ſolte. Ein Lauteniſt/ kan unſer Gehoer erfreuen; ihn aber erfreuet unſer Geld. Der keinen Wein trinkt/ den erfreuet das Waſſer: der kein Waſſer trinkt/ erfreut der Wein. Dieſem nach/ werden ſo manch= erley Meinungen ſeyn/ ſo mancherley Menſchen in der Welt. Ja die jenig= en/ welche ihre Freude in Schlekkerbueſſlein ſuchen/ koennen ſich/ wegen derſelb= en Guete/ nicht leichtlich vergleichen.2. C. Wer von der Freude reden wil/ mueſſe alle Freude verſucht hab= en: gleichwie man von keiner Speiſe Guete reden kan/ wann man ſie nicht gekoſtet.3. V. Der Menſch ıſt nicht zur Traurigkeit/ ſondern zur zulaeſſigen Froe= lichkeit geboren: daher haben die Natuerkuendiger das Lachen/ fuer ſeine ſond= erlichſte Eigenſchaft gehalten/ und man ſihet auch/ daß ein Kind die Froelichen liebet/ die Traurigen haſſet/ und mit zuwachſenden Jahren/ aus natuerlicher Neigung/ allerley Ergetzlichkeit ſuchet. Uns elenden Menſchen/ kommet gnugſame Urſachen zu trauren/ ueber den Hals/ wann wir gleich zuzeiten der [264] dergeſtalt froelich ſeyn/ daß dardurch/ noch Gott/ noch unſer Nechſter/ noch unſer Gewiſſen/ noch unſre Geſundheit bele diget werde. Meine Meinung aber/ auf dıe Frage zu ſagen/ halte ich fuer gewiß/ daß keine Sache in der Welt ſeye/ welche den Menſchen allein erfreue/ ſondern viel zugleich. Es erfreuet das Gold/ es erfreuet die Ehre/ es erfreuet des Menſchen Hertz der Wein/ ein hoeflicher Schertz/ ein gutes Gewiſſen/ ein frommes Weib.4. J. Die groeſſte Freude iſt die unbeſtaendigſte: maſſen ein Kind erfreuet das/ was einem Juengling angenehm iſt: dem Juengling auch mehrmals be= ſchwerlich vorkommet/ was das Alter erfreuet. Ja/ alle Weltfreude iſt Suende fuer Gott/ und von dem Glauben entfernet. Der natuerlıche Menſch ſuchet zwar Freude/ in den vielfaeltigen Welthaendeln; findet aber keine beſtaend= ige ſo nicht in Leıd und Traurigkeit ausgehe. Hieraus ſchlieſſe ich/ daß des Menſchen groeſſte Freude Gott/ und ſein Wort/ nechſt demſelben/ die Liebe gegen dem Nechſten/ (welche man mit Fug die vollkommene Freundſchaftnen ̅ = et) ſeyn ſolte.
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5. R. Der Freude iſt zweyerley/ betreffend des Menſchen Geiſt/ und dann des Menſchen Leib. Der Leib/ ohne den Geiſt/ oder die Seele/ dardurch er alle Em= pfindlichkeit hat/ iſt keiner Freude fahig. Alſo kan ich niemand haſſen/ oder lieben/ den ich nicht geſehen hab/ und doch liebet oder haſſet nıcht der Leib/ ſond= ern der Geiſt. Wienun der Geiſt oder Verſtand viel edler iſt/ als der Leib; ſo iſt auch des Geiſtes Freude viel edler/ als die leibliche Freude/ welche/ wie geſagt/ in Traurigkeit mehrmals zu enden pfleget. Solche Freude des Geiſtes/ iſt die Wiſſenſchaft/ vieler/ wo nicht aller Sachen/ in welcher der Menſch ſeine Zufriedenheit/ und hoechſtes Vergnuegen ſuchet; und dardurch zu Gott geleit= et/ und gefuehret wird.6. A. Die Freude des Menſchen/ wird wegen ſeiner unterſchiedenen Leibs= beſchaffenheit/ nicht wol zu benamen ſeyn/ wie gedacht worden: geſtalt/ der Melancholiſche/ die Freude in der Wiſſenſchaft/ der Zornige/ in der Rache/ der Blutreıche/ in der Wolluſt/ der mit Feuchtigkeiten angefuellte/ ſeine Freude in dem Wolleben/ und der Ruhe ſuchet. Hiervon aber iſt meine Frage nicht [266] geweſen/ ſon dern allein von Frauen Julia beantwortetworden/ worinnen der Menſch ſeine groeſſte Freude ſuchen ſolte? Der Menſch ſol ſeine groeſſte Freude ſuchen in der Tugend/ ſo wird er von Gott/ und Menſchen geliebet/ geehret/ bereichert/ in Traurigkeıt getroeſtet/ und mit einem Wort/ geſegnet leben.7. D. Solte wol die Wiſſenſchaft/ oder die Tugend/ (von welchen beeden bisher geredet werden) hoeher geſchaetzet werden.8. C. Wann durch die Wiſſenſchaft die Gelehrten/ und durch die Tugend/ ſchlechte ehrliche Leute verſtanden werden/ iſt leichtlıch zu ſchlieſſen/ daß dieſe ſo mehr fuer Gott gelten/ hoeher zu achten; als jene/ ſo nur der Menſch= en Ruhm ſuchen.9. V. Das Abſehen aller Wiſſenſchaften/ ſol auf die Tugend gerichtet ſeyn; dann nach dem er von der erſten Vollkommenheit entfernet/ ſuchet er ſolche in allerhand Erkundigung/ etlicher maſſen wiederuem darzu zu gelangen Hierzu ſind wenig faehig/ und werden von der Natur gleichſam abſonderlich gewidmet: [267] die Tugend aber/ ſtehet allen Menſchen/ was Stands oder Geſchlechıs ſelbe ſeyn moegen/ zu erlangen frey/ und iſt jenes faſt arbeıtſamer/ als dieſes; daher man zu ſagen pflegt: die Wıſſenſchaft/ ſchafft Ruhm in dieſer Welt/ die Tugend wird in jener Welt belohnet.10. J. Seelig ſind/ die geiſtlich arm ſind/ oder die Einfaeltigen; unſeelig aber ſind die Schriftgelehrten/ und weiſen dieſer Welt/ welche mit ihrer papier= nen Klugheit/ ihre Seeligkeit mehrmals verſchertzen/ als erwerben. Wird die Tugend durch die Wiſſenſchaft erlangt/ ſo iſt ja das Werk ſchaetzbarer/ als der Werkzeug. Wiſſen ohne Gewiſſen/ iſt eine ſuendliche Eitelkeit: die Frommkeit aber/ und ein tugendſames Leben/ iſt mehr Englıſch/ als menſchlich.11. R. Durch das Wort Tugend/ verſtehet man nicht/ daß einer kein Gottslaeſterer/ Todſchlaeger/ oder Ehebrecher/ etc.iſt/ dann es iſt noch keine Tug= end/ ohne offentliche grobe Suende leben: ſondern man verſtehethier einen ver= ſtaendigen Mann/ welcher durch die Werke der Chriſtlichen Lıebe/ einen wahren [268] ſeeligmachen Glauben ſpuehren laeſſet. Der ſein Ambt treulich ausrichtet/ und ſeinen Stand/ in welchen ihn GOtt geſetzet hat/ mit allgemeinem Nachruhm zu betretten pfleget. Solcher geſtalt/ kan keine Tugend ſonder Erkaentniß derſelben/ oder ohne Wiſſenſchaft ſeyn. Wann man nun ſagen wil/ die Tug= end ſey nohtwendiger/ als die Wiſſenſchaft; willich gerne das Jawort darzu geben: Es folget aber nicht/ daruem iſt ſie hoeher zu achten. Zum Exempel: wol mahlen oder ſchreiben koennen/ ıſt nicht ſo nohtwendig/ als Kleider machen/ Bier breuen oder Brod bachen: jenes iſt aber hoeher zu achten/ als dieſes. Die Liebe GOttes/ die Weißheit/ die Gerechtigtigkeit/ und andre Tugenden/ ſind mit den Wiſſenſchaften ſolcher geſtalt verbunden/ daß ſie ohne ſelbe nicht be= ſtehen koennen.( unten §. 39.) 12. A. Bey den erſten Menſchen/ hat die Begierd zu wiſſen/ alle ſeine Tugenden zu Grund gerichtet. Viel wiſſen/ blaehet ſich/ und iſt das Klug= ſeyn der Schlangen/ allezeit mit Gift vermiſchet/ da hingegen die Einfalt der Tauben ohne Galle/ ın ihrer Reinlichkeit beharret.
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13. D. Dieſe Frage gehet die Menſchen allein an: dann obwol die un= vernuenftigen Thiere/ eine Gleichheit oder Schatten der Wiſſenſchaft/ und der Tugend ſehen laſſen/ ſo dienet doch ſolche/ nur zu ihrer leiblichen Unter= haltung; als/ daß der Loew behertzt iſt/ ſich von dem Raub zu nehren/ die Am= eiſe arbeitſam/ einen Vorraht einzutragen/ der Fuchs arglıſtig/ dem Fallſtrikk zu entgehen/ etc.Der Menſch aber hat den Verſtand/ ſich und alle Geſchoepfe zu erkennen. Er weiß ins gemein/ was recht/ und was unrecht iſt/ ohne Unterrichtung: als/ daß er GOtt ehren/ den Eltern gehorſam ſeyn/ niemand beleidigen/ jedem wolthun/ etc.Dieſe Wiſſenſchaft wird durch Unterricht= ung fortgeſetzet/ daß er ſein Leben nach Gottes Geboten deren Abbildung in ſein=(Grot. de vera Relig.) em Hertzen gleichſam vollendet wird/ nachlebet/ und alſo die Tugend nicht nur in den Worten/ ſondern im Werke ſpueren laeſſet. Die Wiſſenſchaft iſt eine Eıtelkeit/ wann man ſelbe nicht zu einer Knechtin der Tugend machet/ ſondern ſie zu den Laſtern mißbrauchet: Die Tugend hingegen/ ohne Wiſſenſchaft/ und Erkaentniß des Goettlichen Willens ıſt mehr Heydniſch/ als Chriſtlıch. [270] Hieraus iſt die Antwort leichtlich zu faſſen: wann das Woertlein Wiſſen= ſchaft von GOttes Wort/ |und das Woertlein Tugend von einem erbarn Wandel verſtanden wird/ iſt jene dieſer weit vorzuziehen/ als durch welche ſie angewieſen/ und gelehret wird: wann aber das Wort wiſſen/ von andern Welt= und Schulſachen genommen wird/ und das Wort Tug= end fuer Gottesfurcht/ ſo iſt dieſe jener vorzuziehen. Alſo beruhet die Er= oerterung vieler Fragen/ in Erklaerung der Woerter/ und derſelben unterſchıed= lichem Gebrauch.14. C. Werden die Hungerigen laenger der Speiſe/ oder die Durſtigen des Getranks entrahtenkoennen?15. V. In der natuerlichen Waerme/ und Feuchte/ beſtehet des Menſchen Leben/ wie mehrmals gedacht worden. Beedes wird durch Eſſen/ und Trinken er= halten/ und muß/ ohne ſolche Nahrung/ des Menſchen Leben enden. Die Waerme kuehlet der Luft durch das Odemen: daher ſihet man/ daß die Thiere/ ſo kein Gebluet und Lungen haben/ wie alles Unziefer/ oder welche wenig Blut [271] haben/ als die Fiſche/ auch wenig Hitz/ ein gar kurtzes Leben haben. Weil nun die Nahrung ſo nohtwendig iſt/ hat die Natur eine Begierd zu derſelbigen/ allen Thieren eingepflantzet/ welche Begierd zu der Speiſe Hunger/ zum Ge= trank Durſt genennet wird: beedes iſt mit Schmertzen in dem Verlangen/ und mit Wolluſt in der Erſaettigung verbunden. Wie nun das Getrank zugleich auch ſpeiſet da hıngegen auf das Eſſen der Durſt folget; alſo iſt gewiß/ daß wir laenger der Speiſe/ als des Trınkens entrahten koennen.16. J. Man faengt aber alle Mahlzeit von dem Eſſen/ und nicht von dem Trinken an; daraus ſcheinet/ daß das Eſſen nohtwendiger ſey/ als das Trinken: was nun das nehtwendigſte iſt/ deſſen kan man am wenigſten ent= rahten.17. R. Die ıhr Mahlzeit von dem Eſſen anfangen/ wollen einen guten Grund legen/ und leben der Geſundheit nach; Es folget aber daraus noch lang nicht/ daß man weniger Hunger/ als Durſt leiden koenne: maſſen das Getraenk den Leib gleichſam in einem Augenblık erfrıſchet/ und ohne Muehe [272] genommen/ auch leichter in die Nahrung verwandelt wird; da hingegen die Speiſe langſam daeuet/ mit den Zaehnen zuvor muß zermalmet werden/ und durch unterſchiedliche Kochungen/ Kraft und Saft geben. Ich halte es des= wegen mit dem Trinken/ weil ſolches zu entrahten/ ſchmertzlıch faellet/ und der Leib dadurch leichtlich ausdoerren/ und nicht lang beſtehen ſolte.18. A. Es iſt aber in vielen Speiſen auch ein Saft/ wie in dem Getrank eine Speiſe/ und weiß man/ daß die Waſſerſuechtigen/ Jahr und Tage/ unge= trunken gelebt haben/ da hingegen niemand/ ohne Wunderwerk/ ſo lang faſt= en koennen: daher die Hungersnoht unter dıe Straffen der Goettlichen Rache/ und nicht der Durſt/ oder Mangel des Getranks gerechnet wird.19. D. Unter dem Woertleın Hunger/ wird aller Mangel der Nahrung/ wie unter dem Woertlein Brod/ alle Nohtwendigkelt begriffen/ und kommet die Hungersnoht/ aus Ermanglung des Waſſers/ und des Regens urſprueng= lich her. Wie aber die Erde der Feuchtigkeit nicht ermanglen kan/ ſo gleich= ſam der Beſaemung Nahrung iſt/ und in ſolchem Fall allerley unnuetze Kraeuter [273] hervorbringet: alſo kan auch der Menſch das Eſſen leichter miſſen/ als das Trinken/ durch welches ſein Geblueterhalten/ und gemehret wird: Solches iſt wol zu verſtehen/ von dem alten/ gerechten/ wolerlegnen Weın/ welcher das beſte Getrank iſt/ am leichtſten zur Nahrung gekochet wird/ gute lebhafte Geiſt= erlein giebet/ und am wenigſten unnuetzliches hinterlaeſſet. Der Wein iſt eine treffliche Artzney/ des kalten/ und ſchwachen Magens/ erfreut des Menſchen Hertz/ ſtaerket alle Glieder/ und ſonderlich das Haubt/ wann man ſelben maeſſig gebrauchet. Ich fuer meine Perſon/ wolte lieber des Eſſens/ als des Trinkens entrahten/ und zween Kellner/ ſonderlich Sommerszeit/ aber nur einen Koch gebrauchen.20. C. Eſſen und Trinken/ iſt zu des Menſchen Leben vonnoehten: Hung= er und Durſt/ gleicherweiſe unertraeglich. Wann man aber/ eines oder des and= ern Leıbs Beſchaffe ̅ heit/ Alter un ̅ Geſchlecht betrachtet/ ſo wird ſich ein merklich= er Unterſcheid finden. Der Durſt ıſt dem Kind viel beſchwerlicher/ als der Hunger: einem Alten aber/ der ſonderlich mit vielen Feuchtıgkeiten angefuell [274] et iſt/ wird der Hunger unleidlicher ſeyn. Ein Blutreicher Menſch/ wie die Frantzoſen insgemein zu ſeyn pflegen/ wird es allezeıt eh mit dem Trinken/ als Eſſen halten.21. V. Koennen die Frantzoſen/ deren jetzund gedacht word= en/ fuer unbeſtaendig/ und leichtfertig gehalten werden?22. J. Nachdem gemeinen Ruf/ ſo geben ſie ſchlechte Haushalter/ und ſind meıſtentheils zu fruee geboren/ weil ſie ferten verzehret/ was ſie ueber das Jahr einzunehmen haben.23. R. Der Menſch iſt ein Spiegel der Unbeſtaendigkeit/ wie zu ſehen aus dem/ daß ſein Geiſt/ leichtlich aller Sachen/ ſein Leib/ und alles/ was in ſelbem iſt/ der Ruhe ueberdrueſſig wird; daher dann niemand mit ſeinem Stand zufrieden iſt/ und die Ehre/ fuer Staffeln zu hoehern Ehren/ achtet. Dieſe Un= beſtaendigkeit/ wird abſonderlich den Frantzoſen aufgerrukket/ nicht allein durch alte Scribenten/ ſondern auch durch die Erfahrung/ welche ihnen faſt taeglich neue Sitten/ neue Trachten/ neue Redarten zueignet. Die Urſache koente [275] hergenommen werden/ von der Landsart/ welche (wie auch Teutſchland) unt= erſchiedlich aendert/ und durch die Fruechte derſelben Natur theilhaftig machet/ daß alſo ſie/ Unbeſtaendigkeit ſo wenig zu aendern/ als der Mohren ſchwartze Haut. Zu dieſem kommet die Hoeflichkeit/ und Freundlichkeit/ indem ſie ſich den Freunden/ uem welche ſie ſind/ nachbequemen/ und ihrem Sitten nachah= men/ da hingegen andre Voelker alles verachten/ was nicht ihrer Weiſe gleichet.24. A. Ich vermeine/ es ſind nicht alle Frantzoſen gleiches Sinns/ ſo wen= ig/ als die Teutſchen/ Spannier/ oder andre Voelker.25. D. Man nennet die Frantzoſen leichtfertig/ gegen andern barbariſch= en Voelkern: Es geſchicht ihnen aber groſſes Unrecht. Aus Veraenderung der Kleıder/ kan man keinen wandelbaren Sinn ſchlieſſen/ ſondern aus wichtig= ern Sachen: als die Veraenderung der Religion/ des Regiments/ der Tapf= erkeit/ etc.In dieſem allen aber/ iſt den Frantzoſen keine Unbeſtaendıgkeit zuzu= ſchreiben/ ſondern haben ſolches von vielen hundert Jahren/ in einem Weſen/ [276] unverrukkt gehandhabt. Wann nun alle/ oder etliche Theil des Koenigreich Frankreichs/ unbeſtaendige/ und wankelmuetige Haeubter gehabt haette/ oder noch haette/ iſt auſſer Widerrede/ daß es ſo lange Zeit/ ohne wirkliche Veraend= erung nicht haette beſtehen moegen. Des Narren Sinn iſt unbeſtaendig/ wie der Mond/ und in ſeinem Munde iſt nichts Gewıſſes: die Frantzoſen aber/ haben ſolchen Verſtand erwieſen/ daß ſie noch fuer naerriſch/ noch fuer unbeſtaend= ig zu ſchelten ſind.26. C. Man koente auch ſagen/ daß die Unbeſtaendigkeit kein Laſter were/ indem alles Weltweſen/ in der Unbeſtaendigkeit beſtaendig iſt: ja/ das ſchoenſte Geſchoepf die Sonne/ koente ſo groſſen Nutzen nicht ſchaffen/ mıt dem Still= ſtehen/ als ſie wirket in ihrem Lauff.27. V. Zudem iſt auch alle Unbeſtaendigkeit/ nicht ſcheltbar/ ſondern eine Klugheit/ den Mantel nach dem Wind henken/ ſeine Meinung beſſerm Be= richt zu untergeben/ und ſich nach ſeınen Nachbaren in zulaeſſigen Mıttel= dingen richten: Wie dann Frankreich mitten in Europa/ die Span ̅ ter/ Italiaen [277] er/ Teutſchen/ Niederlaender/ und Engellaender zu Nachbarn hat. Schlieſſe alſo/ daß die Frantzoſen nicht unbeſtaendiger ſind/ als andre Voelker/ ſondern werden wegen ihrer Fertigkeit/ in allen Sachen/ von den langweil= igen/ und ſorgfaeltigen Trauertoepfen/ alſo genennet. Die Urſache/ war= uem man der Frantzoſen Kleidung allein nachahmet/ iſt eben dieſe Urſache/ dieweil ſie ſo vielfaeltig aendern/ und ſolche Aenderung den Teutſchen und Eng= ellaendern ſehr annehmlich. Wann ſie bey ihrer Tracht verblieben! wuerde es ihnen niemand nachthun.28. J. Werden wir Menſchen von Natur/ leichter zum Boe= ſen/ oder Guten geleitet?29. R. Dieſe Frage ſcheinet leicht. Des Menſchen Gewiſſen leitet ihn zu allem Guten/ indem er aber/ ſolchem widerſtrebet/ und ſich nicht will regir= en laſſen/ thut er ſeinem Gewiſſen Gewalt an/ und kommet dann mehr= mals die Reue zu ſpat.
|| [278]
30. A. Des Menſchen Dichten und Trachten iſt boeß/ von Jugend auf: die Erbſuende/ klebt an allen Nachkommen Adams/ und iſt keiner rein/ auch nicht einer.31. D. Solchen boeſen Lueſten aber/ kan man durch ein hertzbruenſtiges Gebet widerſtreben/ und ſich von ſelben nicht zum Verderben abfuehren laſſen.32. C. Man iſt aber zu dem Boeſen geneigt/ wiewol nicht alle/ ſo dahin verleitet werden/ folgen/ ſo bleibet doch die Wurtzel der Suende in uns/ welche unſer Gewiſſen zu Grund richtet/ oder einſchlaefert/ daß man vielmehr den Suendenreitzungen/ als demſelben Folge leiſten.33. V. Daß dieſem alſo/ erhellet auch abſonderlich/ aus den guten und boeſen Exempeln/ unter welchen die letzten viel maechtiger ſind/ uns zu verfuehr= en/ als nicht jene/ uns zu der Tugend anzuhalten. Alſo wird ein Geſunder von dem Kranken angeſtekket/ der Kranke aber/ wird nicht geſund/ von der Geſunden Gegenwart.
|| [279]
34. J. Dieſes alles mag wol von viehiſchen Menſchen wahr ſeyn: wann aber ein Verſtaendiger/ der Vernunft Gehoer giebt/ betrachtet/ was gut oder boeß iſt/ ſo wird er fuerwahr die Ehr und den Nutzen/ keiner Schande/ und unwied= erbringlichen Schaden vorziehen. Wann er anderſt/ wie von Natur/ allen und jeden eingepflantzet/ ſich ſelbſten erhalten/ und nicht vernach= theilen wil.35. R. Leitet die Wiſſenſchaft/ oder die Unwiſſenheit zu mehr Laſtern/ und Untugenden?36. A. Dieſes iſt nun die ſechſte und letzte Frage. Weil der Menſchen Wiſſen/ unvollkommenes Stuekkwerk iſt/ kommen daraus mehr Zweıffelfrag= en/ als rıchtige Antwort/ und muß der Allergelehrtſte bekennen/ daß unter ſeiner Wiſſenſchaft// und denen ihm unbewuſten Sachen/ keine Vergleichung ſeye. Die Unwiſſenheit aber iſt gluekkſelig/ indem ſie nicht erlernet hat Boeſes zu thun/ und ſind die Leute/ ohne weltliche Geſetze froemmer geweſen/ als welcher Urſachen die Laſter gegeben.
|| [280]
(Drexel. in Nicet ???.) 37. D. Daruem verbietet man auch die boeſen Buecher/ und vergleichet der= ſelben Verfaſſer mit denen/ ſo die gemeinen Brunnen vergifften/ oder heimlich Feuer einlegen/ welches unvermerkter Weiſe/ viel Leute bloetzlich verderbt/ und an den Bettelſtab bringet. Unſre erſten Eltern ſind ohne Suende geweſen/ bis ſie von dem Baum der Wiſſenſchaft geeſſen.38. C. Ein verſtaendiger/ gelehrter Mann/ wird die Laſter beſſer kennen/ und meiden/ als ein unverſtaendiger/ grober Bauer/ der ſeine fleiſchliche Be= gierden/ nicht zu zaehmen weiß.39. V. Was ſolte das Predigen nutzen/ wann die Wiſſenſchaft zum Boe= ſen veranlaſſen ſolte? die Natur haette uns das Verlangen/ viel zu wiſſen/ ver= geblich eingepflantzet/ wann dardurch unſer Unheil ſolte befoerdert werden. Wer in der Fuellerey einen Todſchlag unwiſſend begehet/ wird des wegen nicht fuer un= ſchuldig gehalten/ ſondern billicher mit doppelter Straffe belegt. Ein Knecht/ der des Herrn Willenweiß/ wird doppelte Streiche empfahen.
|| [281]
40. J. Alſo ſind die Fehler der Unwiſſenheit leichter zu entſchuldigen/ und mit keiner ſo harten Straffe anzuſehen. Die Wiſſenſchaft iſt eine Mutter aller Ketzereyen/ des Ehrgeitzes/ Ubermuts/ und Verachtung des Nechſten/ dan ̅ das Wiſſen blaeſet auf: da hingegen/ der gemeine Man ̅ / es mit dem groſſen(1. Cor. 8/1.) Hauffen haelt/ und glaubt/ wie die Kirche glaubt.41. R. Dieſes alles/ iſt von dem Mißbrauch der Wiſſenſchaften zu verſtehen/ welchen denrechten Gebrauch nıcht vernachtheilt. Man ſehe/ ob nicht eben der gemeine Man ̅ den groebſten Schanden und Laſtern unterworffen iſt: wan ̅ man aber die Gelehrten betrachtet/ muß man geſtehen/ daß ſie den unverſtaendigen Poevel durch Lehren/ und Vermahnen/ von Laſtern wendig zu machen/ bemuehrt ſind.
|| [282]

Degenwert.
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ICH will eine Geſchicht erzehlen/ und ſol die Geſpraechliebend Geſellſchaft ſchuldig ſeyn/ ihre kurtze Betrachtung darueber/ reihenweis/ beyzubringen.2. J. Dieſe Art der Erzehlung/ haben wir noch nicht verhandelt. Der H. verſichere ſich hiermit unſerer gefolgigen Einwılligung.3. D. Nachdem die neue Welt erfunden/ oder/ wie glaubiger iſt/ wiedergefunden worden/ haben auch die Frantzoſen/ dahin zu ſchiffen/ angefangen/ und entweder aus Ehr= oder Geldgeitz/ die Gefahr des wilden Meers/ aus den Augen geſetzet.4. C. Hier koente man viel von der neuen Welt ſagen/ das ich nicht weiß; wie auch von der Menſchen unbedachtſamen Verlangen/ der Armut ueber Meer zu entfliehe ̅ oder/ welches ruehmlicher iſt/ die Indianer in dem Chriſtlichen Glauben/ vermittelſt ſo weıt entlegner Schiffarten/ lehren und predigen.
|| [283]
5. D. Unter dieſen war ein reicher/ und vornehmer Frantzoeſ= iſcher von Adel/ der ein groſſes Schiff ausrueſtete/ mit aller Nohtdurft auf das beſte verſahe/ erfahrne Schiffleute warbe/ und ſeinen Weg gegen die Magelaner Straſſen/ dahin er bereit zuvor mit den Niederlaendern geſegelt/ richtete.6. V. Hierbey iſt zu betrachten/ daß kein Menſch/ er ſey auch/ wer er wolle/ andrer Menſchen entrahten kan; daher zu ſchlieſſen/ daß wir zur Ge= ſellſchaft/ und nicht zur Einſamkeit geboren ſind.7. D. Beſagter Schiffhaubtmann war gewillet/ eine fruchtbare Inſel/ mit Volk/ zu ſeines Namens ewigen Ruhm zu beſetzen/ und nahme deswegen/ ſowol Manns= als Weibsper= ſonen/ welche/ wie gedacht/ der Armut zu entfliehen hofften/ auf ſein Schiff.8. J. Bey dergleichen Ruhmſucht/ iſt die groſſe Gefahr/ billich zu beob= achten/ und kan ſolches Vorhaben/ dem hoechſten Gott/ ſchwerlich gefallen.
|| [284]
9. D. Unter andern war dieſer Schiffhaubtmann/ von ſein= er Schweſter/ einer verſtaendigen/ hoeflichen/ und kuehnen Jung= frauen/ erſucht/ daß er ſie zu ſeiner Gefertin/ und Dienerin/ auf das Schiff nehmen wolte; vorwendend/ daß ſie ſonſten zu Land verlaſſen/ und nicht weniger Ungemach/ als auf dem Meer unterworffen ſeyn wuerde.10. R. Man ſagt/ Fuerwitz/ oder Vorwitz (ich verſtehe/ unzeitige Klug= heit) macht die Jungfrauen teuer; und wiſſen ſie mehrmalls nicht/ was ſie (Malvezzi nel Tarqui- nio.) bitten. Die Jungfrauen ſollen (wie die Italiaener ſagen) gleich den ſchoenen Gemaehlen/ zu Haus aufbehalten werden; wann ſie oft in den Luft kom ̅ en/ kan der Sonnenſchein/ Regen/ oder Schnee/ an ſo zartlicher Wahr/ leichtlich Schaden thun. Doch ſind die Frantzoeſin des Lufts wolgewohnt/ und iſt ihnen die Freyheit angeboren.11. D. Der Schiffhaubtmann gabe ihrem Bitten gerne ſtatt/ in Erwegung/ er ſeine Schweſter/ ſo viel beſſer auf die [285] Schantz Achtung zu geben/ Gelegenheit haette/ und ſie in ſeiner Gegenwart/ boeſes zu thun/ Scheutragen wůrde.12. A. Eine adeliche Jungfrau/ wird Zucht und Ehr beobachten/ ſie ſey auch in der Welt/ wo ſie wolle: doch iſt die Gelegenheit zu der Suende/ der ſchaendliche Mueſſiggang/ ſo auf den Schiffen/ (wie ich gehoert) mit zu Se= gel gehet.13. D. Unter andern/ hatte er mit ſich genommen/ einen Jungen/ ſchoenen/ und trefflichtapfern Edelmann/ der neb= enſt ſeinem Gewehr/ eine Laute/ die Zeit zu verkuertzen/ mit ſich fuehrte/ und ſelbe/ ſo meiſterlich zu bezwingen wuſte/ daß ſie ſich in ſeinen Haenden/ fueglich ruehmen koente/ es were kein ſtummes Holtz/ ſondern eine Prob/ des allerkuenſtlichſte ̅ Getoens/ ſo jemals gehoeret worden. Dieſer Edelmann/ welchen wir Fleuron nennen wollen/ verliebte ſich in Pandoran/ des Schiff= haubtmanns ſchoene Schweſter. Weil er aber ſolche Neig [286] ung mit den Augen/ niemals aber mit Worten/ zu verſtehen ge= geben/ hat ſie ſolches brůnſtiges Anblikken/ nicht beobachtet/ bis ſie ſeiner Liebe Gewogenheit/ etlicher maſſen verſtaendiget worden/ als auf eine Zeit/ eine Windſtille/ und er auf des Schiff= es Hindertheil ſitzend/ dieſe Reimen zu ſeinem Lautenſpiel hoer= en laſſen.

1.
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— v — v |v — v — v Du/ du ruhiger Waſſerſpiegel/ (ſonder ſchwuelſtigen Fluten Huegel) ſchauſt in filberzerfloſſenen Wellen/ meiner Augen Liebsthrenen quellen. Ihr triefenden Baeche/ vermehret das Meer/ weil ſchweiget der Winde ſonſt brauſendes Heer.
|| [287]

2.
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Nun mein Seufftzen verſtaerkt die Winde/ dieſe Winde/ ſo ſetzt gelinde/ ſo unſer Segelgezelt erregen; der Eisvoegelein * Neſter hegen.(* alcyones, wann ſie niſt= en/ ſo iſt das Meer ſtill.) Der Wirbel die Fluten und Struten zertreibt/ mein Leiden/ mein Leiden beharrlich verbleibt.

3.
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Ach/ es ſchweigen nie meine Schmertzen/ die nicht laſſen die Ruh’ im Hertzen. Meine Flammen vermehrt das Weinen/ ſo die Schoeneſte nicht beſcheinen. Ihr ſehet/ und hoeret mein trauriges Spiel: ſie ſihet mich/ hoerets/ und ſchweiget doch ſtill.
|| [288]
14. C. Der Herr hat/ ſonders Zweiffel/ dieſe faſt ſchnelle Reimart ge= wehlt/ weil der Inhalt von den fluechtigen Winden/ unbeſtaendigem Meere/ und Fleurons verwirrtem Gemuete handelt.15. D. Beſagtes Liedlein hat Pandora/ nit ohne Empfind= lichkeit gleich er Gegengewogenheit/ verborgen angehoert/ und ſich beredt/ daß niemand auf de ̅ Schiff/ ſo ſolcher Liebe wuerdig/ als eben ſie: entſchleuſſt ſich deswegen/ Gelegenheit zu ſuchen/ ſich dieſer Meinung zu verſichern.16. V. Die Freyheit der Sitten/ welche den Frantzoſen angeboren/ den Italiaenern und Hiſpaniern aber ſehr verhaſſt iſt/ giebt vielmals Urſach zu Boeſem: daher jener Fuerſt/ als er von dem Koenıg hoeren mueſſen/ die Teutſchen haetten viel in Frankreich/ die Frantzoſen hingegen in Teutſchland/ nichts zu lernen/ etc. geantwortet: Gnaedigſter Koenig: die Frantzoſen/ ſolten von uns Teutſchen/ die Beſcheid= enheit lernen/ wie wir von ihnen Fechten/ Reuten/ und Dantzen.
|| [289]
17. D. Nachdem nun dieſes Schiff/ etliche Monat/ auf dem Meer heruemgeſchwebt/ halten die Schiffleute/ mit ihrem Herrn Raht/ woſie den Weg hinrichten wolten/ und waren bereit unferne von dem Seeweg/ welchen Ferdinand Mage= lan erfunden. Inzwiſchen dieſer Berahtſchlagung/ hat Fleu= ron und Pandora/ Zeit ihre Gemuetsmeinung/ gegeneinander zu eroeffnen/ und zwar ſolcher geſtalt/ daß Fleuron ein Liebsge= dicht auf der Lauten ſpielend/ von Pandora gefragt wurde/ wer doch die Glůkkſelige were/ derer dieſes zu Gefallen ge= ſchehe? Fleuron antwortete: daß ſolche die Tugend were/ welche ihm in ihrer Geſtalt/ zu Geſicht kaeme. Nach kurtzem Wortwechſel/ verſprechen ſie einander ehliche Pflicht/ und ſelbe wirklich zu vollziehen/ ſo bald ſie nun an das Land geſetz= et wuerden; es ſage gleich der Bruder darzu/ was er wolle.
|| [290]
18. J. Alle ehliche Verloebniſſen/ welche ohne der Eltern/ und Freunde Wiſſen/ gut heiſſen/ und Einwilligung beſchehen/ gewinnen einen ungluekk= ſeligen Ausgang. Dieſes ſolten junge Leute billich betrachten.19. D. Ob ſie nun beederſeits/ ſich als ehrliche/ und tug= endliebende Gemueter/ keuſch zu verhalten gemeint/ hat doch ſolchen Vorſatz/ der Verzug ihrer Reiſe/ und die lueſtrende Jug= end/ durch zulaeſſige Vertraeulichkeit/ nach und nach geſchwaech= et/ und endlich als Ehvertraute/ fůr keine Suende geachtet/ was durch ſolche Verbuendniß/ in aller Welt zulaeſſig.20. R. Das Meer hat in dieſem mehr Freyheit/ als das Land/ in dem Mann und Weib/ nicht in verſchloſſnen Kammern/ ſondern/ wegen des engen Raums/ gleichſam in jedermans Gegenwart einander beywohnen mueſſen: Solches Exempel/ mag dieſen Verliebten/ die Gedanken der Nachfolge ge= geben haben.
|| [291]
21. D. Es war nicht zu hoffen/ daß der Schiffhaubtmann/ in ihre Verehlichung willigen ſolte/ weil er einſtoltzer Mann/ der ſeine leibliche Schweſter/ einem armen Edelmann nicht vertrauen wuerde: und dieſes beſchleinigte die Erfuellung beed= erſeit Verlangen.22. A. Die ſtetige Geſellſchaft der Verliebten/ iſt der aergſte Feind der jungfraeulichen Ehre/ und das Geſpraech/ der ſchaerffſte Pfeil/ in des Cupido Koecher. Erſtlich trinkt man den Wein/ den Durſt zu leſchen/ nachmals wird man leichtlich voll darvon.23. D. Dergleichen hat ſich auch hier begeben; dann nach= dem ſie ihre Hochzeit/ ohne Gepraeng/ Klang und Geſang an= geſtellet/ hat der Wind die Segel/ dergeſtalt aufgeblaſen/ daß ſich Pandora/ auf ſchweren Fuß/ wie man zu reden pflegt/ ge= funden. Der Bruder nahme ſolches/ an allen Anzeigen/ leichtlich in Obacht/ und nachdem er von Pandora ſelbſten/ [292] ůmſtaendigen Bericht erlangt/ hat er ſeine gefaſſte Rachgier/ mit geneigter Einwilligung verborgen/ aus Furcht/ Fleuron moechte die Schiffleute/ und die Soldaten/ welche ihm ſehr geneigt waren/ an ſich ziehen/ und ſich ihm/ nach ſeiner bewuſt= en Tapferkeit/ trotzig widerſetzen.24. C. Dieſe Klugheit iſt zu loben/ wie jenes Haushalters/ der ihm Freun= de gemach/ mit dem ungerechten Mammon.25. D. Nachdem ſie nun/ zu einer unbekanten/ kleinen Inſel/ die Anker geſenket/ friſches Waſſer zu holen/ und ein Zeitlang auszuraſten/ iſt Fleuron/ mit Pandora/ gleich andern ausge= ſtiegen. In der Nacht laeſſet der Schiffherr etliche Kleider/ Speiſe/ Pulver und Bley/ eine Hauen/ einen Schreib= und Feuerzeug/ etc. ausladen/ befihlt auch den Schiffleuten/ welch= en er ſeinen Raht geoffenbaret/ beede in der Inſel zuverlaſſen/ und mit dem friſchen Waſſer/ zu den groſſen Schiff zu eilen. [293] Mit anbrechendem Tage/ werden ſie beede gewahr/ daß ſie von allen Menſchen verlaſſen/ und in der Einoede/ die Straffe/ wegen begangener Mißhandlung/ wuerden ausſteh= en müſſen. Was Schreyen/ Bitten und Flehen ſie nachge= ſchikket/ iſt leichtlich zu erachten: Erhielten aber/ dieſe ab= ſchlaegliche Antwort; ſie haetten ohne des Schiffherrn Willen/ ihren Eheſtand angetretten/ ſo ſolten ſie auch ſelben/ ohne ſein Wiſſen fortſetzen/ und in dieſer Inſel/ ihr Leben voll= enden.25. V. Alſo geht uebel hinaus/ was uebel wird angefangen. Es iſt ein gefaehrlicher Trıtt/ von der Freyheit/ in den Eheſtand zu ſchreiten/ und kan nie= mand Verſicherung leiſten/ daß beederſeits Sinn/ und Neigung/ wie auch alles anders/ in dem erſten Wolſtand beharren wird.26. D. Nachdem nun das Schiff von der Inſel entfernet/ iſt leichtlich zu erachten/ in was Beſtuertznng/ und gantz uner [294] warten Zuſtunde/ dieſe Eheleute ſich befunden. Nachdem ſie aber zu Sinn genommen/ wie ſie nunmehr/ von der Gefahr des Todes erretret/ und ihre Liebe/ in voellige Freyheit geſetzet worden/ haben ſie in ſolcher Einſamkeit/ Buß zu thun/ entſchloſſen; maſſen der Ort darzu veranlaſſte/ und die Reue bey Fleuron/ ůber begangene Mißhandlung/ bereit eingezog= en; welche er doch/ weil Pandora Geburtszeit herbeynahete/ nicht wolte verſpuehren laſſen.27. J. Raht und Reu’ iſt viel zu ſpat/ nach veruebter Miſſethat.28. D. Dieſe beede machten aus der Noht eine Tugend; bauten eine Huetten/ ſo gut ſie konten/ die vielleicht den Haeuſ= ern/ der erſten Menſchen/ oder eines Einſiedlers gruenen Pa= laſt/ nicht magungleich geweſen ſeyn. Fleuron gienge taeglich auf die Jagt/ und verſahe die Kuchen mit allerhand kleinem [295] Wildpret. Pandora aber grube Wurtzelen aus/ ſuchte Kraeut= er zuſammen/ und fuehrten alſo/ nechſt einer geſunden Waſſer= quelle/ eine faſt wilde/ doch einige Haushaltung/ ſehr fůrcht= ende/ die wilden Thiere/ welche ſie zuzeiten heulen hoereten. Nach etlichen wenig Wochen/ kommt Pandora darnieder/ und bringt einen jungen Sohn zur Welt/ welchen der Vater/ nach Chriſtlicher Gewonheit/ ſelbſt getaufft/ und zu= gleich auch aus der H. Tauff erhoben. Nachdem aber die Nahrung der Mutter/ wie auch des Kindes/ ſehr ſchlecht/ iſt ſolches nach wenig Tagen/ wie deruem verſchieden.30. R. Hierbey iſt zu betrachten/ daß der Menſch nıcht zu der Einſam= keit erſchaffen/ ſondern andrer Beyhuelffe/ und Handreichung/ in die Harre nicht entrahten kan/ wie vor gedacht worden. Wann dieſes Kindes Eltern/ ſtumm geweſen weren/ haette man erfahren koennen/ was es fuer eine Sprache/ ohne alle Unterrichtung/ und Nachahmung andrer Reden/ gelernet haette.
|| [296]
31. D. Nach etlichen Monaten/ beginnte dieſer Edelman ̅ ſich uebel zu empfinden/ wurde aber von Pandora Liebsneig= ung/ etlicher maſſengetroeſtet/ und konte ihre Tugend/ und mehr als weibliche Standhaftigkeit/ nicht gnugſam mir Wor= ten ausreden: ſetzet alſo ein Geſang zu Papier/ und troeſtet ſich/ nechſt Gott/ mit ſeiner Laute/ folgendes Inhalts.

1.
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Trauriges Leben/ nichtiger Tand/ fluechtiger Schatten/ Ungelůkks Pfand/ felſichte Berge/ gruenende Waehler/ ſchlankende Flueſſe/ liebliche Thaeler ſehet die Plag’/ hoeret die Klag!
|| [297]

2.
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Einſame Wueſte/ grauſame Thier’/ hoeret mich klaeglich ſeufftzen allhier. Meine Pandora/ hoere die Lieder/ Echo bringtaechtzenden Gegenſchall wieder/ trauret mır nach/ dopplend das Ach!

3.
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Sůſſleichte Suende/ bittrer Geſtank/ vorige Freude laeſſet mich krank: Fleuron nun folget dein Frevelbehagen/ quaelendes Klagen=Plagen und Zagen.
|| [298]
Schwanengeſang/ ſtimmet den Klang.

4.
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Lieben hat vor mein Leben beglůkkt/ Leiden und Scheiden beedes beſtrikkt: Traurige Seele/ ſchmertzliches Leben/ eile dich nun/ dem Hoechſten zu geben Leben und Todt kommet von GOtt.

5.
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Treue Gefreundin/ einiges Haab. liebe Pandora/ grabe das Grab.
|| [299]
hertzlichgeliebte/ ſchmertzliches Leiden/ machet uns endlich trennen und ſcheiden/ ſeeliger Tod ende die Noht.32. A. Ach/ wie muß dieſe Pandora/ ſo hertzlich betruebt geweſen ſeyn! ja ihre Betruebniß hat dieſes Trauerlied/ ſonders Zweiffel vermehrt/ daß es kein Wunder/ ſie were in ſolcher Angſt vergangen. Der froeliche/ oder be= truebte Seidenton/ mit einer deutlichen Stimme verbunden/ iſt gleich= ſamein Wind/ der die Wellen/ beherrſchet/ erreget/ und nach Begebenheit neiget.33. D. Bald darauf ſinket er zur Erden/ und giebet den Geiſt auf/ mit hertzlicher Reue/ und troeſtlicher Zuverſicht auf die Barmhertzigkeit/ des grund guetigen Gottes. Pandora be= grube ihn/ nicht ſonder vielfaeltige Threnen/ unter einem Bau [300] men/ und hengte an ſelben ſeine Laute/ und Degen. Wie oft ſie ihr den Tod gewuenſcht/ iſt nit auszuſagen/ befuerchtete doch denſelben/ in Betrachtung ſie unbegraben/ den wilden Thier= en zu Theil werden wuerde.34. C. Nach meinem Erachten/ iſt das Verbrechen/ mit gar zu harter Abſtraffung angeſehen worden/ und ihr Bruder gleichſam zu einem Moerder des Vaters/ und des Kindes worden; haette auch ſeine arme/ verlaſſne Schweſt= er/ in Verzweifflung bringen ſollen; maſſen die Einſamkeit/ dem Teuffel ein ge= wonnenes Spiel giebet.35. D. Schlieſſlich/ verharrte Pandora ein gantzes Jahr/ nach ihres Mannes Abſterben/ in beſagter Inſel/ und nehrte ſich von den wilden Frůchten/ Kraeutern und Wurtzeln/ be= diente ſich auch des Rohrs/ ſo lang ſie Pulver hatte. Ihre Kleider waren verriſſen/ ihr Angeſicht von der Sonne ver= brennet/ ihr gantzer Leib ausgedoerret/ ihre Haare flogen un= gebunden ům das Haubt/ und war ihre einige Hoffnung zu [301] GOtt/ es ſolte der Orten/ ein Schiff verbeyfahren; wie dann auch geſchahe/ ſonders Zweiffel durch des Allmaechtigen Schikkung.36. V. Alſo verlaeſſt GOtt niemand/ als die ihn zuvor verlaſſen: Ob es gleich zuzeiten das Anſehen hat/ als ob alle Huelffe gaentzlich aus were.37. D. Ein Frantzoeſiſches Schiff wurde durch Ungewitt= er/ in beſagte Inſel getrieben/ in welches Pandora/ nicht ohne Verwunderung aufgenom ̅ e ̅ worde ̅ . Der Schiffherr/ nahme zum Gedaechtniß die Laute/ und den Degen/ von ihres Manns Begraebniß/ und lieſſe an deſſelben ſtatt/ ein Kreutz aufrichten/ fuehrte Pandora wiederuem in ihr Vaterland/ da ſie den Tod ihr=(Bolleforeſt. tom 6. hiſt. Trag. 107. f. 196.) es Brudern verſtanden/ und die Zeit ihres Lebens in groſſer Traurigkeit zugebracht.38. J. Iſt nun dieſes eine wahre Geſchicht?
|| [302]
39. D. Ja freilich/ und wird die Inſel von den Geiſtern benant/ und ſol das Kreutz daſelbſt noch zu ſehen ſeyn. Viel Umſtaende hab ich ueber= gangen.40. V. Ich weiß nicht/ ob dergleichen iſt gehoert worden/ von einer Weibsperſon. Die Noht/ und der ſtets vor Augen ſchwebende Tod/ wird ſie ſonders Zweiffel/ haben beten lehren.40. D. Alſo koennen allerley Geſchichte/ zu den Geſpraechſpielen dıenen. Ubergiebe hiermit den Spielſtab.
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Caſſandra.
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ES ſol mein Spiel heiſſen/ das Reyengemaehl/ und ſolcher geſtalt gefuehret werden/ daß wir Weibsperſonen/ allezeit ſechs Sachen benennen wollen/ welche die Herren in ein Gemaehl zuſammenbring= en ſollen.2. J. Das Benennen iſt leicht/ das Anbringen aber ſchwer.3. C. Daruem iſt das erſte uns Schwachen/ das andre den Staerkern ueb= berlaſſen.4. V. Wir wollen ein Verſuch thun.5. C. Ich gieb eine Mahlers Staffeley/ und den Tod.6. J. Ich gieb einen Wald/ und einen Kreul oder Haken.7. A. Ich gieb einen Stein/ und zwey Hoerner.
|| [304]
8. V. Dieſe unterſchiedliche Stuekke/ mueſſen alle gemahlet werden/ daß ſie eine gewiſſe Bedeutung haben.9. C. Ja Herr/ ſo iſt meine Meinung; gleicherweiſe/ wie bey den Reyen= erzehlungen/ deren juengſthin gedacht worden: doch darf die Ordnung nıcht gehalten werden.10. R. Wann ſie nun in das Gemaehl kommen/ ſo iſt es genug; der Mahler faengt an zu mahlen/ wo erwill.11. V. Ich mahle ein Staffeley/ auf welcher ein Wald/ nach der (* Optica.) Fernebildung/ * mit vielen Baumen beſetzt/ und zu Ende derſelben/ den Tod auf einem Grabſtein/ mit ſeiner Senſen/ und erhabnen Uhr. Fuer der Staffeley ſitzet der Tauſendkuenſtler/ der Fuerſt der Finſterniß/ mit ſeinen zwey= en Hoernern/ und einem Kreul/ oder Haken in der Hand/ deſſen er ſich/ gleich eines Mahlersſtab bedient.12. C. Die Auslegung dieſes Gemaehls/ ſol Herr Reymund ſagen.
|| [305]
13. R. Ich muß mich zuvor darauf bedenken.14. C. Ja wol: inzwiſchen wird Herr Degenwert/ die gegebenen ſechs Sachen/ in eine kurtze Erzehlung bringen.15. D. An dem Befehlen mangelt es nicht/ und ſind ſolcher geſtalt/ die Spiele leicht zu fuehren/ wann wir den Jungfrauen zu gehorſamen verbund= en ſind.16. C. Der Spielſtab ertheilt mir ſolche Bottmaeſſigkeit. Wer wolbe. fihlt/ dem wird wol gehorſamt.17. R. Nun hab ich die in kurtze Reimen verabfaſſt/ weil ſolche abſond= erliche Verwandſchaft mit dem Gemaehl haben.18. C. Wir wollens gerne hoeren; inzwiſchen bedenket ſich der Herr Degenwert auch.
|| [ID00386]
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19. R. Der uns an der Seiten geht/ ſcheinet/ durch des Truegers Kunſt/ und der blauen Farben Dunſt/ als der/ ſo noch ferne ſteht. Durch des Mahlers falſchen Schein iſt der Tod auch weit von hinnen: wann wirs aber recht beſinnen/ wird er wol der nechſte ſeyn.20. D. Wann ich dieſe Wort/ Staffeley/ Kreul/ Hoerner/ Stein/ Wald/ Tod/ in meine Erzehlung bringe/ ſo wird man mit mir zufrieden ſeyn.21. C. Ja wol/ dann ſie nicht doerffen gemahlet werden.22. D. Der Tod begehrte von einem Mahler/ er ſolte doch ſein Bıld= niß nicht ſo greulich und abſcheulich mahlen/ weil er von jederman gehaſſt/ [307] und geflohen werde. Der Mahler reibte zwar die ſchoenſten Farben/ auf ſein= em Reibſtein ab/ ſpannte das zartſte Tuch auf die Rahm/ und ſetzte es auf die Staffeley/ mahlte einen lieblichen Wald/ mit allerley gruenen Baum= en/ welche ihre Aeſte/ wie groſſt Hoerner/ mıt vielen Laubwerk ausbreiteten/ als er aber des Tods Angeſichts betrachtet/ und ihn in ſolchen Luſtwald/ lieb= lichſt ausmahlen wolte/ bedenket er lang/ was fuer Farben/ ohne Falſch/ zu ge= brauchen. Saget endlich rund heraus/ Geſell/ dein Angeſicht iſt ſehr ab= ſcheulich/ wende mir den Rukken/ und gehe darvon/ ſo gefaellſt du allen denen/ die dein nicht begehren.23. R. Man koente auch die aufgegebene Stuekke abſonderlich betracht= en/ und faſt auf jedes eine feine Deutung finden/ der Wald iſt eine Bild= ung vielerley Arten Menſchen/ deren jeder ſeine/ theils auch keine Fruechte tragen. Die Staffeley iſt eine Bildung/ eines jungen Knabens|/ faehig zu hohen und niedern Gemaehl/ ja zu allerhand Geſchichten und Gedichten/ welche der Lehrmeiſter entwerffen wil. Der Tod iſt ein Bild fuer ſich/ und [308] jederman bekant. Der Kreul iſt eine Deutung des Geitzes/ welcher alles zu ſich ziehet und raffet/ mit Recht und Unrecht. Der Stein deutet Beſtaendig= keit/ auch Haertigkeit/ und Eigenſinnigkeit. Die Hoerner bemerken einen Hanrey. Aus dieſem koente man erzehlen/ von einem/ der zwar von gemei= nen Eltern geboren/ aber trefflıch wol auferzogen worden. Ob ihn nun der Tod durch einen bloeden Magen/ und viel gefaehrliche Krankheiten ge= warnet/ hat er ſich doch dem Geitz ergeben/ welcher ıhm die Hoerner des Stoltzes und Hochmuts/ ſo lang tragen machen/ bis er ſelbe an den Leichen= ſtein abgeſtoſſen.24. C. Man koente es auch auf einen Buchſtaben richten/ von welch= em alle Woerter anfangen mueſſen/ als zum Exempel/ von dem H. giebe ich ein= en Handſchuhe und Haaſen.25. J. Ein Hund/ und ein Hacht.26. A. Eine Henne/ und ein Haus.27. D. Ich mahle einen Jaeger/ mit Handſchuhen/ darauf die Sperb= [ID00390] [309] er ſtehen/ der einem Haaſen nachſetzet/ mit ſeinem Jaghund/ oder Wind= ſptelen: Inzwiſchen aber/ fuehrt der Hacht ſeine Henne/ vor ſeinem Hauſe hinweg.28. R. Dieſes laeſſt ſich alles mahlen.29. V. Und leidet/ als eine Fabel ſolche Deutung: wer nach fremden Guet= ern trachtet/ wird das Seinige verwahrloſen/ und mit leerer Hoffnung zu= rukkehren.30. C. Noch einmal. Ein Hirt/ und ein Hahn.31. J. Heu und Habern.32. A. Huſten und Helffen.33. R. Ein armer Hirt/ hat ſeine Schafe verlohren/ und nichts mehr uebrig/ als einen Hahnen/ der ihn zu Morgens wekket zu der Arbeıt/ in dem Sommer zum heuen/ in dem Winter/ Korn und Habern zu dreſchen. Nachdem er aber/ durch viel eingefreſſnen Staub/ die Huſten hefftig bekom ̅ = en/ hat ihm mit einem friſchen Trunk Waſſer ihm ſelbſten helffen wollen/ ıſt aber darueber noch viel kraenker worden.
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34. V. Dieſes laeſſt ſich ſo wol nicht mahlen/ als das vorige.35. J. Das Spiel iſt ſehr luſtig/ wann man ſoenderlich/ allerhand wund= erliche Sachen zuſam ̅ enbringt/ und ſelbe in eine Erzehlung/ oder in ein Ge= maehl/ ſchikklichſt fueget.36. R. Man koente es auch in Verſe bringen/ wann man Zeit hat/ dar= auf zu denken.
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Veſpaſian.
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MEin Spiel ſol ſeyn/ daß ein jedes etwas von den vorgedachten Hoernern/ oder den ſo benanten Hanreyen erzehlen ſol.2. J. Wol dann/ der Herr mache den Anfang.3. V. Ein Student zu Salmanca/ hatte ſich verliebt/ in eine Schuſtersfrau: weil aber der Mannſtetig zu Haus/ und ihm allen Zutritt verwehrte/ erdachte er eine ſondere Liſt/ ſolch= er geſtalt; Er ſchreibt einen Brief/ darauf den Titel an den Hertzogen von Infantado/ und darunter/ daß fuer die Uberbring= ung 10. Realen (iſt ungefehr 4. Reichsth.) ſolte bezahlt werd= en/ benebens dem Woertlein eiligſt/ eiligſt/ etc. Dieſen Brief bringter/ durch die dritte Hand/ in des Schuſters Laden/ welcher ſo groſſes Bottenlohn zu verdienen/ ſich auf den Weg [132] machet/ und dem Hertzoge ̅ / der damals etliche Meile von Sal= manca Hofgehalten/ den Brief/ folgenden Inhalts eingehaen= diget:Euer Fuerſtl. Gnaden/ geruhen gnaedig/ ueberbringern deſſen ſo lang anzuhalten/ bis ich ihm ein par Hoerner/ aufgeſetzet/ und zu einem hochtrabenden Hanrey ge= machet. Er iſt dieſer Ehre wuerdig und faehig.Der Hertzog lieſſe ihm des Studenten Liſt gefallen/ be= hielte den Schuſter bis auf den andern Tag bey ſich/ und be= zahlte das Bottenlohn. Unterdeſſen hat der Student bey der Frauen ſein Verſprechen in das Werk gerichtet.4. J. Der Hanreyen ſind unterſchiedliche Arten: Etliche ſind es/ und [313] wiſſen es nicht/ gleich dieſem Schuſter: Etliche vermeinen/ es zu ſeyn/ aus Mißtrauen/ gegen ihre Weiber/ und ſind es doch nicht: dieſe letzte ſind un= gluekkſeliger/ als die erſten. Etliche ſind Hanreyen/ weil man ſie fuer todt ge= halten/ und dann etliche wiſſen wol/ daß ihre Weiber mit andern zuhalten/ laſſen es geſchehen/ und helffen noch wol darzu: dergleichen hat ſich einer/ in ein= em Brief an ſeine Hausfrau unterſchrieben: der wenigſte unter euren Maennern. Dieſe letzten ſind aller Schand und Beſchimpfung wuerdig.5. R. Viel wollen/ daß ein unehrliches Weib/ einen Mann nicht ver= unehren koenne; weil das/ was nicht in unſrem Gewalt iſt/ uns auch noch zu Lob/ noch zu Schande gereichen kan. Nun kan der Allerverſtaendigſte/ eıner liſtigen Frauen Hueter nicht ſeyn/ und verwahren den Schatz/ darzu ſo viel den Schlueſſel haben/ iſt auch nicht darzu gehalten oder verbunden/ und kan ihm ſo vermeinter Unehre/ Urſache keineswegs beygemeſſen werden. Nach den geſchriebenen Rechten iſt eine Handlung/ welche heimlich/ und ohne Zeugen beſchicht der dritten Perſon| nicht nachtheilig/ und verhandlen alſo die Weiber ihre Ehre/ ohne Beſchimpfung ihrer Eheherren; [314] ſondern/ gleichwie ſolcher Leute Hoerner unſichtbar ſind/ alſo iſt ihre Schande nicht wuerklich/ und beſteht allein in der Einbildung. Eine boeſe That be= trıfft den/ der ſie thut/ und keineswegs eine dritte Perſon: ja/ es wird die That bey etlıchen Voelkern/ nicht fuer boeß gehalten/ und lieſet man/ daß die Abyſ= ſiner alle Hochzeiterin die erſte Nacht/ von den Geiſtlichen beſchlaffen (Conferenc. vom. 1. f. 230.) laſſen. Die Indianer/ ueberlaſſen ıhre Weiber auf gewiſſe Zeit/ uem einen E= lephanten.6. A. Dieſe Meinung iſt gantz irrig; dann wie der jenige/ wuerklich kan geehret werden/ der der Ehre unwuerdig iſt; alſo kan auch eın Ehemann/ un= (Honor eſt honorantıs, non hono- rati.) verſchuldter Weiſe verunehret werden. Die Ehre iſt deſſen/ der ſie empfaehet/ und nicht deſſen/ von welchem ſie herkommet. Ein Unſchuldiger/ kan mit Ruten ausgeſtrichen/ oder auf den Laſterſtein geſtellet werden/ ob er es gleich nicht verſchuldet. Eine Jungfrau/ kan wıder ihren Willen geſchaendet/ und die Eltern/ durch ungehorſame Kinder/ in Schand und Spott geſetzet werden. Wie vielmehr aber/ hat ein Eheman Theil an ſeiner Frauen Ehre/ weil ſie [315] nicht zwey/ ſondern ein/ und die Zeit ıhres Lebens/ mit treuer Treue verpflicht= et ſind/ und die Rechte/ wie ich berichtet worden/ zu einem Ehemann zu laſſ= en/ ſeine auf handhafter That/ ergriffene Ehebrecherin/ an dem Leben zu ſtraff= en/ wie aus folgender Geſchicht erhellen ſol.7. V. Wir wollens gerne hoeren.8. A. In dem Luetzelburgerland hat ſich begeben/ daß ein Freyherr/ ſich einer Dirne lange Zeit bedient: als er aber ver= hofft/ eine anſehliche/ reiche Heurat zu treffen/ giebt er ſie ſeinem Diener/ einem hertzhaften Soldaten/ welcher ſie dergeſtalt ehlichte/ daß ſein Herr ihrer vergeſſen/ und ihm ſie voellig ueber= laſſen ſolte/ welches er auch zu thun verſprochen. Als er aber einen Korb/ auf der andern Seiten/ wegen ſeines Gottloſen Lebens/ bekommen/ unterlaeſſt er nicht/ der alten Lieb wieder= uem zu pflegen. Silvan/ der Soldat/ verwahrte zwar ſeine Frau/ ſo gut er klonte/ wurde aber doch betrogen/ wie Argus/ [326] der groſſe Augenmann/ von des Mercurii Pfeiffen. Was be= giebt ſich? Metrodro/ ein andter Edelmann/ in der Nacht= barſchaft/ ergreifft ſein Weib in dem Ehebruch/ und durch= rennt ſie beede/ aus rechtmaeſſigem Zorn ergrimmt. Dieſe That/ wird nicht allein von der Obrigkeit nicht abgeſtrafft/ (M. de Belley Evenem. 10. 4. 3. f. 126.) ſondern von jederman hoechlich gelobet. Sivain/ faſſet dieſe Sache zu Ohren/ und erwuerget ſeinen Herrn/ und die Ehe= brecherin auf einen Tag/ wurde aber deswegen wiederuem an dem Leben geſtrafft/ weil er ſie nicht in der Sůndenthat er= wiſchet hatte.9. D. Ich moechte wiſſen/ waruem doch die Hoerner/ in dieſem Falle/ eine ſo boeſe Deutung haben/ da ſie doch ſonſten Staerke/ Macht/ Uberfluß/ und alles Guts bemerken. Die Tugend iſt dem beyzumeſſen/ der ſie beſitzt/ wie auch das Laſter/ und keinem andern. Die Unehre/ kan den unſchuldigen Theil wol veraechtlich/ aber nicht verwerfflich machen/ ſchmaehen/ aber nicht [317] ſchaenden. Wann die Tugend/ und das Laſter in wahrem Wehrt gehalten wuerden/ ſolte man kein Lob auſſer ſich ſuchen/ oder keine Schmach auſſer der Perſon/ ſo es wuerdig/ beobachten. Nachdem man aber die Gluekkſeligkeit/ und Ehre ın andern Nebenſachen finden will/ muß man dem Wahn hierinnen Raum und Platz geben/ zu Beſtraffung unſrer Thorheit. Hat das Weib den Schein von dem Mann/ wie der Mond von der Sonne/ ſo kan ſolcher Schein ab= und zunehmen; nicht wuerklich/ ſondern nach dem Wahn/ und unſrem Geſicht: dann der Mond an ſich ſelbſten/ nicht verkleinert/ noch vergroeſſert wird. Dieſe Gleichniß ıſt hieher ſo viel fueglicher/ well der Mond und die Frau durch Abweſen der Sonnen/ und des Ehegattens erfreuet/ und durch die Gegenwart betruebet werden/ indem man nemlich der beſagten Hoerner eintraechtig wird. Der Mann muß ſich ſchaemen/ daß er ſo uebel gewehlt/ und ſeiner Helffte nicht maechtig iſt/ oder ſo unverſtaendig/ daß er ſeines Weibs Liſt nicht erlernen kan.
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(* Androni- co) 10. C. Ich hab hoeren ſagen/ das Hoerner aufſetzen/ Hoernertragen und Gukkgukk machen ſol von einem Griechiſchen Kaeiſer * herkom ̅ en/ welch= (Nicetas.) er offentlich die Hirſchgehirn/ zu Conſtantinopel aufhenken laſſen/ entweder ſeine Jaegerkunſt/ oder der Weiber Geilheit zu bemerken. Oder es kommet von den Boekken her/ welches freche Thiere/ und der Unkeuſchheit/ ohne Unt= erſcheid/ oder Eifer ergeben ſind. Es iſt aber eine groſſe Unbıllichkeit in dem/ daß der unſchuldige Theıl/ ein Hanrey/ oder Gukkgukk/ ohne Urſach ge= nennet wird: maſſen der Gukkukk ſeine Eyer in andrer Voegel/ und ſonderlich der Graßmukken Neſt leget; da hingegen ſolcher Name/ vielmehr dem ge= buehrte/ der einem andern die Hoerner aufſetzet. Von den Weibern in Indien (* von dem Kraut Du- troa.) lieſet man/ daß ſie etliche Koerner/ ſo der Melonen Kernen nıcht * ungleich ſind/ in die Speiſe/ oder das Trank thun/ darvon ihre Maenner naerriſch werden/ nıchts empfinden/ oder verſtehen/ ſondern nur ſtets lachen/ und endlich bey vier und zwantzig Stunden ſchlaffen/ oder gar ſo lang/ bis ihre [319] Fueſſe mit kaltem Waſſer gewaſchen werden/ unterdeſſen die Weiber mit andern ſuendlicher Weiſe zuhalten.11. V. Genug von dieſem.
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Julia.
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ICH will ein ſolches Spiel anfangen/ welches uns leicht/ den Herren aber ſchwerer/ doch nicht unthunlich fallen wird. Es ſol heiſſen Reyenreimen/ wie zuvor die Reyengemaehl und Reyen= erzehlungnn angebracht worden.2. V. Wir wollen hoeren/ wie es ſol gefuehret werden.3. J. Dergeſtalt: Ich will eine Reimzeile ſagen/ der Herr ſol darauf folg??? ende/ nachzufuegen ſchuldig ſeyn.4. V. Wol dann: Ein Verſuch kan nicht ſchaden/ doch mueſſen ſolch??? Reimendungen gebracht werden/ welche leichtlıch ihres Gleichen an die Hand??? geben: maſſen ſonſten ſowol jener/ als dieſer Seite gefaellet werden kan.5. J. Ich will dieſe Erinnerung beobachten. Warvon aber dieſes Spiel handlen ſoll/ bedenke ich bey mir.
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6. V. Es iſt alles gleich viel/ die Frau fange an.7. J. Was iſt in dieſer Welt/ das lange Zeit beſtehe?8. V. Was iſt in dieſer Welt/ das nicht ſo bald vergehe?9. C. Wie ſteht die eitle Welt/ ſie wallet kugelrund?10. D. Wie ſteht der Erdenlaſt/ der ſchwebet ohne Grund?11. A. Der Grund iſt leichte Luft/ doch kan der Laſt nicht fallen.12. R. Es iſt die gantze Welt/ des Gluekks und Ungluekks Pallen.13. J. Alſo kan man in allen Reimarten verfahren.14. R. Doch muß eın jede Reimzeil/ eine gantze Meinung ſeyn.15. V. Man kan es auch anderſt bedingen/ daß nemlich der erſte eine gantze/ und halbe Zeile ſagen ſol.
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16. J. Aller Menſchen kurtzes Leben/ iſt mit Threnen an= fuellt/ ůberlaſtet/ und bejammert/ ————17. V. — — — — — — in dem Trauerkleid verhuellt. und wann wir gleich kurtze Zeit lachen/ in beliebt= en Freuden/ mueſſen wir doch bald hernach18. C. — — — — — wieder bůſſen/ reuen/ leiden.19. D. Daher auch das Sprichwort ſaget/ daß kein Ungluekk komm’ allein/20. A. und ein anders/ daß dem Gluekk jederzeit gefolget ſeyn/ Ungelůkk und Hertzensſchmertz.
|| [323]
21. R. — — — Laſſt uns in den frohen Jahren uns erfreuen/ mit der Zeit/ werden wir auch Leid er= fahren.22. J. Unter geuebten Perſonen/ koente man dieſes Spiel/ noch auf viel= erley Weiſe fuehren/ als einreimig/ alſo:GOtt laeſſt nicht die Seinen/23. V. die ihn von Hertzen meinen.24. C. Nach ihrer Angſt und Weinen/25. D. wird letzt die Sonne ſcheinen.26. A. In Staedten und in Haeinen/27. R. gedenkſt du GOtt der deinen!28. J. Oder mit halb gleichen Reimen.29. V. Wie iſt das gemeint?
|| [324]
30. J. @ — — — — @ iſt es/ daß wir Menſchen leben/31. V. @ — — — — @ iſt es/ daß die Sonne ſcheınt/32. C. @ — — — — @ iſt es/ daß die Reben weint/33. D. @ deine Guete/ treuer Gott/ @ hat uns Speis und Trank gegebe ̅ ???34. A. @ @ hat es allzeit gut gemeint.35. R. @ @ heiſt uns nach dem Himmel ſtreben.36. J. Noch auf eine andre Art/ daß die unveraenderte Reimzeil zu Ende??? verbleibet.37. V. So muß der Reimſchluß ferne ſtehen.38. J. Glauben/ hoffen/ bruenſtig lieben/ @39. V. Seinen Nechſten nicht betrueben/ @40. C. Den Verirrten Wege weiſen/ @ iſt fuer GOtt recht angenem.41. R. Bloſe kleiden/ Arme ſpeiſen/ @42. A. Oft beſuchen die Gefangen/ @43. R. Nicht an eitlen Guetern hangen/ @
|| [325]
44. J. Man koente wol noch viel Arten dieſer Reyenreimen finden/ welche zu andrer Gelegenheit zu gedenken. Ich ueberlaſſe den Stab Herrn Reymund.
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Reymund.
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DErgleichen Fertigkeit der Wort/ und derſelben Inhalt/ iſt nicht jederman gegeben; doch finden ſich ıhrer viel/ welche es durch Ubung/ noch viel weiter bringen/ und in ungebundner Rede/ ein gantzes Freudenſpiel vorſtellen koennen/ wann ſie nur den Inhalt wiſſen/ die Perſonen ausgetheilt/ und wie ſie aufeinander folgen ſollen/ angeordnet.2. A. Wann es aber mißlingt/ ſo giebt es ein Gelaechter.3. R. Nachdem die Leute ſind/ nachdem kan es zu Werke geſetzet werden. Es gehoeren keine ſchlechte Perſonen/ zu einem guten Freuden= oder Trauerſpiel; ſondern ſolche Leute/ die ein treffliches Gedaechtniß haben; die Reden mit den Geberden vereinbaren/ von Jugend auf gewohnet ſind/ die ſchoen von Geſtalt/ in der Poeterey/ Muſic/ in dem Dantzen und Fechten/ ja faſt allen Sachen ſo in allen Staenden vorgehen/ eine Wiſſenſchaft haben; [327] daher hat man vorzeiten/ dıe Jugend fleiſſig zu den Comoedien angewehnet/ als eine Sache/ darinnen der Verſtand/ die Geberden/ und Ausrede erlernet wird. Es iſt aber ein groſſer Unterſcheid/ unter ſolchen Schauſpielern/ oder Comoedianten/ und den Zahnbrechern/ Markſchreyern und Fantzendichtern/ welche ihren Quark/ mit allerley Schandboſſen/ zu verkauffen pflegen.4. D. Solche gehoeren fuer den gemeinen Mann/ welcher hochachtet/ was ſeinem Verſtand gleichet.5. V. Es hat ſich in Frankreich zugetragen/ daß etliche Schweitzeriſche Comoedianten/ von der ſchlechtſten Gattung/ ſich bey einem Fuerſten ange= meldet/ dıe Gnade zu haben/ fuer ihm zu ſpielen. Der Fuerſt ſahe wol/ daß es ſchlechte Geſellen waren/ und nach euſſerlichern Anſehen/ auch ſchlecht auf= ziehen wuerden: lieſſe ihnen deswegen ſagen/ daß er keinen Geſallen haette/ et= liche Faßnachtsbutzen in Baurenkle dern zu ſehen/ und thaeten ıhm die Augen weh/ wann er ungeſchikkte Eſeltreiber/ als Koenigliche/ oder Fuerſtliche Perſo= nen anſchauen mueſſte. Weil ſie aber anhielten/ mit ıhrem Begehren/ und [328] verſprachen/ daß er dergleichen von ihnen nicht ſehen ſolte; hat er es geſcheh= en laſſen. Nach der Abendmahlzeit/ wurden auf dem Saal etliche Faeſſer ge= ſetzet/ und Bretter darauf gelegt von alten Tapeten ein Gerueſt gezieret/ Liechter aufgeſtekket/ und zu jeden ein Laquey geſtellet/ mit Befehl/ auf gegebenes Zeich= en/ alle Liechter auszuleſchen. Welches auch/ ſo bald ſich die Zuſeher geſetzet/ geſchehen/ und hat ſich alſo das Spiel in der Finſtern angefangen/ und weil es etwas beſonders/ ein Freudenſpiel zu hoeren/ aber nicht zu ſehen/ auf des Fuerſten Gutheiſſen alſo geendet.6. R. Etliche Baurenjungen/ haben auf eine Zeit/ den reichen Mann/ und armen Lazarum ſolcher geſtalt geſpielet. Der reıche Mann kam mit noch dreyen ſeinen Freunden/ ſeinem Weıb/ und einer Dienerin ſetzten ſich an den Tiſch/ und ſagten nichts anders/ als: Schenk ein/ es gilt/ trink aus/ ich werde voll/ der Wein iſt gut. Etliche wendeten den Zuſehern den Rukken/ wıder die Geſetze dieſer Kunſt. Sie hatten eine Spahnſau und einen kaelbern Bra= ten zum beſten; zu allem Ungluekk aber/ hatte keiner kein Meſſer/ und zerlegten [329] das Bratens mit den Haenden/ auf gut Frantzoeſich/ und aſen/ ohn alles Ge= praeng/ und auf der Poſt/ daß in kurtzer Zeit nichts uebrig verbliebe. Auf der andern Seiten kam Lazarus daher/ welcher am allerbeſten/ nach ſeiner Perſon ſtaffıret war; dann ſeine Hofen/ und Hemmet/ ſo durchloechert/ daß er ſeine Armut nicht bedekken konte. Die Hunde/ welche auf der Brukken waren/ beulten Lazarum an/ und als er ſich niederlegen wollen/ beiſſet ihn der eine in den Fuß/ daß er ohne Falſch jaemmerlich zu ſchreyen/ angefangen Abraham hatte des Pfarrers Rokk an/ und ſahe zum Fenſter des Wırtshauſes/ darfuer es geſpielet wurde/ hinaus/ der reiche Mann ſatze zwiſchen zweyen brennenden Beſen; und waren alſo die Perſonen/ wie die Reden/ und von dem Meſner im Dorf zu Papier gebracht.7. R. Zu der Beredſamkeit/ ich will nicht ſagen Wolredenheit/ dienen ſonderlich die Geſchichtreden/ das iſt/ ſolche Reden/ welche aus bekanten Geſchichten hergenommen ſind/ und reyenweis/ an ſtatt eines Geſpraechſpiels/ aufgebracht werden.
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8. J. Dieſes Spiel haben wir noch nicht gehoert.9. R. Zum Exempel/ ſol ſeyn Sejanus/ welcher zu Zeit des Roemiſchen Kaeiſers Tiberii/ faſt allen Gewalt an ſich gezogen/ und nachmals ploetzlich in das Gefaengniß geworffen/ und uem das Leben gebracht worden. Dichte alſo/ daß er in dem Banden und Feſſeln/ dieſe Klagwort hoeren laſſen.Unerhoerter Unfall! beſtaendiges Gluekk/ in der ſtetswank= enden Unbeſtaendigkeit! hoechſten Ehren folget die veraecht= lichſte Schmach. Von den hoechſten Felsklippen/ ſtuertzet man in die tieffſten Abgruende. Der ich zuvor in dem praecht= igſten Thron/ dieſer Welt geherrſchet/ bin mit dieſen Banden/ als ein leibeigner Ruderknecht angefeſſelt/ und habe nichts in meinen Maechten/ als die Freyheit mich zu beklagen/ gegen die/ welche es nicht hoeren. Der Kaeiſer/ mein groeſſter Freund/ iſt mein groeſſter Feinde worden: der Raht zu Rom/ welcher mir vielmals mit falſcher Hoeflichkeit aufgewartet/ hat mich in das [331] Gefaengniß ſetzen laſſen: meine Vertrautſte/ die meine Gewog= inheit teuer erkaufft/ haben mich (wie ich leider befuerchte) zum Tod verdammt. Das Volk/ welches mich zuvor/ als einen ir= diſchen Gott/ angebetet/ freuet ſich/ daß ich darniederliege/ das Glůkk hat mich mit Kron und Scepter/ mit Verſtand und Geſundheit/ mit reichen Schaetzen/ und allen Mitteln der Wol= luſt bereichert/ daß es gleichſam/ ueber ſo gehaeufften Gaben/ haette verarmen ſollen. Aber nun in einem Augenblikk/ in ein= em Augenblikk iſt alles/ alles/ alles verlohren; auſſer dem Leb= en deſſen Verluſt/ nach ſolchem Verluſt/ ein Gewinn meines Elendſtands ſeyn wird.8. J. Ich verſtehe/ daß mir obliegt/ dieſe Rede fortzuſetzen. Es ſind viel Jahre vonnoehten/ einen groſſen Baum auf= zubringen/ aber gar eine kurtze Zeit/ ſelben auszuwurtzlen. Der ſeines Gewalts Endſchaft nicht ueberſehen koen ̅ en/ iſt in den [332] engen Mauren/ einer finſtern Gefaengniß verſchloſſen/ aus welcher ıhn niemand/ als der Tod/ rettenkan.9. V. Sehet hier/ den vormals gluekkſelig gepriſenen/ und ungluekkſelig verachteſten Sejanum/ und an ihm/ die ſchnelle Veraenderung/ menſchlicher Freuden; ja/ ſehet ihn an/ als ein Bild/ der hocherhabenen/ und ſchnellhinfallenden Eitelkeit. Ach verfluchter Stoltz/ der du Sejanum bis an die Wolken er= haben/ und in den Abgrund/ alles ſchmaehlichen/ und ſchmertz= lichſten Unheils fallen laſſen. Der ſich ueber den Kaeiſer ſetzen wollen/ und ſich mit dem trefflichſten Anſehen/ nicht ver= gnuegen laſſen/ findet ſich von aller Hoffnung entfernet/ in Ver= zweiffelung.10. C. Ach der eitlen Eitelkeit! Ach ungluekkſeliges Gluekk. Deine Hoffnung ſind falſch/ deine Verheiſſungen trůglich/ deine Geſchenke ſchaedlich/ deine Gunſt iſt |fluechtig/ deine Freund [333] lichkeit hinterliſtig/ deine Erhoehung ein ſtuertzendes Verderb= en: dann was hilfft nun die verlohrne Ehre/ die neulichſt ge= habten Wůrden/ das in Schmach verwandelte Lob? es hilfft durch ſo betraurliches Angedenken/ mein Elend zu vermehren. Die ſchoenen Tage ſoll man zu Abend loben/ und die Gluekkſelig= en/ nach ihrem Tod/ weil jene den ungeſtuemmen Winden; wie dieſe allem Jammer/ ſtuendlich unterworffen ſind.11. D. Was iſt aber die Urſach/ unerwarter Veraenderung? iſt ſie vielleicht ohne dein Verſchulden/ ůber dich verhengt worden: Nein/ dein Stoltz und Hochmut/ welcher den Ob= erherrn dieſer Welt/ zu deinem Rnecht machen wollen/ wird durch ſolches Unheil billich beſtrafft. Wer hoch ſitzet/ iſt den Donnerkeulen am nechſten: ja/ wann ſolche Himmelspfeile/ und nicht die Menſchen/ mein Leben enden ſolten/ wuerde die [334] Schmach von mir genommen/ und meine langſchmertzliche Qual ın einem Augenblıkk abgekůrtzet werden.12. A. Kan auch dem Unverzagten in dem Wolſtand/ das Hertz ſo bald entfallen in dem Ubelſtand? kan der Großmuet= ige/ ſo kleinmuetig werden? wer auf der niedern Erden ver= bleibet/ faellt nicht hoch; wer ſich aber ueber ſein Vermoeg= en/ gleich die Schildkroten/ durch den Adler/ bis an die Wolk= en tragen laeſſet/ der wird auf den harten Steinen/ ploetzlich zer= ſchmettert.13. V. Theagenes hatte gehoert/ daß Frine/ eine offentliche Dirne/ welche mit dem Leıbs= und Liebsgewerb groſſen Reıchthum gewonnen/ dem Raht zu Thebe angebotten/ die zuzeiten Alexandri des Groſſen/ eingefallene Mauren/ auf ihren Unkoſten/ wiederuem zu erbauen; mit Beding/ daß in ein= er kurtzen Schrift/ ihr Name/ und dıeſe Wolthat/ ſo ſie der Stadt erwieſen/ moechte in Stein gehauet werden. Wider ſolches Beginnen/ hat Theagenes [335] eine ſolche Rede gefuehrt/ wie ich anfangen/ und die Geſellſchaft fortſetzen wird.14. J. Es iſt ein ſeltner Fall.15. V. Von dem Laſter ſol man nicht reden/ als mit Ver= achtung: verwundere deswegen/ daß das Vorbringen einer gemeinen Dirne aufgehoeret/ und von etlichen beliebet wird. Die ſich nicht verwahren kan/ und jedem Soldaten/ die Thuer eroeffnet/ wil unſre Stadt verwahren/ und fuer den Feinden ver= ſchlieſſen. Sind wir dann nicht Maenner/ deren Tugend und Tapferkeit feſter iſt als ein Stein/ und Kalg/ ſo ein Weib/ durch ůbelgewonnenes Geld/ wil laſſen auffuehren? groß= maechtige Helden/ welche durch den Tod/ ihre Unſterblichkeit ſuchen/ lieben die Gefahr/ und Gelegenheit/ ihren Loewenmut zu erweiſen. Weiber und Kinder/ ſuchen hinter den Mauren ſicher zu ſeyn.
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16. C. Alle Untugenden ſchlieſſen eine Ketten/ deren eine jede ein abſonderliches Glied iſt. Die Unkeuſchheit iſt vor mit Geld=jetzt mit dem Ehrgeitz verhengt. Eine Schrift ſol ſolches dem Maurenbau/ zu der Thebaner ewigen Schande bemerken. Wol dann: wann man ihrem Erbieten Folge leiſten ſol/ ſo koente man beyſetzen/ welcher geſtalt die. Frine das Geld gewonnen. Was Ehre wuerde man von dieſer That/ bey den Nachkommen haben? dieſe/ daß man der Unkeuſch= heit eine Seule/ auf ihren Koſten aufgerichtet.17. D. Die Mauren/ haben zu der Stadt Zier gedienet. Sie ſind gefallen/ oder haben ſich vielmehr geneiget/ uns zu lehr= en/ was wir fuer dem Beherrſcher der Welt/ dem groſſen Alexan= der thun ſollen. Ein Weib/ ein gemeines Weib/ wil wieder= uem aufrichten/ was die Ankunft eines ſo trefflichen Helden niedergeworffen. Die Stadt ſtehet nicht in dem Maurenbau/ [337] ſondern in der Burger Einigkeit/ der Obern Gerechkigkeit/ und Klugheit/ nebenſt der Burger Tapferkeit. Dieſes alles laeſſet ſich nicht mit der Weiber Schoßgeld ůmſchlieſſen.18. A. Nicht alles/ was nutzlich ſcheinet/ iſt ſicher/ und was(Securus esſe posſum, tu- tus esſe non posſum. Senec.) wir fuer ſicher halten/ iſt verſichert. Die Mauren/ durch boeſen Gewinn erbaut/ koennen ſo leicht/ als Frine/ von dem nechſten beſten wiederům erleget werden. Man ſol nicht Boe= ſes thun/ daß Gutes daraus erfolge/ man ſol auch nicht Gutes thun/ zu einem boeſen Ende. Aus der Unehre/ einen Ehren= ruhm zu bauen/ iſt nichts anders/ als einen Kirchenſchatz be= rauben/ und Allmoſen darvon geben: oder einen armen Mann mit einem Groſchen beſchenken/ und ihm hingegen den Man= tel abnehmen.19. R. Was ſolten unſre Nachkommen ſagen/ wann wir in Frine Begehren willigten? dieſes: Man haette eine Bauſteur/ [338] durch eine freche Dirne geſammelt/ und den Lohn der Laſter= pfuetzen/ zu gemeiner Wolfahrt angewendet. Hat dann nie= mand Geld/ als dieſe Frine? hat ſie die reichſte Handlung in der Stadt/ und der Burgerſchaft Vermoegen an ſich gezogen? Nein/ nein: Ihres Gelds bedarff man hierzu nicht/ man wol= te ſie dann darům ſtraffen/ wegen ihres unverſchaemten An= bringens.20. J. Weil Frine Schoenheit nicht mehr wuchern kan/ wil ſie der Stadt Hertzen/ mit dem angebottenen Maurenbau an= halten/ und ihr Freunde machen/ mit dem Gut/ welches keinen Erben/ ohne Schand hinterlaſſen kan. Die gantze Stadt ſol einer offentlichen Dirne verbunden ſeyn. Ihre Ubelthat/ ſol uns Wolthat erweiſen/ und ſie wil aus boeſem Samen/ gute Fruechte ſamlen. Ihr Geitz/ wird freygebig/ ihre Ehre/ und unſre Schande zu erkauffen: ich ſage/ unſre Schande/ damit [339] die Nachkommen wiſſen/ daß zu unſer Zeit/ die Menge der Buhler/ eine Dirne bereichert/ daß ſie die Stadmauren erbau= enkoennen. Ihre Ehre aber/ indem ſie ihr einen Namen ſtifftet/ deſſen gedacht werden ſolte/ wann ihrer Laſter bey unſren Nachkommen vergeſſen.21. V. Solcher geſtalt/ kan man von allen Sachen reden/ und in den Freudenſpielen deſto leichter aufzukommen/ viel Wort finden lernen. Man muß aber die Geſchichte mit allen Umſtaenden wiſſen/ damit dieſelbe artig/ und mit feinen Betrachtungen angefuehret werden moegen.22. R. So koente man die Wort dichten/ der ſchoenen Helena/ als ſie ent=(Dergleichen iſt die Rede Noae/ an die erſte Welt. Poetiſcher Trichter Stund 4. §. 4.) fuehret worden/ der Cleopatra/ als ſie dem Antonio/ das Perle zu trinken geb= en/ des Curtii/ als er in die Erdengrufft geſprungen/ des Scevolae/ als er die Hand verbrennt/ des Catons/ als er ſich ermordet/ etc. Daher es auch mit Fug Geſchichtreden genennet werden.
|| [340]
23. D. Ich hab neulich dergleichen aufgeſetzet; was nemlich Adam/ nach dem Suendenfall/ fuer Wort gefuehret haben koente. Ich will es leſen.

Adams Suendenfall.
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IHr Soehne ſehet mich/ den Vater aller Plagen/ der aus der Art geſchlagen: Der Ach und Weh gebracht/ auf Kindes=kindeskind/ der Anfang aller Sůnd’. Es iſt auf euch geerbt/ mit aller Menſchen Namen/ der Miſſethaten Samen/ und meiner Schulden Frucht. Wie ich gefallen bin/ ſo fallt ihr taeglich hin. Das Leben und der Tod/ iſt nun auf Boeſ’ und From ̅ en/ durch mich/ auf euch gekommen.
|| [341]
GOtt/ gab mir ein Verbot/ und ließ mir freye Hand/ in heiligh ohem Stand/ nach ſeines Munds Befehl/ gehorſam Folg zu leiſten/ mir/ als dem Allerweıſten/ im Garten voller Thier’. Ich gebe mir die Schuld/ der nun verlornen Huld: Dann/ wann der hoechſte Gott/ mich zu der Sůnd gezwungen/ genoehtigt und gedrungen/ ſo haette ſeine Straff/ mich/ und auch mein Geſchlecht getroffen/ ſonder recht. Die Schuld iſt leider mein/ mein/ mein iſt das Verbrechen/ mit Eifergrimm zu raechen. Mir/ mir ward das Geſetz gegeben/ mich beraubt der/ dem ich hab geglaubt/
|| [342]
mehr als dem wahren Gott. Sein Stoltz hat ihn vor allen/ geſtuertzt/ und machen fallen/ in die verbannte Qual. Ich folgte ſeinem Raht/ und gleicher Miſſethat; ich wolt’/ aus Frevelmut/ mich meinem Schoepfer gleichen/ bis an die Wolken reichen/ und ſetzte Gottes Wort/ aus meines Hertzen Sinn: daher ich leider bin verluſtigt alles Luſts. Wie ſol ich mich entladen der Suend? von Gottes Gnaden/ trug’ ich des Hoechſten Bild/ das nun im Unverſtand/ verwandelt ſamt dem Land/ das meine Muehe baut. Das Weib hat mich verfuehret/ die mit mir gleich verlieret/
|| [343]
des HERREN Paradeis. Ich ſolte klůger ſeyn; die Schuld iſt mein allein. Ich/ als des Weibes Haubt/ ließ mich vom Rieb betruegen/ zu glauben Satans Luegen. Ich/ aller Thiere Herr/ der erſten Suende Knecht/ erdulte nun mit Recht/ Was ich verdienet hab. Die von mir hat das Leben/ hat mir den Tod gegeben. Ich wurd ohn’ Arbeit ſatt/ nun koſtet meine Koſt/ Mueh’/ Angſt/ Sorg/ Hitz und Froſt. Ich muß das Brachefeld/ mit Wurtzelſcharen * pfluegen/(* Der erſte Pflug ſol von eines Baum= es Wurtzel geweſen ſeyn.) den Hunger zu vergnuegen. Der Himmel und die Erd/ ſo mich vor angelacht/ ſind mir zum Feind gemacht.
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die Thiere/ ſo zuvor gehorſamt meiner Stimm/ ſind voll entbrandtem Grimm/ entnom ̅ en meiner Zucht. Das Waſſer und die Flam ̅ en/ verbinden ſich zuſammen/ und werden mir zur Straff. O Engelgleiche Zier/ du verdůſterſt gantz in mir/ und aenderſt Hertz und Sinn. In mir ſich nunmehr finden/ die Lueſte mancher Suenden. Ich fliehe Furcht und Angſt/ Qual/ Schrekken/ Weh und Ach/ folgt meinen Tritten nach. Es bebt und zagt mein Hertz/ der Tod/ ſtuertzt meine Tage/ mit mancher Jammerklage. Ich/ ich und mein Geſchlecht/ ſind nun von GOtt verflucht. Weh/ ſolcher Sůndenfrucht!
|| [345]
24. R. Dergleichen hab ich zu Papier| gebracht/ die Wort Daniels/ in der Loewengruben/ folgenden Inhalts.

Daniel in der Loewengruben redet.
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Du GOtt Himmels und der Erden hoer/ Ach hoer doch meine Klag! dann ich ſchrey’ hier aus der Tieffen/ laß nun deine Gnade trieffen/ in den letzten Todesnoehten/ HERR/ erhoere was ich ſag???. Ach GOtt/ Ach GOtt/ zuerne nicht! iſt des Koenigs Hertz er= grimmet/ der mich aus verhetzem Raht/ nunmehr gantz verſtoſſen hat/ weiß ich doch/ daß Gottes Huld/ mich in ſeine Schirmung nimmet.
|| [346]
Der auf ſolche Guete trauet/ iſt verſichert in Gefahr/ in dem Waſſer/ in dem Feuer/ kommet Gott mit Hůlff zu ſteuer/ und errettet aus den Noehten/ ſeiner frommen Diener Schar. Du mein Schoepfer ſiheſt mich/ du/ du průfeſt Hertz und Nieren/ weiſſt ja/ daß ich dir vertrau’/ und nach deiner Rettung ſchau’/ als nach dem/ der mich wol kan/ aus der Loewengruben fůhren. Wan ̅ die Liebjer Thiere bruellen/ von dem langen Hunger matt/ mit den ſtarken Schwaentzen ſchmeiſſen/ drauend mich/ bald zu zerreiſſen/ und mit gantz entbrandtem Schnauff/ von mir wollen werd= en ſatt.
|| [347]
So ruff’ ich HERR Gott zu dir! du/ du zaeumeſt ihren Rachen/ daß ihr langbemehntes Haar/ dieſer wilden Loewen Schar/ mich/ gleich jenem hat erſchrekket/ die von ſchwerem Traum erwachen. Der will mir die Haende lekken/ jener ſtreicht mich mit dem Schwantz; dieſer will mein Haubtkueß ſeyn; jener ſtehet/ als ein Stein/ blinkend freundlich/ unbeweget mit dem ſtrangen Augen= glantz. Meine Ruh iſt ſonder Ruh’: HERR/ du wirſt mich nicht verlaſſen/
|| [348]
weil der Loew mein hat verſchont/ und ich der Gefahr gewohnt: dann du liebeſt/ der dich liebet/ und ſtuertzſt alle/ die dich haſſen. Um mich liegen Todenbeine/ die mir bilden/ jener Pein/ ſo diß Loewenvolk verzehret/ das ſo freundlich mit mir faehret; Sie als meines Leibs Beſchuetzer’/ nicht mehr meine Feinde ſeyn. Ich halt ob des Glaubens Pfand/ Hoffnung laeſſet nicht in Schanden. wer hat mir die Speiſe bracht? GOtt/ GOtt hat an dich gedacht. Daniel/ der Koenig rufft/ dich zu retten aus den Banden.
|| [349]
25. V. Ich wehle zu einer Geſchichtrede/ die Wort/ oder den Inhalt/ welchen die Mutter der ſieben Soehne/ zu Zeiten der Maccabeer/ den Tyrannen in das Angeſicht ſagen duerffen.
Was tobeſt du Tyrann (mag ſie geſagt haben) du macheſt nur Sterbliche ſterben/ GOtt/ der unſterblich iſt/ laeſſt dieſe nicht ewig verderben. des Schwefels Marterglut/ entzuendet die Goettliche Lieb’/ und duplagſt meine Soehn’/ aus hoelliſchverteuffeltem Trieb. Ich leid’ uem das Geſetz/ vom Hoechſten/ uns Menſchen ge= geben/ der mir anjenem Tag’/ und dieſem. erſtattet das Leben: du aber biſt verflucht/ blutdurſtiger Henkerstyrann/ du quaeleſt ohne Schuld/ verfolgeſt mit Marter und Bann/
|| [350]
die mehr des Hoechſten Wort/ als deine Gebote betrachten/ und nicht was zeitlich iſt/ in dieſer Betruebniß erachten. GOtt wird nach dieſer Zeit/ uns dieſer Gelieder Verluſt/ die Haeubter/ Fleiſch und Bein/ die ſchmertzlich gequaelete Bruſt erneuen wiederuem. Du laeſſeſt die Haende verbrennen; indem das fromme Hertz/ pfeilt gegen dem Himmel zu rennen. Du ſtimmelſt unſre Fueߒ/ indeme du hindereſt nicht/ daß unſrer Seelen Lauff/ zum ewigen Leben gericht. Die Zungen ſind heraus: GOtt hoeret der Menſchen Ge= danken/ uns machet nicht die Qual/ von Gottes Geboten abwanken.Zu den Soehnen mag ſie dieſe Wort geſagt haben:
|| [351]

1.
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Meine Soehne/ Jacobs Samen/(2. Macc ab. 7) denket an den Mutternamen/ welcher weiſt/ daß ich unter meinem Hertzen euch getragen/ und mit Schmertzen/ hab gegeben/ Leib und Leben/ GOtt/ den Geiſt. Welcher euch wird wol verwahren/ wann ihr alles laſſet fahren/ was verweſlich iſt und heiſt.

2.
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Schaut/ der Himmel und die Erden/ hat aus nichtes mueſſen werden/
|| [352]
gleich als wir. Alles/ alles muß erſterben/ aber daruem nicht verderben. Fuerchtet nicht/ diß Gericht/ das euch hier der Tyrann hat zu erkennet/ der üm Gottes willen brennet/ leucht dort mit der Sternen Zier.26. R. Ich uebergiebe hiermit den Spıelſtab/ und erwarten wir nun etwas froelichers.
|| [353]

Angelica.
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MEin Spiel ſol von keinen wichtigen Sachen handlen. Es ſol jedes von der Geſellſchafterzehlen/ was ihn am meiſten in ſeinem Leben gereuet/ und wiederuem/ was ihn am meiſten erfreuet habe.2. D. Die Jungfrau mache den Anfang.3. A. Weil ich die Spielherrſchaft habe/ befehle ich/ Kraft tragendes Ambts/ daß der Herr den Anfang mache.4. D. Ich hab nicht Zeit/ meinen gantzen Lebenslauff zu durchdenken: ich will das nechſte ſagen/ ſo mir beyfaellt. Es reuet mich/ daß ich nicht fleiſſ= iger ob den Buechern gelegen: und erfreuet mich nichts mehr// als das wen= ige/ ſo ich kan; mit Verlangen taeglich ein Mehrers zu erlernen.5. C. Mich reuet nichts mehr/ als die Zeit/ ſo ich uebel angelegt; und erfreuet nichts anmuhtiger/ als die Ubung der Geſpraechſpiele.
|| [354]
6. V. Mich reuet/ daß ich zu Waſſer bin gefahren/ und mehrmals in groſſe Gefahr kommen/ wo ich zu Lande haette reıſen koennen. Meine groeſſte Freude aber iſt/ jederman zu dienen.7. J. Mich reuet nichts/ als das Geld/ ſo ich ausgegeben; ſolte mich auch nicht gereuen/ wann ich es wieder haette. Meine hoechſte Freude iſt/ ſchoene geiſtliche Buecher leſen.8. R. Mich reuet/ daß ich einer undankbaren Jungfrauen/ geraume Zeit hab aufgewartet/ und erfreut mich nichts mehr/ als wann mir ein Ge= dicht/ artig von der Feder flieſſet.9. A. Mich reuet alles/ was ich ohne reiffen Bedacht gethan/ und er= freuet mich die Erkaentniß meiner begangenen Fehler/ ſolche kuenftig zu vermeiden.10. R. Iſt hiermit das Spiel geendet?11. A. Hieraus entſtehen zwo Fragen. Weil die Reue/ von begange= ner Mißhandlung entſtehet/ frage ich: warům man doch zu ſagen [355] pfleget/ keinem Geſcheiden wiederfaehret eine kleine Thorheit: oder wie es andre ausredtn/ ein jeder verſtaendiger Mann/ ſeye Gott eine groſſe Thorheit ſchuldig. Zum andern/ weil die Freude eine Neigung des Gemuets iſt/ frage ich: Ob beſſer ſey/ ſolche zu beherrſch= en/ oder gar nicht empfinden.12. R. Erſtlich iſt zu betrachten/ was durch das Wort geſcheid/ oder ver= ſtaendıg/ gemeinet ſey? Geſcheid kommet ſonderszweiffel her/ von dem Stammwort ſcheid/ daher beſcheiden/ verabſchieden/ unterſcheid= en/ etc. herkommen/ und verſtehe ich darunter einen Mann/ der zwar Gutes und Boeſes ſcheiden und abſondern kan/ ſich aber aus Unbedacht/ in eine Thorheit verleiten laeſſet. Dergleichen Deutung hat auch das Woertlein ver= ſtaendig/ entſprungen von dem verſtehen/ wiſſen/ oder erkennen eines Dings/ etc. Es kom ̅ e nun ſolcher Verſtand her/ aus Erlernung aller Wiſſen= ſchaften/ oder aus natuerlichem Unvermoegen/ ſo iſt keiner/ ſo der Thorheit nicht unterworffen were/ wann wir mit ſolchem Wort/ die Suende benamen wollen. [356] Moſes/ David und Salomon/ haben ihrer begangenen Fehler/ Denkmahl hinterlaſſen; andrer zu geſchweigen/ welche von GOtt/ keine ſo hohe Gaben empfangen.13. J. Dieſes iſt/ meines Erachtens/ die Frage noch nicht: dann/ wir verſtaendig nennen/ welche von andern darfuer gehalten werden/ und nicht die jenigen/ welche gantz engelrein/ oder ohne Maengel ſind. Der groeſſte Mangel iſt die Liebe/ und findet ſich kein Menſch/ der nicht etwas lieben ſolte/ als da iſt/ die Lieb zur Tugend/ zu den Weıbern/ Gemaehlen/ Blumen/ Pferden/ Gebaeu= en/ Kuenſten/ und dergleıchen. Welcher nun dieſer etwas mehr liebet/ als er ſol begehet in ſolchem eine Thorheit/ und iſt alſo kein Verſtaendiger/ ohne ſolche uebermaeſſige Gemuetsneigung.14. V. Dieſe Liebe aber/ ruehret mehrmals her/ von der Leibsbeſchaffen= heit/ nachdem der Menſch genaturt/ oder nachdem er von Jugend auf erzogen worden. Gleichwie aber kein Thor ıſt/ welcher nicht zuzeiten/ verſtaendig thun oder reden ſolte; alſo iſt auch kein Verſtaendiger/ welcher nicht ein Koernlein [357] von der Thorheit/ wie die Frantzoſen reden/ ſolte laſſen herfuerbrechen. Die(Illn’ya ſage ſans grain de folic.) groeſſte Thorheit aber iſt/ dieſelbe nicht erkennen wollen.15. C. Wie der Weın/ Wein verbleibet/ wann man gleich ein wenig unter= miſchet/ und das Gold/ Gold/ wann man demſelben einen Zuſatz giebt; alſo verbleibt der Verſtand/ Verſtand; wanngleich ein kleiner Fehler mit unter= laufft. In dieſem Leben iſt keine Vollkommenheit/ und ermangelt derſelben/ des Menſchen Verſtand/ ja ſo wol/ als alle andre Geſchoepfe.16. D. Der jenige/ wird ein Verſtaendiger genennet/ welcher ſeine Ge= muetsneigungen nach richtiger Vernunft bezwingen kan. Die Thorheit aber/ hat dreyerley Abſaetze. Die erſte/ gehoert den Aertzten/ zu heilen/ wann das Hirn verletzet/ und der Menſch aus Bloedigkeit/ wahnwitzig wird. Die and= re iſt nicht ſo gefaehrlich/ und wird ein Uberſehen/ und unbedachtſame Verhand= lung/ mit ſolchen Namen genennet; von welcher ſich niemand ausſchlieſſen kan. Drittens/ wird eine Thorheit genennet/ wann eıner einem gewiſſen Laſter/ gar zu ſehr ergeben iſt/ als der Trunkenheit/ Bulerey. Ehrgeitz/ etc. Nun iſt [358] auſſer Zweiffel/ daß wir alle zu Boeſem geneigt ſind/ und uns bisweilen/ durch einen Fehler uebereılen laſſen: wann aber alle Tugenden aneinanderhangen/ ſo wird der Verſtaendige/ dieſen Namen behalten/ wann er gleich zuzeiten eine kurtze Thorheit begehen ſolte.17. A. Hierinnen kan man keinen Richter finden/ der nicht Anklaeger/ oder Beklagter mit ſeyn ſolte. Nun will ich von der andren Frage auch gerne hoeren: Ob nemlich beſſer ſey/ unempfindlich/ und ohne Beweg= ung des Gemuets ſeyn/ oder ſelbe zu beherrſchen wiſſen.18. R. Welche darfuerhalten/ der Menſch ſolle ſich ueber nichts betrueben/ und ueber nichts erfreuen/ ſondern unbeweglich ſeyn/ in allen Faellen/ ſchlieſſen zwar die Gemuetsneigungen aus/ machen aber denſelben/ das Hinterthuerlein auf/ indem ſie ſich bemuehen/ ſolche Unbeweglıchkeit/ mit eitler Ruhmſucht zu erweiſen/ und wollen ſolche Stoiſche Gemueter/ mehr leiſten/ als in menſch= lichem Vermoegen iſt: maſſen die Chriſtliche Liebe/ und das mitleidige Erbar= men/ ſolcher geſtalt auch ſcheltbar ſeyn mueſſte. In ſolchem Wahn/ [359] gleichen ſie den unvernuenftigen Thieren/ welcher Sinn/ dergleichen Neigung nicht faehig iſt.19. J. Wie die Adler und Delphine hoeher zu achten/ ob ſie ſich ſchon in dem Ungewitter finden mueſſen/ als die Maeuſe/ und Ratzen. Die in Ruhe ſind; haben doch jene mehr Lob/ als dieſe. Unempfindlich ſeyn/ iſt die Tug=(Campanell. de ſenſu rerum.) end eines Glotzes/ oder Blochs wiewol von derſelben Empfindlichkeit/ nach ihrer Art/ noch eine Frage waltet.20. V. Wann man von der Gemuetsbewegung redet; wird ſolche zum Boeſen/ und nicht Guten verſtanden. Die Neigung zum Boeſen/ iſt eine Krankheit des Geıſts/ oder der Seelen. Wann ich nun frage/ ob beſſer krank/ oder geſund zu ſeyn; iſt die Antwort leichtlich zu finden. Beſſer iſt/ die boeſen Neigungen gantz auswurtzlen/ als ſelbe beſchneiden/ und aufer= ziehen. Ich frage einen Schıffmann/; ob das gute Wetter/ beſſer zur Schif= fart diene/ oder der Sturmwind? ſonderszweiffel wird er ſagen/ das gute Wetter. Des Menſchen ſeligſter Stand iſt dieſer/ welcher ſich mit dem [360] Ewigen vergleichet: die Engel aber ſind aller Beunruhigung ihres Weſens beraubt.21. C. Uns aller Neigungen des Gemuets zu berauben/ iſt menſchlicher Schwachheit unmueglich/ weıl ſolche unſrer verderbten Natur einverleibt. Der HErr Chriſtus hat mit der menſchlichen Natur/ ſich der Traurigkeit und Freude untergeben; wie ſolten wır uns dann ſolchen entziehen wollen/ oder koennen; zumal die erſten Bewegungen nicht in unſren Maechten. Nach ſo beſagter Meinung wuerde keine Tugend ſeyn/ welcher Ambt iſt/ die Beweg= ungen des Gemuets zu maeſſigen/ und zu beherrſchen; als die Wolluſt durch die Keuſchheit/ den Schmertzen durch die Gedult/ die Zagheit/ und Kuenheit/ durch die Tapferkeit.22. D. Ja/ ſie vermehren auch die Tugenden/ als der Zorn/ befoerdert die Tapferkeit/ die Furcht/ Vorſichtigkeit.23. A. Ohne Gemuetsneigung zu ſeyn/ iſt nichs anders/ als ohne Freude/ das iſt/ ohne Gluekkſeligkeit in dieſer Welt zu leben. Die Gemuetsneigungen [361] zu beherrſchen/ iſt ſo viel/ als ohne Ruhe in ſtetigem Streit begriffen ſeyn. Zu= laeſſigen Neıgungen kan man den Zaum wol nachhangen; die boeſen aber zu= rukke halten.24. V. Nun kan ſich die Jungfrau des Spielſtabs wol begeben.
|| [362]

Degenwert.
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(* CCLIX.) ES iſt zuvor * gedacht worden/ daß alles/ was geſchehe/ uebernat= uerlicher/ natuerlicher oder kuenſtlicher Weiſe geſtehe. Viel be= giebt ſich aber/ daß man im Zweiffel ſtehen muß/ ob es natuer= licher/ oder uebernatuerlicher Weiſe zugehe: maſſen der Satan ein Tauſend= kuenſtler iſt/ der unſren boeſen Neigungen/ allerley Suendenmittel an die Hand geben/ und uns mit vielen Verblendungen/ (deren Urſachen/ ob ſie wol nat= uerlich/ jedoch verborgen ſind) truegen kan.2. C. Wohin dieſe Vorrede zielet/ verlanget uns faſt anzuhoeren.3. D. Unter vielen Sachen/ von welchen wir bishero geredet/ iſt der Ge= ſpenſter/ und Poltergeiſter/ nicht gedacht worden/ von welchen abend= teurlıche Geſchicht geleſen/ und erzehlt werden.4. C. Vielleicht wiſſen wir/ etwas beyzutragen; der Herr erzehle ſeine Geſchichte.
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5. D. Zu Stokholm in Schweden/ hat ſich begeben/ daß ein Fleiſchhakker/ oder Metſker daſelbſt/ ſich in ſeine ſchoene Dienſtmagd verliebt/ welche ſeines ſuendlichen Willens nicht werden wollen/ es ſterbe dan ̅ ſein Weib/ und daß er ſich mit ihr verehliche. Weil aber ſeine Alte nicht ſterben/ und ihm/ als eine ̅ jungen Mann/ die Nachwart zulang fallen wolte/ laeſſt er einen Sargmachen/ und zerſpaltet dem alten Můtterlein/ mit ein= nem Schlachtbeil/ damit er die Rinder zu ſchlachte ̅ pflegte/ das Haubt in zwey Theil/ legte ſie in den Sarg/ mit dem Vorgeben/ ſie were an der Peſt/ ſo dazumal ſehr regirte/ geſtorben. Nach= dem ſie nun zur Erden beſtattet worden/ und er mit der Magd ſich verheuratet/ bliebe ſolche Moerderthat eine geraume Zeit verſchwiegen/ und war keinem Menſchen/ als dem Thaeter/ darvon wiſſend/ deſſen Sinn durch ein Geſpenſt nachts ver= unruhigt/ und an den begangnen Mord zum oefftern erinnert [364] wurde; ſo gar/ daß er in ſeinem Hauſe nicht bleiben koennen/ ſondern gezwungen worden/ ein anders zu mieden/ und das ſeine zu verlaſſen/ trachten. Es fuegte ſich/ daß ein Reichstag zu Stokholm ausgeſchrieben wird. Eine adeliche fromme Wittib reiſet dahin/ und kan wegen der Menge des Volks keine Herberge bekommen/ als eben dieſe wegen des Geſpenſts beſchreyte Behauſung. Ob man ihr nun ſagte/ warům das Haus nicht bewohnet were/ ſcheute ſie ſich doch nicht/ die Nacht ſowol als den Tag darinnen zu verbleiben: mit feſtem Vertrauen/ GOtt werde ſie wol ſchutzen/ und ſchirmen. Zu Mitternacht kommt das Geſpenſt mit groſſem Gepolter/ in die Stuben: die Wittib befihlt ſich GOtt/ und wendet das An= geſicht gegen der Wand/ bis das Gepolter geendet/ und das Geſpenſt verſchwunden. Folgende Nacht/ als das Geſpenſt wiederům erſchienen/ ermannet ſich beſagte Wittib/ nach ge [365] thanem Gebet zu GOtt/ ůmzuſchauen/ mit dem Wort Da= vids; alle gute Geiſter/ loben GOtt den HERRN; und wird gewahr einer Weibsperſon/ mit zerſpaltnem Haubt/ deſſen Theile auf beeden Achſeln gelegen/ und durch eine Stimme die Wort hoerenlaſſen: Ich bin ein guter Geiſt/ und lobe auch Gott den HERRN. Hierdurch iſt die Wittib behertzter worden/ und hat gefragt/ waruem ſie dann auf der Erden/ und in dieſer oeden Behauſung ſich aufhalte? nach kurtzer Erzehlung aber vorermeldter Mordthat/ hat ſie zu verſtehen geben/ ſie koenne nicht ruhen/ bis ihr Mann/ von der Obrigkeit/ zu verdienter Straffe gezog= en wůrde. Hierauf ſol ſich (wie ich von glaubwuerdigen und hohen Standsperſonen erzehlen hoeren) die Wittil??? erkůhnt haben/ ihren Wapenring von dem Finger abzuziehen/ ſelben zwiſchen die zwey Theile des Haubts zu werffen/ und ſolches mit ihrem Haartuch zuſammen zu binden/ nach welchem das [366] Geſpenſt wiederuem verſchwunden. So bald der Tag ange= brochen/ hat vielbeſagte Wittib/ den Verlauff der Origkeit des Orts angeſagt/ und weil man ihr nicht Glauben zuſtellen wollen/ iſt das Grab eroeffnet/ das Haartuch/ in welchem der Name genaehet/ ſambt dem Ring/ wiederuem gefunden/ und der Moerder/ zu gebuehrlicher Straff gezogen worden.6. A. Alſo kan auch Gott das Verborgene offenbaren/ und an das Liecht bringen die Werke der Fınſterniß.7. V. GOtt ſtraffet nicht alles Ubel/ damit die rohen Menſchen nicht waehnen koennen/ es ſeye keine ewige Straffe zu erwarten. GOtt laeſſet auch nicht alles ungeſtrafft hingehen/ damit man nicht gedenken kan/ es ſey kein Gott/ der auf das Niedrige ſchaue/ und richte die Elenden recht.8. J. Der boeſe Geiſt/ kan ſich in einen Engel des Liechts verſtellen/ und aus Verhaengniß GOttes/ den Allerfrommſten auch Leid zufuegen/ wie wir ein Exempel haben an Job und ſeinen Kındern.
|| [367]
9. R. Alſo kan er auch der Frommen Geſtalt an ſich nehmen/ wie Sa= muels/ und mit einer Warheit zehen Luegen verkauffen. Wir pflichten aber den jenigen nicht bey/ welche bejahen/ der Menſch habe drey weſentlıche Theile: die Seele/ den Geiſt/ und den Leib. Wann nun ein Menſch vor ſeines Leb=(V. Beſold. de ſepulch.) ens Ziel ermordert werde/ ſo ſchwebe der Geıſt/ in menſchlicher Geſtalt/ ſo lang auf der Erden/ bis die ſonſt ihm gegebene Zeit zu leben/ erfuellet worden/ etc. Geſetzt aber/ der Sache were alſo: ſo mueſſten dıe Kleider/ oder die Grabtuech= er/ in welchen ſolche Geiſter zu erſcheinen pflegen/ auch ihren Geiſt haben/ und ſo lange Jahr von aller Verweſung erhalten werden/ als der Geiſt ſich ſehen laeſſet; welches der Vernunft nicht gemaeß ſcheinet.10. A. Ich halte alle Geſpenſter fuer Teuffelsgeiſter/ ſie ſtellen ſich/ ſo fromm ſie wollen. Sie kommen her/ von dem Luegner von Anbeginn/ und wer ſich von ihm betruegen laeſſet/ der kan es niemand klagen/ indem er ſeinem Richter abgeſagt: Ich verſtehe/ daß Gott dem nicht rechtſchaffen will/ der den boeſen Geiſtern mehr glaubet/ als Gottes Wort. In Frankreich hatte ein [368] Zauberer von dem Satan das ſchriftliche Verſprechen/ e??? folte nicht an den Galgen kommen/ wanner auch/ ſo offt und vielmals im Diebſtall ergr???fen wůrde werden: verſchriebe benebens ihm den roten Hut aufzuſetzen. Nachdem aber beſagter Gottsvergeſſner Geſell/ wegen begangenen Raubs/ gefaenglich eingezogen/ und zum Strang/ und Scheiterhauffen verurtheilt worden/ iſt der Galgen/ ſambt der Leiter/ dem Dieb??? und dem Henker zu Boden gefallen. Nachdem man aber den Dieb an einen Baumen gehenkt/ iſt er erworgt/ und hat durch die Flamm (wie es ihm der Teuffel ausgelegt/) den rot= en Cardinalshut empfangen. Dergleichen Leute koennen niemand/ als ihre Leichtfertigkeit beſchuldigen.11. R. Daß man nun ſein Vertrauen/ von Gott ab/ und zu andern Sachen ſetzen ſol/ brıngt der Boeſe auf vielerley Weiſe zuwegen: nnd entſtehe hieraus eine Frage: was doch von den Zetteln/ mit gewiſſen Buch [369] ſtaben/ und Zeichen bemerket/ ſo man wider das Fieber/ und andre Krankheiten/ pfleget anzuhaengen/ zu halten ſeye? Gewiß iſt/ daß ſolche Mittel wider den ordentlichen Lauff der Natur ſtreiten/ und keine andre Krankheiten heilen/ als welche in dem Wahn/ und der Einbild= ung beſtehen: oder der boeſe Geiſt/ als ein Naturkuendiger/ weiß der Krankheit Ende/ undbringt dergleichen Zauberſtuekklein an/ ihm einen Glauben zu mach= ???n wann man auch ohne ſelbe geſund werden will. Ob nun wol unſrer Wiſſenſchaft viel natuerliche Urſachen verborgen/ ſollen doch fromme Chriſt= ???n alle verdaechtıge Mittel billich fliehen/ und meıden: dann wann ich zweiffe= ???r/ ob dieſes oder jenes Suende ſeye/ ſo gehe ich ſicher/ wann ichs unterlaſſe. Jener Italiaener/ wolte einen Hausgeiſt * kauffen/ und bote(* Spiritum familiarem.) ???arfuer groſſes Geld. Ein Schalk gab ihm eine groſſe Spin ̅ e/ in inem Glas/ und betroge ihn alſo uem das Geld: der Italiaener aber fande/ was er begehrte/ weil er ſein Vertrauen gegen Gott fallen laſſen/ und es auf Gottes Feind gerichtet hatte.
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12. J. Es gehet auch ein groſſer Betrug fuer/ mit den falſchen Geſpenſt= en/ indem ſich loſe Leute in ſolche Poltergeiſter verſtellen/ deſto ſicherer Boeſes zu vollbrıngen: dergleichen zu Sancerre ſol geſchehen ſeyn/ daß ſich einer fuer den boeſen Feind ausgegeben/ und mit einem arm= en Weinhaekker uebel uemgegangen; bald aber von dem boeſen Geiſt ſelbſt zu Boden geworffen/ und grůn und blau geſchlagen worden/ daß er die Zeit ſeines Lebens ſolche Mahlin dem An= geſicht tragen mueſſen.13. V. Faſt laecherlich iſt/ was ich erzehlen will. Zu Roſchelle hat ſich vor wenig Jahren ein Lotterbub aufgehalten/ der im Ge= brauch gehabt/ wunderlich/ und abendteurlich zu fluchen. Unter andern aber hat er ſeine Rede mit dieſen Worten zu be= glauben pflegen: wann es nicht wahr iſt/ ſo ſchneutze mich der Teuffel: Gott ſey uns der nechſte. Auf eine Zeit/ als er ſich ſchlaffen gelegt/ geht der ſchwartze Geſell/ dem er ſo offt geruffen/ hinein/ [371] haelt die Feuerzangen in die Glut/ legt Holtz an/ und machet ſie gantz glueend: nim ̅ t ſie aldann wiederuem heraus/ gehet fuer das Bett/ und zwikkt des Frantzoſen Naſen/ mit gedachter Zang= en ein/ ziehet ihn aus dem Bette/ uem den Tiſch heruem/ und laeſſt ihn mit dieſen Worten gehen: Nun hat dich der Teuffel ge= ſchneutzt. Weil dieſer gelebt/ hat er das Brandmahl an ſeiner Naſen getragen/ und iſt jedermann dieſe Geſchichte zu Roſch= elle bekant.14. C. Wie uns Gott gewiſſe Gnadenzeichen gegeben hat/ alſo giebt der Aff Goettlicher Werke/ auch ſeinen Leuten gewiſſe Kenn= und Merkmal/ ſich und ſie/ ihres Verderbens/ darbey zu verſichern/ und hat er ſowol ſeine Maerterer/ als unſer HErr GOtt/ welche er hier und dort mehr leiden und ausſtehen machet. Solche Maerterer ſind Geıtzhaelſe/ dann der Geitz iſt ein Abfall von Gott/ indem man ſagt zu dem Klumpen Gold/ du biſt mein Troſt. Die Trunkenpold und Wollueſter/ die Flucher/ Verleumder/ und Neidhaemmel/ [372] welche keine boeſe Stunde haben/ indem ſie ſich zu des Teuffels Werkzeug ge= brauchen laſſen. Meine Geſchichte aber ſol dıeſe ſeyn/ welche ıch neulich mit Verwunderung erzehlen hoeren. Ein Edelmann eines boeſen Leb= ens/ wurde fuer Oſtende erſchoſſen/ und von ſeinen Spießge= ſellen zu Grab getragen. Eine Zeit hernach wird der Ver= ſtorbne wiederuem geſehen/ und von eben dem/ der ihn hat helff= en begraben/ an dem fůrſtlichen Landgraefiſchen Hof/ in Be= dienung des Stallmeiſterambts erkennt. So bald ſolches dem Fůrſten angeſagt worden/ iſt dieſer Stallmeiſter ver= ſchwunden/ und nicht mehr erſchienen.15. D. Was hierdurch der boeſe Feind fuer ein Stuekklein ſpielen wollen/ iſt GOTT bekant.
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Caſſandra.
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WIe zuvor alle Fragen durch die letzten Woerter aneinander gefueg= et worden; als bitte ich/ ſechs Fragen/ dem Inhalt nach/ mit= einander zu verknuepfen.2. D. Wir folgen gerne/ und erwarten des Anfangs.3. C. Es iſt bishero von Geſpenſten/ und Zauberhaendeln gehandelt word= en; welche meiſtentheils herruehren aus fuerwitziger Erkundigung zukuenfftiger Sachen/ und daher werde ich zu fragen veranlaſſt: Ob eine Kunſt ſeye/ uem das Zukuenfftige zu erlernen?4. V. Es iſt nicht allezeit gewiß/ das alte Sprichwort: Eine Krankheit wol erkennen/ ſey ſo viel/ als ſelbe halb heilen; maſſen wir vieler Krankheiten richtige Urſachen wıſſen/ denſelben aber durch Artzneyen nicht abhelffen koennen: Solcher Geſtalt finden wır in uns eine Begierd/ viel und alles zu wiſſ [374] en; finden aber keine Mittel/ ſolche Begierd zu vergnuegen. Doch weiß der Menſch mehr/ als kein Geſchoepff unter dem Himmel/ nemlich zu Zeiten Zahl und Maß/ das Vergangene/ und Gegenwaertige/ und laeſſet ſich geluſten/ auch das Zukuenftige zu erforſchen. Die Gedaechtniß machet ihm das Vergange= ne gegenwaertig: der Verſtand urtheilt aus dem Gegenwaertigen das Zukuenf= tige; welches wegen er ſich mehr bekuemmert/ als uem das Vergangene/ ſo nicht mehr iſt/ noch uem das Vorweſende/ dz ein Nun oder Augenblikk iſt. Weil aber dieſe Weltfabel nur wiederholet wird/ mit veraenderten Perſonen/ kan er etlicher maſſen ſchlieſſen/ daß wir es vor dieſem/ in dergleichen Fall hergegang= en, es auch wiederuem hergehen werde.5. ???. Weil eine Sache/ unterſchiedliche Urſachen/ und eine Urſache/ unter= ſchiedliche Wirkungen haben kan/ iſt ſchwer zu errahten/ welche dieſes/ oder jenes ausrichten werde/ und woher etwas ſicherers zu ſchlieſſen. Das Zu= kuenftige/ iſt von unſrer Kundigung entfernet/ und hat ihm ſolches GOTT vorbehalten.
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6. R. Solche Wiſſenſchaft des Zukuenftigen/ hat drey Urſachen/ ent= weder/ ſie kommet von Gott/ und wird genennet/ prophetiſche Eingebung: von dem boeſen Geiſt/ und wird genennet Hexerey/ wiewol ſolcher es auch and= erſt nicht weiß/ als durch Vermutung und ſeine Glaubensgenoſſen/ auf vieler= ley Weiſe zu betruegen pfleget: oder es entſtehet von natuerlichen Urſachen/ welche einer beſſer/ als der andre erlernet. Unter dieſe letzte Art gehoert das Vogelgeſchrey/ die Eroeffnung/ der geſchlachten Thiere/ und das Loßwerffen/ welches ohne Schwartzkuenſtlerey/ bey den Alten gebraeuchlıch geweſen. Wir ſollen uns aber begnuegen laſſen/ mit dem/ was wir ohne Verſuchung Gottes wiſſen/ und erkundigen koennen.7. A. Wann ein Baum ſchoen verblueet/ kan ich wol ſagen/ daß er viel Fruechte bringen wird: wann der Regenbogen an dem Himmel ſtehet/ kan ich mich mıt Urſach fuerchten/ naß zu werden: gleichwie der Artzt/ aus ſein= en Kunſtzeichen/ von der Geneſung/ oder der Krankheit Ausgang/ zuvor ver= kuendigen kan.
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8. D. Es kan keine Kunſt ſeyn/ das Zukuenftige zu erlernen/ weil man keine Geſetze/ und Lehren geben kan/ von dem/ das wir nicht wiſſen. Obwol unſre Seel unſterblich iſt/ dem Weſen nach; ſo iſt ſie doch nicht unſterblich/ nach ihren Wirkungen/ in dieſem ſterblichen Leib. Nach der Erkantniß der Ewig= keit/ ſtehet die Seele/ gleichſam auf einem Berg/ und ueberſihet ein gantzes Heer zugleich: nach der Erkantniß der Zeit/ ſihet ſie gleichſam/ einen Sold= aten nach dem andern/ durch eine Thuer gehen. Daher kommt es/ daß die Seele/ wann ſie von dem Leib ſcheiden will/ das Zukuenftıge mehrmals ver= kuendiget/ wie durch viel Geſchichte koente erwieſen werden.9. V. Es iſt der Begierde zu wiſſen/ gedacht worden: hieraus frage ich: welche Gemuetsneigung des Menſchen/ billigſt entſchuldiget werden koenne.10. J. Der Menſch hat Leib und Seele: den Leib regiren die Bildungs= kraeften; die Seele/ der Verſtand/ in Beurtheilung deſſen/ was vertraeglich/ oder nachtheilig ſey: daher entſtehen die Neigungen/ zum Guten/ oder Boeſen/ als [377] Lieb/ und Haß/ Beluſtigung oder Schmertzen im Gegenwaertigen; Verlang= en oder Furcht/ in zukuenftigen Begebenheiten. Unter allen Gemuetsneig= ungen aber iſt keine/ welche gegen GOtt/ und Menſchen/ verantwortlıcher ſcheinet/ als das Mitleiden/ ſo man traegt/ mıt ander Leute Trauerſtand.11. R. Der Ehrgeitz/ iſt eine Wurtzel/ oder Quelle/ alle ruehmlichen Thaten/ und dienet mehrmals/ einen Koenigsmord zu entſchuldigen; maſſen viel wollen/ daß keine That fuer ungerecht zu achten/ durch welche man zur Herrſchafft gelangen kan. Die Ehre iſt das jenige/ was Gott von uns er= fordert/ wie ſolten dann wir nicht auch ſelbe von den Menſchen heiſchen? wie ſolte ſo ein ruehmlicher Geitz/ nicht koennen entſchuldıget werden?12. A. Wann die Gemuetsneigungen/ Krankheiten ſind/ durch welche unſer Geıſt verunruhiget wird; ſo iſt vielleicht/ keine angenemer/ als die Liebe/ welche Gott geboten hat/ gegen ihm und dem Nechſten zu leiſten. Wann auch ſonſten die Liebe/ gegen dem Liebwuerdigen/ gerichtet ſeyn ſol/ nichts lieb [378] wuerdigers aber iſt/ als die Tugend; ſo iſt auſſer Zweiffel ſolche Tugendliebe/ dem Ehrgeitz/ weit vorzuziehen.13. D. Die ſtaerkſten Gemuetsneigungen/ ſind auſſer allem Zweiffel/ am billigſten zu entſchuldigen/ als welcher man ſich am wenigſten entbrechen kan. Der Zorn aber/ und die Rachgier/ ob empfangener Beleidigung/ bezwingen dermaſſen unſer Gemuet/ daß auch die Allerverſtaendigſten/ ſich darin ̅ en nit maeſſ= igen koen ̅ en. Der Zorn ueberwaeltiget das Hertz/ und machet uns gleichſam/ auſſer uns ſelbſten raſen: wie ein Raſender/ ſo der Vernunft beraubt iſt/ leicht= (Ira furor brevis eſt.) lich entſchuldiget wird; alſo iſt auch ein Zorniger/ welcher mit einem ſolchen Menſche ̅ verglichen wird/ auch leichtlich zu entſchuldige ̅ . Die Lieb hıngegen wird als ein Kind gemahlt/ weil ſie ſchwach/ und nur ſchwache Leute beherrſchet/ wie der Zorn/ großmuetige Helden/ und tapfere Rittersperſonen begeiſtert.14. C. Ich giebe meine Stimme der Freude/ als welcher alle andre Ge= muetsneigungen/ zu Dienſten ſtehen. Die Liebe/ das Verlangen/ Mıtleiden/ die Hoffnung/ und der Ehrgeitz zielen dahin/ daß man Freude darvon haben [379] will/ oder ruehren daher/ daß ſie unſre Freude verhindern/ als der Zorn und das Mitleiden. Was mißfaellet uns mehr als die Traurigkeit; ſo be= luſtiget uns auch nichts mehr als die Freude. Dieſe Gemuetsneigung iſt ſo ſtark/ daß etliche aus uebermaeſſiger Freude geſtorben/ und ein jeder Menſch der ein gutes Gemuet hat/ freuet ſich ueber andrer Freude. Wir eignen die beſte Zeit unſrer Jahre der Freude zu/ wir laſſen alle Geſchaeffte liegen/ und ſuchen Freude und Ergetzlichkeit; ja der Menſch wird durch das Lachen von allen andern Thieren unterſchieden; weil er nicht zu Trraurigkeit/ ſondern zur Freude geboren iſt.15. V. Er wird aber mit Schmertzen und Weinen in die Welt gebor= en/ und ſind alle andre Gemuetsneigungen dem Wahn unterworffen/ auſſer dem Schmertzen/ der ſich des Leıbs wuerklich bemaechtiget/ und mehrmals aller Welthaendel vergeſſe ̅ macht. Es laſſe ̅ ſich aber alle Gemuetsneigunge ̅ / alswelche uns angeſchaffen/ entſchuldige ̅ / ſonderlich aber die jenigen/ zu welche ̅ wir nach unſers Leibs Beſchaffenheit mehr geneigt ſind: als der Gallreiche zum Zorn/ der [380] Blutreiche zur Liebe/ der Haß und Neid bey den Melancholiſchen. Ferners iſt bey der Jugend die Freude/ Kuenheit und Hoffnung/ bey den Alten aber der Ehr= und Geldgeitz/ indem er ſeinen Nachkommen hinterlaſſen wil/ was er von ſeinen Vorfahren empfangen/ zu entſchuldigen/ etc.16. J. Aus des Herren letzten Worten ſtelle ich eine ſolche Frage: Ob man mehr vertrauen ſol dem/ der uns oder dem/ ſo wir Gutes erwieſen?17. R. Das Vertrauen iſt die Frucht der Freundſchaft/ und das alleran= genehmſte Band/ ſo die Hertzen verknuepfet. Wıe nun viel beſſer iſt geben/ als nehmen/ weil man nichts geben kan/ man beraube ſich dann deſſen/ daß man vergiebet: alſo iſt mehr Vertrauen zu ſtellen/ auf den/ der uns ſeıner Frenndſchaft mit Wolthun verſichert/ als einen andern/ der unſrer Huelffe vonnoehten gehabt hat. Wer andern Gutes thut/ dem gehet es wie dem Saee= mann in dem Evangelio: etliches faellt unter die Doerner/ etliches auf einen Felſen/ etliches auf den Weg/ und der wenigſte Theil in ein gut Land/ da es [381] hundertfaeltige Fruechte bringet/ und zwar nicht alſobald/ ſondern zu ſeiner Zeit. Viel haſſen ihre Wolthaeter/ weil ſie nicht Mittel haben ihnen dergleichen zu thun/ und ıhre Gegenwart ſie tragender Schuldigkeit beharrlich erinnert Et= liche machen es wie die boeſen Schuldner/ ſo wol zahlen koenten/ aber es nit thun wollen. Wer hingegen ſeınem Nechſten aus freyem Willen Gutes thut/ der erweiſet dardurch ſeine Liebe/ von welcher das Vertrauen herkommet.18. A. Man hat Urſach zu fragen/ wem man ſich vertrauen ſol/ in einer Zeit da die Treue ſo ſelten unter den Menſchen anzutreffen iſt. Wann die Furcht der Undankbarkeit (ein gemeines und ſchaendliches Laſter in dieſer Welt) eine Urſache des Mißtrauens/ ſo muß man im Gegentheil zweiffeln/ mit was Abſehen man einem Gutes erwieſen: Ob nicht die Hoffnung des Eigennutzens mit unterlauffe. Viel ſchenken uem wiederbeſchenkt zu werd= en. Viel leihen aus uem das Ihrige mit groſſem Wucher wieder zu empfahen. Das Vertrauen aber mehret die Wolthat.
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19. D. Wann die Menſchen vollkommen weren/ ſo wuerden ſie auch in dieſem Fall nicht irren/ und dıe Wolthaten/ in Ermanglung aller M???ttel/ zu verdienen wiſſen/ wie bey den Juden gebraeuchlich geweſen/ oder ja die Gut= that mit dankbaren Worten erkennen. Die Freunde ſollen ſeyn wie die guten Pallenſpieler/ die den Pallen/ mit Willen/ niemals laſſen auf die Erde fallen; ſondern bemuehe ̅ ſich denſelben allezeit wieder zu ſenden/ die Menſchen aber thun faſt nichts Gutes ohne Zwang/ und wollen mehrmals lieber der Wolthat ent= rahten/ als zur Schuldigkeit verbunden ſeyn: liebet er ſeinen Wolthaeter/ ſo ge= ſchicht es mit Worten/ und Gewinns wegen/ da hingegen der/ ſo wolthut/ aus freyem Mut ſeine Freundſchaft erweiſet/ welchem man ſich billicher zu vertrau= en hat/ als dem/ der nur auf die Wolthaten ſeine Neigung gerichtet hat.20. D. Damit wir nicht das Anſehen haben/ als ob wir unſre Wolthaten mit Unverſtand/ einem Unwuerdigen ertheılt/ ſetzen wır billich das Vertrauen hinzu/ und verhoffen einen guten Freund zu finden.
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21. C. Niemand hat uns mehr Guts gethan/ als GOtt: Der meiſte Theil der Menſchen aber/ will ihm auf ſolche Pfandſchaft nicht trauen Ein Kind traut ſeinem Vater/ welcher es mehrmals zuechtiget und ſtraffet/ weil es wol weiß/ daß es die Zuechtigung verdienet. Waruem ſolte man dann nicht auch einem Menſchen trauen/ der auch Guts gethan hat?22. V. Die wilden Thiere werden alle durch die Wolthaetigkeit zahm gemacht und angewehnt/ daß ſie ihre wilde Art verlaſſen/ und ſich uns ver= trauen. Es beruhet aber der Ausſpruch in dieſer/ und vielen dergleıchen Frag= en/ auf Unterſcheıdung der Perſonen/ der Zeit/ des Orts/ und andern Um= ſtaenden/ auf welche die Fuerſichtigkeit des Vertrauens und Mißtrauens ge= gruendet iſt/ wann aber die Perſonen gleich beſchaffen/ und mir ein Gutes ge= than haette/ ſo wolte ich mich demſelben am liebſten vertrauen/ als welcher mir eine Probe ſeiner Treue geleiſtet hat/ da hingegen der/ ſo die Gutthat von mir empfangen/ noch keıne Treue erwieſen hat.
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23. R. Aus dem ermeldtem dankbaren Angedenken/ und fuerſichtiger Beurtheilung der Perſonen/ ſetze ich eine ſolche Frage: Ob der in Geſell= ſchaften angenehmer/ ſo ein gutes Gedaechtniß hat; oder der/ ſo mit einemvernuenftigen Urtheil begabtiſt?24. A. Ich hab jederzeit hoeren ſagen/ daß beedes ſelten beyſammen zu finden. Stuende die Wahl bey mir/ ſo wolte ich lieber von einer Sache recht urtheilen koennen/ als viel ohne Ordnung zu ſagen wıſſen.25. D. Die Meinung iſt irrig/ daß nicht ein gutes Urtheil bey einer guten Gedaechtniß ſeyn koenne. Der Verſtand iſt nicht eine Zuſammenſetz= ung vieler Haendel/ ſondern eine einıge Wirkung durch unterſchiedliche Werk= zeuge/ unter welchen auch die Gedaechtniß/ als der Schatzmeiſter aller Wiſſen= ſchaften zu zehlen iſt: gleichwie die Morgenſonne/ die Mittag= |und Ab= endſonne/ oder in dem Winter/ und Sommer/ (ob ſolche gleich unterſchied= liche Kraeften hat) nicht weſentlich unterſcheiden werden kan. Hier ıſt aber die Frage: Ob das Urtheil oder die Gedaechtniß in den Geſpraech [385] en noehtiger ſey? Ich halte es mit dem letzten: weil ſehr wolſtaendig viel nacheinander zu ſagen wiſſen/ und ein Geſpraech von einer Sache allein ſo we= nig angenehm/ als eine Muſic von einer Seiten/ oder ein Gemaehl von einer Farbe. Die Narren wollen von allen Sachen urtheilen/ und wiſſen doch nichts Gehoeriges darzu zu ſagen: wie jener reden hoeren/ es ſey im Plinio zu finden/ und ver meint es ſey eine Landſchaft/ geſagt: Er wolte wetten/ daß er der Orten niemals geweſen were. Ein andrer hoerte von dem Concilio Tri- dentino, und ſagte/ er haette ıhn wol gekant/ es were ein guter Mann geweſ= en/ etc. Ein Verſtaendiger hingegen erwartet der rechten Zeit zu reden/ und bringt nichts Ungereimtes vor/ ſondern es hangen ſeine Wort gleichſam an einer Ketten/ und iſt allen angenem/ die ihm zuhoeren; maſſen er ſich bemuehet von ſolchen Sachen zu reden/ die man gerne hoeret/ und von welchen die Anweſ= ende zu reden wiſſen, oder wol zu wiſſen vermeinen.29. C. Dieſes alles aber kommt nicht her von der Gedaechtniß/ ſondern [386] von einem guten Urtheil/ ohn welches man von keiner Sache recht und wol reden kan.27. V. Man muß nicht ſetzen/ uem dieſe Frage zu entſcheiden/ daß einer gantz keine Gedaechtniß/ oder ſelbe und gar keınen Verſtand habe: ſondern daß ihrer zween/ deren einer mehr Verſtand/ als der andre merken laeſſt der ander aber ſehr viel ım Gedaechtniß/ aber wenig Verſtand darbey: von dieſem fragt ſich/ welcher der angenehmſte in Geſellſchaften? andre Beſchaffenheiten unbetracht. Nichts beluſtiget mehr/ als die Erzehlung vieler ſeltner Geſchichte: hingegen muß man von dem allerverſtaendigſten Urtheil/ wiederuem urtheilen laſſen. Die Gedaechtniß iſt der Grund eines guten Geſpraechs/ ohne welches wir nur das Voraugenſchwebende betrachten koennen. Dıe Geberden und gute Sitten/ ja die Schoenheit ſelbſten/ iſt ohne die Gedaechtniß aller Lieblichkeıt beraubt. Die Wiſſenſchaften und Kuenſte/ wo der Verſtand am meiſten wirk= et ſind die ſchwerſten/ und unangenehmſten.
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28. J. Das Gedaechtniß ohne Verſtand/ iſt das Geld in der Hand eınes Verſchwenders. Wenig mit gutem Urtheil reden/ iſt vielen Erzehlungen weit vorzuziehen; wie auch wenigund gute Soldaten/ viel Verzagte jagen koennen. Es kommet aber von dem Verſtand/ und nicht von der Gedaechtniß her/ daß man mit wenig Worten viel ſagen kan.29. R. Eine gute Gedaechtniß findet ſich insgemein bey der Jugend: ein gutes Urtheil bey der Erfahrenheit des Alters: beedes in hoechſter Vollkomm= enheit/ iſt ſelten beyſam ̅ en. Nachdem nun die Geſellſchaftiſt/ nachdem wird ſie eines/ oder des andern Gaben angenem halten. Verſtaendige Leute werd= en es mit ıhres gleichen halten/ wie Unverſtaendige mıt dem/ der viel daher= ſchwetzen kan.30. A. Jungfrau Caſſandra deutet mit dem Spielſtab/ ich ſoll auch meine Frage anfuegen. Die Frage weiß ich wol; aber Herr Reymund wird ſagen/ wie ſie ſich zu vorgehenden Sachen ſchikket.
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31. R. Ich muß zuvor dıe Frage anhoeren.32. A. Sie iſt alſo: Ob/ und waruem die Warheit verhaſſt ſeye?33. R. Wie zu der Luegen ein gutes Genaechtniß erfordert wird/ darvon zu= vor Meldung geſchehen; alſo iſt zu Erkundigung der Warheit/ ein gutes Ur= theil und reiner Verſtand vonnoehten.34 A. Es iſt wol geſagt/ wir wollen von der Frage ſelbſten reden.35. D. Was durch das Woertlein Warheit verſtanden werde/ iſt jeder= mann bekant/ doch betrifft ſelbe entweder natuerliche/ oder rechtliche Haendel: der natuerlichen Sachen gruendliche Urſachen/ in welchem die Warheit beſteh= et/ iſt nicht verhaſſt/ ſondern vielmehr geliebt und hochgehalten/ ſo gar/ daß wır haſſen was derſelben zuwider ſcheinet/ und keinen Gefallen haben/ an ſolchen Erzehlungen/ die der Warheit gantz zuwider ſcheinen. Weil aber alle Menſch= en gelobt ſeyn wollen/ und ihre Unvollkommenheit verbergen/ ſo haſſen ſie die jenigen/ welche ihnen ihre Maengel zu erkennen geben/ oder ihre Laſter beruehren. [389] Iſt alſo die Warheit/ welche der Schmeuchlerey entgegengeſetzet wird/ verhaſſt bey der Perſon/ die es angehet.36. C. Kein Verſtaendiger haſſet die Warheit/ welche ihm zu ſeiner Unt= errichtung dienet, ſondern nur ſolche Leute/ die des Fuchsſchwaentzens gewohnt/ und nicht ho ̅ ren moegen/ was ſie gerne verbergen wolten.37. V. Aller Wiſſenſchaften Zwekk und Abſehen iſt die Warheit; welch= er ſie nun leichter oder ehe als der andre findet/ der iſt deswegen gehaſſt/ und an= gefeindet fuer feine Perſon/ nicht aber wegen deſſen/ ſo er erfunden/ und fuer gut und bewaert halten. Dieſem nach kan die Perſon gehaſſt werden/ ſo die Warheit forſchet und findet/ ſie aber ſelbſten/ iſt lieb und wehrt gehalten/ wann man ſie gleich mehrmals/ wider beſſer Wiſſen verachtet und ver= lachet.38. J. Der Menſch beluſtiget ſich in dieſer Welt vielmehr mit Falſch= heit/ nichtigem Schein/ und trueglichem Wahn/ als mit der Warheit/ daher viel an allem ihrem Wiſſen zweifflen/ und jener recht geſagt: die Warheit ſey [390] in einem tiefen Brunnen/ aus welchem man ſie ſchwerlich ſchoepfen koenne: und ein andrer; ſie habe ſich von der Erden in den Himmel geſchwungen; zu ver= ſtehen gebend/ daß ſolche den Menſchen insgemein unbekant ſey/ und alſo nicht koenne gehaſſet werden.39. R. Dieſer Meinung kan man hinzuſetzen einen Beweiß durch alle Kuenſte und Wıſſenſchaften/ wie ſolche uns vielmals betruegen/ und in einer groſſen Ungewiſſheit irren laſſen. Iſt die Warheit in Religıonsſachen be= kant/ woher kommen ſo viel unterſchiedliche Lehren und Glaubensbekantniſſ= en? Iſt das Recht richtig; woher verewiget ſich viel Streite? Es beſtehet in dem Verzug auch keine kleine Ungerechtigkeit. Was iſt die Redkunſt/ als einen zu bereden/ was man will? Die Poeterey und Mahlerey iſt ein ſchoener Betrug/ der ſich von der Warheit entfernet. Weil uns nun ſolche Falſchheit liebt/ ſo haſſen wir die jenigen/ ſo die Warheit ſagen/ und nicht mit angenemen Farben auszumahlen wiſſen.
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40. A. Der Verſtand des Menſchen liebt den Zweiffel/ und die Unge= wißheit/ wie die Aufwarter Penelope ihre Magd und Dirne/ weil ſie der Frau= en Gunſt nicht konten theilhaftig werden. Je naeher man aber der Warheit kommt/ je ſchoener und lieber iſt ſie/ und kan keinen Haß bey andren verdienen/ ſie belange dann unſre Laſter/ oder einen ruhmraetigen Lobſpruch/ welchen wir zu unſrem Nachtheıl ausdeuten. Die Hoeflichkeit und die Warheit ſchikken ſich ſo wol zuſam ̅ en/ als die Pillulen/ und die Goldblaetle in. Wie nun die Un= warheit billich verhaſſt ıſt/ alſo iſt die Warheit/ wo nicht von dem/ ſo ſie zu Nachtheil gereicht/ jedoch von denen/ die ſie hoeren/ beliebt und mit Worten oder Geberden bejaet. Wann aber die Wahrheit zur Unzeit/ und nicht an dem rechten Ort geſagt wird/ ſo bringt ſie mehrmals dem unverſtaendigen Wahr= ſager Haß/ und wol Schlaege auf den Kopf/ nach dem Sprichwort: Wer die Wahrheit geigt/ dem ſchlaegt man die Fidel auf den Ober= mann.
|| [392]
41. D. Meine Frage ſol dieſe ſeyn: Woher die boeſen/ oder guten Geberden kommen?42. C. Wie ſchikket ſich ſolche Frage zu vorhergehender?43. D. Es iſt der Hoeflichkeit und Unhoeflichkeit gedacht worden/ welche in guten und boeſen Geberden beſtehet. Man muß es ſo genau nicht nehmen/ und iſt das/ was wir mit Haaren herbeyziehen/ gleichwol bey Handen.44. C. Wie eines jeden Menſchen Sinn und Gedanken von andern unt= erſchieden; ſo iſt auch ſein Angeſicht/ ſeine Stimm und Geberden wenigem gleich/ und nach ſeiner Leibsbeſchaffenheit gerichtet. Zum Exempel/ der Traur= ige iſt langſam und ſchlaefferig: der Froeliche ſingend und ſpringend: der Zorn= ige trotzig und ergrimmt/ etc. Iſt alſo die Gemuetsbeſchaffenheit die Urſach der Sitten und Geberden/ welche natuerlich.45. V. Die boeſen Sitten kommen her von boeſer Gewonheit/ daher ſihet man/ daß die unter Bauren auferzogen/ ſich grob und baeuriſch geberden/ die [393] aber unter Hofleuten von Jugend auf geweſen/ hoefliche und wolſtaendige Sitten haben.46. J. Das iſt wol= und uebelſtaendig/ was uns alſo zu ſeyn bedunket. Einem Narren/ oder einem Kind gefaellt ein Gaukler und Zahnbrecher/ deſſen Geberden einem Verſtaendigen mißfallen. Die Art eınen zu grueſſen/ iſt ın jed= em Land unterſchıeden/ und heiſſt es/ laendlich/ ſittlich. Was wır nun ver= meinen/ das einen: andern wol anſtehet/ das thun wir nach: und wie man eine Sprache durch die Ubung leichter lernet/ als durch die Lehrſaetze und Reglen: alſo lernen wir auch von denen/ mit welchen wir uemgehen/ gute oder boeſe Sitten/ wanngleich kein muendlicher Unterricht darzukommet.47. R. Die Geberden werden gut oder boeß nach ihrem Gebrauch: die beſten ſind/ welche mit der Rede gleich eintreffen. Jener ſagte: Ach Himm= el! und ſahe auf die Erden; Ach Erde! uud ſahe gen Himmel. Unge= ſtalte Geberden/ als da ſind/ das Haubt kruemmen/ die Achſel zu jedem Wort [394] einziehen/ andern in die Rede fallen/ etc. kan niemals fuer hoeflich gehalten werden.48. A. Wie die ſchoenſte Schoenheit iſt/ welche von der Natur/ und guter Geſundheit herruehret; alſo ſind auch die hoeflichſten Geberden gleichſam ein= geſchaffen/ daß dieſem wol anſtehet/ was ein anderer mit Zwang nach= thut.(*| Symme- triae.) 49. D. Der Geberden ſind zweyerley; natuerliche und erlernte/ oder zu= faellige. Die natuerlichen ſind unſres Leibs Ebenmaß * zugeeignet; die er= lernten/ werden von andern abgeſehen/ oder von den Dantzmeiſtern gelehret/ und werden nach den Sitten des Lands gerichtet. Der Menſch aeffet einem andern unvermerkter Weiſe nach/ gleichwie der Aff den Menſchen. Es ſind kaum 6. Voegel/ ſo die menſchliche Rede nachſingen; hingegen koennen wir aller Thiere Stimmen nachahmen. Dieſem nach ſage ich/ daß die Ge= berden zwar mit uns geboren/ nachmals durch die Auferziehung geaendert werden.
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50. C. Nun erlangt Herr Veſpaſian den Spielſtab/ etwas Neues zu beginnen.52. J. Er wird nicht viel Bedenkens vonnoehten haben.
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Veſpaſian.
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NUn ſol das Spiel/ ſo ich anfangen will/ erſtgeendtem dergeſtalt gleich ſeyn/ daß die Erzehlungen/ wie zuvor die Fragen/ ihrem Inhalt nach/ aneinanderhangen ſollen. Ich mache den Anfang.2. Das euſſerliche Anſehen/ beſtehend in feiner Geſtalt/ und hoeflichen Geberden/ iſt nicht die geringſte Urſach/ daß wir von andern geehret werden; maſſen der erſte Wahn/ den man von einem faſſet/ insgemein beharret/ und langſam ausgeleſchet wird. Zu verſtehen aber/ was die Ehre ſey/ iſt abzu= nehmen/ aus dem Gegenſatz der Schande oder Unehre. Wer ſihet eine boeſe That/ einen Mord/ Raub/ Falſchheit/ etc. und ſagt nicht bey ſich ſelbſten/ daß der Thaeter Schand und Spott???/ ja einen ſchmaehlichen Tod verdienet habe. Hingegen wırd eine tapfre Heldenthat auch von den Feinden geruehmt/ Ge= rechtigkeit/ Weisheit/ Freundlichkeit/ etc. ſind ſolche Tugenden/ die aller Ort [397] en Lob und Ehre verdienen. Wie nun die Ehre/ nach ihrer Ubertrefflich= keit Gott gebuehrt/ ſo geziemet ſie auch einem jeden nach ſeiner Beſchaffenheit/ und wird des Menſchen Leben gleich geſchaetzet; ja die Ehre und das Aug will/ nach bewuſtem Sprichwort/ keinen Schertz leiden. Dieſem kurtzen Eingang will ich nach fuegen eine denkwuerdige Geſchicht/ welche ſich in Hiſpan= ien begeben.3. In dem Koenigreich Arragonien hielte ſich zu unſrer Vaeter Zeit ein Marggraf/ auf ſeinen Guettern/ welcher von ſein= en Unterthanen/ wegen ſeines hochmuetigen Sinns ſehr ge= fuerchtet/ wegen ſeiner Freygebigkeit benebens geliebet word= en. Dieſer hatte aus ſeiner erſten Ehe einen Sohn/ und ward bedacht/ ſich wiederuem zu verheurahten/ und ſein Leben in trauriger Einſamkeit nicht zu verſchlieſſen. Er laeſſet ſeine lueſtrende Augen ſchieſſen/ auf ein armes Maegdlein/ welche doch an Ehren reich war/ und ſeinem unziemlichen Willen [398] růhmlichſt widerſtanden. Sie wird von ihrem Herrn beſchenkt/ bedient/ geehrt/ aber zu ſeiner Liebe keineswegs bewogen/ weil ſie leichtlich abſehen konte/ wohin es angeſehen: eroeffnet des= wegen ihrer Mutter den gantzen Verlauff/ und wird von ihr beweglichſt ermahnet/ ſie ſol lieber mit Ehren ſterben/ als in Schanden leben. Cteſiphon verehrte auch die Mutter/ welche die Beſchenkung an ein ſolch es Ort gelegt/ da es ohne Betrueb= niß wiedergenom ̅ en werden koen ̅ en: verbarge aber ihre Tochter/ wie die Henne ihre Jungen/ wann ſie den Geier kommen ſihet. Nachdem er nun nichts richten konte/ erkaufft er eine alte Vet= tel/ zu welcher Heraclea/ ſeine Beliebte/ zu gehen pflegte; die ihm verſprache die Gelegenheit/ allein mit Heraclea ſeine Sach= en zu verhandlen. Als ſolche Anſtellung in das Werk gericht/ bemuehet ſich der Marggraf ſeine Schoene/ mit vielen ſchoenen Worten zu gewinnen. Aber vergebens. Heraclea hoerte wol/ [399] was fuer ein boeſer Geiſt durch ihn redete/ und daß dergleichen Gegenwort ſie in Verderben ſtuertzen wuerden/ ſagte kuertzlich: Gnaediger Herr. Ich weiß/ daß ich mich hier keiner Gewalt= that zu befahren hab/ durch welche E. G. Ungnad bey Gott/ und Unehre bey den Menſchen verdienen wůrde/ weil aber mein Angeſicht meines Herrn Hertz verwundet haben ſol/ und dar= durch meine Ehre in Gefahr geſetzet/ ſo ſol es die Straffe von meiner Hand hiermit empfahen. Mit dieſen Worten ſtoeſſet ſie ihr die Scheer/ ſo ſie an der Guertel truge/ drey= oder vier= mal in das Angeſicht/ daß das Blut haeuffig herabfloſſe. Der Marggraf verhinderte ſie/ ſo viel er mochte/ ruffte endlich uem Hůlff/ und ware froh/ daß er wiederuem aus dem Haus entkom ̅ = en. Durch dieſe That hat der Marggraf ſeine Liebsneigung verlohren/ und ihrer Tugend gewonnen geben. Nachdem ſie nun von den Wunden leichtlich geheilet worden/ hat ſie [400] eine ehrliche Heurat erlangt/ und iſt von dem Marggrafen ſelb= ſten mit einer anſehlichen Ausſteuer begnader worden.4. Nach dieſem Ehrenmahl begabe ſich/ daß der Marggraf ſich vermaehlte/ an eine Wittib ſeınes Stands/ in Catalonien. Was mit Heraclea vorgangen/ konte dieſer Marggraefin nicht verborgen ſeyn: Als ſie aber nach Haus geholet/ und dieſe He= racleam betrachtete/ lieſſe ſie ſich bedunken/ daß ſie viel ſchoen= er/ und ihres Herrn Liebe von neuem zur ungebůhr reitzen wůrde. Dieſe Eiferſucht vermehrte erſtlich Cteſiphon ſchertz= weis/ redete doch ſeiner Anaſtaſia/ (alſo war die Catalonier in benamt) den Handel wieder aus. Die Marggraefin hatte eine Tochter/ wie auch Heraclea/ welcher alle Schoenheit gegeben/ ſo ihre Mutter in Rettung ihrer Ehre verlohren hatte/ und be= nebens mehr Verſtand/ als ihr Alter faehig zu ſeyn ſchiene. Dieſe Kinder wurden miteinander auferzogen/ und geflele Pacatula/ [401] der Heracleae Tochter/ dem jungen Marggrafen Sabinian/ welch= er aus Cteſiphons erſter Ehe erzeugt/ etwan vier Jahre aelter als ſie ware/ ſie liebte/ eh er wuſte/ was lieben were; und fande auch dergleichen Gegenneigung in des Jungfraeuleins un= ſchuldigen Hertzen. Mit zuwach ſenden Jahren wurde Sabi= nian nach Hof geſendet/ dem Koeniglichen Printzen fůr einen Edelknaben zu diene ̅ ; da er ſich auch ſo wol verhalten/ daß er den Ritter orden von Calatrava erlanget/ und vermittelſt deſſ= elben groſſes Einkommen.Nachdem nun die Sabinian das zwey und zwantzigſte Jahr erlangt/ und ſein H. Vater todsverblichen/ entſchleuſſt er ſich Pacatulam zu heuraten/ ungeacht alles Widerſprechens ſeiner gantzen Freundſchaft/ welche ihm die Ungleichheit des Stands vorhielten/ und hoeren můſſten/ daß er die wahre Ehr der Tugend viel hoeher achtete/ als nicht die eitle Ehre der [402] Voreltern/ etc. Dieſes ſtellte der junge Marggraf zu Werk/ und ſcheinet/ daß die Keuſchheit der Heraclea auch den Segen auf ihre Nachkommen gebracht habe.5. J. Aus dieſer Geſchicht erhellt/ daß man ehrlich/ ich will ſagen/ mit Tugenden begabt ſey/ ſonder Ruhm und Ehr/ die man ſolcher Wuerdigkeit zu erzeigen ſchuldig iſt; und hat die Tugend dieſe Eigenſchaft/ daß ſie ohne Be= truebnıß nicht offenbaret/ und ohne Ehre nicht erkant wird. Beſagtem ſetze ich nachfolgende denkwuerdige Geſchichte/ ſo ſich begeben unter Kaeiſer Carl dem Fuenften/ Chriſtloeblichen Angedenkens/ und Koenıg Frantzen dem erſten dıeſes Namens/ welcher gantz Welſchland zu einem Schachbret gemacht/ darauf die bluttriefenden Waffen des Kriegs Jammerſpiel lange Jahre ge= fuehret.6. Unter erſtbeſagten begabe ſich/ daß zu Coma einer Stadt/ unfern von Meiland/ ein Burger/ wegen Verdacht/ daß er der Frantzoſen Kundſchafter/ in Gefaengſchaft geriehte. [403] Don Garcias der Obriſte in der Stadt hatte ihm vorgenom ̅ en/ die Zeugſchaft ſeiner Anklaeger abzuhoere ̅ / un ̅ ihn zu eine ̅ ſchmaehliche ̅ Tod zu verurtheilen. Leocadia des Gefangenen Reynucii Ehe= weib/ eine von den Schoenſten und Tugendreichſte ̅ in der gantz= en Stadt/ wolte ihren Mann in dergleichen Noht nicht ver= laſſen/ ſondern nach Vermoegen etlicher Pflichtſchuldigkeit/ moeglichſten Beyſtand leiſten; fande ſich deswegen taeglich fůr des Obriſten Fueſſen/ mit Threnen und Bitten/ uem ihres unſchul= digen Ehegatten Erledigung. Kurtz zu ſagen: der verliebte Spannier giebt ihr zu verſtehen/ daß er ihren Mann zu erledig= en gewillet/ wann ſie hinwiederům ſeines Willens werden wolte. Die Ehre und die Liebe hatten einen harten Streit/ in dieſes Weibs Gemuet/ ſie wolte gerne beedes/ mit Verluſt ihres Lebens erhalten/ wann die Wahl in ihren Hand= en geſtanden were: bittet deswegen/ mit ihrem Mann zu red [404] en/ welches ihr auch verlaubt wird. Sie gehet in das Ge= faengniß/ Reynucium zu dem Tod zu berede ̅ / weil das Mittel ſein Leben zu retten/ aerger als tauſend Tod weren. Nach dem nun der Gefangene verſtanden/ daß ſeines Weibs Ehre das Loeßgeld ſeiner Verhafft/ fůr welches ſie das Leben viel lieber geben wolte; Hat er erſtlich ſeines ehrliebenden Weibs/ und die Wolfahrt ſeiner Kinder (maſſen dergleichen Perſonen Gueter der Obrigkeit heimfallen) gering geachtet/ und lieber zu ſterb= en entſchloſſen/ endlich doch ein ſolches Abſcheuen fuer| der Tod= esart/ und des Henkers Folterhand gefaſſt/ daß er ſeinem ehr= lichem Weib zu Fůſſen gefueſſen gefallen/ und mit vielen Thren= en gebeten/ ſich ſeiner zu erbarmen/ und auf beſagte Weiſe aus der Gefaengniß zu retten; mit uemſtaendiger Meldung/ welcher geſtalt ſeine und ihre Unſchuld/ an hoehern Orten eroeffnet/ und die abger aubte Ehre wieder geben/ oder ja die Unehre/ welche [405] in einem| eignen Wahn beſtuende/ verſchwiegen blieben koente.7. V. Die wahre Ehre beſtehet in der Zeugſchaft/ welches unſer Gewiſſen der Tugend ertheilt, dann der Menſchen Augen leitlich zu betruegen.8. J. Endlich laeſſet ſich Leocadia von ihrem Mann und dem Obriſten bereden/ welchem ſie noch tauſend Ducaten zahlen muß/ den Gefangenen auf freyen Fuß zu ſtellen. Damit aber dieſe Unthat nicht eroeffnet wůrde/ weil viel Haubtleute auf ſein Thun ein wach endes Aug hatten/ laeſſt er ihn in dem Gefaeng= niß hinrichten/ und ſeinen Leib in einen Sarg/ zwo Meil von der Stadt/ ſeiner hinter laeſſnen Wittib/ andrer Geſtalt als er verſprochen zuſtellen. Was Mordgeſchrey Leocadia hoeren laſſen/ iſt beſſer zu gedenken/ als zu beſchreiben; maſſen ſie ihres Hertzens Betruebniß nicht wollen herauslaſſen/ als welches mit keinen Worten ausgebildet werden moegen. Auf Ein [406] rahten ihrer Freunde zu Meiland/ wird die gantze Sache dem Hertzog von Ferrara/ welcher damals wegen Kaeiſerl. Maje= ſtaet Feldherr war/ vorgetragen/ welcher alſobalden dem Garcias zu ſich entboten/ der auch erſchienen/ und die That/ als ein Sol= datenſtuekklein/ keineswegs abgelaugnet; mit Vorgeben/ daß man zu geſchehenen Sachen das Beſte reden mueſte/ etc. Der Hertzog ſagte/ daß er ſie ehlichen/ und ſie alſo wieder zu Ehren bringen ſolte/ wann ihm ſein Leben lieb were. Garcias willig= te in des Hertzogen Gebot/ Leocadia aber wolte den Moerder ihres Man ̅ s/ und Rauber ihrer Ehre noch wiſſen/ noch hoeren: Nachdem ihr aber der Hertzog ſeine Meinung eroeffnet/ hat ſie dem Spannier die ehliche Treue/ durch die Einſegnung eines Geiſtlichen verſprochen: welcher obeſagten Garcias alſobald hernach vermahnt/ er ſolte ſich zu dem Tod bereiten/ dann er alſobald von des Henkers Hand empfangen wuerde; wie auch [407] nachgehends beſchehen. Alle Gůter/ ſo Garcias hinterlaſſen/ wurden der Leocadia zugeeignet/ welche uem fuenf= oder ſechstauſend Ducaten reicher/ die Zeit ihres Lebens in dem Wittibſtand zugebracht/ und von jederman geehret word= en. Wann auch Reynucius die Ehre dem Leben nicht haette(Belley ans Even. l. 4. n. 9) vorgezogen; ſo wuerde ihm der Schutzherr aller Unſchuldig= en/ ſonderszweiffel/ aus ſeinen Noehten errettet haben9. R. Es ſcheint/ daß die Tapferkeit die Tugend ſeye/ welche am hoechſten und billigſten geehret werde/ daher ihm dann keiner will nachſagen laſſen/ daß er verzagt ſey/ ſondern lieber das Leben darueber verlieren. Dieſem zu Folge er= zehle ich eine denkwuerdige Begebniß.10. In Frankreich hat ſich zugetrage ̅ / daß als in einer Stadt in Guyenna/ ein Jubelfeſt in der Haubtkirchen begangenwurde/ ein fremder Edelmann ſich befand/ und ein ſchoenausgeneht= es/ mit vielem Rauchwerk angefuelltes Fatzolet/ Wiſch= oder [408] Naſtuch/ auf der Erden gefunden/ und zu ſeinem Verderben/ wie folgen ſol/ aufgehoben. In waerender Veſper/ welche mit einer anſehlichen Muſic etliche Stunde verzoegert wurde/ haelt dieſer Edelmann ſein gefundenes Fatzolet/ wegen des lieblich= en Geruchs zur Naſen. Ein Gaſconier ſihet dieſem mit Ver= wunderung zu; nahet ſich auch zu ihm/ und fragte; ob er ihm ſolches zu Trutz thue. Der Fremde antwortete; daß er ihm von ſeinem Thun und Laſſen nicht ſchuldig Rechenſchaft zu geben/ ſchenke ihm auch die Freyheit/ ſolches auszulegen wie erſelbſten wolle. Der Gaſconverſetzte/ daß er ein ſo wuerdiges Fatzolet in unwuerdigen Haenden ſehe/ gebe ihm Urſach zu waeh= nen/ er mueſſte es geſtolen haben. Der Fremde antwortete/ das im der H. Ort eine Freyſtadt were/ ſonſten wolte er ihn uem ſo frevle Rede zu ſtraffen wiſſen. Mit dergleichen ehrruehrig= en Worten gehen ſie beede zu der Kirchen hinaus/ und ſo bald [409] ſie auſſer der geweihte ̅ Erden kame ̅ / ziehen ſie beede von Leder/ und durchſtoſſen einander/ daß ſie halbtod von dem Platz ge= tragen worden. Bevor ſie aber geſtorben/ iſt die Urſach ihres Streits eroeffnet worden; daß nemlich der Gaſcon/ ſeiner ver= meinten Liebſten ſolches Fatzolet verehret/ welches ſie in dem Kirchengehen verlohren/ und alſo keines Eifers vonnoehten geweſen wer/ weil dem Fremden gantz unbewuſt/ von wem ſolcher Fund herkommen. Hieraus ſihet man/ daß der Zorn billich mit einer Hůndin verglichen wird/ welche blinde Jungen gebiert/ die nach etlichen Tagen erſt das Geſicht er= langen.11. A. Dieſe haben in Erhaltung eitler Ehre das Leben verlohren. Es iſt ſchwer zu Ehren zu kommen/ ſchwerer ſich in ſelben handhaben/ und am all= erſchwerſten die verlohrne Ehre wieder zu erlangen. Verlaß dich nicht auf Fuerſten/ dann ſie ſind Menſchen/ ſagt der Koenig/ der nach des HERRN(Pſal. 146/3) [410] Hertze war: dann ſagſt du die Warheit/ ſo biſt du gehaſſt; heuchelſt du/ ſo kan der Fuerſt kein Vertrauen auf deine Falſchheit ſetzen/ welche ihm allezeit/ wo nicht bekant/ doch verdaechtig ſeyn wird.12. R. Groſſer Herren Gebrechen ſol man nicht offenbaren/ weil ſie ſind Vaeter des Vaterlands/ und wer ihre Schand entdekket/ hat den Fluch Chams zu erwarten. Es iſt aber anders das Unrecht verſchweigen/ ein anders daſ= ſelbe gutſprechen/ loben/ und darzu helffen.13. A. Der Hofman ̅ ſuchet ſeine Ehre in ſeines Fuerſten Gnad und Gewog= enheit. Der Fuerſt iſt einer von den Goettern auf Erden/ der den Armen erhoeh= et aus dem Staub/ und ſetzet ihn neben die Fuerſten ſeines Volks/ daher ſolche Leute ihre Creaturen/ die ſie aus lauter nichts/ zu ihrem Lob und Dienſt gemacht genen ̅ et werden. Wann nun dergleichen ſchlechte Geſellen ſtoltz werden/ iſt ein gar gewiſſes Anzeigen/ daß der Abfall der Ehre nicht ferne iſt/ und ſie bald wiederuem geſtuertzet werden ſollen. Dergleichen einer iſt geweſen Olivier Daim/ ein Barbierer Koenig Ludwigs des eilften in [411] Frankreich/ welcher zu ſehr hohen Ehren gelangt/ und gantze Provintzien zu regieren gehabt/ auch ueber das groſſen Reich= thum/ hohe Titel/ des Koenigs Gnade und alles was er ihm wuenſchenmoegen. So reiche Mittel Boeſes zu thun/ verur= ſachten/ daß er ſich in allen Schanden und Laſtern ůmwaltzte/ ohne Straff und Scheu/ bis der Tod des Koenigs/ welcher ſolche Herren ueberredet/ daß ſie Menſchen ſind/ ihn lehrte be= dachtſamer zu verfahren. Koenig Carl der achte des Nam= ens/ wolte ſeines Vorfahrens Schoßkinder * nicht alſobald(* Mignons.) verjagen/ ſondern lieſſe ſie bleiben/ ohne fernere Begnaedigung/ eines Theils ſich nicht verhaſſt zu machen; anders Theils ſein= es Herrn Vorfahrens Belieben ſtillſchweigend fůr angenehm zu halten. Als nun Olivier dergeſtalt in ſeinen unverdienten Ehren beharrt/ begiebt ſich/ daß einer vom Adel/ wegen eines ſondern Verbrechens eingezogen wird. Des Gefangenen [412] Weib laufft Freunde und Feinde an/ und unter denſelben auch Olivier/ ihren Mann/ der offentlich hingericht werden ſolte/ loß zu bitten. Olivier verliebte ſich in dieſe Schoene/ und ver= ſpricht ihres Mannes Erledigung/ wann ſie ihm wiederuem zu Gefallen ſeyn wuerde/ welches ſie als ein Tugendweib verweig= ert/ und ueber ſolches Anmuten bey ihrem Mann eine groſſe Klage gefuehrt. Der arme Gefangene/ verhofft dem Tod zu entfliehen/ und beredet ſein Weib Boeſes zu thun/ mit viel fleh= entlichen Worten: welches ſie auch aus Lieb zu dem Mann/ mir Olivier vollbracht. Was geſchicht? der Koenig will O= liviers Fuerbitte keineswegs ſtatt geben. Der Kerkermeiſter/ dem Olivier zu gebieten hat/ wil den Gefangenen/ mit Gefahr ſeines Lebens nicht entkommen laſſen. Der Gottsvergeſſne Menſch erſinnt ſich eine andre Liſt/ damit er das Maas ſeiner Suenden erfuellet. Er gehet mit zweyen ſeiner Diener/ ſo ihm in [413] ſeinen Haendeln bedient geweſen/ in das Gefaengniß/ und laeſſt den von Adel dergeſtalt erhangen/ als ob er verzweiffelt/ und ihm ſelbſt den Tod angethan haette. Nachdem nun die Hint= erlaſſne ſihet/ daß ſie unrecht gethan/ und Boeſes mit Boeſem nicht vertrieben worden/ zwingt ſie ihr Gewiſſen/ ihre eigene Schande zu offenbaren. So bald die Sache ſtadtkuendig/ ent= laufft der eine Diener Oliviers/ der andre wird in Verhafft ge= nommen/ und bekennet alſobald die boeſe That/ ſo er aus Geheiß ſeines Herrn veruebt. Olivier wird gefangen/ und von dem Koenig/ ſambt ſeinem Diener zum Strang verurtheilt: davor ihn ſein Reichthum/ Gewalt/ Liſt und Hochmut nicht ſchuetzen koennen; ſondern iſt in den hoechſten Unehren jaemmerlich ge= ſtorben/ da er doch in den groſſen Ehren und allen Wollueſten zu leben pflegen.
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14. D. Solcher Geſtalt kommen viel uem ihre Ehre/ indem ſie ſolche zu ſchuetzen gedenken; wann nemlich einer ſich von einem ungefaehren Wort be= (Ioh. Griphi- and. de VVeichbild. c. 45. f. 161.) leidıgt zu ſeyn vermeint/ und deswegen ihn/ uem Leib und Leben zu fechten/ her= ausfordert. Dieſe Gewohnheit iſt von den alten Franken/ auf uns Teutſche/ und unſre alte Landsleute die Frantzoſen kommen/ welche alles/ ſo ſie mıt leb= endiger oder ſchriftlicher Zeugſchaft nicht erweiſen koennen/ durch das Fauſt= recht ausfindıg machen wollen. Solche Gewohnheıt hat Kaeiſer Karl der Groſſe mit dem Heydenthum abſchaffen wollen/ und hingegen verordnet/ daß man ſolchen Beweiß durch Empfahung des H. Abendmals erſtatten ſolte; doch hat ſo belıebte Gewohnheit dem ſtreitbarem Volk nicht moegen erwehret werden/ noch viel unverantwortlicher aber iſt/ daß man gantz unſchuldige Perſonen zu (* Belley aux ſuccez diffe- rens f. 23.) Beyſtaenden erſuchet/ und mit in Gefahr ſetzet. Von ſolcher/ des Teuffels Fechtſchul/ wie es jener nennet/ * will ich ein denkwuerdiges Exempel er= zehlen.
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15. In Frankreich/ da die Menſchen/ wie Pallas/ in den Waffen geboren worden/ lebt in groſſer Feindſchaft/ Collocer und Ampel/ zween Edle/ weil ſie einen nachtbarlichen Stritt/ ob den Grentzen ihrer Gueter/ ſo nahend aneinanderſtoſſten. Die Sache/ ſo in ſchriftlichen Urkunden beſtande/ muſſte mit dem Degen entſchieden werden/ und zwar mit Zuziehung zweyer Beyſtaende. Auf beſtimmte Zeit und Ort finden ſich dieſe viere/ und ſtreichen ſo bald/ ohne fernern Wortwechſel zuſammen. Die Beyſtaende/ Nunndian und Prime waren Ge= ſchwiſtrigtkinder/ und ſo bald ſie einander recht erken ̅ en/ werd= en ſie/ als die ſolcher Stritt nicht angienge/ Freunde/ und be= muehen ſich die andern zween/ ſo beede bereit verwundet/ zu ſcheiden/ und voneinanderzuſetzen. Ihr Zuſprechen aber war vergeblich/ und mit Scheltworten/ daß ſich feige Memme weren/ beantwortet: ja ſo gar/ daß ein jeder ſich wider ſeinen [416] Beyſtand wendet/ und als Numidian gefallen/ Collocer und Ampel fuer einen Mann wider Prine ſtehend/ denſelben auch niedergemacht. Nun/ ſagten ſie/ wollen wir unſern Handel ohne alle Hinderniß austragen; gehen darauf wiederuem zu= ſammen/ und wird Ampel toedlich verwundet/ Collocer aber wird durch ſtochen/ und gleichſam geſpiſſt. Nach wenig Tag= en giebt Ampel gleichsfalls den Geiſt auf. Wie dieſes bey Gott zu verantworten/ laſſen wir dahingeſtellt ſeyn; halten ab= fuer fuer unwiederſprechlich/ daß dergleichen der Ehre GOttes/ (* Diametra- liter.) und der Liebe des Nechſten ſchnurſtraks * zuwider ſeye.16. C. Mir liegt nun ob/ die letzte Geſchicht von der Ehre zu erzehlen.17. Etliche Jaeger/ oder vielmehr Straffenrauber/ pflegten bey einem Baursmann/ in einer Einoede wohnend/ einzukehr= en. Einer derſelben/ welcher wegen eines begangenen [417] Meuchelmords/ ſich zu dieſer Burſch geſellet/ verliebte ſich in des Bauren Tochter/ die ſeinen vielfaeltigen freundliche ̅ Wort= en gantz kein Gehoer geben wolte; ſondern ſich/ auf ſein be= harrliches Anhalten/ entſchloſſen/ lieber zu ſterben/ als dieſen Moerder und Rauber zu heurahten. Fulvio ziehet einen ſeiner Geſellen zu Raht/ und unterſtehet ſich/ mit deſſelben Beyſtand gewaltthaetig zu nehmen/ was er mit Bitten nicht erlangen koennen. Auf eine Zeit/ als der Bauersmann zu Feld/ und die Baeurin zu Mark/ kommen dieſe zween/ und begehren an Almi= re/ man ſol das Haus eroeffnen: als ſie die Stimm Fulvio er= kante/ hat ſie ſolches zu thun verweigert/ und vielmehr die Thuer mit Tiſchen/ Baenken und Riegeln verwahrt: daher Ful= vio verurſacht worden/ durch das niedre Tach hineinzuſteigen/ und ſeinen Geſellen auf der Schildwacht ſtehen zu laſſen. Al= mire/ als ſie ſich aller Hülffe beraubet ſihet/ und in den Armen [418] ihres Feindes/ ergreifft ſie ein ſpitziges Meſſer/ und ſtoeſſet die= ſen Ehrendieb erſt in die Gurgel/ nach mals in die Bruſt/ daß er tod zur Erde ̅ geſunken. Nach ſo beſchehener That/ eilt ſie durch ein Fenſter zu ihrem Vater auf das Feld/ und eroeffnet ihm den gantzen Verlauff. Inzwiſchen ſtiege der andre auf der Schild= wacht/ nach vielem vergeblichem Ruffen/ auch in das Haus/ und fande Fulvio ermordet. Der Vater aber dieſer tapfern Dirne/ laufft der Stadt zu/ und bringt dieſe gantze Rott in Ver= hafft. Fulvio wird ſo bald enthaubt/ auf das Rad gelegt und ſein Kopf darauf geſtekkt. Damit aber eine ſolche Heldenthat nicht unbelohnet bliebe/ wird dieſer Bauer eintraechtig/ daß et= liche hundert Kronen auf Fulvio Haubt verruffen worde ̅ : ſolche zu verdienen/ erlangt er das Haubt/ und bringt es dem jenigen/ deren nahene ̅ Freund Fulvio meuchleriſcherweiſe getoedet hatte; gabe auch darvon ſeiner Tochter eine reiche Ausſteure/ als ſie [419] bald hernach mit einer ehrlichen Heuraht etfreuet worden18. V. Aus etlichen dieſen Erzehlungen fleuſſt die Frage: Ob des Menſchen Gemůt durch die Ehre/ oder durch die Liebeſtaerker beweget werde?19. J. Dieſer Fragekommet faſt gleich der Gegenſatz: Ob die De= mut oder die Keuſchheit fuer treff icher zu achten ſey? Weil aber(Satius eſt humile ma- trimonium, quam ſuper ba virgini- tas. Tertul.) die Liebe mehrmals wider die Ehre ſtreitet/ und ſelbe/ wie aus vorigen Erzehl= ungen erhellet/ ueberwindet/ die Keuſchheit aber mit der Demut verbunden ſeyn ſol/ halte ich die Liebe fuer ſtaerker/ als die Ehre/ ſo mehrmals in einem ſorgvoll= en Stande/ ihre Eitelkeit zu ſpat erkennet.20. R. Hier wird nıcht verſtanden unziemliche Liebe einer unverſchaemten Dirne/ oder der ruhmſuechtige Ehrenwahn eines unverſtaendigen Juenglings: Nein/ ſonder die Liebe einer ehrlichen Frauen/ gehalten gegen Betrachtung ıhrer Ehre und ehelichen verpflichten Treue. Welche Wittib in Wollueſten lebet/(1. Tim. 5/6.) ſagt der Apoſtel/ die iſt lebendig tod/ welche aberlebendig todt/ ſind aller Ehren [420] entnommen/ und von allen Burgerlichen Handlungen abgeſondert. Die Ehre iſt die Kron der Tugend/ ertheilet nach der innerlichen Vergnuegung/ mit welch= er ſie das Gewiſſen belohnet; und iſt ſo viel groeſſer/ ſo viel ſolche Ehre von dem Nutzen und Beluſten abgeſondert/ und entfernet iſt. Dieſer Ehre wird ent= gegengeſetzet die Unehre/ Schand/ Schmach und Spott/ welche viel bittrer ge= halten/ als den Tod ſelbſten; weil auch die Nachkommen ſolcher theilhaftig werden. Hingegen iſt die Liebe nicht ſtark/ als in den ſchwachen Gemuetern/ ſo der Tugend den fleiſchlichen Begierden zu widerſtehen nicht moegen. Die Ehre beherrſchet den Verſtand; die Liebe den Leibe/ wie viel nun der Ver= ſtand hoeher zu achten/ als der Leib; ſo viel ſtaerker iſt auch die Ehre/ als die Liebe.21. A. Dieſer Meinung pflichte ich auch bey/ mit Beyſetzung dieſer Ur= ſachen: weil die Liebe nur zwey drittheil unſres Lebens beluſtiget: Die Ehre aber/ allen und jeden/ ſo lang ſie leben/ fuer Augen ſchweben ſoll. Was nun am laengſten waeret/ das ſcheint auch das ſtaerkſte zu ſeyn. Vielleicht wird [421] auch deswegen die Liebe als ein kleines Kind gebildet/ zu bezeugen/ deſſelben Schwachheit/ und Ohnmacht.22. D. Welche hierinnen wider die Liebe ſprechen/ koennen ſich eines groſſen Undanks nicht entſchuetten; weil ſie durch die Liebe ihr Leben erlangt/ ohne welches ſie keiner Ehre faehig ſind. Wann nun die Liebe ein unmuendiges Kınd iſt/ ſo ſol die Gerechtigkeitals ihr Vormund/ demſelben das Wort ſprech= en/ und gerichtlich vertretten. Der ſtarke Hercules hat mit Ehren alle Abend= teure ueberwunden/ ıſt aber von der Liebe bezwungen worden/ wie Samſon von ſeiner Delila. Die Poeten haben nicht ohne Urſach dem Liebsgott ſo groſſe Kraft im Himmel und auf Erden/ und in dem Waſſer zugeſchrieben; ſond= ern dardurch ſeine groſſe Macht ueber alle Geſchoepfe bedeuten wollen. Viel= mals verlangt man die Ehre wegender Liebe; als in Turniern und Ringleın= rennen bemuehet ſich ein jeder Ehre darvonzutragen/ damit er dem Frauenzim ̅ = er ſo vielmehr gefallen moege. Den Verliebten iſt keine Gefahr zu groß/ wie auch kein Thier/ wann es in der Brunſt iſt/ den Tod ſcheuet. Kan nun die [422] Liebe den Tod welcher das erſchrekklichſte unter allen erſchrekklichſten Dingen iſt/ ueberwinden; wie ſolte dann die Ehre nicht weichen mueſſen? Die Ehre be= ſtehet insgemein in dem Wahn: die Liebe in wuerklicher Beruhung/ und iſt mehrmals eine Schand/ was an andern Orten Ehre ſeyn ſoll. Die Liebe hingegen iſt das Band menſchlicher Geſellſchaft; ſie iſt die Wurtzel unſerer Fortpſlantzung: ja/ ſie iſt jedem angeboren/ da die Ehre gebotten werden muß.23. C. Welcher geſtalt?24. D. Keın Gebot heiſſt die Eltern ihre Kinder lieben/ weil ſolche nat= uerliche Neigung allen eıngeſchaffen: hingegen aber ſind die Kinder befehlt/ ihre Eltern zu ehren/ an welchem ſie mehrmals der Gebuehr vergeſſen. Nun iſt auſſer Widerrede die Natur ſtaerker/ als das Gebot. Mit dem Alter ver= lieret ſich die Liebe nicht/ indem die Neigung und der Wille/ in Ermanglung der Kraeften verbleibet: gleich denen/ ſo in der Jugend das Dantzen geliebt/ und durch die Jahre geſchwaechet/ mit den Schultern zu hupfen pflegen.
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25. C. Gleichwie man nicht leichtlich ſich vergleichen kan/ was ſchoen und zu lieben iſt/ ſo kan man ſich auch ſchwerlich vereinigen/ worinnen die Ehre beſtehe. Wann die groſſe Ehre iſt tugendreich zu ſeyn/ ſo iſt dargegen die hin= fallende Schoenheit/ ſo von den Menſchen geliebet wird/ fuer ſchwach zu halten. Die Unverſchaemſten wollen ehrliche Leute ſeyn/ und wo nıcht in der That/ doch in Worten ſich andern ehrlichen Leuten/ gleich halten. Die Staerke der Liebe iſt gleich einem Schleuderſtein/ der ſeine Bewegung von des Werff= ers Hand hat: gleich einem Traum/ der mit der Morgenſonne verſchwindet. Der Geitzhals iſt ſo lang freygebig/ bis er ſeiner Liebe genoſſen. Der Zage iſt ſo lang kuehn/ ſo lang ſeine Liebſte gegenwaertig/ etc. Die Ehre hingegen beharret durch die Tugend/ auch nach dem Tod. Was koennen hier die Heydniſchen Gedichte erweiſen/ wann wır wiſſen/ daß die Ehrſucht der hoechſten Engel ein= en von dem Himmel in die unterſte Hoelle geſtoſſen: Zudem iſt die Liebe eine Arbeit in der Jugend Mueſſiggang: nach Erkaentniß aber der wahren Ehre verſchwinden ſolche fluechtige Gedanken leichtlich.
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26. V. Hier waltet nicht die Frage/ was zu geſchehen pflege/ ſondern was geſchehen ſolte. Wann die hoechſte Ehre iſt in Gottes Gnade ſeyn/ und ja nicht wider das Gewiſſen zu ſuendigen/ ſo ſoll ſolcher Vorſatz/ dardurch wir auch bey den Menſchen geehret werden/ weit ſtaerker ſeyn/ als keine Liebsneig= ung/ ſo wir zu einem Menſchen tragen; wann aber die Frage iſt/ was zu ge= ſchehen pflege: iſt auſſer allem Zweiffel/ daß die Liebsbegierd/ unſre Gebuehr mehrmals ueberwindet/ wie aus dem Exempel Davids und Berſabe/ Salo= mons und ſeiner Kebsweiber/ und andrer/ ſo in Koeniglichen Ehren geſeſſen/ ſattſam zu erſehen. Alſo kan man von allen Tugenden und Laſtern Geſpraechſpiele anfuehren/ und mit Fragen und Erzehl= ungen ausfuendig machen.
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Julia.
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ICHerinnere mich/ daß vor dieſem von den Wortgrifflein *(* Logogra- phi.) und Letterwechflen gedacht worden: weil aber ſolches nur ſtukk= weiſe geſchehen/ und in unſrer Sprache noch der Zeit etwas ſeltnes iſt/ verlang= et uns etwas mehrers darvon zu vernehmen.2. R. Die Wortgrifflein ſind von den Letterwechflen in dem zu unterſcheid= en/ daß jene in einer Wortraehtſel/ oder tunklen Aufgabe/ von einem Wort herruehrend/ beſtehen; dieſe aber mıt gleich ſo viel Buchſtaben eine andre Mein= ung/ oder Deutung ſchlieſſen.3. J. Durch die Exempel werden wir es leichter verſtehen.4. R. Bevor wir dieſelben beybringen/ iſt zu erinnern: I. daß man dar= innen beſſer fortkommen kan/ wann man das au/ ei/ ſch/ ch/ und dergleichen fuer einfache Buchſtaben gelten laeſſet. II. das Scaliger/ welcher dergleichen [426] amerſten ausgeſonnen/ die Woerter abtheilet/ und den erſten Buchſtaben/ (oder in langen Woertern die erſte Sylben) nennet das Haubt/ den andren den Leib/ den dritten den Bauch/ den vierdten den Fuß/ oder den Schwantz. Dieſem muß man etlicher maſſen nachgehen. Zum Exempel ſey dieſes.Haus: Sau.Iſt dein Haus ſonder Haubt (nemlich ohn den Buchſtaben H.) ſo gieb es zu erkennen/ Wie man mit Warheitsgrund/ ſol deinen Namen nennen.5. A. Dieſes ſolte keiner leichtlich errahten/ wann es nicht darbey erklaeret wird. Ich hab dergleichen in der Pegnitzſchaeferey geleſen/ von einem Kuerbiß.Nimm das Haubt und Schwantz vom Raben/ was verbleibet/ ſol uns laben.
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Das Haubt von dem Wort Rab iſt das R. der Schwantz das b/ wann man dieſe zween Buchſtaben aus dem Wort Kuerbiß nimmet/ ſo verbleibt das Stammwort Kueß.6. D. Ein ſolches Wortgrifflein iſt auch dieſes:Schatz: Schantz.Ich binder Stoltzen Trotz/ und bin der Armen Nutz: ſetz nur ein n. darzu/ ſo werd’ ich beeder Schutz.Die Stoltzen trotzen auf ihre Schaetze/ ſo den Armen mehr nutzten; das n. machet aus de ̅ m Woertlein Schatz/ Schantz.7. C. Faſt dergleichen Wortſpiel findet ſich in Theilung etlicher Woerter. Als wann jener etliche alte Jungfren geſehen/ und geſagt/ daß ſie mit Recht Jung fern zu nen ̅ en/ weil ſie ferne von Jung verſtehend der Jugend. Ein andrer ſagt/ man ſolte ja nicht das Wort Frau mit einem w. ſchreiben/ ſondern vielmehr das au in ein o wandlen/ dann die Frommen den Mann froh machten: Es were kein groſſer Unterſcheid zwiſchen Jungfrauen/ und jungen Frauen/ etc.
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8. V. Mein Wortgrifflein ſol dieſes ſeyn.Schwamm: Waſch.Nimm weg des Stummen Leib: ſo ſteh ich nechſt dem Bach/ und waſche. Kennſt du mich in der verkehrten Sprach?Des Stummen Leib ſind die zwey mm. die uebrigen Buchſtaben geben waſche.9. J. In den Letterwechſel bleiben mehrmals Buchſtaben ueber/ die nicht koennen mit eingebracht werden.10. R. Dieſelben moegen zu einem andern Wort/ das nachfolget/ genom ̅ en werden/ als zum Exempel: Degenwert giebt wegen dert: dieſes T. kan der erſte Buchſtab in dem Woertlein Tugend ſeyn/ oder Degenwehrt/ ehrt den Weg.11. D. Alſo kan man auch einen Buchſtab/ der mangelt/ dazuſetzen:Reihmund: Ruhm dient der Tugend/ doch muß jedesmals zu [429] vor ein voelliger Letterwechſel geſetzet werden/ als dieſes Orts ſeyn moechte: dein Ruhm/ etc.12. C. Dieſes ſind Wortgreifflein: Letterwechſel aber ſind folgende: Hart: Raht. Schif: Fiſch. Schlaf: falſch. Nahmen: mahnen. Tugend: gut.END.
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Folget die Trompeten=Muſic Des Schauſpiels zu Roß/ welches beſchrieben in dem CCLI. Ge= ſpraechſpiele.
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Es ſol geblaſen werden durch ſechs Trompeten/ als I. den Cların. II. Gegenclarin/ oder Contraclarin. III. Principal/ oder hohe Stimme. IV. fulgant, oder Mittelſtimme. V. die Groeb er oder Grundſtimme/ und dann VI. mit dem Flatter. In allen 6. Tact.Man kan es auch auf der Geigen/ und andern Inſtrument= en ſpielen.
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Clarin.
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Anhang.La Bibliotheque des Dames.Frauenzimmer Buecherſchrein; erſtlich von Herrn Chatunieres de Granaille, in Frantzoeſiſcher Sprache/ nun aber in unſrer Teutſchen Sprache eroeffnet durch den Spielenden.
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Laſſt den Geld= und Laſtergeitz Schatze graben und vergrabe ̅ : es ſol doch der Tugendruhm wahren Wehrt und Wuerde haben Jener machet nimmerfroh/ und gebůhret Sorg und Weh: dieſe bleibet freudenvoll/ in dem ſůſſen Stand der Eh. Tugend iſt der ſchoenſte Schatz/ den die Motten nicht ver= zehren/ Tugend ſchwebet hoch empor; ihre Feinde ſie verehren. Tugend iſt der beſte Schild/ Waffen/ Harniſch und Gewehr. ſolche Tugend findet ſich/ in der alten Vaeter Lehr.
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Vorbericht.
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IN dem Eheſtand iſt die Gleichheit beeder Ehegatten(Keine ohne die andre.) der Grund ihres gluekkſeligen Lebens; daher ſie auch mit Fug verglichen worden/ zweyen gleichgeſtimmten Geigen/ deren keine/ ſonder der andern Bewegung/ mag geruehret werden. Jener vergleichet ſie mit den Cherubim/ zwiſchen welch= en die Lade des Bunds geſtanden/ die ihr Angeſicht aus Scham=(* Du Boſq en ſa hone- ſte femme part. 1. chap. dernier.) haftigkeit bedekket: alſo/ ſagt er/ findet ſich Gott zwiſchen gleich= verliebten ehlichen Hertzen/ * und iſt gleichſam ſelbſten das Band der Freundſchaft/ die er unter den Menſchen geſtifftet. Daher nennet der Apoſtel eine Teuffelslehr/ die GOTTES Ordnung(2. Theſſal ???) [436] gantz zuwider iſt/ das Verbot ehelich zu werden.2. Aus dem Eheſtand ſind geboren worden alle Menſchen/ die vor uns geweſen/ noch ſind/ und kuenftig bis zu der Welt Ende leb= en werden. Auſſer ſolcher Verbuendniß des Eheſtands kan Gott die Fortpflantzung des menſchlichen Geſchlechts nicht gefallen/ und wuerde die Welt mit gantz viehiſchen Suenden angefuellet werden. Der Eheſtand verſueſſet unſers Lebens Bitterkeit/ durch eine ſo an= geneme Gehuelffin/ ſonder welche die Einſamkeit/ auch in dem Stand der Unſchuld/ von Gott nicht gut geheiſſen worden; und iſt alſo wegen der Ubertrefflichkeit ſeines Stiffters/ und ſeiner Endurſache hochſchaetzbar; maſſen er auch mit Chriſto und ſeiner Gemeine von (Eph. 4.) dem Apoſtel verglichen wird. * Der Eheſtand iſt eine Gabe Gott es/ wie die Fruchtbarkeit der Erden/ die Unſterblichkeit der Sterb [437] lichen/ das Band der loeblichſten Geſel ſchaft/ das Pfand unſrer Vermehrung/ die Freyſtatt zulaeſſiger Wollueſte/ und gleichſam der naegdige Regenbogen/ welcher nach vielem trueben Wetter er= ſcheinet.3. Dieſem nach iſt kein Wunder/ wann ſich zu allen Zeiten heilige und gelehrte Leute gefunden/ welche das Weibervolk mit lehrreich= en Schriften geehret/ und ſind unter denſelben/ ſonderlich der alten Griechiſchen und Lateiniſchen Kirchenvaeter Sendſchreiben hin und wieder befindlich/ als: Gregorii, Nazianzeni, Gorgonia, Chryſoſto- mi, Olympia, Ambroſii vidua, Auguſtini unterſchiedene Briefe/ und Tertullıani Sendſchreiben an ſein Weib/ ſonderlich Hieronymi Briefan Furiam, Salvinam, Theodoram, Principiam und andrer.4. Ludovicus Vives hat in Lateiniſcher Sprache eine Unterrich [438] tung der Weiberzu Papier gebracht/ und dann dieſer Grenaılle et= licher vorbeſagter Kirchenvaeter Schriften in frantzoeſiſcher Sprache an Tag gegeben/ unter dem Titel des Frauenzimmers Buecher= ſchatz???s oder Bueche??? ſchreins/ wann man das Wort Bibliotheque genau teutſchen will.5. Ermeldtes Buch iſt hiermitkommend gedolmetſcht/ und zwar der geſtalt zuſammengezogen worden/ daß das Undienliche/ und Wiederholte ausgelaſſen/ alle ueberflueſſige Umſtaende abge= kuertzt/ und alles/ ſo viel bey andren Angelegenheiten thunlich/ nach heutigen Sitten gerichtet worden.6. Sind nun dieſe Schriften in etlichen Sachen gar zu ſcharff/ ſo iſt ſolches der Verfaſſer ihrem Chriſtlichem Eifer beyzumeſſen/ welcher in der Dolmetſchung nicht hat koennen uebergangen werden. [439] Wie nun alle Menſchen in der Geſtalt/ Sinn/ Stimm und Ge= berden unterſchieden/ alſo hat auch eine jede Sprache ihre abſond= erliche ̅ Eigenſchaft/ welche beobachtet werden muß/ und die Ub= erſetzung ſchwer machet. 2 7. Weil aber in dieſem VII. Theil der Geſpraechſpiele vielleicht wenig dem Frauenvolk anſtaendiges zu finden/ iſt dieſer Anhang fuer ſo viel ſchikklicher erachtet worden: des Verhoffens/ es werde der Uberſetzer ſeine Muehe hierinnen nicht uebel angewendet haben.
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8. Es ſind aber in folgendem Anhang begriffen hernachbenan ̅ te VI. Schriften.I. Tertullians erſtes Buch von der Weiber Schmukk.II. Tertullians zweytes Buch von der Weiber Schmukk.III. Paulini Sendſchreiben an Celantiam.IV. Hieroymi Lobſchrift der H. Paula.V. Hieronymi Sendſchreiben an Laetam/ von Erziehung ihrer Tochter.VI. Hieronymi Sendſchreiben an Aſellam.Weil dem Frantzoſen dieſe Ordnung beliebet/ hat der Dolmetſch= er ſolcher auch nachkommen wollen.
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Anhang. Tertullians I. Buch. von der Weiber Schmukk. Inhalt.
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TErtullian ſchreibet nicht aus Feindſchaft wider der Frauen Beliebe ̅ / ſondern aus ſonderlicher Neigung/ die ertraegt zu ihrer Tugenden Vollkommenheit. Was er hier geſchriebe ̅ / iſt dahin angeſehe ̅ / daß die Uberflueß ihrer Zierarten zu einem erbaren Wolſtand abge [2] bracht/ und gemaeſſiget werden moechten. Er ſchreibet ſcharff/ damit ſeine Wort einen Nachdrukk haben; wolwiſſend/ daß viel leichter der Mißbrauch/ als eine loebliche Gewonheit ein= zufuehren. Es iſt aber zu betrachten/ in was Zeit er dieſes und folgendes Buch zu Papier geſetzet. Er lebte zu einer Zeit/ da die Chriſten des Tods gewaertig ſeyn muſſten: die Verfolger achteten ſie nicht fůr Menſchen/ deren Blut verſchonet werden ſolte; ſondern fuer Schlachtſchafe/ die man fůr des Volks Miſſe= that aufopferte. Damit ſie nun Tertullian bereden moechte zu Verachtung/ oder ja Geringſchaetzung ihres Lebens/ bemůh= et er ſich/ ihme allen ueppigen Uberfluß aus dem Sinn und Handen zu winden; ja ihnen das Nohtduerfftige kaumlich zu geſtatten. Deswegen redt er auch wider die anderweite Ver= heuratung/ aus Furcht/ daß die Beſchwerniſſe des Eheſtands dem Glaubigen hinderlich ſeyn moechten: im Gegenſatz lobt er [3] den ledigen Stand der Jungfrauen/ weilen man darinnen viel= er Sorgen befreyet iſt. Weilen aber das Exempel der Weiber zum Guten und Boeſen kraeftigſt beweget/ faengt er an dieſe zu ſtraffen/ welche die Chriſtliche Religion zu einem Dekkmantel aller Suenden und Laſter mißbraucht. Alſo weiſet er an dieſen/ daß alle andre Weibsperſonen keinen Pracht in Kleidern/ und Zierraten gebrauch en ſollen/ weil ſie dardurch Gott erzuernen/ und zur Straffe den Tod von den Tyrannen taeglich zu erwart= en hatten. Kuertzlich/ er wil dieſen ſchwachen Werkzeug durch ſein Wort beſtaerken/ daß ſie ihnen nicht in der Welt fuer den Menſchen/ ſondern in dem Himmel fuer Gott/ und allen Auſſerwehlten ein Anſehen machen ſollen.
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Das I. Buch Tertullians. von der Weiber Schmukk.
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Meine Frauen.(Des Glaub= ens Belohn= ung.) Wann der Glaub auf der Erden ein ſo groſſes Anſehen haette/ als ſeine Belohnung in dem Himmel/ ſo ſolte keine unter euch gefunden werd= en/ welche einmal den wahren Gott erkant/ daß ſie nicht lieber demſelben/ als jemand in dieſer Welt zu gefallen/ Verlangen tragen ſolte. An ſtat ſtoltz= er und praechtiger Bekleidung/ ſolt ihr die Demut/ und einen eiferigen Buß= (Der Eva Suende.) wandel ſehen laſſen/ und gedenken/ daß unſer aller Mutter Eva/ indem ſie ihren lueſtrenden Begierden nachgehengt/ ſich/ ſamt ihren Nachkommen/ in [5] das euſſerſte Elend’ geſtuertzet. Ihr wiſſet/ daß ihr in Lueſten empfanget/ mit Schmertzen geberet/ und daß euer Will/ eures Mannes Willen unterworffen iſt; und ihr erinnert euch doch nicht darbey/ daß ihr Eva Toechter ſeyd/ welche ſolchen Fluch noch heutzutage tragen mueſſen/ ja denſelben mit ihren Suenden noch ſchwerer und ſchmertzlicher machen.2. Ihr koent leichtlich glauben/ daß ich die Warheit; ohne Liebkoſen/ ſage/ wann ich erweiſe/ und aus der H. Schrift beglaube/ daß das erſte Weib die Thuer der Hoellen eroeffnet/ und wider Gottes Gebot/ dıe Fruechte des Todes dem/(Der Eva Verbreche ̅ .) der den Baum des Lebens genoſſen/ eſſen machen. Nach dem Satan iſt ſie das erſte Geſchoepf geweſen/ daß den Schoepfer beleidiget/ und den zu ſuendigen angereitzt/ welchen der Teuffel zu verſuchen nicht getrauet. Sie iſt von des Mannes Riebe genommen/ die ſeinen gantzen Leib verderbet/ und uns ıhren Luſt zu bueſſen/ alles Wolſtands verluſtigt. Sie iſt die Urſacherin/ daß der Sohn Gottes Menſch worden/ und fuer uns leiden mueſſen/ aber deſſen allen Angedenken iſt den Evaetoechtern entfallen/ indem ſie das Gold aus der [6] Erden/ die Perlen aus dem Meer/ die Seiden von den Wuermern/ und von vielen Thieren vermeınte Zierraten bettlen/ ſich zu beſchoenen.(vom Weib= erſchmukk.) 3. Sagt mir aber/ meine Frauen/ wann von Anfang der Welt die Seid= en/ Purpur/ Gold und Edelgeſteine/ etc. zu der Bekleidung gebraeuchlich ge= weſen/ vermeint ihr wol/ daß Eva/ als ſie aus dem Paradeis verſtoſſen word= en/ wuerde ſich ſolcher Beſchmuekkung bedient haben? vermeint ihr/ daß/ wann ſie ſolte wıeder von den Todten aufferſtehen/ daß ſie dergleichen Pracht achten wuerde? Nein. Dann ſolcher ſtoltze Uberfluß iſt ein Merkmal der Weltlieb/ und der Verdamniß. Die deſſelben gebrauchen/ ſind Schlachtſchafe/ welche man kroenet/ wann man ſie aufopfern wıl.(der Hoffart Erfinder.) 4. Wie das Werk iſt/ ſo iſt auch ſeine Urſach. Der Erfinder ſolches Prachts iſt der Teuffel/ der zu ewigem Tod verdammt iſt. Er iſts/ der ſeine Freyſtadt bey dem Weibervolk ſuchet/ nachdem er von dem Himmel verſtoſſen worden/ und wie ſie der Stoltz geſtuertzet/ alſo erſinnen ſie auch alle Geraetſchaft/ ſo zu der Hoffart und Eitelkeit gehoerig iſt. Nachdem viel Sachen erfunden [7] worden/ deren Unwiſſenheit den Menſchen vortraeglicher geweſen/ iſt auch der Weiber Schmink/ die Maenner trueglıchſt zu verfuehren/ nicht ver= borgen geblieben.5. Man weiß die Bergwerk auszuhoelen/ uem uns lebendig zu begraben/ und(des Prachts Nachtheil.) nechſt der Hoellen die Mittel zu ſuchen/ ein teuffliſches Leben zu fuehren. Man hat die Kraeuter erkennen lernen/ mit dem Gifft mehr zu ſchaden/ als mit der Artzney zu nutzen. Man hat die Zauberey erfunden/ unſre Schwachheit zum Verderben zu ſtaerken. Man hat die Sternkunſt ausgedacht/ uem uns durch die falſche Wiſſenſchaft des Zukuenftigen/ von dem Himmel zu ent= fernen. Nichts mehr war ueberig/ als daß man die Weiber ausrueſtete/ die Hertzen der Juenglınge zu verwunden/ durch die Augen/ welche auf dıeſe Hof= dokken gerichtet werden.6. Alſo tragen ſie an dem Halſe Gehaenge von Edlenſteinen/ als Zeiger ihr=(Halsge= haenge.) es und auch unſres Verderbens. Sie tragen guldne Ketten/ als Feſſel ihrer und unſrer Dienſtbarkeit. Sie gehen bunt bekleıdet/ weil auch ın ihrem [8] Sinne keine Beſtaendigkeit. Sie beſtreuen ſich mit Pulver/ indem ſie nicht gedenken/ daß ſie zu Staub und Pulver werden mueſſen. Sie mahlen ihre Wangen mit Schmink/ welchen die Jammerthrenen wieder ableſchen werd= en. Ich frage nun: ob nicht dieſes alles zu Befoerderung der Suenden/ und Unterdrukkung der Tugend diene? Ob nicht die unreinen Geiſter hierdurch zur Unkeuſchheit veranlaſſt werden? was vom Teuffel herkommt/ das iſt wid= er Gott. Was mit Unrecht gebraucht wird/ pflegt auch durch Unrecht ge= wonnen werden.7. Die Weiber haben ohne dergleichen Luſtreitzung Mittel/ Ubels in der Welt zu ſtifften/ und haetten keines mehrern Unterrıchts von Thun gehabt. (1. Moſ. 6/2.) Ihre Augen und ihre natuerliche Schoenheit haette der Edelgeſteine/ und koſtba= (* Hier iſt ein Streit/ was durch die Kinder Gott= es verſtanden werden ſol.) ren Bekleidung nicht bedoerfft: maſſen auch die Kinder Gottes/ * nach den Toechtern der Menſchen geilten/ und zu Weiber nahmen/ welche ſie wolten.8. Gewıßlich reitzet der Satan das Frauenvolk uns/ mit ihnen/ zum Ver= derben/ indem ſie der Gabe Schoenheit ſchaendlichſt mißbrauchen. Er wuſte [9] wol/ daß ſie mit der Einfalt/ auch die Unſchuld verlieren wuerden/ und daß das Fleiſch/ durch den Stoltz wider den Geiſt ſtreitet. Sie mueſſen Gott mißfall= en/ indem ſie den Menſchen zu viel Gefallen bemuehet ſind. Die Hoffaertigen dienen dem/ welchem ſie in der H. Tauff abgeſagt haben.9. Iſt nun dieſem alſo/ was Freundſchaft kan Gott haben mit Belial/ oder(Stoltz.) die Kinder Gottes mit denen/ die ſich den Satanskindern und der Welte gleich ſtellen? wie ſollen ſie die haſſen/ deren Hoffarben ſie an dem Halſe tragen? ja/ deren Stoltz ſie auf Erden nachfolgen.10. Es ſind aber zweyerley bey der Weiberbekleidung zu betrachten: die(Die Rein= lichkeit und Artigkeit der Weiber Kleider.) Reinlichkeit und die Artlichkeit. Die Reinlichkeit reitzet zu der Unreinigkeit/ und heiſſt es nach dem gemeinen Sprichwort: Hoffart muß ſich leiden/ und hierunter gehoeren Kleider/ Edlegeſtein/ Perle/ Gold und Silber. Die Artig= keit beruhet im Kraeuſſen der Haare/ dem Anſtrich/ Schminkewaſſer/ etc. Wann ich ſagen ſoll/ was ich darvon gedenke/ ſo beſchuldiget eine Weibsperſon das erſte des Ehrgeitzes und Stoltzes; das andre der Uppigkeit/ und des Fuer [10] witzes. Hieraus koennen die Frauen ſehen/ daß/ wann ſie wollen Dienerin Gottes ſeyn/ daß ſie Gott/ in und mit des Satans Suendendekke nicht erkennen wird/ unter welcher ſie Ehre und Demut zu verlieren pflegen.(Gold und Silber.) 11. Gold und Silber machet die Leute ſelten froemmer/ und weil ſie aus der unterſten Erden gegraben werden/ bringen ſie niemand hoch/ den ſie nicht in Verderben ſtuertzten. Es iſt beedes eine unreine Erden/ die den zieren ſol/ der zu Erden und Aſchen werden/ verfaulen und verderben wird. Es koſtet viel Schweiß/ Muehe und Arbeıt/ zu ſo gefaehrlichem Metall zu gelangen/ welches keinen Glantz/ bevor es den Namen in dem Feuer verlohren hat; daß man ſag= en kan/ die Menſchen haben keinen Luſt ohne Laſt/ und keine Zier ohne Muehe. Die Eitelkeit traeget ihre Straffe auf dem Rukken. Das Kupfer/ das Eiſen und andre Metall ſind nicht minder wuerdig/ als das Gold und Silber; ja ſie haben mehr Gebrauch/ und ſind nohtwendiger zu des Menſchen Leben/ wann unſer Wahn ſolches glauben koente.
|| [11]
12. Ohne Eiſen koente man zu keinem andern Metall gelangen/ es reinigen und zu Nutz bringen. Die guldnen Ringe muß man mit Eiſen feilen/ und dz Korn muß durch den Pflug gebauet werden/ und fueget man keine Schiff mit guldnen oder ſilbern Naeglen zuſammen. Hieraus iſt zu ſehen/ daß ein groſſer Irrthum das Gold und Silber ſchaetzbar machet.13. Gleiches Urtheil iſt zu faellen von den Edelgeſteine ̅ : ſie ſind Steine/ und(Edelge= ſteine.) bleiben Steine/ wann ſie gleich mehr als andre glaentzen. Sie dienen noch zu dem Grund/ noch zu dem Gemaur/ noch zu der Bedachung eines Gebaeus. Sie helffen noch fuer Hunger noch Durſt/ noch fuer Froſt noch Kaelte/ und kan ein ſchlechter Kiſelſtein/ mit einem Fuenkleln mehr dienen/ als derſelben ein ſehr koſtbare Anzahl. Man verwundert ſich ueber den Glantz/ welchem auch ein faules Holtz/ in dem Finſterniß von ſich ſtralet. Man achtet ſie fuer ſchoen/ weil ihr Glantz die Augen beluſtiget/ und blendet. Man faſſet ſie in Gold/ die Eitelkeit koſtbar zu machen.
|| [12]
(Perle.) 14. Die Perlen werden aus dem Meer gefiſchet/ und ſind des Himmels Threnen/ ich will ſagen/ Troepflein Tau/ die ın lebendigen Muſcheln enthalt= en und erhaertet werden. Ich will ſie Meeraepfel nennen/ weil ſie rund/ und fueglicher in der Artzney zu gebrauchen. Man ſchaetze nun die Perlen wie man wil/ ſo achte ich ſie doch nicht hoeher/ als die Wartz/ oder Waertzel. Etliche ſchreiben/ daß man die groſſe Perlen von des Drachens Stirn habe/ gleichwie auch die Fiſche Steine in dem Kopf tragen. Sol dann eine Chriſtin ihre Zier von den Thieren erhalten?(Fremdgier= igkeit.) 15. Wir wollen ſagen/ daß die Seltzamkeit ſolche Sachen wuerdiget/ und weil es etwas fremdes iſt. Man verachtet ſie/ wo ſie geboren werden/ und er hebet auf das Haubt/ was man unter dıe Fueſſe tretten ſolte. Der Uberfluß= hat dieſe Eigenſchaft/ daß er ſich bald veraechtlich machet. Etliche Barbarn bınden ihre Gefangene mit guldnen Feſſeln/ weil ſolches bey ihnen gemein/ und achten dargegen das Eiſen wehrt/ weil keines bey ihnen zu finden. Alſo ſind die Gottloſen mehrmals mit Reichthum beladen/ zu ihrer Beſtraffung/ und [13] jemehr ſie haben/ jemehr ſie haben wollen. Das Gold kan viel/ aber nicht alles. Als der Parthen und Meder Geſandten zu Rom geweſen/ ſind die Perlen in Unwehrt gekommen/ weil ſie bey ihnen gemein/ und deswegen verachtet worden: ja/ die trefflichſten Edelgeſteine des Frauenzimmers ſind gleichſam von ihnen ſchamrot worden/ weil ſie vernichtet/ was ſo viel andre verwundert haben. Man braucht der koſtbaren Steıne ſo viel/ daß ſie durch die Menge den Wehrt verlieren.16. Dieſer Stoltz bleibt nicht nur bey den Koenigen/ Fuerſten und Herren=(Mißbrauch der Kleider.) ſtandsperſonen/ welche Gott ueber andre erhoben/ ſondern es will ein jeder ſein= en Stand durch den Kleiderpracht erhoehen/ und mehr ſeyn/ als er nicht ıſt/ ſo gar/ daß auch der Scharlach/ ſo vor dieſem den Koenigen allein geziemt/ jetzund auch den geringſten Dienern zur Hoffarbe dienet. Es iſt ſo weit kommen/ daß nıcht nur die Menſchen/ ſondern auch die Mauren und Waende in den Zimmern anſehlich ſeyn mueſſen; des Bett= und Tiſchgewands dıeſes Orts zu zeſchweigen. Viel wird von der Weiberarbeıt wehrt gehalten/ weil viel Zeit [14] unnuetzlich darueber verlohren gehet. Dieſer Schmukk kommet von der ſtoltzen Kunſt her/ und kan Gott nicht gefallen/ weil er von Gott nicht erſchaff= (Kunſtarbeit der Nadel.) en worden/ und zur Nohwendıgkeit nicht dienet: ja/ die Menſchen wollen hier= innen mehr leiſten/ als der allmaechtige Gott/ und zumueppigen Wolluſt mehr erſinnen/ als in der Welt zu finden iſt.17. Vielleicht hat Gott keine Schafe erſchaffen koennen/ mit roter/ gruener und blauen Wollen? vielleicht iſt der Menſch hierinnen kluger/ als ſein Schoepfer? Nein/ Gott hat ihm ſolche bunte Vermiſchung jederzeit mißfall= (Kunſtarbeit der Weber.) en laſſen. Was die Natur nicht mit ſich gebracht/ das hat eine boeſe Natur an ſich genommen/ und ſcheinet/ als ob ſolches von teuffliſchem Eingeben her= raehre/ welcher ein Verderber iſt der reinen/ und unbeflekkten Natur. Der Satan iſt Gottes Aff/ und der Frommen boeſer Feind/ der ſie durch allerhand Belieb= ung zu verfuehren trachtet; und laſſen es ihnen ihrer viel ſauer werden/ der hoell= iſchen Maertrer glueende Kron zu erlangen.
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18. Der Goetzendiener gebraucht ſich der Gaben der Natur/ ſein blindes(Mißbrauch der Gaben Gottes.) Opfer zu verrichten/ der Meinung/ Gott dardurch einen Dienſt zu erweiſen. Der Stoltzling aber mißbraucht der Gaben der Natur/ den Teuffeln/ welche der Stoltz von dem Himmel geſtuertzt/ ein angenemes Opfer an ſeinem Leib zu= zutragen/ und durch ſolche euſſerliche Kennzeichen zu erweıſen/ daß ſie GOtt nicht angehoeren.19. Es iſt kein Zweiffel/ der Ehrgeitz ſey Urſach ſolcher Uppigkeit/ indem(Ehrgeitz.) man an ein Ort zuſammenbringet/ was Gott in viel Laender ausgeſtreuet wiſſ= en wollene. Es iſt aber der Welt Gebrauch/ alles was gemein iſt/ veraechtlich zu halten/ und hıngegen hoch zu ſchaetzen/ was ſeltzam und wenig zu bekommen. Ein jedes Land koente mit ſeinen Gaben zufrieden ſeyn/ wann nicht dıe Wolluſt/ Ehre und Geldgeitz die Kauffmanſchafft erfunden haette. Man vergnuegt(Kauffmann ſchafft.) ſich nicht/ das Seltne zu haben/ ſondern es muß ueberflueſſig verhanden ſeyn/ und ſonderlich das Geld/ ſo man uennuetzlich aufwendet/ ungeacht/ alles mit Maß und Ziel ſolte gebrauchet werden.
|| [16]
20. Dieſe Fremd gierigkeit machet unſren Verſtand gantz eitel und welt= (Thorheit.) ſuechtig/ geneigt zu allen Laſtern/ und ſchwach zu allem Guten. Dıe Thor= heit hat alle ſolche fremde Sachen ſo hoch geſetzet/ daß man muß viel daruem geben/ wenig zu haben/ und das Nıchtswehrte teur einkramen. Die Hoffart betreugt ſich ſelbſt hierinnen/ und iſt bemueht/ taeglich etwas Neues zu erfind= en. In ein kleines Kueſtlein verſchleuſſt man zuzeiten eine groſſe Erb= ſchaft/ und haengt an ein Armband das Einkommen einer gantzen Herrſchaft. Ein Ohrgehaeng koſtet ſo viel als ein leibeigner Knecht/ und ein Ring an dem Finger ſo viel/ als eines Armen Haus und Hof. Dieſer Pracht ıſt ſchoen/ und ſol die Schoenheit ſchoener/ ja den ſchwachen Werkzeug ſtark/ und die Hertzen bezwingen machen. Viel von dieſen aufgepflantzten Hofdokken koennen ſagen/ was jener Weıſe/ in einem andern Verſtand/ von ſich hoeren laſſen/ daß ſie alles das Ihrige mit/ und auf ſich tragen.
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II. Das zweyte Buch. Inhalt.
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Der Inhalt dieſer folgenden Schrift/ iſt die Fortſetzung des Vorhergehenden/ obwol in etlichen Exemplaren der Titel geaendert iſt. Wie aber Tertullian in vorhergehendem Buch den Kleiderpracht des Frauenvolks mit einem Straffurtheil angeſehen; alſo verweiſt er ihnen hier nachgehends/ daß ſie des Leibs gar zu zaertlich pflegen: und hangt dieſes beedes in einem ſtoltzen Hertzen aneinander.
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Tertullians zweytes Buch von der Weiber Schmukk.
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Meine Frauen.(Eingang.) 1. Ich zweiffle nicht/ meine Wort werden euch vielmehr vermeſſen/ als er= kuehnt bedunken/ weil ſie von der wenigſten und geringſten Perſon herkommen/ und zu euch/ dem allertrefflichſten und achtbarſten Menſchſchenvolk gerichtet ſind. Wann ıhr aber betrachtet/ daß ihr eben des Gottes Dienerin ſeyd/ deſſ= en Knecht ich bin; ſo giebe ich mir mit Fug die Ehre/ mich euern Bruder zu nennen/ und wird euch mein Eifer/ und bruederliche Vermahnung/ ſo zu eu [19] rem Beſten angeſehen/ keineswegs mißfallen/ ſondern meine wolgemeinte Neigung vielmehr belieben koennen. Ihr wiſſet/ daß ihr an der ewigen Seel= igkeit ſo viel Theil habt/ als die Mannsperſonen/ und pflichtig ſeyd/ mit uns den rechten Wegzu wandlen. Wann ihr aber von ſolchem abtrettet/ und euch(Keuſchheit Lob.) der Unkeuſchheit ergebt ſo verleurt ihr die Kron/ ſo euch bereitet iſt. Die Zucht und Erbarkeit macht euch ſeelig in Ewigkeit. Wir ſind Tempel und Wohn= ungen des H. Geiſtes/ aber die Keuſchheit iſt gleichſam die Thuerhueterin ſolches Tempels/ verhindrend/ daß nichts Unreines darein komme/ und daß Gott nicht daraus weiche.2. Ich will nicht ferners ruehmen eıne Tugend/ welche Gott ſelbſten genug= ſam gelobet hat; ſondern wıll kuertzlich von etlichen Beſchaffenheiten derſelben reden/ ohne Beleidigung euerer Perſonen. Ich kan euch aus offnem Gemuet nicht verhalten/ daß etliche Weiber aus ungefaelſchter Einfalt/ oder aus frevler(Keuſchheit des Hertzens und des Leibs.) Liſt/ ſich offentlich ſo ungehalten/ und leichtfertig erweiſen/ als wann die Keuſch= heit allein in unbeſiekkter Jungfrauſchaft des Leibs/ und nicht zugleich auch in [20] der Reinlichkeit des Gemuets beſtuende. Die innerliche Vollkommenheit/ ſol durch die euſſerliche erwieſen und dargethan werden. Ich rede von dem Miß= brauch/ und nicht dem wolſtaendigen Gebrauch der Kleider. Die ſich ſchmukk= en/ der Welt wolzugefallen/ mißfallen dem hoechſten GOtt. Nıemand ſihet ſolchen Dirnen an/ daß ſie Chriſtinne ſeyn/ indem ſie nicht wegen des Gottes= dienſts/ ſondern den Bulern zu gefallen/ in die Kirchen zu gehen pflegen. Nıchts iſt heilig/ wo man die Suende alſo verehret.(Schamhaf= tigkeit.) 3. Ob man wol auch bey den Heydinnen eine Schamhaftigkeit beobachtet/ iſt doch ſolche unvollkommen/ und unbeſtaendig. Ihr Verſtand ergiebt ſich der Tugend/ aber ihr Leib wiederſetzet ſich ſolchem guten Vorhaben. Euſſer= lich fuehren ſie einen feinen erbaren Wandel; innerlich aber und heimlich ſind ſie mit Unkeuſchheit angefuellt. Ihre Geſetze laſſen zu/ was unſre verbieten; daß ſie alſo fuer keine Suende achten/ was wir/ aus Gottes Wort/ fuer unrecht und ſtraffbar erkennen. Sie bemuehen ſich/ den Menſchen zu gefallen/ in den [21] Miſſethaten/ und Laſtern/ die ſie auch ihren Goettern zuzuſchreiben/ nicht er= roeten.4. Die beſagten Heydniſchen Weiber/ koennen ſich zum Theil boeſer(boeſe Gedan= ken:) Werke/ aber nicht boeſer Gedanken enthalten. Boeſes thun koennen/ aber nıcht thun wollen/ iſt eine hohe Staffel der Tugend: Boeſes aber thun wollen/ und nicht koennen/ iſt ſo viel als veruebte Suende. Das Liecht der Natur weiſet ſie zur Keuſchheit; uns/ das Liecht des Worts Gottes. Sie ſollen aber mit ſo vermeinter Heiligkeit nicht prangen/ und ſtoltzieren/ weil ſolche mehrmals falſch iſt/ und ihnen nicht von Hertzen gehet. Die Chriſtinnen aber ſollen ſich von ihrer Abgoetterey/ und zugleich von ihren Sitten/ und leichtfertigen Bekleid= ungen abſondern. Wann ihr wolt vollkommen ſeyn/ wie euer Vater in dem Himmel vollkommen iſt/ ſo mueſſt ihr euch nicht gleichſtellen den Toecht= ern des Satans.5. Es erheiſchet aber die Chriſtliche Vollkommenheit/ daß eine Chriſtin(Chriſtliche Vollkom ̅ en= heit.) nicht allein nicht fleiſchlich geſinnet ſeye/ ſondern auch/ daß ſie haſſe alle die [22] jenigen/ ſo mit dergleichen Gemuetsneigung beflekket ſind. Sie ſol gedenken/ daß zwar ihre Schoenheit den Mannsperſonen gefallen koenne/ ohne Nachtheil ihres Gewiſſens; daß aber auch ſolche der Zunder ſeye/ ſchaendlicher und hoch= (Gelegen= heit der Suende.) ſchaedlicher Begierden. Waruem wolt ihr aber der Gelegenheit/ euch in Ver= derben zu ſtuertzen/ nachhangen? waruemwolt ihr euch in eine ̅ Kampf einlaſſen/ deſſen Obſieg ſo ſchwer/ und ſo ſelten zu erhalten. Wir ſollen der Verſuchung nicht Thuere und Thore aufmachen/ welche bereit in unſrer verderbten Natur mehr als zuviel ſtat findet/ und unſer Einwilligung/ durch viel Beſchwerlich= (Hiervon handelt H. Homburgs Selbſt= ſtreit.) keit erzwinget. Das Fleiſch geluſtet wider den Geiſt/ und aergert unſ= re Gedanken. Ihr ſeyd ſchuldig/ fuer den Augen der Welt zu bezeugen/ was ihr ſeyd fuer den Augen Gottes/ und euer Liecht ſol leuchten fuer den Leuten/ daß ſie eure gute Werke ſehen. Setzet euch beſtaendig fuer/ Gott nicht zu beleid= igen/ und raumt alle Hinderniß der Keuſchheit aus dem Wege.(Vermeſſen= heit.) 6. Vermeſſen und unverſchaemt ſeyn/ ıſt beedes gleichſchaendlich: welche ſich aus Vermeſſenheit in Gefahr ſetzen/ kommen darinnen uem/ weil ſie unfuer [23] ſichtiglich ihren Kraeften mehr trauen/ als ſie zu leiſten vermoegen. Die Zag=(Zagheit.) heit iſt hierinnen eine Tugend/ und der Anfang beſcheidenlich zu verfahren/ und das Ende zu bedenken; ja/ dieſe Zagheit haelt euch zuruekke/ daß ihr den Fuß nıcht auf das Schluepferige ſetzet/ und dardurch zu Fall gebracht werdet. Im(boeſe Geſell= ſchaft.) Gegenſatz/ wer boeſer Geſellſchaft nachellet/ wird ohne Wunderwerk ſich des Laſters nicht entbrechen koennen/ und ſich mit ſpater Reue betrogen finden/ wo er vermeinet/ daß keine Gefahr zu befuerchten. Die Sicherheit leitet zu dem Verderben. Gottes Barmhertzigkeit kan unſrer Schwachheit aufhelffen/ wir mueſſen uns aber ſolcher nicht unfaehig machen/ ſondern auf ſeinen Wegen bleiben. Daß wir leben/ kommet von Gott; daß wır fromm leben/ kommet zum Theil von uns/ wann wir uns den Geiſt Gottes regieren laſſen/ und dem= ſelben nicht widerſtreben.7. Iſt dieſem nun alſo/ ſo frage ich euch/ wie ſchelt= und ſtraffbar zu achten alle die/ ſo ſich der Unkeuſchheit ergeben/ die Maenner zu ſolchem Laſter taeg=(Unkeuſch= heit.) lich reitzen/ und durch ihre Augenblikke zu unziemlicher Liebe anfeuren. Wiſſen [24] ſie nicht/ daß auch das Geluſten Suende iſt/ und daß die Luſt im Hertzen ein Ehebruch genennet wird? wiſſen ſie nicht/ daß wer an eines andern Verderben ſchuldig iſt/ gleiche Straffe mit ihm verdienet. Ihr mueſſet Rechenſchaft geben/ wegen der Jugend/ ſo ihr in des Teuffels Strikke fuehret/ zu deſſen Werkzeuge ihr euch gebrauchen laſſet. Seyd ihr ohne Schuld/ ſo ſeyd ıhr (Verdacht.) doch nicht ohne Verdacht/ und deswegen ohne Schand. Es iſt keinem ruehm= lich/ daß man ihn fuer einen Rauber anſihet/ und iſt das erſte Urtheil/ ſo wir von andern faellen/ maechtig in unſren Gedanken/ ja/ es greifft uem ſich/ als die Peſt/ oder der Krebs.8. Wann ſich eine unverſchaemte Dirne ueppig kleidet/ ſol man nicht ſagen/ (Liebe des Nechſten.) daß ſie Boeſes im Sinn hat? der H. Geiſt lehret uns viel anderſt den Nechſten lieben/ als mıt einer buleriſchen Hurenliebe/ die Motten und Wuermer zu Lohn hat. Dieſe gereicht ihm zu Schaden und Nachtheil; jene zu Nutzen und Vortheil. Dieſem nach iſt die Schoenheit ſowol dem/ der ſie anſchauet/ als der/ die ſolche mit groſſem Stoltz ausſchmukket/ hoechſtgefaehrlich und ver [25] verderblich; daß jede ehrliche Weibsperſon Urſach hat/ ihre Geſtalt viel= mehr zu verbergen/ als mit derſelben aller Or???en zu ſtoltziren. Ich weiß wol/ daß dıe Schoenheit an und fuer ſich ſelbſten nicht verwerfflich oder veraechtlich(Schoenheit.) iſt/ ſondern vielmehr behaeglıch und beliebt/ maſſen ſie das angenehmſte Gluekk/ und die wehrtſte Ehre des Leibs/ der Seele zierlichſte Bekleidung/ ja/ des Hoechſten letztes Meiſterſtukk zu nennen: man muß aber ſolcher Gabe nicht mißbrauchen zur Ungebuehr/ und lueftrenden Liebesbrunſt. Wir ſind nicht ſo heilig/ als der Vater aller Glaubigen/ und Abraham hat ſich doch befuercht/ daß die Schoenheit ſeiner Sara ihn moechte in Lebensgefahr ſetzen; des= wegen er ſich dann fuer ihren Bruder/ und nicht fuer ihren Ehemann dar=(1. Moſ. 25.) gegeben.9. Wann aber die Schoenheit nicht ſolte Gefahr bringen denen/ ſo ſolche be= ſitzen/ oder zu beſitzen trachten; wann ſie nicht der Verſuchung/ und Aergerniß unterworffen were; wann ſie nicht verdaechtig were/ und zu allem Pracht ver= urſachte; ſo were genug/ daß ſolche nicht nohtwendig zu einem geiſtlichen [26] (Schoenheit dienet nicht zur Gottes= furcht.) und Gott gefaelligen Leben unnoehtig/ zur Zucht und Erbarkeit aber ſehr ver= derblich und undienlich were. Was hierinnen die Natur ertheilet/ ſol mit allerhand Beſchminkung nicht beſchmuetzet werden/ dann man den Willen Gottes zu veraendern noch vermag/ noch die Gabe zu verbeſſern/ erkuehnen ſoll. Ich ſehe/ daß dieſe Meinung wenig gefaellig iſt/ wiewol ſie den Verſtaend= igen nicht mıßfallen ſoll: dann ſie werden ſagen/ da die Keuſchheit wohne/ da mueſſe alle Unreinigkeit entfernet ſeyn. Daß man der Schoenheit ohne Suende genieſſen koenne: daß man billich lobe/ was von jemand kan getadelt werden/ etc. Antwort. Eine Chriſtin ſol ſich nicht der Welt gleichſtellen/ die das Ihre/ was fleiſchlich iſt/ als Augenluſt/ und eın hoffaertiges Leben lieb hat. Sie ſol der Demut ihres Erloeſers nachfolgen/ und ſich nicht dem ſtoltzen Fuerſten der Welte gleichſtellen.(Weltruhm.) 10. Ferners. Wann aller Weltruhm nichts anders iſt/ als eitle Eitelkeit/ und eine geehrte Thorheit/ ſo ıſt unter allen fuer die geringſte zu achten/ welche (Schoenheit iſt eitel.) die baldhinfallend Schoenheit/ und dieſen Leib betrifft; maſſen wir der Weis [27] heit abſagen/ und der Thorheit gleichſam huldigen/ indem wir die Zier des Leibs/ dem unſterblichen Seelenſchmukk vorziehen. Unſre Freude ſol beſteh= en in glaubigen Werken/ die uns aus dem Irdiſchen zu dem Himmlıſchen leiten. Wer ſich aber ja ſeines Leibs ruehmenwil/ der ſol es alsdann thun/ wann ſolcher wegen der Bekantniß JEſu CHriſti Bande und Streiche erlidten/ und er gleich worden iſt ſolchem Fuerbilde. Es iſt beſſer man ſeufftze unter der Creutzeslaſt/ als daß man andre aus Liebesbrunſt ſeufftzen mache. Iſt nun die Schoenheit eine ſo unnuetze Sache/ wie ich geſagt/ ſo ſolt ihr ſolche bill= ich gering achten/ nicht verlangen/ und euch vielmehr mit Tugenden/ als an= ſehlicher Bekleidung auszieren.11. Ich will aber nicht mit euch handlen als ein Feind/ ſondern als ein Mit= glied menſchlicher Geſellſchaft/ der mit dem Band Chriſtlicher Gemein= ſchaft verbun den iſt. Gewiß iſt/ daß ihr niemand gefallen koent/ oder ſolt/(Weiber ſollen den Ehemaen ̅ eın gefallen.) als euren Ehemaennern: dieſen werdet ihr beſſer gefallen/ wann ihr andern zu mißfallen bemuehet ſeıd. Euere Freyheit beſtehet in dieſer angenehmen Ver [28] buendniß/ und iſt ein Eheweıb/ die ihrem Mann beliebt/ ſchoen genug/ wann ſie (Freundlich= keit.) gleıch in den Augen aller andrer ungeſtalt ſcheinet. Ihre Freundlichkeit/ gute Sitten und Tugenden machen ſie mehr angenehm/ als das wolgebildte Ange= ſicht: hat er ſie des wegen| ihme zu einer Gefertin ſeines Lebens auserſeh= en/ ſo wird ſeine Liebe beſtaendig verbleiben/ wann ſie gleich alles Schmukks be= raubet iſt. Ein jeder verſtaendiger Mann erheiſchet von ſeinem Weibe die Keuſchheit/ und veracht allen eitlen Schmukk; ſonderlich aber unter den Chriſten/ die nicht beobachten/ was die Heyden verblendet/ und gleıchſam be= zaubert.(Verdacht komt aus ſtoltzen Kleidern.) 12. Erſtbeſagte Heyden halten ihre gar zu viel geſchmukkte Weiber fuer verdaechtig/ daß ſie Ehebruch werben/ oder im Sinn haben; weil ſie glauben/ daß ehrlich/ und praechtig ſeyn/ nicht beyſammenſtehen koenne. Auf wen butzet ſich dann ein Weib/ wann ſie ihrem Mann dardurch mißfaellt/ und ſich bey andern verdaechtig machet? Wann ich aber dieſes ſage/ ſo begehre ich nicht Mißgeburten aus eurer Geſtalt zu machen/ oder eure angenehme Geſell [29] ſchaft zu vernachtheilen. Ihr ſolt aus euren Leibern keinen Miſthauffen machen/ noch denſelben/ als ein Dokkenbild zaertlichſt auszıeren: ſondern das Tugendmittel alſo beobachten/ daß durch eure Schoenheit/ der Schamhaftigkeit(Sauberke und Reiit lichkeit???n.) kein Abbruch geſchehe. Sauberkeit und Reinlichkeit erheiſchet keinen koſtbar= en Pracht. Von ſolchem Mittelſtand/ der Gott gefaellt/ ſol man ſich nicht laſſen wendig machen/ und den Laſtern ergebenen Menſchen zu gefallen.13. Welche ihre Wangen ſchminken/ ſuendigen wider die Goettliche Maje=(Suende der ſtoltzen Be= kleidung.) ſtaet/ indem ſie fuer andre wollen angeſehen ſeyn/ die ſie doch in der Wahrheit nicht ſind/ oder ihnen ein hoeheres Anſehen zu machen/ bemuehet ſind. Dergleich= en Suende begehen auch die/ ſo Artzney gebrauchen/ ſich zu verſtellen. Die roten Wangen zeigen/ daß ſie die Hoffarbe des Satans und des ewigen Hoell= enbrands an ſich genommen. Es mißfaellt ihnen/ was GOtt an ihnen ge= than hat/ das Geſchoepf ſtraffet ſeinen Schoepfer eines begangenen Fehlers: dann iſt das nicht ſtraffen/ wann man eine Sache zu verbeſſern unternimmet/ [30] und aus des Teuffels Kunſtkammer herholet/ das Ebenbild Gottes ſchoe= ner zu machen.14. Hier laeſſt ſich nicht bergen/ was offenbar am Tage |liegt. Es iſt kein andrer Meiſter des Menſchen Leib zu beſchoenen/ als der/ ſo ſeinen Verſtand (Adams Fall) mit falſchem Schein der Weißheit verderblich bethoeret/ und die Suende in die Welt gebracht hat. Er iſt es ohne allen Zweiffel/ der erfunden Gott/ durch uns/ den Krieg anzukuendigen/ und uns mit ſtoltzem Wahn/ auf mancherley Weiſe zu verſtellen. Was geboren wird fuer ſich/ iſt GOttes Werk; was ſolchem Werk freventlıch nachahmet/ kommet vom Satan. Was iſt aber das fuer eine Vermeſſenheit/ die Werke Gottes durch Befoerderung des Teuffels vollkommen machen wollen? Sicherlich/ laufft eine groſſe Blindheit mit unt= er. Unſre Diener entlehnen nichts von unſrem Feind. Die Soldaten borg= en keine fremde Waffen von denen die wider ihr Haubt ſtreiten. Die Noht entſchuldiget dergleichen nicht/ zu geſchweigen/ der Uberfluß.
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15. Iſt es auch mueglich daß eine Chriſtin geluſtet/ ſich des Teuffels Huelffe zu bedienen/ dem ſie in dem Bund der H. Tauffe abgeſagt? Gewiß wird ſie durch ſolche That ſich des Namens einer Chriſtin unwuerdig machen/ und vielmehr eine Tochter Belials heiſſen. Wiewol ſtehet dieſen Weibsperſonen an/ daß ſie die gemahlten Luegen in dem Angeſicht heruemtragen/ und ſich ver=(Schmink.) ſtellen/ wie der Vater der Luegen in ein Engel des Liechts. Die ſich nicht ſcheuet in dieſe wiſſentliche Suende zu willigen/ wie wil ſie andren Verſuchungen wid= erſtehen/ und ihr Leben nach den Geboten Gottes anſtellen? ihre Seeligkeit ſchwebet in hoechſter Gefahr.16. Etlıche guelben ihre Haar mit Saffran/ daß ſie dem Gold und frem= den gleichen ſollen. Sicherlich werden ſie dieſen Feuerzeiger dorten in das e= wige Feuer einſtekken/ und was ſie ſchoen bedunkt wird ihnen mit Schmertzen(wolriechen= de Waſſer.) abſcheulich werden. Alle wolriechende Waſſer ſind dem Hirn ſchaedlıch/ wann man ſie zuviel gebraucht der Sonnen Hitze/ durch welche ſie dıe Haare bleich= en und weiß machen/ verurſachet groſſen Kopfweh. Und im Ende zieren [32] ſich heutzutage die Weiber/ als ob ſie auf des Teuffels Altar ſolten aufgeopfert werden: maſſen ein Opferkan genennet werden was dem Teuffel zu Ehren verbrennet wird/ und indem man den rechten Gebrauch eines Geſchoepfs ver= laeſſet/ wendet man ſich von Gott/ von dem alle gute und vokommene Gaben kommen/ zu dem Satan/ der ein Verderber/ und Gottes Feind iſt.17. Man entfernet ſich auch von der Meinung unſers Seeligmachers/ welcher geſagt/ daß niemand ein ſchwartzes Haar weiß/ und ein weiſſes Haar ſchwartze machen koenne. Vorbeſagtes Weibervolk wil den Mund der War= heit eines andern ueberweiſen/ und die grauen Silberhaare wieder verjuengen und angelben; wo nicht wirklich doch ſcheinlich. Es iſt eine thoerichte Ver= meſſenheit/ und vermeſſene Thorheit. Man bekennet die Suende der Jug= end/ und betraurt nicht/ daß man derſelben Zeit uebelangewendet/ ſondern daß (Fuerwitz der Alten.) man aus Ermanglung der Kraeften ſolches Ubel nicht fortſetzen kan. Man ſuchet die Gelegenheit/ Boeſes zu thun/ welche das Alter abgeſchnitten. Ver= ſtaendige Weibsperſonen ſind nicht alſo geſinnt/ und wiſſen/ daß/ indem man [33] die Jahre verbergen wil/ ſelbe jemehr und mehr geſehen werden. Ein Weib/ das keine oder wenig Haare hat/ ſol an den Tod gedenken/ und ſich nicht ge= luſten laſſen/ wieder zu verjungen: ja ſie ſolte ſich erfreuen/ daß die Zeit ihrer Aufloeſung nahet/ und indem ſie ungeſtalt werden/ daß ihnen die Welt/ und ſie der Welt ueberdrueſſig und verdraeßlich ſeyn ſollen. Welche ſich aber ihres Alters ſchaemen/ ſind des Lebens nicht wehrt.18. Nun will ich auch von den jungen Jungfrauen reden/ welche ihre Schoenheit durch allerley Beſchmukkung hoeher zu bringen/ bemuehet ſind.(Zier des Haubts.) Was Luſt haben ſie doch/ ihr Haubt/ ohne Verſtand zu zieren/ und ſich damit in das ewige Verderben zu ſtuertzen? Ihren Haaren laſſen ſie niemals Frıed und Ruhe/ dann ſie ſelbe bald zu flechten/ bald zu kraeuſſen/ bald zu binden/ bald zu waſchen und zu faerben pflegen. Etliche gebrauchen ſich falſcher Haare/ der Ubelgeſtorbnen/ und vermeinen/ dardurch groſſes Anſehen zu erlang= en. Heiſſt das nicht wider den Strom der Natur gehen? Gewißlich/ unſer Seeligmacher muß ſich nicht auf die Schoenheit verſtanden haben/ wann er [34] geſagt/ daß niemand ſeiner Laenge eine Elen koenne zuſetzen/ da doch das Frauen= zimmer ſich eines theils durch die hohe Hauben und Huete/ anders theils durch die hohen Schuhe meiſterlich zu ergroeſſern wiſſen.(leichtfertige Kleidung.) 19. Scheuen ſie ſich der leichtfertigen Kleidung nicht/ ſo ſcheuen ſie ſich auch keiner Leichfertigkeit. Sie ſind der Hoffart leibeigne Knechtin/ und er= dulten derſelben Zwang mit groſſer Gedult. Es iſt vergebens/ daß ihr viel Sorgen und Muehe auf eure Haare wendet/ weil ihr nach dem Gebot Gottes das Haubt ſolt bedekket haben. Kein Wolſtand iſt/ was GOttes Wort zu= widerlaufft.(Betracht= ung des juengſten Tages.) 20. Wann uns Gott an dem juengſten Gerichtstage auferwekken wird/ iſt gewiß/ daß die Zier eures Haubts laengſt vermottet/ zurukke verbleiben muß. Die Hitze der Hoelle wird euch den Schminkk von den Wangen und Lippen treiben/ und Gottwird euch in ſo beliebter Verſtellung nicht erkennen. Ver= meint ıhr/ daß ihr fuer dem groſſen Richter der Lebendigen und der Todten euer [35] Verbrechen bergen koennet/ wie eure Haare/ und gefaelſchtes Angeſicht. Ach nein/ dem Hertzenkuendiger iſt euer Trug nicht unbewuſt.21. Man moechte aber vermeinen/ daß ich/ der ich ein Mann bin/ den Weib=(Schoenheit.) ern aus Neid/ ıhre Schoenheit mıßgoente: oder daß ich mit ihnen eiferte ob einer Sache/ die dem maennlichen/ als vollkommenſten Geſchlechte baß geziemte/ und weil ſie den Maennern zu Gebotſtehen/ daß ſie in allen Dingen uns ungleich ſeyn mueſſen. Es iſt der Natur eingepflantzt/ daß die Weiber den Maennern/ und die Maenner den Weibern gefallen wollen. Weil ich aber bey dieſem(Maenner weibiſche Zier.) Handel noch Gewinn/ noch Verluſt habe/ ſage ich ungeſcheut daß die Maenn= er Thorheit nicht geringer iſt/ als der Weiber. Sie machen es nicht beſſer/ und verſtellen theils ihre Geſtalt mit gleich ſo vıel Ungebuehr. Wie viel ſind Hof= leute dıe den halben Tag fuer dem Spıegel zubringe ̅ / mit weibiſcher Beſchmukk= ung ſich auskleiden/ und des Leibs warten/ daß die Wuermer ſo viel mehr zu zehren haben/ und beſtreuen das Haubt mit wolriechendem Staub/ ohne Er= innerung/ daß ſie Erden/ und Aſchen ſind. Viel vergeſſen auch nicht ihr An [36] geſicht/ wie das Frauenvolk zaertlichſt zu ſchminken. Sie ſehen vielmals in den Spiegel/ damit man ſie wieder anſehen ſol/ und je ſchoener ſie ſeyn/ jeſchoen= er ſie ſich kleiden und aufpflantzen wollen.22. Welche Gott erkennen/ dıe mueſſen wiſſen/ daß dergleichen Weltbelieb= liebung ſeiner Majeſtaet mißfaellet/ und daß alle Pflegung des Leibs/ dıe zum Stoltz und Geilheıt reitzet/ den ſuendlichen Mueſſiggang befoerdern. Wo Gott (euſſerliches Anſehen.) iſt/ da iſt auch Keuſchheit/ Zucht und Erbarkeit/ und eın feines euſſerliches An= ſehen/ welches alles herruehret von der Zufriedenheit eines unbeflekkten Ge= wiſſens. Wo im Gegenſatz Gott nicht iſt/ da hat der Teuffel und ſeine Werk= zeuge ein gewonnenes Spiel/ und geben wir Urſach zu vielen Verſuchungen.23. Ich komme wieder zu dem Frauenvolk/ und ſage/ daß ſowol ſie/ als die Maenner/ allen Uberfluß in Kleidungen einſtellen ſolten/ welcher vielmehr (Schlecht und recht.) zu Vertreibung der Zeit als zu wolſtaendiger Zierde dienet. Schlecht und recht iſt der Frommen beſter Pracht. Was hılfft es aber/ wann man nur das Haubtſchlechtlich nach dem Gebot Gottes bedekken/ und in andren Kleid [37] ungen zaertlichſt und koeſtlichſt aufgezogen kommet: das heiſſt halb in dem Him ̅ = el/ und halb in der Hoelle ſeyn. Es ıſt leicht zu urtheilen/ daß dieſe Hoffart zu Nachtheil der Keuſchheit ausſchlagen wird. Gar zu ſchoen ſeyn wollen/ mach= et endlich ungeſtalt.24. Zu Beglaubung meiner Wort/ ſehe man an alle/ die in dieſer Welt moegen ſchoen genennet werden: wie bald wird ſie verunehret/ und nach ver= uebter unehlicher Liebe gehaſſt. Im Gegentheil bleibet die Tugend der Keuſchheit ſicherer bey den Ungeſtalten/ und ihre Ehre viel gewiſſer. Wir ſehen auch/ daß etliche/ ſo der Welt abgeſagt/ ſich des Kleiderprachts nicht entbrechen koennen/ als ob die Gewonheit ſtaerker were/ als ihr guter Vorſatz/ und ihr ohnmaechtiges Alter.25. Dieſem nach wolte ich/ meine Frauen/ daß ihr euch/ die ihr der Keuſch= heit Tempel ſeyn ſolt/ nichts zu tragen gelueſten lieſſet/ das/ was euch fuer Hofdirne anſehen machet. Wann aber eine unter euch reicher an Haab/ edler an Guetern/ hoeflicher in Sitten/ als die andre/ ſol ſie ihren Vorzug mehr [38] (der Tugend Schoenheit.) durch die Tugend/ Verſtand und Demut/ als Koenigliches oder Fuerſtliches Gewand erweiſen. Sie ſol hierinnen beſcheidenlich und maeſſiglıch verfahr= en/ und wiſſen/ daß Gott den Demuetigen Gewalt giebet/ welche ſich nicht dekk= en mit ſtoltzer Bekleidung. Die Laſter erheben ein Hertz/ das ſich neigen kan/ und machet mehr fuerchten die Augen der Menſchen/ als die Gerechtigkrit Gottes.(Frage.) 26. Mich bedunket/ ich hoere euch klagen und fragen; ob ihr dann nicht tragen ſolt/ was euch Gott beſchert/ und euch gebrauchen der Gueter/ ſo euch er= (Antwort.) theilt? Ich antworte: daß ich euch nicht den Gebrauch/ ſondern den Miß= brauch verbiete; und ſage mit dem Apoſtel/ daß man die Gueter dieſer Welt beſitze ̅ ſol/ als ob man ſie nicht beſitze/ und daß ſolche uns betruegen/ indem ſie uns ein= en unnoehtigen Beyſtand/ in dieſem Leben leiſten/ aber am Tag des Zorns nicht werden retten koennen. Die Zeit vergehet/ die Ewigkeit nahet. Sollen wir die Weiber haben/ als ob wir ſelbe nicht haetten/ daß iſt unſre Hertzen nicht an ſie haengen; ſo ſollen auch die Weıber ihren Sinn und Ge [39] danken nicht auf ihren Geſchmukk ſetzen/ und nur den Menſchen gefallen wollen.27. Viel begeben ſich nicht in den Eheſtand/ damit ſie ihrer Seele beſſer(Eheſtand.) warnehmen koennen/ und thun ein Geluebd der Keuſchheit. Sie berauben ſich der fleiſchlichen Freude/ die geiſtliche zu beſitzen. Andre befleıſſigen ſich der Maeſſigkeit in Eſſen und Trinken/ und enthalten ſich der zulaeſſigen Ergetzlich=(Maeſſigkeit.) keit/ das Fleiſch zu bezwingen. Dieſe wollen die Reınlichkeit ihres Geiſtes erweiſen/ auch ihren Leib der Tugend untergeben/ und ihr Hertz von allem euſſ= erlichen Weltweſen abgewendt/ Gott aufopfern. Solcher geſtalt haltet da= fuer/ daß euch euer Reıchthum nicht zu ueberflueſſigen Ausgaben ertheilt ſond= ern den armen Duerfftigen damit auszuhelffen. GOTT giebt euch ſeinen(Reich= thums Miß brauch.) Willen zu erkennen/ daß ihr darnach leben/ und andern mit guten Exemplen vorleuchten ſolt. Unſer Seeligmacher iſt uns auch mit ſeinem Exempel auf dieſer Welt mit Demut und Sanftmut vorgegangen; wie der Satan den Boeſen mit Stoltz und Hochmut.
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(Geiſtliche Beſchneid= ung.) 28. Wır Geiſtliche ſollen/ alſo zu reden/ die geiſtliche Beſchneidung ſeyn/ und von der Welt abſondern/ was der ewigen Seeligkeit zuwider iſt, deren nicht das geringſte iſt/ der vielfaeltige Gebrauch der Geſchoepfe/ wider des Schoepfers Verordnung. Er hat die Purpurmuſchel nicht zu dem Ende erſchaffen/ daß man die Wollen darmit faerben ſolte/ dann er ſonſt wol auch rote Schafe geben koennen/ wie geſagt. Solte wol Gott ſo viel Arten und Trachten der Bekleidung den Menſchen eingegeben haben? ſolte er Wolge= fallen haben an den guldnen und ſilbernen Paſſamenten? ſolte er wol das Gold in der Erdenwachſen laſſen/ daß man die Edlenſteine darein faſſen moegen? ſolte er Loecher in die Ohren zu bohren befohlen haben/ daß man etlicher Haeuſer wehrt darein henken ſol? wir ſind zu leiden gebohren/ aber nicht wegen der ſchaendlichen Hoffart. Seine Guete iſt ſo groß/ daß er uns nichts zur Straffe gegeben/ was wir nicht ſuendlich mißbrauchen.(Gold.) 29. Das Gold/ welches wir ſo hochhalten/ dıenet etlichen Voelkern zu Feſſlen und Banden/ fuer ihre Gefangene und Leıbeigene. Was ſeltzam iſt/ [41] wird wehrt gehalten nach unſrem Wahn/ und nicht der weſentlichen Wuerd= igkeit. Die boeſen Engel haben die Menſchen vıel verderbliche Geheimniß ge= lehret/ der Suenden Werkzeug entdekket/ und verpfaenden ihnen dardurch die Menſchenkinder/ daß ſie ihre Glaubiger ſeyn ſollen. Das Gold und Silber(Gold und Silber.) wird nechſt der Hoelle ausgegraben/ und ziehet auch dıe/ ſo ſolches antragen/ wieder dahin/ wo es hergekommen.30. Wir ſollen nicht gedenken wie die Heyden/ daß die Goetter zwar alles er= funden/ wie ſie reden/ ſich aber des Weltweſens nicht mehr annehmen. Nein/ GOtt hat von aller Ewigkeit her geſehen das Zukuenftige/ und alles/ was unſrer Unterhaltung noehtig iſt/ verordnet/ daß wir darueber getreue Haushalt= er ſeyn ſollen. Dieſer groſſe Himmelsherr pruefet noch taeglich ſeiner Diener und Haushalter Treue/ ob wir mit ſeinen Guetern beſcheıdenlich verfahren/ daß er uns ueber mehr ſetzen/ oder das Anvertraute wiederuem entziehen ſol. In=(Das Zuloe??? ige zu ge= brauchen.) dem wir unſern freyen Willen haben/ ſteht bey uns Gutes und Boeſes zu thun; wol und uebel zu verfahren. Dieſer aber wird die beſte Rechenſchaft zu geben [42] wiſſen/ der das Zulaeſſige nicht gebraucht; zu beweiſen/ daß er des Verbotenen nicht begehret/ und ſeines Herrn Gnad nicht in Gefahr ſetzet. Daher ſagt der Apoſtel: Es iſt uns alles erlaubt/ aber erbaut nicht alles. Wer fuerchtet das/ was zweiffelhaftig iſt/ wird ſich noch mehr hueten fuer dem Verbottenen.(Urſach des Weiber= ſchmukks.) 31. Was Urſach habt aber ihr Weiber/ euch ſo koſtbarlich zu zieren? ihr ſeyd keine Hoheprieſter/ und mit allen Kirchendienſten verſchonet/ ihr haltet keine offentliche Schauſpiele/ wie die Heyden. Groſſes Anſehen haben/ ge= buehrt denen/ ſo in groſſen Ehren ſitzen/ oder die viel Buhler an ſich lokken woll= en/ oder die ihren Stoltz des Hertzens euſſerlich erweiſen. Eure Gebuehr haelt euch zu Hauſe/ und leitet euch zu aller Erbarkeit/ ın die Kirchen/ und zu euren Freunden/ da der Kleiderpracht gantz unnoehtig iſt/ und die Schoenheit des Gemuets erfordert.(Gewonheit.) 32. Ich hoere etliche ſagen/ daß ſie ihre Gewonheit/ und den Gebrauch nicht veraendern wollen. So muß die Fortſetzung des Boeſen/ den Namen der Beſtaendigkeithaben? damit der gemeine Poevel von dem Ubel wolrede/ muß [43] muß man in demſelben verharren. Eine Chriſtin/ die froemmer wird/ ſolte billich mit dem Gemuet auch die Kleidung veraendern. Hat ſie ſich fuer Gott gedemuetiget/ ſo ſol ſie vom euſſerlichen Stoltz auch entfernet ſeyn. Sol man den Menſchen mehr gehorchen/ als Gott? die Braut des Lams ſol mit dem weiſſen Kleid der Gerechtigkeit reinlich bekleidet ſeyn/ und nicht wie Adonis Bulſchaft einhertretten.33. Worinnen werden doch ehrliche Weiber unterſchieden/ von denen/(boeſe Sitten.) die der Wolluſt offentliche Schlachtſchafe ſind. Vorzeiten muſſten ſolche Dir= ne ein gewiſſes Ken ̅ zeichen tragen/ aber zu dieſer Zeit kan man die Ehrlichen von den Unehrlichen nicht unterſcheiden. Die H. Schrift bezeugt/ daß die be= ſonder Zier/ und Ausſchmukkung der Weiber ein gewiſſes Merkmahl ſeye/ verderbter Sitten. Die Babyloniſche Hur iſt ein Greuel in ihrem Schmukk/ und reicht andern den Becher des Greuels. Sie iſt verflucht/ weil ſie mit Gold/ Edelgeſteinen und Purpur bedekkt iſt. Als die Thamar auf der Weg= ſcheide ſtoltz bekleidet ſatzte/ hat ſie Juda fuer eine Hur angeſehen/ und ſie be [44] ſchlaffen/ deswegen ſie ſich auch hingeſetzt. Hieraus iſt zu lernen/ daß man ſich fuer dem Schein des Boeſen hueten/ und alle Gelegenheit der Suende ver= meiden ſol. Wan ̅ man zu einem falſchen Verdacht Anlaß giebt/ ſo macht man ſich auch unſchuldig/ andrer Miſſethat ſchuldig. Waruem gebt ihr Urſach/ daß die Juenglinge und Mannsperſonen von euch hoffen das/ was ihr ihnen zu ertheilen nicht gewillt ſeid? erweiſſt ihr nicht in euren Geberden/ daß nichts Unehrliches von euch zu erwarten? waruem gebt ihr Anlaß zu ſchambaren Reden? Ihr ſolt euſſerlich erweiſen/ daß ihr Zucht und Keuſchheıt in dem Hertzen traget.(Welturthel) 34. Man koente mir antworten/ daß an der Welt Urtheil wenig gelegen/ und daß Gott der Hertzenkuendiger ſeye welchem/ eure Gedanken nicht unwiſſ= end/ etc. Ihr ſolt aber euer Liecht leuchten laſſen fuer den Leuten/ und meiden all= es das/ was den Chriſten nicht geziemet/ daß ihr andern kein Aergerniß/ ſond= (gute Exem= pel.) ern ein Exempel der Tugend geben koennet. Gott wil nicht daß ihr ſeid wie Staedte/ ſo auf den Bergen liegen/ und von jedermann geſehen werden: Er [45] wil auch nicht/ daß ihr euer Liecht nicht unter den Scheffel verberget/ und euch zu Toechtern der Finſterniß machet. Ein Weıb???ſt bey der Nacht ın der groeſſten Gefahr/ und wird wegen ihrer Keuſchheit/ ſo ſie mit Beſcheidenheit aller Ort= en ſol leuchten laſſen/ mit der Sonnen verglichen. Alſo ıſt nicht genug ſcham= haftig und zuechtig zu ſeyn/ wann ſolches nicht die Bekleidung/ und guten Sitten erweiſen: wie eın andaechtiges Gebet von den euſſerlichen Geberden ab= gemerket wird.35. So muß man dann des fleiſches Lueſte fliehen/ weil ſie unſren Eifer zu dem Geiſtlichen ſchwaechen und ausloeſchen. Die Hand/ welche gewohnt(Gefahr der Verfolg= ung.) hat guldne Armbaender zu tragen/ wird ſchwerlich die euſſernen Feſſel/ wegen der Bekantniß des Evangelii erdulten koennen. Die Beine/ ſo die ſeidnen Baender beſchweren/ werden nicht lang in dem Stokkhaus und Gefaengſchaft ausdauren. Der Hals/ welcher mit Perlen und Smaragden uemgeben iſt/ wird nicht gerne ſeinen Kopf/ wegen des Worts GOttes/ verlieren wollen. Dieſem nach ſolten ſich die Weiber zu einem harten/ und nıcht zaertlichem Leben [46] angewoehnen/ damit ſie die Verfolgung/ und baldkommende Truebſal ſo viel ſtandhafter ausdauren moechten. Laſſt uns aller Freude abſagen/ ſo werden wir in dem Leid getroſter beharren/ und wann wir wollen die Kron des Hımmelreichs darvonbringen/ ſo mueſſen wir die Zier der Erden fahr= en laſſen.(Goldliebe.) 36. Liebet das Gold nicht/ welches die Iſraeliten von GOtt abfallen/ und ein Kalb anbeten machen. Das Gold iſt die Urſach geweſen der erſten Ab= goetterey unter dem Volk GOtees. Die nach Reichthum trachten/ fallen in manche Strikke der Verſuchung/ und gedenket/ daß wie das Gold nicht ver= brennen kan/ auch die/ ſo ſelbes mit Unrecht an ſich bringen/ in der Hoelle brenn= en und nicht verbrennen werden. Wir leben nicht in der guldnen/ ſondern in der eiſernen Zeit/ da gedultig zu leiden/ und das Boeſe zu meıden iſt. Die (Kron der Maertyrer.) Engel tragen den Maertern und Maerterinnen den ſchoenſten Schmukk ent= gegen/ nemlich die weiſſen Kleider der Unſchuld und Gerechtigkeit/ ſamt der Krone ewiger Herrlichkeit. Die Einfalt ziere eure Stirn/ die Schamhaftig [47] keit ſchminke eure Wangen/ die Keuſchheit bekleide euch mit dem ſchoenſten Purpur. Redet nicht mit der Welt/ ſondern in eurem Hertzen mit Gott/ und ergebet euch ihm leibeigen/ ſo werdet ihr der wahren Freyheit theilhaftig ſeyn.37. Arbeitet mit euren Haenden/ und gedenket/ daß Eva durch Mueſſiggang(Arbeit.) in dem Paradißgarten geſuendiget/ und daß ihr in dieſem Threnthal vieler Ge= fahr unterworffen ſeid. Bleibt zu Hauſe/ und wartet eures Thuns/ ſo werdet ihr nicht groſſen Schmukks vonnoehten haben/ und euern Maennern baß gefallen. Schließlich/ bekleidet euch mit Frommkeıt und Heiligkeit/ ſo werdet ihr ge= zierek ſeyn fuer den Augen Gottes/ der euch ſolcher geſtalt lieben wird/ wie er euch/ im Gegenſatz haſſen muß/ wann ihr euer Angeſicht verſtellet. Seelig iſt dieſe/ welche ihr Richter an jenem Tage liebet: unſeelig aber ſind alle/ die Gott wegen ihres veruebten Kleid= erprachts nicht kennen wird.
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III. Sendſchreiben Biſchofs Paulini an Celantiam. Inhalt.
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Ob dieſes Sendſchreiben des Paulini Biſchofs zu Nole/ oder des H. Hieronymi ſeye/ iſt zweiffelhaftig/ und unter den Gelehrten ſtrittig. Es iſt des H. Hieronymi Schrifte ̅ beyge= drukkt/ aber ſeiner ernſtlichen Schreibart nicht gleich/ und zu einem Einſidel viel zu freundlich und gelind. Es habe es nun dieſer oder jener verfaſſt/ ſo iſt es doch ein lehrreiches [49] Werklein/ und kan allem Frauenvolk zur Unterrichtung dienen.Meine Frau.1. Es zeugt die H. Schrift/ daß die Schamhaftigkeit zuzeiten ruehmlich/(Eingang.) zuzeiten veraechtlich und Suende ſeye. Dieſes hab ich zuvor einfaeltig geglaubt/ nun aber im Werke erfahren/ nachdem ihr ſo vielmals bey mir bittlich ange= langt/ ich ſolte euch ſchreıben/ und alle Hinderniß beſeits ſtellen/ euch zu willfahren. Eines Theils hat mich die Beſcheidenheit ſchamhaftig zurukke gehalten/ anders Theils euer Befehl angetrieben zu gehorſamen. Euer Ver= langen hat meinen Zweiffel unterbrochen/ und euer Vertrauen hat meinen Vor= ſatz ueberwunden. Es hat wenig gefehlt/ daß meine Schamhaftigkeit/ mein= em Obliegen nicht Einhalt gethan/ daß ıch lieber fuer nachlaeſſig/ als einen Lehr= meiſter haette angeſehen werden wollen.
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(Inhalt und Urſach dieſer Schrift.) 2. Die Sache/ in welcher ihr mein ſchriftliches Gutachten ſo inſtaendig begehret/ iſt ſo heilig und loeblich/ daß ich vermeintwider Gott zu ſuendigen/ wan ̅ ich euren Bıtten nıcht ſtat gegeben/ und mein ſchuldiges Obliegen ablegte. Ich erinnere mich/ daß der weiſe Mann ſagt: Es iſt eine Zeit zu reden/ und es iſt eine Zeit zuſchweigen. Wann man einen Menſchen mit Worten troeſten und helffen kan/ ſo erheiſchet eines jeden Chriſten Pflicht/ ſolch= es nicht zu unterlaſſen. Ihr meine lıebe Frau/ begehret von mir unterrichtet zu werden/ wie ihr euer Thun und Laſſen nach dem Wort Gottes anſtellen ſolt. Ihr wolt lernen unter den Menſchen eın engliſches Leben fuehren/ demuetig ſeyn in dem Ehren/ arm bey groſſem Reichthum/ tugendſam unter ſo vielen laſter= haften Leuten. Ferners verlanget ihr zu wiſſen: Ob man in dem Eheſtand Gott und Menſchen gefallen koenne? ob ihr dem Mann und dem/ der den Ehe= ſtand eingeſetzt/ zu gleichem Gehorſam verpflichtet/ etc.3. Dieſe Fragen ſind ſo loeblich/ daß ich die Liebe des Nechſten beſeits ſetzen wuerde/ wann ich ſolche nicht beantworten ſolte. Ich will euch alſo wilfahren; [51] euch zu der Furcht Gottes mit Gottes Worten vermahnen/ und euch nicht auf den rechten Weg bringen/ welchen ihr bereit habt angetretten/ ſondern zu deſſ= elben Fortſtellung vermahnen: zwar nicht ich/ ſondern JEſus CHriſtus durch mich/ der die Warheit ſelber ıſt/ und der Meiſter mit der gelehrten Zung=(GOttes Wille.) en/ der ſich ueber ſeine Juenger und Lehrfolger hertzlich erfreuet. Als dıeſen HErrn der Phariſeer fragte/ was er thun ſolte/ daß er das ewige Leben ererbte/ hat er geantwortet: Wie ſtehet im Geſetz geſchrieben? thue das/ ſo wirſt du leben/ und anderswo: das iſt das ewige Leben/ daß ihr den Willenthut des/ der mich geſandt hat.4. Dieſe Lehre ſolte allen frommen Hertzen eingegraben ſeyn/ damit ihre(GOttes= furcht.) Gottes furcht keine Heucheley were/ wie dann Chrıſtus merklich ſpricht: Es werden nicht alle/ die zu mir ſagen HERR/ HERR/ in das Himmelreich kommen ſondern die/ derer Glaub durch die Liebe thaetig iſt. Die Gottes= furcht ſol ſich mıt der Gerechtigkeit ſowol/ als mit dem Friede kueſſen/ ſonſten iſt die Bekantniß des Glaubens nur eine Scheinheiligkeit/ die uns Gott euſſer [52] lich ehren/ in dem Hertzen aber ſeine Gebot verachten machet. Koennen wir Gott/ unſern HERRN nennen/ wann wir ſeinen Befehl nicht ſchuldige Folge leiſten. Wir ſind nicht ſeine Unterthanen/ wann wir uns ſeiner Bott= (Ungehor= ſam.) maeſſigkeit ungehorſam entziehen. Bin ich euer Meiſter/ und HErr/ ſagt er/ wo iſt meine Ehre? das Juediſche Volk/ ſagt der Prophet/ nahet ſich zu dem HERRN mit den Lippen/ aber ihr Hertz iſt ferne. Ein frommes Kind fuerchtet ſeinen Vater/ und ein getreuer Knecht ehret ſeinen Herrn. Iſt nun GOtt unſer Vater und HERR/ ſo mueſſen wir ihn fuerchten und ehren.5. Hieraus folgt ein ſolcher Schluß: Die/ ſo die Gebote Gottes nicht halt= (Gottes Ehre.) en/ verunehren die Goettliche Majeſtaet; wann ſie ſich aber fuer GOTT dem HERRN ſcheueten/ ſo wuerden ſie nicht ſo freventlich/ zu Veracht ſeines Befehls/ dahinſuendigen. Alſo leſen wir von David/ daß er GOtt aus den Augen geſetzet/ und ſeiner hohen Wolthaten vergeſſen/ als ihm die liebe Bath= ſeba/ und der Meuchelmord ihres Mannes/ in dem Sinne gelegen. Die Gott [53] fuer nichts achten/ mueſſen vernichtet/ und zu Schanden werden. Wie koenn= en wir unſers Lebens verſichert ſeyn/ wann wir den Wıllen Gottes wiſſen/ und denſelben ſo vorſaetzlich ueberfahren? wird uns nicht der gerechte Zorn/ des ſtark= en eiferigen Gottes bloetzlich dahinraffen? durch die Suende werden wir den(Stoltz.) Teuffeln gleich/ welche wegen Ubertrettung der Geboten Gottes/ in die unt= erſte Hoelle geſtuertzet worden. Wir wollen uns Gott gleichen/ indem wir auf uns/ und nicht auf Gott trauen. Wir berauben ihn der Ehre/ und wollen ſelbe uns zulegen.6. Dieſer Stoltz iſt mit abſcheulichem Undank verbunden/ indem wir leb=(Undank.) en wollen wıder den Willen deſſen/ der uns das Leben gegeben hat. Wir wollen dem Fuerſten des Lebens nicht gehorſamen/ welcher uns doch unſre Dienſte e= wig zu belohnen verſprochen. Gott hat unſer nicht vonnoehten; wir aber moeg= en ohne ihn nicht beſtehen. Die ſueſſen Gedanken von dem Zukuenft gen ſollen alle Bitterkeiten unſers Lebens lindern und mindern. Es iſt eine von den vor= nemſten Urſachen/ welcher wegen ſich Gott unſer Vater ueber uns erzuernet/ [54] daß wir ſo ungehorſame Kinder ſind/ und uns ſeinen Gewalt entziehen wollen. (Guete Got= tese) Er iſt gutthaetig gegen unſre Mißhandlung/ und auch gegen uns Undankba= re freygebig. Ja unſre Verachtung ſeiner Wolthaten erſtrekkt ſich bis auf ſeine Verheiſſung des Ewigen; maſſen wir ihm auf das Pfand ſo vieler herr= lichen Gaben/ nicht trauen wollen.(Eigner Wille.) 7. Deswegen wird in H. Schrift ſo vielmals wiederholt/ daß wir unſren Willen/ Gottes Willen untergeben ſollen/ und unſer Erloeſer ſagt/ daß/ wer den Willen ſeines Vaters in dem Himmel thue/ ſein Vater/ Bruder und Schweſter ſeye. Er iſt fuer uns geſtorben/ auf daß unſer Will in uns ab= ſterben/ und ſein Will in uns leben ſol. Nichts iſt ſtaerker als die Liebe: wann (Liebe gegen Gott.) wir Gott lieben/ ſo werden wir auch ſeinen Willen thun/ und ſeinen Geboten gehorſamen/ und durch Ungehorſam ſeine Gnade keineswegs verſchertzen. Wir ſollen lieben den/ der uns zuvor geliebet/ und ſolche Lıebe mit ſeinem Tod bekraeftiget hat.(Wille Got= tes.) 8. Der Wille Gottes beſtehet in Geboten des Guten/ und Verboten des [55] Boeſen/ und dieſe beede ſind gleichſam die Waagſchalen der Goettlichen Ge= rechtigkeıt/ welche antreibet/ zu der Tugend/ und von den Laſtern zurukke haelt: daher ſagt der Prophet/ daß der Gott gefallen wolle/ mueſſe ablaſſen vom Boe= ſen/ und Gutes thun. Dieſe Gebot und Verbote belangen alle und jede Menſchen/ die Jungfrauen/ Eheweiber und Wittiben ſind darvon nicht aus= geſchloſſen/ ſondern gleich den Mannsperſonen darzu verbunden. Man ſol Gottes Geboten/ und nicht den Menſchenſatzungen gehorchen/ noch ſelbſt er= wehlte gute Werke hoeher achten/ als ſie ſind. Wer die kleinen Fehler gering(Geringe Fehler.) achtet/ den werden ſie zu groſſen Suenden verleiten. Ich weiß wol/ daß die Stoici fuer einen gewiſſen Lehrſatz halten/ alle Suenden weren gleich/ und daß unter dem Laſter/ und der Unvollkommenheit kein Unterſcheid ſeye.9. Die Glaubigen wiſſen/ daß die Vernunft zu keiner endlichen Vollkom= menheit in dieſem Leben gelangen kan/ und daß man auch den Schein alles Boeſen vermeiden ſol. Je mehr wir uns vor der Suende fuerchten/ je leichter(Schein des Boeſen.) werden wir derſelben entfliehen/ und wer ſich fuer kleinen Fehlern huetet/ wird fuer [56] den groeſſern auch leicht geſichert ſeyn. Alle Suende erzuernet Gott; was aber Gott erzuernet/ ſol niemals gering erachtet werden. Der ıſt verſtaendig/ der allezeıt betrachtet/ was ihm zu thun obliegt/ und von wem es ihm auferlegt worden. Weil ihr nun nicht auf beweglichen Sand/ ſondern auf den Grund unſers Heils erbauet ſeid/ ſo mueſſt ihr ein reines und unſchuldiges Gewiſſen fuer die groeſſte Zier halten. Wer niemand unrecht thut/ erfuellet den groeſſten Theii der Billichkeit/ und kan mit Job ſagen: Mein Gewiſſen beiſſt mich nicht mein gantzes Leben durch. Es iſt ein ruehmlıcher Ehr= geitz/ auf den Wegen des HERRN wandeln ſein Lebenlang.(Boſheit.) 10. Eıne Chriſtinn ſol nicht laſſen in ihr Hertz kommen Boſheit/ Haß und und Neid/ welches aller andrer Laſter Same iſt/ und mehrmals in dem Hertzen verborgen/ wann er gleich nicht durch die Lippen hervorbricht. Wer ſeinen Nechſten zu Schaden gedenket/ ſuendiget ſowol/ als der/ welcher ſolchen Schaden auswirket. Etliche beſchreiben einen Unſchuldigen alſo/ daß er ſeinem Nechſten nicht ſchade/ ihn nicht beleidige/ ſondern ihm in allen [57] Begebenheiten euſſerſten Vermoegens behuelfflich ſeye. Nach dıeſem Lehrſatz(Unſchuld.) koent ihr euch wol fuer unſchuldig ruehmen/ weil ihr einem jeden ſo viel Gutes als euch mueglich iſt/ und hingegen alles Unrecht unterlaſſet. Man muß ſich nicht an den Poevel kehren/ der ohne Verſtand iſt/ und ſich ſchwerlich von ver= ſtaendigen Urſachen beherrſchen laeſſt/ ja die blinde Dollſinnigkeıt mehrmals zum Fuehrer hat. Etliche wollen Chriſten ſeyn/ und ſind aerger ihrem Leben nach/ als dıe Heyden. Es muß nıcht nur die Glaubensbekantniß einen Unt=(Unter= ſcheid zwiſchen Chriſten und Heyden in dem Leben.) erſcheid zwiſchen den Chriſten und Heyden machen/ ſondern ein feiner erbarer Lebenswandel/ als die Fruechte unterſchiedlicher Baumen11. Der Apoſtel Paulus wil/ daß dıe Chriſten nıcht unter die Heyden heu= raten ſollen/ weil keine Gemeınſchaft iſt zwiſchen dem Liecht/ und der Finſter= niß/ und Chriſtus nicht ſtehet neben dem Belial. Der fremde Goetter ehret/ ſol nichts gemeines haben/ mit dem/ der den wahren Gott anbetet. Der Irr=(Heurat der Chriſten mit den Heyden.) thum und die Warheit/ werden einander entgegengeſetzet wie die Hoelle und der Himmel/ und das Zeitliche/ gegen das Ewıge. Wer nicht glaubet/ daß die [58] Suenden geſtraffet werden/ ſcheuet ſich nicht ſolche zu begehen/ und welche alle Belohnung ihrer Werke auf Erden ſuchen die moegen ſich mit der vergaeng= lichen Gluekkſeligkeitvergnuegen. Welche aber des juengſten Gerichts verge= wiſſert find/ fuerchten ſich/ den zu erzuernen/ welcher ſie verdammen/ und ſelig machenkan. Sie kreutzigen ihr Fleiſch mit den boeſen Begierden/ weil ſie den Gekreutzigten anbeten. Die Juenger der Warheit haſſen die Luegner. Unſer (zween Weg.) Erloeſer zeiget zween unterſchiedliche Wege/ welche auch auf gantz unterſchied= (Weg des Tods.) liche Weiſe an unterſchiedliche Oerter gerichtet ſind: Einer leitet zum Tod/ und viel ſind/ die darauf wandeln; und weil er breit iſt/ und luſtig anzuſehen/ iſt das Gedraeng und die Menge des Volks uebergroß/ die einander als Blinde (Weg des Lebens.) nachfolgen. Der andre Weg iſt ſchmal in dem Eingang/ und fuehret zum e= wigen Leben/ aber wenig ſind/ die ſolchen betretten wollen.12. Man ſihet hier den groſſen Unterſcheid/ zwiſchen dieſen beeden Weg= en: dieſer trifft den Himmel/ jener die Hoelle: dieſer iſt gaeng/ und viel gebrauch= et. Jener ıſt veroedet/ dieſer iſt die Tugendbahn/ mit vielen Doernern ange [59] fuellt/ und wird nur von hohen Geiſtern betretten/ welche nach dem ewigen Vaterland Verlangen tragen: jener ſcheinet leichter zu ſeyn/ wegen der lieblich= en Abwege/ ſo die Laſter nechſt gefaehrlichſten Abgruenden vorweiſen. So laſſet uns bedenken/ auf welchen unter dieſen zweyen Wegen wir gehen/ und unſrem Wiſſen/ und Gewiſſen folgen/ ſo werden wir nicht irren: dann alles/ was wir reden oder thun/ gereicht zu einem/ oder zu dem andern unter beſagten Wegen; zum Leben/ oder zum Tod.13. Wann wir uns den Neid/ den Geitz oder die Hoffart laſſen blenden/ da(Laſterwege.) wir hingegen unſern Nechſten lieben/ beſſern und nicht aergern ſollen/ iſt leicht= lich zu erachten/ daß wir mit der Welt Hauffen zum Verderben walle ̅ / und durch das Zeitliche das Ewige verſchertzen. Wir werden eine groſſe Geſellſchaft haben/ aber ihre Schmertzen/ werden unſre nicht mindern. Wann wir an die Rache gedenken/ die wir unſre Feinde lieben ſollen/ und Boeſes mit Boeſem vergelten/ ſo erweiſen wir/ daß wir auf dem breiten Weg der Gottloſen weiter kommen ſind. Wann wir die Warheit den Menſchen zu gefallen verhaelen/ [60] und Gott beleidigen/ ſo folgen wir der Menge die zum Verderben eilet/ und ob unſre Liſt gleichwol angehet/ ſo wird es doch uebel ausgehen. Kurtz zu ſag= en/ wann wir die Weltliebe in unſren Hertzen erſtikken/ und nur nach dem E= wigen trachten/ ſo koennen wir leichtlich ſehen/ daß wir auf dem wenig betrette= nen Wege verſichert wandlen. Haben wir wenig Geferten/ ſo haben wir ſo viel weniger Untreu zu befahren.14. Was ſelten iſt/ und nicht was gemein iſt/ pflegt man hochzufchaetzen. Es hat wenig Koenige/ und viel Knechte auf der Erden: wie es in dem Himmel (wenig Aus= erwehlte.) wenig Auserwehlte/ in der Hoelle aber viel Verdamte haben wird. Wie koenn= en ihrer viel zugleich auf dem engen Wege gehen? mehr als der halbe Theil/ kehret wieder zurukke/ und verfuehret andre mit ſich. Wann wir aber das Lıecht guter Exempel finden/ ſo laſſet uns mit Ehrerbietung nachfolgen/ nemlich Chriſto und ſeinen Apoſteln/ wie dann Paulus/ der aus dem Irrthum zu Erkantniß der Warheit geleitet worden/ nach denklich ſagt: ſeid meine Nach= folger/ gleichwie ich Chriſti: und Chriſtus ſagt troeftlich/ folget mir [61] nach/ nehmt euer Joch auf euch/ dann mein Joch iſt ſanft/ und mein Laſt iſt leicht: Kommther zu mir alle/ die ihr můh= ſelig und beladen ſeid/ ich will euch erquikken.13. Wenn iſt nun ſicherer zu folgen: Gott und den Frommen in zeitlicher Truebſal; oder dem Teuffel und den Boeſen zu ewiger Pein? CHriſtus iſt der Weg/ die Warheit und das Leben/ der uns nicht irren laeſſt. Dieſer Meinung ſagt der Juenger/ den Gott lieb hatte/ daß/ der in JEſu CHriſto bleibt/ ſol auch wandlen/ wie er gewandelt hat. Petrus ſagt/ daß er uns ein Fuerbild gelaſſen/ und daß wir ſeinen Fuß= ſtapfen ſollen nachfolgen.14. Darzu dienet nun die fleiſſige Leſung der H. Schrift/ daß wir aller(Leſung der H. Schrift.) Heiligen Wandel beobachten/ und denſelben nachahmen; gleichwie die Juden durch die Laepplein auf ihren Maenteln der Gebote Gottes erinnert wurden/ welche die Phariſeer nachmals aus Ehrſucht mißbraucht und deswegen von CHriſto geſtraffet wurden. Euch aber meine Frau/ ſind die Gebote Gott [62] es und die Geſchichte der Heiligen/ in unentfallenem Angedenken ſtets fuer Augen/ und thut wol/ daß ihr denſelben/ nach euſſerſtem Vermoegen Folge leiſtet.15. Leſet mit Augen und Hertzen ſolche Buecher/ die von der ewigen War= heit handlen/ daß euer Verſtand geheiliget werde/ und vergeſſet auch nicht (Das Wort Gottes.) ſolche Wiſſenſchaft/ in allem euren Thun zu erweiſen. Das Wort GOttes iſt ein Same/ der infrommen Hertzen gute/ und tauſendfaeltige Fruechte bring= et/ welche auch zwiſchen den Doernern der Truebſal herfuerſproſſen/ und gleich= ſam durch die Wart und Pflege der Goettlichen Wolthaten erhalten werden. (Natuerliche Billichkeit.) Abſonderlich merket dieſe Regel/ und ſchreıbt ſie in euer Hertz: Was ihr nicht wolt/ daß euch die Leute thun/ das thut ihnen auch nicht. Dieſes iſt ein kurtzer Begriff aller andrer Geſetze/ beſtehend zwar in wenig Worten/ aber in weitſehender Ausuebung.16. Dieſer Lehrſatz ſol die Maas ſeyn unſrer Gedanken/ Wort und Werke/ Thun und Laſſen/ traget dieſen ſchoenen Spiegel beharrlich in euren Handen/ [63] und ihr werdet die Fehler eures Willens leichter erkennen/ und verhueten. Wann ihr ein ſolches Hertz gegen andre/ wie gegen euch ſelbſten traget/ ſo iſt eure Gerechtigkeit faſt vollkommen: und lehret uns dieſes nicht nur das Wort Gottes/ ſondern die natuerliche Billichkeit; deswegen dann ſolches Ge= bot keıneswegs fuer ſchwer kan gehalten werden. Der gutthaet ge Vater wil/ daß ſeine Kinder durch das Band der bruederlichen Liebe ſollen vereiniget/ und verbunden ſeyn/ und daran ſol man ſie erkennen. Sein Befehl ſihet auf unſren Nutzen/ und auf ſeine Ehre. Solche vaeterliche Guete ıſt unausſprech= lich/ indem ſie uns unſre Liebe zu belohnen/ und unſre Schuldigkeit zu begnaed= igen verſpricht. Viel aber widerſetzen ſich dem Willen Gottes aus ſtoltzem Undank/ und verachten ſeine Gebot aus einer Feindſchaft/ die wıder ſie ſelbſt= en/ und zu ihrem ewigen Nachtheil ausſchlaeget.17. Nachdem ich euch die Beobachtung der Gebote Gottes ſattſam zu Ge= muet gefuehret/ erinnere ich euch ferners wolmeinend/ daß ihr eure Zunge in(Beobacht= ung der Zunge.) dem Zaum haltet/ und mit allen Affterreden/ Verleumden/ und was demſelb [64] en anhanget/ nichts zu ſchaffen habet. Schaendet niemand/ uem euch ein Lob dardurch zu erwerbeln. Etliche vermeinen/ daß ſie ihre Schande mit andrer Fehler bemaenteln/ und verbergen koennen; ſie erweiſen aber vielmehr ihren (Afterreden.) Neid/ und ihre Boßheit. Seid mehr bemuehet euer Leben wol anzuſtellen/ als andrer Leben zu tadlen. Wer von andren uebel redet/ handelt wider die Chriſt= liche Liebe/ und tragen ſolche Leute mehrmals die Schuld/ welche ſie andren (Neid.) wollen beylegen. Gewißlich der teuffliſche Neid iſt unter den Menſchen ſo ge= mein/ daß auch viel/ die ſonſten allen andern Laſtern entflohen/ unvermerkter Weiſe in ſolche Strikke fallen. Dieſem nach ſolt ihr nicht nur von andern Gutes reden/ welches eıne Art einer Wolthat iſt; ſondern auch nichts Boeſes von ihm hoeren wollen/ und die ſolches ſagen/ flıehen/ damit ihr euch fremder Schulden keineswegs theilhaftig machet.(Verleum= der.) 18. Jener Weiſe ſaget recht/ man ſol fuer dem Verleumder die Ohren mit Doernern verſtopfen/ zu bedeuten/ daß er uns/ vor allen andern Abweſenden be= leidige. Als David einen unſchuldıgen Mann beſchreıben wil/ ſagt er/ daß er [65] nicht gehe in den Raht der Gottloſen/ noch ſitze/ da die Spoett=(Pſal. 1.) er ſitzen/ ſondern habe Luſtzum Geſetz des HERRN. Ein Hertz/ das Gott lobſingen wil/ muß ſeines Nechſten Schande nicht gedenken. Leichtglaubıg ſeyn/ in des Nechſten Beſchuldigung/ iſt faſt ſo ſtraefflich/ als unglaubig ſeyn in Religionsſachen.19. Viel Zwytracht und Feindſchaft entſtehet zuzeiten durch einen ungleich= en Bericht/ und uebel aufgenommene Rede. Viel ſcheuen ſich mehr fuer einem boeſen Schein/ und der Schande/ als fuer boeſen Thaten/ und hat der Argwahn(Argwahn.) von Anfang der Welt das meiſte Unheil unter den Menſchen angerıchtet. Der ein ſolches Anſehen hat/ daß niemand was Boeſes in ſeiner Gegenwart reden darf/ iſt vieler Unruhe befreyet. Wer ſein Ohr verſtopfet fuer dem Ver= leumder/ der verſtopfet ihm zugleich auch den Mund/ indem er ſihet/ daß der= gleıchen Reden nicht angenehm/ und daß er ihn in Ungunſt bringet/ indem er ſolche auf andre legen wil.20. Der Hoenig Heraclee/ ſo lachend toedet/ iſt ſo gefaehrlich/ als dıeſer Gift/ [66] (Schmeuch= ler.) welcher ſowol durch die Verleumdung/ als durch die Schmeucheley unſren Ohren beygebracht wird.21. Jener Weiſe ſagte: des Schmeichlers Wort iſt zwar ſueß zu koſten/ mach= et aber groſſen Schmertzen/ und bringet den Tod. Zu dieſer Zeit wird dieſes Laſter bey Hof fuer eine Tugend und ſolcher Stoltz fuer eine Demut gehalten. Ein heimlicher Veraechter/ muß ein offentlicher Gutthaeter ſeyn/ und die ſolcher geſtalt nıcht luegen koennen/ wie mans gerne hoeret/ mueſſen fuer grob und baeur= iſch zurukke weichen/ und denen Platz machen/ die falſches Lob zu verkauffen haben.(Zeugſchaft des Ge= wiſſens.) 22. Was elende Leut ſind wir/ wann wir die Zeugſchaft unſers Gewiſſens fuer ungueltig/ und eines andern falſche ̅ Wahn fuer ruehmlich halte ̅ ? Man ſucht die Ehre in der Schande und widerrufft das Hertz/ was ein andrer uns zu Ge= fallen fuer und erdientes Lob zu Ohren redet. Wann ihr wirkliches Lob haben wolt/ ſo mueſſt ihr euch anderer Lob nicht geluſten laſſen/ und dahın trachten/ daß ihr nicht von den Geſchoepfen/ ſondern von dem Schoepfer wol an [67] geſehen werdet. Eure Rede ſey beſcheiden/ und niemals ohne erheiſchende Noht/ mit vielen Umſtaenden verfaſſet.23. Ein kluger Vorbedachtziere in allen Sachen eure Fuerſichtigkeit/ und(Vorbedacht in Reden.) eine keuſche Schamhaftigkeit ſchmukke eure andre Tugenden. Bevor ihr den Mund aufthut/ ſo betrachtet bey euch ſelbſten alle Wort/ ſo ihr ſagen wollt/ ſo werdet ihr ſolche nicht ſo ſpat berenen. Alſo ſollen die Gedanken alle Reden auf die Waage legen/ und der Verſtand die Schaetze eurer Worte zu Raht halten. Die Warheit ſol auch in geringſten Sachen beobachtet werden/ und Ja/ Ja Nein/ Nein/ der Chriſten hoechſter Schwur ſeyn. Die eine Sache zuviel betheuren/ haben wenig Glauben und Vertrauen.24. Habt in allen Werken und Worten Gott fuer Augen/ und trauet ihm(Gott fuer Augen ha= ben.) ueber alles/ als eurem Seelenbraeutigam. Haltet euch in dem Schranken der Demut/ wann ihr der ewigen Ehre wolt theilhaftig werden/ und laſſet ja die Eitelkeit der Welt nicht ſiegen in euren Hertzen/ laſſet euch den Stoltz nicht er= heben/ noch den Geitz niederdrukken. Laſſet euch den Zorn nicht erhitzen/ oder [68] (2. Cor. 2.) die Zagheit verblenden. Euer Hertz ſol ein reiner/ und mıt keinen Laſtern be= flekkter Gottes Tempel ſeyn/ der ſeiner Majeſtaet beſſer gefaellt/ als was von Menſchenhaenden zu ſeiner Ehre gewidmet ıſt.(Verachtung adelicher Ankunft.) 25. Haltet euch/ wegen eures adelichen Herkommens/ nicht hoeher/ als andre/ und verachtet niemand neben euch. Wann man unſern Adelibetracht= en wil/ ſo kommen wir alle von einem Akkersmann/ dem Adam her/ der ſich an Goettlıcher Majeſtaet verſuendiget/ und des wegen aus dem Paradis verſtoſſ= en worden. Bey Gott iſt kein Anſehen der Perſon/ ſondern des Geiſts und der Seelen/ ob ſelbe von Su ̅ nden befreyet/ oder nicht. Tugend und Gottes= furcht iſt der beſte Adel. Unſre Vollkommenheit beruhet in uns/ und nicht in unſren Vorfahren. Wir ſind alle/ Edle und Unedle/ mit dem theuren Blut unſers Seeligmachers erkaufft zum ewigen Leben/ und wie wir alle von Adam geboren Suender ſind; alſo ſind wir alle durch den andren Adam wiedergebor= en/ gerechtfertiget.(Faſten und Beten.) 26. Faſten und Beten ſind die Gehuelffen unſrer Frommkeit/ und die Mit [69] ler unſrer Heiligung. Die euſſerliche Vorbereitung eines maeſſigen Lebens be= friediget unſre Begierden/ welche durch Wolleben aufzuklimmnn pflegen/ und helffen unſre Gedanken von allerhand Suenden befreyen.27. Wir ſollen wolthun/ und unſer Leben nach Gottes Willen alſo an=(Erbarer Wandel.) ſtellen/ daß wir Gott und Menſchen gefallen moegen und ja niemand aergern/ auch nicht der Geringſten einen. Die Chriſtlichen Tugenden koennen alle boeſe Nachreden zu Luegen machen/ daß man ſich nicht erkuehnet zu ſagen/ was niem= and glaubet. Wer aber Boeſes thut/ der kan ſich nicht verdrieſſen laſſen/ daß die Warheit von ihm gemeldet werde.28. Solten wir aber ja in unſrer Unſchuld faelſchlich beſchuldiget werden/(Gewiſſens Troſt.) ſo troeſtet uns unſer gutes Gewiſſen/ welches uns Zeugniß giebt/ wider alle Boßheit der Welt. Fuerchten wir Gott/ ſo haben wir die Menſchen nicht zu fuerchten. Der Prophet verfluchet alle/ die das Boeſe gut/ und das Gute boeß nennen/ das Liecht Finſterniß/ und die Finſterniß Liecht/ [70] (Matt. 5.) hingegen preiſet unſer Heiland ſeelig alle/ dieům Unſchuld Ver= folgung leiden.(Hausſorge.) 29. Verſorget euer Hausweſen alſo/ daß ihr dardurch eure Seeligkeit nicht vergeſſet/ welches die nohtwendigſte Sorge einer Chriſtin ſeyn ſol= Wehlet euch einen abgeſonderten Ort/ an welchem ihr allein mit GOTT in dem Gebet taeglich reden koennet. Dieſes laſſet euere Freyſtatt ſeyn/ wo ihr/ durch die Unfaelle dieſes Lebens hinfliehen/ und eure Gedanken in der Unruhe/ beruhigen moeget.30. Denket erſtlich an euer Gewiſſen/ und alsdann an die Welthaendel. Leſet keine unnuetze Gedichte/ ſondern vielmehr die erbauliche Warheit. Haltet (Das Gebet) ſtetig an mit dem Gebet/ dieweil die Noht ſtetig beharret/ und ſamlet euch (Betracht= ung der E= wigkeit.) vielmehr ewige/ als zeitliche Schaetze. Betrachtet die Ewigkeit/ und den gewiß ku ̅ nftigen Tod. Verlıehret keine Zeit des Gottesdienſts/ und fliehet den Mueſſiggang. Dieſes alles ſage ich nicht zu dem Ende/ daß ihr euer Haus [71] weſen verlaſſen/ ſondern daß ihr demſelben in der Furcht Gottes wol vorſteh= en ſolt. Die beſte Hausmutter iſt die fleiſſigſte Dienerin Gottes/ deſſen Guete uns hıer gnaediglich beſchirmen/ und dort |ewig ſeelig machen wolle.
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IV. Lobſchrift Der H. Paula/ verfaſſet durch den H. Altvater und Kirchenlehrer Hieronymum. Inhalt.
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(IV.) Die Großmůtigkeit geziemet abſonderlich groſſen Leuten. Wer viel hat/ kan viel verlieren/ und dardurch die Verachtung der eitlen Welthaendel ſtandhaftig erweiſen. Rom hat faſt kein adelichers Weibsbild/ als die Paulam geſehen. Sie war [73] geboren von den Roemiſchen Geſchlechten/ und hat die Ehre ihres Stammens nicht vermehren koennen/ als durch die Gott= esfurcht. Sie wurde verheuratet an einen groſſen Herrn/ mit Namen Toxotius/ und erzeugte mit ihme einen Sohn/ und zwo Toechter/ welche ſowolwegen ihrer Tugenden/ als Schoen= heit beruehmet worden. In ihrem Wittibſtand hat ſie ſich auſſer der Welt/ Gott zu dienen/ ergeben/ und in der Haubt= ſtatt Rom allen Eitelkeiten und Froelichkeiten loeblich obgeſieg= et. Nachdem ihr aberverdrießlich gefallen/ in einem Ort zu wohnen/ den ihr himmliſcher Braeutigam niemals perſoenlich betretten/ hat ſie eine Reiſe in das gelobte Land mit groſſer An= dacht/ und noch groeſſerer Gedult verrichtet. Aldar hat ſie et= liche Kirchen und Kloeſter geſtiftet/ aber noch vielmehr durch ihr Exempel aufgerichtet. Endlich iſt ſie auch erfreulich ge= ſtorben/ wo unſer Erloeſer iſt geboren worden/ und wie ihr [74] Leben ein Troſt iſt geweſen der Glaubigen/ alſo hat ihr Tod al= len denſelben groſſes Trauren verurſachet. Euſtochia/ ihre Tochter hat ſich abſonderlich darůber hertzlich betrůbt.Der H. Hieronymus/ welcher dieſe beede gebuehrlich ehrte verfaſſet eine Troſtſchrift an beſagte Euſtachiam/ in welcher e??? ſeine Wolredenheit/ benebens Chriſtlichem Mitleiden/ ob eine??? ſo heiligen Frauen Tod/ ruehmlichſt erweiſet. Er beſchreibt mit wenigem ihre Ankunft/ weil ſie mehr Lob in Verachtung/ als Hochachtung deſſelben erlangt. Ferners erzehlet er ihr Leben in der Ehe/ in dem Wittibſtand/ in der Pilgramſchaft/ ihren Tod??? und ſetzet zu Ende ihre Grabſchrift.Das Frauenvolk hat von dieſer Paula zu erlernen/ welcher= geſtalt ſie in allen Staenden Gott gefallen koennen. Wollen ſie nicht alles verlaſſen/ ſo ſollen ſie doch nicht vergeſſen/ den Arm= en Gutes zu thun. Leidet ihre Gelegenheit nicht/ in das heilig??? [75] Land zu reiſen/ ſo ſollen ſie ſich doch abſondern von unheiligen und Gottloſen Genoſſſchaften; und ſchließlich/ wann ſie ihrem Erloeſer ſo nahe nicht folgen koennen/ ſo bemuehen ſie ſich doch/ nicht ferne von demſelben zu tretten.

Lobſchrift Der H. Paula.
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1. Wann ich ſo viel Zungen haette/ als mein gantzer Leib Gliedmaſſen/(Eingang.) wuerden mir doch ſattſame Wort ermanglen/ der unvergleichlichen Paula Lob gebuehrlich auszureden. Es kan nicht durch Menſchen ausgeſprochen werden/ warueber ſich die Engel verwundert haben. Sie ſtammet her von einem altadelichen Geſchlecht/ aber ihre Gottesfurcht macht ſie viel aedler. [76] Sie war wolangeſehen wegen ihres groſſen Reichthums/ aber ihre willige Ar= mut wegen unſers Heilands Jeſu Chriſti/ ſetzte ſie ın hoehere Ehre. Zu ver= wundern iſt/ daß ein Weibsbild aus dem Gebluet der Grachen und Scipion= en/ die mit dem Namen der Paula uebergroſſen Reichthum ererbet./ Bethle= hem der Stadt Rom/ und eine elende Zellen denen von Marmol und Gold erbauten Palaeſten vorgezogen.(Troſt weg= en Paula Tod.) 2. Wir weinen nicht uem dieſe Heldin/ weil ſie geſtorben/ wiewol ſolcher Verluſt unerſetzlich iſt; ſondern wir danken Gott/ daß er ein ſolches Tugend= bild zu unſren Zeiten hat aufgeſtellet/ deren Nachruhm auch nach uns dienen kan. Wir wiſſen/ daß alles in Gott lebet/ und daß Gott alles gıebt und nimt/ nach ſeinem alleın weiſen Willen und Wolgefallen. Die Palmen von Libanon welken nicht/ wann man ſie gleich von dieſer Erden in das himmliſche Jeruſtr= lem verſetzet. Welche wir fuer todt halten/ haelt ſich nun auf in dem ewigen Leben. Sie iſt aus dem Elend entkommen/ und in dem ewigen Vaterland an [77] gelangt. So lang ſie hier in der Pilgramſchaft gewallet/ hat ſie verlange bey ihrem himmliſchen Braeungam zu ſeyn.3. Ihr war verdrießlıch die Geſellſchaft der Weltkinder/ weil ſie ſich nach den(Ihr Ver= langen.) Himmelsburgern ſehnte. Indem ſie ein ſo groſſes Liecht/ nemlich den Glantz Goettlicher Herrlichkeit/ und die Sonn der Gerechtigkeit/ erwartet/ iſt ihr die Finſterniß dieſer Welt unertraeglich geweſen/ und ſie gleichſam in der harten Demmerung enthalten. Mit dieſen Gedanken hat ſie ſich als eine Wanderin/ in dieſer Welt verhalten: ja ıhre Geſundheit hat ihr mißfallen/ indem ſie ſich dar= durch von dem Tod entfernet/ geſchaetzet/ und hat hingegen ihre Krankheit ge= liebet/ weil ſie dardurch zu ſterben verhofft. Sie hat auch in ſolcher Betracht= ung ſich zeitlıcher Nohtdurft im Eſſen und Trinken enthalten/ des engliſchen Lebens nach und nach zu gewohnen. Sie hat gefaſtet mit Hunger nach dem Ewigen/ und in den Schmertzen ihrer Krankheit vielmals/ als ſehe ſie den Himmel offen/ dieſe Wort hoeren laſſen: Ach daß ich Taubenfluegel haet=(Paulae Wort in der Krank= heit.) te/ mich zu ſchwingen nechſt das Lamm! Ich erkenne nun/ [78] daß ich einen Theil hab an dem Ewigen/ weil mich mein HErr??? Chriſtus theilhaftig machet der zeit lichen Schmertzen.4. Ich nehme Gott und alle Glaubige/ die bey der Paula Tod geweſen/ zu Zeugen/ daß dieſes/ und alles/ was ich ferner zu ihrem Lob vermelden werde/ keine erdichte Falſchheit/ ſondern die gruendliche Warheıt ſeye: maſſen ich deſ= ſen ungezweiffelten Bericht von glaubwuerdigen Perſonen erlangt. Ich lobe eine Frau/ die alle Geiſtlıche g???ehrt/ alle Jungfrauen geliebt/ alle Wittiben be= weinen/ und alle Waiſen ihr Hoffnung genennet. Wollt ihr ihre Verdienſt und wolſtaendiges Lob welches zwar unendlich iſt/ hoeren? Sie hat hier die Ar= men verlaſſen/ welche ſie in ihrer willigen Armut/ nach Vermoegen geſpeiſet: Ich nenne Arme ihre nechſte Befreundte/ welche ſie durch ihre Freygebigkeit (Aimoſen.) mit Almoſen geben arm gemacht/ und am Glauben und Gottes Gnade reıch hinterlaſſen. Ich rede von Euſtachia welcher Schmertzen ıch mit dieſer Lob= ſchrift zu lintern gedenke/ welche ihrer Fr. Mutter Tugenderbin iſt/ und ihre Hoheit in der Demut/ und ihre Schaetze in der Duerfftigkeit ſuchet/ jedoch [79] macht mich ihre Beſcheidenheit ihr Lob mit Stillſchweigen vorbeygehen/ und ein mehrers von Paula zu gedenken.5. Andre moegen Blaſilla und Rogatus ihre adeliche Eltern loben; wir reden(Paulae Elt= ern.) allein von Paula/ und nicht von ſolchen euſſerlıchen Sachen/ die ſie noch hind= ern/ noch befoerdern koennen. Wir betrachten dieſen ſchoenen Fluß in ſeinem Lauf/ und nicht in der Quelle. Es iſt zwar eine ruehmliche Ankunft nicht zu(Ankunft.) verachten/ aber doch iſt ein ruehmliches Leben viel ſchaetzbarer/ und allem Adel weit vorzuziehen; geſtalt jenes von dem Gluekk/ dieſes von der Tugend her= ſtammet. Unſer Seligmacher verſpricht tauſendfaeltige Wiedergeltung/ und ewige Schaetze denen/ die ſeinetwegen das Zeitliche verliehren/ und der Welt Wolluſt verachten. Hieraus iſt zu ſchlieſſen/ daß es kein Lob groſſen Reich= thum beſitzen/ ſondern denſelbe ̅ zu Gottes Ehren gebrauchen/ in welchem Ge= brauch der Menſchen hoechſte erhabne Ehre/ nach dem himmliſchen Maas= ſtab des ſeligmachenden Glaubens/ beruhet.6. Man kan bey dieſer Frauen beobachten/ daß Gottes Guete groeſſer iſt in [80] Belohnung der Chriſtlichen Tugenden/ als unſer Wollen und Vermoegen. Weil Paula Rom verachtet/ wird ſie in der gantzen Welt beruehmt/ und ge= ehrt/ in dem ſie Ruhm und Ehr gering geſchaetzet. Es iſt kein Pilgermann/ welcher die H. Oerter beſuchet/ er wird von Paula hoeren ſagen/ ihre Stiftung= en mit Augen ſehen/ und ſeinem Volk/ weß Lands er auch ſeyn wird/ ver= kuendigen.7. Paula iſt eine Perle/ welches Wehrt viel andre unwuerdig und gering= gueltig machet. Paula iſt eine Sonne/ welche vieler andrer Sternen Klar= (Demut Paulae.) heit verdunkelt. Ihre Demut hat andrer Hoheit ueberwunden/ indem ſie die geringſte unter allen Weibern/ und doch fuer den Auge ̅ ihres Erloeſers die groeſſte iſt unter allen Weibern. Sie wolte unbekant leben/ wurde doch jedermann bekant; und hat ſich der Ehren wuerdig gemachet/ indem ſie ſich derſelben un= wuerdig erachtet. Das Lob iſt der Tugend Schatten/ welcher entfliehet den= (Lob.) en/ die darnach greiffen/ und folget denen/ die ihn fliehen.8. Aber was thue ich? ich ueberſchreite die Ordnung meiner Rede und lobe [81] der Paula Tugenden nicht an dem gehoerigen Ort. Sie iſt von beſagten ade= lichen Eltern in die Welt geboren/ und nach erlangtem mannbarem Alter dem(Ihre Ver= ehlichung mit Toxo= tio.) Toxotio vertrauet worden/ der von dem Enea ſeinen Stammen fuehren kan. Ich gedenke ſeiner Ankunft nicht deswegen/ daß ich ſolche ueberhoch zu ſchaetz= en pflegte/ ſondern daß ich fuer ein Lob halte/ daß ſie beederſeits ſich ihrer Eltern Ehre nicht uebernommen. Viel achten ſolches ſo hoch/ als den ſtoltzen Reich= thum/ und fuer eine ſondre Begnaedigung des blinden Gluekks/ wir aber halten es allein mit dem Adel der Gottesfurcht/ ſo fuer den Menſchen veraechtlich iſt/ und loben dıe jenigen/ welche die Frommkeit der Eitelkeıt vorziehen.9. Dieſes der Paula keuſches Eheband hat Gott gefegnet mit fuenf Leibser=(ihre Kinder.) ben/ welche in ihrer Kindheit ſo bald ſehen laſſen/ daß aus eıner guten Quelle(Bleſilla.) kein faules Waſſer entſpringen kan. Bleſilla ihre erſte Tochter wurde wieder von dieſer Welt genommen/ durch den/ welcher ſie gegeben hatte. Ich habe die Mutter getroeſtet ueber dem fruezeitigen Tod ihrer Tochter/ wie ich nun die(Paulina.) Tochter troeſte ueber den Tod ihrer juengſt ſeligverſtorbenen Mutter. Die Pau [82] lina ihre zweyte Tochter hat ihren Mann Pammachius einen Erben ihrer Tug= (Euſtachia.) enden und Gueter/ bald hernach hinterlaſſen. Euſtachia die dritte iſt billich die erſte nach ihrem Verdienſt zu nennen. Dieſe iſt das Kleinod der Kirchen/ und der Heiligen Tugenden/ welcher Beſcheidenheit ich mit umſtaendigem Lob= (Rufina.) ſprechen nicht beleıdigen will. Vierdtens hatte ſie gezeugt Rufinam/ die mit ihrem toedlichen Abſchied die Mutter ſo ſehr betruebet/ als mit den Tagen ıhres (Toxotius. ihres Man ̅ s Tod.) Lebens erfreuet. Letzlich gebare ſie Toxotıum/ einen Sohn und Namentraeger ſeines Vaters/ deſſen Wunſch ſie ſolchergeſtalt erfreulichſt vergnueget. Seinen Tod hat ſie klaeglichſt betraurt/ und ſich dem Gottesdienſt ſo ſehr ergeben/ daß es das Anſehen hatte/ ſie habe ſolchen Trauerfall verlangt/ damit ſie ihrem Braeutigam Chriſtum deſto bruenſtiger lieben koente.(Ihr Almo= ſen.) 10. Wo ſoll ich Wort finden zu erzehlen/ mit was Segen ſie den Armen zu Rom faſt allen ihren Reichthum ausgetheilet? ſie hat erwıeſen/ daß groſſe Leute großmuetig ſeyn/ und groſſe Gueter beſitzen ſollen/ andern darmit groſſe Gnade zu erzeigen. Was ſoll ich von ihrer Freundlichkeit und Holdſeligkeit ſagen? [83] mit welchen ſie auch den jenigen begegnet/ die ſie nıcht gekennt/ und das erſte= mal geſehen: leichtlich beglaubend/ daß ſie keine Augendienerin/ ſondern der Tugend gaentzlich ergeben ſeye. Viel Todte hat ſie hin und wieder auf den(Almoſen.) Straſſen begraben laſſen/ und in ihrem Leben reichlich ernehret; ja dieſelben aus allen Orten der Stadt geſammelt/ als dıe lebendigen Schaetze unſers HErrn JESVCHRISTI/ oder die Wechſeler/ welche uns unſer Geld auf Erd= en in dem Himmel mit Wucher wiederuem zahlen machen. Sie hat die Armen ſowol als ihre Kinder bekleidet und verſorget; ſagend/ daß der groeſſte Reich= thum ſeye Gottes Barmhertzigkeit/ und Gnadenſchutz/ der dardurch erlanget werde.11. Solcher Gutthaetigkeit war zu vergleichen ihre bruenſtige Andacht und(Ihre Sitte ̅ .) Demut. Ihr Palaſt war ihr eine Gefaengniß/ wann ſie der Befreunden Hof= gepraenge abwarten ſollen/ welche ſie von dem Gottesdienſt/ und heiligen Ge= danken abgehalten und gehindert. Sie entflohe aller Heucheley mit ſolchem Fleiß/ als andre dergleichen Falſchheit ſuchen. Deswegen wolte ſie ſich auch [84] aus der Statt begeben/ und alles Zeitliche fahren laſſen. Die Exempel etlich= er Biſchoffe hatte ſie in dieſem Wahn beſtaerkt/ unter welchen Epiphanius Bi= ſchoff zu Salamine in Cypern/ der in ihrem Hauſe geherbergt/ und Paulin Biſchoff zu Antiochien/ der ſie mehrmals beſucht/ vnd mit heiligem Geſpre= (Ihre Ein= ſamkeit.) che vnterrichtet. Sie erwuenſchte nichts mehr/ als die Einſamkeit/ ſo ſie ein ir= diſches Paradeis zu nennen pflegen. Sie hatte alles Zeitliche vergeſſen uem nach dem Ewigen zu trachten/ und auſſer der Welt Geſellſchaften einſam zu leben; wolwiſſend/ daß der Schoepfer ſich am gnaedigſten finden laeſſet/ wo der Ge= ſchoepfe am wenigſten vor unſern Augen ſchweben.12. Nachdem ſie den Winter mit dieſen Gedanken zugebracht/ entſchleuſſt ſie mit vorermeldten fremden Biſchoffen zu verreiſen. Sie gehet mit ihren Freunden/ Verwanten und Kindern an das Ufer/ und wolte ſich von ihrem Bitten und Flehen keines Wegs aufhalten laſſen. Sie ſteiget in das Schiff/ der Anker wird aufgehoben die Segel aufgeſpannet/ Paula faehret dahin; der kleine Toxotius ſtrekkte uemſonſt die Haende aus/ ſein liebe Mutter anzuhalten. [85] Rufina war damals ehlıch verſprochen/ und bate ſie durch ihre triefende Zehr= en ſtillſchweigend/ nur ſo lang zu verzoegern bis die Hochzeit vollzogen. Paula aber ſahe auf gen Himmel/ und bedeutete/ daß ſie Gott mehr liebte/ als alle die Menſchen auf der Erden; ja ſie hatte vergeſſen/ daß ſie eine Mutter/ indem ſie ſich erinnert/ daß ſie eıne Tochter des Allerhoechſten/ und deſſelben Dienerin in CHRISTO. Sie empfande/ indem ſie ſich von ıhren lieben Kindern ſchei= dete/ zwar mehr Schmertzen/ als in derſelben Geburt: Aber ihre Standhaftig= keit war ſo vielmehr zu verwundern/ daß ſie auch die muetterliche Liebsneigung/ welche fuer die ſtaerkſte gehalten wırd/ ueberwinden koennen.13. Es iſt in der Gefaengſchaft nichts beſchwerlicher/ als wann die Mut=(Ihre Pil= gramſchaft.) ter von ihren Kindern entfernet leben ſol. Dieſes thaete Paula ohne Zwang/ aus eiferiger Gottesfurcht. Ihr Glaub hat ihre natuerliche Neigung ueberwund= en/ und das Mutterhertz ſchmertzlichſt zertheilet. Gott/ ihren Vater liebte ſie vielmehr als ihre Kinder/ und Euſtachiam/ als einen Geferten ihrer Pilger= ſchaft. Das Schiff war bereit weit von dem Ufer getrieben. Alle andre/ ſo dar [86] auf waren/ ſahen zu rukke/ Paula aber wendete ihr Angeſicht von den Hinter= laſſenen ab/ benebens den Gedanken/ ſo ihren Vorſatz verhindern wolten. Es hat aber keine Mutter jemals ihre Kinder mehr geliebt/ als Paula/ weil ſie ſich ſelbſt enterbt/ und ſie bey lebendigem Leib in ihre Gueter eıngeſetzet.Allhier folget die Reiſbeſchreibung in das gelobte Land/ und wie Paula den Biſchoff Epiphanium/ und Baſilium unter Wegs angeſprochen/ welches alles zu ueberſetzen fůr unnoehtig erachtet worden.(Demut.) 14. Die Demut iſt der Chriſten hoechſte Tugend: dieſer war die Paula ſo ergeben/ daß ſie niemand fuer eine vorneme Frau ſolte angeſehen haben/ ſon= dern fuer eine geringe Dienerin. Unter allen ihres gleichen iſt ſie die ſchlechtſte in der Kleidung geweſen/ die ſittſamſte in Geberde ̅ / und freundlichſte im Rede ̅ .15. Sie hat wenig geſchlaffen/ und ſo viel zu beten/ ja ſo oft zu weinen pfleg= en/ als ob ihr gantzes Leben eine Bußzeit were. Als ich ſie ermahnet/ ſie ſolte doch ihrer Augen zu Leſung der H. Schrift/ und anderer geiſtlichen Buecher/ ſchone ̅ / [87] wan ̅ ſie ja denſelben wege ̅ Betrachtung der eitle ̅ Welthaendel feind were: hat ſie mit dieſen Worte ̅ freundlich und ſtandhaft geantwortet: Mein Angeſicht/ welches ich vor der Zeit wider den Willen Gottes ſchoener ma= chen wollen/ muß nun ungeſtalt werden/ und meine Threnen ſollen den Schmink von meinen Wangen abwaſchen. Meine gepflogne Luſt iſt mir zu einem Laſt worde ̅ / und mein Lachen zu Weinen vnd Heulen. Nach dem zaertliche ̅ Leben/ muß ſolche Buſſe folgen. Das rauhe Gewand toedet das freche Fleiſch/ wel= ches zuvor der Seiden gewonet/ und in dieſem werde ich Chri= ſto meinem Braeutigam baß gefallen.16. Ihre Keuſchheit iſt niemals in boeſen Verdacht geraten/ und hat auch(Keuſchheit.) die Verleumdung/ ſo ſonſten von Tugenden und Laſtern zu Affterreden pfleget/ nit den geringſten Argwahn gegen ſie erſinnen koen ̅ en. Gegen jederman war ſie ehrerbietig/ ja auch gegen die ſtoltzen und aufgeblaſene/ welche ſie mit harten Worten anfuhre ̅ : Sie haſſte ihre Laſter/ und liebte ihre Bekehrung. Die Armen [88] hat ſie geſaettiget/ und die Reichen zu dem Werk der Barmhertzigkeit ermahn= (Tagenden.) et. Alle ihre Tugenden beſtunden in der Mittelſtelle/ ausgenommen der Frey= gebigkeit/ vermittelſt welcher ſie niemand einige Beyhuelff verſaget hat.17. Als ich der Paula fuerhielte/ ſie ſolte hierin ̅ en beſcheidenlich verfahren/ und were ſie/ weil ſie zween Roekke haette/ nicht mehr als einen darvon zu begeb= en ſchuldig: hat ſie darauf geantwortet/ ſie vermeınte nicht/ daß ſie hierinnen fehlte/ wann ſie aber ja der Sache zu viel thaete/ ſo geſchehe es uem Gottes wil= (Armut.) len/ und begehrte ſie in aller Armut zu ſterben/ und nicht ein Grabtuch zu hin= terlaſſen/ welches ſie von andren frommen Leuten/ als eın Almoſen verhoffte. Wann mich die Noht/ ſagte ſie ferner/ zwingt zu bettlen/ wird es mir an Wol= thaetern nicht manglen: Wann aber ein Armer ſterben ſolte/ indem er nichts von mir empfaehet/ ſo mueſſte ich wegen ſeines Tods ſowol Gott Rechenſchaft geben/ als ueber mein Vermoegen. Solcher Geſtalt hat ſie ihren Erben viel Schulde ̅ hinterlaſſen/ fuer welche der hoechſte Zahlmeiſter Buergſchaft geleiſtet.18. Etliche Weibsperſonen ſind wolthaetig gegen ihre Lobſprecher. Paula [89] aber hat ihre meiſte Gutthaetigkeit gegen die armen erwieſen/ deren ſie keinen(Gutthaetig= keit.) unbegabt von ſich gelaſſen/ ſagend: Wer in dieſem Leben Barmhertzigkeit thut/ dem wird in jenem Leben Barmhertzigkeit wiederfahre ̅ . Wie das Waſſer das Fewer ausleſchet/ alſo tilget das Almoſen die Suende. Man muß ihm Freunde machen mit dem ungerechten Mam ̅ on/ auf daß ſie uns aufnemen in die ewige Huetten. Dieſes beweiſte ſie mit dem Exempel Nebucadnezars/ welches ſich vermittelſt des Almoſens mit Gott verſehenet hat. Sie hat alſo ihr Geld nicht auf koſtbare Gebaeue/ Holtz und Steine/ welches alles mit dem letzte ̅ Tag zu Aſchen werden wird/ gewendet; ſondern auf die lebendigen Steine/ dar= von die Statt des groſſen Himmelkoenigs erbauet werden wird/ die gleichen den Jaſpis/ Smaragd und Sapphir/ etc.19. Dieſes alles kan unſre Paula mit vielen gemein gehabt haben/ als die(Vollkom ̅ en= heit Chriſt= licher Tu= genden.) Staffeln oder Stuffen der Vollkommenheit in dem Chriſtenthum. Der Tau= ſendkuenſtler der Satan weiß das wir Menſchen nichts lıebers haben/ als unſ= er Leben/ und daß uns nichts ſaurer ankommet/ als ſolches zu verlieren. Viel haben groſſes Almoſen gethan/ und ihren Geitz/ aber nicht ihre fleıſchliche Be [90] gierden ueberwunden. Sie ſind euſſerlich Kreitenweiß/ innerlich aber Kohl= (Falſchheit.) ſchwartz/ und rechte getu ̅ nchte Graeber geweſen. Unſre Paula aber hat ihren Leib durch die Arbeit und das Faſten taeglich bezwungen/ daß ſie der niedlichen Speiſen nicht gemeſſen wollen/ und aller Zaertlichkeit abgeſagt.(Tugend iſt verhaſſt.) 20. Groſſe Tugenden bringen groſſen Haß/ der hohen Berge ſind vielmehr dem Donner unterworffen/ als die Huegel und Thaeler. Man muß ſich nicht verwundern/ daß die Frommen ins gemein beharrlich verfolget werden/ weil unſer Erloeſer/ dem wir gleichfoermig werden mueſſen/ von den Juden getoedet werden/ und noch kein Heıliger auferſtanden/ dem alles nach Wunſch ergang= en were. In dem Paradeis hat ſich die Schlange gefunden/ durch welcher Neid der Tod iſt in die Welt kommen. Alſo hat auch Gott der Paula einen Feind und Verleumder erwekkt in dem heiligen Lande/ da die Laſter neben den (Gedult.) Tugenden getrieben werden. Als ich ſie zur Gedult vermahnte/ und zur Nach= folge des lieben Jobs/ hat ſie mir zur Antwort wiederfahren laſſen/ daß ſie wol zu frieden were/ und wueſſte/ daß die Dienerin Jeſu Chriſti mueſſten verachtet/ [91] verlachet/ verſpottet werden/ und uebel von ihnen reden laſſen/ von den Werk= zeugen des Fuerſtens dieſer Welt. Sie verhoffte ihres Widerſachers Stoltz durch Demut zu ueberwinden/ und wolte ihm Gutes fuer Boeſes thun/ etc.21. In der Verſuchung hat ſie ſich erinnert/ daß Gott mit uns zu hand=(Verſuch= ung.) len pflege/ wie eine Mutter/ welche ihr Kind entwehnet/ aber deswegen nicht unterlaeſſt daſſelbe bruenſtiglich zu lieben. Die Truebſal bringt Gedult/ Gedult bringt Hofnung/ Hofnung laeſſet die Rechtglaubigen nicht zu Schanden werden. Es iſt kein beſſers Mittel unſre Seele ruhig zu beſitzen/ als eine un= ueberwindliche Gedult/ in welcher uns die Anfechtung vielmehr beſtaerket/ als ſchwaechet. Wann wir mit Chriſto leiden/ ſo haben wir groſſen Troſt in ihm/ und welche Theil haben in dem Kampf/ werden auch theilhafftig werden der Siegeskron.22. In ihrer Traurigkeit hat ſie ſich alſo getroeſtet: Soll mein Ver=(Vertrauen auf Gott.) trauen auf Gott wanken? bin ich nicht ſchuldig mein Leben zu laſſen wegen deſſen/ der fůr mich geſtorben iſt/ und aller Welt [92] freude abzuſagen/ uem der ewigen zu genieſſen. Wie ich bin in die Welt kommen/ ſo muß ich wider davon/ Gott erhaelt mich durch ſeine Gnade/ ſo lang Er wil/ und mir nutzlich iſt. Der Schatten dieſer Welt verſchwindet Augenbliklich und iſt eine Thorheit den= ſelben wollen aufhalten. Als auf eine Zeit ihr Soehnlein Toxotius/ welchen ſie inniglich liebte/ ſehr krank lage/ hat ſie ſich erſtlich mit dem Willen Gottes getroeſtet; nachmals aber geſagt/ daß ſie des HErrn Chriſti nicht werth/ wann ſie ihr Kind mehr/ als ihren Seelenbraeutigam liebte. Sie hat unter= (Kloeſterſtif= tung.) ſchiedliche Kloeſter erbauet/ die ſich barlichen Engel/ ich will ſagen/ die Gotts= fuerchtigen und Pilgerleute darinnen zu herbergen/ und mit denſelben GOtt zu loben.23. Sie hat eine ſondre Gnad von Gott gehabt die Gemueter zu gewinn= (Freundlich= keit.) en; etliche mit Freundlichkeit/ etliche mit harten Worten: Maſſen ſie vieler Feindſchaft ın Freundſchaft verwandelt/ und viel Jungfrauen zum heiligen Geluebd beredet. Etliche als ſie bey ihnen keine Beſſerung/ nach vielen Ver [93] mahnen verſpueret/ hat ſie von ihrer Geſellſchaft abgeſondert/ in der Weltlie= be ueberlaſſen.24. Als ſie einmal von einer ſchweren Kranckheit aufgeſtanden/ und ihr(Paula Maeſ ſigkeit.) die Aertzte Wein zu trinken verordnet/ hat ſie niemand darzu bereden koennen. Ja Epiphanius/ der ihr ſolchen dargereicht/ iſt bey nahe von ihr beredet wor= den/ ſich des Weins in ſeinem hohen Alter zu enthalten; ſo beweglıch hat ſie die Zaertlichkeit der Mannsperſonen anzuklagen wiſſen. Dieſes erzehle ich nicht deswegen/ daß ich ſolches gutſpreche/ Geſtalt dıe H. Schrift den recht= maeſſigen Gebrauch des Weins nicht verbietet, ſondern daß daraus ihr Durſt nach dem Ewigen/ und ihr ſtrenges Leben abzunemen.25. Wie nun Paula gegen ſich ſehr hart/ alſo iſt ſie gegen andre gelind geweſen/ und ſonderlich mit ihren Kindern mitleidig/ und muetterlich geſinn=(Beracht= ung deß Lob ens.) et. Endlich aber hat ſie in alle Begebenheit ſich ſelbſten ueberwunden/ und ihr Lebe ̅ / welches wir ihr auf lange Jahr erwuenſchet/ fuer nichts gehalten/ mit dem Apoſtel taeglıch wuenſchend/ aufgeloeſſt/ und bey Chriſto zu ſeyn.
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(Faehigkeit des Ver= ſtands.) 26. Ihr Verſtand war von uebertrefflicher Faehigkeit/ daß ſie alles/ was ſie gewollt/ leıchtlich erlernen/ und erſinnen koennen. Sie war langſam zu reden/ und ſchnell zu hoeren. Die H. Schrifft hatte ſie faſt alle im Gedaecht= niß/ daß ſie deswegen mit Fug Gottes Buecherſchrein haette koennen genenn= et werden. Die Bibel hat ſie pflegen zu nennen den Grund der Warheit/ und hat ſich nicht ſo viel an den Verlauff der Geſchichte/ als an derſelben verborg= nen Deutung Belieben getragen/ ſolche auch zu ihrer/ und andrer Erbauung (Lieb der H. Schrift.) gerichtet. Ich hab ihr und ihrer Tochter das alte und neue Teſtament erklaer= et/ und mich vielmals darbey ueber ihre ſubtile Fragen verwundert. Ich will aus Trieb der Warheit noch ein mehrers ſagen. Jederman weiß/ daß die He= (Die Hebrei= ſche Spra= che.) breiſche Sprache ſehr ſchwer zu faſſen/ als welcher die Goettlichen Geheim= niß gleichſam eingeſchaffen ſind. Ich bekenne/ daß ich von meiner Jugend auf viel Zeit darauff gewendet/ und daß ich noch wenig darvon gefaſſt; des= wegen auch noch taeglichs ein mehrers zu erlernen bemuehet bin. Paula aber hat dieſe ſchwere Sprache in hoechſter Vollkommenheit ſattſam begriffen/ [95] und haette ſie ein jeder/ der ſie die Pſalmen ſingen hoeren/ vielmehr fuer eine Ju= dith/ als eine Roemiſche Wittib gehalten.27. Ihre Tochter Euſtochia/ gleichet ihr in dieſem/ wie auch allen andren(Euſtochia.) Stuekken/ und wie ſie ihren Tugenden in dem Leben nachgefolgt/ alſo laeſſet ſie auch ſolche nicht nach ihrem Tod/ und hat ihre groeſſte Freude ın dieſer Welt/ wann ſie auch ihr Toechterlein die kleine Paulam hoeret GOttes Lob ſingen/ und ſie ſihet in ihrer Anfrauen/ deren Namen ſie traegt/ Fußſtapfen tretten.28. Was thuſt du aber meine Feder? Waruem haltſt du zu rukke von dem Tod zu ſchreiben/ welcher doch nur ein Durchgang zum Leben iſt. Bisher haben wir gleichſam in einer Windsſtille dahergeſchwebt/ nun ſtoſſen wir an einen Felſen; Wir hatten den Wind/ zu Dıenſten/ jetzt mueſſen wir Schiff= bruch leiden. Wir ſterben gleichſam aus Mitleiden mit Paula/ und(Mitlei den Hieronymi mit Paula.) wer kan ſie ohne Schmertzen auf dem Todbett liegen ſehen? Sie iſt in eine ſchwere Krankheit gefallen/ oder/ recht zu ſagen/ ſie hat das Mittel aus dieſer Welt zu ſcheiden erlangt. Wir ſind leider eines Theils ſo ſterblich/ als [96] die Seelloſen Thiere; anders Theils aber ewigunſterblich und ueber rdiſcher Natur. Man kan den Tod mit Fug blınd nennen/ weil er unter den From= men und Boeſen/ Reichen und Armen kein Unterſcheıd machet. Aber wol/ meine Feder/ was verzeuchſt du auch deine Schmertzenthrenen herauszu= ſchuetten.(Paulae Tod.) 29. Paula ſpuehrte/ daß ıhr langverlangtes Stuendlein herzukame. Sie ent= ſetzte ſich nicht/ ſondern freute ſich/ als ob ſie an ein Ort und zu eıner Geſell= ſchaft kommen ſolte/ da ſie alle Zeit geweſen: oder als ob ſie ein fremdes Land verlaſſen/ und in ihr Vaterland verreiſen ſolte. Sie ſagte: Nun werde ich bald ſehen/ das himmliſche Jeruſalem. Als ich ſie/ nach langem Stillſchweigen fragte: Ob ihr der Schmertzen die Rede gehemmet/ hat ſie geantwortet/ ſie were mit dem Schmertzen gar wol zu frieden/ weıl ſie ſolcher bald zu der ewigen Geneſung fuehren wuerde. Nach dergleichen kurtzen Reden hat ſie die Augen zugethan/ weil ſie die Welthaendel anzuſchauen ermuedet/ machte das Zeichen des heiligen Kreutzes auf den Mund/ zu bemerken/ daß [97] ſolches deſſen Zeichen/ welchem ſie in ihre ̅ Leben gefolgt/ auch das Siegel ihr= es Tods ſeyn ſolte. Als ihr der Odem faſt gebrechen wollen/ hat ſie angefang= en das Lob Gottes zu ſingen/ und die Todesklag in ein Freudenlied zu verwand= len/ bis ihr endlich der himmliſche Braeutigam geruffen/ deſſen Stimme ſie mit hertzbruenſtiger Liebe gefolget.30. Ihr Tod war ſo ſeelıg/ daß er keine andre als Freudenthrenen/ und die(Paulae Be= graebniß.) Uınſtehenden Lobpſalme zu ſingen/ verurſachet. Die Biſchoffe haben ſie zu Grabe getragen/ und in die Haubtkirche mit einer ſonderliche ̅ Leichbegaengniß/ anſehnlich begraben. Die Armen weinten/ weil ſie ihre Mutter verloren/ die Wittben/ und Jungfraue ̅ / daß ſie ihr/ wie in dem Leben auch in dem Tod nicht ſo bald folgen koennen/ ſie wurden aber alle getroeſtet/ durch ihr Leben/ welches ſie ihnen/ als einen Spiegel aller Tugenden hinterlaſſen.31. Der ſonſt plaſſe Tod/ hatte der Paulae Angeſicht keines Wegs ver=(Ihre Se???= ligkeit.) ſtellt/ daß man ſie vielmehr fuer ſchlaffend/ als geſtorben/ angeſehen. Sie iſt nunmehr in dem ewigen Leben/ und hat vns in dieſem Jammerthal hinterlaſſ [98] en. Wann wir ſie beweinen/ ſo ſcheinet/ als ob wir ihr ihre Freude miß= goennten.(Troſt.) 32. Troeſtet euch/ liebe Euſtochia/ in eurem Trauerſtand/ und ſeid ver= ſichert/ daß eure ſeelige Mutter nunmehr beſitzet/ was wir hoffen/ und daß ſie euch hat Gottes Gnade zum Erbtheil hinterlaſſen. Der Glaub wird ſowol durch ein Gottgefaelliges Leben/ als durch Marter und Pein bewaeret; jedoch (Maertrer Unterſcheid) mit dieſem Unterſcheid/ daß etlicher Maertrer Kron von dornigten und blut= farben Roſen/ etlicher ihre von weißreinlichen Lilien zuſammen gebunden/ und gewunden iſt: Daher nennet der Braeutigam ſeine Freundin rot und weiß/ und wil denen/ die in Frieden die Wolluſt ueberwinden/ ſowol die Siegeskrone ertheilen/ als denen/ welche mit den Tyrannen und Verfolgern ſtreiten. Eure Mutter hat Rom verlaſſen/ und ıſt zu Bethlehem angelangt/ wiederuem hat ſie Bethlehem verlaſſen/ und in dem ewige ̅ Jeruſalem das Burgerrecht erworbe ̅ .(Schluß.) 33. Meine liebe Tochter in dem HERRN Chriſto/ ich hab dieſe Lob= ſchrift/ in groſſer Betruebniß/ mit welcher ihr dieſer Zeit beladen/ zu Papier ge [99] ſetzet/ und hab ich die Feder unterſchiedlichmal wieder aus den Handen fallen laſſen. Meıne unbedachtſame Wort beglauben leichtlich/ daß ich keine Blum= en der Wolredenheit mit dem Trauer=Cypreß verbinden koennen. Dieſer Lob= ſchrift hab ich auch folgende Grabſchrift zu Bezeugung meiner Schuldgebuehr/ gegen die Verſtorbne/ anfuegen wollen.
34. Paula liegt in dieſem Grab/ welcher hohe Tugend Gab(Paulae Grabſchrift) war/ die Welt mit ihre ̅ Gaben/ niemals/ als fůr Arme/ habe ̅ . Ihr Geſchlecht und Adelſtand iſt fuer lauter nichts zu achten/ wil man/ nach Gebuehr/ be= trachten ihres Ehbands liebes Pfand ihre ̅ Tochter/ * die fuer allen Gottund Menſchen wolgefallen.(* Euſtochi= am.) Rom ward ihr nicht angenehm/ da ſie Ehr und Gut verlaſſen/ und ſich ůber ferne Straſſen/ hat gemacht nach Bethlehem.
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Dieſe ſtete Marmolſteine/ dieſer engbezirkte Platz dekten in dem kleinen Schreine einen uebergroſſen Schatz. Wo die weiſen Gott beſchenket/ lieget Paula eingeſenket. Der du hie fueruebergehſt/ denke/ daß ein gutes Leben/ kan ein gutes Ende geben. Lieber/ fall nicht/ wann du ſtehſt/ dann nach dieſer Eitelkeit folgt Erfreuen/ oder Leid!
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V. Des Kirchenlehrers Hieronymi Sendſchreiben an Laetam. Inhalt.
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Es hat ſich Hieronymus vor allen andern Kirchenlehrern bemůhet/ das Frauenvolk zu unterrichten/ damit jekein Laſter [102] in dem Haus der Huldgoettinnen wohnen moechte. In dieſem Sendſchreiben unterrichtet Hieronymus Laetam/ wie ſie ihre Tochter in der Furcht und Vermahnung zum HErrn auferzieh= en/ und ſie als einen Tempel aller Tugenden auszieren ſol. Es iſt aber zu wiſſen/ daß Toxotius vorermeldter Paulae Sohn ſich mit dieſer Laeta/ welcher Vater ein Heyd geweſen/ verehlichet/ und erzeugt ein Tochter/ mit Namen Paula/ von welcher můt= terlicher Unterrichtung/ und Anfuehrung zu allem Guten dieſes Orts die Frage waltet. Er weiſet ihr einen Weg zum ſtudiren/ aufwelchen die Roſen unter den Doernern zu finden. Er weiſet daß einer Tochter Wandel einig und allein von der Mutter= zucht herrůhre/ und gehet ſolche an bald von den erſten Kind= erjahren/ wie hier uemſtaendig folget.Meine Frau.(Chriſtin Eh) 1. Der Apoſtel Paulus ſchreibt an ſeine Corinthier/ daß eine Chriſtin/ [103] welche mit einem Heyden verehlichet/ ſich von ihrem Mann nicht ſcheiden ſol/(mit den Heyden.) weil ſie Gott zuſammen gefueget: ſetzet auch hinzu/ daß der unglaubige Man ̅ / durch das glaubige Weıb geheiliget werde/ als welche beede nicht zwey/ ſon= dern eins ſind. Im Gegenſtand kan auch ein unglaubiges Weib/ durch den glaubigen Mann geheiliget werden; Maſſen ſonſten ihre Kinder fuer unrein/ und nicht von dem Samen der Heiligen gehalten werden mueſſten. Dieſes iſt in eures Vaters Hauſe ſonderlich zu ſehen/ da eine ſueſſe Frucht aus einer bit= tern Wurtzel/ oder eın Balſam/ aus einem duerren Baumen entſproſſen: Ich will ſagen/ daß ihr aus ungleicher Ehe geboren/ und eurer Tochter die geiſtlich= en Gaben ertheilt/ welche ihr von eurem Vater nicht habt empfangen gehabt.2. Dıe Erfolgung hat unſre Hofnung uebertroffen/ in dem euer Vater ſich(Laetae Vat= ers Bekehr= ung.) zu dem Chriſtlichen Glauben bekehrt/ und in ſeinem hohen Alter den Catechi= ſmum zu lernen angefangen. Ich halte darfuer/ daß der Heyden ihre Helden/ die ſie fuer Halbgoetter gehalten/ ſich zu dem Chriſtlichen Glauben ſolten bekehr= et haben/ wann ſie taeglich in der Gemeinſchaft ſo vieler Chriſtlichen Haus [104] genoſſen ihr Leben verſchlieſſen ſollen. Wir werden nicht Chriſten geboren/ ſondern nachmals zu Chriſten gemacht/ und vermittelſt der H. Tauffe/ der Chriſtlichen Kirchen einverleibt. Wo zuvor die Goetzenbılder zu Rom geſtand= en/ ſuchet man jetzund die Spinnenweben/ und werden die Maertrer hoeher als zuvor die falſchen Goetter gehalten/ daß viel/ welche ſich der Warheit widerſetz= en wollen/ durch ſo vieler Exempel zu dem Chriſtlichen Glauben gebracht werden.(Laetae Toch= ter.) 3. Wie ihr nun eine Tochter eures Glaubens erlangt/ als iſt nicht zu zweif= feln/ es werde ſich auch euer Vater in die Schos der Chriſtlichen Kirchen be= geben/ und ein Haubt ſeyn ſeiner gleichgeſinnten Glieder. Bey Gott iſt kein Ding unmueglich/ und iſt die Bekehrung niemals zu ſpat und niemals unzeit= tıg/ zu geſch weigen des Schechers am Kreutz/ des Koenigs Nebueadnezars und andrer/ ſo will ich nur ſagen von eurem Ohm/ dem Gracchus/ welcher ſich neulich tauffen laſſen/ und wider ſeinen verlaſſnen Irrthum Chriſtlichſt ???ifert.
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4. Die Herren dieſer Welt fuehren heut zu Tage die Kreutzfahnen/ und ſind gute Streiter des HErrn Chriſti. Unſre heilige Religion erſtrekket ſich nun=(Ausbreit= ung des Ev= angelii.) mehr bis in Indien und Perſien. Weıl ihr eure erſte Tochter Gott der ſie euch gegeben/ wiedergegeben/ will ich hoffen/ daß er euch noch mit mehr Kindern ſegnen werde. Seine Guete laeſſet ſich von eurer Freygebigkeit nicht ueberwinde ̅ .5. Samuel war in dem Tempel auferzogen/ damit die Gottesfurcht von(Kinder= zucht.) Jugend auf ſeinen Sitten angewehnet und er zu ſeinen Dienſten gewidmet wuerde. Johannes der Tauffer fuehrte ein ſtrenges Leben/ dardurch er tuechtig worden dem HERRN aller Herren den Weg zu bereiten. So ſoll man die Kinder von den Kındſchuen an (wie man zu reden pflegt) zu der Gottesfurcht anweiſen/ vnd von aller eitlen Weltliebe abfuehren. Ihr Geſpraech ſol aus rein= en Hertzen entſpringen/ und mit allem ihren Thun und laſſen uebereinſtimmen/ boeſe Wort und Narrentheidung ſollen ſie noch geſehen/ noch gelernet haben/ und was wieder die Ehre Gottes iſt/ ſol ihnen gaentzlich unbewuſt ſeyn; Hin= gegen aber mit der Rede die Pſalmen und Haubtſtuekke des Chriſtliche ̅ Glaub= ens gelernet haben.
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(Unterricht der Kinder.) 6. Von aller boeſer Geſellſchaft ſol eure Tochter entfernet ſeyn/ und auch die mueſſige Zeit in nutzlichen Spielen anwende ̅ : zu welchem Ende/ ihr Buch= (ſolche Buch= ſtabwuerffel ſind hie zu Nuernberg bey Paulus Fuerſten zu kauffen.) ſtabwuerffel koent machen laſſen dardurch die Buchſtaben leichtlich zu faſſen/ und die Sylben znſammen zu fuegen kan gelehret werden. Gleicher Weiſe kan man auch das Schreiben nach einer feinen Lehrart weıſen/ ihr erſtlıch die Hand fuehren/ die Buchſtaben vormahlen/ Linien ziehen/ und die begangenen Fehler weiſen. Bey beeden aber ſie beſchenken mit einer Kindergabe/ und mit ihres gleichen in die Wette leſen und ſchreiben laſſen/ damit ſie von Jugend auf lerne nach Ehren ſtreben/ und die Schande vermeiden.(Luſt zu ler= ???en.) 7. Sehet/ daß ſie in aller Lernung bey Luſt bleibe/ und ſolche nicht aus knechtiſchem Zwang/ ſondern aus freyem Willen unterneme. Ihr Gedaecht= niß ſol/ vor allen Dingen/ mit heiligen Worten aus Goettlicher Schrift ange= fuellet werden/ welche ıhr die Zeit ihres Lebens/ ein reicher Zehrpfenning ſeyn werden. Erwehlet ihr einen Lehrmeiſter/ der nechſt groſſer Wiſſenſchaft/ ein unſtraeffliches Leben fuehre/ und vom verſtaendigen Jahren ſey. Auf ſo geringe Sachen kan man wichtigere Anweiſung ſetzen.
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8. Man muß auch die Ausrede/ oder die Ausſprache der Woerter beob=(Ausrede der Sprachen.) achten/ weil es ſehr uebel ſtehet ſchoene Wort unrecht/ grob/ unvernemlich oder unverſtaendig reden oder ſchreiben. Eure Tochter/ meine Frau/ ſol ſich nicht an unnuetzes Geſchwaetz/ noch an koeſtliche Bekleidung gewehnen; weil dieſes(Betleidung) ihrem Stand/ und jenes ihrem Verſtand hoechſtnaehtheilig iſt. Sie ſol auch nichts/ in der Jugend lernen/ was man in dem Alter wieder vergeſſen ſol. Gracchus ſol von ſeiner Mutter/ und Hortenſius der treffliche Redner von ſeinem Vater die Wolredenheit erlernet haben. Es iſt ſehr ſchwer die erſte ̅ Lehr= ſaetze aus der Gedaechtniß zu leſchen: wie man den Scharlach nicht bleichen/ und aus dem Gefaeß den erſten Geſchmakk nicht wol bringen kan. Dem Boeſen ahmt man leichtlıch nach/ und iſt unſre verderbte Natur eh zu den Laſtern/ als den Tugenden geneigt.9. Euerer Tochter Paulae Seugamme oder Warterin ſol keinen Wein(Seugam ̅ en) trinken/ eines froelichen/ aber keines leichtfertigen Sinnes ſeyn/ von wolſtaendi= gen Geberden/ ſittlicher Beſcheidenheit/ und kurtz zu ſagen mit allen begabt. [108] Von dieſer ſoel Paula lerne ̅ jederman angenem/ niemand beſchwerlich zu ſeyn/ auf daß ſich ıhre liebe Eltern ueber ihr erfreuen/ als ueber einer ſchoenen Roſen/ welche in den Paradeisgarten ſol verſetzet werden Paula ſol alle Tugenden ihr= (Exempel der Tugen= gen.) er Mutter und Anfrauen abſehen/ und denſelben nachfolgen/ daß ihre Kleid= ung/ ihre Tugenden und Lebenswandel ſie taegliche erinnere/ daß ſie dem hım ̅ = liſchen Braeutıgam vertraut ſeye.(Welthaend= el.) 10. Huetet/ daß ihr Ohr nıcht durchboret werde mit vielen Welthaendeln/ daß ſie keine Knechtin werde der Eitelkelt/ und ihre Seele angefeſſelt werde von den fleiſchliſchen Begierden. Erinnert ſie/ daß ſich keine einfaeltige Chriſtin ſich mit gutem Gewiſſen ſchminken koenne/ und weil ſie ſol eine Perle unter den Hei= ligen ſeyn/ ſo hat ſie noch Gold/ noch Edelgeſteine nıcht vonnoehten/ und daß ſie alles verkauffen/ und das edle Perle des ewigen Lebens einkramen ſoll.(Eli Soehne.) 11. Hat Eli wegen ſeiner Soehne/ die bereit bey mannlichem Alter geweſ= en/ ſo harte Straffe ausſtehen mueſſen; wie vıelmehr werden die Eltern ihrer minderjaehrigen Kinder Schuld tragen mueſſen/ welchen ſie den Daumen auf [109] dem Auge halten/ und ihren Verſtand gleich einem Wachs bilden und geſtalt= en koennen. Ihr nehmt wol in Acht/ daß eure Tochter von keiner Otter geſtochen werde: Waruem huetet ihr nicht auch vor der hoelliſchen Schlangen/ und den Drachen/ deſſen Weib aller Welt den Kelch des Verderbens darbıetet. Laſſt ſie nicht wie die Dina ausſchwantzen/ wann ſie nicht ſolcher geſtalt wieder nach(Dina.) Haus kommen/ und von den Toechtern des Lands verfuehret werden ſol? Ihr erlaubt ihr das Dantzen/ dardurch ſie deſto eh in die Hoelle ſpringen wird. Ihr bekleidet ſie praechtig/ damit ſie deſto eh ſol verheuratet werden. Man miſchet Gift unter Hoenig/ des Verderben ſo viel beliebter zu mache ̅ . Das Laſter treugt auch nicht/ als unter dem falſchen Tugendſchein.12. Wan ̅ Paula ein wenig aelter wird/ und an Alter und Verſtand zunehm=(Paulae Ju??? end.) en wird/ ſol ſie von ihrer Mutter fleiſſig zu der Kirchen gefuehret werden. In dem/ das ihres Vaters iſt/ ſol ſie alles andern vergeſſen/ daß man ſie nicht ſind als in dem Heiligthum Goettlicher Schrift/ und nicht unter den Geferten/ die von dem himmliſchen Jeruſalem zurukke kehren. Sie ſol gedenken und reden [110] von der geiſtlichen Verwandſchaft/ und damit ausleſchen alle feurige Pfeile des Satans/ und des verfuehriſchen Fleiſches. Sie ſol ſich von dem Engel in der Einſamkeit finden laſſen/ wie die heilig Jungfrau Maria/ die erſchrokken/ als ſie des Engels Gabriel/ als einer ihr unbekanten Mannsperſon/ anſichtig worden. Ihre Liebe ſol Geiſtlich ſeyn und ſtaerker als der Tod.(Paulae Zucht.) 13. Eure Tochter ſol ſich auf keinen Gaſtereyen und Hochzeiten befinden/ damit ihr in dem leichtgewohnten Uberfluß das Faſten nicht unertraeglich falle. Ich weiß wol/ daß etliche fuer eine groeſſere Tugend halten eine gegen= waertige Wolluſt verachten und meiden/ als ſich derſelben abweſend nicht ge= luſten laſſen. Ich halte aber fuer ſicherer/ daß eine Jungfrau gar nıcht wiſſe/ was ſie verlangen ſol; als nicht verlangen/ was ſie weiß/ und ihr nicht zu wiſſen geziemet. Es iſt ſo ſchwer/ als unmoeglich die fuerſtehende Gewonheit auswurtzeln. Die Gewonheit wird der Natur gantz aehnlich/ und iſt maechti= (Weintrink= en.) ger als unſer Will. Eure Tochter ſol keınen Wein trinken/ weil ſie das Ge= luebd der Keuſchheit in dem Sinn hat/ ſol ſie die Mittel der Unkeuſchheit ver [111] meiden: Es ſey dann/ daß ihr bloeder Magen ein wenig Weins erfordere/ und zu ihrer Geſundheit noehtig ſeye. Ich fuerchte/ eure Tochter moechte erkranke ̅ / wol= te ſie aber nicht gerne zur Ungebuehr verleitet wiſſen. Es ſind vielerley Speiſ= en: Eine Jungfrau aber ſol ſich aller niedlichen enthalten. Das Glas glaentzet wol/ aber das Edelgeſtein noch vielmehr. Eine Jungfrau vom vornemen Ge= ſchlecht ſol ſich ihrem Stand gemaeß verhalten/ noch vielmehr aber/ wann ſie in Geſellſchaft der Heiligen/ von der Welt entfernet/ zu leben geſinnet iſt. Auf den Muſicaliſchen Inſtrumenten ſpielen ſtehet ihr nicht wol an: ſie wende ſolche Zeit auf die Leſung der H. Schrift. Sie mag etliche Griechiſche Verſe(Griechiſche Sprache.) lernen/ jedoch daß ſie der lateiniſchen Sprache nicht vergeſſe/ ſondern ſelbe rein= lich und wol ausſpreche. Ihr ſolt ihre Mutter und Lehrmeiſterin ſeyn/ daß ihre unverſtaendige Jugend/ durch euren reifen Verſtand geregiret werde. Huetet euch/ daß ſie ja an niemand etwas ſuendliches ſehe/ dardurch ſie moechte geaer= gert/ oder zu boeſen Gedanken veranlaſſt werden: Maſſen ſie mehr durch eure Werke/ als durch eure Wort zu lernen haben ſol. Die Blumen ſind ſchoen/ [112] verwelken aber bald. Ein kleiner Wind kan die Lilien und Violen zu Grund richten/ und ein kurtzes Ungewitter machet das ſchoenſte Blumenfeld zu ſchan= den. Ich will ſagen/ daß eure Tochter ein unſchuldiges Leben fuehrt/ und in den= ſelben erhalten ſol werden.14. Eure Tochter ſoll ohne euch nicht aus dem Hauſe gehen/ und ihr ſolt (Paulae Ge= ſellſchaft.) ſie nicht aus den Auge ̅ verlıeren/ damit ſie ihren guten Leutmund nicht zugleich vierliehre. Ohne euch ſol ſie auch nicht in die Kirchen gehen/ und alle Oerter fuer verdaechtig halten/ wo ihre Mutter nicht iſt. Sie ſol ihr die Juenglinge nicht gefallen laſſen/ welche mehr fuer ihre krauſſe Haare/ als fuer ıhre Seele ſorgen/ und in die Kırchen gehen/ nicht dem Gottesdienſt/ ſondern ihren Bulſchaften beyzuwohnen. Nach ſolchen Goetzendienern der Liebe/ ſol ſie ſich nıcht uemſehen/ und ihre Gedanken in dem Heiligen/ auf das Unheilige wenden. Sie ſol ihrer Dienerin nicht heimlich in das Ohr reden/ damit man nicht offentlich uebel von ihr rede. Sie ſol viellieber fuer traurig und Gottsfuerchtig/ als fuer froelich und leichtfertig wollen angeſehen werden. Sie ſol haſſen alle Geſellſchaften/ welche [113] ſich zum Verderben auszieren/ und lieber weltlich ſingen/ als geiſtliche Fruech= te bringen wollen. Ihr koent eure Tochter einer ehrlıchen betagten Jungfrauen anbefehlen/ welche gewohnt iſt mehr mıt GOtt in dem Gebet/ als mit dem Menſchen/ auf dem Markt zu reden. Sie ſol alle Stund ſich der Ewigkeıt/ un ̅ deß Tods erinnern/ ſo wird ſie allen boeſen Geluſten obſiegen koennen.15. Beten und leſen ſol ihre groeſſte Beſchefftigung ſeyn/ ſo wird ihr die(Paulae Ar= beit.) Zeit nicht lang werden. Wann ſie aber von ſolcher geiſtlichen Arbeit ablaeſſet/ ſol ſie nehen/ ſpınnen/ wirken/ und niemals mueſſig geſehen werden. Ihre Be= muehung aber/ ſol nicht zur Hofart/ und ſtoltzen Pracht/ ſondern zur Noht= durft gewidmet ſeyn.16. Ich kan nicht rahten/ daß ſie gar zu viel faſten ſol/ weil eine ſo ſchwache Perſon in zuwachſenden Jahre ̅ einer Staerke vonnoehte ̅ hat/ und einer gebuehr= lichen Nahrung/ welche noch zu wenig/ noch ueberflueſſig iſt. So viel eſſen/ daß man in der Arbeit beharren/ und dem Gebet abwarten kan/ iſt fuer Gott/ und den Menſchen zulaeſſig/ dıe andre gantze Zeit des Jahrs/ iſt man verpflichtet [114] maeſſig zu leben: Zu der Faſtenzeit aber ſol man faſten/ und ſich undeulicher Koſt enthalten/ damit die Andacht nicht verhindert werde.(Jungfraue ̅ boeſe Geſell= ſchaft.) 17. Wann ihr auf das Land verreiſet/ ſo laſſet eure Tochter nicht hinter euch/ damit ſie nicht Gemeınſchaft habe mit den thoerichten Jungfrauen/ oder die Welt liebgewinne und ſich von Gott abwende. Eine Jungfrau ſol ſich oh= ne Scheu und Erroeten nıe entbloeſſen/ wan ̅ ſie auch gantz allein ın ihrem Zim= mer iſt/ und von niemand geſehen wird/ durch das Gebet/ und Betrachtung der Ewigkeit/ wird ſie alle boeſe Begierden daempfen/ und ausleſchen koennen.(Geiſtliche Buecher.) 18. An ſtatt der Seiden und Perle/ ſol Paula die heiligen Buecher lieben/ und in denſelben die Beyſpiele der Gottesfurcht/ Troſt/ Lehren und War= nungen. Aus den Pſalmen ſol ſie mit den Engeln ſingen/ denen ſie gleich wer= den wird. Aus den Spruechen Salomonis ſol ſie klug/ und aus dem Buch Jobs gedultig werden. Aus dem Prediger Salomons ſol ſie lernen die Eitel= keit verachten/ und die beſtaendige Himmelsfreude ueber alles hoch achten. Die H. Evangelia ſollen ihr in unentfallenem Angedenken beharren/ weil ſie hand [115] len von dem Leben ihres Seelenbraeutigams. Die Geſchichte der Apoſtel ſollen ihr nıcht unbewuſt ſeyn. Sie kan auch die Prophetenleſen/ derſelben Haubt= ſprueche und Weiſſagungen von dem Meſſia auswendig lernen/ und auch an= dre Stukke der H. Schrift zu ihrer Unterrichtung durchſuchen. Bey dieſen wird ſie der Fabelbuecher leichtlich vergeſſen.19. Zuletzt kan ſie auch leſen das Hohelied/ damit ihre Gedanken nicht ver= letzet werden/ indem ſie verſtehet/ daß die geiſtliche Vermaehlung der Chriſtlich= en Kirchen/ mit faſt fleiſchlichen Worten ausgedrukkt wird. Die H. Schrift begreifft nichts Boeſes/ aber viel Geheimes/ ſo nicht alle verſtehen.20. Ihr moecht vielleicht ſagen/ daß Rom/ und mein Bethlehem/ die Ein= oede und der Weltwandel von gantz unterſchiedener Beſchaffenheit ſind/ und ungleicher Belernung untergeben. Solte nun eure Tochter/ welche ihr Gott gelobt/ beſagter maſſen nicht koennen angewieſen werden/ ſo ſchikket ſie zu mir/ wo ihre Anfrau begraben lıeget. Schenket dieſe Perle in die Kirche der Jung= ſrau Marie/ und weil ſie nicht ſol in der Welt leben/ was ſol ſie unter den vereh [116] lichten leben/ die ſie eine Jungfrau ſterbe ̅ ſol? Ihr Geluebd wird ſie zu der En ̅ g= (Kloſterge= luebd.) elgeſellſchaft bringen/ und von den Menſchen entfernen.21. Schlieſſlich koent ihr euch einer ſorgſamen Obacht entheben/ wann ihr meinem Raht folgen wollet/ vertrauet ſie der Euſtochia/ daß ſie aus ihrem unmuendigen Munde/ Gottes Lob zurıchte. Ihre Tugend wird ihr eine ſtets vor Augen ſchwebende Lehre ſeyn. Ihre Froem ̅ keit ſol ihren Adel zieren. Ich hoffe/ ihr ſolt mit eurer Tochter den Weg nach Bethlehem antretten/ und ihr eurer Mutter/ ſie aber ıhrer Anfrauen nachfolgen.22. Weil aber eine Frau ihres Leibs Herr nicht iſt/ und ein jeder Menſch ſchuldig iſt/ in dem Stand zu verharren/ in welchen ihn GOtt geſetzet hat/ ſo (Hier???ny= mus wil Paulae Zuchtmei= ſter ſeyn. Schluß.) gebet Gott eure Tochter weil ihr euch ſelbſten noch nicht gaentzlıch ergeben koen= net/ wie auch Hanna gethan/ an den jungen Samuel/ und dargegen noch drey andre Kinder empfangen. Folget ihren Glauben/ und ſendet die kleine Pau= lam zu mir/ ich will euer Kind in meinem hohen Alter/ mit aller Freudigkeit unterrichten. Ich will mich gluekkſeliger ſchetzen/ als Ariſtoteles/ der den groſſen [117] Alexander unter ſeiner Zucht gehabt/ welcher gantz Babylon bekrieget: Ich aber werde eine Dienerin des HERRN aller Herren/ und des Koenigs aller Koenige lehren die nichtige Welt beſiegen/ und den Himmel erlangen.

VI. Sendſchreiben Des Kirchenlehrers Hieronymi an Aſellam. Inhalt.
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Der Schatten folget dem Leib/ wie der Neid der Tugend/ [118] die Boeſen wollen die Frommen beſchreit machen/ ihre Boſ= heit zu entſchuldigen. Ihre loeblichſte Werke wollen ſie frevler Weiſe beſchmůtzen. Die Verleumdung iſt biſſig/ kan aber mit ihren Zaenen nit auf der Unſchuld hafften. Hieronymus hatte zu Rom gar zu viel Gutes gethan/ daß er nicht Boeſes dargegen haette empfahen ſollen. Man hat ihn einen Verfuehrer genennet/ weil er etliche vornehme Weiber zum geiſtlichen Wandel ge= fuehret/ unter welche ̅ geweſen Paula/ Euſtochia und Melania. Man hat ihn genennet einen Heuchler/ und einen Buler/ der die fleiſchliche Liebe mit Geiſtlichkeit bemaentle/ und ſie durch ſol= che Liſt zu ſeiner Einoede verleitet habe. Dieſe Luegen konte Hi= eronymus nicht ſtillſchweigend bejae ̅ / und ob er wol ſeine Fein= de liebte/ ſo muſſte er doch ihrer unverſchaemten Falſchheit wi= derſprechen: ſchreibt deswegen zu Steuer der Warheit/ an A= ſellam mit groſſem Eifer; Zwar kurtz/ aber ſehr dringend und [119] nachſinnig. Welche wollen Theil haben an der frommen und heiligen Frauen Ruhm/ můſſen ihren Tugenden nachfolgen/ damit ſie ihre Lobſprechere nicht zu Lůgnern machen.Meine Frau.1. Ich wuerde mich ſehr betruegen/ wann ich hoffte eure mir erwieſene Wol=(Eingang.) thaten mit ſchuldiger Dankbarkeit zu erwiedern. Eure Gutthaetigkeit were ver= lohren/ wann ihr nicht fuer GOtt/ ſeinem Diener vielmals wolgethan/ und deſſen Wiedergeltung von dem Richter der Toden und Lebendigen zu erwart= en haettet. Er kan eure Gewogenheit gegen mich/ mit goettlichen Gnaden wie= dergelten/ und euch nach eurem Verdienſt/ ja ueber eure Verdienſte ſegnen/ ſchuetzen/ und mit reıchen Gaben erfuellen. Ich achte mich eurer hohen Wol=(Wolthaten Aſella???.) thaten gantz unwuerdig/ indem ich betrachte/ wer ıhr/ und wer ich bin: ſehe aber wol/ daß ihr vielmehr unſren aller Schoepfer und Erloeſer/ als mich armen Menſchen fuer Augen: Lobe deswegen euren Verſtand und Eifer zur War [120] heit/ daß indem mich andre ſchaenden und ſchmaehen/ ihr euch meiner annem= en/ und ihrem frevlen Begin ̅ en widerſetzen wollen. Es iſt gefaehrlich von einem (Berleum= der.) fremden Knecht urtheilen/ und denen uebel nachreden/ die uns nicht angehen/ und nicht ſattſam bekant ſind/ wann ſie auch die geringſten Perſonen in der Welt weren. Es wird die Zeit kommen/ daß der rechte Raecher mich an mein= en Feinden raechen wird/ dem ich die Sache heimſtelle. Man nennet mich ein= en Verfuehrer/ Betrueger/ Luegenprediger/ etc. und vermeinen etliche/ ſie ſind mir gnaedig/ daß ſie mich nicht auch der Zauberey beſchuldigen Wann die Schul= dige dergleichen Laſter fuer unſchuldig halten/ ſo mueſſen die Unſchuldigen der= ſelben beſchuldiget werden.(Falſche Freunde.) 2. Etliche grueſſen mich mit ihren vergifften Otterzungen/ ſie betraurten mit dem Munde meinen Unfall/ und erfreuten ſich darob in den Hertzen: aber Gott lachet ihrer/ und der HERR ſpottet ſolcher Spoetter. Der eine ta= delte meinen Gang/ der andre meine Geberden/ etlichen lachteich nicht recht. Ich hab drey Jahre mıt dieſen Heuchlern gelebt/ ſie haben mir aber nichts un [121] rechts nachſagen koennen. Ich hab Frauen und Jungfrauen die H. Schrift erklaeret/ daß ſie andre weltliche Buecher aus den Haenden legen ſolten/ und bin dahero mit ıhnen zu vertreulichem Geſpraeche veranlaſſt worden. Man ſage mir aber/ ob jemals ein Wort/ oder ein Werk von mir gehoert/ oder geſehen werden/ welches einem Chriſten nicht geziemet. Hab ich jemals einen Heller von einer empfangen? Hab ich nicht groſſe und kleine Geſchenke gleicher Wei=(Entſchuldi= gung Hie= ronymi.) ſe ausgeſchlagen? Hab ich andrer Gu@ter an mich gezogen? Hab ich auch zweydeutiger Woerter gebraucht? Hab ich jemals einen buleriſchen Anblikk ſchieſſen laſſen/ und hab ich jemals mich anderſt verhalten als meines gleıchen wol anſtehet. Man tadelt/ daß ich eine Mannsperſon bin/ und habe Paulam und Melaniaın nach Jeruſalem reiſen machen: wann ſie nach Babylonien gezogen weren/ wuerden mich loben/ die mich jetzund ſchaenden.3. Die meınen Feinden Glauben zugeſtellet/ werden ſchwerlich der War= heit glauben Wann man einen an die Volter leget/ ſo ſagt er eh die Warheit/ als wann man ihn mit lachendem Munde fraget. Die Welt glaubet allezeit(Welt glaubt den Luegen.) [122] der Falſchheit am liebſten/ und man beſtellet oft falſche Zeugen/ die Warheit zu hintertreiben. Etliche haben mich fuer den kuenftigen Pabſt halten wollen/ weil ich mıt der Paula/ die wegen ihres heiligen Lebens Weltberuehmt/ Freund= ſchaft und Kundſchaft gepflogen.(Entſchuldi= gung Hiero= ny???i.) 4. Es trette aber einer auf/ und erweiſe/ daß ich die Zeit meines Lebens mit einer verdaechtigen Weibsperſon Gemeinſchaft gehalten/ wie andre Welt= linge und Wolluſter/ oder daß ich mir belieben laſſen koeſtliche Kleider/ Perlen/ Schmukke/ oder ſchoene Angeſichter/ welche mir wolgefallen unter allen Weib= ern/ ſind die Froemſten/ Bußfertigſten und Gottsfuerchtigſten geweſen. Ich hab die Faſtenden und Betenden mit bruederlicher Liebe gebuehrlich vermahnet/ und kan ueber ihrer Ehre nicht zu Schanden werden.(Neid.) 5. Ich ſihe aber wol/ daß der Neid mich ſo wenig als andre verſchont/ und der Satan iſt ſo boeß/ daß er auch die Unſchuld der Heiligen verdaechtig mach= en wil. Von Paula und Melania redet man zu Rom uebel/ weil ſie wol gelebt/ die Reichthum der Welt gegen den himmliſchen Schaetzen verachtet/ und von [123] den Gottloſen abgeſondert hab/ wann ſie ſich der Welt gleich geſtelt/ ſo weren ſie in ihren Wuerden geblieben: Nun ſie aber Trauerkleider und Saekke angezo= gen/ ſagt man/ ſie wollen dardurch fuer ſchoener angeſehen werden/ und dieſes iſt ihr Dank bey dem Volk.6. Wann ihr Leben von den Heyden oder Juden geſchaendet wuerde/ ſo mueſſte ſie fuer eine Ehre achten denen zu mißfallen/ welche unſren Erloeſer ver= achten und verlachen. Aber die Chriſten verfolgen Chriſten/ und ſehen einen(Chriſte ̅ wer= den von Chriſten be= truebt.) Splitter in ihres Mitbruders Auge/ aber des Balkens in dem ihrigen werden ſie nicht gewahr. Sie gedenken ſich zu rechtfertigen mit andrer Leute Unge= rechtigkeit; andrer Schande halten ſie fuer ihr Lob/ und machen ſich fremder Suende theilhaftig die ihrigen zu entſchuldigen.7. Ich muß mit dieſen Leuten reden/ welche ich doch nicht alle kenne. Ihr(Hieronymi Feinde.) Herren/ ihr vermeinet euch durch taegliches Waſchen zu reinigen/ und es ver= bleibet doch der Unflat in dem Hertzen. Ihr eſſet das Fette von der Herde/ ich laſſe mich mit Bonen ſaettigen. Ihr beluſtiget euch in Geſellſchaften derer/ [124] welche lachen und froelich ſeyn; ich aber finde meine Freude bey denen/ die weinen und trauren. Ihr trachtet nach ander Leute Guetern; die Frauen/ wel= che ihr ſchmaehet/ verlaſſen alles zeitliche Haab/ das ewige zu erlange ̅ . Ihr trin= ket Wein/ ſie trinken Waſſer. Ihr vernemet daß ihr alles/ was ihr nicht in dieſer Welt habt verlieret/ und haltet euch fuer arm/ wann ihr nicht in Uber= fluß ſchlemmen und demmen koent: Sie hingegen/ ſorgen nicht fuer des Gegen= waertige ſondern fuer das Zukuenfftige/ und wollen nicht die Bequemlichkeit des Zeitlichen/ ſondern des ewigen Guts. Unſre Weiſe zu leben mißfaellt euch/ und eure Weiſe zu leben kan uns auch nicht gefalle ̅ . Unſere Thorheit iſt Weiſ= heit/ und eure Weiſheit iſt Thorheit fuer Gott.8. Dieſes/ meine Frau/ hab ich zu Papier geſetzet/ als ich wegfertig abzu= ſeglen. Meine Threnen haben meine Schrift faſt ausgeleſcht/ und hab ich (Rechtmaeſk= ſiger Zorn.) mich kaumlich des Zorns/ aus rechtmaeſſigen Urſachen/ enthalten: doch achte ich fuer ein Gnadenzeichen/ von der Welt gehaſſt zu werden. Bittet Gott fuer mich/ daß er mir wiederuem nach Jeruſalem helffen wolle. Ich hab einen Eſ [125] dra vonnoehten/ der mich aus dem Elend wieder in mein Vaterland fuehre. In= zwiſchen hab ich unbedachtſam verfahren/ daß ich dem HErrn ein Lied ſingen wollen/ als ich von Sion entfernet geweſen. Ob mich gleich viel fuer einen Ub= elthaeter halten/ ſo hab ich doch die Ehre einen Titel zu erlangen/ welchen mein Erloeſer auch unſchuldig hoeren mueſſen. Dergleichen haben auch die Apoſtel erfahren Wen ſolte wol verdrueſſen/ mit ſo guter Geſellſchaft etwas zu leiden.9. Schlieſſlich/ erfreue ich mich/ daß ich auf allerley Weiſe verſuchet wer=(Gruß.) de/ aber doch nicht ueber meine Kraeften. Unter den Kreutzfahnen hab ich zu viel/ und zu wenig erlitten: Zu viel als ein Menſch/ zu wenig als ein Chriſt. Manhat mich mit einer ſchaendlichen Verleumdung beſchmuetzen wollen/ ab= er ich weiß/ daß man ſowol durch Unehre/ als durch Ehre muß probiret wer= den. Laſſet euch gefalle ̅ / daß ich hierbey grueſſe die frommen Frauen/ welche bey euch ſind/ die ich die meinen in Chriſto nenne/ wann es auch der Welt nicht gefaellt. Wann ſie von mir reden/ ſo ſagt ihnen/ daß wır einander fuer den Richterſtuel Chriſti ſehen werden/ da alle verborgene Menſchen=Gedanken [126] eroeffnet werden mueſſen. Zum Beſchluß/ meine Frau/ bitte ich/ ihr wollet mein= er nicht vergeſſen/ wie ich auch eurer Tugend allezeit gedenken werde. Ich gehe zu Schif/ ich werde der Gefaehrlichkeit des Meers erfahren mueſſen: Aber ich hab zu Land das Wetter der boeſen Zungen auch erfahren mueſſen Ich vertraue aber/ daß eure Fuerbitt/ mir mıtte ̅ in den Wellen eine Windſtille zuwegenbring= en werde/ und daß ich allem Ungluekk werde obſiegen/ ſo lang Aſella ihre Haen= de empor halten wird. Gedenket an Hieronymum den geringſten unter den Dienern Gottes: Ihr werdet euch noch mehr verbinden dem/ der ſich fuer unwuerdig ſchaetzet/ neben euch einem ſo groſſen Herrn zu dienen.ENDE.
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I. Ordnungsregiſter. Anmerkung.
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Weil dieſer VII. Theil der Geſpraechſpiele handelt von der Bild= kunſt/ und vielen unterſchiedlichen Fragen; iſt die Zu= ſchrift/ auf jene/ die Vorrede aber auf dieſe gerichtet; al= lermaſſen dergleichen auch in vorhergehenden Theilen beobachtet worden.
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I. Ordnungsregiſter. Begreiffend Die Spiele dieſes ſiebenden Theils/ benebens den verhandlenden Fragen.
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In der Vorrede: 1. Ob muendlıcher oder ſchriftlicher Unterricht der Jugend vortraeglicher ſey?Die Spiele.@ I. Das Schauſpiel zu Roß.CCL@ II. Die Entſchuldigung.
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@ 2. Waruem dıe Thiere ſchreyen/ wann ſie geſchlagen/ oder ver= @ wundet werden?@ 3. Ob das Gold/ oder das Eiſen eın ſtaerkeres Metall ſey?@ 4. Ob ein ruehmlıcher Ehrgeitz koenne gefunden werden?@ 5. In welchen Landen die Leute am laengſten leben?@ 6. Was auf die Traeume zu halten ſey?@ III. Die Bildkunſt.CCL@ IV. Die Seeligkeiten der Chriſiglaubigen.@ 7. Welches das vortrefflichſte Glied des menſchlichen Leibs.@ V. Heroldkunſt.@ 8. Ob die Edelleute Kaufmannſchaft treiben koennen?@ VI. Sinnbilder.@ 9. Ob eine Sprache zu erfinden/ die alle Menſchen verſtehen.@ 10. Welches die Sinnreichſten Leute in der Welt?@ VII. Der Wahnwitzige Schaefer.
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@ 11. Ob die Seelen/ nachdem ſie von dem Leib abſcheiden/ in @ andern Leıbern leben koenten?@ VIII. Das Lehrgedicht.@ 12. Waruem ein jeder vermeine/ er ſey der Verſtaendigſte?@ 13. Ob eine Gewißheit in den Wiſſenſchaften?@ IX. @@ das Liecht.@@@ 14. Waruem die Bren ̅ ſpiegel von Staal CCL@@@ gemacht werden?@ X.@@ das Firmament.@ XI.@ Salomons Haus@ 15. Was von der Chimia zu halten?@@@ die Erde.@@@ 16. Waruem die Kraeuter gruen?@ XII. @@ der Himmel.@@@ 17. Ob die Sommer= oder Winterszeit @@@ dıe geſundſte?
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@ XIII. @@ das Waſſer.@@@ 18. Waruem das Eis haerter und leicht= @@ Salomons Haus@ er/ als das Waſſer?@ XIV.@@ die Thiere.@@ 19. Ob die Weiber Edler als die Maen= @@ ner?@ XV. Reyenfragen.CCL@ 20. Welche des Menſchen groeſte Freude auf der Welt ſeyn @ ſol?@ 21. Ob Tugend oder Wiſſenſchafthoeher zu ſchaetzen?@ 22. Ob man laenger Hunger oder Durſt leiden koenne?@ 23. Ob die Frantzoſen fuer leichtfertig zu achten?@ 24. Ob die Menſchen von Natur leichter zum Boeſen oder @ Guten geneiget ſind?@ 25. Ob die Wıſſenſchaft mehr zu Laſtern/ od’ zur Tugend leite?
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@ XVI. Die Betrachtung.@ XVII. Reyengemaehl.@ XVIII. Hoerner.@ XIX. Reyenreimen.@ XX. Geſchichtreden.@ XXI. Reuen und Freyen.@ 26. Ob den Verſtaendigen die groeſten Thorheiten begegnen?CCL@ 27. Ob beſſer die boeſen Lueſtneigungen des Gemuets zu be= @ herrſchen oder ſelbe nicht empfinden?@ XXII. Geſpenſter.@ 28. Was von den angehengten Zetteln fuer das Fieber/ und @ andre Krankheiten zu halten ſey?@ XXIII. Reyenfragen.@ 29. Ob eine Kunſt ſey/ uem das Zukuenftige zu lernen?@ 30. Welche Gemuetsneigung des Menſche ̅ billigſt zu entſchul= @ dıgen?
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@ 31. Ob man mehr Vertrauen ſol dem/ der uns/ oder dem/ @ ſo wir Gutes erwieſen?@ 32. Ob in Geſellſchaft der angenemer/ ſo mit einem vernuenfti= @ gen Urtheil/ oder der/ ſo mit einer gluekkſeligen Gedaechtniß @ begabt iſt?CCL@ 33. Ob/ und waruem die Warheit verhaſſt ſeye?@ 34. Woher boeſe oder gute Geberden kommen?@ XXIV. Die Ehre.@ 35. Ob des Menſchen Gemuet durch die Ehre/ oder durch die @ Liebe ſtaerker beweget werde?@ XXV. Woertergrifflein.
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Inhaltsregiſter.
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Die erſte Zahl bemerkt das Spiel/ die zweyte den Abſatz oder §. wann aber nur eıne Zahl/ ſo iſt ſelbe zu vorhergemeldtem Spiel gehoerig. Iſt aber die erſte Zahl nicht ueber VI. ſo wird dardurch die Abtheil= ung des Anhangs verſtanden.

A.
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Adamsfall Poetiſch beſchrieben CCLXX. Spiel §. 21. wird betrachtet in dem Anhang. II. 14.Adel wird unterſchieden/ CCLV. 7. 11. 12. 13. 14 ſeine Ankunft/ 23. wird mit den Muentzen verglichen. 31. wird gebildet/ 1. und 34. Adel der Arca= dier. CCLV. 8. Adel der Athenienſer. V. 8.Adler. CCLXXI. 19. CCLVI. 25.Affterreden von der Obrigkeit. CCLXXIV. 12. III. 17.
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Almoſen. CCLX. 10. IV. 4 10. 23. Anatomia Zergliederkunſt. CCLX.@ I. vom Gebet. CCLVI. 16.@ II. von der Frommen Sicherheit. CCLVI. 34.Andachtsgemaehle.@ III. von der Anfechtung und Gottes Wort. CCLVI. 40.@ IV. von der Gedult. CCLVI. 50.@ V. von dem Glauben. CCLVI. 56.@ VI. von den Maertern. CCLVI. 59.@ VII. von der Heyden Liecht. CCLIX. 46.@ VIII. von dem Tod. CCLX. 11.@ IX. von dem Almoſen. CCLXI. 10.@ X. von des Glaubens Beſtaendigkeit. CCLXII 19.@ XI. von der Hoffnung. CCLXIII. 13.@ XII. von der Beharrlichkeit in Truebſal. CCLXIV. 22.Ankunft iſt ruehmlich. IV. 5. 6. Anſehen euſſerlicher Geſtalt. II. 22.Arcadier Adel. CCLV. 8. Argwahn. III. 19. Armut. IV., 22.
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Athenienſer Adel. CCLV. 8. Aufzug zu Roß. I. 7. bis 27.Augen und ihre Eigenſchaft. CCLIX. 34. bis 40.Ausſprach oder Ausrede der Woerter. V. 9.

B.
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Barmhertzigkeit Gottes erſtrekket ſich bis auf die Thiere. CCLI. 9. CCLIV. 13.Barmhertzigkeit der Menſchen wird gebildet. CCLIV. 13.Baumen haben ihre Deutung. CCLVI. 48. Beredſamkeit. CCLXX. 7.Beſtaendigkeit gebildet. CCLXXVI. 10. 11. CCLIII. 53. in boeſen beſtaendig. II. 32.Beſcheidenheit wird gebildet. CCLIII. 56. Bett der Sonnen. CCLVII. 13.Bibliotheca wie es zu teutſchen/ Vorbericht des Anhangs §. 4.Bilderſprach. CCLVI. zu geiſtlichen Bildniskraeften. CCLIII. 66. Sachen CCLVI. 58.Bildkunſt III. woher ſie zu erlernen. 10. wie ſie zu betrachten. 12. erklaert durch folgende Bilder, des Adels CCLV. 34. der Argliftigkeit CCLIII. [ID00659] 34. der Armut 88. der Barmhertzigkeit. CCLIV. 13. Beſtaendigkeit. CCLIII. 53. Beſcheidenheit 56. Bildungskraefte. 66. der Callıope 81. der Clio 74. des Eheſtands 24. 36. der Ehre 55. des Ehrengedaechtniß in der Zuſchrift und 62. des Ehrgeitz. 28 der Einigkeit 42. der Erfindung 69. der Erden CCLVI. 41. der Falſchheit zu Ende der Vorrede. der Faul= witz 54. des Fleiſſes CCLIII. 66. 67 des Friedens CCLII. 49. CCLIII. 85. der Friedfertigkeit CCLIV. 18. Freundſchaft 28. der Froelıchkeit 12. 26. der Fuchsſchwaentzerey 20. des Gedaechtniß CCLXXIII. 23. des Geitzes 35. des Menſchen Geiſts 66. der Geſpraeche 51. Goettlıcher Weißheit 90. der Gewonheit 47 des Gewiſſens 53 der Halsſtarrigkeit 87. der Hoffnung CCLII. 49. der Huldinnen/ oder Huldgoettinnen CCLIII. 38. der Huelffe 22. der Keuſchheit 41. des Kriegs CXLII. 22. 29. der Kunſt 32. des Lobs 70 der Luegen 38. der Muſic und Muſen 72. der Noht. 84. des Rahts 45. der Reinhertzigkeit CCLIV. 16. d’ Ruhmretigkeit CCLIII. 64. der Scham= haftigkeit 93. der Seele 30. 38. der Theurung 41. der Treue 57. des Ub [ID00660] erfluſſes 18. der Unbeſonnenheit CCLIII. 57. der Verleumdung 59. der Verſchwiegenheit. 45. der Verzweifflung. 13. des Wunſches. 12. des Zorns 57.Bılligkeit. III. 15. Blinde ſind Lehrſam Vorrede. §. 5.Blumkalender CCLX. 5. 7.Boßheit der Menſche ̅ III. 10. boeſe Sitten II. 23. boeſe Gedanke ̅ . II. 4. Schein des Boeſen. II. 23. boeſe Geſellſchaft. Vorrede. §. 11.Buecherſchreiber gleichen den Bauleuten. Vorrede. §. 8. geiſtliche Buecher CCLV. 3. 4 Buchſtabwuerffel CCLV. 7.

C.
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Calliope CCLIII. 81. Chimia CCLX. 6. Scheidkunſt. 9.Cherubim mit den Ehegatten verglichen. Vorbericht §. 1.Chriſten und Heyden Eheband. III. 11. ihre Vollkommenheit. II. 5.Clio. CCLIII. 24. Comus der Freßgott. CCLVII. 15.Comoedia Freudenſpiel. CCLXX. Creaturen zu Hof. CCLXXIV. 13.
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D.
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E.
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F.
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G.
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H.
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J.
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K.
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L.
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M.
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N.
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O.
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P.
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Q.
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R.
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S.
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T.
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U
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V.
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W.
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Z.
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III. Entwurff des achten und letzten Theils der Geſpraechſpiele.
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ENDE.
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1??? Quis Euclıdes alioqui lineis, quae nusquam ſunt, effiugendis occupatus, ac in de= monſtrationibus anxiè laborans ingenium aran earum imitatione conſecutus eſt? Hoc u- num ın hoc animalculo, geometricam artem ıllucere palam eſt. Gregor. Nazianz. Texere Aranea à medio incipit, circinato oıbe ſubtegmina adnectens, maculasq́; paribus ſemper intervallis, ſed ſubinde creſcentibusex anguſto dilatans, indisſolubili modo implicat. Plin. l. 11. c. 24. Ex araneae Tela facilıus & univerſalius, quàm ex Euclide exerceri posſe praecipua proportionum problemata docet Pet. Bettinus Apiar. l. Praelib. II. prop. 3. mihifol. 21.
2* Interpretis non eſt reddere verbum verbo, ſed ſenſum ſenſui adaequare: cum prius ſit interpretıs indiſerti, teſte Cicerone l. 3 de fin. n. 15. variant idiotiſmi, ut Interpretis haud ſit in literâ manere. Dannhauuer. in Idea boni Interpr. f. 225.

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