|| [ID00009]
Corpus Doctrinae, Das ist / Die Summa / Form vnd Fürbilde der reinen
Christlichen Lehre / aus der heiligen Göttlichen Schrifft der Propheten vnd
Aposteln zusammen gezogen / Darinn folgende Schrifften begriffen:
Die Drey Heuptsymbola / Apostolicum, Nicaenum, vnd Athanasianum. Der kleine vnd grosse Catechismus Lutheri. Die Augspurgische Confession / so Anno 1530. Keyser CAROLO vberantwortet / vnd folgends 1531. gedruckt. Die darauff erfolgte Apologia, Anno 1531. gedruckt. Die Schmalkaldische Artickel. Das Büchlein D. Vrbani Rhegij, Wie man fürsichtiglich von den fürnemsten Artickeln Christlicher Lehre reden solle / mit einem nützlichen Appendice, &c. Bericht von etlichen fürnemen Artickeln der Lehre / etc.
Aus gnediger Verordnung des Durchleuchtigen / Hochgebornen Fürsten vnd Herrn /
Herrn IVLII, Hertzogen zu Braunschweig vnd Lüneburg / etc. für seiner F. G.
Kirchen vnd Schulen zusammen gedruckt.
1. Corinth. 1. Ich ermahne euch / lieben Bräder / durch den Namen vnsers HERRN
Jesu Christi / daß jhr allzumal einerley Rede führet / vnd lasst nicht Spaltung
vnter euch seyn / Sondern haltet fest aneinander in einem Sinne / vnd in
einerley meynung.
Corpus Doctrinae, Das ist / Die Summa / Form vnd fürbilde der reinen
Christlichen Lehre / aus der heiligen Göttlichen Schrifft der Propheten vnd
Aposteln zusammen gezogen / Darinn folgende Schrifften begriffen.
Die Drey Heuptsymbola / Apostolicum, Nicaenum, vnd Athanasianum. Die Augspürgische Confession / so Anno 1530. Keiser Carolo vberantwortet / vnd folgends 1531. gedruckt. Die darauff erfolgte Apologia / Anno 1531. gedruckt. Die Schmalcaldische Artickel. Der kleine vnd grosse Catechismus Luthert Bericht von etlichen fürnemen Artikeln der Lere / etc. Das Büchlein D. Vrbant Regij / Wie man fürsichtiglich von den fürnemsten Artickeln Christlicher Lere reden solle / mit einem nützlichen Appendice / etc.
Aus gnediger verordnung des Durchleuchtigen Hochgebornen Fürsten vnd Herrn /
Herrn Julij Hertzogen zu Braunschweig vnd Lüneburg etc. für seiner F. G. Kirchen
vnd Schulen zusammen gedruckt.
1. Corinth. 1. Ich ermane euch / lieben Brüder / durch den Namen vnsers HERRN
Jesu Christi / das jr allzumal einerley rede füret / vnd last nicht spaltung
vnter euch sein / Sondern haltet fest aneinander in einem sinne / vnd in
einerley meinung.
1576.
|| [ID00012]
|| [ID00013]
VOn Gottes gnaden / Wir Julius / Hertzog zu Braunschweig vnd Lüneburg / etc.
Empieten allen vnd jeden vnsern / vnnd vnsers Fürstenthumbs Praelaten / Graffen
/ Herrn / denen von der Ritterschafft / Rectorn vnd Professorn / vnser Julius
Vniuersitet zu Helmstedt / Haupt vnd Amptleuten / Vögten / Superintendenten /
Pfarrherrn / Predigern / Kirchen vnd Schuldienern / Bürgermeistern / Richtern /
vnd Rähten der Städte / Gemeinden / vnd allen vnsern Rähten / Vnterthanen vnd
Verwandten / wes Standes vnd Condition dieselbige sind / vnsern günstigen Gruß /
vnd gnedigen Willen zuuor / vnd fügen euch vnd menniglich hiemit in Gnaden zu
vernehmen.
Es ist nunmehr durch Gottes gnedigen Segen bey menniglichen kund vnd offenbahr /
vnd sonderlich euch vnsern lieben Getrewen / wol bewust / daß wir zu angehender
vnser Fürstlichen Regierung / in Betrachtung vnsers von Gotte befohlenen vnd
tragenden Ampts / do vns nicht allein vber die andere / sondern auch vber die
Erste Taffel des Gesetzes GOttes zu halten aufferlegt / für allen andern
Weltlichen Politischen Sachen vnd Hendeln / vns haben erstlich fürnemlich vnd
zum höchsten lassen angelegen seyn / daß Kirchen vnd Schulen in vnserm
Fürstenthumb reformieret / von allen der
|| [ID00014]
helligen Schrifft
wiederwertigen Satzungen / Mißbreuchen / vnd Irrthumb gereiniget / vnd darin der
Vralte Apostolische vnd Christliche Glaube / Lehr vnd Religion / nach Inhalt der
heiligen Göttlichen Schrifft / zu vnser / vnd vnserer lieben vnterthanen Heyl
vnd Seligkeit gepflantzt / vnd durch GOttes gnedigen Segen erhalten / vnd auff
die Nachkommen gebracht werden möchte: Demnach haben wir durch eine angeordente
Christliche statliche Visitation nicht allein die Ceremonien / vnd eusserliche
Kirchengebreuch in Klöstern / Kirchen vnd Schulen vnsers Fürstenthumbs /
Christlich Reformieren lassen / Sondern haben fürnemlich dahin getrachtet / daß
die Lehre des Göttlichen Worts lauter vnd rein in rechtem gesundem
vnuerfelschtem Verstande in Kirchen vnd Schulen vnsers Fürstenthumbs gepflantzt
/ geführet vnd erhalten möchte werden / welchs der rechte einige lebendige Grund
ist / auff welchen allein eine Christliche Gottsgefellige Kirchen Reformation
erbawet muß werden.
Weil aber zu heilsamer erbawung der Kirchen nicht allein nützlich / sondern zum
höchsten von nöthen ist / Christliche Concordj vnd Eintrechtigkeit / welche
Paulus nennet / die Einigkeit des Geistes / daß vnter Lehrern vnd Zuhörern sey /
wie ein GOtt vnd HERR / also auch eine eintrechtige vnd einhellige heilsame
reine Lere / Sacrament / vnd Glaube auff einer ley Hoffnung eines Beruffs / denn
das ist das einige rechte Band eines wahren bestendigen Gottsgefelligen Friedes
in der Kirchen / Ephes. 4. Vnd solche Einigkeit des Geistes / darin bestehet /
daß man fest beysamen vnd an einander halte / in einem Sinne / vnd in einerley
Meynung / all
|| [ID00015]
zumal einerley Rede führe / vnd nicht
Spaltung vnter sich seyn lasse / wie Paulus schreibet / 1. Corinth. 1.
Derhalben vnd aus diesem Grunde haben wir für Acht Jahren in angehender
Christlicher Reformation der Kirchen vnsers Fürstenthumbs / mit vorgehabtem Raht
etlicher fürnemen Theologen / ein gemein öffentlich / gewiß vnd richtig Corpus
Doctrinae, Summa vnd Inhalt der Christlichen Lehre / das Forma vnd Norma
Doctrinae, ein Fürbild vnd Richtschnur der Lehre in Kirchen vnd Schulen vnsers
Fürstenthumbs seyn solte / in vnser Kirchenordnung namhafftig gemacht / daran
vnd darauff Lehrer vnd Zuhörer geweiset / als nemlich / Die heilige Göttliche
Prophetische vnd Apostolische Schrifft Altes vnd Newes Testamentes / die alte
bewehrte Symbola, oder Artickel des Glaubens / Als / des Apostolischen /
Nicenischen / vnd des heiligen Athanasij Symbolum, die Augspurgische Confession
/ sampt derselben Apologia, die Schmalkaldischen Artickel / vnd Catechismos
Lutheri, wie dieselbige Lehre in des thewren Mannes Lutheri Schrifften vnd
Büchern aus Gottes Worte gründlich vnd außführlich erkleret / vnd wieder alle
Rotten vnd Secten erstritten ist.
Auff daß aber vnsere in angehender Reformation newe zarte Kirchen in diesen
letzten sorglichen gefehrlichen Zeiten nicht möchten entweder mit falschen
schedlichen Opinionibus beschmitzet / oder durch vnnütze / vnnötige Gezenck
verunruhiget / sondern / daß solches alles dauon abgehalten vnd außgesetzt
möchte werden / haben wir aus dem obgemelten Corpore Doctrinae lassen zusammen
ziehen vnd fassen / ein einfeltiges / aber doch gründliches Doctrinal oder
Declaration / darinn die
|| [ID00016]
für nemste Religions Puncta, so
jtziger zeit in streit gezogen / deutlich vnd richtig also erkleret werden / wie
einfeltige Pastores, so nicht alle gleicher geschickligkeit / von den streitigen
Artickeln mit gebürlicher Christlicher bescheidenheit / zu erbawung der Kirchen
aus gutem grunde der Schrifft einmütig halten vnd reden sollen. Weil zum Ampt
eines trewen Pastoris zur erhaltung reiner Lehre / vnd zu gründtlicher /
bestendiger / Gottseliger einigkeit gehöret / vnd von nöten ist / daß nicht
allein die reine Lehre recht geführet / vnd den Zuhörern was recht vnd wahr ist
geweiset werde / Sondern auch / daß frembde / vnrichtige / jrrige / falsche
Lehre / so viel zur erbawung nach eines jeden orts / vnd der Zuhörer gelegenheit
vnd erheischung nützlich vnd nötig ist / gestraffet / verworffen / außgesetzt /
vnd die Zuhörer dafür gewarnet werden / Johannis 10. Jeremiae 15. Tit. 1.
Timoth. 1.
Dieses alles ist in vnserer publicirten Christlichen Kirchenordnung aus oben
angedeuteten vrsachen einuerleibet / vnd sampt der gantzen Kirchenordnung von
vnser getrewen Landschafft beliebet vn̅ angenommen / Ist auch
darnach vnd also bis daher in Kirchen vnd Schulen vnsers Fürstenthumbs die Lehre
geführet vnd getrieben / vnd durch den weg reinigkeit der Lehre / vnd einigkeit
des Geistes / durch Gottes gnedige verleihung in vnsern Kirchen erhalten worden
/ der helffe hinfürder weiter. Wir haben auch in der that befunden / do sich
etwas vnrichtiges verdeckter weise hat regen vnd ereugen wöllen / daß vermüge
vnserer Kirchenordnung durch jetzgemelten weg aller vnrichtigkeit / ohne
weiterung fürkommen vnd fürgebawet ist worden.
|| [ID00017]
Wir haben auch mitler zeit vmb mehrer gewissenheit / versicherung vnd
Correspondentz willen / die obgemelte Doctrinalia in vnserer Kirchenordnung /
belangend das Corpus Doctrinae, vnd die angeheffte Declaration / vielen andern
wolbestelten reinen Kirchen nicht allein in dieser Nachbarschafft / sondern auch
etlichen weit abgelegenen Kirchen / so zeugnis reiner Lehre haben / zu judiciren
vberschicket / welche daran gar ein gutes Christliches gefallen gehabt / dem
lieben Gotte dafür gedancket / auch an vielen örten solchem Exempel vnser
Kirchenordnung / zu Erhaltung reiner Lehre vnd einigkeit des Geistes gefolget.
Es ist auch dadurch gute Christliche Correspondentz vnd einigkeit in diesen
Kirchen mit den benachbarten vnd andern bishero durch Gottes gnade gestifftet
vnd erhalten worden: Für welchen gnedigen Segen wir billich dem frommen Gotte
allein Lob vnd Danck sagen. Wir aber sind durch solche herrliche zeugnis desto
mehr vergewisset vnd bestetiget / vnd sind derwegen entlich entschlossen / durch
Gottes gnade / bey derselben einmal angenommenen / wol probierten vnd ergründten
Forma Doctrinae zu verharren / darüber zu halten / vnd nichts / das derselben
vngemes vnd zuwider in vnserm Fürstenthumb zu gestatten / oder gedulden / Bey
welchen Christlichen Gottseligen eyffer der fromme Gott / durch seinen Geist /
ohn welchem wir in solchen sachen nichts vermügen / vns gnediglich stercken vnd
erhalten wölle / Amen.
Weil wir aber berichtet werden / daß nicht Exemplaria gnug / darin die obgemelte
Schriffte vnsers Corporis Doctrinae in ein Buch beysammen gedruckt / vorhanden /
daß offt von wegen mangel der Exemplar / das offtgemelte Corpus Doctrinae, bey
vielen Pastoribus
|| [ID00018]
nicht gefunden: Vnd wir auch sonst gern
sehen / daß bey allen vnsern Vnterthanen vnd verwandten dieselbige Schriffte vnd
Bücher zum bericht vnd sterckung in wahrer erkentnis der reinen Christlichen
Lehre / gemein vnd bekant seyn möchten / als haben wir die gnedige verordnung
gethan / daß die benante Schriffte vnsers Corporis Doctrinae für vnsere Kirchen
/ Schulen / auch geliebte Vnterthanen / vnd wer sonst mehr mit vns solcher
Christlicher Bücher zum besten gebrauchen wil / in ein Buch zusammen gedruckt
werden solten.
Vnd daß dis wolmeinliche Werck nicht möchte von jemandes dahin gedeutet werden /
als wolten wir hiemit etwas sonderlichs vnd newes machen / so erkleren wir vns /
daß wir für das Corpus Doctrinae Euangelicae halten / erkennen / vnd in dis Buch
zusamen haben drucken lassen / die öffentliche gemeine Schrifften / so Publico
Nomine, im Namen der gemeinen Euangelischen Stende / gestellet / vnd von allen
Stenden der Augspurgischen Confession / als Symbola oder gemeine Summarische
Confessiones vnd Bekentnisse in den Reformirten Euangelischen Kirchen je vnd
allwege approbiret / angenommen / dafür gehalten / vnd gebraucht worden sind.
Vnd setzen zum Fundament / vnd zum gründlichen Eckstein / die Heilige
Prophetische vnd Apostolische Schrifft / Altes vnd Newes Testaments / welche
alleine die einige wahre Forma vnd Norma Sanae Doctrinae, Fürbild / Regel / vnd
Richtschnur / aus welcher als aus dem reinen lauterm Brunnen Israelis / die
reine gesunde Lehre genommen / vnd nach welcher alle Lehrer vnd Lehre gerichtet
vnd geurtheilet sol vnd muß
|| [ID00019]
werden. Darumb vnd baher sie
genennet wird / Scriptura Canonica, Denn die Kirche / als Gottes Haus / muß
erbawet seyn auff den grundt der Aposteln vnd Propheten / da IESVS Christus der
Eckstein ist / Ephes. 4. Vnd wer in der Kirchen Gottes reden wird / der rede
Gottes Wort / 1. Pet. 4.
Auff daß aber nicht ein jeder seines gefallens die Schrifft deuten / vnd auff
vnrechte falsche meynung ziehe̅ möge / hat die wahre Christliche
Kirche vor alters vnd allwege jrereine Symbola gehabt / darinn aus der heiligen
Schrifft die wahre Christliche Lehre / in reinem gesunden verstande / in kurtze
Artickel / oder Summarische Heuptstück / ordentlich zusamen gezogen / vnd wider
der Ketzer verfelschung / einfeltig aus Gottes Worte erkleret ist / Welches sie
haben Symbola genennet / darumb vnd daher / gleich wie man in Kriegsleufften bey
der Losung erkennet vnd vnterscheidet / welcher Freund oder Feind sey / daß also
bey vnd an solchen kurtzen Artickeln man probiren / erkennen / vnd vnterscheiden
kan / wer richtiger vnd reiner / oder wer vnrichtiger vnd falscher Lehre
verwandt vnd zugethan sey.
Demnach haben wir erstlich vnd zu forderst in diesem vnserm Kirchen Buch setzen
vn̅ drucken lassen / die Drey alte bewehrte Heupt Symbola /
Nemlich / das Apostolische / Nicenische / vnd Sanct Athanasij / das es ein
öffentlich zeugnis seyn sol / daß wir vns zu dem rechten Vralten Apostolischen
Catholischen allgemeinen Christlichen Glauben / welcher in diesen alten bewerten
Heupt Symbolis begriffen / in vnsern Kirchen bekennen / vnd dauon keines wegs /
durch vnsere Kirchen Reformation abgewichen sind.
|| [ID00020]
Vnd weil in diesen letzten zeiten der fromme gütige Gott sich seiner armen
Kirchen erbarmet / vnd aus besondern gnaden die Warheit seines Worts aus der
grewlichen Finsternis des Babsthumbs / durch den getrewen dienst des thewre̅ Mannes Gottes D. Luthers wider ans Liecht gebracht hat. Vnd
dieselbige Lehre aus vnd nach Gottes Worte wider des Babsthumbs / vnd auch
anderer Secten verfelschung in die Artickel / vnd Heuptstück der Augspurgischen
Confession kürtzlich vn̅ Summarischer weise begriffen / vnd
zusamen gezogen ist / So haben wir zum andern in diesem Corpore Doctrinae setzen
vnd drucken lassen / die Artickel der Augspurgischen Confessio̅ /
weil dieselbige durchaus in Gottes Worte gegründet / vnd jtziger zeit ein
öffentliches gemeines Symbolum seyn der Reformirten Kirchen.
Weil aber in der Augspurgischen Confession die Artickel etwas kurtz / sind
dieselbige in der bald darauff erfolgten Apologia weiter vnd außführlich
erkleret / vnd mit vnwidersprechlichen zeugnissen der heiligen schrifft
bestetigt vnd erwiesen worden: Derhalben haben wir zum Dritten in diesem Corpore
Doctrinae setzen vnd drucken lassen die Apologiam Augustanae Confessionis, auff
daß jederman in vnsern Kirchen vnd Schulen wissen müge / welchs der rechte
eigentliche warhafftige verstandt der Augspurgischen Confession sey / auff daß
nicht vnter dem schein vnd namen der Augspurgischen Confession schedliche
Irrthumb in vnser Fürstenthumb einschleichen mügen / Weil auch etliche
Rottengeister anfahen sich mit der Augspurgischen Confession zu behelffen / vnd
dieselbige auff falsche jrrige meinung anziehen.
|| [ID00021]
Nu sind beyde die Confessio Augustana, vnd derselbe̅ Apologia, auff
dem grossen Reichstag zu Augspurg / Anno Tausent / Fünffhundert / Dreissig / im
Namen der Protestirende Stende gestellet / vnd der Römischen Keiserlichen
Maiestet daselbs vbergeben / vnd folgends Anno Tausent / Fünffhundert / Ein vnd
Dreissig ist das Exemplar, welchs die Stende für das rechte Authenticu̅ gehalten / durch offentlichen Druck publiciret / So haben auch
hernach Anno Tausent / Fünffhundert Sieben vnd Dreissig / aller Euangelischen
Stende fürnemste Theologi auff dem Tage zu Schmalcalden demselben Exemplare
vnterschrieben / in massen auch Anno Tausent / Fünffhundert / Ein vnd Sechtzig /
Chur vnd Fürsten / so sich zur Augspurgischen Confession bekennen / dasselbige
Exemplar / so Anno Tausent / Fünffhundert / Ein vnd Dreissig publiciret / für
das rechte Authenticum erkant / vnd auff dem Tage zur Naumburg mit jrer
Subscription confirmiret haben / Derhalben daß in vnsern Kirchen vnd Schulen der
Exemplar halben nicht möchte Irrung fürfallen / haben wirs auß dem Exemplar / so
Anno Tausent / Fünffhundert / Ein vnd Dreissig publiciret / in dieses vnser
Corpus Doctrinae lassen nachdrucken. Vnd weil im Lateinischem Exemplar etliche
dinge klerer expliciret / wöllen wir / daß beydes gegen einander conferiret
solle werden / wie wir denn willens / das Corpus Doctrinae auch Lateinisch
drucken zulassen.
Zum Vierden / haben wir in diesem vnserm Corpore Doctrinae setzen vnd drucken
lassen / die Schmalcaldischen Artickel / weil dieselbige / als gemeiner
Euangelischen Stedte entliche Bekentnis gestellet / darin die Lehre der
Augspurgischen Confessio̅ widerholet vnd bestetiget / vnd etliche
Artickel aus Gottes Worte weiter er
|| [ID00022]
kleret / auch Grund
angezeigt / in welchen Artickeln vnd aus was Vrsachen mann sich mit den Papisten
nicht vergleichen könne noch solle.
Zum Fünfften / haben wir auch in dis vnser Corpus Doctrinae setzen vnd drucken
lassen / den kleinen vnd grossen Catechismum Lutheri, weil dieselbige von allen
der Augspurgischen Confession verwandten Kirchen einhellig approbieret vnd
angenommen / auchöffentlich in Kirchen / Schulen vnd Heusern gebrauchet werden /
als darinn die Heuptstück der Christlichen Lehre aus Gottes Worte für die Leyen
auffs einfeltigst begriffen.
Diese öffentliche gemeine Schrifften sind in den Euangelischen Kirchen allwege
gehalten worden / als Corpus, Forma vnd Norma Doctrinae, das ist / als eine
Summa / Fürbild vnd Richtschnur der Euangelischen Lehre / welche D. Luther
seliger in seinen Schrifften aus GOttes Worte / wieder das Bapsthumb vnd andere
Secten / weiter vnd außführlicher erkleret / statlich vnd wol gegründet hat /
dahin wir die vnsern hiemit geweiset wollen haben. Wöllen aber hiemit in keinem
wege andere nützliche reine Schrifften vnd Bücher verworffen haben / Sondern
diese Schrifften des Corporis Doctrinae, weil sie aus GOttes Worte genommen sind
/ vnd sollen in vnsern Kirchen vnd Schulen seyn Norma vnd Regula, ein allgemeine
gewisse Richtschnur vnd Regel / aus vnd nach welcher alle andere Scripta, wie
fern sie zu probieren vnd anzunehmen judicieret vnd regulieret sollen werden.
Wir haben auch in angehender Reformation vnserer Kirchen / nach vnsers
Fürstenthumbs Zustand vnd gelegenheit aus bemeltem Corpore Doctrinę, wie im
an
|| [ID00023]
fang gemeldet / lassen fassen / vnd zusamen
ziehen / eine einfeltige Declaration / wie aus dem Corpore Doctrinae die Lehre
zur Erbawung / mit Christlicher Bescheidenheit fürgetragen / das böse von dem
guten abgescheiden / frembde jrrige Lehre von vnsern Kirchen abgehalten vnd
außgesetzt werden solle. Vnd weil dieselbige angeheffte Declaration durch Gottes
Gnade bißhero neben reiner Lehre / auch guten Fried vnd Einigkeit in vnsern
Kirchen / auch mit den benachbarten / vnd andern reinen Kirchen gute Christliche
Correspondentz gestifftet vn̅ erhalten / haben wir dieselbige auch
mit lassen setzen / vnd drucken in dis Buch / als ein angehefftes vnd
zugehöriges Stück des Corporis Doctrinae für vnsers Fürstenthumbs Kirchen vnd
Schulen.
Dis ist also Corpus, Forma vnd Norma Doctrinae, die Summa / Fürbilde / Regel vnd
Richtschnur der Christlichen Lehre / daraus vnd darnach wir anfenglich haben
vnsere Kirchen Reformiren lassen / Dabey wir auch durch Gottes gnedige
Verleihung entschlossen seyn zu verharren / darüber Ampts halben / mit
gebürlichem ernst zu halten / vnd nichts / das derselben Formę Doctrinae im
geringsten vngemeß / zuwieder / vnd entgegen in vnserm Fürstenthumb zu dulden /
oder gestatten.
Nach dem auch in diesen letzten Zeiten zum höchsten vo̅ nöten / daß
man zu verhütung allerhand Calumnie̅ vnd Corruptelen / in den
Kirchen / vnd sonderlich von etlichen fürnemen Artickeln einerley rede füre /
die der vielgemelten reinen Lere gemeß / damit die zuhörer dadurch nicht
verirret vnd verwirret / den Wiedersachern auch kein Vrsach gegeben möge werden
/ etwas zu calumnijrn / vnd aber weiland der Ehrwirdige vnd Hochgelarte
|| [ID]
Vrbanus Rhegius, der heiligen Schrifft D. vnd des
Fürstenthumbs Lüneburg Generalis Superintendens, ein Büchlein in Druck außgehen
lassen / De Formulis cautè loquendi, &c. vnd dasselbige obangeregtem
vnserm Corpori Doctrinę gemeß / als haben wir aus obangedeuten Vrsachen / vnd
damit je nichts vnterlassen / dadurch reine Lehre vermittelst gnedigen
Göttlichen Segens durchaus vnd desto mehr erhalten möge werden / zu angeregtem
vnserm Corpore Doctrinae, auch dis nützliche Büchlein anhefften / vnd drucken
lassen.
Vnd sol dis vnser Geistlicher Himlischer Landschatz seyn / quem charissimis
liberis & hęredibus nostris commendatum esse volumus, daß sie in vnsere
Fußstapffen treten / diese heilsame allein seligmachende Lehre mit fleis fassen
/ vnd mit gleichem Eyffer darüber halten / etc.
Befehlen demnach fürnemlich vnsern Rectorn / Professorn vnd verwandten vnser
Julius Schule zu Helmstedte / Auch allen vnsers Fürstenthumbs Praelaten /
Superintendenten / Pastorn / Predigern / Kirchen vnd Schuldienern / daß sie in
lesen / schreibe̅ / disputieren / predigen / lehren / vnd in jhrem
gantzen Ampt sich nach diesem vnserm Corpore Doctrinae vnd Kirchenordnung
fleissig vnd trewlich richten / sich in nichts einlassen / das diesem vnsern
Corpore Doctrinae vnd Kirchenordnung vngemeß oder wiedrig seyn möchte: Auch
fleissig darüber halten / vnd gut auffsehen haben / daß dieser vnser gnediger
heilsamer Verordnung allenthalben nachgelebet / Vnd do jhr vermercken würdet /
daß derselben von jemands / er were wer er wölle / vngemeß vnd zu wieder etwas
fürgenommen vnd gehandelt würde / daß jhr solchem Vnheil ein jeder vermöge
seines Beruffs bey zeiten zu stewren / oder an gebürliche örter
|| [ID00025]
anzumelden nicht vnterlasset. Denn wir gentzlich entschlossen / keinen für
vnsern Professorn / Superintendenten / Kirchen oder Schuldiener auff vnd
anzunehmen / es sey denn / daß er sich zuuor zu vnserm Corpore Doctrinae durch
außdrückliche erklerung bekenne / Wöllen auch gegen die / so sich dieser vnser
Christlichen verordnung vngemes verhalten würden / mit gebürlichem ernst wissen
zuerzeigen. Befehlen gleichsfals auch vnsern Räthen / Beampten vnd verwandten /
daß sie in diesem vnd in andern Puncten vber vnsere Kirchenordnung nicht allein
für sich fleissig halten / Sondern allen fleiß anwenden / daß solches auch von
andern geschehe / vnd von niemands ichtes dawider fürgenommen oder gehandelt
möge werden.
Vnd ist entlich vnser gnediger Wille / vnd ernster Befehl / daß alle vnsere liebe
getrewe Vnterthanen vnd verwandten jhnen dis Corpus Doctrinae wollen trewlich
lassen befohlen seyn / dasselbige vmb jhres eigenen heils vnd Seligkeit willen
fleissig lesen / daraus die Heuptstück der heilsamen vn̅ allein
seligmachenden Lerefassen / alle andere frembde Lere / so diesem Fürbild
zuwieder meiden / vnd sich dafür hüten. Daran zu forderst geschicht Gotte im
Himmel ein gehorsames angenehmes gefallen / gereicht einem jeden zu ewiger
wolfart / bringet dem gantzen Lande zeitlichen vnd ewigen Segen Gottes. Diß
meynen wir ernstlich / vnd wollen vns des also in gnaden versehen / auch in
allem guten zu erkennen genetgt seyn. Geben Heinrichstadt bey vnserm Hofflager
Wolffenbüttel / im Jar nach Christi vnsers HErrn vnd Heilandes Geburt / Tausent
/ Fünffhundert / Sechs vnd Siebentzig / am Tage Petri vnd Pauli Apostolorum.
|| [ID00026]
|| [1]
Was das Corpus Doctrinae, Das ist / Die Form / vnd das Fürbilde der reinen
Lehre / in den Kirchen dieses Fürstenthumbs hinfüro seyn sol.
WO eine rechtschaffene bestendige Kirchenordnung sol gestellet / vnd
auffgerichtet werden / mus das fürnemste / ja der Grundt vnd boden seyn / daß
die Lehre rein vnd eintrechtig sey. Denn wo man an den Ceremonien anfangen / vnd
allein darauff sehen wil / so ists gleich / als wenn man ein Gebew / das kein
gut Fundament hat / noch sonst wol verwaret / vnd fest zusamen gefasset ist /
außwendig zum schein / schön wolt anstreichen. Derhalben muß für allen dingen
deutlich / klar / vnnd in specie außdrücklich gesetzt
werden / was das Corpus oder die forma doctrinae seyn solle / Darnach die gantze Reformation sich
richten mus / auff daß beide Prediger vnd Zuhörer etwas bestendiges vnd gewisses
haben mögen / welchs da sey die reine heilsame Lehre / welcher gemeß vnd
gleichförmig in den Kirchen dieses Fürstenthumbs hinfüro sol geprediget vnd
gelehret werden / vnnd was für opiniones, als der
gesunden Lehre zuwieder vnd vngemeß / sollen außgesetzt / vnnd verworffen werden
/ auff daß wir vns nicht von allerley Wind der Lehre wegen vnd wiegen lassen /
wie Paulus warnet / Ephes. 4.
Es ist aber ein einiger gewisser Grund / dauon Paulus schreibet / 1. Corinth. 3.
Einen andern Grund kan niemand legen ausser dem / der gelegt ist / welcher ist
JESVS Christus / Denn diesem gibt der Vater vom Himmel zeugnis / Hunc audite, Diesen solt jhr hören. Deuteron. 18. 19.
Matth. 17. 5. Vnnd Paulus Ephes. 2. gehet neher in
specie, nemlich / daß die wahre Kirche Gottes aufferbawet müsse werden /
seyn vnd bleiben / auff dem grund der Aposteln vnd Propheten / da Jesus Christus
der Eckstein ist. Ist derhalben die einige reine heilsame Lehre / welche Gott
selbst in seinem heiligen Wort geof
|| [ID00028]
fenbaret hat / wie
dasselbige in den Biblischen / Prophetischen vnnd Apostolischen Schrifften /
Altes vnnd Newes Testaments / durch Mosen / die Propheten / Euangelisten vnnd
Aposteln verfasset ist. Denn die rechte Religion der wahren Kirchen GOttes /
stehet nicht auff einigem gutdüncken Menschlicher Vernunfft vnnd klugheit / 1.
Corinth. 2. Auch nicht darauff / was grosse Leute fürgeben vnd setzen / das etwa
lange zeit gewehret hat / Matth. 5. Isai. 29. Ezech. 20. Sondern allein darauff
/ was des HERRN Mund geredt vnd geoffenbaret hat / Isai. 1. Johan. 1. Solche
Lehre aber / dadurch GOtt sein wesen / vnd seinen Willen von anfang der Welt /
seiner Kirchen geoffenbaret / hat Er darnach selbs / so viel vns zu vnser
Seligkeit zuwissen von nöten ist / schrifftlich verfassen lassen / vmb der
Nachkommen willen / Psal. 102. Auff daß die Kirche zu allen zeiten haben möchte
/ einen bestendigen grund / vnd ein gewisse Regel / dabey vnd darnach die rechte
ware Religion geprobieret vnd erkennet / vnd von allerley vngewisser falscher
jrriger Lehr vnterscheiden könne vnd solle werden / wie Irenaeus dauon handelt lib. 3. cap. 1. Vnd wie
die gantze alte Kirche / der meinung vnnd der vrsachen halben / die heilige
Schrifft nennet Canonicam scripturam.
Vnd sollen die Leute allwege auff den Grund geweiset vnd geführet werden / daß
Gott in der heiligen Schrifft alles verfasset / vnd begriffen habe / was nütz
vnd noth ist zu vnser Lehre / Trost / Gedult / Romano. 15. zur Warnung / 1.
Corinth. 10. zur Straff / zur Besserung / zur Züchtigung / 2. Timoth. 3. Ja daß
ein Mensch GOttes / das ist / ein Diener des Worts volnkommen / vnd zu allen
guten wercken (nemlich seinem Ampt zugehörig) geschickt sey. 2. Timoth. 3. Vnd
in Summa / In der heiligen Schrifft haben wir / daß wir an Christum / vnd durch
den Glauben das Ewig Leben haben in seinem Namen / Johan. 20. Daher Augustinus recht saget / contra
literas Petuliani, lib. 3. cap. 6. Wer in Glaubens sachen etwas fürgibt
ausser dem / vnd vber das / was wir in den Prophetischen vnd Apostolischen
Schrifften empfangen haben / er sey wer er wölle / wenns auch gleich ein Engel
vom Himel were / so sey er verflucht. Hie mus verworffen vnd verdammet werden /
die Papistische Religion / welche ohne vnnd wieder die Schrifft / allein auff
Menschen Decret vnnd Satzung / auff Todten erscheinung / auff selbs erwehlte
Geistligkeit / vnnd auff langen gebrauch sich gründet / Isai. 8. vnd 29. Matth.
5. vnd 15. wie grossen schein der Weißheit das jmmer mehr haben möge / Colo. 2.
Es müssen hie auch verdammet vnnd verworffen werden / Schwenckfeldt mit den
Wiederteuffern / welche schwermen / daß
|| [2]
GOTT anderer
arth vnd weise / Dann allein durch das Wort der Schrifft / Nemlich / durch
sonderliche Offenbarung sich wölle den Menschen zuerkennen geben.
Es muß aber auch die heilige Schrifft nicht gebeuget / verdrehet vnd verkeret
werden / auff fürgefassete Opiniones, nach eines jeden
gefallen / Denn die Schrifft stehet nicht auff eines jeden eigenen Außlegung /
2. Petr. 1. Sondern sie sol angenommen werden / in dem einfeltigen verstande /
wie denselben der helle klare Buchstabe gibt / vnd wie ein Spruch der Schrifft
den andern / iuxta analogiam Fidei, verkleret / wie
solche Regulas, de interpretatione scripturae, setzen /
Irenaeus libro 2. cap. 46. & 47. Hieronymus in
19. caput Isaiae. Augustinus in libris de Doctrina Christiana.
Auch nehmen wir Hertzlich gerne an / den rechten Vralten Catholischen Consenß /
von rechtem wahrem Verstande heiliger Schrifft / wie derselbige in dem
allereltesten Symbolo, das mann Symbolum Apostolicum nennet / welchs Tertullianus,
Regulam Fidei, ein Richtschnur des Glaubens / heisset / verfasset ist.
Vnnd wie hernach die lieben Väter / auß der heiligen Schrifft / wenn grosse certamina, vnd grewliche Schwermereyen fürgefallen / die
fürnemste Heuptstücken / der reinen Christlichen Lehre / wieder die Ketzer / in
gewisse kurtze Symbola zusammen gezogen haben / als da
ist / Symbolum Nicaenum & Athanasianum, Denn
dieselbigen Symbola sind nicht etwas ausser oder wieder
die Schrifft / Sondern sind eben der rechte eigentliche Verstand / ja Krafft vnd
Safft der heiligen Göttlichen Schrifft.
Vnnd weil nach der lieben Väter zeit / das Kind des verderbens / 2. Thessal. 2.
vnd der Grewel aller Verwüstung / der Bapst / oder Antichrist / mit allerley
falscher Lehr / Abgötterey / Aberglauben vnnd Mißbreuchen / die arme Kirche
verwirret vnd verführet / hat der fromme trewe GOTT / aus sonderlichen Gnaden /
zu diesen letzten zeiten / sein Haus von den Antichristischen Greweln / aus der
heiligen Schrifft / durch den thewren Man GOttes / D. Martinum Lutherum /
wiederumb gereiniget / Weil aber zu derselben zeit vber die Bäpstischen Grewel /
auch viel andere Rotten vnd Secten mit einreissen wolten / Sind die fürnembsten
Heuptstücke der reinen gesunden Lehre / wieder des Bapsts Grewel / auch wieder
andere Rotten vnd Secten / aus Christlichem Rath vnd bedencken / aus GOttes Wort
zusammen gezogen / in die Augspurgische Confession / welche Anno 1530. der
Römischen Key. May. vnd dem
|| [ID00030]
gantzen Reich / offeriret vnnd
vber antwortet worden ist. Welcher Confession Artickel sind jetziger zeit / ein
rechtes schönes / reines / wolgegründtes Symbolum der
reformierten Kirchen / Denn Symbola haben den Nahmen
daher / daß es seyn / wie Losung oder Merckzeichen / dabey fromme Christen / des
wahren Glaubens / vnd der reinen Lehrgenossen / als wahre Glieder der
Christlichen Kirchen / fein einfeltig probiren / kennen / vnd dagegen nach
GOttes ernstem Befelch / von wiederwertiger Lehr vnd Schwermerey / sich
bescheidenlich absondern können.
So ist nun diß die Summa / daß das Corpus Doctrinae, die
Form / vnd das Fürbild der reinen Lehr / wie dieselbige in den Kirchen dieses
Fürstenthumbs hinfüro geprediget vnnd gelehret sol werden / seyn sol / Die
heilige Prophetische vnd Apostolische Schrifft in dem einfeltigen / wahren /
eigentlichen / gesunden Verstande / wie die Schrifft sich selbs erkleret / vnnd
wie derselbig Verstand / aus vnnd nach Gottes Wort / kürtzlich zusammen gezogen
ist / in den alten bewehrten Symbolis, Apostolico, Nicaeno,
Athanasiano, vnd in den Artickeln der Augspurgischen Confession.
Weil aber auch (leider) in diesen letzten betrübten zeiten der Welt / etliche
Rotten vnnd Secten / jhre corruptelas, vnter dem Nahmen
der Augspurgischen Confession / zubedecken vnnd zubeschönen / sich vnterstehen /
vnd vnter demselbigen Schein / newe / frembde / ja auch wol wiederwertige
meinung vnd corruptelas außsprengen / vnd vertheidingen
/ muß diese Declaration deutlich dabey gesetzt werden / daß wir die
Augspurgische Confession annehmen / verstehen / vnd behalten / in dem Verstand /
wie sie in der erfolgten vnnd angehefften Apologia,
nachmals in den Schmalkaldischen Artickeln / vnnd endlich in den Catechismis, vnd andern Schrifften Lutheri / aus GOTTES
Wort explicieret / vnnd verkleret worden ist.
Vnd also ist deutlich / klerlich / vnd in specie
gnugsamer gründlicher Bericht gethan / was das Corpus
Doctrinae in den Kirchen dieses Fürstenthumbs hinfüro seyn solle / Vnnd
ist wieder alle verfelschung trewlich vnd fleissig verwarnet / auff was meinung
/ vnd in was verstand es solle angenommen vnd behalten werden. Vnd diß ist
nichts newes / oder besonders / sondern der einhellige / wahre Catholische
Consenß der Propheten vnd Aposteln / auch aller reinen Reformierten Kirchen.
|| [3]
Sol derhalben hinfüro in Kirchen vnd Schulen dieses Fürstenthumbs nichts anders
zulehren gestattet werden / denn was gemeltem Corpori
Doctrinae, gleichförmig / vnd gemeß / vnd in demselbigen guten klaren
bestendigen grundt habe / non tantùm quod ad res ipsas
attinet: verumetiam quod attinet ad formam sanorum verborum. Was aber
demselbigen vngemeß / zuwieder / vnd entgegen ist / sol nicht geduldet / sondern
verhütet / vnd abgeschaffet werden. Vnd sollen fürnemlich die Pfarherrn vnd
Prediger / darnach auch die gantze Kirche wissen / daß diß Corpus Doctrinae also sol angenommen werden / als ein gute / köstliche
/ herrliche / statliche vertrawte beylage / wie es Paulus nennet / 1. Timoth. 6.
vnd 2. Timoth. 1. Bonum depositum custodi. Es weiset
aber Paulus / vnd demnach die Augspurgische Confession / gar schön vnd fein /
wie rechte reine Lehre möge erhalten werden / Nemlich / wenn man nicht allein
recht lehret / Sondern auch falsche / jrrige Lehre aussetzet / absondert /
verwirfft / vnd verdampt / wie Paulus nicht allein für seine Person thut /
Sondern dergleichen auch in allen trewen Lerern ernstlich erfodert / daß sie zu
beyden stücken geschicket / vnd mechtig seyn sollen / Nemlich zu vermanen durch
heylsame Lehre / vnd die wiedersprecher zu straffen / Tit. 1. Vnd Christus
selbst fasset das Ampt eines trewen Hirten / in diese zwey stück / Das erste /
daß er die Schäfflein solle auff guter gesunder Weide nehren / Das ander / daß
er auch sol dem Wolffe weren / Joh. 10. Sintemal ein wenig Sawrteig den gantzen
Teig verderbt / Gal. 5.
|| [ID00032]
Kurtzer einfeltiger vnd nothwendiger Bericht / von etlichen fürnehmen
Artickeln der Lehr / wie dieselbigen mit gebürlicher bescheidenheit zur erbawung
fürgetragen / vnd wieder alle verfelschung / verwahret mögen werden.
VNd weil die Lehre in gemelten Büchern vnd Schrifften nach notturfft begriffen /
ists ohne noth / dieselbige hieher zuerholen / Sondern wollen vns hiemit auff
gemelte Schriffte vnd Bücher gezogen / vnd referiret haben. Es ist aber aus
vielen beweglichen vrsachen / nach dieser Kirchen gelegenheit / für gut vnnd
nötig angesehen worden / daß von etlichen fürnehmen Artickeln allhie kurtzer
einfeltiger Bericht gethan / vnd in die Kirchenordnung mit eingeleibt sol
werden. Erstlich darumb / weil nicht alle Pastores,
fürnemlich auffm Lande / gleich geschicket vnd gegründet seyn / daß sie aus
rechtem Grunde / mit gebürlicher bescheidenheit / das Bapstumb niederlegen
mögen. Vnd die erfahrung gibts / daß viel vnuerstendige Pastores, nur allein brechen / vnd nicht bawen / auch mit
vnbescheidenheit / die arme jrrende Gewissen mehr ergern vnd verwirren / denn
aus grunde vnterweisen / vnnd zu rechte bringen / Sol derowegen von etlichen
fürnehmen Artickeln anleitung gegeben werden / wie man die jrrige falsche
meinung / Abgötterey / Aberglauben vnd Mißbreuche des Bapsthumbs / mit
Christlicher gebürlicher bescheidenheit / aus gutem grunde der Schrifft / den
Leuten nehmen / sie dauon abführen / vnd an derer stat / reine Lehre / rechten
brauch der Sacrament / vnd wahren Gottesdienst / pflantzen möge. Wie denn eben
aus den vrsachen D. Vrbanus Regius vor der zeit / an die benachbarte Kirchen /
ein gar nützlich Büchlein geschrieben hat / De formulis
cautè, & citra scandalum loquendi de praecipuis Christianae
doctrinae locis. Zum andern / Weil (leider) jetziger zeit / viel certamina de Doctrina gereget / vnd mancherley corruptelae, vnter dem Nahmen vnd schein / der
Augspurgischen Confession / vnter die Leute außgesprenget / vnnd vertheidiget
werden / von welchen die Pastores offt vngleich vnd
wiederwertig judiciren / vnd reden / Daß nun die Kirchen die
|| [4]
ses Fürstenthumbs / in angehender Reformation nicht
geturbiret / vnd etwa corruptelae mit eingeschleifft
möchten werden / Sol dauon kurtzer bericht geschehen / vnd den einfeltigen Pastoribus anleitung gezeiget werden / wie sie aus dem
Fürbilde der reinen Lehre / vnd gesunden Wort / in Corpore
Doctrinae begriffen / suchen / vnd nehmen sollen Refutationes corruptelarum, vnnd daran probiren vnnd vnterscheiden /
veram boni Pastoris vocem, & alienam vocem:
Welches da sey die rechtschaffene Stimme eines guten Hirten / vnd welchs da sey
eine frembde Stimme. In massen wie viel reine wolgeordente Kirchen / heilsame
Lehre zubewahren / vnd allerley corruptelas außzusetzen
vnd abzuhalten / gethan haben. Zum Dritten / wird solcher Bericht auch darzu
dienen / daß nicht allerley frembde vndienstliche vnd vnnötige Disputationes & Contentiones, in die Kirchen
dieser Lande eingeführet / vnd dadurch arme Gewissen / so noch mit dem Bapsthumb
verwirret / möchten geergert vnd betrübet werden.
Letzlich / wenn die Forma Doctrinae also allenthalben
geleutert / vnd bewahret wird / so sind alle sachen vnd hendel in Ministerio Ecclesiastico viel leichter vnd richtiger
/ Denn da jemands zum Ministerio sol bestellet werden /
so wird jhm das Corpus Doctrinae, mit angeheffter
Declaration / fürgelegt / Vnd nach dem er sich darauff erklert / wird er
entweder angenom̅en / oder abgeweiset. Vnd do darnach jemand sich
dem nicht gleichförmig vnd gemeß verhalten würde / dürffte man nicht lang mit
jhm darüber disputiren / sondern man hette einen geweiseten Proceß / de simplici & plano.
Es sollen aber nicht prolixae, integrae, & iustae
explicationes allhie instituiret werden / Sondern / sollen nur seyn zur
anleitung / kurtze Declarationes, von etlichen fürnemen
Artickeln.
|| [ID00034]
Von Gott.
ES sollen die Leute fleissig vermanet werden / daß sie jhren Gott / wie er in
seinem Worte sich geoffenbaret / erkennen sollen lernen / denn in demselbigen
waren erkentniß stehet das Ewige Leben / Johan. 17. Vnd die Gott nach seinem
Wort / nicht recht erkennen / die helt er für Heyden / vber welche er seinen
Zorn ausgiessen wil / Psalm. 79. Jerem. 10. Es sol aber aus klaren zeugnissen
der Schrifft gelehret werden / daß nur ein einiger Gott sey / vnd daß eine
grewliche Abgötterey sey / die Ehre / welche Gott alleine gebühret / einiger
Creaturen geben / Esai. 42. Vnd sollen die Leute offt berichtet werden / daß sie
sich gewehnen sollen / nicht allein so viel von Gott zuwissen / zugleuben vnd
zusagen / Der Ewig / Lebendig / Allmechtig / Gütig Gott / der alles geschaffen
hat / etc. Denn so viel können die Heyden auch wissen / vnd sagen / Sondern /
wenn sie gefraget werden / wie sie jhren Gott erkennen / oder / wer vnser HERR
Gott sey / daß sie einfeltig antworten / es sey Gott Vater / Sohn / vnd heiliger
Geist / Denn auff den Glauben seynd wir getaufft / im Namen des Vaters / des
Sohns / vnd des heiligen Geistes. Vnd sollen die gebreuchlichen reden / so der
Schrifft gemeß / vnd die Lehre fein vnterschiedentlich erkleren / behalten
werden / Nemlich / daß ein einiges vngetrentes Göttliches wesen sey / vnnd in
demselbigen einigem wesen / drey vnterschiedene Personen / Gott Vater / Sohn /
vnd heiliger Geist / eines wesens / gleicher macht vnd Herrligkeit / vnd daß
gleichwol der Vater / nicht sey der Sohn / Item / der Sohn sey ein andere Person
/ denn der heilige Geist / Vnd sollen die Leute fein deutlich vnd bescheidenlich
vnterrichtet werden / wie sie eine jede Person der heiligen Dreyfaltigkeit /
erkennen / anruffen / loben / dancken sollen / Also / daß wenn sie gefraget
werden / jhren Glauben fein einfeltig / von einer jeden Person der heiligen
Dreyfaltigkeit / bekennen vnd erkleren können / wie solche Lehre in den Symbolis, vnd in andern Schrifften / gründtlich tradirt
wird. Es sollen aber die Prediger sich fleissig fürsehen / daß sie nicht
allerley spitzige Disputationes von diesem grossen
Geheimniß der heiligen Dreyfaltigkeit / vor dem gemeinen Volck / jhre Kunst
dadurch zubeweisen / regen / sondern bey der einfalt bleiben / vnd daß Volck
ver
|| [5]
manen / daß sie fürnemlich in diesem
Artickel des Glaubens / jhre Vernunfft gefangen müssen nemen / vnter den
Gehorsam des Glaubens / 2. Corinth. 10. vnd also von Gott gleuben vnd reden /
wie er in seinem Wort sich geoffenbaret hat / 1. Corint. 2. Vnd sol diese gantze
Lehre dahin gerichtet werden / daß die Christen dieselbige täglich / wenn sie
jhr Gebet thun / vben mögen / also anruffen / die Güter vnd wolthaten bitten /
dafür dancken / dem Vater / dem Sohn / vnd dem heiligen Geist / wie die Lehre
vom Artickel der heiligen Dreyfaltigkeit solches außweiset.
Vnnd hie muß die Antithesis auch getrieben werden /
wieder alle alte vnnd newe Ketzer / Auch was vielerley grosse Abgötterey im
Bapsthumb getrieben sey worden / mit den lieben Heiligen / mit Bilden / mit
Walfarten etc. daraus man gemacht hat / Mitler für Gott / Versöner / Nothelffer
etc. welche Ehre alleine dem HErrn Christo vnd Gott gebüret. Item / Daß in den
Iuramentis die Eyde geleistet werden / nicht allein
bey Gott / sondern auch bey den Heiligen / ist ein stück der Antichristischen
Abgötterey / denn die Ehre wil Gott allein haben / daß man bey seinem Nahmen
schwere / wo es die Noth erfordert / Exod. 23. Deuter. 6. vnd 10. Jerem. 4. vnd
5. Isa. 65. Vnd sollen die Leute zugleich gewarnet werden / daß sie nicht newe
Abgötter machen / denn alles / drauff der Mensch sein vertrawen setzet / das er
mehr fürchtet vnd liebet / denn GOtt / das ist sein Abgott / vnd ist eine
grewliche Sünde wieder das erste Gebot.
Von der Busse.
DAs Wörtlein (Busse) wird in der Schrifft an etlichen örtern gebraucht / für das
erste Theil der Bekerung / welches man sonst nennet / Contritionem, Rew vnd Leid / als wenn vnterschiedlich genennet werden
/ Busse / Glauben / vnd Früchte der Busse / Marc. 1. Actor. 20. vnd 26. An
etlichen örtern wirds gebrauchet für die gantze Bekerung / Jerem. 18. Ezechiel.
18. vnd 33. Matth. 4. Luc. 13. vnd 15. Vnd also wirds auch in gemeiner rede der
Kirchen auff beyderley weise / nach gelegenheit der Materien / gebraucht. Vnd
sollen die Prediger darüber kein Wortgezenck anrichten / Sondern den Verstand
vnd die meinung einfeltig vnd deutlich erkleren.
|| [ID00036]
Also auch / wenn man Busse nennet / vnd verstehet die gantze bekerung des
Menschen / ists gebreuchlich / daß man sagt / die Busse habe drey theil oder
stücke / Erstlich / Rew vnd leid / oder schrecken des Gewissens / von wegen der
Sünde / Zum andern / den Glauben / der im Euangelio suchet vnd ergreifft /
vergebung der Sünden / aus Gnaden / vmb Christus willen / Zum dritten / die
Früchte der Busse / das ist / den anfang eines newen Lebens / oder newen
Gehorsams / vnd vber solcher abtheilung oder erzehlung der stücken der Busse /
sollen die Prediger kein vnnötig gezenck anrichten / Sondern folgen / wie die
Apologia fein bescheidenlich redet / wenn in der
Lehre von der Busse zu der Rew / vnd zu dem Glauben mit gezehlet vnd gerechnet
wird / der new Gehorsam / das wollen wir nicht gros fechten / allein / daß de rebus ipsis fein vnterscheidenlich gelehret werde /
Nemlich / daß zu der Göttlichen Trawrigkeit / welche zur Seligkeit wircket eine
Rew / die niemand gerewet / 2. Corinth. 7. gehören zwey Stück / Contritio & Fides, Rew vnd Glauben. Der newe
Gehorsam aber gehöret nicht darzu / vnd dahin / wenn die Frage ist / Wie vnnd
wodurch man erlangen möge Vergebung der Sünden / vnd die Seligkeit / Sondern /
wenn erstlich durch den Glauben die Sünde vergeben ist / alßdann folgen die
Früchte in guten Wercken / so GOTT geboten / vnd im Leiden des Creutzes / so
Gott dem alten Adam aufflegt. Wie auch das ein schedlicher Irrthumb ist / daß
man im Bapstthumb lehret / daß die Leute mit jhrer Rew vnd Leid / Gnade
verdienen / Sondern / die Rew muß vorher gehen / Denn die Krancken / vnnd nicht
die Gesunden / dürffen des Artztes / Matth. 9. Die Gnad aber / vergebung der
Sünden / vnd das ewig Leben / hat allein CHristus verdienet / vnnd wird allein
durch den Glauben ergriffen vnd angenommen / Vnd darnach / darauff vnd daraus
folgen denn gute Früchte / Daß also die dreyerley / Busse / Glauben vnd newer
Gehorsam / in warhafftiger bekerung des Menschen / seyn vnd gelehret müssen
werden / Denn wo keine Busse ist / da kan auch kein rechtschaffener Glaube seyn
/ Vnd da keine gute Früchte folgen / ists eine gewisse anzeigung / daß weder
warhafftige Busse / noch rechtschaffener Glaube da sey. Es müssen aber gleichwol
auch die dreyerley mit gebürlichem vnterscheid / gelehret werden / welchs
vorgehe / welchs nachfolge / welches eines jeden Ampt vnd eigenschafft sey /
vnnd fürnemlich / welchs das mittel sey / dadurch Vergebung der Sünden / so
durch Christum verdienet vnd erworben ist / erlanget / ergriffen vnd angenommen
werde.
Diese Lehre wird gründtlich / vnnd nach der lenge gehandelt
|| [6]
in der Apologia, im Zwölfften Artickel /
dahin vnd darauff wir vns auch referieren. Weil aber viel daran gelegen / vnd
von vnuerstendigen Predigern / offt mit grosser vnbescheidenheit daruon geredet
wird / haben wir diese kurtze Erinnerung hieher setzen wöllen / zur einfeltigen
anleitung / wie mit gebürlicher bescheidenheit / zur erbawung / die Lehre von
rechtschaffener seliger Busse / dem einfeltigen Volcke möge fürgetragen werden.
Vnd weil fast die gantze Summa der Christlichen Lehre in diesen Stücken begriffen
wird / sollen die Prediger sich befleissigen / daß sie nicht in gemein hin
predigen / Sondern allwege die Materiam auff dieser
Stücke eins richten: Von der Sünde / von Gottes Zorn vnd Straffe der Sünde / von
Rew / Leid / angst des Gewissens etc. Vom Vorsatz von der Sünde abzulassen / vnd
dieselbige zu meiden / Von Christi Person / von seinem Ampt / vnd Verdienst /
Von GOTtes Gnaden / Vergebung der Sünden / Vom Glauben / Von guten Früchten des
Glaubens / Als / Von gutem Vorsatz zur besserung / Von guten Wercken / Von
Gedult im leiden etc. Daß also in den Predigten bey der Lehre allwege sey / applicatio seu accommodatio ad vsum, wie die Lehre
besserlich sol gebrauchet werden.
Weil auch nothwendig / die Bäpstische Lehre / von der Busse / wird müssen
gestrafft vnd wiederlegt werden / sollen die Prediger sich fleissig hüten / daß
es ja nicht geschehe / mit solcher vnbescheidenheit / als were nun gar keiner
Busse von nöten / Vnd weil rohe sichere Leute es sonst so einnehmen möchten /
sollen die Prediger allzeit / wenn sie hieuon reden wollen / sich wol verwaren /
daß es in keinem wege die meinung habe / als dürffte man keiner Busse / Denn
Christus spricht: Thut Busse / das Himmelreich ist nahe herbey kommen / Matth.
4. Item / Wo jhr nicht Busse thut / so werdet jhr alle vmbkommen / Luc. 13. Ein
vnbußfertiges Hertz samlet jhm GOTTes Zorn / Roman. 2. Apocal. 2. vnd 3. Sondern
hierumb sey es zu thun / weil fromme Hertzen gerne wolten Busse thun / daß sie
nicht vnter GOttes Zorn ewiglich verderben / sondern ins Himmelreich kommen
möchten / welchs da sey eine rechtschaffene Busse / die da wircken möge / eine
Rew zur Seligkeit / 2. Corinth. 7.
Vnd hie sol nun fein bescheidentlich dem Volck angezeiget werden / wie jämmerlich
vnnd gefehrlich der Bapst mit seiner Lehre die arme Gewissen gemartert /
geplaget / verleitet vnnd verführet hat / Nemlich / daß er setzet drey Stück der
Busse / Rew / Beichten vnd Gnugthun / vnd darunter des Glaubens / der vmb
Christus willen / vergebung der Sünden empfangen muß / nicht mit einem Worte
|| [ID]
gedenckt / Sondern heist die arme Gewissen in zweyffel
bleiben / ob sie Gottes Gnade haben oder nicht. Item / de
Contritione lehret er / daß Rew vnd leid solle so groß vnd gnugsam seyn
/ als die Sünde ist / welches vnmüglich ist. Item / daß man durch solch rewen /
Gnade vnnd vergebung verdiene. Von der Beicht lehret er / daß nötig sey / alle
Sünde dem Priester in der Beicht zuerzehlen / vnnd daß keine Sünde vergeben
könne werden / die dem Priester nicht erzelet vnd offenbaret sey. Item / de Satisfactione, daß wir mit vnsern guten Wercken / das
wiederumb bezahlen sollen / was wir mit den Sünden verwircket haben / vnd also
für die Sünde gnugthun / vnd nimpt doch dazu solche Wercke / die GOtt nicht
geboten hat / als vnterscheid der Speise / Walfarten / anruffung der Heiligen /
etc. Die Absolution hat der Bapst wol behalten / aber dieselbige schendlich vnd
grewlich verfelschet / Denn er setzt den grund darauff / daß GOtt die Sünde
vergebe in ansehung / vnd nach maß vnserer Rew vnd Gnugthuung / vnd stehet in
der Agenda öffentlich diese Gotteslesterliche Forma Absolutionis: Das verdienst vnsers HErrn Jesu
Christi / vnd der heiligen Jungfrawen Mariae / vnd aller
Heiligen / die Demuth deiner Beicht / vnnd alle gute Wercke / so du gethan hast
/ vnd noch thun wirst / Auch alles / was du gelitten hast / vnd noch leiden
wirst / vnd anderer Leute gute Wercke / so in der Christlichen Kirchen geschehen
/ Auch der Ablaß / so du gelöset hast / Diß alles sey dir zur vergebung der
Sünden / zur Seligkeit Leibs vnd der Seelen / vnd zum Ewigen Leben / etc.
Hie sol den Leuten / aus GOttes Wort fein geweiset werden / wie vnd worumb solche
Lehre falsch vnnd vnrecht sey / wie dieselbige streite / wieder das Ampt /
wieder den Verdienst / vnd die Ehre des HErrn Jesu Christi / vnd wie dadurch die
Gewissen nicht getröstet / Sondern verwirret / vnd von dem Wege der Seligkeit
jämmerlich abgeführet werden / daß also die falsche jrrige Lere vnd meinung von
der Busse / den Leuten aus gutem grunde / mit gebürlicher bescheidenheit / aus
den Hertzen / durch Gottes Gnade / möge genom̅en werden.
Vnd hiebey sol allwege wiederholet vnd inculciret werden / daß sie nicht
gedeucken sollen / als dürfften sie hinfüro nun keiner Busse / Sondern / daß sie
nun durch vnsern HErrn GOtt in seinem Worte sich berichten / vnd vnterweisen
lassen / was da sey eine rechtschaffene selige Busse / worinn sie stehe / vnd
was dazu gehöre. Vnd weil die Lehre nun klar jhnen wird fürgetragen / daß sie
auch zu solcher Busse sich schicken / wie die Schrifft solches in schönen
Sprüchen vnd Exempeln fürhelt.
|| [7]
Diese Lehre aber wird außführlich gehandelt im 12. Artickel in
Confeßione & Apologia. Vnnd sollen die Prediger dieselbige
nicht schlechts obiter in gemeine hin erzehlen / Sondern
ad vsum accommodieren / den Nutz vnd Brauch weisen /
Also / daß die Leute fein sich selbs / nach der Lehre Pauli / 2. Corinth. 13.
probieren lernen / ob sie ein Bußfertiges Hertz haben / oder nicht / Ob sie im
Glauben sind / oder nicht / Ob ein anfang des newen Gehorsams bey jhnen sey /
oder nicht / Vnd dasselbige kan auffs aller einfeltigste / per Antithesin geschehen / als wer nicht weis / noch lernet / auch
nicht gedencket / noch sich damit bekümmert / Ob sein Leben Sünde / oder nicht
Sünde sey / Ob GOTT darüber zürne oder nicht / Vnnd do ers gleich aus GOttes
Wort höret vnd weis / dennoch entweder die Sünde verthediget / entschüldiget /
vnd gering achtet / oder an die bedrawung des Göttlichen zorns sich nicht keret
/ sondern sicher / vnd ohne Furcht GOTtes / in Sünden bleibet / darinn
fortfehret / vnd der mehr machet / ohne ernsten Vorsatz von Sünden abzulassen /
vnd hinfüro zumeiden / Derselbige sol wissen / daß er keine Busse habe / Sondern
/ daß er auff seinem Gewissen trage / das schwere Vrtheil GOttes / welches
beschrieben wird / Luc. 13. Rom. 2. Das aber ist ein Bußfertiges Hertz / das aus
GOttes Worte bedencket / wie ein schwerer grosser Grewel die Sünde für GOttes
Gericht sey / vnd zu gemüth vnd Hertzen führet / wie ein schweres Gericht GOttes
es durch die Sünde vber sich geführet hat / daß also dadurch das Hertze
getroffen vnnd gerühret wird / daß es nicht mehr Lust / Liebe vnnd Frewde zur
Sünde hat / Sondern ist im leid / fürchtet sich / ist jhm angst vnd bange / daß
es nicht Ewig möchte verdampt vnd verloren werden / Daraus denn folget ein
ernster Vorsatz / von der Sünde abzulassen / vnd die hinfüro zumeiden. Item /
ein Hertzliches begehr vnd verlangen / daß er möchte der Sünde / Gottes Zorns /
vnd der Verdamnis loß vnd ledig werden / Das ist rechtschaffene wahre Busse in
Sünden / so wieders Gewissen sind / Denn sonst müssen auch alle Christen in
diesem Leben sich für Sünder erkennen / wieder die Sünde / so in jhrem Fleisch
wohnet / streiten / vnd vmb derselbigen Vergebung bitten. Auff die einfeltige
weise kan der gemeine Mann die Lehre von der Busse / nicht allein gründlich
verstehen / Sondern auch in Christlicher täglicher Vbung zum Brauch bringen.
Also auch sol vom Glauben nicht in gemein hin allein geprediget werden / Sondern
die Lehre ad vsum accommodieret werden / daß ein jeder
sich selber probieren lerne / Ob er im Glauben sey oder nicht / Denn wer darauff
nicht gedenckt / vnnd damit sich nicht beküm
|| [ID00040]
mert / Ob
GOtt sein Freund oder Feind sey / der hat keinen Glauben. Item / Wer allein die
Artickel des Glaubens in genere für wahr helt / der hat
darumb noch nicht den wahren seligmachenden Glauben / Denn auch die Teuffel
gleuben / daß ein GOTT sey / Jacob. 2. Item / Wer von Gottes Gnaden / vnd von
Christo viel gedencket vnd redet / vnd das dahin richtet / daß er frey möge in
Sünden bleiben / fortfahren / vnd dieselbige mehren / der hat keinen
rechtschaffenen seligmachenden Glauben / Denn des wahren Glaubens arth vnd
Eigenschafft ist / wie er der Sünde möge los vnd ledig werden / nicht / wie er
derselbigen mehr möge machen / So ist auch ein solcher Epicurischer Wahn / kein
rechter Glaube / wenn der Gottlose jhm diß einbildet / weil CHristus gestorben /
vnd GOTT gnedig ist / so frage er nach keiner Sünde / zürne nicht mehr darüber /
Sondern er sey es wol zufrieden / wenn man gleich die Sünde heuffet / Vnd könne
der Mensch wol Gottes Kind seyn / vnd selig werden / wenn er gleich ohne Busse
in Sünden verharret / Diß ist kein Glaube / sondern seynd Gottlose /
Teuffelische Gedancken. Das aber ist die rechte Proba,
eines wahren seligmachenden Glaubens / Wenn das Hertze seine Sünde / vnd GOttes
Zorn erkennet / wolte aber nicht gerne darunter ewiglich bleiben / vnd verderben
/ Sondern hat Hertzlichs begehr vnnd verlangen / daß es dauon möchte ledig
werden / Gnad erlangen / Vergebung der Sünden / vnd Ewiges Leben vberkommen.
Wenn do der Glaube in der Verheissung des Euangelij / im Wort vnd Sacramenten /
sucht / ergreifft / vnd annimpt / Christum mit alle seinem Verdienst / vnd
GOttes Gnade / vmb CHRISTVS willen / Also / daß er wüntschet vnd begehret /
bittet vnd flehet / daß jhm GOTT vmb Christus willen / gnedig seyn / vnnd seine
Sünde vergeben wölle / tröstet sich des / setzet darauff sein vertrawen. Vnd
wenn diß gleich in grosser Schwachheit zugehet / so ists doch ein rechter /
wahrer / seligmachender Glaube / welchen der liebe Gott mehren wil / vnd hat
sich gewißlich zu trösten / vnd anzunehmen / aller der Verheissungen / so die
Gleubigen in der heiligen Schrifft haben / zur Vergebung der Sünden / vnd Ewigem
Leben. Wer aber gleich des Glaubens sich rhümet / vnd verachtet das Wort vnd die
Sacrament / vnd lebet ergerlich / verharret in Sünden wieder sein Gewissen / der
feilet auch weit / Denn der Glaube kömpt / wird erhalten / vnd gemehret vom
Heiligen Geist / durch das gehör des Worts / Romano. 10. Vnd wo dem Glauben
keine Gute Wercke folgen / so ist er Tod / Jacob. 2.
Derselbige Glaube bringet nun mit sich gute Früchte eines
|| [8]
newen Lebens vnd Wandels / welches darin stehet / daß nicht allein eusserlich
etwas geschehe / Sondern / daß das Hertze ernewert werde / Dasselbige aber
kanstu daran probieren / wenn das Hertz in betrachtung der grossen Gnad / dir in
Christo erzeiget / sich ergibt / dem frommen GOTT wiederumb zudienen / vnd einen
Vorsatz fasset / GOtt mit Kindlichem Gehorsam danckbar zuseyn / vnd befleissiget
sich solchen Vorsatz zubeweisen / Damit / daß es sich vor Sünden hütet / in
Guten Wercken / so GOTT befohlen hat / vbet / im Creutz gedüldig ist / etc. Vnnd
ob diß gleich in diesem Leben schwach vnd vnuolnkommen ist / Wie denn darumb
auch alle Heiligen in diesem Leben müssen vmb Vergebung der Sünden bitten /
Psalm. 32. So ists doch ein anfang der Vernewerung des heiligen Geistes.
Dieser Bericht ist darumb etwas mit mehrern Worten hieher gesetzt / weil an
diesem Artickel am meisten gelegen / vnd in der erfahrung befunden wird / daß
vngeübte Pastores, entweder diese Lehre nicht richtig /
mit gebürlichem vnterscheid führen / oder lassen doch die Lehre in genere hengen / sine
accommodatione ad vsum, Daß sie nicht derselbigen Brauch vnnd vbung
anzeigen. So meinet auch der gemeine Hauffe / es sey gnug / wenn man die Lehre
so höret vnd weis / ob gleich der Gebrauch / vnd die Vbung nicht folge. Wo
derhalben dieser anleitung also gefolget würde / achten wir / es solte viel
Frucht schaffen / vnd würde hiemit der rechte Grund gelegt der gantzen Lehre /
vnd des gantzen Christenthumbs.
Weil aber diß alles / was zur Busse vnd Bekehrung gehöret / nicht angefangen /
noch geschehen kan / aus Menschlichen Natürlichen Krefften vnnd vermögen /
Sondern / der heilige Geist muß solches geben / wircken / erhalten / vnd mehren
/ ER aber wil dasselbige thun / nicht ohne Mittel / sondern durchs Wort / darzu
/ als ein ördentlichs Mittel / von GOTT gegeben vnnd verordnet / Derhalben muß
nun folgends angezeiget werden / woraus die Prediger sollen lehren Buß / woraus
Glauben / vnd woraus newen Gehorsam / was sie für ein Wort den Leuten sollen
fürhalten / dadurch der heilige Geist wircken möge Busse / darnach Glauben / vnd
folgend Newes Leben. Vnnd diß stehet nun auff dem Vnterscheid des Gesetzes vnd
Euangelij.
|| [ID00042]
Von Vnterscheid des Gesetzes vnd Euangelij.
DIE gantze Lehre des Göttlichen Worts in der heiligen Schrifft geoffenbaret /
stehet in diesen zweyen vnterschiedlichen Heuptstücken / In der Lehre des
Gesetzes / vnnd in der Lehre des Euangelij / (Wenn wir aber im Newen Testamente
das Gesetz nennen / so verstehen wir einfeltig mit Christo vnd Paulo / die Zehen
Gebot GOttes / wie die in der Schrifft erklehret sind.) Vnnd die beyde
Heuptstück müssen in der Kirchen GOttes beysammen bleiben / vnnd mit einander
getrieben werden / Nicht allein das Gesetz ohne das Euangelium / Auch nicht
allein das Euangelium ohne das Gesetz / vnd müssen doch die zwey Heuptstück mit
hohem fleis vnterscheiden werden / seyn vnnd bleiben / daß ein jedes sein
sonderliches / eigenes / vnterschiedenes Ampt vnd Werck führe vnnd behalte / wie
solchen Vnterscheid Paulus fein gründlich weiset / 2. Corinth. 3. Galat. 3.
Roman. 3. Nemlich / Daß das Gesetz dis Ampt vnd Werck führe / daß es die Sünde /
GOttes Zorn wieder die Sünde / Verdamnis / vnnd den Ewigen Tod / von wegen der
Sünde / prediget vnnd offenbaret / Also / daß es sey Ministerium, 2. Corinth. 3. Das ist / ein Mittel vnnd Werckzeug /
dardurch GOTT vns in wahres ernstes Erkentnis vnserer Sünde führet / Romanor. 3.
Ja / wie ein Hammer GOTTES / Jerem. 23. dardurch er vnser Steinern / hartes /
vnbußfertigs Hertze zerbricht / vnd hinweg nimpt / vnnd gibt ein solches Hertze
/ das sich von wegen der Sünde betrübet / 2. Corinth. 7. für GOTtes Zorn
fürchtet / dem angst vnnd bange wird für dem Ewigen Tod vnnd Verdamnis / Roman.
4. Psalm. 51. Isai. 66. Ezechiel. 36. Das Euangelium aber hat vnd führet diß
Ampt / daß es offenbaret in CHRISTO die Gerechtigkeit / darinn vnd dadurch wir
für GOtt / aus Gnaden / durch den Glauben / ohne zuthun vnserer Werck / der
Sünden los / gerecht vnd jhm angenehm werden zum Ewigen Leben / Vnd ist ein Ministerium, Mittel vnd Werckzeug /
|| [9]
dardurch GOtt die zerschlagene Gewissen wiederumb tröstet / vnd
auffrichtet / Vergebung der Sünden / Gerechtigkeit / Ewiges Leben schencket /
applicieret / vnd gibt / Vnd Summa / selig machet alle / die daran gleuben /
Roman. 1. vnd 3. 2. Corin. 3. Vnd Paulus fasset den vnterscheidt kurtz / Roman.
3. vnd 10. Galat. 3. Das Gesetz ist ein Lehre von vnsern Wercken / was wir thun
sollen / Das Euangelium aber prediget / was CHristus für vns gethan habe / daß
wir dasselbige mit Glauben annehmen sollen.
Diese Lehre / von vnterscheidt des Gesetzes vnnd Euangelij / wird vnnd sol also
ad vsum accommodieret werden / Wenn der Prediger
Gottlose sichere Leute für sich hat / die er durch Göttliche Krafft vnd Wirckung
/ gerne wolte führen vnd bringen zu wahrer Erkentnis jhrer Sünden / daß sie für
GOTTes Zorn / für dem Tod / vnd Verdamnis sich fürsehen / vnd also durch ein
ernstliches mißgefallen / Rew vnnd leid / von der Sünde sich abwenden / das ist
/ zur Busse kommen möchten / was er denen aus Gottes Wort fürhalten / worauff er
sie weisen solle / dardurch der heilige Geist jhnen möge Busse / das ist / wahre
Erkentnis / Rew vnd leid jhrer Sünden / geben / 2. Timoth. 2. Nemlich / nicht
das Euangelium / sondern das Gesetz / Denn dasselbige ist ministerium peccati & mortis, 2. Corinth. 3. Durchs Gesetze
kömpt Erkentnis der Sünden / Roman. 3. Das Gesetze richtet Zorn an / Roman. 4.
Vnnd weiset das Gesetz auch den Heiligen in diesem Leben die Sünde / so noch in
jhrem Fleisch wonet / Roman. 7. auff daß sie nicht hoffertig / sondern in der
Demuth herunter gehalten werden / vnd jhre Seligkeit mit dem lieben Dauid setzen
allein darauff / daß jhre Sünde jhnen zugedeckt / vnd nicht zugerechnet werden /
Roman. 4.
Wenn man aber ein betrübtes Gewissen trösten wil / Item / wenn man den Leuten
weisen wil / wo sie suchen / finden / vnnd erlangen mögen / Gottes Gnade /
Versönung / Vergebung der Sünden / Ewiges Leben / sol man sie nicht weisen zum
Gesetz / das ist / auff vnsere Wercke / Denn das Gesetz ist nicht gegeben / daß
es könne gerecht vnd lebendig machen / Roman. 3. Galat. 3. Es tröstet auch das
Gewissen nicht / Sondern richtet zorn an / Roman. 4. Ist nicht ein Ampt des
Lebens / Sondern des Tods / vnd der Verdamnis / 2. Corinth. 3. Sondern / auff
die Lehre des Euangelij von Christo / sollen solche Gewissen geweiset werden /
dasselbige sol jhnen fürgehalten werden / als ein Ministerium, Mittel vnd Werckzeug / dardurch der heilige Geist dem
betrübten Gewissen wil Trost / Vergebung der
|| [ID00044]
Sünden /
Gerechtigkeit / vnd Ewiges Leben / vmb Christus willen / durch den Glauben /
applicieren / schencken vnd geben.
Zum Dritten / Wenn ein Prediger von der Vernewerung / oder vom Newen Gehorsam
also lehren wil / daß der heilige Geist durchs wort die Hertzen möge ernewern /
muß er darauff gar gut acht geben / was er für ein Wort vnd Lehre darzu
gebrauchen solle. Das Gesetz weiset wol / was wir thun sollen / aber es gibt die
Krafft vnd das vermögen nicht / Sondern der heilige Geist muß die Hertzen
ernewern / Tit. 3. Vnd desselbigen Früchte sind alle rechtschaffene gute Wercke
/ Galat. 5. Ephes. 5. Der heilige Geist aber wird gegeben vnnd empfangen / nicht
durch das Gesetz / Sondern durch die Predigt vom Glauben / Gala. 3. Derhalben
muß vorhin die Person durch Christum gerecht / vnd GOtt angenehm werden /
alßdenn vernewert der heilige Geist das Hertze / daß es einen guten Vorsatz
bekömpt / vnd in betrachtung der grossen Güte / vnd Gnade Gottes / sich von
Hertzen ergibt demselbigen zu dienen / vnd gehorsam zuseyn / Rom. 6. Wenn nun im
Hertzen also die Vernewerung des heiligen Geistes angefangen ist / so sol das
Hertze nicht aus Menschen Satzungen / oder eigener Andacht / sonderliche
Gottesdienste erdencken / Coloss. 3. Matth. 15. Deuter. 12. Ezech. 20. Sondern
alßdenn kömpt das Gesetz vnd weiset / was das für gute Wercke seyn / die GOtt
vor bereitet hat / daß die seinen darinnen wandeln sollen / Ephes. 2. Ezechiel.
20. Deuteronom. 12. Roman. 12. Galat. 5. Vnnd weil das Gesetz alßbald auch
weiset / daß solche auch der Heiligen gute Wercke in diesem Leben schwach /
vnrein / vnd vnuolnkommen seyn / Psalm. 32. Rom. 7. So kömpt wiederumb das
Euangelion / vnnd lehret / wie vnd worumb solche gute Wercke Gott gefellig / vnd
angenehm seyn / Nemlich / nicht darumb / daß sie rein vnd volnkommen seyn /
Sondern / durch den Glauben / vmb des HERRN Christi willen / weil die Person des
Gleubigen GOTT versönet vnnd angenehm ist. Solcher Vnterscheid des Gesetzes vnd
Euangelij muß fleissig gehalten werden / Denn was für vnrath in der Kirchen
daraus entstehe / wenn Gesetz vnd Euangelium vermenget / oder zu weit von
einander gerissen / Oder ja jhr rechter gebrauch verkehret wird / ist das
Bapsthumb noch heut zu tage ein mercklich Exempel / Vnnd derhalben muß das
gestraffet werden / daß der Bapst aus dem Gesetz der Werck gemachet hat / eine
Lehre / dadurch man Vergebung der Sünde / vnd Ewiges Leben erlangen möge / Vnd
wiederumb / aus dem Euangelio gemacht eine Wercklehre / Item / eine Lehre / die
da schrecken / vnd nicht trösten solle.
|| [10]
Es sollen auch die Antinomi, oder Gesetzstürmer in diesen
Kirchen nicht geduldet werden / welche die Predigt des Gesetzes aus der Kirchen
wegwerffen / vnnd wöllen / daß man die Sünde straffen / Rew vnnd Leid lehren
solle / nicht aus dem Gesetz / Sondern aus dem Euangelio / vnter solchem schein
/ daß man die Gewissen nicht so hart angreiffen / noch so hefftig schrecken
solle / wie das Gesetz thut. Aber die Schwermer hat Lutherus aus gewaltigem
Grunde der Schrifft wiederlegt. Es ist auch das nicht wahr / daß etliche
schwermen / wenn Erkentnis der Sünden / Rew vnd Leid vber die Sünde / aus dem
Gesetz geprediget wird / daß das sey ein Judas Busse / vnnd ewige Verzweiffelung
/ Sondern das ist wahr / wenn man es bey der Predigt des Gesetzes alleine
bleiben lassen / vnnd nicht alßbald auch die Vergebung der Sünden / auff die
Busse / durch das Euangelion / fürtragen wolte / so würde vnnd were es eine
Judasche Verzweiffelung. Also aber würde auch das Gesetz nicht recht geprediget
/ Nam finis Legis est CHRISTVS ad iustitiam credenti,
Roman. 10. Vnd GOTT beschleust durchs Gesetz Alles vnter die Sünde / auff daß er
sich Aller erbarme / vnnd die Verheissung komme durch den Glauben an CHRIstum /
Roman. 11. Galat. 3. Et Lex est Paedagogus ad CHRISTVM.
Es thun auch die vnrecht / die da den Tertium vsum Legis
verwerffen / als solte das Gesetz den Bekehrten vnd Vernewerten dazu nicht
dienstlich seyn / daß es sie berichte / was sie zum Newen Gehorsam für gute
Werck thun sollen / wie dis droben erkleret ist.
Es sollen die Prediger auch gründlichen Verstand vnd Bericht haben / de vsitata & generali definitione Euangelij, daß
sie nicht entweder Gezenck darüber erregen / oder aus Mißuerstand derselbigen /
den nötigen Vnterscheid des Gesetzes vnnd Euangelij confundieren. Das stehet in Apologia etliche mahl / daß das Euangelium sey eine
Predigt von der Busse / vnnd Vergebung der Sünden / Wie auch Lutherus in seinen
Schrifften offt also redet / Aber die meinung hat es in keinem wege nicht / als
were kein Vnterscheid vnter dem Gesetz vnd Euangelio / Oder / als solte
Erkentnis der Sünden / GOttes Zorn / Rew vnnd Leid vber die Sünde wieder Paulum
gelehret werden / nicht aus dem Gesetz / Sondern aus dem Euangelio. Sondern wie
das Wörtlein (Gesetz) offt für die gantze Lehre des Göttlichen Worts / auch des
Euangelij / gebrauchet wird / Psalm. 19. vnd 119. Isai. 2. Roman. 8. Also wird
auch das Wörtlein (Euangelion) zu weilen in gemein gebraucht / für die Summa des
Göttlichen Worts / Marc. 1. vnnd 16. Luc. 9. Actor. 20.
|| [ID00046]
Vnd
in dem Verstandt sind die fürnemsten zwey Heuptstück des Euangelij in genere, Busse vnd Glauben / oder Vergebung der Sünden
/ Luc. 24. Actor. 20.
Item / Weil das Euangelion prediget Vergebung der Sünden / nicht den rohen
sichern Hertzen / Sondern denen / die da Busse thun. Vnd weil die Lehre des
Euangelij muß darzu kommen / auff daß aus der Rew nicht ein Verzweiffelunge
werde / Sondern / daß es möge seyn eine Busse zur Seligkeit / 2. Corinth. 7.
Auff die meinung ist recht gesagt / daß das Euangelion sey eine Predigt der
Busse / vnnd Vergebung der Sünden / wie Lutherus diß handelt / in prima Disputatione contra Antinomos, Et in Articulis
Schmalcaldicis spricht er / Das Newe Testament behelt vnd treibet das
Ampt des Gesetzes / das die Sünde offenbaret / Aber zu solchem Ampt thut es
flugs die Verheissung der Gnaden durchs Euangelion. Item
Apologia, in Articulo Iustificationis: In praedicatione poenitentiae non
sufficit praedicatio Legis, sed oportet addi praedicationem Euangelij:
Zur Predigt der Busse ist nicht gnug die Predigt des Gesetzes / Sondern es muß
darzu gethan werden die Predigt des Euangelij. Also erkleret das Euangelion viel
stück in der Lehre von der Busse / so aus dem Gesetz geprediget wird / Alß wie
D. Lutherus schreibet / in 3. caput ad Galatas: Officium
& vsus Legis est, non solùm ostendere peccatum & iram DEI:
sed etiam compellere ad Christum. Hunc vsum Legis solus Spiritus sanctus
quaerit, & Euangelium ostendit, quia solum Euangelium dicit, DEVM
adesse contritis corde. Das Ampt / vnd der gebrauch des Gesetzes ist /
daß es nicht allein die Sünde / vnnd Gottes zorn offenbare / sondern auch die
Sünder zu Christo treibe. Aber diesen brauch des Gesetzes suchet allein der
heilige Geist / vnnd das Euangelion zeiget denselbigen / denn allein das
Euangelion lehret / daß GOtt in Gnaden bey denen sey / die zerschlagens Hertzens
seyn. Idem inquit in 4. caput ad Galatas. Lex dicit, Qui
fecerit haec, viuet in eis, Sed Euangelium dicit, Tu ista non facis, Ergo
per ea non viues, &c. Et quomodo Euangelium illustret doctrinam de
Bonis operibus, suprà dictum est: Item / Das Gesetz saget / Wer das
thut / der wird darinn leben. Aber das Euangelion saget / Du thust es nicht /
Darumb wirstu dadurch nicht leben. Vnd wie das Euangelion die Lehre von guten
Wercken erklere / das ist droben angezeigt.
Wenn man aber in specie & propriè redet / wie das
Gesetz vnd Euangelion vnterscheiden werden / was eines jeden eigen Ampt vnd
Werck sey / so muß das bleiben / vnd erhalten werden / wie die Apologia redet / in loco de
Poenitentia: Lex est verbum, quod arguit & condemnat peccata. Item,
Verbum quod arguit tantùm peccata, doctrina Legis est non
|| [11]
Euangelij. Et paulò pòst: Haec sunt duo praecipua opera DEI
in hominibus, perterrefacere, & iustificare ac viuificare
perterrefactos. In haec duo opera distributa est vniuersa scriptura. Altera
pars est Lex, quae ostendit, arguit & condemnat peccata, Altera pars
est Euangelium, hoc est, promißio gratiae in Christo donatae. Item in loco
de Iustificatione: Euangelium propriè est promißio remißionis peccatorum,
& iustificationis propter Christum.
Das Gesetz ist ein Wort / das die Sünde strafft vnd verdammet. Item / das Wort /
das alleine die Sünde strafft / ist eine Lehre des Gesetzes / vnd nicht des
Euangelij. Vnnd bald hernach / Diß sind die fürnemste Werck GOttes in den
Menschen / erschrecken / vnd die erschrockenen wiederumb lebendig machen vnd
rechtfertigen. In diese beyde Wercke wird die gantze Schrifft außgetheilet / Ein
Theil ist das Gesetz / welchs anzeiget / straffet / vnd verdampt die Sünde. Das
ander Theil ist das Euangelion / das ist / die Verheissung der Gnaden in CHristo
vns geschencket. Item / das Euangelion ist eigentlich die Verheissung der
Vergebung der Sünd / vnd der Rechtfertigung vmb Christus willen.
Wenn diß Stück also vnterscheidentlich erklehret wird / so können allerley certamina verhütet werden / vnd wird die Lehre rein
behalten. Ne fiat confusio legis &
Euangelij.
Von der Sünde.
IN diesem Artickel ist in des Bapsts Lehre auch gar grosser mangel / Denn da
keine Sünde sind / da hat er grewliche Sünde aus gemacht / Nemlich / vber
Menschen Satzungen in der Kirchen / von solchen dingen / die GOTT weder geboten
noch verboten hat / (Der Obrigkeit Satzung aber / die nicht wieder GOttes Befehl
sind / gehören in das Vierde Gebot Gottes.) Aber von der Sünde / so noch im
Fleisch auch der Heiligen in diesem Leben wonet / Roman. 7. hat man im Bapsthumb
gar wenig gelehret / Ja man wils für keine Sünde halten / Derhalben muß in
diesem Stück das Volck fleissig berichtet werden / daß für GOTT das allein Sünde
sey / was wieder seine Gesetze oder Gebot ist / 1. Johan. 3. Vnd daß vns sonst
in andern dingen / so wieder Gottes Gebot nicht sind / keiner
|| [ID00048]
kein Gewissen machen solle / Coloss. 2. Es sollen aber aus GOttes Wort / nicht
allein die eusserliche öffentliche grobe Sünden gestrafft vnd erkennet werden /
Sondern fürnemlich auch die innerliche Verderbung vnserer Natur / durch die
Sünde / welche vns auffgeerbet vnd angeboren / vnd daher die Erbsünde genennet
wird.
Es sol aber in diesen Kirchen nicht eingeführet werden die Disputation / Quòd peccatum originale sit substantia hominis, seu ipsa
anima rationalis. Denn es ist / vnd muß gehalten werden ein Vnterscheid
zwischen der Substantz / Wesen vnnd Natur des Menschen / vnnd zwischen der Sünde
/ dadurch die Natur des Menschen verrückt / verderbet / vnd vergifftet ist. Denn
vnser Catechismus lehret vns aus der Schrifft / Psalm. 139. Job. 10. Ecclesiast.
12. Daß auch jetzund nach dem Fall GOtt einem jeden Menschen Leib vnd Seele
schaffe / Vernunfft / Sinne / vnd alle Gliedmassen gebe vnd erhalte. Die Sünde
aber schaffet vnd gibt vnser HErre GOtt nicht / Sondern die kömpt her vom
Teuffel / Johan. 8. durch einen Menschen / Roman. 5. Vnd dieselbige Erbsünd ist
nicht allein ein impedimentum, seu corruptio accidentium,
ipsa substantia, seu natura hominis existente integra, Als wenn man
einen Magnet mit Knoblauchs safft bestreicht / oder einem / der Geschickligkeit
/ Krafft vnd vermögen zu gehen hat / die Füsse bindet / wie etliche mit den
Papisten schwermen / Sondern / die gantze Natur des Menschen ist durch solche
Sünde verrückt / verderbet / vnd vergifftet / Also / daß da ist ein mangel alles
Guten / vnd dagegen ein vnrath zu allem bösen / Ja ein Feindschafft wieder Gott
/ Rom. 8. Zu Gutem haben wir von Natur keine lust / liebe / willen / oder
Geschickligkeit / Sondern was böse ist / das wil die verderbte Natur / das kan
sie / das thut sie / wie dieselbige Lehre in Apologia, de
Peccato originis, gründlich nach der lenge erklehret wird. Vnd sollen
die Leute berichtet werden / daß solche Erbsünde sich anhebet alßbald / wenn der
Mensch in Mutter Leib empfangen wird / Psalm. 51. Vnd wiewol sie in der Tauffe
vergeben wird / vnd der heilige Geist anhebet dieselbige abzutödten / so bleibet
sie doch im Fleisch wohnen / daß dawieder alle Heiligen in diesem Leben täglich
büssen / vnnd streiten müssen / biß der Leib der Sünden einmahl / durch den
leiblichen Tod abgelegt werde / Roman. 6. vnd. 8.
Es sollen auch die Prediger fleiß anwenden / daß die Leute aus den Zehen Geboten
erkennen lernen / wieuiel vnnd mannigfaltige Sünde in vns armen Menschen sey /
Vnd kan solchs auffs einfeltigste gehandelt werden / wenn bey einem jeden Gebot
angezeiget wird / wie die angeborne Sündliche vnarth im Fleisch sich rege / vnd
|| [12]
wie aus der bösen Wurtzel allerley böse Früchte /
die man wirckliche Sünde nennet / herfür kommen / innerlich vnd eusserlich / in
Gedancken / Lüsten / Geberden / Worten vnd Wercken / mit thun vnd lassen /
wieder GOtt / wieder den Nehesten / vnd wieder vns selbs / etc. Es muß aber
nicht allein blos ein Catalogus der Sünden / in der
Gesetzpredigt gemacht werden / Sondern es muß auch dabey / mit allem ernst /
GOTTes Gericht vber vnd wieder die Sünde verkündiget werden / wie Paulus spricht
/ Romanor. 1. GOTTes Zorn wird vom Himmel geoffenbaret / vber alles Gottloses
wesen / vnd Vngerechtigkeit / Vnnd Roman. 2. Vngnad vnd Zorn / Trübsal vnd Angst
vber alle Seelen die da böses thun / wo nicht in diesem Leben / die Sünde vmb
Christus willen / vergeben wird. Insonderheit aber foddert die hohe grosse Noth
/ daß die Lehre von vnterscheid der regierenden vnd nicht regierenden Sünde /
wie es Paulus heist / Oder wie mans nach gemeinem alten brauch nennet / von
Tödlichen vnd Täglichen Sünden / mit höchstem fleis / der Gemeine Gottes / aus
Grunde der Schrifft / fürgetragen / vnd durch stete erinnerung jmmer eingebildet
werde. Denn eben daher / daß die Welt diesen Vnterscheid nicht wissen noch
lernen wil / fleust die schendliche Sicherheit / vnnd der grosse vnbußfertige
Muthwille bey denen / die sich Euangelisch rhümen / weil sie gehöret haben /
Sind wir doch alle arme Sünder / Ist doch in diesem Leben niemand ohne Sünde /
vnd die Gleubigen sind gleichwol GOttes Kinder / ob sie wol bekennen müssen /
daß sie noch Sünde haben / Psalm. 32. 1. Johan. 1. Denn daraus schliessen sie /
Wenn ich gleich ohne Busse / vnd Bekehrung bleibe / verharre / vnd fortfahre in
Sünden / wie vnd waserley dieselbige seyn mögen / so kan ich gleichwol ein
Christ / vnd Gottes Kind seyn / vnd selig werden. Diesem falschen / Gottlosen /
Teuffelischen Wahn / kan anders nicht begegnet vnd gewehret werden / denn daß
der Vnterscheid Peccati Venialis & Mortalis
gründlich / vnd mit fleis getrieben werde. Es stehet aber der Vnterscheid nicht
darauff / wie man im Bapsthumb narret / daß etliche Sünde wieder Gottes Gebot /
an sich selbs für Gott so gering / klein / vnd nichtig seyn solten / daß sie
nicht werth weren / daß GOtt darüber zürnen / vnd dieselbige mit ewigem Fluch
straffen solte / wenn er gleich damit wolte ins Gerichte gehen. Denn Gottes
Vrtheil stehet klar / Deuteron. 27. Wer nicht in allem bleibet / das im Gesetz
geschrieben stehet / der sey verflucht. Vnnd Jacob. 2. So jemand das gantze
Gesetz helt / vnd sündiget an einem / der ist des gantzen schüldig. Vnd darauff
gehet die lange ernste Predigt Christi / Matth. 5. Derhalben in den Vnbekehrten
|| [ID00050]
vnd Vngleubigen / sind alle Sünde Mortalia, Denn wer nicht gleubet an den Sohn GOTTes / vber dem bleibet
der Zorn GOttes / Johan. 3.
Wenn man aber predigt den Christen / die getaufft / bekehret / vnd gleubig worden
sind / So lehret die Schrifft / daß in denselbigen etliche Sünde seyn / bey
welchen der Glaube stehen / vnd der Heilige Geist bleiben kan / wie Lutherus
redet / vmb welcher Sünde willen / die gleubige Person nicht verdampt wird /
sondern hat vnd behelt den Glauben / den Heiligen Geist / GOTTes Gnade /
Vergebung der Sünden / vnd das Ewige Leben. Diese Lehre hat jhren Grund / Roman.
6. 7. vnd 8. 1. Johan. 1. Psalm. 32. etc. Vnd das heissen Peccata Venialia. Wiederumb aber auch sagt die Schrifft mit grossem
ernst / daß Christen wol in solche Sünde fallen können / dadurch sie verlieren
den Glauben / den heiligen Geist / Gottes Gnade / Vergebung der Sünden / die
Erbschafft des Reichs GOttes / vnnd fallen wiederumb in Gottes Zorn / zum Ewigen
Verdamnis / wo sie nicht wiederumb Busse thun / vnd durch den Glauben vmb
Christus willen / wieder versönet werden. Diese Lehre hat jhren Grundt in den
Sprüchen Pauli / Roman. 8. 1. Corinth. 6. Galat. 5. Ephes. 5. Coloss. 3. Jacob.
1. Welche Sprüche dem Volcke offt vnd mit fleis sollen eingebildet werden / Vnd
diß heissen Peccata mortalia.
Vnd sol die Schwermerey / als das ärgste Seelengifft verhütet werden / die da
lehret / daß die Christen / den Glauben vnd GOttes Gnade / durch keinerley Sünde
wiederumb verlieren können. Item / daß den Gleubigen keinerley Sünde schaden
können / wie Lutherus dieselbige Schwermerey gewaltig mit grossem eyuer
wiederlegt / in Articulis Schmalcaldicis.
Nun ist die Frage / Wie vnnd woher das komme / daß in den Christen etliche Sünde
nicht verdamlich / etliche aber Tödtlich vnnd verdamlich sey? Daher / wie vor
gesagt vnd erweiset / kömpt es nicht / daß einige Sünde an sich selbs für Gottes
Gericht so ein liederlich / schlecht / gering ding sey / So kömpt es auch daher
nicht / als ob etliche Sünde so gros vnd schwer weren / dafür Christus nicht
gnug gethan hette / Oder / die durch den Glauben / vmb CHristus willen / nicht
könten vergeben werden / Denn Ambrosius hat der Schrifft
meinung in einem schönen kurtzen Spruch gefasset: Omne
peccatum per poenitentiam fit veniale, Sondern der Grund vnnd die
Vrsach wird in den vorgemelten Sprüchen der Schrifft klerlich geweiset / welches
zum leichterm Verstande / für die Einfeltigen / gefasset kan werden / in diese
zwey Stück / Busse vnnd Glauben / Nemlich / ob wir an der
|| [13]
Sünde ein mißfallen haben / der feind seyn / jhr wiederstreben /
sie creutzigen vnd tödten. Oder aber / ob wir gefallen / lust vnd liebe zur
Sünde haben / allerley gelegenheit dazu suchen / jhr folgen / ins werck bringen
/ etc. Item / ob wir suchen der Sünden los zuwerden / oder derselbigen mehr zu
machen / Diß kan ein jeder einfeltiger verstehen / vnd bey sich selbst finden.
Vnd wenn die Lehre / de peccato mortali &
veniali, auff diese probam gelegt wird / so kan ein
jeder Christ in täglicher vbung diese Lehre nützlich brauchen / wie sie auch
dahin sol gerichtet seyn vnd werden / daß ein jeder sich selbs prüfe / daß er ja
nicht in Tödlichen verdamlichen Sünden stecke / vnd darinn durch GOttes Gerichte
angetroffen werde / Sondern bey zeit Busse thue.
So ist nun vnd wohnet in diesem Leben / die Erbsünde noch in allen Heiligen / vnd
ist nicht gar Tod vnd stille / Sondern / reget sich / reitzet / vnd gibt sich an
/ mit Gedancken / Lüsten / Begirden / Zuneigungen / Rom. 6. vnd 7. Jacob. 1.
Wenn nun ein frommer Christ an solchen bösen Gedancken / lüsten vnd reitzen /
ein mißgefallen hat / folget jhnen nicht / bringt es nicht ins Werck / Sondern
creutziget die Lüste des alten Adams / Galat. 5. vnd tödtet die gescheffte des
Fleisches / Rom. 8. so ist da noch fürhanden rechtschaffene Busse. Wenn er nun
daneben von Hertzen suchet / bittet vnd begeret / daß jhm Gott / vmb Christus
willen / solchen mangel nicht wölle zurechnen / sondern gnediglich vergeben vnd
zudecken / so ist da ein rechter warhafftiger Glaube / welcher Christum mit
allem seinem Verdienst ergreifft vnd annimpt / vnd wo Christus in wahrer Busse
durch den Glauben ergriffen ist vnd wohnet / da ist vnd bleibet Gottes Gnad /
Vergebung der Sünden / vnd die Seligkeit. Vnd also wird dis ein peccatum veniale, dabey GOttes Gnade / Vergebung der
Sünden / vnd Ewige Seligkeit bleibet / vnd behalten wird / Denn es ist vnd
bleibet da / Busse / Glauben / heiliger Geist / vnd Christus selber / darumb vnd
aus dem Grunde saget Paulus Roman. 8. So ist nun nichts verdamlichs an denen /
die in Christo JESV sind / die nicht nach dem Fleisch / sondern nach dem Geist
wandeln.
Wiederumb / wenn ein Christ fühlet / wie sich die Sündliche Vnarth reget / vnd
durch mancherley Gelegenheit locket vnd reitzet / Jacob. 1. Wenn er da den bösen
Gedancken vnd Lüsten nicht wiederstrebet / Sondern hat lust vnd gefallen daran /
suchet vnd gebrauchet allerley gelegenheit dieselbige zu fordern / folget jnen /
führet vnd setzet sie in die That / vnd ins Werck / etc. da ist trawen keine
rechtschaffene Busse / vnd wo keine Busse ist / da kan auch kein rechter Glaube
seyn. Denn des rechten Glaubens Arth vnd Eigenschafft ist nicht diese /
|| [ID]
daß er suche / wie er möge in Sünden bleiben / fortfahren /
der mehr machen / vnd also jmmerdar GOttes Zorn vber sich heuffen / Sondern der
Glaube sucht / wie er von Sünden / vnd Gottes Zorn möge frey / los vnd ledig
werden. Darumb wo die Sünde also / wie vor gesagt / regieren / da ist weder
Busse noch Glauben / Sondern ist Busse / Glauben / sampt dem Heiligen Geist /
welcher der Sünden wiederstrebt / hinweg. Wo nun der Glaub nicht ist / do ist
auch Christus nicht / so kan auch da nicht seyn Gottes Gnade vnd Seligkeit. Was
wird denn da seyn? Ohn zweiffel Gottes Zorn / vnd der ewige Tod / wo die / so
gefallen sind / nicht wiederumb mit Gott / vmb Christus willen / versöhnet
werden. Darumb vnd daher werden solche Sünde Mortalia,
wie Jacobus spricht / Die Sünde / wenn sie vollendet ist / so gebieret sie den
Tod. Vnd Paulus / Die solches thun / haben kein Theil am Reich Gottes.
Dieser Bericht ist gar hoch nöthig / daß die Christen mit allem fleis vermanet
werden / daß sie für solchen Sünden sich hüten / Oder / da sie darinn stecken /
ja nicht sicher darinn fortfahren / Sondern Busse thun / vnd sich mit Gott durch
Christum versöhnen / auff daß sie ja nicht das schwere Vrtheil GOttes mit sich
nehmen: Qui talia agunt, non habent partem in regno DEI.
Diß ist ein einfeltiger / vnd doch gründlicher / nützer / vnd nötiger bericht /
de peccato Mortali & Veniali, den alle
Prediger mit fleis jhnen sollen lassen befohlen seyn. Vnnd daraus wird auch das
leicht verstanden / daß viel zu enge gespannen wird / wenn man allein Sieben
Todsünde zehlet.
Von dem Artickel der Rechtfertigung des armen Sünders für Gott zum Ewigen
Leben.
IN diesem Artickel wird die Lehre begriffen / Wie wir arme Sünder bey GOTT mögen
zu Gnaden kommen / Also / daß wir mit jhm / den wir mit vnsern Sünden erzürnet
haben / wiederumb mögen versöhnet werden / daß Er nicht mit vns ins Gerichte
gehe / nach vnsern Sünden mit vns handele / vnnd nach vnser Missethat vns
vergelte / Sondern vnsere Sünde vns gnediglich
|| [14]
verzeihe / zudecke / vnd nicht zurechne / vnser gnediger Vater möge seyn / vnnd
vns annehmen für seine lieben Kindlein / vnd Erben des Ewigen Lebens vnd
Seligkeit Dieser Artickel / wie die Apologia recht saget
/ ist der fürnemste der gantzen Christlichen Lehre / welcher zu klarem richtigem
Verstande der gantzen heiligen Schrifft fürnemlich dienet / vnd in die gantze
Bibel allein die Thür auffthut / ohne welchen Artickel auch kein arm Gewissen
einigen rechten bestendigen Trost haben / oder den Reichthumb der Gnaden Christi
erkennen mag / Derhalben sol vnd muß dieser Artickel / Finis
& Scopus seyn / dahin vnd darauff alle Lehre vnd Predigten
fürnemlich sollen gerichtet werden / Vnd sol derselbige Artickl ja mit allem
fleis / gründlich / deutlich / klar / vnnd einfeltig dem Volck fürgetragen
werden / weil daran gelegen ist aller Menschen Heyl vnd Seligkeit.
Es ist aber dieselbige Lehre aus der heiligen Göttlichen Schrifft / in der
Confession vnd Apologia gründlich zusammen gezogen / vnd
nach der lenge explicieret / daher vnd daraus die Pastores
& res ipsas, & formam sanorum verborum nehmen sollen /
Allein / weil bißhero vnterm Bapsthumb dieser Artickel nicht recht gelehret /
Sondern nach Papistischer arth von etlichen grob vnd greifflich ist verfelschet
/ von etlichen die Irrthüme subtil vnd scheinlich geferbet / so wil eine trewe
Erinnerung von nöten seyn / daß dieser hohe nötige Artickel / der allein den Weg
zur Gnaden vnd Seligkeit weiset / von allem Irrthumb rein geleutert / vnd alle
verführische Beywege dauon mögen außgesetzt vnd abgehalten werden / nicht allein
die gar grob vnd greifflich seyn / Sondern / auch fürnemlich die / dadurch die
Einfeltigen mit einem schein möchten eingenommen seyn / oder noch verführet
werden / Denn in diesem Artickel heist es fürnemlich / Ein wenig Sawrteig
versewret den gantzen Teig / Galat. 5. Vnd sol fein deutlich mit bescheidenheit
/ Grund vnd Vrsach aus Gottes Worte angezeiget werden / wie vnd worumb die
Papistische Lehre / vnd andere Schwermerey / von der Rechtfertigung / falsch vnd
vnrecht sey.
Als die da lehren / daß der Mensch jhm selber verdienen müsse / vnd könne /
Gottes Gnade / Vergebung der Sünden / vnd die Seligkeit / entweder durch selbs
erwelte Heiligkeit / oder durch Menschen Satzungen / oder durch verdienst vnd
fürbitte der Heiligen / Derer Irrthumb ist leicht zuwiederlegen / dieweil allein
Christus durch seinen Gehorsam / Leiden vnnd Sterben / solche Güter vns
verdienet hat / Derhalben nicht ohne schmach vnd nachtheil des HErrn Christi /
solcher Verdienst vns / oder einiger Creatur kan zugelegt werden. So sind auch
die Sprüche der Schrifft klar von Menschen
|| [ID00054]
Satzungen / vnd
selbs erwehlten Gottesdiensten / Isai. 29. Deuteronom. 12. vnd 17. Isai. 1.
Coloss. 2. Item / von anderer Heiligen Verdienst / Ezechie. 18. Psalm. 49.
Matth. 25.
Die aber haben etwan einen bessern schein / die solch Verdienst zuschreiben den
Wercken / so Gott selbs in seinem Worte geboten hat / Aber die Schrifft nimpt
die Gerechtigkeit für Gott / vnd die Seligkeit außdrücklich auch den Wercken des
Gesetzes / Rom. 3. Galat. 3. Das ist / denen die Gott in seinem Worte selbs
befohlen hat. Vnd diß muß fein vnterschiedlich erkleret werden / Nemlich / daß
es nicht darumb geschehe / als were es vnrecht / solche gute Wercke thun /
Sondern darumb / daß vnsere gute Wercke in diesem Leben / von wegen der Sünde im
Fleische / nicht volnkommen vnd gantz rein seyn. Derhalben wir dardurch bey GOtt
nicht verdienen können Gnade vnd Seligkeit. Auch sollen wir aus vnsern Wercken
keinen Abgott machen / wie denn geschehe / wenn wir sie / als Verdienst der
Seligkeit / an stat des HErrn Jesu Christi setzen wolten.
Aber diese meinung / daß wir vns selbs verdienen können Gottes Gnade vnd die
Seligkeit / ist so grob / daß der gemeine Man den Irrthumb verstehet / vnd viel
vnter den Papisten desselben sich schemen. Haben derhalben etliche in diesen
örtern die verführische Lehre des Bapsthumbs von der Rechtfertigung / mit
solchem schein / den einfeltigen Zuhörern versucht beyzubringen / Nemlich / das
sey wahr / Daß niemand durch seine Wercke die Seligkeit verdienen könne / denn
die habe vns Christus alleine verdienet / Aber wenn wir derselbigen sollen
theilhafftig werden / so gehöre nicht alleine der Glaube darzu / sondern auch
vnsere gute Wercke. Diese meinung als falsch vnd vnrein / muß aus Gottes Wort
verworffen werden / Derhalben auch die Disputationes
(Daß gute Wercke zur Seligkeit von nöthen sollen seyn / Also / daß es vnmüglich
sey ohne gute Wercke / allein durch den Glauben an Christum selig zuwerden /
Deßgleichen auch / daß gute Wercke sollen zur Seligkeit schedlich seyn) in diese
Kirchen nicht sollen eingeführet werden / ohne vnterscheid vnd nothwendige
Erklerung dauon zu schreyen vnd streiten / Sondern dagegen sol mit
Bescheidenheit aus der Schrifft dieser grund gelegt werden / Wie Christus
alleine verdienet hat Gottes Gnade / vnd die Seligkeit / also sey alleine der
Glaube ohne zuthun der Wercke / das einige Mittel / dardurch wir solchen
Verdienst CHRISTI / so vns im Wort vnd Sacramenten fürgetragen wird / ergreiffen
/ zu vns nehmen / vnd des theilhafftig werden. Vnnd hiebey muß auch angezeiget
werden / daß ein rechtschaffener Glaube nicht sey ohne gute Wercke /
|| [15]
Sondern er ist thetig durch die Liebe / vnd bringet
viel Früchte in guten Wercken / Aber das Ampt / vnd die eigenschafft hat der
Glaube / vnd nicht die Wercke / daß er allein das Mittel vnd Werckzeug ist /
dadurch wir Gottes Gnade vnd Seligkeit / durch Christum verdienet / zu vns
nehmen / vnd an vns bringen / ohne zuthun der Wercke / wie dieser Lehre
gewaltiger Grund aus der Schrifft in Apologia deducieret
wird / daher die Pastores Grund vnd Testimonia nehmen sollen.
Es sol auch die Disputation in die Kirchen dieses Fürstenthumbs nicht eingeführet
werden / als solte ein andere weise / andere Mittel vnd Wege seyn / die
Seligkeit zuerlangen / als die Rechtfertigung / Denn die Schrifft lehret
gewaltig vnd klerlich / wie wir für GOtt Gerecht / daß wir auch also selig
werden / allein aus Gnaden / allein vmb des HErrn Christi willen / vnd allein
durch den Glauben / ohne zuthun der Wercke / Roman. 4. Vnd setzet die Schrifft
die particulas exclusiuas, (aus Gnaden / durch den
Glauben / ohne Wercke) nicht allein bey dem Artickel der Rechtfertigung /
Sondern treibet dieselbige ja so starck / auch bey dem Artickel der Seligkeit /
Rom. 4. Ephes. 2. Tit. 3. 2. Tim. 1.
Vnd weil nun Forma sanorum verborum ist Roman. 4. Beatitudo est eius hominis, cui Deus imputat iustitiam sine
operibus. Et Augustana Confeßio, articulo 6. citat dictum Ambrosij: Hoc
constitutum est à Deo, vt qui credit in Christum, saluus sit sine opere, SO
LA FIDE, gratis accipiens remißionem peccatorum. Derhalben ist klar /
daß dem Fürbilde der heilsamen Worte stracks zuwieder vnd entgegen sey / wenn
man lehret / Daß gute Wercke zur Seligkeit von nöten / Also / daß es vnmüglich
sey / ohne gute Wercke selig werden. Wie aber gleichwol hiemit nicht gelehret
werde / ein todter geferbter werckloser Glaube / Sondern daß die Wercke dem
Glauben / wo er rechtschaffen ist / gewißlich folgen / sol bald hernacher
explicieret werden.
Es ist auch das ein schedlicher Irrthumb / vnnd gar ein listiger griff / daß im
Concilio Tridentino, vnd im Interim gesetzt wird /
Christus habe wol die Gerechtigkeit vnd Seligkeit verdienet / vnd dieselbige
werde wol durch den Glauben angenommen / Aber dieselbige Gerechtigkeit stehe
nicht allein in der Versönung / oder gnedigen Vergebung der Sünden / vmb
Christus willen / Sondern auch zugleich in der Heiligung / vnd Vernewerung des
Menschen / welche sey inhaerens forma nostrae
iustificationis. Nun ist das extra
controuersiam wahr / daß die Heiligung auch sey eine Wolthat / vnd
Verdienst Christi / vnd daß die / so vmb Christus willen / durch Vergebung der
|| [ID00056]
Sünden / mit Gott versönet worden / auch zugleich durch
den heiligen Geist geheiliget vnd vernewert werden. Aber weil vnsere Nouitas in diesem Leben / von wegen der Sünde im Fleisch
/ nicht volnkommen noch gantz rein ist / auff daß die betrübten Gewissen möchten
einen bestendigen gewissen Trost haben / vnnd daß dem Verdienste vnnd Ampte
Christi / seine Ehre möge gegeben werden / so menget die Schrifft / vnsere Nouitatem nicht mit ein in den Artickel vnser
Rechtfertigung / Sondern setzet dieselbige allein darin̅ / daß wir
aus Gnaden / vmb Christus willen / durch den Glauben / mit Gott versönet /
Vergebung der Sünden / einen gnedigen GOtt / vnd die Erbschafft des Ewigen
Lebens haben / wie solches aus gutem klaren bestendigen grunde der Schrifft / in
der Apologia erweiset wird / Derhalben sollen diese Rede
/ vnd diese Lehre in diesen Kirchen nicht geführet werden / daß die
Gerechtigkeit des Glaubens für Gott / diese zwey Theil habe / oder in diesen
zweyen Stücken stehe / in Vergebung der Sünden / vnd in der angefangenen
Ernewerung. Gleich wie auch das nicht recht ist / wie etliche reden / Daß wir
für Gott gerecht / vnd angenehme seyn / imputatione &
inchoatione, Das ist / Darumb / daß vns der Gehorsam / vnd das
Verdienst Christi zugerechnet wird / Vnd darnach zugleich auch darumb / daß der
New Gehorsam in vns angefangen ist / Denn die Summa der reinen Lehre / vnd der
heilsamen Wort ist diese / daß wir für GOTT gerecht vnd selig werden / ALLEIN
aus Gnaden / vmb des Gehorsams vnd Tods Christi willen / durch den Glauben /
ohne zuthun vnserer Newerung / Gehorsams / oder guten Wercken / dieselbigen
folgen gewißlich / aber sie gehören nicht in den Artickel / wie vnd wodurch man
für GOtt gerecht vnd selig wird Vnd eben darumb ist auch die wesentliche
Gerechtigkeit Gottes / welche die Gleubigen treibet recht zu thun / nicht vnsere
Gerechtigkeit für GOtt zum Ewigen Leben / Also / daß vmb derselbigen willen vns
die Sünde vergeben / vnd wir zu Gnaden GOttes auffgenommen werden / vnd Ewig
leben sollen.
Derhalben wenn die Lehre in diesem Artickel von aller Irrung geleutert / vnd
wieder alle Verfelschung lauter vnd rein / durch Gottes Gnade erhalten sol
werden / so muß man dem Methodo Pauli folgen / daß die
particulae exclusiuae mit allem fleis vnd ernst bey
diesem Artickel getrieben werden / Primò, in merito, Secundò,
in applicatione, Tertiò, in forma iustificationis. Vt opera nostra ab
articulo iustificationis excludantur, ne sint vel meritum, vel medium
applicationis, vel forma aut pars nostrae iustificationis coram DEO ad vitam
aeternam. Daß der Verdienst alleine sey des Gehorsams / Leidens vnd
Sterbens Christi /
|| [16]
welches vns applicieret wird aus
Gnaden / im Wort vnnd Sacramenten / Allein durch den Glauben. Vnd stehet also
vnsere Gerechtigkeit allein in gnediger Versönung vnd verzeihung vnserer Sünde:
Vnd nicht allein im anfang vnserer Bekehrung / Sondern im Anfang / mittel / vnd
ende / ist dieses vnsere einige Gerechtigkeit vnd Seligkeit für Gott / Roman. 5.
vnd 1. Petr. 1. Wir werden aus Gottes Macht durch den Glauben bewahret vnd
erhalten zur Seligkeit. Vnd diß sol der Glaube also annehmen / daß er mit festem
vertrawen sich zu Gott versehe vnd vertröste / daß ervns gewißlich / vmb
Christus willen / gnedig seyn wolle / Denn der Papisten Lehre / de Dubitatione, daß die Gleubigen zweiffeln sollen / ob
sie bey Gott in gnaden seyn / ist stracks wieder die Schrifft / Roman. 4. vnd 8.
Ephe. 3. Vnd raubet den armen Gewissen allen seligen nötigen Trost.
Es werden auch in der Apologia die zwey Wörtlein (Regeneratio & Viuificatio) im Artickel der
Rechtfertigung offt gebrauchet. Daß nun nicht darüber in diesen Kirchen / wie
etwan an andern örtern / streit vnd zanck entstehen mögen / sollen sie fein
erkleret werden / Nemlich / daß sie verstanden werden pro
Reconciliatione, adoptione, acceptatione ad vitam aeternam. Do aber
jemands die vocabula verstehen wolte de Renouatione, muß man sich gleichwol fürsehen / daß nicht vnsere Nouitas, in den Articulum
Iustificationis mit eingeflicket werde.
Wenn nun ein Prediger also auff einer seiten die Lehre in diesem Artickel von
allen Irrthümen leutert / vnd vor aller verfelschung verwaret / so muß er
daneben auch gute acht geben / daß nicht der Epicureismus, durch Mißbrauch dieser Lehre einen schedlichen außschlag
auff der andern seiten mache / Denn viel wöllen diese Lehre also einnemen / als
sey dadurch das Gesetz gantz vnd gar auffgehaben / Daß Gott nun nach keiner
Sünde fragen / vber keinen Gottlosen zürnen wölle / Sondern sey nun eitel gnade
/ es bekehre sich einer von Sünden / oder bleibe darinn. Vnd zu solchem
Mißuerstande helffen auch offt viel vnuerstendige Prediger / die diesen Artickel
nicht aus rechtem grunde / mit gebürlicher bescheidenheit handlen. Diesem allem
aber kan auffs einfeltigst vorgekommen vnd begegnet werden / wenn des lieben
Pauli Methodus gehalten wird / daß der handel der
Rechtfertigung also fürgebildet wird / daß es nicht ein leichtfertiger schertz
sey / Sondern für Gott / vnd seinem Gericht mit grossem ernste gehandelt werde /
da es gilt entweder Gottes gnade oder zorn / entweder verdampt zuwerden / oder
ewig selig werden / Wie denn darumb Paulus so gerne gebrauchet das verbum forense (Iustificare,) Denn wenn wir in vnserm
Gewissen für Gott kommen
|| [ID00058]
mit vnsern Sünden / da spricht Gott
nicht / Es ist recht gethan / ewer Gottloses wesen gefelt mir wol / Oder / Ich
achte der Sünde nicht / Ich hab euch darumb lieb / etc. Sondern Moses bringt die
Tafeln herfür / die GOtt mit seinen eigenen Fingern geschrieben hat / vnnd
machet die Sünde so sündig / Roman. 7. daß Gottes schweres Vrtheil darüber
ergehet / Maledictus &c. Deuteron. 27. Vngnad
vnd Zorn / Trübsal vnd Angst vber alle Seele / die böses thut / Roman. 2. Vnd
wenn mit dem Vrtheil das Hertz getroffen / gerüret vnd erschrecket wird / so
siehet es sich engstiglich vmb nach Rath vnd Hülffe / Aber da sind keine Wercke
so starck / die da bestehen / vnd helffen könten / Roman. 3. vnd 4. Nun were es
wol ein meinung / wenn GOtt seinen Zorn vnd Gerichte wieder die Sünde / ohne
Bezahlung wolt fallen lassen / aber damit würde sein Gesetz auffgehaben vnd
auffgelöset / welches vnmüglich ist / spricht Christus / Matth. 5. vnd Paulus
Roman. 3. Denn dasselbige wil vnd muß erfüllet seyn / sonst seyn wir alle
verlohren / Dieselbige Erfüllung aber ist vns von wegen vnsers Fleisches
vnmüglich / Romano. 8. Hie kan nun kein Creatur helffen / vnd weis Menschliche
Vernunfft keinen rath / Do kömmet das Euangelium / vnd offenbaret vns die
Gerechtigkeit / die für Gott gilt / Nemlich / Weil das Gesetz must erfüllet seyn
/ vnd solches vns vnmüglich war / vnnd wir derwegen hetten müssen Ewig verlohren
seyn / daß GOtt aus grundloser Güte / Liebe vnd Barmhertzigkeit / seinen einigen
Sohn gesandt hat in vnser Fleisch / vnd daß derselbige Mittler / GOTT vnd Mensch
/ an vnser stat getretten ist / für vns das Gesetz auff sich genommen / vnd
dasselbige mit seinem allerheiligstem vnd volnkommensten Gehorsam erfüllet / vnd
was wir für Straffe mit vnsern Sünden wieder das Gesetz verwircket hatten /
dafür hat ER gnug gethan / vnd bezahlet mit seinem vnschüldigen Leiden vnd
Sterben / vnd weil die Person GOtt vnd Mensch ist / so ist der Gehorsam / vnnd
die Gnugthuung so reich vnd vberschwencklich / daß es eine Versönung ist für die
Sünde der gantzen Welt / 1. Johan. 1. Vnnd daß wir durch seinen Gehorsam alle
Gerecht werden / Roman. 5.
Dieselbige Gerechtigkeit / so Christus mit seinem Gehorsam / Leiden vnnd Sterben
erworben hat / lest nun der Himlische Vater / durch den Heiligen Geist / im Wort
vnd Sacramenten fürtragen vnd anbieten / nicht den sichern / muthwilligen
Sündern / daß die in Sünden frey möchten fortfahren / vnd ohne Busse gleichwol
selig werden / Sondern den Bußfertigen / die jhre Sünde erkennen / sich für
Gottes Zorn fürchten / denen angst vnd bange ist / daß sie nicht
|| [17]
möchten verlohren werden. Vnd ist Gottes Wille vnd
Befehl / daß dieselbigen die angebotene Gnade in CHRISTO / durch den Glauben
annehmen sollen / Vnd wenn das geschicht / so haben sie in CHristo alles / was
das Gesetz erfoddert / daß also der handel der Rechtfertigung / kein
leichtfertiger schertz / Sondern / ein hoher grosser ernst ist / vnd wir also
nicht ohne Gerechtigkeit für GOtt / durch den Glauben gerechtfertiget werden /
Sondern wir haben in Christo / die aller volnkommenste Gerechtigkeit / so das
Gesetz erfoddern kan / vnd dieselbige wird vns durch den Glauben zugerechnet /
Roman. 4. vnd 8. Vnd also wird das Gesetz nicht auffgehoben durch den Glauben /
Sondern viel mehr auffgerichtet / Roman. 3.
Wenn also der Processus Iustificationis, nach Pauli
Exempel / den Leuten fürgemahlet wird / so werden leichtfertige sichere
Epicurische Gedancken wol außgeschlagen. Vnd do gleich jemand auff seine Wercke
viel trawen wolte / wenn er sich in seinem Gewissen damit also / wie gesagt /
fürstellet ad Examen diuini iudicij, so wird die
Pharisaische Hoffart fein niedergelegt. Auch hat das Gewissen aus diesem Grunde
einen bestendigen Trost / vnd starcken Felsen / wieder alle Pforten der Hellen.
Diß sey also ein kurtze einfeltige Anleitung / wie der Artickel der
Rechtfertigung / von allen Irrthümen geleutert / von allen Corruptelen verwaret
/ vnd mit Christlicher bescheidenheit / aus Grunde der Schrifft / zur erbawung /
also möge getrieben werden / daß aller Mißuerstand vnd Mißbrauch abgelehnet /
vnd die Gewissen einen bestendigen seligen Trost daraus nehmen mögen. Was sonst
mehr zu der Lehre gehöret / das sollen die Pastores
nehmen ex Confeßione & Apologia.
Von Guten Wercken.
IM Bapsthumb hat man die Leute nur jmmer zu guten Wercken genötiget vnd getrieben
/ vnnd ist auch bey vielen ernst vnd eyuer gewesen / zu guten Wercken / aber das
beste hat gemangelt / Nemlich / daß man nicht recht gelehret hat / welchs
rechtschaffene gute / vnd Gott wolgefellige Wercke sind / Denn die meisten guten
|| [ID00060]
Wercke / dauon man im Bapsthumb gelehret / vnd darauff
man die Leute geweiset hat / sind entweder aus Menschen Satzungen / oder aus
eigener selbs erwehlter Heiligkeit hergeflossen / als Vnterscheid der Speise /
Heiligen anruffen / Walfarten / Rosenkrentz beten / Vnd in Summa / das gantze
Kloster leben. Was aber die Schrifft von solchen Wercken halte / vnd vrtheile /
zeugen die Sprüche / Deuteron. 12. Isai. 1. vnd 29. Coloss. 2.
Derhalben sollen nun die Leute auff den Grund geführet werden / Daß
rechtschaffene Gute / Gott wolgefellige Wercke alleine die sind / welche GOtt in
seinem Wort fürgeschrieben vnd befohlen hat / Deut. 12. Ezech. 20. Psal. 119.
Vnnd sollen sonderlich die Leute des berichtet werden / daß man GOtt dienen
könne / nicht allein in Kirchen / Clausen / Klöstern / etc. Sondern wenn ein
Gleubiger / der vmb Christus willen mit Gott versönet ist / den Vorsatz hat /
daß er GOtt wölle gehorsam seyn / vnd darauff in den gemeinen Wercken der Zehen
Geboten / ja in täglicher Arbeit seines Beruffs sich vbet / so sey es ein
rechter wahrer Gottesdienst / welcher jhm vmb Christus willen / angenehm vnd
gefellig ist / Ephes. 6. Philip. 3. 1. Pet. 2.
Vnd weil nun aus vnd nach GOttes Wort gelehret muß werden / daß vns GOtt gerecht
vnd selig mache / nicht aus vnsern Wercken / Sondern aus Gnaden / vmb Christus
willen / durch den Glauben / ohne zuthun der Wercke / So werden ohne zweiffel
jhrer viel / solche Lehre darzu mißbrauchen wöllen / als solte vnd dürffte mann
nun nichts guts thun / Derhalben muß diß fleissig vnd wol verwahret werden /
durch solche Erklerung / daß ein rechtschaffener Glaube / als ein guter Baum /
nicht ohne gute Früchte sey / viel weniger böse Früchte bringe / Matth. 7. 2.
Petr. 1. Vnd da keine Früchte in guten Wercken folgen / da sey kein
rechtschaffener / lebendiger / Sondern ein geferbter todter Glaube / 1. Tim. 1.
Jacob. 2. Denn ein wahrer Glaube ergreifft auff einer seiten im Wort vnnd
Sacramenten Christum / vnd Gottes Gnade in Christo / Auff der andern seiten ist
er durch die Liebe vnd andere gute Wercke thetig / Galat. 5. Es machet aber der
Glaube gerecht vnd selig / nicht darumb / vnd daher / daß er durch gute Wercke
thetig ist / sondern allein darumb / vnd daher / weil er Christum ergreifft vnd
annimpt. Die Proba aber / daß es nicht ein geferbter vnd
todter Glaube sey / stehet in dem / wenn er durch gute Wercke thetig ist /
Galat. 5. Sol derhalben ernstlich gestrafft werden / daß etliche gedencken / vnd
auch wol sagen dürffen / Wer gute Wercke thut / der ist ein Papist / Die
Euangelischen dürffen keiner guten Werck. Item / die ohne Vnterscheid / vnd
nothwendige Er
|| [18]
klerung schreyen / Daß gute Wercke
sollen zur Seligkeit schedlich seyn. Wahr ists / Wer gute Wercke der meinung
thut / die Seligkeit dadurch zuuerdienen / der ist ein Phariseer / vnd in
solchem Fall nennet Paulus die Wercke nicht allein Dreck vnd Vnflath / sondern
auch schaden / Philip. 3. Denn darzu dürffen wir vnserer Wercke nicht / Sondern
Christus mit seinem Gehorsam vnd Leiden hat vns solches verdienet / Aber daraus
folget in keinem wege nicht / daß wir darumb nichts guts thun dürffen / oder
sollen / Denn Christus hat vns mit seinem Tode erlöset / nicht darzu / daß wir
ein sonderlich Priuilegium solten haben / in Sünden vnd
schanden zuleben / Sondern / wie die Schrifft saget / auff daß er jhm reinigte
ein Volck / das da fleissig sey zu guten Wercken / Tit. 2. Vnd auff daß wir jhm
dienen sollen in Heiligkeit vnd Gerechtigkeit / die jhm gefellig ist / Luc. 1.
Derhalben sollen in diesen Kirchen nicht geduldet werden / die da anfechten vnd
verwerffen / die gemeine Reden / so in der Augspurgischen Confession vnd Apologia gebreuchlich sind / Daß gute Wercke von nöthen
/ vnd dem Glauben gewißlich vnd nothwendig folgen sollen / Item / daß wir sollen
/ vnnd müssen thun solche Wercke / die da GOTT geboten hat / Welche Reden /
darumb also geführet werden / daß die Christen erinnert werden sollen / Weil
doch sonst der alte Adam zu allem Guten faul vnd träg / vnd jmmer Lust vnd Liebe
hat zu einem sichern rohlosen Epicurischen Leben / daß es kein Adiaphoron, oder Arbitrarium sey
/ Guts zu thun oder zu lassen / vnsers gefallens / Sondern daß es GOTT also von
vns haben wil / vnd sein ernster Befehl ist / Johan. 15. Ein New Gebot gebe ich
euch / daß jhr euch vntereinander liebet. Vnd 1. Johan. 4. Diß Gebot haben wir
von jhm / daß wer Gott liebet / auch seinen Bruder liebe. Vnd die Schrifft
führet selber diese Rede / Wir sind Schüldener vnd schüldig / wir sollen vnd
müssen / es ist nöthig / etc. Roman. 8. vnd 15. Luc. 13. Ephes. 5. 2. Thessal.
2. 1. Johan. 2. Actor. 5. Roman. 13. 1. Corinth. 9. So redet auch Lutherus also
/ de votis Monasticis: Opera in Decalogo mandata, non sunt
quidem ad iustitiam & salutem necessaria, tamen necessaria sunt,
neque enim omitti possunt, etiam praesente fide. Hiebey muß gleichwol
aber auch die Erklerung gesetzt werden / Daß es nicht verstanden solle werden /
de neceßitate cöactionis, als weren das rechte gute
Wercke / wenn einer ohne willen / genötiget vnd gezwungen / oder allein zum
schein eusserlich etwas guts thut / vnd doch das Hertze weit dauon ist / Den̅ solchen dienst wil Gott nicht haben / der mit vnwillen aus
zwange / oder zum schein geschicht / 2. Corint. 9. 1. Pet. 5. Mat. 15. Sondern
solche Wercke wil GOtt von den seinen haben / vnd durch
|| [ID00062]
Christum jhm gefallen lassen / wenn das ende des Gebots ist / Liebe von reinem
Hertzen / von gutem Gewissen / vnd vngeferbtem Glauben / 1. Timoth. 1. Vnd wenn
der Gehorsam gehet von Hertzen / Roman. 6. 1. Petr. 5. Psalm. 110. Denn einen
frölichen Geber hat Gott lieb / 2. Corinth. 9.
Es muß auch bey der Lehre von guten Wercken / fein bescheidenlich vnd klar aus
GOttes Worte bericht gethan werden / Worzu / vnd aus was vrsachen man solle gute
Wercke thun. Nun ist bißhero aus des Bapstes Lehre geprediget worden / Daß durch
gute Wercke GOttes Gnade vnd Seligkeit verdienet / ergriffen / vnd erlanget
werde / vnd daß mann darumb gute Wercke thun müsse / weil mann ohne gute Wercke
nicht könne selig werden. Item / Der Glaube mache wol gerecht / aber doch also /
Daß zugleich auch die gute Wercke mit zur Seligkeit von nöthen seyn. Weil aber
dieses falsch vnd vnrecht ist / wenn mans verstehet de
Merito, Applicatione, aut parte Iustificationis &
Saluificationis, wie droben de Iustificatione: Item in
Confessione & Apologia aus Gottes Worte gründlich vnd klerlich
erweiset wird / So muß diese Lehre / durch Gottes Wort / aus diesen Kirchen
außgesetzet vnd außgemustert werden. Vnd können auch also diese Propositiones nicht geduldet werden / daß gute Wercke
zur Seligkeit von nöthen / Also / daß es vnmüglich sey ohne gute Wercke selig zu
werden. Mann muß aber alhie zugleich auch die Kirche wieder der Antinomer furores wol verwahren / die da fürgeben / Als ob die
jenigen / so einmal durch den Glauben / vmb Christus willen / Vergebung der
Sünden / Gerechtigkeit / vnd Seligkeit empfangen haben / wenn die schon hernach
den bösen Lüsten folgen / vnd auff Sünde wieder das Gewissen sich begeben /
gleichwol hetten vnd behielten Gerechtigkeit vnd Seligkeit / Denn Paulus saget
mit grossem ernst zu denen / die durch den Glauben gerechtfertiget waren worden
/ Roman. 8. Wo jhr nach dem Fleisch leben werdet / so werdet jhr sterben / 1.
Corinth. 6. Galat. 5. Ephes. 5. Lasst euch nicht betriegen / die solchs thun /
die haben kein Theil am Reich Gottes / Coloss. 3. Vmb welcher willen kömpt der
Zorn Gottes vber die Kinder des Vnglaubens. Diß aber geschicht nicht darumb /
als weren zur Seligkeit auch die guten Wercke von nöten / Sondern / daß der
Glaube / welcher alleine die Seligkeit ergreifft vnd erhelt / bey solchen Sünden
nicht stehen / noch bleiben kan / wie die Schrifft redet / 1. Timoth. 5. 2.
Petr. 1. Coloss. 3. Also redet auch die gemeine Confession in den
Schmalcaldischen Artickeln: Es ist von nöthen zu wissen / vnd zu lehren / wo die
heiligen Leute vber das / so sie die Erbsünde noch haben vnd fülen /
|| [19]
dawieder auch täglich büssen vnd streiten / etwa in
öffentliche Sünde fallen / daß alßdenn der Glaube vnd Heiliger Geist weg ist
gewest / Denn der heilige Geist lest die Sünde nicht walten / vnd vberhand
gewinnen / daß sie volnbracht werde / Sondern / steuret vnd wehret / daß sie
nicht muß thun was sie wil: Thut sie aber was sie wil / so ist der heilige Geist
vnd Glaube nicht dabey. Haec ibi.
Vnd die Apologia redet auch so vber den Spruch / 2. Petr.
1. Thut gute Wercke / daß jhr in ewrem Beruff verharret / auff daß die Gaben des
Beruffs nicht wiederumb verlohren werden / welche vorhin vns wiederfahren /
nicht von wegen der folgenden Wercke. Aber jetzund werden dieselben bewaret /
vnd erhalten durch den Glauben / Der Glaube aber bleibet in denen nicht / die
den heiligen Geist verlieren / vnd die Busse von sich stossen / etc. Hieran ist
gar hoch vnd viel gelegen / daß die Lehre von guten Wercken / auff beyden seiten
/ wieder die Phariseer vnd Epicureer / mit allem fleis / wol verwaret werde.
Diese vrsachen aber / Worumb vnd wozu die Christen nach der Schrifft gute Wercke
thun sollen / seynd in der Augspurgischen Confession vnd Apologia aus Gottes Worte fein kurtz zusammen gezogen / Nemlich / Weil
es GOTT also haben wil / vnd befohlen hat / Item / Daß wir dardurch den Glauben
vben / beweisen / vnd fest machen / damit aus den Früchten jedermenniglich
bekand werde / daß wir warhafftig ein guter Baum / vnd zum Reich der Gnaden
beruffen seyn. Auch darumb / daß wir dem lieben GOtt zu Ehren danckbar seyn /
mit der that vnsern Glauben für aller Welt bekennen / vnd viel Leute damit zur
Bekerung bewegen / Gott zum Preis / Matth. 5. Auch hat Vrbanus Regius die causas fein ördentlich vnd
vnterscheidentlich gefasset in libello, de formulis cautè
loquendi, wie sie auch in Locis Communibus
Philippi gefasset seyn.
Lutherus pfleget diese Lehre fein kurtz zu fassen in drey Punct / Erstlich sol
man gute Wercke thun / vmb Gottes willen / weil es sein Befehl vnd wille ist /
Johan. 15. 1. Thessal. 4. Weil er vnser Vater ist / daß wir vns gegen jhm / als
gehorsame Kinder erzeigen / 1. Petr. 1. 1. Johan. 3. Daß wir Gottes Nachfolger
seyn / Ephes. 5. 1. Petr. 2. 1. Johan. 2. Wie er vns geliebet vnd vergeben hat /
Coloss. 3. 1. Johan. 4. Weil Christus sich für vns gegeben hat / auff daß wir
nicht der Sünden dienen sollen / Sondern im newen Leben wandeln / Roman. 6. Tit.
2. 1. Petr. 1. vnd 2. Ephes. 2. 2. Corinth. 5. Vnnd Summa / Daß GOtt durch
vnsere gute Wercke gepreiset werde / Matth. 5. Philipp. 1. 1. Petr. 4.
Zum Andern / sollen wir gute Wercke thun / vmb des Nehesten
|| [ID00064]
willen / daß demselbigen damit gedienet / vnd geholffen werde in seinen Nöthen /
1. Johan. 3. Daß wir niemand Ergerniß geben / 2. Corinth. 6. Phil. 2. vnd die
Lehre nicht verlestert werde / 1. Timoth. 6. Tit. 2. Sondern den Wiedersachern
das Maul gestopffet werde / 1. Petr. 2. vnd 3. Tit. 2. Vnd daß andere Leute /
durch vnsern guten Wandel mögen gewonnen werden / Matth. 5. 1. Petr. 3.
Zum Dritten / sollen wir auch gute Wercke thun / vmb vnser eigen Noth willen /
daß wir dadurch ein gewiß Zeugnis haben mögen / daß vnser Glaube rechtschaffen /
vnd wir warhafftig durch den Glauben gerecht vnd selig seynd / 1. Johan. 4. 2.
Petr. 1. Galat. 5. Philipp. 1. Daß wir vns nicht etwan selbs betriegen / mit
einem geferbten vnd todten Glauben / 1. Johan. 2. vnd 3. 1. Timoth. 5. 2. Petr.
1. Jacob. 2. Auch daß der Glaube / der heilige Geist / Gerechtigkeit vnd
Seligkeit nicht wiederumb verlohren werden / wenn wir nach dem Fleisch leben /
1. Timoth. 1. 5. vnd 6. 1. Petr. 2. 2. Petr. 1. vnd 2. Roman. 8. Coloss. 3.
Ephes. 4. 1. Thessal. 4. Sondern / daß der Glaube geübet / vnd der Beruff feste
gemacht werde / Galat. 5. 2. Petr. 1. Auch darumb / weil Gott schwere Straffen
zeitlich vnd ewiglich drawet / vber die Sünde wieders Gewissen / vnd verheisset
herrliche Belohnung für die guten Wercke. Denn wiewol vnsere gute Wercke nicht
verdienen Gottes Gnade / Vergebung der Sünden / vnd die Seligkeit / so haben sie
doch sonst andere reiche herrliche Belohnung in diesem vnd im künfftigen Leben /
nicht aus wirdigkeit der Wercke / sondern aus Gnaden / 1. Timoth. 4. Galat. 6.
Ephes. 6. 2. Timoth. 4. Matth. 5. 6. 10. 25. Marc. 10. Luc. 14. etc.
In diese Heuptstücke kan die gantze Lehre de causis bonorum
operum, für die Einfeltigen / fein nützlich gefasset werden / Jedoch
sol darüber vnter den Predigern kein streit noch zanck erreget werden / Wo einer
die Causas etwas anders / mehr oder weniger zehlet denn
der ander / jedoch / daß gleichwol die Lehre rein bleibe / nichts falsches
eingemenget / auch nichts nötiges außgelassen werde / vnd die Pastores sich befleissigen / einerley meinung zu führen / vnd souiel
müglich / aus einem Munde zu reden.
Andere Stücke / so zu der Lehre von Guten Wercken gehören / wie die geschehen
können / vnd weil sie in diesem Leben vnuolnkommen seyn / wie sie gleichwol GOTT
gefallen / etc. sollen die Pastores nehmen ex Confeßione & Apologia.
|| [20]
Vom Freyen Willen.
DIS ist auch eines / von den fürnemsten Stücken / welche in des Bapsts Lehre
streiten wieder die reine Lehre des heiligen Göttlichen Worts: Nun wird jtziger
zeit von demselbigen Artickel allerley gedisputieret / dadurch einfeltige Pastores möchten geführet werden / entweder auff die
Pelagianische vnd Papistische Synergiam voluntatis non
renatae in actionibus spiritualibus, Oder / auff Enthusiasticos raptus, welcher keines nicht taug: Derhalben daß der
Bäpstische Sawrteig auch in diesem Artickel / aus diesen Kirchen möge rein
außgefeget werden / vnd nicht etwa andere Vnrichtigkeit möge wieder mit
einschleichen / dadurch die Pastores zweytrechtig / vnd
die Zuhörer verwirret möchten werden / Sol allhie kurtzer Bericht gethan / vnd
einfeltige Anleitung gegeben werden / wie die Pastores
aus der Augspurgischen Confession vnd Apologia, nach
Gottes Worte / die Lehre von diesem Artickel / mit gebürlichem Vnterscheid
fassen / vnd mit Christlicher Bescheidenheit den Leuten fürtragen mögen.
Vnd Erstlich / Wiewol die Menschliche Natur durch die Sünde jemmerlich
durchgifftet / vnd verderbet ist / so ist doch gleichwol damit des Menschen
Natur nicht in Stein oder Holtz verwandelt / noch in eines gar vnuernünfftigen
Thieres wesen verkehret / Sondern hat behalten nach dem Fall Leib vnd Seele /
vnd wie der 18. Artickel der Confession aus Augustino
meldet / Menschlichen Verstand / Vernunfft / Willen / Natürliche Kreffte vnd
vermögen / nicht in Geistlichen Göttlichen sachen / Sondern in händeln dieser
Welt / vnd dieses Lebens / dadurch der Natürliche Mensch in Weltlichen sachen /
so der Vernunfft vnterworffen / vnd diß zeitlich Leben belangen / etlicher
massen einen freyen Willen hat / etwas zu gedencken / zu wehlen / fürzunehmen /
zu handeln / außzurichten / oder zu vnterlassen / doch in grosser schwacheit /
weil die Natur vnartig / vnd zu dem vom Teuffel offt gehindert wird.
Zum Andern / Was belanget die Sünde / vnd das böse / da ist der Natürliche wille
von der Gerechtigkeit allzu frey / vnd der Sünde
|| [ID00066]
allzu
dienstbar / Roman. 6. daß er nicht allein kan aus eigener wahl außdencken /
wehlen / fürnehmen / vnnd außrichten / was böse ist / Sondern kan von Natur /
ohne den Geist Gottes / nicht anders gedencken / wöllen vnd thun / denn was böse
/ vnd GOTT zuwieder ist / Genes. 6. vnd 8. Roman. 8. vnd darzu hat er willen /
lust vnd liebe / Prouerbio. 3. Isai. 3. vnd wird vom Teuffel darzu offt
wünderlich getrieben / Ephes. 2.
Zum Dritten aber / ist in diesem Artickel die fürnemste Frage / Was die
Natürlichen Kreffte des Menschen / so durch die Sünde verderbet / vnd den der
Heilige Geist noch nicht angefangen hat zuwiedergeberen vnd vernewern / in
Geistlichen vnd Göttlichen sachen / belangend die Bekehrung zu Gott / vermögen /
als da sind / warhafftige / rechtschaffene hertzliche Furcht GOttes / Glauben /
Liebe / etc. anzufangen / vnd zu wege zubringen / (Denn sonst eusserlich vnd zum
schein / der Pharisaische Freye wille / auch in diesen sachen sich viel bemühet
/ aber ist nichts rechtschaffens.) Auff diese Frage / wird aus Gottes Worte
recht geantwortet / Daß der Natürliche Freye wille in den sachen / zum Guten
erstorben sey / vnd nichts vermöge / Sondern / daß diß alles ein eigen Werck sey
/ allein GOttes des heiligen Geistes. Aber dieses muß auch alßbald mit fleis
erkleret vnd verwaret werden / daß es nicht auff Enthusiastische weise
verstanden werde / als wirckte der Heilige Geist die Bekehrung im Menschen also
/ daß gar keine enderung oder bewegung in des Menschen Verstande / willen vnd
Hertzen geschehe vnd folgte / Denn wo keine enderung oder vernewerung der
Gedancken / Sinnes vnd Gemüths ist / Wo kein verlangen ist zur Gnade Gottes /
keine Bewilligung oder Consenß des gepredigten Worts / kein guter Vorsatz dem
Wort zufolgen / kein fleis noch mühe dem alten Adam zuwehren / dem bösen willen
zuwiederstreben / vnd sich in Gottes willen zuergeben / etc. da ist ohne zweifel
auch keine warhafftige Bekehrung. Vnd sollen die Leute offt erinnert werden /
daß solche stücke in warhafftiger Bekehrung müssen verhanden seyn / vnd sollen
auch darzu vermahnet werden.
Aber diß ist die Frage / darauff der rechte status
controuersiae stehet / Woher der Mensch solche enderung des Sinnes vnnd
Willens / verlangen / bewilligung / Vorsatz / Fleis / etc. Geschickligkeit / vnd
vermögen solches zugedencken / zu wöllen / fürzunehmen / vnd außzurichten /
vberkomme vnd habe / Ob er solchs aus seinen eigenen krefften allein vermöge /
Oder / ob der Mensch aus seiner Natürlichen Geschickligkeit den Anfang mache /
vnd alßdenn erst der Heilige Geist zu hülff komme / Oder / wenn der heilige
Geist seine Wirckung
|| [21]
in dem Menschen angefangen hat /
daß alßdenn der Mensch aus seinen eigenen Natürlichen krefften des alten Adams
etwas vermöge zu seiner Bekehrung zuhelffen / vnnd mit zuwircken / daß also die
Frage ist / nicht von den newen Gaben / newen Krefften / vnd newer
Geschickligkeit / so der heilige Geist durch seine Wirckung in denen die
bekehret werden / gibt / schaffet / vnd anrichtet / Sondern / was der heilige
Geist im Menschen für Natürliche angeborne arth / geschickligkeit / kreffte vnd
vermögen finde / belangend die Geistliche Göttliche sachen.
Vnd hierauff gibt aus der Schrifft die Confession vnd Apologia, im ersten Artickel / klare / richtige / gegründte Antwort /
Nemlich / Daß die Schrifft zeuge / daß in vnd zu solchen Geistlichen Sachen /
der Natürliche Mensch durch den Fall gantz vnd gar verloren habe / alle tügliche
Geschickligkeit / Krafft vnd vermögen / auch etwas guts zugedencken / als von
jhm selbs / 2. Corinth. 3. Ja wenn gleich das Wort geprediget wird / so kan es
der Natürliche Mensch durch seine eigene Geschickligkeit vnd Kreffte nicht
vernehmen / fassen / noch annehmen / Sondern ist jhm eine Torheit / 1. Corinth.
1. vnd 2. Da ist von Natur kein verlangen / begeren / wöllen / fürnehmen / noch
außrichten / was GOtt gefellig möchte seyn / wo nicht der heilige Geist beydes
gebe / das wöllen vnd volnbringen / Philip. 2. Denn das Fleisch ist dem Gesetze
Gottes nicht vnterthan / vnd vermag es auch nicht / Roman. 8. Daher die Schrifft
den Natürlichen Menschen nennet Finsterniß / Ephes. 5. Johan. 1. Actor. 26. Vnd
daß er in Sünden zum Guten Todt vnd erstorben sey / Ephes. 2. Coloss. 2. Augustinus fasset diß fein kurtz / daß die Schrifft dem
Natürlichen freyen Willen in Geistlichen sachen abschneide / cogitare, velle, posse, & facere, das gedencken / wöllen /
vermögen / vnd thun / was rechtschaffen vnd Gut ist.
Zum Andern / nimpt die Schrifft dem Natürlichen Menschen in Geistlichen Sachen /
nicht allein die Geschickligkeit vnd Kreffte / Sondern schreibet jhm dagegen zu
/ gantz vnd gar eine wiederwertige Vnarth / die GOtt stracks / wie eine
Feindschafft zuwieder sey / Roman. 8. do alles tichten vnd trachten nur böse sey
/ Gen. 6. vnd 8. do das böse anhenge / vnd wieder GOttes Gesetz streite / Roman.
7. daher es genennet wird / ein hartes Steinern verstocktes Hertz / Roman. 2.
Ezechiel. 36. Jerem. 17. Ja auch in renatis streitet das
Fleisch wieder den Geist / Roman. 7. Galat. 5.
Zum Dritten / gibt die Schrifft die Bekehrung / mit alle dem / das darzu gehöret
/ alleine dem Heiligen Geist / daß derselbige das
|| [ID00068]
harte
Steinern Hertze beschneide vnd hinweg nehme / vnd ein zartes Fleischern Hertz
gebe / das Gott fürchte / Deuteron. 20. Ezechie. 36. Gebe erleuchtete Augen vnd
Verstand / Ephes. 1. Deuteronom. 29. Geneigten Willen / Geschickligkeit /
Kreffte / vnd vermögen zu thun / was Gott gefellt / 2. Corinth. 3. Philip. 2.
Rechte Busse / Actor. 5. 11. 2. Timoth. 2. Wahren Glauben / Ephes. 1. vnd 2.
Wahre Liebe Gottes / vnd des Nechsten / Ephes. 5. Vnd Summa / Daß niemand könne
den Sohn kennen / vnd zu demselbigen kommen / es erleuchte vnd ziehe jhn denn
der Vater / Matth. 11. Johan. 6. Daß wir also in der Bekehrung nichts haben /
das wir nicht von jhm in der Wiedergeburt vnd Vernewerung empfangen hetten / 1.
Corinth. 4. Jacob. 1. Vnd bleibet doch gleichwol auch in den Heiligen in diesem
Leben noch das Fleisch / wiewol gecreutziget / das noch jmmerdar wieder den
Geist streitet / dawieder der Geist jmmer kempffen muß / Galat. 5.
Wenn aber der heilige Geist seine Wirckung bey vns anhebet / so empfangen wir
dardurch vnd haben / wiewol in grosser schwacheit / Tügligkeit / guten Willen /
Vorsatz / Fleiß / Kreffte vnd vermögen zum guten / aber dasselbige nicht von vns
selbs / Sondern es ist eine Gabe Gottes des heiligen Geistes / wie Augustini Spruch fein saget:
Nos ergo volumus & operamur, sed DEVS in nobis
operatur & velle & facere. Hoc expedit nobis &
credere & dicere, vt sit humilis & submissa confeßio,
& detur totum Deo. Tunc enim tutius viuimus, si totum Deo damus, non
autem nos illi ex parte, & nobis ex parte committimus. De bono
perseuerantiae, capite 6. & 15.
Diß ist die rechte reine wahre Prophetische vnd Apostolische Lehre von diesem
Artickel: Was nun wieder solche klare gegründte meinung der Schrifft streitet /
das muß gestraffet vnd verworffen werden / als der Alten vnd Newen Pelagianer /
vnd aller Papisten Lehre / Daß der Mensch entweder solchs alles / was zu der
Bekerung gehöret / aus seinen eigenen Krefften vermöge / Oder vermöge doch den
anfang zu machen / welchem darnach der Heilige Geist zu hülffe komme / Oder /
wenn der Heilige Geist durch seine Wirckung die Hand zur Bekerung angelegt hat /
daß der Natürliche Mensch von sich selbs / aus seinen eigenen Natürlichen
Krefften / noch etlicher massen habe eine Geschickligkeit vnd vermögen / das
Wort anzunehmen / zu der Gnaden sich applicieren / dem Heiligen Geist raum zu
geben / etc. Wie dann der alte Adam allzeit sich selbs preisen / vnd seine
Kreffte gerne rhümen wil. Aber Augustinus saget fein /
De Natura & Gratia, cap. 53. Quid tandem de
naturae poßibilitate praesumitur,
|| [22]
vulnerata, sauciata, vexata, perdita est, vera confeßione
& sanatione, non falsa defensione opus habet.
Vnd sol diß alles gerichtet werden / nicht zum vnnöthigen Gezenck / Sondern dahin
/ daß die Christen solche Gaben des Heiligen Geistes erkennen / jhm dafür
dancken / zu dem rechten Artzt / der in diesen sachen allein helffen kan / sich
finden vnd halten / vnd daß sie wissen mögen / bey wem sie solche Gaben suchen
sollen.
Zum Vierden / Muß in dieser Lehre auch das gemeldet werden / wie vnd wodurch der
Heilige Geist solches / was zur Bekehrung gehöret / wircken vnd geben wölle /
Nemlich / nicht ohne Mittel / wie die Enthusiasten sagen / Sie wöllen weder mit
dem Wort / noch Sacramenten sich bekümmern / Sondern / jmmer für sich hinleben /
vnd so lange warten / bis GOtt ohne Mittel jhnen die Bekehrung eingebe / vnd sie
mit Gewalt ziehe / daß sie es fühlen können / daß es Gottes Wirckung sey /
Sondern / Gott hat darzu eingesetzet / vnd gegeben die ördentliche Mittel / das
Mündliche Wort / vnd die Sacramenta: Das Wort sollen wir
hören vnd betrachten / die Sacramenta brauchen / Denn
also / vnd dadurch wil der Heilige Geist krefftig seyn / seine Gaben vnd
Wirckungen geben. Derhalben sollen die Leute / die solcher Gaben des heiligen
Geistes bedürffen vnd begeren / zum Wort vnd Sacramenten / als ördentlichen
Mitteln / vnd Werckzeugen des heiligen Geistes / geweiset werden.
Zum Letzten / gehöret zu dieser Lehre auch die Erinnerung / daß der heilige Geist
mit seinen Gaben / vnd mit seiner Wirckung / alles was zur Bekehrung gehöret /
nicht alßbald / vnd auff einmahl gar außrichtet vnd volnbringet / Sondern / wie
es durch die ördentliche Mittel vom heiligen Geist wird angefangen / also wirds
auch von demselbigen durch die ördentliche Mittel / wiewol in grosser
schwachheit / gefördert / gestercket / vermehret / erhalten / vnd bis ans Ende
hinaus geführet. Sollen derhalben die Christen vermahnet werden / wenn der
heilige Geist solche Wirckung durchs Wort bey vns anhebet / daß wir solches
nicht hindern oder zerstören / Denn das heist / dem heiligen Geiste
wiederstreben / Actor. 7. Sondern die newe angefangene Gaben des Geistes in vns
mit fleis vnd ernst vben / zum Worte vns jmmer halten / vnd daneben fleissig
beten: Denn also vnd dardurch wil der heilige Geist / was er angefangen hat /
fördern / stercken / mehren / erhalten / vnd bis zum Ende hinaus führen / wie
das Gleichniß von den Fünff Centnern / Matth. 25. lehret: Vnd das meinet
Christus / wenn er spricht / Wer da hat / dem wird gegeben werden / vnd wer
nicht hat / dem wird dasselbige / was er hat /
|| [ID00070]
genommen
werden: Das wil auch Augustinus De Dogmat. cap. 32. Deus agit
in nobis vt velimus & agamus, nec ociosa in nobis esse patitur, quae
exercenda, non negligenda dedit, vt & nos coöperatores simus gratiae
Dei.
Ist derhalben falsch vnd vnrecht / daß etliche fürgeben / Weil es Gottes Gaben
sind / so wöllen sie sich keines dinges annehmen / noch befleissigen / wieder
keine böse Lust streiten / etc. Denn / daß wir arme Menschen der Wirckung des
heiligen Geistes wiederstreben / vnd seine Gaben wiederumb verlieren vnd
verwarlosen können / ist leider allzu wahr / wie viel schreckliche Exempel in
der Schrifft zeugen / Daß wir aber nicht wiederstreben / sondern folgen / ist
auch eine Gabe des heiligen Geistes / der jmmer dabey seyn muß / nicht allein
wenns angefangen sol werden / Sondern auch wenns gefördert / gemehret / erhalten
/ geübet sol werden / wie dauon Augustinus aus GOttes
Worte schön schreibet / De Correp. cap. 12.
Auff diese weise kan die Lehre den einfeltigen auffs allerbequemlichst zur
erbawung fürgetragen / von allem Papistischen Sawrteig gereiniget / vnd für
aller Verfelschung rein verwahret werden.
Von den Sacramenten in Gemein.
SAcramenta heissen eusserliche sichtliche Zeichen oder Ritus, die außdrücklichen Befehl Gottes im newen Testament haben / vnd
sind in die verheissung der Gnaden GOttes gefasset / vnd damit verbunden / Also
/ daß durch solche Sacrament der liebe Gott seine Gnaden Güter fürtragen /
anbieten / reichen / zueignen / bestetigen / vnnd versiegeln wil / einem jeden /
der die Sacrament in rechtem Glauben nützet vnd brauchet. Vnd daraus kan man nun
leicht vnd gründlich vrtheilen / daß eigentlich zureden / nicht Sieben Sacrament
seyn / wie die Papisten zehlen. Der Ehestand ist wol ein heiliger Stand / vnd
ein Mysterium, Geheimnis oder Bedeutung des HErrn
Christi / vnd der Kirchen seiner Braut / Ephe. 5. Aber weil dabey kein
sonderlicher eusserlicher Ritus, aus Gottes Befehl
verordnet ist / er auch nicht hat Verheissung der Gnaden Gottes / vnd Ver
|| [23]
gebung der Sünden / Also / daß dieselbigen
Güter durch diß Mittel solten applicieret werden / so ist es eigentlich zureden
nicht ein Sacrament / wie die Tauffe / vnd des HERRN Abendmal ist. Deßgleichen
helt sichs auch mit der Ordination Ministrorum Ecclesiae. In
Confirmatione, vnd in der letzten Oelung fehlen beyde Stücke / so zur
arth vnd eigenschafft eines Sacraments gehören / Denn wir haben keinen
außdrücklichen Befehl im Newen Testamente von solchem salben vnd schmieren / mit
Oel vnd Cresam / Auch haben wir keine Verheissung / daß Gott / durch solch
salben vnd schmieren / wölle den heiligen Geist / vnd Vergebung der Sünden
geben. Vnd ist gar ein grosser Freuel / ohne Göttlichen Befehl vnd Verheissung /
an Ritus von Menschen erdacht / den Heiligen Geist /
GOttes Gnade / vnd Vergebung der Sünden / binden / wie auch die execrationes Olei & Chrismatis, voller
schrecklicher Grewel seyn / Derhalben können vnd sollen die Viererley nicht für
solche Sacrament gehalten werden / wie die Tauffe / vnd das Abendmahl des HErrn
ist. Wenn aber diese Stücke aus der Zahl der Sacrament außgesetzet werden /
sollen die Leute fein mit bescheide berichtet werden / daß wir darumb vnd damit
den Ehestand / vnd die Ordinationem Ministrorum
Ecclesiae, nicht verwerffen noch schmehen / Auch die Jugend nützlicher
bestetigung im Christenthumb / vnd die Krancken nötiges Trostes nicht berauben /
Denn wie nach Gottes Befehl / ohne Aberglauben vnd Abgötterey / die Eheleute
zusammen gegeben / die beruffene Prediger ordinieret / die Krancken besucht vnd
getröstet sollen werden / sol hernach in der Kirchenordnung gesetzt werden. Auch
sol verordnet werden / wie die getauffte Jugend / wenn die erstlich zum
Abendmahl des HErrn gestattet wird / sol vnterrichtet vnd vermahnet / vnd mit
dem gemeinen Gebet in jhrem Christenthumb bestetiget werden.
Wenn man nun fraget / Wie viel Sacrament im Newen Testamente seyn / So ist das
klar / daß die Tauffe vnd Abendmahl des HERRN / warhafftige Sacramenta seyn / denn dauon haben wir beyde stücke / die zum rechten
Sacrament gehören / in Gottes Wort außgedrücket / den Befehl vnd die Verheissung
Gottes. In der Absolution ist kein gewisser eusserlicher Ritus von Gott verordnet vnd geboten: Allein weil durch die Absolution
die Verheissung der Gnaden applicieret wird singulis
petentibus & credentibus, einem jeden in sonderheit / der es in
rechtem Glauben begehret / ists nicht vbel gethan / wenn man sie mit vnter die
Sacrament rechnet / wie auch die Apologia thut. Vnd
sollen hierüber die Pastores kein Gezenck machen.
Daß aber auch die Sacramentschwermer nicht mögen in diese
|| [ID00072]
Kirchen einreissen / sollen die Leute für diesem jhrem Irrthum gewarnet werden /
daß sie fürgeben / Die Sacramenta seyn allein
eusserliche Zeichen / die da Gottes Gnade nur bedeuten / oder eusserlich dauon
allein Zeugnis geben / vnd Erinnerung thun. Es sol aber dagegen aus Gottes Worte
gelehret werden / Daß die Sacramenta seyn solche
handlungen / die GOttes sein selbs eigen Werck sind / die ER selbs gegenwertig /
durch den Diener verrichtet / in welchen / vnd durch welche Er die verheissene
Gnade / vnd alle erworbene Güter in Christo fürtregt / reichet / zueignet /
bestetiget / vnd versiegelt / einem jeden / der sie im rechten Glauben nützet
vnd brauchet / daß also Gott selber / durch die Sacramenta in vns krefftig ist vnd wircket. Derhalben auch die Sacramenta, vnd derselbigen Krafft / nicht stehen auff
des Dieners wirdigkeit oder vnwirdigkeit / Sondern / wenn sie nach verordnung
des HERRN Christi verhandelt werden / so ist Ers selber / der durch den Diener /
laut seiner Wort / absoluieret / teuffet / vnd sein Abendmal reichet.
Von der Beicht vnd Absolution.
IN der Bäpstischen Ohrenbeicht wird aus Gottes Worte zweyerley gestrafft /
Erstlich / daß sie fordert volnkommene vnd außdrückliche erzehlung vnd
offenbarung gegen dem Priester / aller vnd jeder Sünde / Also / daß die Sünde /
so dem Priester in der Beicht nicht offenbaret wird / nicht könne vergeben
werden. Zum Andern / daß solch Werck der Beicht mit verdienstlich vnd nöthig sey
zur Vergebung der Sünden. Aber wenn diß aus Gottes Worte / wie billich /
gestraffet wird / so muß dieser Bericht dabey gethan werden / daß es nicht die
meinung habe / als wolte man die Beicht gantz vnd gar verwerffen / vnd aus
diesen Kirchen hinweg thun / Sondern es sol fein mit bescheide angezeiget werden
/ was man für eine Beicht / auff was meinung / vnd aus was vrsachen / nach
Gottes Worte haben vnd behalten wölle. Für Gott sol ein jeder täglich alle seine
Sünde außdrücklich bekennen / Psalm. 32. Auch da er jemands beleidiget hat /
|| [24]
das sol er demselbigen bekennen vnd abbitten / Matth.
18. Luc. 17. Jacob. 5.
Die Beichte aber vor dem Pastor, wenn jemand zum Abendmal
des HERRN gehen wil / sol also vnd darumb gehalten werden / Erstlich / Daß ein
Christ gegen seinem Seelsorger sich in vnd mit der Beichte erklehre / wie er
seine Sünde erkenne / vnd seinem lieben Gott bekenne / was er für Busse habe /
wie sein Glaube stehe / was er für einen Vorsatz zur Besserung habe / daß daraus
der Pastor vernehmen möge / ob er zulösen oder zu binden
sey.
Zum Andern / Daß der Pastor, wo er vermercket / daß es
etwan an einem stück mangelt / könne berichten / vnterweisen / vermahnen vnd
anzeigen / wie nach Gottes Worte / die Busse / der Glaube / der Vorsatz der
Besserung solle gestalt seyn / Denn jhrer viel verstehens nicht gnugsam / vnnd
die es verstehen / sind gemeiniglich gar kalt zur Busse / zum Glauben / vnd zur
Besserung. Wenn aber in solcher Priuat vnterredung / bericht vnd vermahnung
geschicht / aus Gottes Wort / so ist ohne zweiffel / GOtt durch sein Wort
krefftig / wahre Busse / Glauben / vnd Besserung zuwircken vnd zu geben.
Zum Dritten / Wenn der Pastor weis / daß seine Schäfflein
in Sünden ligen / kan er sie in solcher priuat vnterredung / desto bequemer aus
Gottes Worte straffen / vnd zu wahrer Busse vermahnen.
Zum Vierden / Wenn ein armes Gewissen etwa Anligen / beschwerung oder Anfechtung
hat / kan es in solcher Vnterredung / bey seinem Seelsorger Rath vnd Trost
suchen.
Zum Fünfften / Daß nicht jemand aus vnwissenheit / oder vnbedacht das Abendmahl
des HERRN zum Gericht empfangen möge / so wird er in der Beicht berichtet /
erinnert vnd vermanet / daß / vnd wie er sich prüfen solle.
Zum Sechsten / Sol diese Beicht darumb gehalten werden / auff daß also in wahrer
Busse / durch rechten Glauben / die priuat Absolution bey dem HErrn Christo / im
Wort gesucht / vnd von jhm / durch das mittel des Dieners empfangen werde. Also
ist die Beichte / wie wir die halten / Gottes Worte gemeß / hat grossen nutz /
vnd wird viel Frucht schaffen. Vnd wenn die Leute des berichtet / vnd es recht
bedencken werden / so darff man sie nicht treiben / nötigen / oder zwingen zur
Beicht / Sondern der grosse nutz / vnd jhre eigene Noth wird sie wol darzu
fordern. Wer aber das alles nicht achtet / an dem kan man dabey leicht erkennen
/ was er für ein Christ sey.
Fürnemlich aber sol die Lehre von der Absolution wol erklehret werden / weil
vorhin der Bapst dieselbige mit seiner Gnugthuung
|| [ID00074]
vnd mit der
Heiligen Verdienst beschmeißt / vnd jetzund die Sacramentschwermer / auch
etliche andere / dieselbige zum theil verachten / zum theil gar verwerffen /
auff daß die Leute aus Gottes Wort berichtet werden / was herrlichen schönen
Trost die arme Gewissen finden in der Absolution / vnd also von derselbigen viel
vnd hoch halten / die offt vnd gerne in rechtem Glauben brauchen. Es ist aber
die Absolution nichts anders / denn eben die Verheissung des Euangelij / von
GOttes Gnade / vnd von Vergebung der Sünde / durch den Glauben vmb Christus
willen / die sonst in der gemeinen Predigt allen fürgetragen wird / aber mit
diesem Vnterscheid / In der gemeinen Predigt wird dieselbige Verheissung in
gemein fürgetragen / angeboten / gereichet vnd zugeeignet allen Gleubigen / Aber
in der Absolution wird dieselbige Verheissung in sonderheit einem jeden für
seine Person / der in rechtem Glauben derselbigen brauchet / fürgetragen /
gereicht vnd zugeeignet. Nun sol auch in der gemeinen Predigt die Verheissung
des Euangelij / nicht allein narratiuè oder recitatiuè gehandelt / Sondern / die Leute sollen
vermanet werden / daß sie dieselbige durch den Glauben ergreiffen / vnd annehmen
sollen: Vnnd wer also die Verheissung des Euangelij / so in gemein wird
fürgetragen / vnd angebotten / durch den Glauben in sein Hertz fasset / vnd also
zu sich nimpt / der sol wissen / vnd nicht zweiffeln / daß jhme dadurch der
liebe GOtt warhafftig vnd gewißlich reiche / schencke / vnd zueigne / was die
Verheissung fürtregt vnd anbeut / Daher ein alter guter nützer Brauch kommen ist
/ daß die Predigten beschlossen werden / mit einer gemeinen Beicht / vnd
gemeinen Absolution / dadurch angezeiget wird / daß die Zuhörer die Lehr / so in
der Predigt aus Gottes Worte fürgetragen wird / nicht sollen in gemein hin
hengen lassen / Sondern de applicatione gedencken / zur
Busse / zum Glauben / zur Besserung / wie von solcher gemeinen Absolution
hernach sol gesaget werden.
Es kan aber ein armes Gewissen seinen schwachen Glauben / aus der gemeinen
Predigt offt nicht gnugsam stercken / Denn es gleubt wol / daß Gottes
Verheissung wahr sey / vnd allen Gleubigen gegeben werde / Aber dauon
disputieret es / Wer weis / ob der liebe GOtt dir armen grossen vnwirdigen
Sünder solche hohe Himlische Schätze / vnd Güter auch geben wölle: Du wüntschest
/ begerest / gleubest / trawest ja wol / aber wer weis / was GOTT im Himmel
gedenckt / vnd von deiner Person beschlossen habe / etc.
Hie hat nun der Sohn Gottes den schwachen Glauben zustercken / vnd die arme
Gewissen zutrösten / nicht allein in gemein das
|| [25]
Euangelium geprediget / Sondern auch priuatim vnd in
sonderheit / armen Gewissen Vergebung jhrer Sünde verkündiget / Matth. 9. dem
Gichtbrüchigen / Luc. 7. der offenbaren Sünderinnen / Luc. 19. dem Zacheo / Luc.
23. dem Mörder am Creutze / Vnd do die Phariseer alleine die gemeine Annunciationem haben wolten / aber die priuatam Absolutionem für eine Gotteslesterung schalten
/ Matth. 9. Luc. 7. vertheidiget der HErr Christus dieselbige / vnd bestetigts
mit Wunderwercken / daß Ihm die Macht gegeben sey / Vergebung der Sünden nicht
allein in gemein zuuerkündigen / Sondern auch dieselbige einem jeden Gleubigen /
der es suchet vnd begeret / in sonderheit zu reichen / zueignen vnd versichern /
mit der Vertröstung / Sey getrost mein Sohn / deine Sünde sind dir vergeben /
Matth. 9. Gehe hin im Frieden / dein Glaube hat dir geholffen / Luc. 7. Solche
Gewalt aber hat der Sohn Gottes nicht allein gebraucht / do ER Persönlich ohn
Mittel auff Erden Vergebung der Sünden geprediget hat / Sondern hat dieselbige
Schlüssel des Himmelreichs verheissen vnd gegeben seinen Aposteln / vnd allen /
so sein Wort lauter vnd rein führen: Quicquid solueritis in
terra, &c. Matth. 16. & 18. Quorumcunque remiseritis, &c. Iohan. 20. Nicht aber also /
daß einig Mensche für seine Person Macht habe / für Gott Sünde zuuergeben / Denn
das gehöret allein Gott / Isai. 43. vnd die Macht ist allein des Menschen Sohne
gegeben / Matth. 9. Sondern / daß Christus solche seine Macht / Sünde zuuergeben
/ jetzund allhie auff Erden brauchen vnd erzeigen wil / durch das Mittel des Ministerij, ja so gewiß vnd warhafftig / als Matth. 9.
Luc. 7. Denn Er ist selbs dabey / wie er verheissen hat / Matth. 28. Vnd wil
dardurch mit seinem Geist krefftig seyn / wie er darumb saget / Iohan. 20. Accipite Spiritum Sanctum,
quorum remiseritis &c. Derhalben muß man in der Absolution
nicht sehen auff des Dieners Person / Sondern auff diesen Grund / Daß der Sohn
GOttes selbs da gegenwertig durch seinen Diener / dir Vergebung deiner Sünde
reichen / zueignen / vorgewissen / vnd versichern wil / daß es heissen sol / Was
also auff Erden gelöset wird / sol auch im Himel los vnd vergeben seyn / Matth.
16. 18. Johan. 20.
Aus diesem warhafftigen Grunde ist klar zuuernehmen / was wir in der Absolution
für herrlichen schönen Trost haben / Nemlich / Daß ich weis / wo ich hie auff
Erden meinen lieben Erlöser vnd Heyland JESVMC Hristum finden vnnd antreffen kan
/ da er durch sein Wort / mit meiner armen Person in sonderheit handeln möge /
vnd mir für meine Person Vergebung meiner Sünden reichen / schencken / zueignen
/ vorgewissen vnd versichern / daß ich nicht
|| [ID00076]
darff im
zweiffel stehen / was GOtt droben im Himmel von meiner Person gedencke vnd
beschliesse / Sondern / daß ich allhie auff Erden desselbigen kan gewiß werden /
nicht von schlechten Menschen / Sondern vom HERRN Christo selber / durch den
Diener / Also / daß es im Himmel gelte. Vnd darzu wil Er den heiligen Geist
geben / Johan. 20. der durchs Wort den Glauben stercken vnd erhalten wil / daß
auch dieser vrsachen halben die Absolution hoch zu halten ist.
Diese Gewalt aber der Schlüssel stehet nicht darinn / daß ein Prediger Macht habe
seines gefallens / wie vnd wen er wil / zuabsoluieren. Auch sollen die Leute
nicht gedencken / wenn sie gleich ohne Busse vnd Glauben seyn vnd bleiben / wenn
sie nur die Absolution brauchen / daß es denn kein Noth habe: Sondern / die
Schlüssel sollen geführet vnd gebrauchet werden / nach dem Befehl vnd verordnung
des HErrn Christi / Nemlich / daß den Bußfertigen / die durch den Glauben bey
GOtt Gnade vnd Vergebung der Sünden vmb Christus willen suchen / die Absolution
mitgetheilet sol werden / vnd daß die der Absolution sich zutrösten haben / so
dieselbige in wahrer Busse / durch rechten Glauben nützen vnd brauchen: Denn den
Vnbußfertigen vnd Vngleubigen sollen nach Christi Befehl die Sünde nicht gelöset
/ Sondern gebunden vnd behalten werden / Matth. 16. Johan. 20.
Vnd der vrsachen halben behalten wir die Beicht / wie vor gemeldet / daß der
Vnterscheid / nach Christi Befehl / gehalten könne werden / wo Sünde zu lösen /
oder zu binden sey.
Es müssen aber auch betrübte Gewissen des berichtet werden / daß die Absolution
nicht darauff stehe / wie fest / starck / köstlich / vnd volnkommen / beyde
Busse vnd Glauben / sey / Sondern der Grund stehet alleine auff dem Gehorsam /
Leiden vnd Sterben JESV Christi. Vnd eben darumb sol die Absolution gebrauchet
werden / daß dadurch der Sohn Gottes beyde Busse vnd Glauben mehren / stercken /
vnd erhalten wolte.
Was belanget die Formam Absolutionis, wie die gebrauchet
möge werden / dauon sol hernach im Andern Theil von den Caeremonijs bericht geschehen.
|| [26]
Von der Heiligen Tauffe.
DIE Lehre von der heiligen Tauffe / Von dem Befehl / Von der Verheissung / Nutz
vnd Frucht der Tauffe / Was dieselbige sey / Was sie nütze vnd wircke / Was sie
bedeute / Vnd das Wasser für sich solche grosse dinge nicht thue / etc. Die
Lehre sol dem Volcke fein einfeltig vnd trewlich fürgetragen werden / wie sie
aus Gottes Worte zusammen gezogen vnd gefasset ist / im Catechismo, vnd in den dreyen herrlichen Sermonen Lutheri von der
Tauffe / Auch in Locis Communibus Philippi, vnd in
andern reinen Schrifften.
Weil aber bißhero in diesen Kirchen die Tauffe noch auff Papistische weise
geweyhet worden ist / sollen die Leute aus GOttes Worte fein gründlich berichtet
werden / welches die rechte Weyhe vnd Heiligung der Tauffe sey / Woher sie die
Krafft habe / daß sie sey ein Badt der Wiedergeburt / vnd Ernewerung / welchs
die Sünde abweschet / Tit. 3. Actor. 2. vnd 22. Nemlich / vom Worte Gottes / in
welches das Wasser / damit getaufft wird / gefasset / vnd damit verbunden ist /
daß Christus in seinem Worte befehl gegeben / mit Wasser zu teuffen / im Nahmen
des Vaters / des Sohns / vnd des heiligen Geistes / vnd daran die Verheissung
gehenget / Wer da gleubet / vnd getaufft wird / der wird selig werden / Denn
ohne das Wort ist das Wasser schlecht Wasser / vnd keine Tauffe / wenn gleich
alles Saltz vnd Schmaltz / alles Wachs / mit allen Creutzen zusammen
geschmoltzen würde. Wenn aber auff vnd nach solchem Befehl vnd Verheissung / mit
den Worten die Tauffe gehandelt wird / so ist da Gott der Vater / der vns selig
machet / durch das Badt der Wiedergeburt / Tit. 3. Gott der Sohn / der seine
Gemeine reiniget / durch das Wasserbadt im Wort / Ephes. 5. Der Heilige Geist /
der vns durch solch Wasserbadt im Wort new gebieret vnd vernewert / Johan. 3.
Tit. 3. Vnd daher hats die Tauffe / daß sie ist ein selig Badt zu waschen vns
von Sünden.
Der Bapst aber hat durch sein weyhen die Leute von solchem Wort GOttes vnd Grunde
abgeführet / vnnd sie dahin geweiset /
|| [ID00078]
Wenn das Wasser
beschworen / die Tauff kertze darein gesteckt / der Chresam hinein gegossen /
viel Creutz darüber gemacht werden / daß also dadurch vnd daher die Tauffe jhre
Krafft habe / zur Vergebung der Sünden vnd Seligkeit / so doch dauon weder
Befehl / noch Verheissung in Gottes Worte ist: Vnd ist ein grewlich ding / daß
man GOttes Wort hindan setzen / vnd Menschen Fündlein solche grosse dinge
zuschreiben darff / welches fürwahr eine rechte Abgötterey ist: Wie denn auch
das beschweren des Wassers / weil es geschicht ohne Befehl vnd Verheissung
GOttes / eine rechte Zauberey ist. Auch wird die Anruffung der Heiligen
gebraucht / vnd außdrücklich gebeten / daß Iohannes
Baptista die Tauffe heiligen wölle / auff daß dadurch die Sünde mögen
gereiniget werden.
Solches sollen die Prediger aus der Bäpstischen Agenda
nehmen / vnd dem Volcke erklehren / was es für ein grosser Grewel sey / vnd
dargegen sie weisen / auff die rechte Heiligung der Tauffe / wie gemeldet ist.
Sol derhalben hinfüro solch Papistisch Tauffweyhen in diesen Kirchen gentzlich
vnterlassen werden. Denn wir die Tauffe nicht besser können noch sollen machen /
denn wie Christus getaufft ist / vnd wie die Aposteln getaufft haben / die haben
kein sonderlich Wasser / das vorhin beschworen vnd geweyhet were / darzu
genommen / Sondern / wenn sie gemein Wasser genommen / vnd dasselbig in der
handlung der Tauffe in das Wort des Befehls / vnd der Verheissung der Tauffe
gefasset / so haben sie es dafür gehalten / daß dadurch die Tauffe rechtschaffen
/ vnd reichlich gnug geheiliget sey.
Es sol auch das Volck berichtet werden / daß die Substantz / vnd das wesen der
heiligen Tauffe darinn stehe / Daß es sey ein Wasserbadt im Wort / Ephes. 5.
Also / daß es eine rechtschaffene volnkom̅ene Tauffe ist / wenn
jemand mit Wasser getauffet wird im Namen des Vaters / des Sohns / vnd des
Heiligen Geistes / wenn gleich keine andere Ceremonien darzu kommen / Vnd
derhalben muß ein grosser Vnterscheid gehalten werden / zwischen dem / darinn
die rechte Substantz der Tauffe stehet / vnd zwischen Gebeten / Lectionen / vnd
andern Ceremonien / so sonst dabey gebrauchet werden.
Vnd weil vnter denselbigen Ceremonien etliche sind / an welchen öffentlicher
Aberglaube henget / Als / wie man im Bapsthumb handelt / mit geweyhetem Saltz /
mit dem Speichel / mit dem Aue Maria, mit dem Oel /
Chresam / vnd brennenden Liechte / Also / daß die Krafft vnd Wirckung / so
eigentlich der heiligen Tauffe gehöret / gegeben vnd zugeschrieben wird / dem
geweyheten Saltz / dem
|| [27]
Oel vnd Chresam / wie solches
jhre Agenda außweiset / sollen dieselbigen Ceremonien
bey der Tauffe vnterlassen / vnd weg gethan werden / Aber andere nützliche Lectiones, Gebet / Fragen / etc. dadurch die Lehre von
der Tauffe / von der Erbsünde / vom Glauben / von der Wiedergeburt vnd
Vernewerung / kurtz vnd nützlich erklehret wird / sollen gehalten werden / wie
in dem Tauffbüchlein Lutheri / welchs in den benachbarten Reformierten Kirchen
gebreuchlich / verfasset ist / Vnd das alles sol in bekanter Teutscher Sprach
gehandelt werden / daß die Vmbstehenden vernehmen mögen / was für ein grosser
ernst da gehandelt werde / vnd sie desto Hertzlicher mit beten / auch jhrer
Tauffe sich erinnern mögen / Derhalben sollen auch die Pastores in der Predigt die gantze handlung der Tauffe offt dem Volcke
erkleren.
Hieneben muß auch der Bericht geschehen / Ob wol im Bapstthumb viel Superstitiones mit vntergelauffen / Weil aber dennoch
die Substantialia Baptismi geblieben sind / daß die
jenigen / so im Bapstthumb getaufft sind / eine rechte volnkommene Tauffe haben
/ Weil dieselbige stehet vnd beruhet / nicht auff des Priesters Vnwirdigkeit /
oder mißbrauch / Sondern / auff dem Worte des HERRN Jesu Christi / Ephes. 5.
Es sol auch die Kirche verwarnet / vnd die reine Lehre von der Kindertauffe mit
fleis verwaret werden / für der Wiederteuffer Irrthumb / Vnd sol in diesen
Kirchen bleiben vnd gehalten werden / Daß mann die Kinderlein zur Tauffe schicke
/ vnd sie teuffen lasse. Hieneben aber sol auch fleissig die Lehre getrieben
werden / daß die Leute nicht meynen / es geschehe also / von wegen alter
Gewonheit / Sondern / daß sie lernen betrachten / die vrsachen / worumb man mit
den Kinderchen zur Tauffe eylen solle / welch ein wichtiger ernster Handel da
sey / wenn ein Kindlein getaufft wird / was die Tauffe den Kinderchen nütze. Vnd
diß gehet aus dem grunde der Schrifft / von der Erbsünde / Nemlich / daß die
Kinderlein in Sünden empfangen / vnd geboren werden / Psalm. 51. Vnnd derhalben
von Natur Kinder des Zorns seyn / Ephes. 2. vom Reich Gottes außgeschlossen /
Denn was vom Fleisch geboren ist / das ist Fleisch / vnd da es nicht von newem
wieder geboren wird / kans in das Reich GOttes nicht kommen / Johan. 3. So wirds
also ohne zweiffel gehören vnter das Reich des Satans / Coloss. 1. zur Verdamnis
/ Roman. 5. Nun können aber oder sollen ja from̅e Eltern jhren
Kindern nicht gönnen / daß sie in solchem Jammer vnd Elende bleiben / vnd
Ewiglich verderben möchten / Sondern sollen ja billich darnach trachten / wie
jhnen möchte gerahten vnd geholffen werden. Nun ist Christus als ein
|| [ID]
Erlöser vnnd Heyland gestorben / wie für alle Menschen / Also
auch für die Kinderlein / Vnd von denselben spricht Er außdrücklich: Lasset die
Kinderlein zu mir kommen / denn solcher ist das Himmelreich. Item / Es ist nicht
der wille meines Himlischen Vaters / daß eines von den Kleinen sol verlohren
werden / Matth. 18. vnd 19. Marc. 10. Es wird aber die Gnade Gottes in Christo
zur Seligkeit fürgetragen / gereichet / vnd zugeeignet / nicht ohne Mittel /
sondern durch ördentliche Mittel / des Worts vnnd der Sacrament (wie droben
vielmals gemeldet) von Gott dazu eingesetzt. Derhalben weil Christus die
Kinderlein wil selig haben / so muß ein sonderlich Mittel von Gott darzu
verordnet seyn / dardurch Gottes Gnade / Vergebung der Sünden / zur Seligkeit in
CHristo jhnen gegeben / gereichet vnd zugeeignet werde / wie im Alten Testament
/ also auch im Newen Testamente.
Nun kan man durchs blosse Wort alleine mit den Kinderlein nicht handeln / denn
man kan sie noch nicht lehren / derhalben muß es durch die Sacrament geschehen /
wie im alten Testamente durch die Beschneidung. Vom Abendmal aber des HERRN /
spricht Paulus / Der Mensche prüfe sich selbs. Item / Er sol vnterscheiden den
Leib des HErrn / 1. Corinth. 11. welches die jungen Kinderlein noch nicht thun
können. Derwegen bleibet noch die Tauffe vbrig / daß dieselbige ein solch Mittel
sey / wie solches gewaltigen grund in der Schrifft hat / Denn Christus spricht /
Der Kinder ist das Himmelreich / Matth. 19. Es kan aber niemand ins Himmelreich
kommen / er sey denn wiedergeborn / vnd dasselbige geschicht durchs Wasser vnd
den Geist / Johan. 3. Denn die Tauffe ist ein solch Badt der Wiedergeburt / Tit.
3. Derhalben müssen die Kinderlein getaufft werdenauff daß sie wiedergeboren
werden / vnd also ins Himmelreich kommen. Item / Es ist des Himlischen Vaters
Wille / daß die Kinderlein nicht sollen verlohren / sondern selig werden /
Matth. 18. Die Tauffe aber ist ein Badt der Wiedergeburt / dadurch Gott selig
machet / die das ewige Leben ererben sollen / Tit. 3. Item / wenn die Kinderlein
/ so in Sünden empfangen vnd geboren sind / nicht sollen verlohren werden / so
müssen sie Vergebung der Sünden haben: Die Tauffe aber ist ein solch Mittel /
dadurch die Sünde abgewaschen / vnd vergeben wird / Actor. 2. vnd 22. Derhalben
sollen die Kinderlein getaufft werden / denn Christus befihlt / wir sollen die
Kinderlein zu jhm bringen. Wie können wir aber solches thun? Da antwortet
Paulus: Die getaufft werden / die ziehen Christum an / Galat. 3. werden auff
seinen Tod getaufft / vnd Ihm eingeleibet /
|| [28]
Roman. 6.
Vnd Actor. 2. da Petrus spricht: Lasset euch teuffen zur Vergebung der Sünden /
setzet er bald diß dazu / Diese Verheissung ist ewer vnd ewrer Kinder / eben wie
im alten Testament von der Beschneidung geschrieben stehet / Genes. 17.
Derhalben hat die Kindertauffe guten bestendigen Grund in GOttes Worte / wie
dauon mehr argumenta & refutationes
Anabaptistarum in andern Schrifften zufinden / Denn wir diesen kurtzen
bericht allein darumb haben wöllen hieher setzen / die Pastores zuerinnern / daß allezeit bey der Lehre Grund sol geführet
werden / vnd die Leute aus solchem Grunde vermahnet mögen werden / Aus was
Vrsachen / sie jhre Kinderlein zur Tauffe schicken sollen / was da gehandelt
werde / wenn ein Kindlein getaufft wird / Nemlich / wie es durch Christum von
Gottes Zorn / vnd aus dem Reich des Teuffels erlöset / Gottes Gnade / Vergebung
seiner Sünde bekommen / vnd also ins Himmelreich eingehen möge / Derhalben die
Vmbstehenden mit allem ernst sollen beten helffen. Vnd eben dadurch werden auch
die andern erinnert / was sie in jhrer Kindlichen Tauffe empfangen haben / wie
denn die Prediger diß stücke fleissig sollen treiben / wie sich die Wirckung vnd
Trost der heiligen Tauffe / durch das gantze Leben des Menschen strecke vnd
beweise / quod ad reconciliationem &
renouationem.
Es muß auch bey dieser Lehre den andern Sacramentschwermern gewehret werden /
Denn die Caluinisten sprengen vnter die Leute / gar einen schedlichen Irrthumb /
Daß die Kinder / so von bekehrten Gleubigen Eltern geboren werden / ob sie
gleich in Sünden empfangen vnd geboren werden / dennoch mit der Natürlichen
Geburt / aus Gleubigen Eltern / das mit sich bringen / daß sie auch vor der
Tauffe nicht seyn Kinder des Zorns / vnter dem Reich vnd Gewalt des Satans /
Sondern auch ohne die Tauffe warhafftig seyn im Reich Christi / vnd in der
Gnaden Gottes / vnd daß die Tauffe nur allein ein cusserlich Zeichen sey /
dadurch bezeuget werde / daß dieselbigen Kinder vorhin / Vergebung der Sünde /
vnd Ewige Seligkeit haben / etc. Diese Schwermerey / welche Augustinus in Pelagio, voralters verdampt hat / lib. 2. De peccatorum meritis &c. verkleinert den grewlichen
Schaden der Erbsünde / vnd nimpt der Tauffe jhre fürnemste Krafft / vnd heilsame
Wirckung / Derhalben muß diß mit allem ernste gestraffet werden / Denn Christus
spricht in gemein mit grossem ernst / Johan. 3. Was aus Fleisch geboren ist /
das ist Fleisch / Darumb / es sey denn / daß der Mensche von newem geboren werde
/ aus dem Wasser vnd Geiste / so kan er in das Reich Gottes nicht kom̅en. Ist das wahr / so muß es ohne zweiffel folgen / daß der
|| [ID]
Mensche / so aus Fleisch geboren ist / vor der newen Geburt /
die durchs Wasser vnd den Geist geschicht / nicht sey im Reich Gottes / sondern
vnter der Finsternis / Coloss. 1. weil darzwischen kein Mittel ist / 2. Corinth.
6. So spricht auch Paulus fein rund vnd klar / Ephes. 2. Wir (das ist / die wir
von beschnittenen Eltern geboren sind) waren auch Kinder des Zorns von Natur /
gleich wie die andern / Nemlich / die von Heydnischen Eltern geboren sind. Die
Verheissung der Gnaden vnd Seligkeit gehöret ja auch den Kindern / Genes. 17.
Actor. 2. wie auch aller Welt / Aber wo die Verheissung nicht applicieret wird /
da macht sie ohne zweiffel nicht selig / vnd darumb saget Augustana Confeßio, art. 9. recht / Daß die Tauffe zur Seligkeit
nöthig sey / Nemlich / alß ein solch Mittel / dardurch die Verheissung der
Seligkeit appliciert werde. Diß aber verstehen wir von den gebornen Kindern /
die vns GOtt in vnsere Hende gibt / Denn wie die Pastores vber die vngeborne Kinderlein / oder so todt geboren werden / die
Eltern trösten sollen / werden sie wissen zu nemen aus Lutheri vnd Pomerani daruon außgegangenen Büchlein. Vnd Summa / man
muß die Leute nicht gewehnen / daß sie die Tauffe ansehen schlechts / wie ein
eusserlich Zeichen / das nur allein etwas anzeige / Sondern / sie sollen offt
vermahnet werden / daß sie die Tauffe ansehen / wie die Schrifft dauon redet /
Nemlich / Daß es sey ein Werck der Heiligen Dreyfaltigkeit / welche der rechte
Teuffer ist / durch den Mund vnd Hand des Dieners / vnd eine solche Handlung /
da Gott der Vater durch die Tauffe selig machet / Tit. 3. Da Gott der Sohn durch
das Wasserbad im Wort reiniget / Ephes. 5. Dadurch der heilige Geist den
Menschen von newem gebieret vnd ernewert / Johan. 3. Tit. 3. Vnd das darumb /
vnd daher / weil wir getaufft werden auff den Tod Christi / Roman / 6. auff
seine Aufferstehung / 1. Petr. 3. Vnd Summa / Weil in der Tauffe Christus mit
alle seinem Verdienst angezogen wird / Galat. 3. Vnd also machet die heilige
Dreyfaltigkeit in der Tauffe / vmb Christus willen / mit vns einen Bund eines
guten Gewissens / 1. Petr. 3. durch Vergebung der Sünden / Actor. 2. vnd 22. zur
ewigen Seligkeit / Marc. 16.
Vnd derhalben sol auch bey der Tauffe alle Leichtfertigkeit verhütet / vnnd die
gantze Handlung / beyde von dem Priester / vnd von den Vmbstehenden / mit aller
Reuerentz in Gottes Furcht verrichtet werden. Es sollen auch nicht vnuerstendige
Kinder / leichtfertige Personen / oder Gottlose Leute zu Gefattern / bey der
Tauffe zu stehen / gestattet werden. Vnd were gut / daß vmb nützlicher
Erinnerung / vnd vmb des gemeinen Gebets willen / die handlung der Tauf
|| [29]
fe / wo es geschehen köndte / vnnd sich leiden
wolte / verrichtet würde / wenn die gantze Gemeine GOttes beysammen ist / Jedoch
sollen Freunde / Nachbawrn / Bekandte / vnd andere vermahnet werden / daß sie
gerne mitgehen / vnd dabey seyn / wenn ein Kindlein getaufft wird.
Von der Messe.
DIE Papistische Messe ist ein Grewel aller Grewel / welche bey reiner Lehre des
Euangelij nicht kan / noch sol gestattet oder geduldet / Sondern / muß aus
Gottes Worte mit allem ernste gestraffet werden. Daß aber der falsche wahn vom
Verdienst der Messe / den Leuten / durch Gottes Wort / aus den Hertzen genomen /
vnd sie selbs den Grewel aus grunde der Schrifft verstehen / vnd fliehen mögen /
so muß fein vnterscheidentlich angezeiget werden / worinn derselbige Grewel der
Messe stehe / Denn daß man aus den Psalmen etwas singet / Introitus, Tractus, Sequentias, die rein seyn / braucht / daß
Collecten / darinn gemeine Gebet / so reine sind / verfasset / gelesen werden /
Deßgleichen / daß aus der Propheten / Euangelisten vnd Apostel Schrifften
gelesen / das Patrem, Sanctus, Agnus Dei, gesungen wird
/ etc. das ist noch nicht der Grewel der Messe / dauon wir reden / Denn Gottes
Wort lesen / beten / GOtt loben vnd dancken ist nicht vnrecht / Sondern von GOTT
geboten / wiewol gleichwol bey den Papisten / auch in diesen stücken viel mangel
ist / denn es geschicht solchs in frembder Sprach / die dem gemeinen Volck
vnbekant ist / wieder die Lehre Pauli / 1. Corinth. 14. vnd wird daraus gemacht
ein Opus operatum, welchs doch CHristus strafft / Matth.
15. Denn er wil solche Anbeter haben / die im Geist vnd in der Warheit Ihn
anbeten / Johan. 4. Auch wird in vielen die Anruffung der Heiligen mit
eingemenget / welche wieder die Schrifft ist.
Was auch belanget / Alben / Caseln / Liechter / etc. das ist auch noch nicht der
rechte Grewel der Messe / Denn es sind an jhm selbs Adiaphora, in welchen die Christliche Freyheit ohne Aberglauben zur
Kirchen erbawung / zu disponieren hat.
Darinn aber ist vnd stehet der Ertzgrewel der Messe / wenn im
|| [ID00084]
Canone, oder in der Stillmeß / der Meßpfaff mit dem
Leibe vnd Blute Christi / welches er da vermeinet zuhaben / viel seltzame
wünderliche Schirmschlege treibet / mit auffheben / niederlegen / mit hin vnd
wieder weben / an alle vier örter der Welt / vnd deßgleichen / daß er solch sein
werck dafür helt / vnd außgibt / daß er damit vnd dadurch den Leib vnd das Blut
Christi dem Himmlischen Vater auffs newe auffopffere / zum Sündeopffer /
Schuldopffer / vnd Versöhnopffer / damit vnd dadurch / bey dem Himlischen Vater
erworben vnd erlanget werde / Gnade / Vergebung der Sünden / vnd allerley Güter
Gottes / denen die Messe sehen / oder für sich halten lassen / Ja nicht allein
den Abwesenden / sondern auch den Todten. Dasselbige aber ist erstlich stracks
wieder die Schrifft / Ephes. 5. Hebreor. 7. 9. 10. die außdrücklich lehret / Daß
nur ein einiges Versöhnopffer sey / vnd daß solchs allein Christus einmal am
Creutze verrichtet habe / also / daß dasselbige volnkommen vnd gnugsam sey in
alle Ewigkeit / vnnd derhalben nicht könne / noch solte Iterieret werden.
Zum Andern / ist es eine grewliche Schmach vnd verkleinerung des einigen
Versöhnopffers Christi / am Creutz geschehen / Denn wenn einerley Opffer offt
jteriert werden / das ist ein Zeugnis / daß das vörige schwach vnd vnuolnkommen
sey / wie die Epistel zu den Hebreern außdrücklich saget / Cap. 10.
Zum Dritten / weil allein Christo zugehöret / daß ER selber das Versöhnopffer
verrichte / wie ers auch gethan hat am Creutze / Hebr. 7. 9. 10. So ists ein
grosser Grewel / dasselbige dem Wercke des Meßpfaffen zuzuschreiben.
Zum Vierden / werden die Leute durch die Opffermeß von dem einigen Opffer Christi
am Creutz geschehen / abgeführet / vnd geweiset auff des Meßpfaffen werck /
dadurch zuerlangen Gnade / vnd Vergebung der Sünden.
Zum Fünfften / Weil ein Versöhnopffer nicht kan geschehen ohne Blutuergiessen /
Leiden vnd Todt / Hebr. 9. so thut der Meßpfaff nichts anders / denn daß er /
souiel an jhm ist / den HERRN Christum auffs newe wieder creutziget. Diß alles
sind schreckliche grosse Grewel / vmb welcher willen die Opffermeß billich vnd
nothwendig abgethan muß werden.
Dagegen aber sollen aus GOttes Worte die Leute berichtet werden / daß nur ein
einiges Versöhnopffer für vnsere Sünde sey / durch welchs volnkommen erworben
ist alles / was zur Vergebung der Sünden / vnd vnserer Seligkeit gehöret / vnnd
von nöthen ist / Nemlich / das CHristus einmal am Creutz verrichtet hat /
welches
|| [30]
Krafft jmmer vnd in Ewigkeit wehret / Hebr. 9.
vnd 10. Vnd desselbigen Krafft vnd Verdienst wird vns im Worte vnd Sacramenten
fürgetragen / gereicht vnd zugeeignet. Vnd wenn wirs durch einen rechten Glauben
zu vns nehmen / so werden wir also theilhafftig alles des / was Christus durch
sein Opffer am Creutz verdienet vnd erworben hat.
Vnd diß ist der rechte einige Weg / wie wir bey Gott dem Vater / durch Christum /
Gnad / Vergebung der Sünden / Seligkeit / vnd alle Himlische Schätze vberkommen
/ bedürffen also darzu kein ander eusserlich Opffer im Newen Testamente. Sonst
aber hat die Christenheit im Newen Testament viel Geistliche Opffer / so von
GOtt befohlen / die Ihme auch durch Christum angenehme seyn / 1. Petr. 2. als
Lobopffer vnd Danckopffer / Hebr. 13. Psalm. 50. Betopffer / Psalm. 143. das
Opffer eines bußfertigen betrübten Hertzens / Psal. 51. das Opffer des Glaubens
vnd Hoffnung / Psalm. 4. das Opffer der Wolthetigkeit / Phil. 4. Vnd Summa / das
Opffer des gantzen newen Lebens / Roma. 12. Das aber sind nicht eusserliche
Opfferwerck / sondern Geistliche Opffer / 1. Petr. 2. die da geschehen im Geist
/ vnd in der Warheit / nicht Vergebung der Sünde damit zuuerdienen / Sondern
GOTT zu Lobe vnd Ehren. Von solchen Geistlichen Opffern reden die Väter / welchs
hernach der Bapst auff seine Opffermeß gezogen hat.
Von dem Abendmal des HERRN.
ZVM Gedechtnis des einigen Versöhnopffers / so einmal am Creutz verrichtet / hat
Christus eingesetzt sein heiliges Abendmal / in welchem seiner gedacht / vnd
sein Tod verkündiget sol werden / bis ER wieder wird kommen / zu richten die
Lebendigen vnd die Todten / Vnd dasselbige hat er eingesetzt in der Nacht / da
er verrahten ward / gleich wie sein Testament / darinn er seine Güter vnd
Himlische Schätze / so er durch auff opfferung seines Leibes / vnd durch
vergiessung seines Bluts / erworben /
|| [ID00086]
seinen Jüngern
bescheidet / Also / daß er dieselbige allen Gleubigen reichen / zueignen /
vergewissen / vnd versiegeln wil / damit daß er vns in seinem Abendmal zuessen
gibt / mit dem eusserlichen Brod / denselbigen seinen Leib / der für vns gegeben
ist / vnd mit dem eusserlichen Wein zu trincken / eben dasselbige sein Blut /
das für vns zur Vergebung der Sünden / am Creutz vergossen ist. Vnd weil wir
also in des HErrn Abendmal haben / die grosse / herrliche / reiche / Himlische
Schätze vnd Güter / sol dasselbige in der Christlichen Kirchen mit höchster
Reuerentz gehalten vnd gebrauchet werden / Also / vnd keines weges anders / denn
wie es der Sohn Gottes in seinem Testamente verordnet vnd befohlen hat. Denn
endert man doch eines Menschen Testament nicht / wenns bestetiget ist / Galat.
3. Sondern man helt den für einen Sacrilegum, wer etwas
dauon oder darzu thut / Viel mehr sol solches in aller Furcht GOttes gehalten
werden / mit dem Testamente des Sohns GOttes / darinn er vns die Güter vnserer
Seligkeit bescheiden hat. Derhalben sol hinfüro in diesen Kirchen das Abendmal
des HErrn gereichet vnd gebrauchet werden / Also / wie es der HErr CHristus in
seinem Testamente verordnet vnd befohlen hat / Nemlich / vnter beyder gestalt /
daß mit dem Brodte gereichet vnd empfangen werde der Leib Christi / Vnd mit dem
Wein / das Blut Christi: Vnd sol in keinem wege gestattet werden / daß es anders
/ Nemlich / vnter einer gestalt alleine / gereichet vnd gebraucht werde / weil
solchs dem außgedruckten Befehl des Testaments Christi zuwieder vnd entgegen ist
/ Sondern / daß die Kirche wissen möge / was jhr da gereichet vnd gegeben werde
/ sollen die Wort der Einsetzung in bekanter Sprach / mit außdrücklicher lauter
klarer Stim̅ gesprochen werden / vnterschiedlich vbers Brod / vnd
darnach vber den Wein / Vnd sollen die Leute aus Gottes Worte berichtet werden /
welch ein grewlicher Kirchenraub / vnd Gottes dieberey es sey / daß der Bapst
den Leyen beraubet vnd verboten hat / den Kelch des HErrn / welchen der HErr
Christus in seinem Testamente zu reichen / vnd gebrauchen nicht allein
vergünstiget / sondern befohlen hat / allen Menschen / die seinen Nahmen
anruffen / 1. Corinth. 1. vnd 11. Wie auch solchs in der ersten alten
Christlichen Kirchen / bey vnd nach der Apostel zeiten / durchaus / allenthalben
gehalten ist worden. Vnd sol den Leuten geweiset werden / was der Teuffel mit
der Kelchdieberey gesucht habe / Nemlich / daß er den Leuten rauben möchte den
schönen Trost / welcher mit außdrücklichen Worten in dem andern Theil des
Abendmals gesetzt wird: Dieser Kelch ist das Newe Testament in meinem Blute /
welches für euch vergossen wird / zur Vergebung der
|| [31]
Sünden. Wie sie auch eben darumb bey dem Ersten Theil in jhren Meßbüchern
außgelassen haben die Wort (Quod pro vobis datur) Auff
daß die Leute also desto mehr auff jhre Opffermeß geführet möchten werden. Es
sol aber der Brauch beyder gestalt gehalten werden / nicht darumb / daß es der
Bapst etwan vergönnet vnnd nachgibt / Sondern darumb / weil es der Sohn Gottes
in seinem Testament also verordnet / vnd befohlen hat / vnd weil das Verbot der
andern gestalt eine grewliche Sünde ist wieder das Testament Christi.
Vnd weil der Sohn Gottes selber in seinem Testament verordnet vnd außdrücket /
wie wir seines Leibs vnd Bluts im Abendmahl brauchen sollen / Nemlich / den Leib
nehmen vnd essen / das Blut nehmen vnd trincken / zu seinem Gedechtnis: Vnd aber
zu einem Testament niemand etwas zuthun sol / Gal. 3. So ist daraus klar / daß
es nicht allein gehöret vnter den Spruch / Matth. 15. Frustra
colunt me mandatis hominum, Sondern / daß es eine schwere Sünde sey /
wieder das Testament Christi / wenn man das Sacrament zum Schawspiel herumb
tregt / oder einsperret / vnd dafür einen sonderlichen Gottesdienst anrichtet /
So ists auch nicht für die Todten eingesetzt / die nicht mehr essen vnd trincken
/ Derhalben das Abendmal halten / den Todten damit zu hülffe zu kommen / ist
auch wieder das Testament Christi.
Vnd weil nun das Abendmal des HERRN wiederumb gantz mit seinem rechten wahren
Brauch / aus Gottes Worte / diesen Kirchen restituieret wird / sollen die Leute
fleissig vermahnet werden / daß sie dafür dem lieben GOTT von Hertzen dancken /
vnd zu wahrer Danckbarkeit nun offt / wie Paulus lehret / das Abendmahl brauchen
/ nicht aus zwang / auff bestimpte Zeit / Sondern / daß jhre eigene Noth sie
darzu treibe / vnd der grosse Nutz / selige Trost / vnd edle Krafft des
Abendmals sie darzu reitze. Vnd das kan auffs einfeltigste aus vnd mit den
Worten der Einsetzung den Leuten für getragen werden / daß sie solche Vermanung
allzeit vor Augen haben können. Wir sollen stets in wahrem Glauben gedencken /
was Christus an vns gewendet hat / vnd seines Tods nimmer vergessen / Wir
befinden aber / daß wirs (leider) allzuuiel vergessen / vnd solch Gedechtnis in
vns schwach / kalt vnd faul ist / Da rüfft nun vnser lieber Heyland Christus in
seinem Abendmal / Nehmet / Esset / Trincket / Das ist mein Leib / mein Blut /
Solches thut zu meinem Gedechtnis. Item / Wir sind durch Christum in den Gnaden
Bund des Newen Testaments / in der heiligen Tauffe eingesetzt / Aber denselbigen
Bund
|| [ID00088]
halten wir (leider) so steiff vnd fest nicht / wie wir
solten / treten offt daraus / vnd brechen denselben / daß wir nun gewiß mögen
seyn / daß Christus / so wir in wahrer Busse / durch den Glauben vns zu Ihm
kehren / vns wiederumb in denselbigen Bund des Newen Testaments einneme / vnd
daß wir ein gewisses Pfand vnd Siegel mögen haben / daß wir in dem Bunde
allezeit mögen gefunden seyn / bleiben / vnd erhalten werden / So spricht der
Sohn Gottes im Abendmal / Trincket Alle daraus / dieser Kelch ist das Newe
Testament / etc. Item / Christi Leib ist für alle gegeben / vnd sein Blut für
alle vergossen / Wenn du aber gerne woltest gewiß vnd versichert seyn / Ob GOTT
auch dich für deine Person in sonderheit damit meine / Ob du auch theilhafftig
seyst / vnd für Gottes Gericht / zu deiner Seligkeit zugeniessen / vnd dich zu
trösten solst haben / was Christus mit auffopfferung seines Leibs / vnnd mit
vergiessung seines Bluts verdienet vnd erworben hat / so verspricht dir Christus
solches nicht allein in der gemeinen Verheissung des Euangelij / auch nicht
allein durchs blosse Wort in der Absolution in sonderheit / Sondern bestetiget /
versigelt vnd vorgewisset dir solchs / mit dem allerhöchsten Pfande / Nemlich /
eben mit dem Leibe / der für dich gegeben / vnd eben mit dem Blute / das für
dich vergossen ist / Da im Abendmahl mit dir in sonderheit handelt / nicht ein
schlechter Mensch / Sondern Christus dein Heyland selber / durch seinen Diener /
vnd spricht: Nim hin vnd jß / das ist mein Leib / der für dich gegeben wird /
Nim vnd trinck / das ist mein Blut / das für dich zur Vergebung deiner Sünden
vergossen ist / etc. Also auch in vnserm Fleische wohnet nichts Guts / sondern
die Sünde / welche viel böser Lüste in vns erreget / das gute hindert / vnd offt
vns zu falle bringet: Christus aber in seinem Abendmahl machet mit vns den
seligen Wechsel / daß Er durch sein heiliges Fleisch vnd Blut / sich mit vns
vereiniget / daß er also durch seine Krafft den alten Adam jmmer mehr vnd mehr
creutzigen / vnd tödten möge / Vnd also werden wir alle ein Leib in Christo / do
ein Gliedmaß das andere lieben / ehren / vnd fördern sol / Vnd Summa / Wer sich
in seinem Glauben schwach befindet / der hat im Abendmahl des HERREN ein seliges
krefftiges Antidotum, den Glauben dardurch zu stercken /
etc. Wenn dieser Grund mit fleis getrieben wird / so werden fromme Christen sich
offt mit grosser Andacht / zum Gebrauch des Abendmahls des HERRN finden. Vnd
eben aus diesem Grunde können sie sich auch selbs berichten / was für Nutz /
Frucht / vnnd Trost arme bekümmerte Gewissen / in rechtem Gebrauch des
Abendmahls des HERRN finden. Wer aber damit
|| [32]
vnd
dadurch sich nicht bewegen lassen wil / den kan mann eben daran kennen / was er
für ein Christ sey. Aber hiebey muß auch die Erinnerung geschehen / contra opinionem operis operati, Daß die Leute nicht
gedencken / daß sie vmb solches jhres Wercks willen / wenn sie zum Abendmal des
HErrn gehen / solche grosse Schätze vnd Güter vberkommen / Sondern sie sollen
fleissig vermahnet werden / daß sie sich vorhin prüfen / auff daß sie nicht im
Abendmahl das Gericht essen / vnd schüldig werden an dem Leibe vnd Blut des
HErrn / 1. Corin. 11. Das prüfen aber stehet darinn / Ob der Mensch auch ein
recht Bußfertiges Hertze habe / das seine Sünde erkennet / vnd jhme die leßt
leid seyn / Denn wo noch ein böser Vorsatz ist / vnd bleibet / in den Sünden
zuuerharren / vnd fortzufahren / do ist ein böse Proba.
Fürnemlich aber stehet das rechte prüfen darinn / Daß das Hertze durch wahren
Glauben in dem Gehorsam / Leiden / vnd sterben des HErrn JESV Christi suche /
bitte / ergreiffe / vnd zu sich nehme / Gottes Gnade / Vergebung der Sünden /
vnd die Seligkeit. Denn wer also geschicket ist / der empfehet das Sacrament
wirdiglich / nicht zum Gerichte / sondern zu sterckung seines Glaubens. Vnd
sollen die Gewissen berichtet werden / daß sie sich darumb nicht sollen vom
Abendmahl des HERRN abschrecken lassen / wenn sie befinden / daß jhre Busse
geringe vnd kalt / der Glaube schwach sey / ob sie gleich gerne wolten / daß die
Busse hitziger / vnd der Glaube stercker were / Sondern sollen wissen / daß sie
eben darumb das Abendmahl des HErrn brauchen sollen / auff daß solchs durch den
HErrn Christum in jhnen gestercket / vnd gemehret werden möge.
Dieweil aber diß alles auff dem Grunde stehet / daß im Abendmal des HERRN
gegenwertig ist / gereichet vnd empfangen wird / nicht nur allein schlecht Brod
vnd Wein / Sondern zugleich auch der wahre wesentliche Leib vnnd Blut des HErrn
JESV Christi: So sol vnd muß auch der Sacramentschwermerey mit allem fleis vnd
ernst gewehret werden / daß die nicht etwan vnterm schein in diese Kirchen
einreissen möge / Vnnd sollen die Leute verwarnet werden / daß sie des Teuffels
List kennen lernen / Denn nach dem des Bapsts Opffermeß / Kelchreuberey / vnd
andere Mißbreuche / durch Gottes Wort offenbaret / vnd niedergelegt seyn / vnd
gleichwol der Satan vns den Schatz / so wir im Abendmal haben / nicht gerne
reine wolt lassen / versucht ers jetzundt durch die Sacramentschwermer auff eine
andere weise / Nemlich / Er lest im Abendmal Brod vnd Wein / essen vnd trincken
/ den Todt des HERRN verkündigen / Aber den besten Kern nimmet vnd raubet er
heraus / Nemlich / den Leib
|| [ID00090]
vnd Blut des HERRN / Vnd obwol
die Caluinisten jtziger zeit denselbigen Irrthumb so herrlich schmücken / daß es
einem Einfeltigen fast zubehende ist / So ist doch diß die Summa jhrer meinung /
daß der Leib / vnd das Blut JESV Christi / von dem Brod vnd Wein / welches hie
auff Erden im Abendmahl gereicht vnd empfangen wird / so weit / vnd noch weiter
abgescheiden sey / denn der Himmel von der Erden ist / Denn sie wöllen / daß
Christi Leib vnd Blut nach dem wesen / jetzund nur allein im Himmel / vnd nicht
hie auff Erden / da das Abendmahl gehandelt wird / seyn sollen / daß also
dasselbige / was vns hie auff Erden im Abendmahl / durch die Hand des Dieners
gereichet / vnd mit vnserm Munde empfangen wird / nicht sey der wahre
wesentliche Leib vnd Blut Christi / Sondern nur allein Brod vnd Wein. Es werde
aber genennet Christi Leib vnnd Blut / darumb / daß es sey ein Zeichen / dadurch
entweder bedeutet / oder die Krafft des abwesenden Leibs vnd Bluts Christi vns
gereichet werde / Der Glaube aber müsse mit seinen Gedancken sich vom Abendmahl
abwenden / vnd hinauffsteigen vber alle Himmel / vnd daselbs den Leib / vnd das
Blut Christi / Geistlich geniessen. Das ist im Grunde aller Sacramentschwermer
endliche Meinung / sie mögen sich schmücken vnd verdrehen / wie sie jmmer wöllen
vnd können.
Diese meinung kan nun für der Vernunfft / mit gar ansehenlichem schein
geschmücket werden / Aber fromme Christen sollen erinnert werden / daß sie mit
den Worten des Abendmahls nach jhren gedancken nicht spielen sollen / dieselbe
jhres gefallens zu deuteln / denn es sind Wort des Testaments des Sohns Gottes /
daran so viel gelegen ist / daß / wer nicht recht vnterscheidet / das jenige was
im Abendmahl des HErrn gereichet vnd empfangen wird / Nemlich / daß es sey der
Leib Christi / der jsset vnd trincket jhm das Gerichte.
Nun ist dieser handel leicht vnd klar / wenn wir nur allein einfeltig dabey
könten oder wolten bleiben / was der Mund außredet / von welchem der Vater aus
dem Himmel rüfft / Diß ist mein lieber Sohn / den solt jhr hören. Denn im
Abendmal des HERRN ist etwas vorhanden / das wird vns durch die Hand des Dieners
gereichet / vnd wir haben Befehl / daß wirs mit vnserm Munde empfangen sollen /
da Christus spricht / Nehmet / Esset vnd Trincket / welchs nicht kan vom
Geistlichen Essen vnd Trincken allein verstanden werden. Nun ist die Frage / Was
dasselbige sey? Brod schen wir / Wein schmecken wir wol / Es ist aber die Frage
/ Ob dasselbige / das im Abendmal gegenwertig ist / das durch die Hand des
Dieners
|| [33]
gereicht / das mit vnserm Munde mit Essen vnd
Trincken empfangen wird / allein Brod vnd Wein sey? Darauff antwortet der / der
die Warheit selber ist / Das / nemlich das da gegenwertig ist / das durch die
Hand des Dieners gereichet / vnd mit vnserm Munde empfangen wird / Das ist mein
Leib / Das ist mein Blut. Vnd daß wir ja nicht zweiffeln dürfften / ob diese
Wort einfeltig / wie sie nach den Buchstaben lauten / solten verstanden werden /
Oder / ob man jhnen eine andere deutung geben solte: So hat der HErr Christus
solche Wort seines Testaments an etlichen örtern in der Schrifft wiederholet /
vnd selber die Außlegung dabey gesetzt / mit deutlichen klaren Worten / Es ist
der mein Leib / der für euch gegeben wird / Es ist das mein Blut / das zur
Vergebung ewrer Sünden vergossen ist. Vnd Paulus 1. Corinth. 10. Das Brod das
wir brechen / ist participatio corporis CHRISTI, Eine
gemeine Außtheilung vnd niessung des Leibs Christi / Das ist doch ja deutlich
vnd klar gnug / den Text mit der Glossa gegeben / was
das sey / das im Abendmal mit Hand vnd Munde gereicht / vnd empfangen wird / Ob
der Leib vnd Blut CHristi allein Geistlicher weise / durch den Glauben /
empfangen? Item / Ob wir müssen hinauff gen Himmel steigen / wenn wir den Leib
vnd das Blut Christi empfangen wöllen? Oder / Ob Christus zu vns kömpt / vnd
allhie auff Erden in seinem Abendmal vns seinen Leib vnd Blut reiche vnd gebe?
Denn auff diese Fragen alle gibt Christus richtige klare antwort / das euch im
Abendmal hie auff Erden gereichet wird / das jhr mit ewrem Munde empfanget / Das
ist mein Leib / der für euch gegeben wird / Das ist mein Blut / das für euch
vergossen wird / zur Vergebung der Sünden: Nicht aber essen wir den Leib Christi
also Natürlicher weise / wie ein stück Rindfleisch / das mit den Zeenen zerkewet
/ eingeschlungen / im Magen verdewet wird / etc. Sondern / weil Christus spricht
/ Nehmet / esset / das ist mein Leib / so gleuben wir / obs gleich nicht
Natürlicher weise geschicht / daß es dennoch gleichwol warhafftig geschehe /
auff vbernatürliche Himlische weise / welche dem Stiffter dieses Abendmals
allein bekant ist: Wir gleuben / was ER saget / Modum
aber / wie es geschehe / befehlen wir dem / ders gesagt hat.
Vnd hie sol vns nicht jrren / daß solchs vnser Vernunfft wünderlich / seltzam /
vnd vngereympt düncket seyn / denn die ist in GOttes sachen eine Närrin / 1.
Corinth. 1. vnd 2. vnd muß gefangen genommen werden / vnter den Gehorsam Christi
/ 2. Corinth. 10. So ists auch wieder keinen Artickel des Glaubens / Denn daß
die Caluinischen mit hohen prechtigen Worten fürgeben / weil es nicht ist eine
|| [ID00092]
Natürliche Eigenschafft eines wahren Menschlichen Cörpers
/ daß er auff eine zeit zugleich mehr denn an einem orte wesentlich seyn könne /
vnd aber Christus einen wahren Menschlichen Leib / mit allen wesentlichen
eigenschafften / vns allenthalben gleich / nur allein die Sünde außgeschlossen /
an sich genommen / Hebr. 2. vnd 4. So vermöge er nicht / salua humanitatis suae veritate, mit seinem Leibe vnd Blute zugleich
im Himel / vnd an allen den örtern auff Erden / da sein Abendmal nach seiner
Einsetzung gehalten wird / wesentlich gegenwertig zu seyn / ob gleich die Wort
seines Testaments also lauten: Darauff gibt vnser Glaube eine richtige
gründliche klare Antwort / Nemlich / daß nicht allein das wahr ist / welchs wir
gerne zugeben vnd bekennen / Daß Christus nach seiner Menschlichen Natur / vns
seinen Brüdern / allenthalben gleich ist / außgenom̅en die Sünde /
sondern / daß auch diß feste stehe / vnd wahr sey / Weil die Menschliche Natur
in Christo mit der Göttlichen Persönlich vereiniget / vnd erhaben ist / vber
alles / was genennet kan werden / nicht allein in dieser / Sondern auch in der
künfftigen Welt / Ephes. 1. daß Christus mit seiner Menschlichen Natur / vnd
durch dieselbige viel könne / vermöge vnd außrichte / das sonst den wesentlichen
Natürlichen Eigenschafften eines schlechten Menschlichen Cörpers gantz vnnd gar
vnmüglich were / Denn sein Blut reiniget vns von Sünden / 1. Johan. 1. In seinem
Blute haben wir die Erlösung vnd Vergebung der Sünden / Coloss. 1. In seinem
Blute sind wir gerecht / Roman. 5. Sein Fleisch ist gegeben für der Welt Leben /
Johan. 6. ER gehet mit seinem Cörper durch verschlossene Thüren / Johan. 20.
Wandelt auff dem Wasser / Matth. 14. Ihm ist nach seiner Menschlichen Natur
alles in seine Hende gegeben / Johan. 13. Matth. 11. Ja alle Gewalt im Himmel
vnd auff Erden / Matth. 28. Vnd werden gleichwol dardurch die Naturen nicht
vermischet: Weil nun derselbige in seinem Testamente / von dem Brod vnd Wein /
so im Abendmal gereichet vnd empfangen werden / spricht / Das ist mein Leib /
Das ist mein Blut / solt Ihm das vnmüglich seyn / darumb vnd aus der vrsachen /
weil es die Natürliche Eigenschafften in vnsern Cörpern nicht vermögen? Ja vnser
Glaube bestetigt diß viel mehr / wie ers gesaget hat / ob es gleich den
Natürlichen Eigenschafften des Menschlichen Cörpers nicht müglich ist / so
vermags doch der / dem alle Gewalt gegeben ist im Himel vnd auff Erden / auch
nach seiner Menschlichen Natur.
Also auch gibt vnser Glaube gute bestendige Antwort darauff / wenn die
Caluinisten ein gros Geschrey darüber machen / Christus
|| [34]
ist mit seinem Leibe gen Himmel gefahren / Derhalben kan er mit demselbigen
nicht hie auff Erden bey vns in seinem Abendmal seyn / Denn die Himmelfarth
Christi ist nicht eine schlechte reumliche verenderung des orts / wie Elias gen
Himmel gefahren ist / Oder / wie ein armes Vöglein von der Erden auff einen Baum
fleugt / wie die Sacramentarij mit jhren Kindischen
Gedancken dauon tichten / Sondern also redet die Schrifft dauon / Daß CHristus
durch seine Himmelfarth alle Irrdische Schwacheit abgelegt / vnd sey dardurch
gesetzet zu der Rechten der Maiestet vnd Krafft Gottes / Marc. 16. Actor. 2.
Hebreor. 1. Luc. 22. Also / daß Ihm auch nach seiner Menschlichen Natur alles
vnterworffen / Er vber alles / was gewaltig vnd krefftig ist / erhöhet / 1.
Petr. 1. Ephes. 1. Solte jhn denn stete / raum / vnd Ort hindern / daß Er nicht
vermöchte / was er in seinem Testamente außgesprochen / ja auch nach seiner
Himmelfarth wiederholet vnnd bestetiget hat? 1. Corinthior. 11. Das kan / darff
/ muß / vnd sol vnser Glaube nicht sagen / Sondern eben dieselbe Artickel des
Glaubens / die als streitig wieder den einfeltigen Verstandt des Testaments
Christi / von den Sacramentschwermern angezogen werden / bestetigen vnd
bekrefftigen denselben viel mehr.
Derhalben bleiben wir einfeltig bey vnserm Catechismo,
daß des HERRN Abendmal sey der wahre Leib / vnd das wahre Blut vnsers HErrn JESV
Christi / vnterm Brod vnd Wein / vns Christen zu essen vnd zu trincken von
Christo selbs eingesetzt.
Et sicut Augustana Confeßio, in Decimo articulo inquit: De
Coena Domini docent, quod corpus & sanguis CHRISTI verè adsint,
& distribuantur vescentibus in Coena Domini, & improbant
secùs docentes.
Vnd wie die Augspurgische Confession im 10. Artickel spricht / Vom Abendmal des
HERRN lehren sie / Daß der Leib / vnd das Blut Christi warhafftig gegenwertig
seyn / vnnd außgetheilet werden denen / die das Abendmahl essen vnd trincken /
Vnd derhalben wird auch die Gegenlehre verworffen.
Et Apologia: Confitemur nos sentire, quòd in Coena Domini
verè & substantialiter adsint corpus & sanguis CHRISTI,
& verè exhibe antur cum illis rebus quae videntur, pane &
vino, his, qui Sacramentum accipiunt.
Vnd in der Apologia: Wir bekennen / daß wirs dafür halten
/ daß im Abendmal des HErrn warhafftig vnd wesentlich gegenwertig sey der Leib /
vnd das Blut Christi / vnnd warhafftig gereichet werde / mit dem sichtlichen
Brod vnd Wein / denen / die das Sacrament empfangen.
|| [ID00094]
Item Articuli Schmalcaldici:
Vom Sacrament des Altars halten wir / das Brod vnd Wein im Abendmahl sey der
warhafftige Leib vnd Blut Christi / vnd werden nicht allein gereichet vnd
empfangen von frommen / sondern auch von bösen Christen. Wir lehren aber nicht
allein vom Sacramentlichen essen vnd trincken des Leibs vnd Bluts Christi im
Abendmal / Sondern zugleich auch vom Geistlichen essen vnd trincken / wie denn
die Summa dieser Lehre in vnserm Catechismo fein kurtz
vnd einfeltig gefasset ist / in diese Fragen: Was das Abendmal des HErrn sey?
Was es nütze? Daß Leiblich essen vnd trincken solche grosse dinge nicht
außrichte: Item / Wer diß Sacrament wirdiglich empfange? Vnd nach der einfalt
des Catechismi sollen die Prediger sich befleissigen /
von diesem Sacrament das Volck zuunterrichten.
Vom Fasten vnd Beten.
WEnn das Bäpstische Fasten gestrafft wird / so wöllen die Leute solchs bald also
auff nehmen / als were nun diß des Euangelij Symbolum,
Nimmer nüchtern / jmmer voll: Derhalben muß ein Prediger in diesem Stück mit
bescheide handeln / daß er sich allzeit wol verwahre / wenn er wieder der
Papisten Fasten reden wil / daß es nicht die meinung habe / als were Fasten an
jhm selbs Sünde / welchs die Schrifft nicht leiden könne / Sondern / daß er
gründlich anzeige / was in der Papistischen Fasten vnrecht sey / gleich wie
CHristus thut / do er der Phariseer Fasten straffet / Matth. 6. Nemlich / Daß
der Bapst das Fasten eingesetzt hat / auff vnterscheid der Speise / Da mancher
mit guten Fischen herrlicher lebet / vnnd sich völler daran frißt / denn an
einem gereucherten dürren stück Fleisch. Zum Andern / daß der Bapst eine grosse
Todsünde daraus gemacht hat / wenn einer gleich messig am verbotenen Tage
Fleisch / Eyer / Butter / etc. esse / Denn Paulus heißt das Teuffels Lehre / die
da verbeut die Speise / so GOtt mit Dancksagung zugeniessen geschaffen hat / 1.
Timoth. 4. Zum Dritten / daß der Bapst aus dem Fasten ein solch Werck vnd
Gottesdienst gemacht hat / da
|| [35]
durch die Leute für
jhre Sünde gnugthun / Gottes Gnade / allerley Himlische Güter / vnd die
Seligkeit verdienen könten / welchs doch allein dem hohen Gehorsam / vnd bittern
Leiden Christi gehöret. Diese falsche meinung muß aus Gottes Wort gestrafft
werden / vnd sollen dabey alßbald die Leute berichtet werden / daß sie nicht
gedencken / Gut Euangelisch seyn / heisse nur / Fressen / sauffen / jmmer voll
seyn / Sondern / daß sie nur lernen / was für Fasten die Schrifft fordere vnd
rhüme. Denn Erstlich ist in der Schrifft ein Geistlichs Fasten / von Sünden
ablassen / sich der enthalten / vnd zum guten befleissigen / Isai. 58. Zum
Andern / hat die Schrifft ein täglichs Fasten / Nemlich / vor Fresserey vnd
vollerey sich hüten / ein messiges nüchtern Leben führen / Luc. 21. Rom. 13.
Ephe. 5. Tit. 2. 1. Petr. 5. Zum Dritten / weil die Schrifft lehret / wir sollen
vnsers Leibes mit Essen vnd Trincken warten zur Notturfft / Col. 2. Aber doch
also / daß er nicht geil vnd muthwillig zum bösen / vnnd träg / vergessen /
vnwillig zum guten werde / Rom. 13. 1. Corinth. 9. Wenn nun ein frommer Christ
solches an seinem alten Adam vermercket / vnd etwan nicht so viel / nicht so
köstlich / wie sonst / jsset / oder etwan einer Malzeit sich enthelt / zu dem
ende / daß das Fleisch gezehmet / der Geist desto williger / lustiger / vnd
andechtiger möge seyn / Gottes Wort zu hören / vnd zu betrachten / die
Absolution vn̅ Sacrament zu brauchen / zu beten / Gottes Gabe vnd
Wolthaten zu betrachten / Ihm dafür zu dancken / etc. Item / seine Sünde
erkennen vnd betrachten / zum Vorsatz der Besserung / durch krafft vnd wirckung
des heiligen Geistes sich schicken / etc. Solchs Fasten hat in der Schrifft
Befehl vnd Exempel / 2. Cor. 6. Matth. 17. Luc. 2. Acto. 10. Daher wird in der
Schrifft gemeiniglich beyeinander gesetzt / Fasten vnd Beten / sonderlich / wenn
in grossen Nöthen ein gemeines Gebet angestellt ist worden / Leuit. 25. Joel. 2.
1. Reg. 7. 2. Reg. 12. 2. Par. 20. 1. Esdr. 8. Acto. 13. 14. 1. Corint. 7. etc.
Vnd daher ists kommen / daß man auff die Feyerabend gefastet hat / auff daß mann
des folgenden Tags desto geschicklicher seyn möchte / zum Wort / Gebet vnd
Gottesdienste. Der meinung haben die Alten auch vor Ostern / etliche mehr /
etliche weniger Tage oder wochen / wie Irenaeus vnd Socrates in Historia Ecclesiastica zeugen / gefastet /
auff daß sie das Leiden Christi mit grösserer andacht betrachten / jhm für seine
Aufferstehung dancken / zu wahrer Busse / vnd rechtem Gebrauch der Sacrament
sich schicken möchten / Darnach aber hat der Bapst daraus sonderliche Verdienste
vnd gnugthuung / wie gemeldet / gemacht.
Wenn nun auff solche weise / der meinung / vnd zu dem ende / ohne Zwang vnd
Aberglauben ein Christ zu zeiten fastet / vnd die seinen
|| [ID00096]
darzu helt / sonderlich wenn sie zur Absolution vnd Abendmahl des HErrn gehen
wöllen / das ist nicht allein nicht vnrecht / sondern hat herrliche löbliche
Exempel in der Schrifft / vnd nach denselbigen Exempeln kan auch in gemeinen
fürstehenden nöthen / in der Kirchen ein gemein Fasten angestellet werden / zu
dem ende / daß das gemeine Gebet mit mehrer Andacht geschehen möge / Wie daruon
in der Schrifft viel schöner Exempel sind. Also auch / wenn jemand in seiner
Haußhaltung eine Ordnung macht oder helt / wenn er wölle Fleisch oder Fisch
speisen / vnd solchs geschicht ohne Aberglauben / allein vmb eusserlicher
Policey vnd Ordnung willen / das ist nicht wieder Gott / Denn das Reich GOttes
stehet nicht in Essen vnd Trincken / Rom. 14. Vnd die Speise / es sey Fleisch
oder Fisch / essen oder nicht essen / macht vns GOtt nicht angenehm / 1.
Corinth. 8. Sondern diß alles stehet einem Christen seines Gewissens halben /
zum messigen brauch frey / allein / daß anderer Leute schwache Gewissen nicht
dadurch geergert werden / Roman. 14.
Mit der Lehre vom Beten / hats eben die meinung / wie vom Fasten gesagt. Gleich
wie nun Christus der Phariseer Beten straffet / Matth. 6. 23. Luc. 18. vnd damit
das Beten an sich selbs nicht verwirfft / sondern lehret dagegen / wie man recht
beten solle / vnd vermahnet die seinen mit allem ernst zum Gebet. Also / wenn
ein Prediger das Papistische beten straffen wil / muß er sich wol verwahren /
daß es die Leute nicht also auffnehmen / als dürffte mann nun gar nicht beten /
sondern der Mißbrauch wird gestrafft / daß die Papisten / eben wie die Phariseer
/ entweder zum schein beten / oder setzen das beten darauff / daß sie viel Wort
mit dem Munde plappern / ohne Verstand / Andacht / vnd Glauben / wie mann an den
Rosenkrentzen die Pater noster vnserm HErrn zugezehlet
hat / vnd gleichwol solch Beten / darinn der Bitter nichts gewisses von GOtt
bate / hat man nicht allein für ein sonderlich gut Werck / sondern für einen
Verdienst außgegeben. Item / daß sie im Gebet nicht allein Gott / sondern auch
neben demselbigen die Heiligen anruffen / vnd das Vertrawen der Erhörung nicht
allein auff Christum stellen / Sondern auff die Fürbitt vnd Verdienst der
Heiligen. Diß wird vnd sol auch aus Gottes Wort in der Papisten Gebet gestrafft
werden.
Dagegen aber sollen die Leute aus Gottes Wort mit fleis vnterweiset werden / was
ein rechtschaffen Gebet sey / Nemlich / daß Gott allein angeruffen werde / vnd
daß nicht alleine der Mund bete / Sondern daß es geschehe im Geist / vnd in der
Warheit / Johan. 4. in wahrer Busse / Isai. 1. Johan. 9. vnd in rechtem Glauben
/ Mar. 11.
|| [36]
Jacob. 1. vnd daß etwas außdrücklichs in
Geistlichen oder zeitlichen sachen / für vns / oder für andere / das Gottes
willen nicht entgegen ist / von Gott gebeten werde / Also / daß das erste vnd
fürnemste im Gebet sey / was belanget Geistliche / Himlische / vnd Ewige Güter /
darnach daß in zeitlichen sachen allzeit die Clausula
daran gehenget werde / Vater / Dein Wille geschehe / Matth. 6. Johan. 16. 1.
Johan. 4. Vnd daß das vertrawen der Erhörung allein auff Christum / vnd vmb
seinent willen / gestellet werde / Johan. 16. Bey der Lehre sol fleissig
getrieben werden / die Vermahnung / daß Gottes Wille vnd Befehl ist / daß wir
beten sollen / stets vnd ohne ablassen / Luc. 18. 1. Thessal. 5. Darzu vns
vnsere Noth treiben / vnd die liebliche Verheissung Gottes / neben den schönen
Exempeln Christi / vnd aller Heiligen / in der Schrifft / vns reitzen sollen.
Vnd sol ein jeder Christ sich / vnd die seinen gewehnen / daß er Morgends / wenn
er auffstehet / Abends wenn er schlaffen gehet / wenn er zum Tisch / oder vom
Tisch gehet / wenn er etwas anhebet / etc. sein Gebet thue / vnnd fürnemlich /
wenn die Gemeine Gottes zum Wort vnd Sacramenten versamlet ist / daß ein Christ
da sein Gebet thue / nicht allein in sonderheit / Sondern auch im gemeinen Gebet
/ für gemeine vnd sonderbare Noth bitten helffe.
Von Weihen des Saltzes / Wasser / Fewr / Kreuter / vnd anderer Creaturen.
WEil solch Weihen bißhero in diesen Kirchen getrieben / müssen die Leute dauon
berichtet werden / Denn ja fromme Christen gerne wolten solche Creaturen Gottes
seliglich brauchen / also / daß GOtt seinen Segen darzu geben möchte / vnnd sie
solche Gaben GOttes / nicht wie Vnchristen / Sondern wie Kinder GOttes / aus
seiner gnedigen milden Hand empfangen möchten. Vnd darumb halten etliche Leute
viel von dem Papistischen Weihen / etliche aber brauchen der Creaturen ohne alle
Gedancken / Gebet vnd Dancksagung / wie die Sewe. Aber Paulus weiset sehr fein /
in einem kurtzen Spruch / wie die Creaturen
|| [ID00098]
Gottes zu solchem
rechten seligen brauch geheiliget werden / 1. Tim. 4. Gott hat die Creaturen
geschaffen zu gebrauchen mit Dancksagung den Gleubigen / Denn alle Creatur
Gottes ist gut / vnd nichts verwerfflich / das mit Dancksagung empfangen wird /
Denn es wird geheiliget durch das Wort Gottes vnd Gebet. In diesem Spruch ist
die gantze Lehre gar schön begriffen: Wir wöllen kürtzlich die fürnemsten Stück
anzeigen / Vnd ist das Erste / daß wir aus Gottes Worte erkennen vnd wissen
sollen / daß Gott / nach dem er die Creaturen geschaffen / dieselben dem
Menschen zu gebrauchen vergönnet vnd gegeben hat / Gen. 1. Denn sonst hetten wir
zu dem Gebrauch der Creaturen / die nicht vnser / sondern Gottes sind / kein
recht noch macht / Vnd das ist das Wort Gottes / dauon der Spruch Pauli redet /
dadurch die Creaturen zu vnserm Brauch geheiliget werden: Vnd in demselbigen
Worte sol sonderlich das betrachtet werden / Da von wegen der Sünde der Mensch
solch Priuilegium verwircket hatte / daß Gott aus Gnaden
/ vmb des HErrn Christi willen / dasselbige vns wiederumb restituieret hat /
Genes. 9. Zum Andern / saget dieser Spruch Pauli / Daß die Creaturen also durchs
Wort vnd Gebet geheiliget werden / nicht der meinung / als weren sie sonst
verfluchet / böse / oder vom Teuffel besessen / Denn er spricht außdrücklich /
Alle Creatur Gottes ist gut / vnd nichts verwerfflich / Sondern darzu wird sie
also / wie gesagt / durch das Wort geheiliget / daß wir derselbigen / die Gottes
/ vnd nicht vnser sind / mit gutem Gewissen / aus gutem gnedigen willen des
Himmlischen Vaters / seliglich brauchen können / Denn wenn man sonst eines
frembden Guts mit des Herren vngnad vnd vnwillen gebraucht / so bekömpts nicht
wol. Zum Dritten / Weil den Vngleubigen vnd Vnreinen alles vnrein ist / Tit. 1.
so setzt Paulus das Gebet darzu / Nemlich / wenn wir die Creaturen Gottes
brauchen wöllen / daß wir in vnserm Gebet des jetzt gemelten Priuilegij vns erinnern sollen / vnd bekennen / daß wir sonst von vns
selbs kein recht oder macht daran hetten / vnd in rechtem Glauben bitten / daß
der Himlische Vater vmb Christus willen / vns solchen Brauch seiner Creaturen
segenen wölle / daß er vns seliglich möge seyn / daß wir solche seine Gaben /
nicht wie Vnchristen / mit seiner Vngnad vnd vnwillen jhm rauben / Sondern wie
seine Kinderchen / aus seiner milden Hand / mit seinem gnedigen guten Willen /
vnd mit seinem Göttlichen Segen empfangen vnd brauchen mögen. Zum Vierden /
spricht Paulus / sol darauff folgen die Dancksagung für solch sein Priuilegium, vnd für seinen Segen. Letzlich / setzet
Paulus auch das dabey / das sonderlich wol sol gemercket werden / daß
|| [37]
durch solch heiligen durchs Wort / Gebet vnd
Dancksagung / den Creaturen nicht gegeben wird eine andere newe art vnd krafft /
denn jhnen in der Schöpffung von GOTT gegeben ist / Denn Paulus spricht / Gott
habe die Creaturen geschaffen / zum Brauch / das ist / Er habe in der Schöpffung
einer jeden Creatur gegeben jhre Art / krafft vnd wirckung / wozu sie solle
dienen / vnd gebrauchet werden. Vnd die Heiligung thut nichts anders noch mehr /
denn daß solcher Brauch / dazu die Creatur von Gott in der Schöpffung verordnet
/ vns möge seliglich seyn. Wir reden aber hie nicht dauon / wie Gott durch
sonderliche Verordnung / Befehl / vnd Verheissung in seinen Sacramenten etlicher
Creaturen brauchet / Oder / wie Er durch Mirakel vnd Wunderwerck / entweder
selbs / oder durch seine Heiligen / die Donum
Miraculorum haben / beweiset / daß Er / wie ein HERR seiner Creaturen
mechtig sey / auch anders / denn jhre Natürliche Arth vnd Eigenschafft ist /
Sondern wir reden hie von dem Gebrauch der Creaturen / der da ist ausser den
Sacramenten vnd Mirakeln Gottes.
Aus diesem Grunde ist nun leicht vnd klar / was ein Christ von dem Papistischen
Weihen der Creaturen halten sol / Denn Erstlich beschweren sie die Creaturen /
als weren sie besessen / daß daraus der Teuffel mit seiner Macht weichen wölle /
welchs stracks wieder Paulum ist / der da sagt: Alle Creatur GOttes ist gut /
vnd nichts verwerfflich. Zum Andern / weihen sie die Creaturen / nicht zu dem
Brauch / darzu sie geschaffen sind / Sondern der meinung / daß durch solch
weihen die Creaturen eine andere Art vnd kraff bekom̅en sollen /
darzu sie nicht geschaffen sind / als daß sie dienstlich vnd krefftig sollen
seyn / alle List vnd Gewalt des Teuffels zu hindern / vnd zu vertreiben / der
Seelen rath vnd hülff zu schaffen. Vnd ob gleich die Wort vnd Gebet noch so gut
vnd heilig weren / Weil sie aber nicht haben Gottes Wort / Befehl vnd
Verheissung / wie in den Sacramenten / auch nicht das Donum
edendi miracula, so ists eben / als wenn einer den gantzen Psalter /
mit allen Euangelien vber einen Nesselstrauch lese / der meinung / daß
derselbige nicht brennen solte / oder vber ein weiches Ey / daß das so hart /
wie ein Büchsenkugel solt werden / Denn weil wir dauon kein Befehl oder
Verheissung GOttes haben / so hilfft weder Beten noch lesen darzu / vnd ist ein
grewlicher Mißbrauch des Namens Gottes / wieder das Ander Gebot / Vnd ist kein
Vnterscheid zwischen solchem Weihen vnd anderer Zauberey / da man Gottes Wort
vnd Nahmen zu braucht. Zum Dritten / ist das das allerbeschwerlichste / daß
solchen geweiheten Creaturen /
|| [ID00100]
als Wasser / Saltz / etc. ohne
Gottes Wort / Befehl vnd Verheissung / im Bapsthumb zugeschrieben / vnd
zugetrawet wird / daß allein GOtt vmb Christus willen / durch den heiligen Geist
/ schaffen vnd wircken wil / vnd darzu er gebrauchen wil sein Wort / vnd seine
Sacramenta, die er durch sonderliche Verordnung /
als ördentliche Mittel / darzu eingesetzt hat: Als / dem geweiheten Saltz wird
das zugeschrieben / daß es sey ein heilsam Sacrament / vnd eine volkommene
Artzney / den bösen Feind zu vertreiben. Item / so spricht jhre Agenda, Nim hin das Saltz der Weißheit / auff daß dir
Christus gnedig sey zum ewigen Leben.
Das Wasser wird darzu geweihet / daß es seyn solle allen / die es nehmen / ein
Heyl Leibs vnd der Seelen / vnd was damit besprenget wird / daß dauon abgehalten
/ abgetrieben vnd außgerottet werden die Teuffel / mit aller jhrer list / vnd
gewalt / alle Kranckheit / vnd alles was der Gesundheit / vnd Ruhe im Hause
zuwieder ist. Item / wohin es gesprenget werde / daß dahin die gegenwertigkeit
des heiligen Geistes / die Gnade des Segens Gottes kommen / vnd alles böses
weichen müsse. Item / zur Vergebung der täglichen Sünde.
Die Wachsliecht werden also geweihet / daß sie dadurch bekommen vnd haben sollen
solche Krafft vnd Segen / daß / wo sie angezündet / vnd gesetzt werden / der
Teuffel / mit alle seinem Gespenst weichen müsse. Item / daß sie seyn mögen zur
Gesundheit Leibs vnd der Seelen / auff daß die / so dieselbigen in den Henden
tragen / von der Blindheit des Hertzen erlöset / das Liecht / das im Finsternis
leuchtet / ergreiffen mögen.
Die Asche wird also geweihet / Daß sie ein selige Artzney seyn sol / Wer damit
bestrawet wird / daß der mit dem Geist der Busse erfüllet werde. Item / Daß der
Vergebung seiner Sünde / des Leibes Gesundheit / vnd der Seelen Schutz bekom̅en möge / Denn die Agenda spricht / Daß
die Asche auff das Heupt gelegt werde / Causa promerendae
veniae, daß wir Gnade vnd Vergebung verdienen mögen.
Die Palmen / vnd andere Zweige / werden also geweihet / daß sie allem Volcke
gedeyen mögen zur Seligkeit / auff daß alle / so dieselbigen tragen / Item / Wo
sie hin getragen werden / daß der Orth dadurch geheiliget / der böse Feind
vertrieben / vnd GOttes Rechte Hand vns beschützen möge.
Das Fewer wird mit diesen Worten geweihet / Auff daß mit Geistlichen Begierden
entzündet / zu der Ewigen Klarheit kommen mögen / vnd daß Gott dadurch helffe /
wieder alle fewrige Pfeile des Teuffels.
|| [38]
Das Osterlamb / Schincken vnd Kese werden mit diesen Worten geweihet / daß / wer
dauon jsset / mit allem Himlischen Segen / vnd mit Gottes Gnaden in gutem
gesettiget möge werden.
Eyer / Brod / Fladen / wird also geweihet / daß man vertrawen solle / wer dauon
jsset / daß es dem gereichen solle zur Ewigen Seligkeit / vnd sie dadurch
empfangen mögen / des Leibs Gesundheit / vnd der Seelen Schutz.
An S. Johannis Tag / wird der Wein zum Johannis Trunck also geweihet / wer dauon
etwas nimpt / daß derselbige durch Fürbitt Marien vnd Johannis / das ewige Leben
vberkomme. Item / daß es sey ein Heyl Leibs vnd der Seelen / vnd eine
Beschirmung wieder alle Kranckheit / Gifft / auch wieder alle List der Feinde /
wieder alle Gefahr Leibs vnd der Seelen / etc.
Die Kreuter werden mit solchen Worten geweihet / daß sie nicht allein allerley
Kranckheit / Schaden vnd Feyl / beyde Menschen vnd Viehe / vertreiben sollen /
Sondern auch / daß alle / die dauon nehmen / der Seelen vnd des Leibs Gesundheit
empfangen / vnd in die Thür des Paradeises eingehen mögen.
Weil aber diß alles grewlich ist / wieder das Erste Gebot / daß solche hohe
Himlische Geistliche ewige sachen vnd Güter / ohne Gottes Befehl vnd
Verheissungen / Creaturen sollen zugeschrieben werden / Vnd auch ein Mißbrauch
des Göttlichen Nahmens ist / wieder das Ander Gebot: So sol solch Weihen hinfüro
in diesen Kirchen abgeschaffet seyn. Vnd daß die Pastores das Volck desto besser berichten mögen / worumb es abgeschaffet
werde / haben wir aus der Agenda etliche Stücke hieher
verzeichnet. Es sollen aber dagegen die Leute berichtet werden / wie alle
Creaturen / wenn wir dieselbigen zu rechtem Natürlichen Brauch nehmen wöllen /
aus GOttes Worte Befehl vnd Verheissung vns Gleubigen also geheiliget mögen
werden / daß wir dieselbigen mit gutem Gewissen / mit Gottes gnedigen guten
Willen / seliglich brauchen mögen / wie das aus dem Spruch Pauli / 1. Timoth. 4.
droben klerlich erweiset ist.
Vnd der Vrsachen halben sollen Alt vnd Jung vermahnet vnd gewehnet werden / wenn
sie zum Tisch vnd dauon gehen / daß sie das Benedicite
vnd Gratias, mit Andacht sprechen: Vnd deßgleichen auch
thun / wenn sie anderer Gaben Gottes brauchen wöllen / Wie ohne zweiffel
erstlich vmb solcher Paedagogi willen / man angefangen
hat in der Kirchen den Leuten eine anweisung zu geben / wie sie durchs Ge
|| [ID]
bet die Creaturen zum seligen Brauch heiligen solten /
wie eine Benedictio Ouorum lautet / Segene diese
Creaturen / die du geschaffen hast / daß es eine gesunde selige Speise möge seyn
deinen Gleubigen / die es mit Dancksagung zu sich nehmen: Aber daraus ist
hernach ein solcher Aberglaube / ja Abgötterey gemachet worden / die nun mehr
bey reiner Lehre vnleidlich ist.
Von andern Artickeln der Christlichen Lehre / sollen die Prediger Explicationes vnd Refutationes
nehmen / aus dem obermelten Corpore Doctrinae, vnnd die
Lehre also führen / daß nicht allein gelehret werde / was recht ist / Sondern
auch was falsch vnd vnrecht ist / gestrafft werde / vnd das alles mit
Christlicher Bescheidenheit / zur Erbawung / wie derhalben zur Anleitung / von
etlichen fürnemen Artickeln Declarationes hieher gesetzt
seyn.
|| [39]
Register vber das obberürt Corpus Doctrinae.
Was das Corpus Doctrinae, das ist / die Form / vnd das Fürbild der reinen Lehre in den Kirchen dieses Fürstenthumbs seyn sol. Folio 1.
Kurtzer einfeltiger vnd nothwendiger Bericht / von etlichen fürnemen Artickeln der Lehre / wie dieselbige mit gebürlicher bescheidenheit / zur Erbawung fürgetragen / vnd wieder alle Verfelschung verwahret mögen werden. Fol. 3.
Von GOTT. Fol. 4.
Von der Busse. Fol. 5.
Von Vnterscheidt des Gesetzes vnd Euangelij. Fol. 8.
Von der Sünde. Fol. 11.
Von dem Artickel der Rechtfertigung des armen Sünders für Gott zum Ewigen Leben. Fol. 13.
Von Guten Wercken. Fol. 17.
Vom Freyen Willen. Fol. 20.
Von den Sacramenten in gemein. Fol. 22.
Von der Beicht vnd Absolution. Fol. 23.
Von der heiligen Tauffe. Fol. 26.
Von der Messe. Fol. 29.
Von dem Abendmal des HERRN. Fol. 30.
Von Fasten vnd Beten. Fol. 34.
Von Weihen des Saltzes / Wasser / Fewr / Kreuter / vnd anderer Creaturen. Fol. 36.
|| [ID00104]
|| [40]
Das I. Bekentnis oder Symbolum, ist das gemein Bekentnis der Apostel / Darin
der Grund gelegt ist des Christlichen Glaubens / Vnd lautet also:
ICH gleube an Gott Vater Allmechtigen / Schöpffer Himels vnd der Erden.
Vnd an JESVM Christum seinen einigen Sohn / vnsern HERRN / Der empfangen ist vom
heiligen Geist / Geboren von der Jungfrawen Maria / Gelitten vnter Pontio Pilato
/ gecreutziget / gestorben vnd begraben / Niedergefahren zur Hellen / Am dritten
Tage aufferstanden von den Todten / Auffgefahren gen Himmel / sitzend zur
Rechten Gottes des Allmechtigen Vaters / Von dannen ER kommen wird zu richten
die Lebendigen vnd die Todten.
Ich gleube an den heiligen Geist / Ein heilige Christliche Kirche / Die Gemeine
der Heiligen / Vergebung der Sünden / Aufferstehung des Fleisches / Vnd ein
ewiges Leben / Amen.
Das II. Bekentnis oder Symbolum Nicaenum.
ICH gleube an einen einigen Allmechtigen Gott den Vater / Schöpffer Himels vnd
der Erden / Alles das sichtbar vnd vnsichtbar ist. Vnd an einen einigen HErrn
JEsum Christum / Gottes einigen Sohn / Der vom Vater geborn ist / vor der
gantzen
|| [ID00106]
Welt / Gott von Gott / Liecht vom Liecht /
Warhafftigen Gott vom Warhafftigen Gott / Geborn / nicht geschaffen / mit dem
Vater in einerley Wesen / Durch welchen alles geschaffen ist / Welcher vmb vns
Menschen / vnd vmb vnser Seligkeit willen vom Himmel kommen ist / Vnd
leibhafftig worden / durch den heiligen Geist / von der Jungfrawen Maria / vnd
Mensch worden / Auch für vns gecreutziget / vnter Pontio Pilato / gelitten vnd
begraben / Vnd am dritten Tage aufferstanden nach der Schrifft / Vnnd ist
auffgefahren gen Himmel / Vnd sitzet zur Rechten des Vaters / Vnd wird
wiederkommen mit Herrligkeit / zu richten die Lebendigen vnd die Todten / Deß
Reich kein ende haben wird.
Vnd an den HERRN den heiligen Geist / Der da lebendig machet / Der vom Vater vnd
dem Sohn außgehet / Der mit dem Vater vnd dem Sohn zugleich angebetet / vnd
zugleich geehret wird / Der durch die Propheten geredt hat.
(Christliche Catholica ta̅ man nit wol besser
teutsche̅ denn Christlich / wie bißhero geschehe̅ / Das ist / wo Christen sind in aller welt / Dawider tobet der Bapst / vnd
wil seine̅ Hof allein die Christliche Kirch geheissen haben /
leuget aber / wie Der Teuffel sein Abgott.)
Vnd eine einige heilige Christliche Apostolische Kirche.
Ich bekenne eine einige Täuffe / zur Vergebung der Sünden / Vnd warte auff die
Aufferstehung der Todten / Vnd ein Leben der zukünfftigen Welt / Amen.
Das III. Bekentnis oder Symbolum, heist Sancti Athanasij, Welches er gemacht
hat / wieder die Ketzer / Ariani genant / Vnd lautet
also:
WER da wil selig werden / Der muß für allen dingen / den rechten Christlichen
Glauben haben.
Wer denselben nicht gantz vnd rein helt / Der wird ohn zweiffel ewiglich
verlohren seyn.
Diß ist aber der rechte Christliche Glaube / Daß wir ein einigen Gott in drey
Personen / vnd drey Personen in einiger Gottheit ehren.
Vnd nicht die Personen in einander mengen / noch das Göttlich Wesen zertrennen.
Ein ander Person ist der Vater / Ein andere der Sohn / Ein andere der heilige
Geist.
Aber der Vater vnd Sohn vnd heiliger Geist / ist ein einiger Gott / gleich in der
Herrligkeit / gleich in ewiger Maiestet.
|| [41]
Welcherley der Vater ist / solcherley ist der Sohn / solcherley ist auch der
heilige Geist.
Der Vater ist nicht geschaffen / Der Sohn ist nicht geschaffen / Der heilige
Geist ist nicht geschaffen.
Der Vater ist vnmeßlich / Der Sohn ist vnmeßlich / Der heilige(Vnmeßlich sol hie heissen deß wesen vn̅
Macht kein Ende / masse / noch Zahl hette.) Geist ist vnmeßlich.
Der Vater ist Ewig / Der Sohn ist Ewig / Der heilige Geist ist Ewig.
Vnd sind doch nicht drey Ewige / Sondern es ist ein Ewiger.
Gleich wie auch nicht drey Vngeschaffene / noch drey vnmeßliche /(Vngeschaffen / des Wesens kein Anfang / noch ende hat /
oder kein Creatut seyn kan.) Sondern es ist ein Vngeschaffener / vnd
ein Vnmeßlicher.
Also auch / der Vater ist Allmechtig / Der Sohn ist Allmechtig / Der heilige
Geist ist Allmechtig.
Vnd sind doch nicht drey Allmechtige / Sondern es ist ein Allmechtiger.
Also / der Vater ist Gott / der Sohn ist Gott / der heilige Geist ist Gott.
Vnd sind doch nicht drey Götter / Sondern es ist ein Gott.
Also / der Vater ist der HERR / der Sohn ist der HERR / der heilige Geist ist der
HERR.
Vnd sind doch nicht drey HERREN / Sondern es ist ein HERR.
Denn gleich wie wir müssen nach Christlicher Warheit / eine jegliche Person für
sich / GOTT vnd HERRN bekennen.
Also können wir im Christlichen Glauben / nicht drey Götter / oder drey HERREN
nennen.
Der Vater ist von niemand / weder gemacht noch geschaffen / noch geborn.
Der Sohn ist allein vom Vater / nicht gemacht noch geschaffen / Sondern geborn.
Der Heilige Geist ist vom Vater vnd Sohn / nicht gemacht / nicht geschaffen /
nicht geborn / Sondern außgehend.
So ists nun / Ein Vater / nicht drey Väter / Ein Sohn / nicht drey Söhne / Ein
heiliger Geist / nicht drey heilige Geister.
Vnd vnter diesen drey Personen ist keine die erste / keine die letzte / keine die
grösseste / keine die kleineste.
Sondern alle drey Personen sind mit einander gleich Ewig / gleich gros.
Auff daß also / wie gesagt ist / drey Personen in einer Gottheit / Vnd ein Gott
in drey Personen geehret werde.
|| [ID00108]
Wer nun wil selig werden / der muß also von den Drey Personen in Gott halten.
Es ist aber auch noth zur ewigen Seligkeit / Daß man trewlich gleube / Daß JEsus
Christus vnser HERR sey warhafftiger Mensch.
So ist nun diß der rechte Glaube / So wir gleuben vnd bekennen / Daß vnser HERR
Jesus Christus Gottes Sohn / Gott vnd Mensch ist.
GOTT ist er aus des Vaters Natur vor der Welt geborn / Mensch ist er aus der
Mutter Natur in der Welt geborn.
Ein volkomener Gott / Ein volkomener Mensch mit vernünfftiger Seelen vnd
Menschlichem Leibe.
Gleich ist er dem Vater nach der Gottheit / Kleiner ist Er denn der Vater nach
der Menscheit.
Vnd wiewol er Gott vnd Mensch ist / so ist er doch nicht zween / Sondern ein
Christus.
Einer / Nicht daß die Gottheit in die Menscheit verwandelt sey / Sondern daß die
Gottheit / hat die Menscheit an sich genommen.
Ja / einer ist Er / Nicht daß die zwo Naturen vermenget sind / Sondern daß er ein
einige Person ist.
Denn gleich wie Leib vnd Seel ein Mensch ist / So ist GOtt vnd Mensch ein
Christus.
Welcher gelitten hat vmb vnser Seligkeit willen / Zur Hellen gefahren / Am
dritten Tage aufferstanden von den Todten.
Auffgefahren gen Himmel / Sitzet zur Rechten Gottes des Allmechtigen Vaters.
Von dannen ER kommen wird / zu richten die Lebendigen vnd die Todten.
Vnd zu seiner Zukunfft müssen alle Menschen aufferstehen / mit jhren eigen
Leiben.
Vnd müssen Rechenschafft geben / was sie gethan haben.
Vnd welche gutes gethan haben / werden ins ewige Leben gehen / Welche aber böses
gethan / ins ewige Fewr.
Das ist der rechte Christliche Glaube / Wer denselben nicht fest vnd trewlich
gleubt / Der kan nicht selig werden.
|| [ID00109]
Vorrede D. M. L.
MArtinus Luther allen trewen frommen(Lutherus ad
Martinu̅ Gòrlitium. Modò in para̅do
Catechismo pro rudibuspaganis versor. Anno 1529. 15. Ianuar. Idem ad
Nicolaum Hausmannu̅. Non est absolutus Catechismus, sed breui
absoluetur, Anno 1529. 3. Martij. Diese Visita tion ist geschehen / Anno 27.
Wie das zu sehen ist Tomo 3. fol. 425. a. 436. b. 437. b. Item Tomo 4. fol.
341. a. anders Drucks Tomo 3. fo. 408. b. 336 a. 409 a. Item, Tom 4. fol
352. b. a.) Pfarrherrn vnd Predigern / Gnade / Barmhertzigkeit vnd
Friede in Jesu Christo / vnserm HErrn.
Diesen Catechismum oder Christliche Lehre / in solche
kleine / schlechte / einfeltige Form zu stellen / hat mich gezwungen vnd
gedrungen / die klägliche elende Noth / so ich newlich erfahren habe / da ich
auch ein Visitator war / Hilff lieber Gott / wie manchen
Jamer hab ich gesehen / daß der gemeine Man doch so gar nichts weis von der
Christlichen Lere / sonderlich auff den Dörffern / Vnd leider viel Pfarrherr
fast vngeschickt vnd vntüchtig sind zu lehren / Vnd sollen doch alle Christen
heissen / getaufft seyn / vnd der H. Sacrament geniessen / Können weder Vater
vnser / noch den Glauben / oder Zehen Gebot / leben dahin / wie das liebe Viehe
/ vnd vnuernünfftige Sewe / Vnd nun das Euangelium kommen ist / Dennoch fein
gelernet haben / aller Freyheit meisterlich zu mißbrauchen.
O jhr Bischoffe / was wolt jhr doch Christo jmmermehr antworten / daß jhr das
Volck so schendlich habt lassen hingehen / vnd ewer Ampt nicht ein Augenblick je
beweiset? Daß euch alles Vnglücke fliehe / Verbietet einerley Gestalt / vnd
treibt auff ewre Menschen Gesetze / Fraget aber dieweil nichts darnach / Ob sie
das Vater vnser / Glauben / Zehen Gebot / Oder einiges Gottes Wort können / Ach
vnd Weh vber ewern Hals ewiglich.
Darumb bitte ich vmb Gottes willen euch alle meine lieben Herren vnd Brüder / so
Pfarrherr oder Prediger sind / wollet euch ewers Ampts von Hertzen annehmen /
euch erbarmen vber ewer Volck / das euch befohlen ist / vnd vns helffen den Catechismum in die Leute / sonderlich in das junge Volck
bringen / vnd welche es nicht besser vermögen / diese Tafeln vnd Forme für sich
nehmen / vnd dem Volck von Wort zu Wort fürbilden / Nemlich also:
|| [ID00112]
(???)
AVffs Erst / daß der Prediger für allen dingen sich hüte / vnd meide / mancherley
oder anderley Text vnd Form der Zehen Gebot / Vater vnser / Glauben / der
Sacrament / etc. Sondern nehme einerley Form für sich / darauff er bleibe / vnd
dieselbige jm̅er treibe / ein Jar wie das ander / Denn das junge
vnd alber Volck muß man mit einerley gewissen Text vnd Form lehren / sonst
werden sie gar leicht jrre / wenn man heut sonst / vnd vber ein Jahr so lehret /
als wolt mans bessern / vnd wird damit alle Mühe vnd Arbeit verlohren. Das haben
die lieben Väter auch wol gesehen / die das Vater vnser / Glauben / Zehen Gebot
/ alle auff eine weise haben gebrauchet / Darumb sollen wir auch bey dem jungen
vnd einfeltigen Volck solche stück also lehren / daß wir nicht eine Syllaben
verrücken / oder ein Jahr anders denn das ander fürhalten oder fürsprechen.
Darumb erwehle dir welche Form du wilt / vnd bleib dabey ewiglich. Wenn du aber
bey den Gelehrten vnd verstendigen predigest / da magstu deine Kunst beweisen /
vnd diese Stücke so bund kraus machen / vnd so meisterlich drehen / als du
kanst. Aber bey dem jungen Volck bleib auff einer gewissen ewigen Form vnd weise
/ vnd lehre sie für das allererst die Stück / Nemlich / die Zehen Gebot /
Glauben / Vater vnser / etc. nach dem Text hin / von Wort zu Wort / daß sie es
auch so nachsagen können / vnd außwendig lernen.
Welche es aber nicht lernen wöllen / daß man denselbigen sage / (???) Wie sie Christum verleugnen / vnd keine
Christen sind / sollen auch nicht zum Sacrament gelassen werden / kein Kind aus
der Tauffe heben / auch kein stück der Christlichen Freyheit brauchen / Sondern
schlechts dem Bapst vnd seinen Officialen / dazu dem Teuffel selbs heimgeweiset
seyn / Dazu sollen jhnen die Eltern vnd Haußherrn Essen vnd Trincken versagen /
vnd jhnen anzeigen / daß solche rohe Leute der Fürste aus dem Lande jagen wölle
/ etc. Denn wiewol man niemand zwingen kan noch sol zum Glauben / so sol mann
doch den Hauffen dahin halten vnd treiben / daß sie wissen / Was recht vnd
vnrecht ist / bey denen / bey welchen sie wohnen / sich nehren / vnd leben
wöllen / Denn wer in der Stadt wohnen wil / der sol das Stadrecht wissen vnd
halten / des er geniessen wil / Gott gebe er gleube / oder sey im Hertzen für
sich ein Schalck oder Bube.
ZVm Andern / Wenn sie den Text wol können / so lehre sie denn hernach auch den
Verstand / daß sie wissen was es gesagt sey / vnd nim abermahl für dich dieser
Tafeln weise / oder sonst eine kurtze einige weise / welche du wilt / vn̅ bleibe dabey / vnd verrücke sie mit
|| [44]
keiner Syllaben nicht / Gleich wie vom Text jetzt gesagt ist / Vnd nim dir die
weile dazu / Denn es ist nicht Noth / daß du alle Stück auff einmal fürnehmest /
Sondern eines nach dem andern / Wenn sie das Erste Gebot zuuor wol verstehen /
Darnach nim das ander für dich / vnd so fort an / Sonst werden sie vberschüttet
/ Daß sie keines wol behalten.
ZVm Dritten / Wenn du sie nu solchen kurtzen Catechismum
gelehret(Den grossen Catechismu̅
findestu Tomo 4. folio 426.) hast / Alßdenn nim den grossen Catechismum für dich / Vnd gib jhnen auch reichern vnd
weitern Verstand / Daselbst streich ein jeglich Gebot / Bitte / Stück aus / mit
seinen mancherley Wercken / Nutz / Frommen / Fahr / vnd Schaden / Wie du das
alles reichlich findest in so viel Büchern daruon gemacht / Vnd in sonderheit
treibe das Gebot vnd Stücke am meisten / das bey deinem Volck am meisten Noth
leidet / Als das Siebend Gebot von stelen mustu bey Handwercken / Händlern / Ja
auch bey Bawern vnd Gesinde hefftig treiben / Denn bey solchen Leuten / ist
allerley Vntrew vnd Dieberey gros. Item / das Vierde Gebot / mustu bey den
Kindern vnd gemeinem Man wol treiben / Daß sie stille / trew / gehorsam /
friedsam seyn / Vnd jmmer viel Exempel aus der Schrifft / da Gott solche Leute
gestrafft / vnd gesegnet hat / einführen.
In sonderheit treib auch daselbst die Obrigkeit vnd Eltern / daß sie wol regieren
/ vnd Kinder ziehen zur Schule / mit anzeigen / Wie sie solchs zu thun schüldig
sind / Vnd wo sie es nicht thun / Welch ein verfluchte Sünde sie thun / Denn sie
stürtzen vnd verwüsten damit / beyde / GOttes vnd der Welt Reich / als die
ergesten Feinde / beyde / Gottes vnd der Menschen / Vnd streich wol aus / was
für grewlich schaden sie thun / Wo sie nicht helffen Kinder ziehen / zu
Pfarrherr / Prediger / Schreiber / etc. Daß Gott sie schrecklich darumb straffen
werde / Denn es ist hie noth zu predigen / Die Eltern vnd Obrigkeit sündigen
jetzt hierin / daß nicht zu sagen / Der Teuffel hat auch ein grawsames damit im
Sinne.
ZV letzt / Weil nu die Tyranney des Bapsts ab ist / So wöllen sie nicht mehr zum
Sacrament gehen / vnd verachtens. Hie ist aber noth zu treiben / Doch mit diesem
bescheid. Wir sollen niemand zum Glauben / oder zum Sacrament zwingen / Auch
kein Gesetze / noch zeit / noch stedt stimmen / Aber also predigen / Daß sie
sich selbs ohn vnser Gesetz dringen / vnd gleich vns Pfarrherrn zwingen / das
Sacrament zu reichen / Welchs thut man also / Daß man jhnen sagt / Wer das
Sacrament nicht sucht / noch begert / zum we
|| [ID00114]
nigsten ein
mahl oder vier des Jahrs / da ist zu besorgen / daß er das Sacrament verachte /
vnd kein Christ sey / gleich wie der kein Christ ist / der das Euangelion nicht
gleubet / oder höret / Denn Christus sprach nicht / Solchs lasset / oder solchs
verachtet / Sondern / solchs thut / so offt jhrs trincket / etc. Er wil es
warlich gethan / vnd nicht aller ding gelassen / vnd veracht haben / Solches
thut / spricht er.
Wer aber das Sacrament nicht gros achtet / das ist ein Zeichen / daß er kein
Sünde / kein Fleisch / keinen Teuffel / keine Welt / keinen Tod / keine Fahr /
keine Helle hat / Das ist / er gleubet der keines / ob er wol bis vber die Ohren
drin steckt / vnd ist zweyfeltig des Teuffels / Widerumb / so darff er auch
keiner Gnade / Leben / Paradiß / Himmelreich / Christus / Gottes / noch einiges
Gutes / Denn wo er gleubet / daß er so viel böses hette / vnd so viel gutes
bedürffte / so würde er das Sacrament nicht so lassen / darinn solchem Vbel
geholffen / vnd so viel Guts gegeben wird / Man darff jhn auch mit keinem
Gesetze zum Sacrament zwingen / Sondern er würde selbst gelauffen vnd gerennet
kommen / sich selbst zwingen / vnd dich treiben / daß du jhm müstest das
Sacrament geben.
Darumb darffstu hie kein Gesetze stellen / wie der Bapst / streiche nur wol aus
den Nutz vnd schaden / Noth vnd Frommen / Fahr vnd Heyl / in diesem Sacrament /
so werden sie selbs wol kommen / ohn dein zwingen / Kommen sie aber nicht / so
las sie fahren / vnd sage jhn / daß sie des Teuffels sind / die jhre grosse Noth
/ vnd Gottes gnedige Hülffe nicht achten / noch fühlen / Wenn du aber solches
nicht treibest / oder machest ein Gesetz vnd Gifft daraus / so ist es deine
schuld / daß sie das Sacrament verachten / Wie solten sie nicht faul seyn / wenn
du schleffest / vnd schweigest? Darumb siehe darauff / Pfarrherr vnd Prediger /
vnser Ampt ist nu ein ander ding worden / denn es vnter dem Bapst war / es ist
nu ernst vnd heilsam worden / darumb hat es nu viel mehr Mühe vnd Arbeit / Fahr
vnd Anfechtung / dazu wenig Lohn vnd Danck in der Welt / Christus aber wil vnser
Lohn selbest seyn / so wir trewlich arbeiten / Das helffe vns der Vater aller
Gnaden / dem sey Lob vnd Danck in Ewigkeit / durch Christum vnsern HErrn Amen.
|| [45]
Das Erste Gebot.
Du solt nicht ander Götter haben.
Was ist das? Antwort.
Wir sollen Gott vber alle ding fürchten / lieben / vnd vertrawen.
|| [ID00116]
Das Ander Gebot.
Du solt den Nahmen deines Gottes nicht vnnützlich führen.
Was ist das? Antwort.
Wir sollen Gott fürchten vnd lieben / Daß wir bey seinem Nahmen nicht fluchen /
schweren / zeubern / liegen oder triegen / Sondern denselbigen in allen Nöten
anruffen / beten / loben / vnd dancken.
|| [46]
Das Dritte Gebot.
Du solt den Feyertag heiligen.
Was ist das? Antwort.
Wir sollen Gott fürchten vnd lieben / Daß wir die Predigt vnd sein Wort nicht
verachten / Sondern dasselbige heilig halten / gerne hören vnd lernen.
|| [ID00118]
Das Vierde Gebot.
Du solt deinen Vater vnd deine Mutter ehren / Auff daß dirs wolgehe vnd lange
lebest auff Erden.
Was ist das? Antwort.
Wir sollen Gott fürchten vnd lieben / Daß wir vnser Eltern vnd Herrn nicht
verachten noch erzürnen / Sondern sie in ehren halten / jhnen dienen / gehorchen
/ lieb vnd werth haben.
|| [47]
Das Fünffte Gebot.
Du solt nicht Tödten.
Was ist das? Antwort.
Wir sollen Gott fürchten vnd lieben / Daß wir vnserm Nehesten an seinem Leibe
keinen schaden noch leid thun / Sondern jhm helffen vnd fördern in allen Leibes
nöthen.
|| [ID00120]
Das Sechste Gebot.
Du solt nicht Ehebrechen.
Was ist das? Antwort.
Wir sollen Gott fürchten vnd lieben / Daß wir keusch vnd züchtig leben / mit
Worten vnd Wercken / vnd ein jeglicher sein Gemahl lieben vnd ehren.
|| [48]
Das Siebende Gebot.
Du solt nicht stelen.
Was ist das? Antwort.
Wir sollen Gott fürchten vnd lieben / Daß wir vnsers Nehesten Gelt oder Gut nicht
nehmen / noch mit falscher Wahr oder Handel an vns bringen / Sondern jhm sein
Gut vnd Narung helffen bessern vnd behüten.
|| [ID00122]
Das Achte Gebot.
Du solt nicht falsch Zeugnis reden wieder deinen Nehesten.
Was ist das? Antwort.
Wir sollen Gott fürchten vnd lieben / Daß wir vnsern Nehesten nicht felschlich
beliegen / verrahten / affterreden / oder bösen Leumund machen / Sondern sollen
jhn entschüldigen / vnd guts von jhm reden / vnd alles zum besten kehren.
|| [49]
Das Neunde Gebot.
Du solt nicht begehrn deines Nehesten Haus.
Was ist das? Antwort.
Wir sollen Gott fürchten vnd lieben / Daß wir vnserm Nehesten nicht mit liste
nach seinem Erbe oder Hause stehen / vnd mit einem schein des Rechtens an vns
bringen / etc. Sondern jhm dasselbige zu behalten / fürderlich vnd dienstlich
seyn.
|| [ID00124]
Das Zehende Gebot.
Du solt nicht begehren deines Nehesten Weib / Knecht / Magd / Vieh / oder was
sein ist.
Was ist das? Antwort.
Wir sollen Gott fürchten vnd lieben / Daß wir vnserm Nehesten sein Weib / Gesinde
/ oder Vieh nicht abspannen / abdringen oder abwendig machen / Sondern
dieselbigen anhalten / daß sie bleiben / vnd thun was sie schüldig sind.
|| [50]
Er sagt also:
Ich der HERR dein Gott / bin ein eyueriger Gott / Der vber die / so mich hassen /
die Sünde der Väter heimsucht an den Kindern / bis ins dritte vnd vierde Glied /
Aber denen / so mich lieben / vnd meine Gebot halten / thue ich wol in tausend
Glied.
Was ist das? Antwort.
Gott drewet zu straffen alle / Die diese Gebot vbertretten / Darumb sollen wir
vns fürchten für seinem Zorn / vnd nicht wieder solche Gebot thun. Er verheisset
aber Gnade / vnd alles Guts / allen / die solche Gebot halten / Darumb sollen
wir jhn auch lieben / vnd vertrawen / vnd gern thun nach seinen Geboten.
|| [ID00126]
Der Erste Artickel / Von der Schöpffung.
ICH gleube an Gott den Vater Allmechtigen / Schöpffer Himmels vnd der Erden.
|| [51]
Was ist das? Antwort.
Ich gleube / Daß mich Gott geschaffen hat / sampt allen Creaturen / mir Leib vnd
Seele / Augen / Ohren / vnd alle Glieder / Vernunfft / vnd alle Sinne gegeben
hat / vnd noch erhelt / Dazu Kleider vnd Schuch / Essen vnd Trincken / Haus vnd
Hoff / Weib vnd Kind / Acker / Viehe / vnd alle Güter / mit aller Notturfft vnd
Nahrung / des Leibes vnd Lebens / reichlich vnd täglich versorget / wieder alle
Fehrligkeit beschirmet / vnd für allem vbel behütet vnd bewahret / Vnd das alles
aus lauter Väterlicher / Göttlicher Güte vnd Barmhertzigkeit / ohne alle mein
verdienst vnd wirdigkeit / Deß alles ich jhm zu dancken vnd zu loben / vnd dafür
zu dienen / vnd gehorsam zu seyn schüldig bin / Das ist gewißlich wahr.
|| [ID00128]
Der Ander Artickel / Von der Erlösung.
Vnd an JEsum Christum / seinen einigen Sohn / vnsern HERRN / Der empfangen ist
von dem heiligen Geiste / Geborn von der Jungfrawen Maria / Gelitten vnter
Pontio Pilato / gecreutziget / gestorben
|| [52]
vnd begraben
/ Niedergefahren zur Hellen / Am dritten Tage aufferstanden von den Todten /
Auffgefahren gen Himmel / sitzend zur Rechten Hand Gottes / des Allmechtigen
Vaters / Von dannen er kommen wird / zu richten die Lebendigen vnd die Todten.
Was ist das? Antwort.
Ich gleube / Daß JEsus Christus warhafftiger Gott vom Vater in Ewigkeit geborn /
Vnd auch warhafftiger Mensch von der Jungfrawen Maria geborn / sey mein HErr /
Der mich verlornen vnd verdampten Menschen erlöset hat / erworben / gewonen /
vnd von allen Sünden / vom Todt / vnd von der Gewalt des Teuffels / Nicht mit
Gold oder Silber / Sondern mit seinem heiligen thewren Blut / vnd mit seinem
vnschüldigen Leiden vnd Sterben / Auff daß ich sein eigen sey / Vnd in seinem
Reich vnter jhm lebe / vnd jhm diene in ewiger Gerechtigkeit / Vnschuld / vnd
Seligkeit / gleich wie er ist aufferstanden vom Tode / lebet vnd regieret in
ewigkeit / Das ist gewißlich wahr.
|| [ID00130]
Der Dritte Artickel / Von der Heiligung.
Ich gleube an den Heiligen Geist / Eine heilige Christliche Kirche / die Gemeine
der Heiligen / Vergebung der Sünden / Aufferstehung des Fleisches / vnd ein
ewiges Leben / Amen.
|| [53]
Was ist das? Antwort.
Ich gleube / Daß ich nicht aus eigener Vernunfft noch Krafft / an Jesum Christum
meinen HERRN gleuben / oder zu jhm kommen kan / Sondern der heilige Geist hat
mich durchs Euangelium beruffen / mit seinen Gaben erleuchtet / Im rechten
Glauben geheiliget vnd erhalten / Gleich wie er die gantze Christenheit auff
Erden berüfft / samlet / erleuchtet / heiliget / vnd bey JEsu Christo erhelt /
im rechten einigen Glauben / In welcher Christenheit / er mir vnd allen
Gleubigen täglich alle Sünde reichlich vergibt. Vnd am Jüngsten Tage mich vnd
alle Todten aufferwecken wird / Vnd mir sampt allen Gleubigen in Christo ein
Ewiges Leben geben wird / Das ist gewißlich wahr.
|| [ID00132]
Diese Figur stehet / Matth. am Sechsten vnd Luc. am Eilfften Capittel.
Vater vnser / Der du bist im Himmel.
Was ist das? Antwort.
Gott wil damit vns locken / daß wir gleuben sollen / er sey vnser rechter Vater /
vnd wir seine rechte Kinder / auff daß wir getrost / vnd mit aller zuuersicht
jhn bitten sollen / wie die lieben Kinder jhren lieben Vater.
|| [54]
Die Erste Bitte.
Geheiliget werde dein Name.
Was ist das? Antwort.
Gottes Name ist zwar an jhm selbs heilig / Aber wir bitten in disem gebet / daß
er bey vns auch heilig werde.
Wie geschicht das? Antwort.
Wo das Wort Gottes lauter vnd rein gelehret wird / vnd wir auch heilig / als die
Kinder Gottes darnach leben / Deß hilff vns lieber Vater im Himmel. Wer aber
anders lehret vnd lebet / denn das Wort Gottes lehret / der entheiliget vnter
vns den Namen Gottes / Da behüt vns für lieber Himlischer Vater.
|| [ID00134]
Die Ander Bitte.
Dein Reich komme.
Was ist das? Antwort.
Gottes Reich kömpt wol ohn vnser Gebet / von jhm selbs / Aber wir bitten in
diesem Gebet / daß es auch zu vns komme.
Wie geschicht das? Antwort.
Wenn der Himlische Vater vns seinen heiligen Geist gibt / daß wir seinem heiligen
Wort / durch seine Gnade gleuben / vnd Göttlich leben / hie zeitlich / vnd dort
Ewiglich.
|| [55]
Die Dritte Bitte.
Dein Wille geschehe / wie im Himmel / also auch auff Erden.
Was ist das? Antwort.
Gottes guter gnediger Wille geschicht wol ohn vnser Gebet: Aber wir bitten in
diesem Gebet / daß er auch bey vns geschehe.
|| [ID00136]
Antwort.
Wenn Gott allen bösen Rath vnd willen bricht / vnd hindert / So vns den Nahmen
Gottes nicht heiligen / vnd sein Reich nicht kommen lassen wöllen / als da ist
des Teuffels / der Welt / vnd vnsers Fleisches wille / Sondern / stercket vnd
behelt vns feste in seinem Wort vnd Glauben / bis an vnser Ende. Das ist sein
gnediger guter Wille.
|| [56]
Die Vierde Bitte.
Vnsertäglich Brod gib vns heute.
Was ist das? Antwort.
Gott gibt täglich Brod / auch wol ohn vnser Bitte / allen bösen Menschen / Aber
wir bitten in diesem Gebet / daß er vns erkennen lasse / vnd mit dancksagung
empfahen vnser täglich Brod.
|| [ID00138]
Antwort.
Alles was zur Leibs nahrung vnd Notturfft gehöret / als Essen / Trincken /
Kleider / Schuch / Haus / Hoff / Acker / Viehe / Gelt / Gut / from Gemahel /
fromme Kinder / from Gesinde / fromme vnd trewe Oberherrn / gut Regiment / gut
Wetter / Friede / Gesundheit / Zucht / Ehre / gute Freunde / getrewe Nachbarn /
vnd deßgleichen.
|| [57]
Die Fünffte Bitte.
Vnd verlasse vns vnser schülde / als wir verlassen vnsern Schüldigern.
Was ist das? Antwort.
Wir bitten in diesem Gebet / Daß der Vater im Himmel nicht ansehen wolt vnser
Sünde / vnd vmb
|| [ID00140]
derselbigen willen solche Bitte nicht
versagen / Denn wir sind der keins werth / das wir bitten / habens auch nicht
verdienet / Sondern er wolts vns alles aus Gnaden geben / Denn wir täglich viel
sündigen / vnd wol eitel straffe verdienen / So wöllen wir zwarten widerumb auch
hertzlich vergeben / vnd gerne wolthun denen / die sich an vns versündigen.
|| [58]
Die Sechste Bitte.
Vnd führe vns nicht in versuchung.
Was ist das? Antwort.
Gott versucht zwar niemand. Aber wir bitten in diesem Gebet / Daß vns Gott wolt
behüten vnd erhalten / Auff daß vns der Teuffel / die Welt / vnd vnser Fleisch /
nicht betriege vnd verführe / in mißglauben / verzweiffeln / vnd ander grosse
schande vnd laster. Vnd ob wir damit angefochten würden / daß wir doch endlich
gewinnen / vnd den Sieg behalten.
|| [ID00142]
Die Siebende Bitte.
Sondern erlöse vns von dem Vbel.
Was ist das? Antwort.
Wir bitten in diesem Gebet / als in der Summa / Daß vns der Vater im Himel / von
allerley vbel / Leibs vnd Seele / Guts vnd Ehre erlöse / Vnd zu letzt / wenn
vnser Stündlein kömpt / ein seliges Ende beschere / vnd mit Gnaden von diesem
Jamerthal zu sich nehme / in den Himmel.
|| [59]
Antwort.
Daß ich sol gewis seyn / solche Bitte sind dem Vater im Himmel angenehm / vnd
erhört / Denn er selbs hat vns geboten also zu beten / Vnd verheissen / daß er
vns wil erhören / Amen / Amen / das heist / Ja / Ja / Es sol also geschehen.
|| [ID00144]
Das Sacrament der Heiligen Tauffe / Wie dasselbige ein Haußvater seinem
Gesinde sol einfeltiglich fürhalten.
Zum Ersten.
Was ist die Tauffe? Antwort.
Die Tauffe ist nicht alleine schlecht Wasser / sondern sie ist das Wasser in
Gottes Gebot gefasset / vnd mit Gottes Wort verbunden.
|| [60]
Antwort.
Da vnser HErr Christus spricht / Matthei am letzten / Gehet hin in alle Welt /
Lehret alle Heiden / vnd teuffet sie / im Nahmen des Vaters / vnd des Sohns /
vnd des heiligen Geistes.
Antwort.
Sie wircket Vergebung der Sünden / erlöset von Tod vnd Teuffel / vnd gibt die
ewige Seligkeit / allen die es gleuben / wie die Wort vnd Verheissung Gottes
lauten.
Antwort.
Da vnser HErr Christus spricht / Marei am letzten / Wer da gleubet / vnd getaufft
wird / der wird selig / wer aber nicht gleubet / der wird verdampt.
Antwort.
Wasser thuts freylich nicht / Sondern das Wort Gottes / so mit vnd bey dem Wasser
ist / vnd der Glaube / so solchem Wort Gottes im Wasser trawet / Denn ohn Gottes
Wort ist das Wasser schlecht Wasser / vnd keine Tauffe / Aber mit dem Wort
Gottes ists eine Tauffe / das ist / ein Gnadenreich wasser des Lebens / vnd ein
Bad der Newengeburt im heiligen Geist / wie S. Paulus sagt zu Tito am dritten
Capittel.
Durch das Bad der Wiedergeburt vnd ernewerung des Heiligen Geistes / welchen er
außgossen hat vber
|| [ID00146]
vns reichlich / durch Jesum Christum
vnsern Heyland / auff daß wir durch desselben Gnade gerecht vnd Erben seyen des
ewigen Lebens / nach der Hoffnung / Das ist je gewißlich wahr.
Antwort.
Es bedeut / daß der alte Adam in vns durch tägliche Rew vnd Busse sol erseufft
werden / vnd sterben mit allen Sünden / vnd bösen Lüsten / vnd wiederumb täglich
heraus kommen / vnd aufferstehen ein newer Mensch / der in Gerechtigkeit vnd
Reinigkeit für Gott ewiglich lebe.
Antwort.
S. Paulus zun Römern am 6. spricht / Wir sind sampt Christo durch die Tauffe
begraben im Tode / Daß / gleich wie Christus ist von den Todten aufferwecket /
durch die Herrligkeit des Vaters / also sollen wir auch in eim newen Leben
wandeln.
|| [61]
Wie man die Einfeltigen sol lehren Beichten.
Was ist die Beicht? Antwort.
Die Beicht begreifft zwey Stück in sich / Eins / daß man die Sünde bekenne / Das
Ander / daß man die Absolution oder Vergebung vom Beichtiger empfahe / als von
Gott selbs / vnd ja nicht daran zweiffele / Sondern feste gleube / die Sünde
seyen dadurch vergeben für Gott im Himmel.
Welche Sünde sol man denn beichten?
Für Gott sol man aller Sünden sich schüldig geben / Auch die
|| [ID00148]
wir nicht erkennen / wie wir im Vater vnser thun. Aber für dem Beichtiger sollen
wir alleine die Sünde bekennen / die wir wissen vnd fühlen im Hertzen.
Welche sind die?
Da siehe deinen Stand an / nach den Zehen Geboten / ob du Vater / Mutter / Sohn /
Tochter / Herr / Fraw / Knecht / seyest / Ob du vngehorsam / vntrew / vnfleissig
gewest seyest / Ob du jemand leid gethan hast / mit Worten oder Wercken / Ob du
gestolen / verseumet / verwarlost / schaden gethan hast.
So soltu zum Beichtiger sprechen:
Wirdiger lieber Herr / ich bitte euch / wöllet meine Beichte hören / vnd mir die
Vergebung sprechen vmb Gottes willen.
Sage an.
ICH armer Sünder / bekenne mich für Gott aller Sünden schüldig / In sonderheit
bekenne ich für euch / Daß ich ein Knecht / Magd / etc. bin. Aber ich diene
leider vntrewlich meinem Herrn / Denn da vnd da habe ich nicht gethan / was sie
mich hiessen / hab sie erzürnet / vnd zu fluchen bewegt / habe verseumet / vnd
Schaden lassen geschehen / Bin auch in Worten vnd Wercken schampar gewesen /
habe mit meines gleichen gezürnet / wieder meine Frawen gemurret vnd gefluchet /
etc. Das alles ist mir leid / vnd bitte vmb Gnade / ich wil mich bessern.
Ein Herr oder Fraw sage also:
In sonderheit bekenne ich für euch / daß ich mein Kind vnd Gesinde / Weib / nicht
trewlich gezogen hab zu Gottes Ehren / Ich hab geflucht / böse Exempel mit
vnzüchtigen Worten vnd Wercken gegeben / meinem Nachbar schaden gethan / vbel
nachgeredt / zu thewer verkaufft / falsche vnd nicht gantze Wahr gegeben / vnd
was er mehr wieder die Gebot Gottes / vnd seinen Stand gethan / etc.
Wenn aber jemand sich nicht befindet beschweret / mit solcher oder grössern
Sünden / der sol nicht sorgen / oder weiter Sünde
|| [62]
suchen / noch erdichten / vnd damit eine Marter aus der Beicht machen / Sondern
erzehle eine oder zwo / die du weissest / Also / In sonderheit bekenne ich / daß
ich einmal geflucht / Item / einmal vnhüpsch mit Worten gewest / einmal diß N.
verseumet habe / etc. Also lasse es gnug seyn. Weistu aber gar keine (welchs
doch nicht wol solt müglich seyn) so sage auch keine in sonderheit / Sondern nim
die Vergebung auff die gemeine Beichte / so du für GOTT thust / gegen dem
Beichtiger.
Darauff spreche er:
Wie du gleubest / so geschehe dir. Vnd ich aus dem Befehl vnsers HERRN Jesu
Christi / vergebe dir deine Sünde / im Nahmen des Vaters / vnd des Sohns / vnd
des heiligen Geistes / Amen.
Gehe hin im Friede.
Welche aber grosse Beschwerung des Gewissens haben / oder betrübet vnd
angefochten sind / Die wird ein Beichtvater wol wissen mit mehr Sprüchen zu
trösten / vnd zum Glauben reitzen.
Das sol allein ein gemeine weise der Beicht seyn / für die Einfeltigen.
|| [ID00150]
Antwort.
Es ist der wahre Leib vnd Blut vnsers HERRN JEsu Christi / vnter dem Brod vnd
Wein / vns Chri
|| [63]
sten zu Essen vnd zu Trincken /
von Christo selbs eingesetzt.
Antwort.
So schreiben die heiligen Euangelisten / Mattheus / Marcus / Lucas / vnd Sanct
Paulus:
VNser HERR JEsus Christus / in der Nacht / da er verrahten ward / nam er das Brod
/ dancket vnd brachs / vnd gabs seinen Jüngern / vnd sprach: Nehmet hin / Esset
/ Das ist mein Leib / der für euch gegeben wird / Solchs thut zu meinem
Gedechtnis.
DEsselbigen gleichen nam er auch den Kelch / nach dem Abendmal / Dancket / vnd
gab jhn den / vnd sprach: Nehmet hin / vnd trincket alle daraus / Dieser Kelch
ist das Newe Testament / in meinem Blut / das für euch vergossen wird / zur
Vergebung der Sünden / Solchs thut / so offt jhrs trincket / zu meinem
Gedechtnis.
Antwort.
Das zeigen vns diese Wort (Für euch gegeben vnd vergossen / zur Vergebung der
Sünden /) Nemlich / Daß vns im Sacrament / Vergebung der Sünden / Leben / vnd
Seligkeit / durch solche Wort gegeben wird / Denn wo Vergebung der Sünden ist /
da ist auch Leben vnd Seligkeit.
Antwort.
Essen vnd Trincken thuts freylich nicht / Sondern
|| [ID00152]
die Wort /
so da stehen / Für euch gegeben vnd vergossen zur Vergebung der Sünden. Welche
Wort sind neben dem leiblichen Essen vnd Trincken / als das Heuptstücke im
Sacrament: Vnd wer denselbigen Worten gleubet / der hat / was sie sagen / vnd
wie sie lauten / Nemlich / Vergebung der Sünden.
Antwort.
Fasten vnd leiblich sich bereiten / ist wol eine feine eusserliche Zucht / aber
der ist recht wirdig vnd wolgeschickt / wer den Glauben hat an diese Wort / Für
euch gegeben vnd vergossen zur Vergebung der Sünden.
Wer aber diesen Worten nicht gleubet / oder zweiffelt / Der ist vnwirdig / vnd
vngeschickt. Denn das Wort (Für euch) foddert eytel gleubige Hertzen.
|| [64]
Des Morgens / so du aus dem Bette fehrest / soltu dich segenen mit dem
heiligen Creutze / vnd sagen:
Darauff kniend oder stehend / den Glauben vnd Vater vnser / Wiltu / so magstu
diß Gebetlein darzu sprechen.
ICH dancke dir mein Himlischer Vater / durch JEsum Christum deinen lieben Sohn
vnsern HERRN / daß du mich diese Nacht für allem schaden vnd fahr behütet hast /
Vnd bitte dich / du wollest mich diesen Tag auch behüten / für Sünden vnd allem
Vbel / daß dir alle mein thun vnd Leben gefalle / Denn ich befehle mich / mein
Leib vnd Seele / vnd alles in deine Hende / Dein heiliger Engel sey mit mir /
daß der böse Feind keine Macht an mir finde / Amen.
Vnd alßdenn mit frewden an dein Werck gegangen / vnd etwa ein Lied gesungen /
Als die Zehen Gebot / oder was dein Andacht gibt.
Der Abend Segen. Des Abends / wenn du zu Bette gehest / soltu dich segenen mit
dem heiligen Creutz / vnd sagen:
Darauff kniend oder stehend / den Glauben vnd Vater vnser / Wiltu / so magstu
diß Gebetlein darzu sprechen.
|| [ID00154]
ICH dancke dir mein Himlischer Vater / durch Jesum Christum deinen lieben Sohn /
daß du mich diesen Tag gnediglich behütet hast / Vnd bitte dich / du wöllest mir
vergeben alle meine Sünde / wo ich vnrecht gethan habe / vnd mich diese Nacht
gnediglich behüten / Denn ich befehle mich mein Leib vnd Seele / vnd alles in
deine Hende / Dein heiliger Engel sey mit mir / daß der böse Feind keine Macht
an mir finde / Amen.
Vnd alßdenn flugs vnd frölich geschlaffen.
Die Kinder vnd Gesinde / sollen mit gefalten Henden / vnd züchtig für den
Tisch tretten / vnd sprechen:
ALler Augen warten auff dich HERR / vnd du gibst jhn jhre Speise zu seiner zeit /
Du thust deine Hand auff / vnd settigest alles was lebet (Wolgefallen heisset / daß alle Thier so viel zu essen
kriegen / daß sie frölich vnd guter dinge darüber sind. Denn sorgen vnd
geitz / hindern solch wolgefallen.) mit wolgefallen.
Darnach das Vater vnser / vnd diß nachfolgende Gebet.
HERR Gott Himlischer Vater / Segene vns vnd diese deine Gaben / die wir von
deiner milden Güte zu vns nehmen / durch JEsum Christum / vnsern HERRN / Amen.
|| [65]
Also auch nach dem Essen / sollen sie gleicher weise thun / züchtig vnd mit
gefalten Henden sprechen:
DAncket dem HERRN / denn er ist freundlich / Vnd seine Güte weret Ewiglich / Der
allem Fleisch Speise gibet / der dem Viehe sein Futter gibet / den jungen Raben
/ die jhn anruffen / Er hat nicht Lust an der stercke des Rosses / noch gefallen
an jemandes Beinen / Der HERR hat gefallen an denen / die jhnen fürchten / vnd
die auff seine Güte warten.
Darnach das Vater vnser / vnd diß folgende Gebet.
WIR dancken dir HERR GOTT Vater / durch JEsum Christum vnsern HERREN / für alle
deine Wolthat / Der du lebest vnd regierest in Ewigkeit / Amen.
|| [ID00156]
Die Haustafeletlicher Sprüche / für allerley heilige Orden vnd Stende /
Dadurch dieselbigen / als durch eigen Lection jhres Ampts vnd Dienstes zu
vermahnen.
Den Bischoffen / Pfarrherrn / vnd Predigern.
Ein Bischoff sol vnstrefflich seyn / eines Weibes Man / nüchtern / sittig /
messig / gastfrey / lehrhafftig / Nicht ein Weinseuffer / nicht pochen / nicht
vnehrliche Hantierung treiben / Sondern gelinde / nicht haderhafftig / nicht
geitzig / der seinem eigen Hause wol fürstehe / Der gehorsame Kinder habe / mit
aller Erbarkeit / Nicht ein Newling / der ob dem Wort halte / das gewiß ist /
vnd lehren kan / Auff daß er mechtig sey zu ermahnen / durch die heilsame Lehre
/ vnd (1. Timoth. 3. Tit. 1.) zu straffen die
Wiedersprecher / 1. Timoth. 3. Tit. 1.
Von Weltlicher Obrigkeit.
Jederman sey vnterthan der Obrigkeit / Denn die Obrigkeit / so allenthalben ist /
ist von Gott geordnet / Wer aber der Obrigkeit wiederstrebet / der wiederstrebet
GOttes Ordnung / Wer aber wiederstrebet / wird sein Vrtheil empfahen / Denn sie
tregt das Schwert nicht vmbsonst / Sie ist Gottes Dienerin / eine Racherin zur
straffe (Roman. 13.) vber die / so böses thun /
Rom. 13.
Den Ehemennern.
Ihr Menner wohnet bey ewern Weibern mit Vernunfft / vnd gebet dem Weibischen /
als dem schwechsten Werckzeuge / seine Ehre / (1. Petr.
3. Coloss. 2.) als Miterben der Gnade / des Lebens / Auff daß ewer
Gebet nicht verhindert werde / 1. Petr. 3. Vnd seyd nicht bitter gegen sie /
Coloss. 2.
Den Eheweibern.
Die Weiber seyn vnterthan jhren Mennern / als dem Herrn / Wie Sara Abraham
gehorsam war / vnd hies jhn Herr / Wel
|| [66]
cher
Töchter jhr worden seyd / so jhr wolthut / vnd nicht so schüchter seyd / 1.
Petr. 3.
Den Eltern.
Ihr Väter reitzet ewre Kinder nicht zu Zorn / Daß sie nicht schew werden /
Sondern ziehet sie auff in der Zucht vnd Vermahnung in dem HERRN / Ephes. 6.
Den Kindern.
Ihr Kinder seyd gehorsam ewren Eltern in dem HERRN / Denn das ist billich / Ehre
Vater vnd Mutter / Das ist das erste Gebot / das Verheissung hat / Nemlich / Daß
dirs wolgehe / vnd lange lebest auff Erden / Ephes. 6.
Den Knechten / Megden / Taglöhnern / vnd Arbeitern / etc.
Ihr Knechte seyd gehorsam ewren leiblichen Herrn / mit Furcht vnd zittern / in
Einfeltigkeit ewres Hertzens / als CHristo selbs / Nicht mit dienst allein für
Augen / als Menschen zu gefallen / Sondern als die Knechte CHristi / Daß jhr
solchen Willen GOttes thut von Hertzen / mit gutem willen. Lasst euch düncken /
daß jhr dem HERRN / vnd nicht den Menschen dienet / vnd wisset / was ein
jeglicher Guts thut / das wird er empfahen / er sey Knecht oder Frey.
Den Haußherrn vnd Haußfrawen.
Ihr Herrn thut auch dasselbige gegen jhnen / vnd lasset ewer drewen / vnd wisset
/ daß jhr auch einen HERRN im Himmel habt / vnd ist bey jhm kein ansehen der
Person.
Der gemeinen Jugend.
Ihr Jungen seyd den Alten vnterthan / vnd beweiset darinn die Demuth / Denn Gott
wiederstehet den Hoffertigen / Aber den
|| [ID00158]
Demütigen gibt er
Gnade. So demütiget euch nu vnter die gewaltige Hand Gottes / Daß er euch erhöhe
zu seiner zeit / 1. Petr. 6.
Den Widwen.
Welche eine rechte Widwe / vnd einsam ist / die stellet jhre Hoffnung auff GOtt /
vnd bleibet am Gebet Tag vnd Nacht. Welche aber in Wollüsten lebet / die ist
lebendig todt / 1. Timoth. 5.
Der Gemeine.
Liebe deinen Nehesten / wie dich selbst / In dem Wort sind alle Gebot verfasset /
Roman. 13. Vnd haltet an mit Beten für alle Menschen / 1. Timoth. 2.
Vorrede D. M. L.
SO manches Land / so manche Sitte / saget das gemeine Sprichwort / Demnach weil
die Hochzeit vnd Ehestand ein Weltlich Geschefft ist / gebürt vns Geistlichen
oder Kirchendienern nichts darinn zu ordnen oder regieren / sondern lassen einer
jeglichen Stadt vnd Lande hierinn jhren Brauch vnd Gewonheit / wie sie gehen.
Etliche führen die Braut zweymal zur Kirchen / beyde des Abends vnd des Morgens
/ Etliche nur einmal / Etliche verkündigens vnd bieten sie auff / auff der
Cantzel / zwo oder drey Wochen zuuor.
|| [ID00160]
Solches alles vnd
dergleichen / las ich Herrn vnd Rath schaffen vnd machen / wie sie wöllen / es
gehet mich nichts an.
Aber so man von vns begehret / für der Kirchen / oder in der Kirchen / sie zu
segenen / vber sie zu beten / oder auch zu trawen / sind wir schüldig dasselbige
zu thun. Darumb hab ich wöllen diese Wort vnd Weise stellen / den jenigen / so
es nicht besser wissen / ob etliche gelüstet / eintrechtiger Weise mit vns
hierin zu brauchen / Die andern / so es besser können / das ist / die aller ding
nichts können / vnd aber sich düncken lassen / daß sie es alles können / dürffen
dieses meines dienstes nicht / ohn daß sie es alles vberklügeln / vnd
vbermeistern mügen / vnd sollen sich ja fleissig hüten / daß sie mit niemand
etwas gleiches halten / man möchte sonst dencken / sie müsten von andern etwas
lernen / das were grosse schande.
Weil man dann bißhero mit den Mönchen vnd Nonnen / so trefflich gros Geprenge
getrieben hat / in jhrem einsegenen / so doch jhr Stand vnd Wesen ein vngöttlich
/ vnd lauter Menschen Gedicht ist / das keinen Grund in der Schrifft hat / wie
viel mehr sollen wir diesen Göttlichen Stand ehren / vnd mit viel herrlicher
weise segenen / beten vnd zieren: Den̅ ob es wol ein Weltlicher
Stand ist / so hat er dennoch GOttes Wort für sich / vnd ist nicht von Menschen
ertichtet oder gestifftet / wie der Mönche vnd Nonnen Stand / Darumb er auch
Hundert mahl billicher solt Geistlich geachtet werden / denn der Klösterliche
Stand / welcher billich der aller Weltlichste vnd Fleischlichste solte geachtet
werden / weil er aus Fleisch vnd Blut / vnd aller dinge aus Weltlicher Witze vnd
Vernunfft erfunden / vnd gestifftet ist.
Auch darumb / daß diesen Stand das junge Volck lerne mit ernst ansehen / vnd in
Ehren halten / als ein Göttlich Werck vnd Gebot / vnd nicht so schimpflich dabey
seine Narrheit treibe / mit lachen / spotten / vnd dergleichen Leichtfertigkeit
/ so man bißher gewonet hat / gerade als were es ein schertz oder Kinderspiel /
Ehelich zu werden / oder Hochzeit machen. Die es znm ersten gestifftet haben /
daß man Braut vnd Breutgam zur Kirchen führen soll / habens warlich für keinen
schertz / sondern für einen grossen ernst angesehen / denn es kein zweiffel ist
/ sie haben damit den Segen GOttes / vnd gemein Gebet holen wöllen / vnd nicht
ein Lecherey / oder Heydnisch Affenspiel treiben.
So beweiset es auch das Werck an jhm selbs wol / Denn wer von dem Pfarrherr oder
Bischoff Gebet vnd Segen begehrt / der zeiget damit wol an / (Ob ers gleich mit
dem Munde nicht redet)
|| [68]
in was fahr vnd noth er sich
begibt / vnd wie hoch er des Göttlichen Segens / vnd gemeinen Gebets bedarff zu
dem Stande / den er anfehet / Wie sichs denn auch wol teglich findet / was
Vnglücks der Teuffel anrichtet in dem Ehestande / mit Ehebruch / Vntrew /
Vneinigkeit / vnd allerley Jamer.
So wollen wir auff diese weise an den Breutgam vnd Braut / (wo sie es begern vnd
fordern) handeln.
Zum Ersten auff der Cantzel auffbieten / mit solchen Worten:
Hans N. vnd Greta N. wöllen nach Göttlicher ordnung zum heiligen Stande der Ehe
greiffen / Begeren des ein gemein Christlich Gebet für sie / Daß sie es in
Gottes Namen anfahen / vnd wol gerate.
Vnd hette jemands was darein zu sprechen / der thue es bey zeit / oder schweige
hernach / Gott gebe jhn seinen Segen / Amen.
Für der Kirchen trawen / mit solchen Worten:
Hans wiltu Greten zum Ehelichen Gemahel haben?
Dicat Ja.
Greta wiltu Hansen zum Ehelichen Gemahel haben?
Dicat Ja.
Hie lasse er sie die Trawringe einander geben / Vnnd füge jhre beyde rechte Hand
zusamen / vnd spreche:
Was Gott zusamen füget / sol kein Menschscheiden. Darnach spreche er für aller
Gemein.
Weil denn Hans N. vnd Greta N. einander zu der Ehe begeren / Vnd solches hie
öffentlich für Gott vnd der Welt bekennen / Darauff sie die Hende vnd Trawringe
einander gegeben haben / So spreche ich sie Ehelich zusammen / im Nahmen des
Vaters / vnnd des Sohns / vnd des heiligen Geistes / Amen.
|| [ID00162]
Für dem Altar vber den Breutigam vnd Braut / lese er Gottes Wort / Genesis am
2. Capittel.
VNd Gott der HERR sprach / Es ist nicht gut / daß der Mensch allein sey / Ich wil
jhm ein Gehülffen machen / die sich zu jhm halte. Da lies Gott der HErr einen
tieffen schlaff fallen auff den Menschen / vnd er entschlieff / vnd nam seiner
Rieben eine / vnd schlos die stete zu mit Fleisch / vnd Gott der HERR bawet ein
Weib aus der Riebe / die er von dem Menschen nam / vnd brachte sie zu jm / da
sprach der Mensch / Das ist doch Bein von meinen Beinen / vnnd Fleisch von
meinem Fleisch / man wird sie Mennin heissen / darumb / daß sie vom Man genommen
ist.
Darumb wird ein Man seinen Vater vnd Mutter verlassen / vnd an seinem Weibe
hangen / Vnd sie werden seyn ein Fleisch.
Darnach wende er sich zu jhnen beyden / vnd rede sie an also:
Weil jhr euch beyde in den Ehestand begeben habt / in Gottes Nahmen / So höret
auffs erste das Gebot Gottes / vber diesen Stand.
So spricht S. Paulus:
IHR Menner liebet ewre Weiber / gleich wie Christus geliebet hat die Gemeine /
vnd hat sich selbst für sie gegeben / Auff daß Er sie heiliget / Vnd hat sie
gereiniget durch das Wasserbad im Wort / Auff daß er sie jhm selbst zurichtet /
eine Gemeine / die herrlich sey / die nicht habe einen flecken oder runtzeln /
oder des etwas / Sondern daß sie heilig sey vnd vnstrefflich.
Also sollen auch die Menner jhre Weiber lieben /
|| [69]
als
jhre eigene Leibe / wer sein Weib liebet / der liebet sich selbst / Denn niemand
hat jemals sein eigen Fleisch gehasset / Sondern er nehret es / vnnd pfleget
sein / Gleich wie auch der HERR die Gemeine.
DIe Weiber seyen vnterthan jhren Mennern / als dem HERRN / Denn der Mann ist des
Weibes Heupt / Gleich wie auch Christus das Heupt ist der Gemeine / vnnd er ist
seines Leibes Heiland / aber wie nu die Gemeine Christo ist vnterthan / Also
auch die Weiber jhren Mennern in allen dingen.
So sprach Gott zum Weibe:
ICH wil dir viel Schmertzen schaffen / wenn du schwanger wirst / du solt mit
schmertzen Kinder geberen / Vnd dein wille sol deinem Manne vnterworffen seyn /
vnd er sol dein Herr seyn.
Vnd zum Manne sprach er:
DIeweil du hast gehorchet der stimme deines Weibes / vnnd gessen von dem Baum /
dauon ich dir gebot / vnd sprach / Du solt nicht dauon essen / Verflucht sey der
Acker vmb deinet willen. Mit kummer soltu dich darauff neren dein lebenlang:
Dorn vnd Disteln sol er dir tragen / vnd solt das Kraut auff dem Felde essen. Im
schweiß deines Angesichts soltu dein Brod essen / Bis daß du wieder zu Erden
werdest / dauon du genomen bist / denn du bist Erde / vnnd solt zur Erden
werden.
|| [ID00164]
Zum Dritten / So ist das ewer Trost / daß jhr wisset vnd gleubet / Wie ewer
Stand für Gott angenehm vnd gesegnet ist / Denn also stehet geschrieben:
WOtt schuff den Menschen jhm selbs zum Bilde / Ja zum Bilde Gottes schuff Er jhn
/ Er schuff sie ein Menlin vnd Frewlin / Vnnd Gott segnet sie / vnd sprach zu
jhnen: Seyd fruchtbar vnd mehret euch / vnd füllet die Erden / vnd machet sie
euch vnterthan / Vnd herrschet vber Fisch im Meer / vnd vber Vogel vnter dem
Himel / vnd vber alles Thier / das auff Erden kreucht. Vnd Gott sahe alles / was
er gemacht hatte / vnd siehe da / Es war alles sehr gut.
Darumb spricht auch Salomon: Wer ein Ehefraw findet / der findet was guts / vnd
schepffet Segen vom HERRN.
Hie recke er die Hende vber sie / vnd bete also:
HERR Gott / der du Man vnd Weib geschaffen / vnnd zum Ehestand verordnet hast /
dazu mit Früchten des Leibes gesegnet / vnd das Sacrament deines lieben Sohns
Jesu Christi / vnd der Kirchen seiner Braut darin bezeichnet / Wir bitten deine
grundlose güte / du wöllest solch dein Geschöpffe / Ordnung vnd Segen nicht
lassen verrücken noch verderben / sondern gnediglich in vns bewahren / durch
Jesum Christum vnsern HERRN / AMEN.
|| [70]
Martinus Luther allen Christlichen Lesern / Gnad vnd Fried in Christo vnserm
HErrn.
WEil ich täglich sehe vnd höre / wie gar mit vnfleis / vnd wenigem ernst / wil
nit sagen / mit leichtfertigkeit / man das hohe / heilige / tröstliche Sacrament
der Tauffe handelt vber den Kindern / welchs Vrsach ich achte der auch eine sey
/ daß die / so dabey stehen / nichts dauon verstehen / was da geredt vnd
gehandelt wird /
|| [ID00166]
Düncket michs nicht alleine nütz / sondern
auch not seyn / daß mans in Teutscher Sprache thue. Vnd habe darumb solchs (wie
bisher zu Latein geschehen) verdeutschet / anzufahen auff Teutsch zu teuffen /
Damit die Paten / vnd beystehende desto mehr zum Glauben vnnd ernstlicher
andacht gereitzet werden / Vnd die Priester / so da teuffen / desto mehr fleis
vmb der Zuhörer willen / haben müssen.
Ich bitte aber / auß Christlicher trew / alle die jenigen / so da teuffen /
Kinder heben vnd dabey stehen / wolten zu Hertzen nemen / das treffliche Werck /
vnd den grossen ernst / der hierinnen ist. Denn du hie hörest / in den worten
dieser Gebet / wie kleglich vnd ernstlich die Christliche Kirche das Kindlein
her tregt / vnd mit so bestendigen vngezweiffelten Worten für Gott bekennet / Es
sey vom Teuffel besessen / vnd ein Kind der Sünden vnd vngnaden / vnd so
fleissig bittet / vmb hülff vnd gnad durch die Tauffe / daß es ein Kind Gottes
werden möge.
Darumb woltestu bedencken / wie gar es nicht ein schertz ist / wieder den Teuffel
handeln / vnd denselben nicht alleine vom Kindlein jagen / sondern auch dem
Kindlein ein solchen mechtigen Feind sein lebenlang auff den Hals laden / Daß es
wol noth ist / Dem armen Kindlein aus gantzem Hertzen / vnd starckem Glauben
beystehen / auffs andechtigst bitten / daß jhm Gott / nach laut dieser Gebet /
nicht allein von des Teuffels gewalt helffe / Sondern auch stercke / daß es möge
wieder jhn ritterlich / im leben vnd sterben / bestehen. Vnnd ich besorge / daß
darumb die Leute nach der Tauffe / so vbel auch geraten / Daß man so kalt vnd
lessig / mit jhnen vmbgangen / vnd so gar ohne ernst für sie gebeten hat in der
Tauffe.
So gedencke nu / daß in dem teuffen / diese eusserliche stücke das geringste sind
/ als da ist vnter Augen blasen / Creutz anstreichen / Saltz in den Mund geben /
Speichel vnd Koth in die Ohren vnd Nasen thun / mit Ole auff der Brust vnd
Schuldern Salben / vnnd mit Chresem bestreichen / Westerhembde anziehen / vnd
brennende Kertzen in die Hende geben / vnd was das mehr ist / Das von Menschen /
die Tauffe zu zieren / hinzu gethan ist / Denn auch wol ohne solches alles die
Tauffe geschehen mag / vnd nicht die rechte griffe sind / die der Teuffel
schewet oder fleucht / Er verachtet wol grössere dinge / Es mus ein ernst hie
seyn.
Sondern da siehe auff / daß du im rechten Glauben da stehest / Gottes Wort hörest
/ vnd ernstlich mit betest / Denn wo der Priester spricht: Last vns beten / da
vermanet er dich je / daß du mit jhm beten solt. Auch sollen seines Gebets wort
/ mit jhm zu Gott im Hertzen
|| [71]
sprechen / alle Paten /
vnd die vmbher stehen / Darumb sol der Priester diese Gebet fein deutlich vnd
langsam sprechen / daß es die Paten hören vnd vernemen können / vnnd die Paten
auch einmütiglich im Hertzen mit dem Priester beten / des Kindleins noth auffs
aller ernstlichste für Gott tragen / sich mit gantzem vermügen für das Kindt
wieder den Teuffel setzen / vnnd sich stellen / daß sie es jhnen ein ernst
lassen seyn / daß dem Teuffel kein Schimpff ist.
Derhalben es auch wol billich vnd recht ist / daß man nicht truncken vnd rohe
Pfaffen teuffen lasse / auch nicht lose Leute zu Gefattern nehme / Sondern feine
/ sittige / ernste / fromme Priester vnnd Gefattern / zu den man sich versehe /
daß sie die Sache mit ernst vnd rechtem Glauben handeln / damit man nicht dem
Teuffel das hohe Sacrament / zum spott setze / vnd Gott verunehre / der darinnen
so vberschwenglichen vnd grundtlosen Reichthumb seiner Gnaden vber vns schüttet
/ daß ers selbs ein newe Geburt heist. Damit wir alle Tyranney des Teuffels
ledig / von Sünde / Todt vnd Helle los / Kinder des Lebens / vnd Erben aller
Güter Gottes / vnd Gottes selbs eigene Kinder / vnnd Christus Brüder werden. Ach
lieben Christen / last vns nicht so vnfleissig solche vnaußsprechliche Gabe
achten vnd handeln: Ist doch die Tauffe vnser einiger trost / vnd eingang zu
allen Göttlichen Gütern / vnd aller heiligen gemeinschafft / Das helffe vns Gott
/ Amen.
Ich habe aber noch nichts sonderliches wöllen verendern im Tauffbüchlein / Wiewol
ichs leiden möchte / es were wol besser gerüst / Denn es auch vnfleissige
Meister gehabt hat / die der Tauffe Herrligkeit nicht gnugsam bewogen. Aber die
schwachen Gewissen zu schewen / las ichs fast so bleiben / daß sie nicht klagen
/ Ich wölle eine newe Tauffe einsetzen / Vnd die bisher getaufft sind / tadeln /
als die nicht recht getaufft weren. Denn / wie gesagt / an den Menschlichen
Zusetzen nicht so gros ligt / wenn nur die Tauffe an jhr selbs / mit Gottes Wort
/ richtigem Glauben / vnd ernstem Gebet gehandelt wird. Hiemit Gott befohlen /
Amen.
|| [ID00168]
Lasst vns beten.
DAllmechtiger / Ewiger Gott / Vater vnsers HErrn Jesu Christi / Ich ruffe dich an
vber diesen N. deinen Diener / der deiner Tauffe Gabe bittet / vnd deine ewige
Gnade durch die Geistliche Wiedergeburt begehret. Nim jhn auff HERR / vnd / wie
du gesagt hast / Bittet / so werdet jhr nehmen / Suchet / so werdet jhr finden /
Klopffet an / so wird euch auffgethan / So reiche nu das Gut / dem der da bittet
/ vnd öffne die Thür / dem der da anklopffet / daß er den ewigen Segen dieses
Himlischen Bades erlange / vnd das verheissen Reich deiner Gabe empfahe / durch
Christum vnsern HErrn / Amen.
Lasst vns beten.
ALlmechtiger / Ewiger Gott / der du hast durch die Sündfluth nach deinem
gestrengen Gericht / die vngleubige Welt verdampt / vnd den gleubigen Noe selb
Aeht / nach deiner grossen Barmhertzigkeit erhalten / Vnd den verstockten Pharao
/ mit all den seinen im Roten Meer erseufft / vnd dein Volck Israel trucken
durch hin geführet / Damit diß Bad deiner heiligen Tauffe zukünfftig bezeichnet
/ vnd durch die Tauffe deines lieben Kindes vnsers HErrn Jesu Christi / den
Jordan / vnd alle Wasser zur seligen Sündfluth / vnd reichlicher Abwaschung der
Sünden geheiliget vnd eingesetzt. Wir bitten durch dieselbe deine grundlose
Barmhertzigkeit / du wöllest diesen N. gnediglich ansehen / vnd mit rechtem
Glauben im Geist beseligen / daß durch diese heilsame Sündflut / an jm ersauffe
vnd vntergehe / alles was jhm von Adam angeborn ist / vnd er selb dazu gethan
hat / vnd er aus der Vngleubigen Zal
|| [ID00170]
gesondert / in der H.
Archa der Christenheit trocken vnd sicher behalten / allzeit brünstig im Geist /
frölich in Hoffnung / deinem Nahmen diene / Auff daß er mit allen Gleubigen
deiner Verheissung Ewiges Lebens zu erlangen / wirdig werde / durch Jesum
Christum vnsern HErrn / Amen.
Ich beschwere dich du vnreiner Geist / bey dem Namen des Vaters + vnd des Sohns +
vnd des heiligen Geistes + / daß du außfahrest / vnd weichest von diesem Diener
Jesu Christi N. Amen.
Lasst vns hören das heilige Euangelium S. Marcus.
|| [73]
ZV der zeit brachten sie Kindlin zu Jesu / daß er sie solt anrüren. Aber die
Jünger bedraweten die / so sie brachten. Da das JEsus sahe / verdros jhn / vnd
sprach zu jhnen: Lasst die Kindlin zu mir kommen / vnd wehret jhn nicht. Denn
solcher ist das Himmelreich. Warlich ich sage euch / wer nicht das Reich Gottes
nimpt wie ein Kindlin / der wird nicht hinein kommen / Vnd Er hertzet sie / vnd
leget die Hende auff sie / vnd segnet sie.
Denn lege der Priester seine Hende auffs Kindes Heupt / vnd bete das Vater
vnser / sampt den Paten nieder gekniet.
VAter vnser / der du bist im Himmel / Geheiliget werde dein Name / Zukome dein
Reich / Dein Wille geschehe / als im Himmel vnd auff der Erden / Vnser täglich
Brod gib vns heute / Vnd verlaß vns vnsere Schülde / als wir verlassen vnsern
Schüldigern / Vnd nicht einfüre vns in Versuchung / Sondern erlöse vns von dem
Vbel / Amen.
Darnach leite man das Kindlin zu der Tauffe / vnd der Priester spreche:
Der HERR behüte deinen Eingang vnd Außgang / von nun an bis zu Ewigen zeiten.
Darnach lasse der Priester das Kind durch seine Paten dem Teuffel absagen /
vnd spreche:
N. Entsagstu dem Teuffel?
Antwort. Ja.
Vnd allen seinen Wercken?
Antwort. Ja.
Vnd alle seinem Wesen?
Antwort. Ja.
|| [ID00172]
Darnach frage er.
Gleubstu an GOTT den Allmechtigen Vater / Schöpffer Himmels vnd der Erden?
Antwort. Ja.
Gleubstu an Jesum Christum seinen einigen Sohn / vnsern HErrn / geborn vnd
gelitten / etc.?
Antwort. Ja.
Gleubstu an den heiligen Geist / ein heilige Christliche Kirche / Gemeine der
Heiligen / Vergebung der Sünden / Aufferstehung des Fleisches / vnd nach dem Tod
ein ewiges Leben?
Antwort. Ja.
Wiltu getaufft seyn?
Antwort. Ja.
Da nehme er das Kind / vnd tauche es in die Tauffe / vnd spreche:
Vnd ich teuffe dich im Nahmen des Vaters / vnd des Sohns / vnd des heiligen
Geistes.
Denn sollen die Paten das Kindlein halten in der Tauffe / vnd der Priester
spreche / weil er das Westerhembt anzeucht:
Der Allmechtige Gott vnd Vater vnsers HErrn JEsu Christi / der dich anderweit
geborn hat / durchs Wasser vnd den heiligen Geist / vnd hat dir alle deine Sünde
vergeben / Der stercke dich mit seiner Gnade zum ewigen Leben / Amen.
Friede mit dir /
Antwort.
AMEN.
|| [ID00173]
Kurtze Vorrede.
DIese Predigt ist darzu geordnet / vnd angefangen / Daß es sey ein Vnterricht für
die Kinder vnd einfeltigen / Darumb sie auch von alters her / auff Griechisch
heisset Catechismus / das ist / ein Kinderlere / so ein jeglicher Christ zur
noth wissen sol / Also / daß / Wer solches nicht weiß / nicht künte vnter die
Christen gezehlet / vnnd zu keinem Sacrament zugelassen werden. Gleich wie man
einen Handtwercksman / der seines Handtwercks recht vnd gebrauch nicht weiß /
außwirfft / vnnd für vntüchtig helt. Derhalben sol man junge Leute / die stücke
/ so in den Catechismum oder Kinderpredigt gehören / wol vnd fertig lernen
lassen / vnnd mit fleiß darinne vben vnd treiben.
Darumb auch ein jeglicher Haußvater schüldig ist / daß er zum wenigsten die
Wochen einmahl seine Kinder vnd Gesinde / vmbfrage vnd verhöre / was sie dauon
wissen oder lernen / vnd wo sie es nicht können / mit ernst dazu halten. Denn
ich dencke wol der zeit / ja es begibt sich noch täglich / daß man grobe / alte
/ betagte Leute findet / die hieuon gar nichts gewust haben / oder noch wissen /
gehen doch gleichwol zur Tauffe vnd Sacrament / vnd brauchen alles / was die
Christen haben / so doch die so zum Sacrament gehen / billich mehr wissen / vnd
völligern verstandt aller Christlichen Lehre haben sollen / denn die Kinder vnd
newe Schüler. Wiewol wirs für den gemeinen hauffen / bey den Dreyen stücken
bleiben lassen / so von alters her in der Christenheit blieben sind / aber wenig
recht gelehret vnd getrieben / so lange biß man sich in denselbigen wol vbe /
vnd leufftig werde / beyde Jung vnd Alt / was Christen heissen vnnd seyn wil:
Vnd sind nemlich diese.
|| [ID00176]
Eine Thristliche / Heilsame vnd nötige Vorrede / vnd trewe ernstliche
Vermanung D. M. L. an alle Christen / sonderlich aber an alle Pfarrherrn vnd
Prediger / Daß sie sich täglich im Catechismo, so der
gantzen heiligen Schrifft ein kurtze Summa vnd Außzug ist / wol vben / vnd jmmer
treiben sollen / etc.
DAß wir den Catechismum so fast treiben / vnd zu treiben / beyde begern vnd
bitten / haben wir nicht geringe Vrsachen / Dieweil wir sehen / daß leider viel
Pfarrherr vnd Prediger hierin sehr seumig sind / vnd verachten beyde jhr Ampt
vnd diese Lehre / Etliche aus grosser hoher Kunft / Etliche aber aus lauter
faulheit vnd Bauchsorge / welche stellen sich nicht anders zur Sachen / denn als
weren sie vmb jhres Bauchs willen Pfarrherren oder Prediger / Vnd müsten nichts
thun / denn der Güter gebrauchen / weil sie leben / wie sie vnter dem Bapsthumb
gewonet.
Vnd wiewol sie alles / was sie lehren vnd predigen sollen / jetzt so reichlich /
klar / vnd leicht für sich haben / in so viel heilsamen Büchern / vnd wie sie es
vor zeiten hiessen die rechten Sermones, per se loquentes,
Dormi securè, Paratos & Thesauros, Noch sind sie nicht so from
vnnd redlich / Daß sie solche Bücher keufften / Oder / wenn sie dieselbigen
gleich haben / Dennoch nicht ansehen / noch lesen. Ach das sind zumahl
schendliche Freßlinge / vnd Bauchdiener / die billicher Sewhirten oder
Hundeknechte seyn solten / denn Seelwarter vnd Pfarrherrn.
Vnd daß sie doch so viel theten / Weil sie des vnnützen schweren geschwetzes der
Sieben Gezeiten nu los sind / an derselbigen stat / Morgens / Mittags / vnnd
Abends etwa ein Blat oder zwey aus dem Catechismo,
Betbüchlein / Newem Testament / oder sonst aus der Biblia lesen / Vnd ein Vater vnser für sich / vnd jhre Pfarrkinder beten /
Auff daß sie doch dem Euangelio wiederumb eine Ehre
|| [76]
vnd Danck erzeigten / Durch welches sie denn so von mancherley Laste vnd
Beschwerungen erlediget sind / Vnd sich schemeten ein wenig / daß sie gleich wie
die Sewe vnd Hunde / nicht mehr vom Euangelio behalten / Denn solche faule /
schedliche / schendliche / fleischliche Freyheit / Denn der Pöbel leider ohne
das allzu geringe achtet des Euangelij / Vnnd wir nichts sonderliches außrichten
/ wenn wir gleich allen fleis fürwenden. Was solts denn thun / wenn wir lessig
vnnd faul seyn wöllen / wie wir vnterm Bapsthumb gewesen sind.
VBer das schlehet mit zu das schendliche Laster / vnd heimlich böse geschmeiß der
Sicherheit vnd Vberdruß / daß viel meynen / der Catechismus sey eine schlechte / geringe Lehre / welche sie mit einem mahl
vberlesen / vnnd denn also bald können / Das Buch in Winckel werffen / vnnd
gleich sich schemen mehr darinnen zu lesen.
Ja man findet wol etliche Rültzen vnd Filtze / auch vnter dem Adel / die fürgeben
/ man dürffe hinfort weder Pfarrherr noch Prediger / man habs in Büchern / vnnd
könne es von jhm selber wol lernen / Vnd lassen auch die Pfarren getrost fallen
vnd verwüsten / Dazu beyde Pfarrherr vnd Prediger weidlich noth vnd hunger
leiden / Wie sich denn gebührt zu thun den tollen Teutschen / Denn(Teutschen.) wir Teutschen haben solch schendlich
Volck / vnd müssens leiden.
Das sage ich aber für mich / Ich bin auch ein Doctor vnd
Prediger(???) / ja so gelert vnd erfaren /
als die alle seyn mügen / die solche Vermessenheit vnd sicherheit haben / Noch
thu ich wie ein Kind / das man den Catechismum lehret /
vnd lese / vnd spreche auch von wort zu wort des Morgens / vnd wenn ich zeit
habe / die zehen Gebot / Glauben / das Vater vnser / Psalmen / etc. Vnd mus noch
täglich dazu lesen vnd studieren / Vnd kan dennoch nicht bestehen / wie ich
gerne wolte / Vnd muß ein Kind vnd Schüler des Catechismi bleiben / vnd bleibs(???) auch
gerne. Vnd diese zarte Ekele Gesellen / wollen mit einem vberleseu flugs Doctor
vber alle Doctor seyn / alles können / vnd nichts mehr bedürffen. Wolan solchs
ist auch ein gewiß anzeigen / daß sie beyde jhr Ampt / vnd des Volcks Seelen /
ja dazu GOTT vnd sein Wort verachten / Vnd dürffen nicht fallen / Sondern sind
schon allzu grewlich gefallen / dürfften wol / daß sie Kinder würden / vnd das
ABC anfiengen zu lernen / das sie meynen / lengst an den Schuhen zu rissen
haben.
DErhalben bitte ich solche faule Wenste / oder vermessene Heiligen / Sie wolten
sich vmb Gottes willen bereden lassen / Vnd gleu
|| [ID00178]
ben /
daß sie warlich / warlich nicht so gelehrt / vnd so hohe Doctores sind / alß sie sich düncken lassen / vnd nimmermehr gedencken
/ daß sie dieses stücke ausgelernet haben / oder aller ding gnug wissen / ob sie
es gleich düncket / daß sie es allzuwol können / Denn ob sie es gleich allerding
auffs aller beste wüsten vnd kündten (das doch nicht müglich ist in diesem
Leben) so ist doch mancherley nutz vnd frucht dahinden (Nutz vnnd Frucht / so folget bey dene̅ / die den
Catechtsmu̅ fleissig treiben / etc.) / so mans
täglich lieset vnd vbet / mit gedancken vnd reden / Nemlich / daß der heilige
Geist bey solchem lesen / reden vnd gedencken / gegenwertig ist / vnd jmmer newe
vnd mehr liecht vnd Andacht dazu gibt / daß es jmmerdar besser vnd besser
schmecket vnd eingehet / Wie (Matth. 18.) Christus
auch verheist / Matth. 18. Wo Zween oder Drey in meinem Namen versamlet sind /
da bin ich in jhrem Mittel.
Dazu hilffts aus der massen gewaltiglich / wiederden Teuffel / (Mit Gottes Wort vmbgehen / vnd es haudeln / Psalm.
1.) Welt / Fleisch / vnd alle böse Gedancken / so man mit Gottes Wort
vmbgehet / dauon redet vnd tichtet / daß auch der Erste Psalm selig preiset /
die / so Tag vnd Nacht vom Gesetze Gottes handlen / On zweiffel wirstu kein
Weyrauch oder ander gereuche / stercker wieder den Teuffel anrichten / Denn so
du mit Gottes Geboten vnd Worten vmbgehest / dauon redest / singest oder
denckest / das ist freylich das rechte Weyhewasser vnd zeichen / dafür er
fleucht / vnd damit er sich jagen lest.
Nu soltestu doch ja allein vmb des willen / solche stücke gern lesen / reden /
dencken vnd handeln / wenn du sonst kein ander frucht vnd (Teuffel kan Gotts Wort nicht hören noch
leiden.) nutz dauon hettest / denn daß du den Teuffel vnd böse gedancken
damit kanst verjagen / denn er kan Gottes Wort nicht hören noch leiden / Vnd
Gottes Wort ist nicht / wie ein ander lose Geschwetze / wie von Dieterich von
Bern / etc. Sondern wie S. Paulus Roman. 1. sagt / Eine Krafft Gottes / Ja
freylich eine Krafft Gottes / die dem Teuffel das gebrandte Leid anthut / vnd
vns aus dermassen stercket / tröstet vnd hilfft.
(Gotts Wort verjaget vnd machet zu nicht den Teuffel / so
ein Tausentkünstiger ist / mit seiner Kunst vnd Macht.)
Vnd was sol ich viel sagen? Wo ich allen Nutz vnd Frucht solt erzehlen / so
Gottes Wort wircket / wo wolt ich Papyr vnd zeit gnug nehmen? Den Teuffel heißt
man Tausentkünstiger / Wie wil man aber Gottes Wort heissen / das solchen
Tausentkünstiger / mit aller seiner Kunst vnd Macht / verjagt / vnd zu nichte
machet? Es muß freylich mehr denn Hundert Tausentkünstiger seyn / Vnd wir solten
solche Macht / Nutz / Krafft vnd Frucht so leichtfertiglich verachten /
sonderlich die wir Pfarrherr vnd Prediger seyn wöllen? So solt man vns doch
nicht allein nicht zu fressen geben / Sondern auch mit Hunden außhetzen / vnnd
mit Lungen außwerffen / Weil wir des alles /
|| [77]
nicht
allein täglich bedürffen / wie des täglichen Brods / sondern auch täglich haben
müssen / wieder das täglich vnd vnrugig anfechten vnd lawren / des
Tausentkünstigen Teuffels.
Vnd ob solchs nicht gnug were zur Vermanung / den Catechismum(Gott gebeut vns ernstlich sein
Wort zu lernen / bedencken / etc. vmb der grossen fahr vnd noth willen /
damit vns alle Augenblick der Teuffel anficht.) täglich zu lesen / so
solt doch vns allein gnugsam zwingen Gottes Gebot / welcher Deutero. 6.
ernstlich gebeut / Daß man sol sein Gebot / sitzend / gehend / stehend / ligend
/ auffstehend / jmmer bedencken / vnd gleich als ein stetiges Mahl vnd Zeichen
für Augen / vnd in Henden haben. Ohn zweiffel wird er solchs vmbsonst nicht so
ernstlich heissen / vnd foddern / Sondern weil er weis vnser Fahr vnd Noth /
dazu der Teuffel stetigs vnd wütigs stürmen vnd Anfechtung / wil er vns dafür
warnen / rüsten / vnd bewahren / als mit gutem Harnisch / wieder jhre Fewrige
Pfeile / vnd mit guter Artzney wieder jhre gifftige böse geschmeis / vnd
eingeben.
O welche tolle vnsinnige Narren sind wir / daß wir vnter solchen mechtigen
Feinden / als die Teuffel sind / wohnen oder herbergen je müssen / Vnd wöllen
dazu vnser Waffen vnd Wehre verachten / vnd faul seyn / dieselbigen anzusehen /
oder dran zu dencken.
Vnd was thun solche vberdrüssige / vermessene Heiligen / so nicht wöllen oder
mögen den Catechismum täglich lesen vnd lernen / Denn
daß sie sich selbs viel gelehrter halten / denn Gott selbs ist / mit allen
seinen Heiligen / Engeln / Propheten / Aposteln / vnd allen Christen. Denn weil
sich Gott selbs nicht schemet / solchs täglich zu lehren / als(GOtt selbschemet sich nicht / jmmer eiuerley zu leren
durch seine trewe Boten.) der nichts bessers wisse zu lehren / vnd
jmmer solch einerley lehret / vnd nichts newes noch anders fürnimpt / vnd alle
Heiligen nichts bessers noch anders wissen zu lernen / vnd nicht können
außlernen / Sind wir denn nicht die allerfeinsten Gesellen / die wir vns lassen
düncken / wenn wirs einmal gelesen vnd gehöret haben / daß wirs alles können /
vnd nicht mehr lesen noch lernen dürffen / vnnd können das auff(Vuraht der stoltzen / vermessen Geister / die in einer
Stunde alles außlernen.) eine Stunde außlernen / das Gott selbs nicht
kan außlehren / so Er doch dran lehret von Anfang der Welt / bis zu Ende / vnd
alle Propheten sampt allen Heiligen dran zu lernen gehabt / vnd noch jmmer
Schüler sind blieben / vnd noch bleiben müssen.
Denn das muß ja seyn / wer die Zehen Gebot wol vnd gar kan /(Wer die Zehen Gebot wol kan / ist ein hoher /
erleuchter Doctor, &c.) daß der muß die gantze Schrifft können
/ daß er könne in allen sachen vnnd Fellen rahten / helffen / trösten /
vrtheilen / richten / beyde Geistlich vnd Weltlich Wesen / vnd müge seyn ein
Richter vber alle Lehre / Stende / Geister / Recht / vnnd was in der Welt seyn
mag. Vnd was ist der gantze Psalter / denn eytel Gedancken / vnd vbunge des
ersten Gebots? Nu weis ich ja fürwar / daß solche faule Beuche /
|| [ID]
(Brauch vnd Nutz des gantzen Psalters.) oder
vermessene Geister / nicht einen Psalmen verstehen / schweige denn die gantze
heilige Schrifft / vnd wöllen den Catechismum wissen /
vnd verachten / welcher der gantzen heiligen Schrifft kurtze Außzug vnd
Abschrifft ist.
(Höre lieber Mensch / vnd hüte dich / daß du dich ja nit
vermessest / gelehrt / weise vnd heilig etc. zu seyn / wie aller Heuchler art
ist.)
DArumb bitte ich abermal alle Christen / sonderlich die Pfarrherr vnd Prediger /
sie wolten nicht zu früe Doctores seyn / vnd alles
wissen / sich düncken lassen / Es gehet an düncken vnd gespannen Tuch viel ab /
Sondern sich täglich wol drinnen vben / vnd jmmer treiben / dazu mit aller sorge
/ vnd fleiß / sich fürsehen / für dem gifftigen geschmeiß solcher Sicherheit
oder Dünckelmeister / sondern stetig anhalten / beyde mit lesen / lehren /
lernen / dencken / vnd tichten / vnd nicht also ablassen / bis so lang sie
erfahren / vnd gewiß werden / daß sie den Teuffel tod gelehret / vnd gelerter
worden sind / denn Gott selber ist / vnd alle seine Heiligen.
Werden sie solchen Fleiß thun / so wil ich jhnen zusagen / vnd sie sollens auch
inne werden / welche Frucht sie erlangen werden / vnd wie feine Leute GOtt aus
jhnen machen wird / daß sie mit der zeit selbs fein bekennen sollen / daß je
lenger vnd mehr sie den Catechismum treiben / je weniger
sie dauon wissen / vnd je mehr sie daran zu lernen haben / Vnd wird jhnen / als
den Hungerigen vnd Dürstigen / denn allererst recht schmecken / das sie jetzt
für grosser Fülle vnd Vberdruß / nicht riechen mügen. Da gebe Gott seine Gnade
zu / AMEN.
|| [78]
Zum Ersten / Die Zehen Gebot Gottes.
I. DV solt kein ander Götter haben neben Mir.
II.
Du solt den Nahmen Gottes nichtvergeblich führen.
III.
Du solt den Feyertag heiligen.
IIII.
Du solt Vater vnd Mutter ehren.
V.
Du solt nicht tödten.
VI.
Du solt nicht Ehebrechen.
VII.
Du solt nicht stelen.
VIII.
Du solt kein falsch Zeugnis reden wieder deinen Nehesten.
IX.
Du solt nicht begeren deines Nehesten Haus.
X.
Du solt nicht begehren seines Weibs / Knecht / Magd / Vieh / oder was sein
ist.
Zum Andern / Die Heupt-Artickel vnsers Glaubens.
1. ICH gleube an GOtt Vater Allmechtigen / Schöpffer Himmels vnd der Erden.
2. Vnd an Jesum Christum seinen einigen Sohn vn
|| [ID00182]
sern
HErrn / Der empfangen ist vom heiligen Geist / Geboren aus Maria der Jungfrawen
/ Gelitten vnter Pontio Pilato / Gecreutziget / gestorben / vnd begraben /
Niedergefahren zur Helle / am dritten Tage wieder aufferstanden von den Todten /
Auffgefahren gen Himel / sitzend zur Rechten Gottes des Allmechtigen Vaters /
Von dannen er zukünfftig zu richten die Lebendigen vnd die Todten.
3. Ich gleube an den heiligen Geist / Eine heilige Christliche Kirche /
Gemeinschafft der Heiligen / Vergebung der Sünden / Aufferstehung des Fleisches
/ Vnd ein Ewigs Leben / Amen.
Zum Dritten / Das Gebet oder Vater vnser / so Christus gelehret hat.
VAter vnser / der du bist im Himmel. I. Geheiliget werde dein Nahme. II. Zukomme
dein Reich. III. Dein Wille geschehe / wie im Himmel / also auch auff Erden.
IIII. Vnser täglich Brod gib vns heute. V. Vnnd verlasse vns vnsere Schuld / als
wir verlassen vnsern Schüldigern. VI. Vnd führe vns nicht in Versuchung. VII.
Sondern erlöse vns vom Vbel / Amen.
(Nötigsten stücke / so ein jeder Christ wissen sol.)
DAs sind die nötigsten Stücke / die man zum ersten lernen muß / von Wort zu Wort
zuerzelen / vnd sol die Kinder dazu gewehnen / täglich / wenn sie des Morgens
auffstehen / zu Tische gehen / vnd sich des Abends schlaffen legen /
|| [79]
daß sie es müssen auffsagen / vnd jhnen nicht Essen
noch zu Trincken geben / sie hettens denn gesagt. Deßgleichen ist auch ein
jeglicher Haußvater schüldig / mit seinem Gesinde / Knecht vnd Megden zu halten
/ daß er sie nicht bey sich halte / wo sie es nicht können / oder lernen wöllen.
Denn es ist mit nichte zu leiden / daß ein Mensch so rohe vnd wilde sey / vnd
solchs nicht lerne / weil in diesen Dreyen Stücken kürtzlich / gröblich / vnd
auffs einfeltigste verfasset ist / alles was wir in der Schrifft haben / Denn
die lieben Väter oder Apostel (wer sie gewesen sind) haben also in eine Summa
gestellet / was der Christen Lehre / Leben / Weißheit vnd Kunst sey / wouon sie
reden vnd handeln / vnd womit sie vmbgehen.
Wenn nun diese drey Stück gefasset sind / gehöret sich auch / daß man wisse zu
sagen von vnsern Sacramenten / (so Christus selbs eingesetzt hat) der Tauffe /
vnd des heiligen Leibs vnd Bluts Christi / Als nemlich den Text / so Mattheus
vnd Marcus schreiben / am ende jhres Euangelions / wie Christus seinen Jüngern
die Letzte gab / vnd sie abfertiget.
Von der Tauffe.
GEhet hin / vnd lehret alle Völcker / vnd teuffet sie im Namen des Vaters / vnd
des Sohns / vnd des Heiligen Geistes. Wer da gleubet / vnd getaufft wird / der
wird selig werden. Wer aber nicht gleubet der wird verdampt werden.
So viel ist gnug einem Einfeltigen / aus der Schrifft von der Tauffe zu wissen /
Deßgleichen auch vom andern Sacrament / mit kurtzen Worten. Als nemlich den Text
S. Pauli.
Vom Sacrament.
VNser HERR Jesus Christus / in der Nacht / als er verrhaten ward / nam das Brod /
danckt
|| [ID00184]
vnd brachs / vnd gabs seinen Jüngern / vnd sprach:
Nehmet hin vnd esset / Das ist mein Leib / der für euch gegeben wird / Solchs
thut zu meinem Gedechtnis.
Desselben gleichen auch den Kelch / nach dem Abendmahl / vnd sprach: Dieser Kelch
ist das Newe Testament in meinem Blut / das für Euch vergossen wird / zu
Vergebung der Sünden. Solchs thut / so offt jhrs trincket / zu meinem
Gedechtnis.
(Fünfs stücke Christlicher Lehre / jm̅erdar
zu treiben vnd vben.)
ALso hette man vberal Fünff Stück der gantzen Christlichen Lehre / die man
jmmerdar treiben sol / vnd von wort zu wort foddern / vnd verhören. Denn
verlasse dich nicht drauff / daß das junge Volck alleine aus der Predigt lerne
vnd behalte. Wenn mann nun solche Stücke wol weis / so kan mann darnach auch
etliche Psalmen oder Gesenge / so darauff gemacht sind / fürlegen / zur Zugabe
vnd stercke desselbigen / vnd also die Jugend in die Schrifft bringen / vnd
Täglich weiter fahren.
Es sol aber nicht an dem gnug seyn / daß mans alleine den Worten nach fasse / vnd
erzehlen künde / Sondern lasse das junge Volck auch zur Predigt gehen /
sonderlich auff die zeit / so dem Catechismo geordnet /
daß sie es hören außlegen / vnd verstehen lernen / was ein jeglich Stück in sich
habe / Also / daß sie es auch können auffsagen / wie sie es gehört haben / vnd
fein richtig antworten / wenn man sie fraget / auff daß es nicht ohne Nutz vnnd
Frucht geprediget werde. Denn darumb thun wir den fleis / den Catechismum offt fürzupredigen / daß man solchs in die Jugend blewe /
nicht hoch noch scharff / Sondern kurtz vnd auffs einfeltigst / auff daß es
jhnen wol eingehe / vnd im Gedechtnis bleibe. Derhalben wöllen wir nu die
angezeigten Stücke nacheinander für vns nehmen / vnd auffs deutlichst dauon
reden / so viel noth ist.
|| [80]
Du solt nicht andere Götter haben.
DAS ist / du solt mich alleine für deinen Gott halten. Was ist das gesagt / vnd
wie verstehet mans? Was heist ein Gott haben / oder was ist Gott? Antwort. Ein
Gott heisset das / dazu man sich versehen sol alles guten / vnd Zuflucht haben
in allen Nöthen / Also / daß ein Gott haben / nichts anders ist / denn jhm(Ein Gott haben.) von Hertzen trawen vnd gleuben /
Wie ich offt gesagt habe / daß allein das trawen vnd gleuben des Hertzens /
machet beyde GOtt vnd
|| [ID00186]
Abgott. Ist der Glaube vnd Vertrawen
recht / so ist auch dein Gott recht / Vnd wiederumb / wo das Vertrawen falsch
vnd vnrecht ist / da ist auch der rechte GOtt nicht. Denn die zwey gehören zu
hauffe / Glaube vnd Gott. Worauff du nu (sage ich) dein Hertz hengest / vnd
verlessest / das ist eigentlich dein Gott.
(Meinung dieses Gebots)
Darumb ist nun die meinung dieses Gebots / daß es foddert rechten Glauben vnd
Zuuersicht des Hertzens / welche den rechten einigen Gott treffe / vnd an jhm
allein hange. Vnd wil so viel gesagt haben / Sihe zu / vnd lasse Mich alleine
deinen Gott seyn / vnd suche je keinen andern / das ist / was dir mangelt an
gute/ des versihe dich zu Mir / vnd suche es bey mir / vnd wo du Vnglück vnd
Noth leidest / Kreuch / vnd halte dich zu Mir. ICH / ICH / wil dir gnug geben /
vnd aus aller Noth helffen / Las nur dein Hertz an keinem andern hangen / noch
ruhen.
DAs mus ich ein wenig grob ausstreichen / daß mans verstehe / vnd mercke / bey
gemeinem Exempel des Wiederspiels. Es ist mancher / der meinet / Er habe Gott
vnd alles gnug / Wenn er Gelt vnd Gut hat / Verlesst vnd brüstet sich darauff so
steiff vnd sicher / daß er auff niemand nichts gibt. Sihe / dieser hat auch
einen (Mammon zum Gott haben.) Gott / der heisset
Mammon / das ist / Gelt vnd Gut / darauff er alle sein Hertz setzet / welches
auch der aller gemeinest Abgott ist auff Erden. Wer Gelt vnnd Gut hat / der weis
sich sicher / ist frölich vnd vnerschrocken / als sitze er mitten im Paradis.
Vnd wiederumb / Wer keins hat / der zweifelt vnd zaget / als wisse er von keinem
Gott. Denn man wird jhr gar wenig finden / die guts muts seyen / vnd nicht
trawren noch klagen / wenn sie den Mammon nicht haben / Es klebet vnd henget der
Natur an / bis in die Gruben.
Also auch / wer darauff trawet vnd trotzet / daß er grosse Kunst / (Mannicherley Abgötter.) Klugheit / Gewalt / Gunst /
Freundschafft vnd Ehre hat / der hat auch einen Gott / Aber nicht diesen rechten
einigen Gott / das sihestu abermal dabey / wie vermessen / sicher vnd stoltz man
ist auff solche güter / Vnd wie verzagt / wenn sie nicht fürhanden / oder
entzogen werden. Darumb sage ich abermal / daß die rechte Außlegung dieses
Stücks sey / daß einen GOtt haben / heisset etwas haben / darauff das Hertz
gentzlich trawet.
(Heiligen für Abgötter gehalten.)
Item / Sihe was wir bisher getrieben vnd gethan haben / in der Blindheit vnter
dem Bapstumb / wenn jemand ein Zan wehe thete / der fastet vnnd feyret S. Apolonia, Fürchtet er sich für Fewres noth / so
machet er Sanct Lorentz zum Nothelffer / fürchtet er sich für Pestilentz / so
gelobet er sich zu S. Sebastian oder Rochio,
|| [81]
vnd des Grewels vnzehlich viel mehr / da ein jeglicher
seinen Heiligen wehlet / anbetet / vnd anruffet / in Nöthen zu helffen. Daher
gehören auch / die es gar zu grob treiben / vnd mit dem Teuffel ein Bund machen
/ daß er jhnen Gelt gnug gebe / oder zur Bulschafft helffe / jhr Viehe beware /
verlohren Gut wiederschaffe / etc. Als die Zeuberer vnd Schwartzkünstiger / Denn
diese alle setzen jhr Hertz vnd vertrawen anderswo / denn auff den warhafftigen
Gott / versehen sich kein Guts zu jhm / suchens auch nicht bey jhm.
ALso verstehestu nu leichtlich / was vnd wie viel diß Gebot foddert(1. Gebot foddert das gantze Hertz / etc.) /
Nemlich / das gantze Hertze des Menschen / vnnd alle Zuuersicht auff GOtt allein
/ vnd niemand anders. Denn Gott zu haben / kanstu wol abnehmen / daß man jhn
nicht mit Fingern ergreiffen / vnnd fassen / noch in Beutel stecken / oder in
Kasten schliessen kan / das heisset jhn aber gefasset / wenn jhn das Hertz
ergreiffet / vnd an jhm hanget. Mit dem Hertzen aber an jhm hangen / ist nichts
anders / denn sich gentzlich auff jhn verlassen. Darumb wil Er vns von allem
andern abwenden / das ausser jhm ist / vnd zu sich ziehen. Weil er das einige
ewige Gut ist: Als solt er sagen / Was du zuuor bey den Heiligen gesucht / oder
auff den Mammon / vnnd sonst vertrawet hast / des versiehe dich alles zu Mir /
vnd halte Mich für den / der dir helffen / vnnd mit allem guten reichlich
vberschütten wil.
Sihe / da hastu nu / was die rechte Ehre vnd Gottesdienst ist /(Rechte Ehre vnd Gottesdienst.) so Gott gefellet /
welchen er auch gebeut bey ewigem Zorn / Nemlich / daß das Hertz keinen andern
Trost noch Zuuersicht wisse / denn zu jhm. Lasse sich auch nicht dauon reissen /
sondern darüber wage / vnd hindan setze / alles was auff Erden ist. Dagegen
wirstu leichtlich sehen / vnd vrtheilen / wie die Welt eytel falschen
Gottesdienst vnd Abgötterey treibet. Denn es ist nie kein Volck so ruchlos
gewesen / das nicht einen Gottesdienst auffgerichtet / vnd gehalten habe / Da
hat jederman zum sonderlichen Gott auffgeworffen / dazu er sich Guts / Hülffe /
vnd Trost versehen hat.
Als nemlich / die Heyden / so jhr Datum auff Gewalt vnd
Herrschafft(Abgötterey der Heyden.)
stelleten / wurffen jhren Jupiter zum höchsten Gott auff / Die andern / so nach
Reichthumb / Glück / oder nach Lust vnd guten Tagen stunden / Herculem, Mercurium, Venerem, oder andere. Die schwangere Frawen / Dianam, oder Lucinam, Vnd so
fort / machet jhm jederman zum Gott / dazu jhn sein Hertz trug / Also / daß
eigentlich / auch nach aller Heyden meinung / einen GOtt haben / heisset
|| [ID]
trawen vnd gleuben / Aber daran fehlet es / daß jhr trawen
falsch vnd vnrecht ist / Denn es ist nicht auff den einigen Gott gestellet /
Ausser welchem warhafftig kein Gott ist / im Himmel noch auff Erden.
Darumb die Heyden eigentlich jhren eigen erdichten Dünckel vnd Traum von GOtt /
zum Abgott machen / Vnd sich auff eitel Nichts verlassen. Also ist es vmb alle
Abgötterey gethan / Denn sie stehet nicht allein darinn / daß man ein Bild
auffrichtet / vnd anbetet / Sondern fürnemlich im Hertzen / welchs anderst wo
hin gaffet / Hülff vnd Trost suchet bey den Creaturen / Heiligen oder Teuffeln /
vnd sich GOttes nicht annimpt / noch so viel guts zu jhm versiehet / daß Er
wölle helffen / gleubet auch nicht / daß von Gott komme / was jhm guts
wiederfehret.
(Höheste Abgötterey / darauff Geistliche Stende gegründet.)
DArüber ist auch ein falscher Gottesdienst / vnd die höheste Abgötterey / so wir
bißher getrieben haben / vnd noch in der Welt regieret / darauff auch alle
Geistliche Stende gegründet sind / welche allein das Gewissen betrifft / das da
Hülffe / Trost / vnd die Seligkeit suchet in eigenen Wercken / Vermisset sich
Gott den Himmel abe zu zwingen / vnd rechnet / wie viel es gestifftet / gefastet
/ Messe gehalten hat / etc. Verlesset sich / vnd pochet darauff / als wölle es
nichts von jhm geschenckt nehmen / sondern selbs erwerben / oder vberflüssig
verdienen / gerade als müste er vns zu dienst stehen / vnd vnser Schüldener /
wir aber seine Lehenherrn seyn. Was ist das anders / denn aus Gott einen Götzen
/ ja einen Apffelgott gemachet / vnd sich selbs für Gott gehalten / vnd
auffgeworffen? Aber das ist ein wenig zu scharff / gehöret nicht für die jungen
Schüler.
(Rechter Verstand des Ersten Gebots.)
DAs sey aber den Einfeltigen gesagt / daß sie den Verstand dieses Gebots wol
mercken / vnd behalten / daß man GOtt alleine trawen / vnd sich eytel Guts zu
jhm versehen / vnd von jhm gewarten sol / Als der vns gibt / Leib / Leben /
Essen / Trincken / Nahrung / Gesundheit / Schutz / Friede / vnd alle Notturfft
zeitlicher vnd ewiger Güter / Dazu bewahret für Vnglück / vnd so vns etwas
wiederfehret / rettet vnd außhilfft / Also / daß Gott (wie gnug gesagt) alleine
der ist / von dem man alles guts empfehet / vnd alles Vnglücks los wird. Daher
auch achte ich / wir Teutschen / Gott eben mit dem Namen von Alters her nennen
(feiner vnd artiger / denn kein andere Sprach) nach dem Wörtlein / Gut / als der
ein ewiger Quellbrunn ist / der sich mit eytel Güte vbergeusset / vnd von dem
alles / was Gut ist vnd heisset außfleust.
|| [82]
Denn ob vns gleich sonst viel Guts von Menschen widerfehret / so heisset es doch
alles von GOTT empfangen / was man durch sein Befehl vnd Ordnung empfehet. Denn
vnsere Eltern / vnd alle Obrigkeit / dazu ein jeglicher gegen seinen Nehesten /
haben den Befehl / daß sie vns allerley guts thun sollen / Also / daß wirs nicht
von jhnen / sondern durch sie von Gott empfahen. Denn die Creaturen sind
nur(GOtt gibt durch Creaturen.) die Hand /
Röhre / vnd Mittel / dadurch Gott alles gibt / wie Er der Mutter Brüste vnd
Milch gibt / dem Kinde zu reichen / Korn vnd allerley Gewechs aus der Erden zur
Nahrung / welcher Güter keine Creatur keines selbs machen kan.
Derhalben sol sich kein Mensch vnterstehen / etwas zu nehmen oder zu geben / es
sey denn von Gott befohlen / daß mans erkenne für seine Gaben / vnd jhm darumb
dancke / wie diß Gebot foddert / darumb auch solche Mittel durch die Creaturen
guts zu empfahen / nicht außzuschlagen sind / noch durch Vermessenheit andere
weise vnd wege zu suchen / denn GOtt befohlen hat. Denn das hiesse nicht von
Gott empfangen / sondern von jhm selbs gesucht.
DA sehe nu auff ein jeglicher bey sich selbs / daß man diß Gebot / für allen
dingen gros / vnd hoch achte / vnnd in keinen Schertz schlage. Frage / vnd
forsche dein eigen Hertz wol / so wirstu wol finden / ob es allein an Gott hange
/ oder nicht. Hastu ein solch Hertz / das sich eytel Guts zu jhm versehen kan /
sonderlich in Nöthen vnd mangel / dazu alles gehen vnd fahren lassen / was nicht
Gott ist / So hastu den einigen rechten Gott. Wiederumb hanget es auff(Den rechten einigen Gott haben.) etwas anders /
dazu sichs mehr guts vnd hülffe vertröstet / denn zu Gott / vnd nicht zu Ihm
leufft / sondern für jhm fleugt / wenn es jhm vbel gehet / so hastu ein andern
Abegott.
Derhalben / auff daß man sehe / daß GOtt solchs nicht wil in Wind geschlagen
haben / sondern ernstlich darüber halten / hat er bey dieses Gebot zum ersten
ein schrecklich Drewen / darnach ein schöne tröstliche Verheissung gesetzt /
welche man auch wol treiben sol / vnd dem jungen Volck fürblewen / daß sie es zu
Sinne nehmen / vnd behalten.
DEnn Ich bin der HERR dein Gott / ein starcker Eyuerer / der da heimsuchet der
Väter Missethat an den Kindern / bis ins dritte vnd vierde Glied / Die mich
hassen / Vnd thue Barmhertzigkeit an viel Tausent / die mich lieb haben / vnd
meine Gebot halten.
|| [ID00190]
(Diese Wort gehören auff alle Gebot.)
WIewol aber diese Wort auff alle Gebot gehen (wie wir hernach hören werden) so
sind sie doch eben zu diesem Heuptgebot gesetzt / darumb / daß daran am meisten
ligt / daß ein Mensch ein recht Heupt habe / Denn wo das Heupt recht gehet / da
muß auch das gantze Leben recht gehen / vnd wiederumb. So lerne nu aus diesen
Worten / wie zornig GOtt ist vber die / so sich auff jrgend etwas ausser Ihm
verlassen. Wiederumb / wie gütig vnd gnedig er ist denen / die jhm allein von
gantzem Hertzen trawen vnd gleuben (Gottes Zorn bis ins
vierde Glied / vnnd Güte vber viel Tausent.) / Also / daß der Zorn
nicht ablesset / bis ins vierde Geschlecht oder Glied: Dagegen die Wolthat oder
Güte gehet vber viel Tausent. Auff daß man nicht so sicher hingehe / vnd sich in
die Schantze schlage / wie die rohen Hertzen dencken / Es lige nicht grosse
macht daran. Es ist ein solcher GOtt / der es nicht vngerochen lesset / daß man
sich von jhm wendet / vnd nicht auffhöret zu zürnen / bis ins vierde Glied / so
lang / bis sie durch vnd durch außgerottet werden. Darumb wil Er gefürchtet /
vnd nicht verachtet seyn.
Das hat er auch beweiset in allen Historien vnd Geschichten / wie vns die
Schrifft reichlich anzeiget / vnd noch tägliche Erfahrung wol lehren kan / Denn
er alle Abgötterey von Anfang her gar außgerottet hat / vnd vmb jhrer willen
beyde Heyden vnd Jüden / wie Er auch bey heutigem Tage allen falschen
Gottesdienst stürtzet / Daß endlich alle / so darinn bleiben / müssen
vntergehen. Darumb / ob man gleich jetzt stoltze / gewaltige / vnd reiche Wenste
findet / die auff jhren Mammon trotzen / vngeachtet / Gott zürne oder lache /
als die seinem Zorn wol trawen außzustehen / So werden sie es doch nicht
außführen / Sondern ehe man sichs versiehet / zu scheittern gehen / mit allem /
darauff sie getrawet haben / wie alle andere vntergangen sind / die sich wol
sicherer vnd mechtiger gewust haben.
Vnd eben vmb solcher harten Köpffe willen / die da meynen / weil Er zusiehet /
vnd lesset sie feste sitzen / er wisse nichts drumb / oder nehme sichs nicht an
/ muß er also drein schlagen / vnd straffen / daß ers nicht vergessen kan / bis
auff jhre Kindes Kinder / auff daß sich (Gott muß
straffen vmb der harten Köpffe willen.) jederman daran stosse / vnd
sehe / daß es jhm kein schertz ist. Denn diese sinds auch / die er meynet / als
er spricht: Die mich hassen / Das ist / Die auff jhren Trotz vnd stoltz beharren
/ was man jhnen predigt oder sagt / wöllen sie nicht hören / strafft man sie /
daß sie sich erkennen vnd bessern / ehe die Straffe angehet / so werden sie toll
vnd töricht / Auff daß sie den Zorn redlich verdienen / Wie wir auch jetzt an
Bischoffen vnd Fürsten täglich erfahren.
|| [83]
WIe schrecklich aber diese Drewwort sind / So viel mechtiger(Drewwort vnd Verheissung Gottes.) Trost ist an
der Verheissung / Daß / die sich allein an GOtt halten / sollen gewis seyn / daß
er Barmhertzigkeit an jhnen erzeigen wil / das ist eitel guts vnd Wolthat
beweisen / nicht allein für sie / sondern auch an jhren Kindern / bis ins
tausent vnd abermal tausent Geschlechte. Solchs solt vns ja bewegen vnd treiben
/ vnser Hertz auff Gott zu erwegen mit aller zuuersicht / so wir begereten alles
guts / zeitlich vnd ewia zu haben / Weil sich die hohe Majestet so hoch erbeut /
so hertzlich reitzet / vnd so reichlich verheisset.
Darumb lasse es jhm ein jeglicher ernstlich zu hertzen gehen / daß mans nicht
achte / als hab es ein Mensch geredt / denn es gilt dir entweder ewigen Segen /
Glück vnd Seligkeit / oder ewigen Zorn / Vnglück vnd Hertzeleid. Was wiltu mehr
haben oder begeren / denn daß er dir so freundlich verheisset / Er wölle dein
seyn mit allem Guten / dich schützen vnd helffen in allen nöten? Es fehset aber
leider daran / daß die Welt der keines nicht gleubt / noch für Gottes Wort(Welt gleubt weder GOttes Verheissungen noch
drawworten.) helt / weil sie sihet / daß die / so Gott / vnd nicht dem
Mammon / trawen / kum̅er vnd noth leiden / vnd der Teuffel sich
wieder sie sperret vnd wehret / daß sie kein Gelt / Gunst noch Ehre / dazu kaum
das Leben behalten. Wiederumb / die dem Mammon dienen / haben Gewalt / Gunst /
Ehre vnd Gut / vnd alle Gemach für der Welt. Derhalben mus mann solche wort
fassen / eben wieder solchen Schein gestellet / vnd wissen / daß sie nicht
liegen noch triegen / Sondern war müssen werden.
Dencke du selbs zurück / oder frage jhm nach / vnd sage mir / die alle jhr sorg
vnd fleis darauff gelegt haben / daß sie gros Gut vnd Gelt zusamen scharreten /
was haben sie endlich geschaffet? So wirstu finden / daß sie mühe vnd arbeit
verloren haben / oder ob sie gleich grosse Schetze zu hauffe bracht / doch
zustoben vnnd zuflogen ist / Also daß sie selbs jhres Guts nie sind fro worden /
vnnd hernach nicht an die dritten Erben gereicht hat. Exempel wirstu gnug
finden(Erfarung vn̅ Exempel.)
in allen Historien / auch von Alten erfarnen Leuten / Sihe sie nur an / vnd habe
achtung darauff. Saul war ein grosser König(Saul.) von GOtt erwehlet / vnd ein frommer Man / aber da er eingesessen
war / vnd sein Hertze liesse sincken / hienge sich an sein Krone vnd gewalt /
muste er vntergehen / mit allem das er hatte / daß auch seiner Kinder keins
bliebe. Wiederumb / Dauid war ein armer verachter(Dauid.) Man / verjagt vnd gescheucht / daß er seines Lebens nirgend
sicher war / noch muste er für dem Saul bleiben / vnd König werden / denn diese
Wort musten bleiben vnd war werden / weil Gott nicht liegen
|| [ID00192]
noch triegen kan / lasse dich nur den Teuffel vnd Welt mit jhrem Schein / der
wol ein zeitlang wehret / aber endlich nichts ist / betriegen.
DArumb lasset vns das Erste Gebot wol lernen / daß wir sehen / wie Gott keine
Vermessenheit noch Vertrawen auff einig ander (Rechter
brauch Gottes Güter.) ding leiden wil / vnd nicht höhers von vns
foddert / denn ein Hertzliche Zuuersich alles Guten / Also / daß wir richtig vnd
stracks für vns gehen / vnd aller Güter / so Gott gibt / brauchen / nicht weiter
/ denn wie ein Schuster seiner Nadel / Aal / vnd Drat brauchet zur Arbeit / vnd
darnach hinweg legt / Oder wie ein Gast der Herberge / Futter / vnd Lager /
allein zur zeitlichen Notturfft / ein jeglicher in seinem Stand nach Gottes
Ordnung / Vnd lasse nur keines sein Herren oder Abgott seyn. Das sey gnug vom
Ersten Gebot / welchs wir mit Worten haben müssen außstreichen / weil daran
allermeist die Macht ligt / darumb / daß (wie vor gesagt) wo das Hertz wol mit
Gott dran ist / vnd diß Gebot gehalten wird / so gehen die andern alle hernach.
|| [84]
Du solt Gottes Nahmen nicht vergeblich führen.
GLeich wie das Erste Gebot / das Hertz vnterweiset(Rechter verstand des andern Gebots.) / vnd den Glauben gelehret hat /
Also führet vns diß Gebot heraus / vnd richtet den Mund vnd die Zunge gegen
Gott. Denn das Erste / so aus dem Hertzen bricht / vnd sich erzeigt / sind die
Wort / wie ich nu droben gelehret habe zu antworten / Was da heisse / Einen Gott
haben / Also mustu auch den Verstand dieses vnd aller Gebot lernen einfeltig
fassen / vnd von dir sagen. Wenn
|| [ID00194]
man nu fragt / Wie
verstehestu das Ander Gebot / oder was heisst / GOttes Nahmen vergeblich führen
/ oder mißbrauchen? Antwort auffs kürtzte also: Das heisst Gottes Namen
mißbrauchen / wenn man Gott den HERRN nennet / welcherley weise es geschehen mag
/ zur Lügen oder allerley Vntugend. Darumb ist so viel geboten / daß mann GOttes
Nahmen nicht felschlich anziehe / oder in Mund nehme / da das Hertz wol anders
weis / oder je anders wissen sol / als vnter denen / die für Gericht schweren /
vnd ein Theil dem andern leuget. Denn Gottes Nahmen kan man nicht höher
mißbrauchen / denn damit zu liegen vnd triegen. Das lasse das Teutsch / vnd
leichtesten Verstand dieses Gebots bleiben.
Aus diesem kan nu jederman selbs wol außrechnen / wenn vnd (Mißbrauch Göttliches Nahmens.) wie mancherley
Gottes Nahme mißbrauchet wird / wiewol alle mißbreuche zuerzehlen nicht müglich
ist / doch kürtzlich außzurichten / geschicht aller Mißbrauch Göttliches Nahmens
/ Erstlich / in Weltlichen Hendeln vnd Sachen / so Gelt / Gut / Ehre betreffen /
es sey öffentlich für Gericht / auff dem Marckt / oder sonst / da man schweret /
vnd falsche Eyde thut auff GOttes Nahmen / oder die Sache auff seine Seele
nimpt. Vnnd sonderlich ist solchs viel ganghafftig in Ehesachen / da jhrer zwey
hingehen / einander heimlich geloben / vnd darnach verschweren. Allermeist aber
gehet der Mißbrauch in Geistlichen sachen / die das Gewisser belangen / wenn
falsche Prediger auffstehen / vnd jhren Lügentand für Gottes Wort dargeben.
Siehe / das heisset sich alles vnter Gottes Nahmen geschmücket / oder schöne
wollen seyn / vnd recht haben / es geschehe in groben Welthendeln / oder hohen
subtilen Sachen des Glaubens vnd der Lehre. (Lestermeuter.) Vnd vnter die Lügener gehören auch die Lestermeuler /
nicht allein die gar groben / jederman wol bekand / die da ohne schew Gottes
Namen schenden / (welche nicht in vnsere / sondern in des Henckers Schule
gehören) Sondern auch die / so die Warheit vnd Gottes Wort öffentlich lestern /
vnd dem Teuffel geben / Dauon jetzt nicht Noth weiter zu sagen.
(Tügen mit Gottes Namen bestetigen.)
HIE lasst vns nun lernen / vnd zu Hertzen fassen / wie gros an diesem Gebot
gelegen ist / daß wir vns mit allem fleis hüten / vnd schewen / für allerley
Mißbrauch des heiligen Nahmens / als für der höhesten Sünde / so eusserlich
geschehen kan. Denn liegen vnd triegen ist an jhm selbs grosse Sünde / wird aber
viel schwerer / wenn man sie noch rechtfertigen wil / vnd sie zu bestetigen /
Gottes Nahmen anzeucht / vnd zum Schanddeckel machet. Also / daß aus einer Lügen
ein zweyfeltige / ja vielfeltige Lügen wird.
|| [85]
Darumb hat Gott diesem Gebot auch ein ernstlich Drewwort(Drewwort so dem Andern Gebot angehenget.)
angehenget / das heisset also: Denn der HERR wird den nicht vnschüldig halten /
der seinen Nahmen vergeblich führet / Das ist / Es sol keinem geschenckt werden
/ noch vngestrafft abgehen. Denn so wenig Er wil vngerochen lassen / daß mann
das Hertz von jhm wende / so wenig wil er leiden / daß mann seinen Nahmen führe
/ die Lügen zu beschönen. Nun ist es (leider) ein gemeine Plage in aller Welt /
daß ja so wenig sind / die nicht Gottes Nahmen zur Lügen / vnd aller Boßheit
brauchen / so wenig als jhrer sind / die alleine von Hertzen auff Gott
vertrawen.
Denn diese schöne Tugend / haben wir von Natur alle an vns /(Sünd vnd Schande mit Gottes Namen schmücken.) daß
/ wer eine Schalckheit gethan hat / gerne wolt seine Schande decken vnd
schmücken / daß niemand sehe noch wüsste / vnd ist keiner so verwegen / der sich
begangener Boßheit für jederman rhüme / wöllens alle meuchling gethan haben /
ehe mans gewar wird. Greiffet man denn einen an / so muß Gott mit seinem Namen
herhalten / vnd die Büberey from / die Schande zu ehren machen. Das ist der
gemeine Welt laufft / wie eine grosse Sündflut eingerissen in allen Landen.
Darumb haben wir auch zu Lohn / was wir suchen vnnd verdienen / Pestilentz /
Krieg / Thewrung / Fewr / Wasser / vngeraten Weib / Kinder / Gesinde / vnd
allerley Vnrath. Wo solt sonst des Jamers so viel herkommen? Es ist noch grosse
Gnade / daß vns die Erde tregt vnd nehret.
Darumb solt man für allen dingen das Junge Volck ernstlich darzu halten vnd
gewehnen / daß sie dieses / vnd andere Gebot hoch für Augen hetten / vnd wo sie
vbertretten / flugs mit der Ruten hinter jhnen her seyn / vnd das Gebot
fürhalten / vnd jmmer einblewen / auff daß sie also auffgezogen würden / nicht
allein mit Straffe / sondern zur Schew vnd Furcht für Gott.
SO verstehestu nun / Was Gottes Nahmen mißbrauchen(Mißbrauch vnd rechter brauch Göttliches Nahmens.) heisse / Nemlich
(auffs kürtzt zu wiederholen) entweder blos zur Lügen / vnd etwas vnter dem
Nahmen außgeben / das nicht ist / oder zu fluchen / schweren / zeubern / Vnd
Summa / Wie mann mag Boßheit außzurichten. Daneben mustu auch wissen / wie man
des Nahmens recht brauche / denn neben dem Wort / als er sagt: Du solt Gottes
Namen nicht vergeblich brauchen / gibt Er gleichwol zuuerstehen / daß mann sein
wol brauchen solle. Denn er ist vns eben darumb offenbaret vnd gegeben / daß er
im
|| [ID00196]
Brauch vnd Nutz sol stehen. Darumb schleust sichs nun
selbs / weil hie verboten ist / den heiligen Nahmen zur Lügen oder Vntugend zu
führen / daß wiederumb geboten ist / jhn zur Warheit / vnd allem guten zu
gebrauchen / Als nemlich / so man recht schweret / wo es noth ist / vnd
gefoddert wird. Also auch / wenn man recht lehret / Item / wenn man den Namen
anruffet in nöthen / lobet vnd dancket im guten / etc. Welchs alles zu hauff
gefasset vnd geboten ist in dem Spruch / Psal. 50. Ruffe mich an zur zeit der
Noth / So wil ich dich erretten / So soltu mich preisen. Denn das heisset alles
jhn zur Warheit angezogen / vnd seliglich gebrauchet / vnd wird also sein Nahme
geheiliget / wie das Vater vnser betet.
(Christus verbeut zu schweren.)
ALso hastu die Summa des gantzen Gebots erkleret. Vnd aus diesem Verstand hat
mann die Frage leichtlich auffgelöset / damit sich viel Lehrer bekümmert haben /
warumb im Euangelio verboten ist zu schweren / so doch Christus / Sanct Paulus /
vnd andere Heiligen offt geschworen haben. Vnd ist kürtzlich (Zum guten sol man schwe ren / aber nicht zum
bösen.) diese meinung: Schweren sol man nit zum bösen / das ist / zur Lügen
/ vnd wo es nicht noth noch nütz ist / aber zum guten vnd des Nehesten Besserung
/ sol man schweren. Denn es ist ein recht gut Werck / dadurch Gott gepreiset /
die Warheit vnd Recht bestetigt / die Lügen zu rück geschlagen / die Leute zu
Frieden bracht / Gehorsam geleistet / vnd Hader vertragen wird / Denn Gott kömpt
selbs da ins Mittel / vnd scheidet Recht vnd Vnrecht / böse vnd gut von einander
/ schweret ein Theil falsch / so hat es sein Vrtheil / daß der straffe nicht
wird entlauffen / vnd ob es ein weile lang anstehet / sol jhnen doch nichts
gelingen / Daß alles / so sie damit gewinnen / sich vnter den Henden
verschleisse / vnd nim̅er frölich genossen werde / wie ich an
vielen erfahren habe / die jhr Eheliche Gelübde verschworen haben / daß sie
darnach keine gute Stunde / oder gesunden Tag gehabt haben / vnd also beyde an
Leib / Seele vnd Gut / dazu jemmerlich verdorben sind.
(Jugend sol mit ernst vermahnet werden / Gottes Namen recht
zu führen.)
Derhalben sage vnd vermahne ich / wie vor / daß man die Kinder bey zeit angewehne
/ mit warnen vnd schrecken / wehren vnnd straffen / daß sie sich schewen für
Lügen / vnd sonderlich Gottes Nahmen dazu zuführen / Denn wo man sie so lesset
hingehen / wird nichts guts daraus / wie jetzt für Augen / daß die Welt böse
ist / denn sie je gewesen / vnnd kein Regiment / Gehorsam / Trewe / noch Glaube
/ Sondern eytel verwegene vnbendige Leute / an den kein lehren noch straffen
hilfft / welchs alles Gottes Zorn vnd Straffe ist / vber solche muthwillige
Verachtung dieses Gebots.
|| [86]
Zum Andern / Sol man sie auch wiederumb treiben vnd reitzen / Gottes Nahmen zu
ehren / vnd stetig im Mund zu haben / in allem / was jhnen begegnen / vnd vnter
Augen stossen mag / Denn das ist die rechte Ehre des Nahmens / daß man sich
alles Trostes zu jhm versehe / vnd jhn darumb anruffe / Also / daß das Hertz
(wie droben gehöret) zuuor durch den Glauben GOTT seine Ehre gebe / darnach der
Mund durch das Bekentnis.
Solchs ist auch ein selige nützliche Gewonheit / vnd sehr krefftig(Nutz vnd Frucht / so Gottes Name recht gebraucht
wird.) wieder den Teuffel / der jmmerdar vmb vns ist / vnd darauff lauret
/ wie er vns möchte zu Sünde vnd Schande / Jam̅er vnd Noth bringen
/ aber gar vngerne höret / vnd nicht lang bleiben kan / wo mann Gottes Namen von
Hertzen nennet vnd anruffet / vnd solt vns mancher schrecklicher vnd grewlicher
Fall begegnen / wo vns GOtt nicht durch anruffen seines Nahmens erhielte. Ich
habe es selbs versucht vnd wol erfahren / daß offt plötzlicher grosser Vnfal /
gleich in solchem ruffen sich gewendet hat / vnd abgangen ist. Dem Teuffel zu
leid (sag ich) solten wir den heiligen Nahmen jmmerdar im Mund führen / daß er
nicht schaden kündte / wie er gerne wolt.
Darzu dienet auch / daß man sich gewehne / täglich Gotte zu befehlen / mit Seel
vnd Leib / Weib / Kind / Gesinde / vnd was wir haben / für alle zufellige Noth /
Daher auch das Benedicite, Gratias,(Benedicite, Gratias.) vnd andere Segen / Abends
vnd Morgens kom̅en vnd blieben sind. Item / Die Kinder vbung / daß
man sich segene / wenn man etwas vngehewres vnd schreckliches siehet oder höret
/ vnd spreche: HERR Gott behüte / hilff lieber HErr Christe / oder dergleichen.
Also auch wiederumb / wenn jemand etwas guts vngedacht wiederfehret / wie gering
es auch ist / daß man spreche: Gott sey gelobet vnd gedancket / das hat mir Gott
bescheret / etc. Wie man vormals die Kinder gewehnet hat / Sanct Niclaus / vnd
andern Heiligen zu fasten vnd beten. Solches were Gott angenehme vnd gefelliger
/ denn kein Closter Leben / noch Cartheuser Heiligkeit.
GIehe / also möcht man die Jugend Kindlicher(Weise /
die Jugend inn Gottesfurcht auffzuziehen.) weise vnd spielens
auffziehen / in Gottes Furcht vnd Ehre / daß das Erste vnd Ander Gebot fein im
schwang vnd steter Vbung giengen. Da kündte etwas guts bekleiben / auffgehen /
vnd Frucht schaffen / daß solche Leute erwüchsen / der ein gantz Land geniessen
vnd fro werden möchte. Das were auch die rechte weise Kinder wol zu ziehen /
weil man sie mit gutem vnd Lust kan gewehnen / Denn was man alleine mit Ruten
vnd schlegen sol zwingen / da wird keine gute
|| [ID00198]
Art aus / vnd
wenn mans weit bringet / so bleiben sie doch nicht lenger from / denn die Rute
auff dem Nacken ligt / aber hie wurtzelt es ins Hertze / daß man sich mehr für
GOtt / denn für der Ruten vnd Knüttel fürchtet. Das sage ich so einfeltig für
die Jugend / daß es doch einmal eingehe / Denn weil wir Kindern predigen /
müssen wir auch mit jhnen lallen. Also haben wir den Mißbrauch Göttliches
Nahmens verhütet / vnd den rechten Brauch gelehret / welcher nicht allein in
Worten / sondern auch in der vbung vnd Leben stehen sol / daß man wisse / daß
solchs Gotte hertzlich wol gefalle / vnd wölle es so reichlich belohnen / so
grewlich als Er jenen Mißbrauch straffen wil.
|| [87]
Du solt den Feyertag heiligen.
FEyertag haben wir genennet nach dem Ebreischen Wörtlein Sabbath / welchs
eigentlich heisset Feyren / das ist / müssig stehen von der Arbeit / daher wir
pflegen zu sagen / Feyerabend machen / oder Heiligen Abend geben. Nu hat Gott im
Alten Testament den Siebenden Tag außgesondert / vnd auff gesetzet zu feyren /
vnd geboten denselbigen für allen andern heilig
|| [ID00200]
zu halten /
vnd dieser eusserlichen Feyer nach / ist diß Gebot alleine den Jüden gestellet /
daß sie solten von groben Wercken stille stehen / vnd rugen / auff daß sich
beyde Mensch vnd Viehe wieder erholeten / vnd nicht von steter Arbeit geschwecht
würden. Wiewol sie es hernach allzu enge spanneten / vnd gröblich mißbrauchten /
daß sie es auch an Christo lesterten / vnd nicht leiden kundten solche Wercke /
die sie doch selbs daran theten / wie mann im Euangelio lieset / Gerade / als
solt das Gebot damit erfüllet seyn / daß man gar kein eusserlich Werck thete /
welchs doch nicht die meinung war / sondern endlich die / daß sie den Feyer oder
Rugetag heiligten / wie wir hören werden.
Darumb gehet nu diß Gebot / nach dem groben Verstand / vns Christen nichts an /
denn es ein gantz eusserlich ding ist / wie andere Satzunge des Alten Testaments
/ an sonderliche weise / Person / Zeit vnd Stete gebunden / welche nun durch
Christum alle frey gelassen (Christen
feyren.) sind. Aber einen Christlichen Verstand zu fassen / für die
Einfeltigen / was Gott in diesem Gebot von vns foddert / so mercke daß wir
Feyertag halten / nicht vmb der verstendigen vnd gelehrten Christen willen /
denn diese dürffens nirgend zu / Sondern erstlich auch vmb leiblicher Vrsach vnd
Notturfft willen / welche die Natur lehret vnd foddert / für den gemeinen
Hauffen / Knecht vnd Megde / so die gantze Wochen jhrer Arbeit vnd Gewerbe
gewartet / daß sie sich auch einen Tag einziehen zu rugen vnd erquicken. Darnach
allermeist darumb / daß man an solchem Rugetage (weil man sonst nicht dazu
kommen kan) raum vnd zeit nehme / Gottesdienstes zu warten / Also / daß man zu
hauffe komme / Gottes Wort zuhören vnd handeln / darnach Gott loben / singen vnd
beten.
(Feyertag frey bey den Christen.)
Solchs aber (sage ich) ist nicht also an Zeit gebunden / wie bey den Jüden / daß
es müsse eben dieser oder jener Tag seyn / Denn es ist keiner an jhm selbs
besser / denn der ander / sondern solt wol täglich geschehen / aber weil es der
Hauffe nicht warten kan / muß man je zum wenigsten einen Tag in der Woche darzu
außschiessen. Weil aber von alters her der Sontag dazu gestellet ist / sol mans
auch dabey bleiben lassen / auff daß es in eintrechtiger Ordnung gehe / vnd
niemand durch vnnötige Newerung ein Vnordnung mache. Also ist das die einfeltige
Meinung dieses Gebots / weil man sonst Feyertag helt / daß man solche Feyer
anlege / Gottes Wort zu lernen / Also / daß dieses Tages eigentlich Ampt sey /
das Predigampt / vmb des Jungen Volcks / vnd armen Hauffens willen / doch daß
das Feyren nicht so enge gespannet / daß darumb andere zufellige Arbeit / so man
nicht vmbgehen kan / verboten were.
|| [88]
DErhalben / Wenn man fragt / waß da gesagt sey /(Feyertag heiligen.) Du solt den Feyertag heiligen? So antworte / Den
Feyertag heiligen / heisst so viel / als heilig halten. Was ist denn heilig
halten? Nichts anders / denn heilige Wort / Werck / vnd Leben führen / Denn der
Tag darff für sich selbs keins heiligens nicht / denn er ist an jhm selbs heilig
geschaffen / GOTT wil aber haben / daß er dir heilig sey. Also wird er deinet
halben heilig vnd vnheilig / so du heilige vnd vnheilige ding daran treibest.
Wie gehet nu solchs heiligen zu? Nicht also / daß man hinter dem Ofen sitze /
vnd keine grobe Arbeit thue / oder ein Krantz auffsetze / vnd sein beste Kleider
anziehe / Sondern (wie gesagt) daß man Gottes Wort handele / vnd sich darinn
vbe.
Vnd zwar wir Christen sollen jmmerdar solchen Feyertag halten(Feyertag der Christen.) / eytel heilig ding
treiben / das ist / täglich mit Gottes Wort vmbgehen / im Hertzen vnd Mund
vmbtragen. Aber weil wir (wie gesagt) nicht alle Zeit / vnd Müsse haben / müssen
wir die Wochen etliche Stunde für die Jugend / oder zum wenigsten einen Tag für
den gantzen Hauffen dazu brauchen / daß man sich alleine damit bekümmere / vnnd
eben die Zehen Gebot / den Glauben / vnd Vater vnser treibe / vnd also vnser
gantzes Leben vnd wesen / nach Gottes Wort richte. Welche zeit nun das im
schwang vnd vbung gehet / da wird ein rechter Feyertag gehalten / wo nicht / so
sol es kein Christen Feyertag heissen / Denn feyren vnd müssig gehen / können
die Vnchristen auch wol / wie auch das gantze Geschwürm vnser Geistlichen /
täglich in der Kirchen stehen / singen vnd klingen / Heiligen aber keinen
Feyertag nicht / denn sie kein Gottes Wort predigen noch vben / sondern eben
dawieder lehren vnd leben.
Denn das Wort Gottes / ist das Heiligthumb vber alle Heiligthumb(Gottes wort vnser Heiligthumb.) / ja das einige /
das wir Christen wissen vnd haben / Denn ob wir gleich aller Heiligen Gebeine /
oder heilige vnnd geweihete Kleider auff einen hauffen hetten / so were vns doch
damit nichts geholffen / Denn es alles tod ding / das niemand heiligen kan. Aber
Gottes Wort ist der Schatz / der alle ding heilig machet / dadurch(Gottes wort heiliget alles.) sie selbs / die
Heiligen alle / sind geheiliget worden. Welche Stunde man nu Gottes Wort handelt
/ prediget / höret / lieset oder bedencket / so wird dadurch Person / Tag / vnd
Werck geheiliget / nicht des eusserlichen Wercks halben / sondern des Worts
halben / so vns alle zu Heiligen machet. Derhalben sage ich alle zeit / daß alle
vnser Leben vnd Werck in dem Wort Gottes gehen müssen / sollen sie GOtt gefellig
oder heilig heissen / wo das geschicht / so gehet diß Gebot in
|| [ID00202]
seiner Krafft vnd Erfüllung. Wiederumb / was für Wesen vnd Werck ausser
Gottes Wort gehet / das ist für Gott vnheilig / es scheine vnd gleisse wie es
wölle / wenn mans mit eitel Heiligthumb behienge / als da sind die ertichte
Geistliche Stende / die Gottes Wort nicht wissen / vnd in jhren Wercken
Heiligkeit suchen.
(Heilige Vbung.)
DArumb mercke / daß die Krafft vnd Macht dieses Gebots stehet nicht in feyren /
sondern in heiligen / Also / daß dieser Tag eine sonderliche heilige vbung habe.
Denn andere Arbeit vnd Gescheffte / heissen eigentlich nicht heilige vbunge / es
sey denn der Mensch zuuor heilig / Hie aber muß ein solch Werck geschehen /
dadurch ein Mensch selbs heilig werde / welchs alleine (wie gehöret) durch
Gottes Wort geschicht / dazu denn gestifftet vnd geordnet sind / Stete / Zeit /
Personen / vnd der gantze eusserliche Gottesdienst / daß solchs auch öffentlich
im schwange gehe.
Weil nu so viel an Gottes Wort gelegen ist / daß ohne dasselbige kein Feyertag
geheiliget wird / sollen wir wissen / daß GOTT diß Gebot strenge wil gehalten
haben / vnnd straffen alle / die sein Wort verachten / nicht hören noch lernen
wöllen / sonderlich die Zeit / so dazu geordnet ist. Darumb sündigen wieder diß
Gebot / nicht alleine / (Den Feyertag
verunheiligen.) die den Feyertag gröblich mißbrauchen / vnd verunheiligen /
als die vmb jhres Geitzes oder Leichtfertigkeit willen / Gottes Wort nachlassen
zu hören / oder in Tabernen ligen / toll vnd voll sind / wie die Sew / sondern
auch der ander Hauffe / so Gottes Wort hören / als ein andern Thand / vnd nur
aus gewonheit zur Predigt vnd wieder heraus gehen / vnd wenn das Jahr vmb ist /
können sie hewer so viel als fert. Denn bißhero hat man gemeinet / es were wol
gefeyret / wenn mann des Sontags eine Messe / oder das Euangelium hette hören
lesen / Aber nach Gottes Wort hat niemand gefragt / wie es auch niemand gelehret
hat.
(Nicht gnug ists / Gottes Wort hören / etc.)
Jetzt / weil wir Gottes Wort haben / thun wir gleichwol den Mißbrauch nicht abe /
lassen vns jmmer predigen vnd vermahnen / hörens aber ohn ernst vnd sorge. Drumb
wisse / daß nicht allein vmbs hören zu thun ist / sondern sol auch gelernet vnd
behalten werden / vnd dencke nicht / daß es in deiner wilköre stehe / oder nicht
grosse macht daran lige / sondern daß Gottes Gebot ist / der es foddern wird /
wie du sein Wort gehört / gelernet / vnd geehret hast.
(Ekele Geister.)
Deßgleichen sind auch zu straffen die ekelen Geister / welche / wenn sie eine
Predigt oder zwo gehört haben / sind sie es satt vnd vberdrüssig / als die es
nun selbs wol können / vnd keines Meisters mehr
|| [89]
dürffen / Denn das ist eben die Sünde / so man bißher vnter die Todsünde
gezehlet hat / Vnd heisset: Akidia, Das ist / Tragheit
oder(Tragheit oder vberdrus.) Vberdruß / ein
feindselige / schedliche Plage / damit der Teuffel vieler Hertzen bezeubert vnd
betreugt / auff daß er vns vbereile / vnd das Wort Gottes wieder heimlich
entziehe.
Denn das lasse dir gesagt seyn / ob du es gleich auffs beste küntest(???) / vnd aller dinge Meister werest / so bistu
doch täglich vnter des Teuffels Reich / der weder Tag noch Nacht ruget dich zu
beschleichen / daß er in deinem Hertzen / Vnglauben / vnd böse Gedancken /
wieder die vorigen vnd alle Gebot / anzünde / Darumb mustu jmmerdar Gottes Wort
im Hertzen / Mund / vnd für den Ohren haben / Wo aber das Hertz müssig stehet /
vnd das Wort nicht klinget / so bricht er ein / vnd hat den Schaden gethan / ehe
mans gewahr wird. Wiederumb hat es die Krafft / wo mans mit ernst betrachtet /
höret(Krafft Gottes Worts.) vnd handelt /
daß es nimmer ohne Frucht abgehet / Sondern alle zeit newen Verstand / Lust /
vnd Andacht erwecket / rein Hertz vnd Gedancken machet / Denn es sind nicht
faule noch todte / sondern schefftige lebendige Wort. Vnd ob vns gleich kein
ander Nutz vnd noth triebe / so solt doch das jederman dazu reitzen / daß
dadurch der Teuffel gescheucht vnd verjagt / dazu diß Gebot erfüllet wird / vnd
Gott gefelliger ist / denn alle andere gleissende Heuchelwerck.
|| [ID00204]
Das Vierde Gebot.
BIßher haben wir die ersten drey Gebot gelernet / die da gegen GOTT gerichtet
sind. Zum Ersten / daß mann jhm von gantzem Hertzen vertrawe / fürchte vnd liebe
/ in alle vnserm Leben. Zum Andern / daß mann seines heiligen Nahmens nicht
mißbrauche / zur Lügen / noch einigem bösen Stücke / Sondern zu Gottes Lob /
Nutz vnd Seligkeit des Nehesten / vnd seiner selbs. Zum Dritten / daß man an der
Feyer vnd Ruge / Gottes
|| [90]
Wort mit fleis handele vnd
treibe / auff daß alle vnser thun vnd Leben darnach gehe. Folgen nun die andern
Siebene / gegen vnserm Nehesten gestellet / Vnter welchen das Erste vnd höheste
ist:
Du solt deinen Vater vnd deine Mutter ehren.
DIesem Vater vnd Mutterstand / hat Gott sonderlich den Preis gegeben / für allen
Stenden / die vnter jhm sind / daß er nicht schlechts gebeut / die Eltern lieb
zu haben / sondern zu ehren. Denn gegen Brüdern / Schwestern / vnnd dem Nehesten
in gemein / befiehlt er nichts höhers / denn sie zu lieben / Also / daß er Vater
vnd Mutter scheidet vnd außzeucht / für alle andere Personen auff Erden / vnd
neben sich setzet. Denn es ist viel ein(Ehren höher
denn lieben.) höher ding / Ehren / denn Lieben / als das nicht allein
die Liebe begreifft / sondern auch eine Zucht / Demuth / vnd Schewe / als gegen
einer Majestet alda verborgen. Auch nicht alleine foddert / daß man sie
freundlich / vnd mit Ehrerpietung anspreche / sondern allermeist / daß man sich
beyde von Hertzen / vnd mit dem Leibe also stelle vnd erzeige / daß man viel von
jhnen halte / vnd nach Gott / für die Obersten ansehe. Denn welchen man von
Hertzen ehren sol / den muß man warlich für hoch vnd gros achten.
Also daß man dem Jungen Volck einbilde / jhre Eltern an Gottes(Eltern an Gottes stat.) stat für Augen zu halten
/ vnd also dencken / Ob sie gleich gering / arm / gebrechlich / vnd seltzam
seyen / daß sie dennoch Vater vnd Mutter sind / von Gott gegeben. Des wandels
oder fehls halben sind sie der Ehren nicht beraubet / darumb ist nicht anzusehen
die Person / wie sie sind / sondern Gottes wille / der es also schaffet vnd
ordnet. Sonst sind wir zwar für Gottes Augen alle gleich / Aber vnter vns kan es
ohne solche Vngleicheit / vnnd ördentliche Vnterscheid nicht seyn. Darumb sie
auch von GOtt geboten ist zu halten / daß du mir / als deinem Vater gehorsam
seyest / vnd ich die Oberhand habe.
SO lerne nun zum Ersten / was die Ehre gegen(Wie viel
die Ehre begreiffe.) den Eltern heisse in diesem Gebot gefoddert /
Nemlich / daß man sie für allen dingen herrlich vnd werth halte / als den
höhesten Schatz auff Erden. Darnach auch mit Worten sich züchtig gegen sie
stelle / nicht vbel anfahre / poche / noch boltere / sondern lasse recht haben /
vnd schweige / ob sie gleich zuuiel thun. Zum Dritten auch mit Wercken / das ist
/ mit Leib vnd Gut solche Ehre beweise / daß man jhnen diene / helffe vnd
versorge / wenn sie Alt / Kranck / gebrechlich / oder Arm sind / vnd solches
alles nicht allein gerne / sondern mit
|| [ID00206]
Demuth / vnd
Ehrerbietung / als für Gott gethan. Denn wer das weis / wie er sie im Hertzen
halten sol / wird sie nicht lassen Noth noch Hunger leiden / Sondern vber vnd
neben sich setzen / vnd mittheilen / was er hat vnd vermag.
(Grosse vnd beste gute Wercke in diesem Gebot fürgelegt.)
ZVm Andern / Siehe vnd mercke / wie gros vnd heilig Werck allhie den Kindern
fürgelegt ist / welchs mann (leider) gar verachtet / vnd in Wind schlegt / vnd
niemand wahrnimpt / daß es Gott geboten habe / oder daß es ein heilig Göttlich
Wort vnd Lehre sey. Denn wenn mans dafür gehalten hette / hette ein jeglicher
daraus können nehmen / daß auch heilige Leute müsten seyn / die nach diesen
Worten lebten / so hette man kein Closterleben noch Geistliche Stende dürffen
auffwerffen / were ein jeglich Kind bey diesem Gebot blieben / vnd hette sein
Gewissen können richten gegen GOtt / vnd sprechen / Sol ich gute vnd heilige
Wercke thun / so weis ich je kein bessers / denn meinen Eltern alle Ehre vnd
Gehorsam zu leisten / weil es Gott selbs geheissen hat / Denn was Gott gebeut /
muß viel vnd weit edler seyn / denn alles was wir selbs mügen erdencken / vnd
weil kein höher noch besser Meister zu finden ist / den̅ Gott /
wird freylich auch kein besser Lehre seyn / denn Er von sich gibt. Nun lehret er
je reichlich / was mann thun sol / wenn man rechtschaffene gute Werck wil vben /
vnd in dem / daß ers gebeut / zeuget Er daß sie jhm wol gefallen / Ist es denn
Gott der solchs gebeut / vnd kein bessers weis zu stellen / so werde ichs je
nicht besser machen.
Siehe / also hette man ein fromes Kind recht gelehret / seliglich erzogen / vnd
daheim behalten / im Gehorsam vnd Dienst der Eltern / daß man Guts vnd Frewde
daran gesehen hette / aber also hat man Gottes Gebot nicht müssen auffmutzen /
sondern ligen lassen / oder vberhin rauschen / daß ein Kind nicht bedencken
künte / vnd dieweil das Maul auffsperren / nach dem das wir auffgeworffen haben
/ vnd Gott kein mal darumb begrüsset.
(Vermanung zum Gehorsam.)
DArumb lasst vns ein mal lernen / vmb Gottes willen / daß das Junge Volck / alle
ander ding aus den Augen gesetzt / erstlich auff diß Gebot sehen / wenn sie Gott
mit rechten guten Wercken dienen wöllen / daß sie thun / was Vater vnd Mutter /
oder den sie an jhr stat vnter than sind / lieb ist. Denn welches Kind / das
weis vnd thut / hat zum ersten den grossen Trost im Hertzen / daß es frölich
sagen vnd rhümen kan (zu Trotz vnd wieder allen / die mit eigen erwehlten
Wercken vmbgehen) Sihe / das Werck gefellet meinem Gott im Himmel wol / das weis
ich fürwahr. Lasse sie
|| [91]
mit jhren vielen grossen /
sawren schweren Wercken / alle auff einen hauffen her tretten vnd rhümen / Las
sehen / ob sie jrgend eines erfür bringen kündten / das grösser vnd edler sey /
Denn Vater vnd Mutter gehorsam / so Gott nehesten seiner Majestet gehorsam
gesetzt vnd befolen hat / daß / wenn Gottes Wort vnd willen gehet vnd
außgerichtet wird / sol keins mehr gelten / denn der Eltern willen vnd wort /
Also / daß er dennoch auch vnter Gottes gehorsam bleibe / vnd nicht wieder die
vorigen Gebot gehe.
Derhalben soltu von Hertzen fro seyn / vnd Gotte dancken / daß(Wercke deß Gehorsams gros achten.) er dich darzu
erwelet vnd wirdig gemacht hat / jhm solch köstlich / angeueme werck zu thun.
Vnd halte es nur für groß vnd thewer / ob es gleich das allergeringste vnd
verachteste angesehen wird / nicht vnser wirdigkeit halben / Sondern daß es in
dem Kleinod vnnd Heiligthumb / Nemlich / Gottes Wort vnd Gebot gefasset ist vnd
gehet. O wie thewer soltens alle Cartheuser / Mönche vnd Nonnen keuffen / daß
sie in alle jhrem Geistlichen wesen ein einig Werck für Gott möchten bringen /
aus seinem Gebot gethan / vnd mit frölichem Hertzen für seinen Augen sprechen /
Nu weis ich / daß dir diß Werck wolgefellet. Wo wöllen sie / die arme elende
Leute bleiben / wenn sie für Gott vnd aller Welt / schamrot mit allen schanden
stehen werden / für einem jungen Kind / so in diesem Gebot gelebt hat / vnd
bekennen / daß sie mit alle jhrem leben nicht werth sind gewesen / jhm das
Wasser zu reichen? Geschicht jhnen auch recht / vmb der Teuffelischen verkerung
willen / weil sie Gottes Gebot mit Füssen tretten / daß sie sich vergeblich mit
selbs erdachten Wercken martern müssen / dazu Spot vnd schaden zu lohn haben.
Solt nu nicht ein Hertz springen / vnd von frewden zu fliessen / wenn es zur
arbeit gieng / vnd thete was jhm befohlen were / daß es kündte sagen / Sihe /
das ist besser / denn aller Cartheuser heiligkeit / ob sie sich gleich zu tod
fasten / vnd ohn vnterlas auff den Knien beten. Denn hie hastu einen gewissen
Text / vnd Göttlich Zeugniß / daß er diß geheissen hat / aber von jenem kein
wort befolen. Aber das ist der jammer / vnd eine leidige Blindheit der Welt /
daß solchs niemand gleubt / so hat vns der Teuffel bezeubert / mit falscher
Heiligkeit vnd schein eigener Werck.
Derhalben wolt ich je gerne (sage ich abermal) daß man Augen(Frucht vnd nutz dieser guten Werck.) vnd Ohren
auffthete / vnd solchs zu Hertzen neme / auff daß wir nicht der mahl eins wider
von dem reinen Gottes Wort / auff deß Teuffels Lügenthand verleitet werden / so
würde es auch wol stehen / daß die Eltern desto mehr Frewd / Liebe /
Freundschafft / vnd ein
|| [ID00208]
tracht in Heusern hetten / so
kündten die Kinder den Eltern all jhr Hertz nehmen / Wiederumb wo sie störrig
sind / vnd nicht ehe thun was sie sollen / man lege jhnen denn ein Knüttel auff
den rücken / so erzürnen sie beyde GOTT vnd Eltern / damit sie jhnen selbs
solchen Schatz vnd Frewde des Gewissens entziehen / vnd eytel Vnglück samlen.
Drumb gehets auch jetzt in der Welt also / wie jederman klagt / daß beyde Jung
vnd Alt / gar wild vnd vnbendig ist / kein schew noch Ehre hat / nichts thun /
denn mit schlägen getrieben / vnd hinder eines andern Rücken außrichten vnd
abziehen was sie kündten / darumb auch Gott straffet / daß sie in allen Vnraht
vnd Jamer kom̅en / so können die Eltern gemeiniglich selbs nichts
/ zeucht ein Thor den andern / wie sie gelebt haben / so leben die Kinder
hinnach.
DAs sol nun (sag ich) das erst vnd grösseste seyn / das vns zu diesem Gebot sol
treiben / vmb welchs willen / wenn wir kein Vater vnd Mutter hetten / solten wir
wüntschen / daß vns Gott Holtz vnd Stein fürstellet / die wir Vater vnd Mutter
möchten heissen. Wie viel mehr / weil Er vns lebendige Eltern geben hat / sollen
wir fro werden / daß wir jhnen mögen Ehre vnd Gehorsam erzeigen? Weil wir wissen
/ daß der hohen Majestet vnd allen Engeln so wol gefellet / vnd alle Teuffel
verdreust / dazu das höhest Werck ist / so man thun kan / nach dem hohen
Gottesdienst in den vorigen Geboten gefasset / Also / daß Allmosen geben / vnd
alle andere Werck gegen dem Nehesten / diesem noch nicht gleich sind. Denn Gott
hat diesen Stand oben an gesetzt / ja an seine stat auff Erden gestellet.
Solcher Wille Gottes vnd gefallen / sol vns Vrsach vnd reitzung gnug seyn / daß
wir mit willen vnd Lust theten / was wir kündten.
Dazu sind wirs ja auch schüldig für der Welt / daß wir der Wolthat vnd allem
Guten / so wir von den Eltern haben / danckbar seyen. Aber da regieret abermal
der Teuffel in der Welt / daß die Kinder (Vndanck gegen
Gott vnd Eltern.) der Eltern vergessen / wie wir alle Gottes vergessen
/ vnd niemand dencket / wie vns Gott also neeret / hütet vnd schützet / vnd so
viel guts gibt / an Leib vnd Seele / sonderlich / wenn ein mal eine böse Stunde
kömpt / da zürnen vnd murren wir mit Vngedult / vnd ist alles dahin / was wir
vnser Lebenlang guts empfangen haben. Eben also thun wir den Eltern auch / vnd
ist kein Kind / das solchs erkenne vnd bedencke / der heilige Geist gebe es
denn. Solche Vnarth der Welt kennet Gott wol / darumb erinnert vnd treibet Er
sie mit Geboten / daß ein jeglicher dencke / was jhm die Eltern gethan haben /
so findet er / daß er Leib vnd Leben von jhnen habe / dazu auch erneeret vnd
|| [92]
auff gezogen sey / da er sonst hundert mal in seinem
vnflat erstickt were. Darumb ists recht wol gesagt / von alten weisen Leuten:
DEO, Parentibus & Magistris non potest satis
gratiae rependi. Das ist / Gotte / den Eltern / vnd Schulmeistern / kan
man nimmer gnugsam dancken noch vergelten. Wer das ansiehet vnd bedencket / der
wird wol vngetrieben seinen Eltern alle Ehre thun / vnd sie auff den Henden
tragen / als durch die jhm Gott alles guts gethan hat.
VBer das alles / sol das auch ein grosse vrsach seyn /(Verheissung bey diesem 4. Gebot.) vns desto mehr zu reitzen / daß
Gott an dieses Gebot ein Leibliche Verheissung hefftet / vnd spricht: Auff daß
du langes Leben habst / im Lande da du wohnest / Da siche selbs / wie grosser
ernst Gotte sey / vber diesem Gebot / weil er nicht alleine außdrücket / daß jhm
angenehm sey / Frewde vnd Lust darinne habe / sondern solle auch vns wol
gerahten / vnd zum besten gedeyen / daß wir ein sanfftes süsses Leben mügen
haben mit allem guten. Darumb auch Sanct Paulus Ephes. 6. solchs hoch anzeucht
vnd rhümet / als er spricht: Das ist das erste Gebot / das eine Verheissung hat
/ Auff daß dirs wolgehe / vnd lange lebest auff Erden. Denn wiewol die(Langes Leben.) andern auch jre Verheissung
eingeschlossen haben / ists doch zu keinem so deutlich vnd außgedrückt gesetzt.
Da hastu nu die Frucht vnd das Lohn / daß / wer es helt / sol gute Tage / Glück
vnd Wolfarth haben / wiederumb auch die Straffe / daß / wer vngehorsam ist /
desto ehe vmbkom̅en / vnd des Lebens nicht fro werden sol. Denn
langes Leben haben / heisset die Schrifft nicht(Langes
Leben.) alleine wol betaget werden / sondern alles haben / so zu
langem Leben gehöret / Als nemlich / Gesundheit / Weib vn̅ Kind /
Narung / Friede / gut Regiment / etc. Ohn welche diß Leben nicht frölich
genossen werden / noch die lenge bestehen kan. Wiltu nu nicht Vater vnd Mutter
gehorchen / vnd dich lassen ziehen / so gehorche dem Hencker / gehorchstu dem
nicht / so gehorche dem Streckebein / das ist der Tod. Denn das wil Gott
kurtzumb haben / entweder / so du Ihm gehorchest / liebe vnd dienst thust / daß
Er dirs vberschwencklich vergelte mit allem guten / oder wo du jhn erzürnest /
daß er vber dich schicke / beyde Tod vnd(Hencker vnd
Tod vber die Vngehorsamen.) Hencker. Wo kommen so viel Schelcke her /
die mann täglich hengen / köpffen / vnd radbrechen muß / denn ausdem Vngehorsam
/ weil sie sich nicht mit gut ziehen lassen / daß sie es durch Gottes Straff so
außrichten / daß man Vnglück vnd Hertzleid an jhnen siehet / Denn gar selten
geschicht / daß solche verruchte Leute eines rechten oder zeitigen Tods sterben.
|| [ID00210]
Die Fromen aber vnd gehorsamen haben den segen / daß sie lange in guter ruge
leben / vnd jhr Kinds Kind sehen (wie oben gesagt) ins dritte vnd vierde Glied /
wie man auch erfehret / daß wo feine alte Geschlechte sind / die da wol stehen /
vnd viel Kinder haben / freylich daher komen / daß jhr etliche wol gezogen / vnd
jhre Eltern für augen haben gehabt. Wiederumb stehet geschrieben / von den
Gottlosen / Psalm. 109. Seine Nachkomen müssen außgerottet werden / vnd jhr Name
müsse in einem Glied vntergehen. Derhalben lasse dirs gesagt seyn / wie gros
ding es ist bey GOtt vmb den Gehorsam / weil er jhn so hoch setzet / jhm selbs
so wol gefallen lesset / vnd reichlich belohnet / dazu so strenge darüber helt /
zu straffen die dawieder thun.
Das rede ich alles / daß manß dem jungen Volck wol einblewe / denn niemand gleubt
/ wie diß Gebot so nötig ist / doch bißher vnter dem Bapsthumb nicht geachtet
noch gelehret / Es sind schlechte vnd leichte wort / meinet jederman / er künte
es vorhin wol / darumb feret man vberhin / vnd gaffet nach andern dingen / sihet
vnd gleubet nicht / daß man Gott so hoch erzürnet / wenn man diß lesst anstehen
/ noch so köstlich / angenehme werck thut / so man dabey bleibt.
(Alle Oberkeit von den Eltern.)
IN dieses Gebot gehöret auch weiter zu sage̅ / von allerley
gehorsam gegen Oberpersonen / die zugebieten vnd zuregieren haben. Denn auß der
Eltern Oberkeit / fleusst vnd breitet sich auß alle andere. Denn wo ein Vater
nicht allein vermag sein Kind auffzuziehen / nimpt er ein Schulmeister dazu /
der es lere / ist er zu schwach / so nimpt er seine Freunde oder Nachbar zu
hülff / gehet er abe / so befihlt er vnd vbergibt das Regiment vnd oberhand
andern / die man dazu ordnet. Item / so muß er auch Gesind / Knecht vnd Megde
zum Haußregiment vnter jhm haben / Also / daß alle / die man Herrn heisset / an
der Eltern stat sind / vnd von jhnen krafft vnd macht zu regieren nemen müssen.
Daher sie auch nach der Schrifft alle Väter heissen / als die in jhrem Regiment
das Vaterampt treiben (Väter heissen alle die
regieren.) / vnd Väterlich Hertz gegen den jhren tragen sollen / wie auch
von alters her die Römer vnd andere sprachen / Herrn vnd Frawen im Hauß / (Patres vnd Matresfamilias) das
ist / Haußväter vnd Haußmütter genennet haben. Also auch jre Landsfürsten vnd
Oberherrn / haben sie Patres Patriae, das ist / Väter
des gantzen Landes geheissen / Vns / die wir Christen seyn wöllen / zu grossen
schanden / daß wir sie nicht auch also heissen / oder zum wenigsten dafür halten
vnd ehren.
Was nu ein Kind Vater vnd Mutter schüldig ist / sind auch
|| [93]
schüldig alle die ins Haußregiment gefasset sind. Darumb sollen Knechte vnd
Megde zusehen / das sie jhren Herrn vnd Frawen nicht allein gehorsam seyn /
sondern auch in Ehren halten / als jhre eigene Väter vnd Mütter / vnd thun alles
/ was sie wissen / daß man von jhnen haben wil / nicht auß zwang vnd widerwillen
/ sondern mit lust vnd frewden / eben vmb voriger vrsach willen / daß es Gottes
Gebot ist / vnd jhm für allen andern Wercken wolgefellet / vmb welches willen
sie noch Lohn solten zugeben / vnd fro werden / daß sie Herrn vnd(Ehre vnd gehorsam gegen Herrn vnd Frawen.) Frawen
möchten vberkommen / solch frölich gewissen haben / vnd wissen / wie sie rechte
güldene Werck thun solten / welches bißher verblichen vnd verachtet / vnd dafür
jederman ins Teuffels Namen in Kloster / zu Walfart vnd Ablaß gelauffen ist /
mit schaden vnd bösem Gewissen.
Wenn man nu solchs künt dem armen Volck einbilden / so würd ein Meigdlein in
eitel sprüngen gehen / Gott loben vnd dancken / vnd mit seuberlicher Arbeit /
dafür sie sonst narung vnd lohn nimpt / solchen Schatz kriegen / den alle / die
man für die heiligsten achtet / nicht haben. Ists nicht ein trefflicher rhum /
das zu wissen vnd sagen / Wenn du dein tägliche Haußarbeit thust / daß besser
ist / denn aller(Rhum vnd nutz dieses
gehorsams.) Mönche heiligkeit vnd strenges leben? Vnd hast dazu die
zusagung / daß dir zu allem guten gedeyen sol vnd wolgehen / wie wiltu seliger
seyn / oder heiliger leben / so viel die Werck betrifft? Denn für GOtt
eigentlich der Glaube heilig machet / vnd alleine jhm dienet / die werck aber
den Leuten. Da hastu alle hut / schutz vnd schirm vnter dem Herrn / ein frölich
Gewissen / vnd gnedigen Gott dazu / der dirs hundertfeltig vergelten wil / vnd
bist gar ein Juncker / wenn du nur from vnd gehorsam bist. Wo aber nicht / hastu
erstlich eitel Zorn vnd vngnade von Gott / kein Friede im Hertzen / darnach alle
Plage vnnd Vnglück.
Welchen nu solchs nicht bewegen wil vnd from machen / den befehlen wir dem
Hencker vnd Streckebein. Darumb dencke ein jeglicher / der jhm wil sagen lassen
/ daß Gotte kein schertz ist / vnd wisse daß Gott mit dir redet / vnd gehorsam
foddert / Gehorchstu Ihm / so bistu dasliebe Kind / Verachtestu es aber / so
habe auch schande / jammer vnd Hertzleid zu lohn.
DEßgleichen ist auch zu reden von gehorsam Weltlicher(Gehorsam Weltlicher Oberkeit.) Oberkeit / welche (wie gesagt) alle in
den Vaterstand gehöret / vnd am allerweitesten vmb sich greiffet / Denn hie ist
nicht ein einzeler Vater / sondern so viel mal Vater / so viel er Landsassen /
Bür
|| [ID00212]
ger oder Vntherthane hat / denn Gott gibt
vnd erhelt vns durch sie / als durch vnsere Eltern / Nahrung / Haus vnd Hoff /
Schutz vnd Sicherheit. Darumb weil sie solchen Nahmen vnd Titel / als jhren
höhesten Preis / mit allen Ehren führen / sind wir auch schüldig / daß wir sie
ehren vnd gros achten / für den thewersten Schatz / vnd köstlichste Kleinod auff
Erden.
(Gnade vnd segen der gehorsamen vnterthanen.)
Wer nu hie gehorsam / willig / vnd dienstbar ist / vnd gerne thut / alles / was
die Ehre belanget / der weis / daß er Gott gefallen thut / Frewd vnd Glück zu
lohn kriegt. Wil ers nicht mit Liebe thun / sondern verachten vnd sich sperren /
oder rumoren / so wisse er auch wiederumb / daß er kein Gnade noch Segen habe /
vnd wo er ein Gülden damit meynet zu erlauffen / anderswo zehen mal mehr dagegen
verliere / oder dem Hencker zu theile werde / durch Krieg / Pestilentz / vnd
Thewrung vmbkome / oder an seinen Kindern kein guts erlebe / vom Gesinde /
Nachbarn / oder Frembden / vnd Tyrannen / Schaden / Vnrecht vnd Gewalt leiden
müsse / auff daß vns bezahlet werde / vnd heimkomme / was wir suchen vnd
verdienen.
Wenn vns nur ein mal zu sagen were / daß solche Werck GOtt so angenehme sind /
vnd so reichliche Belohnung haben / würden wir in eytel vberschwenglichen Gütern
sitzen / vnd haben / was vnser Hertz begehret. Weil man aber Gottes Wort vnd
Gebot so gar verechtlich helt / als hette es jrgend ein Holhipler geredt / so
las auch sehen / ob du der Man seyest / der jhm entsitzen kündte? Wie schwehr
wirds (Zorn vnd Straffe vber den Vngehorsam.) jhm
wol werden / daß Er dich wieder bezahle? Darumb lebtestu je so mehr mit Gottes
Hulde / Friede vnd Glück / als mit Vngnade vnd Vnglück. Warumb meinestu / daß
jetzt die Welt so voll Vntrew / Schande / Jam̅er vnd Mord ist /
denn daß jederman sein eigen Herr vnd Keyserfrey wil seyn / auff niemand nichts
geben / vnd alles thun / was jhn gelüstet? Darumb straffet Gott einen Buben mit
dem andern / daß / wo du deinen Herrn betreugest oder verachtest / ein ander
komme / der dir wieder also mitfahre / ja daß du in deinem Haus von Weib / Kind
/ oder Gesind zehen mal mehr leiden müssest.
Wir fühlen vnser Vnglück wol / murren vnd klagen vber Vntrew / Gewalt vnd Vnrecht
/ wöllen aber nicht sehen / daß wir selbs Buben sind / die Straffe redlich
verdienet haben / vnd nichts dauon (Woher allerley
Vnglück komme.) besser werden / wir wöllen keine Gnade vnd Glück haben
/ Darumb haben wir billich eytel Vnglück / ohn alle Barmhertzigkeit. Es müssen
noch etwa fromme Leut auff Erden seyn / daß vns Gott noch so viel Guts lesset /
Vnserthalb solten wir kein Heller im Haus / kein strohalmen auff dem Felde
behalten. Das alles habe ich müssen mit
|| [94]
so viel worten
treiben / ob es einmal jemand wolt zu Hertzen nemen / daß wir der Blindheit vnd
Jam̅ers / darinn wir so tieff gelegen sind / möchten los
werden / Gottes Wort vnd Willen recht erkennen vnd mit ernst annehmen. Denn
daraus würden wir lernen / wie wir kündten Frewde / Glück vnd Heyl / zeitlich
vnd ewig gnug haben.
ALso haben wir dreyerley Väter in diesem Gebot(Dreyerley Väter.) fürgestellet / des Geblüts / im Hause vn̅ im Lande / darüber sind auch noch Geistliche Väter / nicht wie
im Bapsthumb / die sich wol also haben lassen nennen / aber kein Väterlich Ampt
geführet / Denn das heissen allein Geistliche Väter / die vns durch Gottes Wort
regieren vnd fürstehen / wie sich Sanct Paulus ein Vater rhümet / 1.(Geistliche Väter oder Obrigkeit.) Corinth. 4. da
er spricht: Ich habe euch gezeuget in Christo JEsu / durch das Euangelium. Weil
sie nu Väter sind / gebürt jhnen auch die Ehre / auch wol für allen andern /
Aber da gehet sie am wenigsten / denn die Welt muß sie so ehren / daß man sie
aus dem Lande jage / vnd nicht ein stück Brods gönne / Vnd Summa / sie müssen
(wie Paulus sagt) der Welt keerich / vnd jederman schabab seyn.
Doch ist noth solchs auch in den Pöbel zu treiben / daß / die da Christen heissen
wöllen / für GOtt schüldig sind / die / so jhrer Seele warten / zweyfacher Ehre
werth zu halten / wol thun vnd versorgen / da wil dir Gott auch gnug zu geben /
vnd keinen mangel lassen. Aber(Seelwarter zwicfacher
Ehren werth.) da sperret vnd wehret sich jederman / haben alle sorge /
daß der Bauch verschmachte / vnd können jetzt nicht einen rechtschaffenen
Prediger neeren / da wir zuuor zehen Mastbeuche gefüllet haben. Damit wir auch
verdienen / daß vns Gott seines Worts vnd Segens beraube / vnd wiederumb
Lügenprediger auffstehen lasse / die vns zum Teuffel führen / dazu vnser Schweiß
vnd Blut außsaugen.
Welche aber GOttes Willen vnd Gebot für Augen halten / haben die Verheissung /
daß jhnen reichlich sol vergolten werden / was sie beyde an Leibliche vnd
Geistliche Väter wenden / vnd jhnen zu Ehren thun / nicht daß sie ein Jahr oder
zwey / Brod / Kleider vnd Gelt haben sollen / sondern langes Leben / Nahrung vnd
Friede / vnd sollen ewig Reich vnd Selig seyn / Darumb thue nur was du schüldig
bist / vnd lasse GOtt dafür sorgen / wie er dich neere vnd gnug schaffe / hat
ers verheissen / vnd noch nie gelogen / so wird er dir auch nicht liegen. Solchs
solt vns je reitzen / vnd ein Hertz machen / das(Was
vns zum Gehorsam bewegen sol.) zu schmeltzen möchte für Lust vnd Liebe
gegen denen / so wir Ehre schüldig sind / daß wir die Hende auffhüben / vnd
frölich GOtte dancketen / der vns solche Verheissunge geben hat / darnach wir
bis an der Welt ende lauffen solten / Denn ob gleich alle Welt zusa
|| [ID]
men thete / vermöchte sie vns nicht ein Stündlein zum
Leben zu legen / oder ein Körnlein ausder Erden zugeben. Gott aber kan vnd wil
dir alles vberschwenglich / nach deines Hertzen lust geben. Wer nu solchs
verachtet / vnd in Wind schlegt / der ist je nicht werth / daß er ein Gottes
Wort höre. Das ist nu zum vberflus gesagt / allen / so vnter diß Gebot gehören.
(Was wiederumb der Eltern vnd der Oberkeit Ampt sey.)
DAneben were auch wol zu predigen den Eltern / vnd was jhr ampt füret / wie sie
sich halten sollen gegen denen / so jhn befohlen sind zu regieren. Welchs /
wiewol es in zehen Geboten nicht außgedrückt stehet / ist es doch sonst an
vielen orten der Schrifft reichlich geboten. Auch wil es Gott eben in diesem
Gebot mit eingebunden haben / als er Vater vnd Mutter nennet / denn Er wil nicht
Buben noch Tyrannen zu diesem Ampt vnd Regiment haben / gibt jhnen auch nicht
darumb die Ehre / das ist / Macht vnd recht zu regieren / daß sie sich anbeten
lassen / sondern dencken / daß sie vnter Gottes gehorsam sind / vnd für allen
dingen sich jhres Ampts / hertzlich vnd trewlich annemen / jhre Kinder / Gesinde
/ Vnterthanen / etc. nicht alleine zu neeren / vnd leiblich zu versorgen /
sondern allermeist zu Gottes lob vnd ehre auffzuziehen / Darumb dencke nicht /
daß solchs zu deinem gefallen vn̅ eigener Wilköre stehe / sondern
daß Gott strenge geboten vnd auffgeleget hat / welchem du auch dafür wirst
müssen antworten.
Da ist nu abermal die leidige Plage / daß niemand solchs warnimpt noch achtet /
gehen hin / als gebe vns Gott Kinder / vnser lust vnd kurtzweil daran zu haben /
das Gesinde / wie eine Kue oder Esel allein zur Arbeit zu brauchen / oder mit
den Vnterthanen vnsers mutwillens zu leben / Lassen sie gehen / als giengs vns
nichts an / was sie lernen / oder wie sie leben / vnd wil niemand sehen / daß
der hohen Majestet befehl ist / die solchs ernstlich wird foddern vnd rechen /
(Vrsach vnd noht die Jugend wol zu leren vnd
ziehen.) noch daß so grosse noth thut / daß man sich der Jugend mit
ernst anneme / denn wöllen wir feine geschickte Leute haben / beyde zu
Weltlichem vnd Geistlichem Regiment / so müssen wir warlich kein fleiß / mühe /
noch kost an vnsern Kindern sparen / sie zu lehren vnd erziehen / daß sie Gott
vnd der Welt dienen mögen / Vnd nicht allein dencken / wie wir jnen Gelt vnd Gut
samlen / denn Gott kan sie wol on vns neeren / vnd reich machen / wie er auch
täglich thut / Darumb aber hat er vns Kinder geben vnd befolen / daß wir sie
nach seinem Willen auffziehen vnd regieren / sonst dürffte er Vater vnd Mutter
nirgend zu. Darumb wisse ein jeglicher / daß er schüldig ist /
|| [95]
bey verlust Göttlicher gnade / daß er seine Kinder für allen dingen
/ zu Gottes furcht vnd erkentniß ziehe / vnd wo sie geschickt sind / auch lernen
vnd studieren lasse / daß man sie / wozu es noht ist / brauchen kündte.
WEnn man nu solchs thete / würde vns Gott auch reichlich segenen(Vermanung für die Eltern) vnd gnade geben / daß
man solche Leute erzöge / der Land vnd Leute gebessert möchten werden / dazu
feine gezogene Bürger / züchtige vnd heusliche Frawen / die darnach fort an /
fromme Kinder vnd Gesinde ziehen möchten. Da dencke nu selbs / wie mördlichen
schaden du thust / wo du dir darinne verseumlich bist / vnd an dir lessest
fehlen / daß dein Kind nützlich vnd seliglich erzogen werdt / dazu alle Sünd vnd
Zorn auff dich bringest / vnd also die Helle andeinen eigen Kindern verdienest /
ob du gleich sonst from vnd heilig werest. Derhalben auch Gott / weil man solchs
verachtet / die Welt so grewlich straffet / daß man kein Zucht / Regiment / noch
friede hat / welchs wir auch alle klagen / sehen aber nicht / daß es vnsere
schuld ist / denn wie wir sie ziehen / so haben wir vngeratene vnd vngehorsame
Kinder vnd Vnterthane. Das sey genug zur vermahnunge / denn solchs in die lenge
zu treiben / gehört auff ein ander zeit.
|| [ID00216]
Du solt nicht tödten.
WIr haben nun außgerichtet / beyde Geistlich vnd Weltlich Regiment / Das ist /
Göttliche vnd Väterliche Obrigkeit vnd Gehorsam. Hie aber gehen wir nu aus
vnserm Haus / vnter die Nachbar / zu lernen / wie wir vnter einander leben
sollen / ein jeglicher für sich selbs / gegen seinem Nehesten. Darumb ist in
die
|| [96]
sem Gebot nicht eingezogen / Gott vnd
die Oberkeit / noch die Macht(Oberkeit gehöret nicht
in diß Gebot.) genom̅en / so sie haben zu tödten. Denn
Gott sein Recht / Vbeltheter zu straffen / der Oberkeit an der Eltern stat
befolen hat / welche vor zeiten / (als man in Mose lieset) jhre Kinder selbs
mussten für Gericht stellen / vnd zum Tod vrtheilen / Derhalben / was hie
verboten ist / ist einem gegen dem andern verboten / vnd nicht der Oberkeit.
Diß Gebot ist nu leicht gnug / vnd offt gehandelt / weil mans jerlich(Zorn jederman verboten / ohn der Oberkeit.) im
Euangelio höret / Matth. 5. Da es Christus selbs auslegt / vnd in eine Summa
fasset / Nemlich / Daß man nicht tödten sol / weder mit Hand / Hertzen / Mund /
Zeichen / Geberden / noch hülffe vnd raht. Darumb ist darin jederman verboten zu
zürnen / außgenommen (wie gesagt) die an Gottes stat sitzen / das ist / Eltern
vnd Oberkeit / Denn Gott vnd was im Göttlichem Stand ist / gebüret zuzürnen /
schelten vnd straffen / eben vmb dere willen / so diß vnd andere Gebot
vbertretten.
Vrsach aber vnd not dieses Gebots ist / daß Gott wol weiß / wie(Vrsach diß Gebot zu stellen.) die Welt böse ist /
vnd diß Leben viel vnglücks hat / darumb hat er diß vnd andere Gebot / zwischen
gut vnd böse gestellet. Wie nun mancherley Anfechtung ist wieder alle Gebot /
Also gehets hie auch / daß wir vnter viel Leuten leben müssen / die vns leid
thun / daß wir vrsach kriegen / jhnen feind zu seyn. Als / wenn dein Nachbar
sihet / daß du besser Hauß vnd Hoff / mehr Guts vnd Glücks von Gott hast / denn
er / so verdreusts jhnen / neidet dich / vnd redet nichts guts von dir.
Also kriegestu viel Feinde / durch deß Teuffels anreitzung / die dir(Wehre vnd schutz wider Gewalt vnd freuel.) kein
guts / weder Leiblich noch Geistlich günnen / wenn man den̅ solche
sihet / so wil vnser Hertz widerumb wüten vnd bluten / vnd sich rechen. Da hebt
sich denn wieder Fluchen vnd schlahen / daraus endlich Jamer vnd Mord folget. Da
kompt nu Gott zuuor / wie ein freundlicher Vater / legt sich ins Mittel / vnd
wil den Hader geschieden haben / daß kein Vnglück darauß entstehe / noch einer
den andern verderbe. Vnd Summa / wil er hiemit ein jeglichen beschirmet /
befreyet / vnd befriedet haben / für jedermans freuel vnd gewalt / vnd diß Gebot
zur Ringmauren / Festen vnd Freiheit gestellet haben / vmb den Nehesten / daß
man jhm kein leid noch schaden am Leibe thue.
GO stehet nu diß Gebot drauff / daß man niemand kein leid thue / vmb jrgend eines
böses Stücks willen / ob ers(Alle vrsach des to
dschlages verboten.) gleich höchlich verdienet / Denn wo Todschlag
verboten ist / da ist auch alle vrsach verboten / daher Todschlag entspringen
mag / Denn mancher / ob er nicht tödtet / so fluchet er doch vnd wüntschet /
|| [ID]
daß / wer es solt am Halse haben / würde nicht weit lauffen.
Weil nu solchs jederman von Natur anhanget / vnd in gemeinem brauch ist / daß
keiner vom andern leiden wil / So wil Gott die Wurtzel vnd vrsprung wegreumen /
durch welche das Hertz wider den Nehesten erbittert wird / vnd vns gewehnen /
daß wir allezeit diß Gebot für Augen haben / vnd vns darin spiegeln / Gottes
willen ansehen / vnd jhm das vnrechte / so wir leiden / befehlen / mit
Hertzlichem vertrawen / vnd anruffen seines Namens / vnd also jene feindlich
scharren vnd zürnen lassen / daß sie thun / was sie kündten. Also / daß ein
Mensch lerne den Zorn stillen / vnd ein gedüldiges sanfftes Hertz tragen /
sonderlich gegen denen / die jhm vrsach zu zürnen geben / das ist / gegen die
Feinde.
(Gantzt Sum ma diß Gebots.)
DArumb ist die gantze Summa dauon (den einfeltigen auffsdeutlichste einzubilde̅ / was da heisse / Nicht tödten) Zum ersten / daß man niemand
leid thue / Erstlich mit der Hand oder that / darnach die Zunge nicht brauchen
lasse / dazu zu reden oder rathen / vber das / keinerley mittel oder weise
brauche noch bewillige / dadurch jemand möchte beleidiget werden / vnd endlich /
daß das Hertze niemand feind sey / noch auß Zorn vnd Haß / bösesgönne. Also /
daß Leib vnd Seele vnschüldig sey an jederman / eigentlich aber an dem / der dir
böses wüntschet oder zufüget / denn dem / der dir guts günnet vnd thut / böses
thun / ist nicht Menschlich / sondern Teuffelisch.
Zum Andern / ist auch dieses Gebots schüldig / nicht allein der da böses thut /
sondern auch wer dem Nehesten guts thun / zuuor komen / wehren / schützen vnd
retten kan / daß jm kein leid noch schaden am Leibe wiederfare / vnd thut es
nicht. Wenn du nu einen nacketen lessest gehen / vnd kündtest jhn kleiden / so
hastu jhn erfrieren lassen / Sihestu jemand hunger leiden / vnd speisest jhn
nicht / so lestu jhn hungers sterben. Also / sihestu jemand zum Tod verurteilet
/ oder in gleicher noth / vnd nicht rettest / so du mittel vnd wege dazu wüstest
/ so hastu jhn getödtet. (Tiebe vnd wolthat entziehen /
heisset auch getödtet.) Vn̅ wird nicht helffen / daß du
fürwendest / du habst keine hülffe / rath noch that dazu gegeben / denn du hast
jhm die Liebe entzogen / vnd der wolthat beraubt / dadurch er bey dem Leben
blieben were.
Darumb heisset auch Gott billich die alle Mörder / so in nöthen vnd fahr Leibs
vnd Lebens / nicht rathen noch helffen / vnd wird gar (Vrtheil Gottes vber die vnbarmhertzigen.) schrecklich Vrtheil vber sie
gehen lassen am Jüngsten tage / wie Christus selbs verkündiget / vnd sprechen /
Ich bin hungerig vnd dürstig gewesen / vnd jhr habt mich nicht gespeiset noch
getrencket / Ich bin ein (Matth. 25.) Gast gewesen
/ vnd jhr habt mich nicht beherberget / Ich bin nacket gewesen / vnd jhr habt
mich nicht bekleidet / Ich bin kranck vnd gefangen
|| [97]
gewesen / vnd jhr habet mich nicht besuchet. Das ist / Ir hettet Mich vnd die
meinen wol lassen hungers / durfts vnd frosts sterben / die wilden Thiere zu
reissen / im Gefengniß verfaulen / vn̅ in nöten verderben lassen.
Was heisset das anders / den̅ Mörder vnd Bluthunde gescholten?
Den̅ ob du solchs nicht mit der that begange̅
haft / so hastu jn doch im Vnglück stecken vnd vmbkomen lassen / so viel an dir
gelegen ist.
Vnd ist eben so viel / als ob ich jemand sehe auff tieffem Wasser fahren vnd
arbeiten / oder in ein Fewr gefallen / vnd kündte jhm die Hand reichen / erauß
reissen vnd retten / vnd doch nicht thete / wie würde ich anders auch für aller
Welt bestehen / den̅ ein Mörder vnd Bößwicht? Darumb ist die
endliche meinung Gottes / daß wir keinem Menschen leid widerfaren lassen /
sondern alles gut vnd liebe beweisen / vnd ist (wie gesagt) eigentlich gegen die
gerichtet / so vnsere Feinde sind / denn daß wir Freunden guts thun / ist noch
eine schlechte Heydnische tugend / wie Christus Matth. 5. sagt.
Da haben wir nu abermal Gottes wort / damit er vns reitzen vnd treiben wil / zu
rechten / edlen / hohen wercken / als Sanfftmut / gedult / vnd summa / Liebe vnd
wolthat gegen vnsern Feinden / Vnd wil vns jm̅erdar erinnern / daß
wir zu rücke dencken des ersten Gebots / daß er vnser Gott sey / das ist / vns
helffen / beystehen / vnd schützen wölle / auff daß er die lust vns zurechen
dempffe.
GOlchs solt man nu treiben vnd blewen / so würden wir gute Werck alle Hend voll
zu thun haben / aber das wehre nicht für die Mönche gepredigt / dem Geistlichen
Stande zu viel abbrochen / der Cartheuser heiligkeit zu nahe / vnd solt wol eben
gute Werck verboten vnd Klöster gereumet heissen. Denn mit der weise würde der
gemeine Christenstand gleich so viel / ja weit vnd viel mehr gelten / vnd
jederman sehen / wie sie die Welt mit falschein heuchlischen schein der
heiligkeit effen vn̅ verfüren / weil sie diß vnd ander Gebot in
wind geschlagen / vnd für vnnötig gehalten / als werens nicht gebot / sondern
Rehte / Vnd daneben vnuerschempt jhren Heuchelstand vnd wercke / für das
volkomenste Leben gerhümet vnd außgeschrien / auff daß sie ja ein gut sanfftes
Leben füreten / on Creutz vnd gedult / Darumb sie auch in die Klöster gelauffen
sind / daß sie von niemand nichts leiden / noch jemand guts thun dürfften. Du
aber wisse / daß diß die rechte /(Rechte gute Werck
wider die Heuchelwerck.) heilige vnd Göttliche Werck sind / welcher Er
sich mit allen Engeln frewet / dagegen alle Menschliche heiligkeit stanck vnd
vnflat ist / dazu nicht anders / denn Zorn vnd Verdamniß verdienet.
|| [ID00220]
Du solt nicht Chebrechen.
DIese Gebot sind nu an jhnen selbs leicht zuuerstehen / auß dem Nehesten. Denn
sie gehen alle dahin / daß man sich hüte für allerley schaden des Nehesten /
Sind aber fein ördentlich gestellet / Zum ersten / auff sein eigene Person /
Darnach fortgefahren (Ehebruch deutlich
außgedruckt.) auff die neheste Person / oder das neheste Gut nach seinem
Leibe / Nemlich / sein Ehelich Gemahel / welchs mit jhm ein Fleisch vnd
|| [98]
Blut ist / Also / daß man jhm an keinem Gut höher
Schaden thun(Ehebruch deutlich außgedruckt.) kan
/ darumb auch deutlich hie außgedrückt wird / daß man jhm keine schande zufügen
sol an seinem Eheweibe. Vnd lautet eigentlich auff den Ehebruch / darumb daß im
Jüdischen Volck so geordnet vnd geboten war / daß jederman muste Ehelich
erfunden werden / Darumb auch die Jugend auffs zeitlichste berahten ward / Also
/ daß Jungfrawen Stand nichts galt / auch kein öffentlich Huren vnd Buben leben
(wie jetzt) gestattet ward / darumb ist der Ehebruch die gemeineste Vnkeuscheit
bey jhnen gewesen.
Weil aber bey vns ein solch schendlich gemeng vnd Grundsuppe aller Vntugend vnd
Büberey ist / ist diß Gebot auch wieder allerley(Summa
dieses Gebots.) Vnkeuscheit gesteilet / wie mann sie nennen mag / vnd
nicht alleine eusserlich die That verbotten / sondern auch allerley Vrsach /
reitzung vnd mittel. Also / daß Hertz / Mund / vnd der gantze Leib keusch sey /
kein raum / hülffe noch raht / zur Vnkeuscheit gebe / vnd nicht allein das /
Sondern auch wehre / schütze vnd rette / wo die Fahr vnd Noth ist / Vnd
wiederumb helffe vnd rahte / daß sein Nehester bey Ehren bleibe. Denn wo du
solchs nachlessest / so du kündtest dafür seyn / oder durch die Finger siehest /
als gienge dichs nicht an / bistu eben so wol schüldig / als der Theter selbs.
Also ist auffs kürtzte zu fassen / so viel gefoddert / daß ein jeglicher / beyde
für sich selbs keusch lebe / vnd dem Nehesten auch dazu helffe / Also / daß GOtt
durch diß Gebot eines jeglichen Ehelich Gemahel / wil vmbschrencket vnd bewahret
haben / daß sich niemand daran vergreiffe.
Dieweil aber diß Gebot / so eben auff den Ehestand gerichtet ist / vnd Vrsach
gibt dauon zu reden / soltu wol fassen vnd mercken / Zum Ersten / wie GOtt
diesen Stand so herrlich ehret vnd preiset / damit daß Er jhn durch sein Gebot /
beyde bestetigt vnd bewahret. Bestetiget hat er jhn droben im Vierden Gebot / Du
solt Vater vnd(Ehestand durch Gottes Gebot
geehret.) Mutter ehren / Hie aber / hat Er jhn (wie gesaget) verwahret vnd
beschützet. Darumb wil Er jhn auch von vns geehret / gehalten vnd geführet haben
/ als einen Göttlichen seligen Stand / weil er jhn erstlich für allen andern
eingesetzt hat / vnd darumb vnterschiedlich Man vnd Weib geschaffen (wie für
Augen) nicht zur Büberey / Sondern daß sie sich zusammen halten / Fruchtbar
seyen / Kinder zeugen / neeren / vnd auffziehen zu Gottes Ehren.
Darumb jhn auch Gott für allen Stenden auffs reichlichste gesegnet(Ehestand für allen Stenden gesegnet.) hat / dazu
alles was in der Welt ist / darauff gewand / vnd jhm eingethan / daß dieser
Stand je wol vnd reichlich versorget würde. Also daß kein schertz noch Fürwitz /
sondern trefflich ding vnd Gött
|| [ID00222]
licher ernst ist / vmb
das Eheliche Leben / Denn es ligt jhm alle macht daran / daß mann Leute ziehe /
die der Welt dienen / vnd helffen zu Gottes Erkentnis / seligem Leben / vnd
allen Tugenden / wieder die Boßheit vnd den Teuffel zu streiten.
Darumb hab ich jm̅erdar gelehret / daß man diesen Stand nicht
verachte noch schimpfflich halte / wie die blinde Welt / vnd vnsere falsche
Geistlichen thun / sondern nach Gottes Wort ansehe / damit er (Ehestand gehet vor vnnd durch alle
Stende.) geschmücket vnd geheiliget ist / Also / daß er nicht allein andern
Stenden gleich gesetzt ist / sondern vor vnd vber sie alle gehet / es seyen
Keyser / Fürsten / Bischoffe / vnd wer sie wöllen. Denn was beyde Geistliche vnd
Weltliche Stende sind / müssen sich demütigen / vnd alle in diesem Stand finden
lassen / wie wir hören werden. Darumb ist es nicht ein sonderlicher / sondern
der gemeineste edleste Stand / so durch den gantzen Christen Stand / ja durch
alle Welt gehet vnd reichet.
(Ehestand nötig vnd geboten.)
ZVm andern soltu auch wissen / daß nicht allein ein ehrlicher / sondern auch ein
nöthiger Stand ist / vnd ernstlich von GOTT geboten / daß sich in gemein
hindurch alle Stende / Man vnd Weibsbilde / so dazu geschaffen sind / darinn
finden lassen / doch etliche (wiewol wenig) außgenommen / welche Gott sonderlich
außgezogen / daß sie zum Ehelichen Stande nicht tüchtig sind / oder durch hohe
vbernatürliche Gabe befreyet hat / daß sie ausser dem Stande Keuscheit halten
können. Denn wo die Natur gehet / wie sie von GOTT eingepflantzt ist / ist es
nicht müglich ausser der Ehe keusch zu bleiben / denn Fleisch vnd Blut bleibet
Fleisch vnd Blut / vnd gehet die Natürliche neigung vnd reitzung vngewehret vnd
vnuerhindert / wie jederman siehet vnd fület. Derhalben auff daß desto leichter
were Vnkeuscheit etlicher masse zu meiden / hat auch Gott den Ehestand befohlen
/ daß ein jeglicher sein bescheiden Theil habe / vnd jhm daran genügen lasse /
wiewol noch Gottes Gnad dazu gehöret / daß das Hertz auch keusch sey.
(Ehestand wird wieder Gottes Gebot verboten oder verlobet.)
Daraus siehestu / wie vnser Bäpstischer Hauffe / Pfaffen / Mönche / Nonnen /
wieder Gottes Ordnung vnd Gebot streben / so den Ehestand verachten vnd
verbieten / vnd sich ewige Keuscheit zu halten vermessen vnd geloben / dazu die
Einfeltigen mit lügenhafftigen worten vnd schein betriegen. Denn niemand so
wenig Liebe vnd Lust zur Keuscheit hat / als eben die den Ehestand für grosser
Heiligkeit meiden / vnd entweder öffentlich vnd vnuerschempt in Hurerey ligen /
oder heimlich noch erger treiben / daß mans nicht sagen thar / wie man leider
allzu viel erfahren hat / Vnnd kürtzlich / Ob sie gleich
|| [99]
des wercks sich enthalten / so stecken sie doch im Hertzen voll vnkeuscher
Gedancken / vnd böser Lust / daß da ein ewiges brennen vnd heimliches leiden ist
/ welchs man im Ehelichen Leben vmbgehen kan. Darumb(Der Geistlichen Gelübd auffgehaben.) ist durch diß Gebot aller
vnehlichen keuscheit Gelübd verdampt vnd vrlaub gegeben / ja auch geboten /
allen armen gefangenen Gewissen / so durch jhre Kloster Gelübde betrogen sind /
daß sie aus dem vnkeuschen Stand ins Eheliche Leben tretten / Angesehen / daß ob
sonst gleich das Klosterleben Göttlich were / doch nicht in jhrer krafft stehet
/ Keuscheit zu halten / vnd wo sie darinn bleiben / nur mehr vnd weiter wieder
diß Gebot sündigen müssen.
Solchs rede ich nur darumb / daß man das Junge Volck dazu(Ehestand ein seliger stand / vnd Gott gefellig.)
halte / daß sie Lust zum Ehestand gewinnen / vnd wissen / daß ein seliger Stand
vnd Gott gefellig ist / Denn damit kündte mans mit der zeit wiederumb dahin
bringen / daß er wieder zu seinen Ehren keme / vnd des vnfletigen / wüsten
vnordigen wesens weniger würde / so jetzt allenthalben in der Welt zu zotten
gehet / mit öffentlicher Hurerey vnd andern schendlichen Lastern / so aus
verachtung des Ehelichen Lebens gefolget sind. Darumb sind hie die Eltern vnd
Obrigkeit auch schüldig auff die Jugend zu sehen / daß mann sie zur Zucht vnd
Erbarkeit auffziehe / vnd wenn sie erwachsen / mit Gott vnd Ehren berahte / dazu
würde Er seinen Segen vnd Gnade geben / daß man Lust vnd Frewde dauon hette.
AVs dem allen sey nu zu beschliessen gesagt / daß diß Gebot nicht alleine foddert
/ daß jederman mit Wercken /(Eheliche keuscheit
foddert Liebe von Eintracht.) Worten vnd Gedancken keusch lebe in
seinem / das ist / allermeist im Ehelichen Stande / sondern auch sein Gemahel /
von Gott gegeben / lieb vnd werth halte / Denn wo Eheliche Keuscheit sol
gehalten werden / da müssen Man vnd Weib für allen dingen in Liebe vnd Eintracht
beynander wohnen / daß eins das ander von Hertzen / vnd mit gantzer Trewe meyne.
Denn das ist der fürnembsten Stücke eines / das Liebe vnd Lust zur Keuscheit
machet / welchs wo es gehet / wird auch Keuscheit wol von jhr selbs folgen / ohn
alles gebieten / Deßhalben auch Sanct Paulus so fleissig die Eheleute vermanet /
daß eins das ander liebe vnd ehre. Da hastu nu abermal ein köstlich / ja viel
vnd grosse gute Werck / welche du frölich rhümen kanst / wieder alle Geistliche
Stende / ohn Gottes Wort vnd Gebot erwehlet.
|| [ID00224]
Du solt nicht stelen.
NAch deiner Person vnd Ehelichem Gemahel ist zeitlich Gut das neheste / das wil
GOtt auch verwaret haben / vnd geboten / daß niemand dem Nehesten das seine
abbreche noch verkürtze. Denn stelen (Stelen heisset /
was man mit Vurecht nimpt.) heisset nicht anders / denn eins andern Gut
mit Vnrecht zu sich bringen / damit kürtzlich begriffen ist / allerley Vortheil
mit des Nehesten nachtheil / in allerley Hendeln. Das ist nu gar ein
|| [100]
weitleufftig gemein Laster / aber so wenig geachtet
vn̅ wahrgenomen / daß vber die maß ist / Also / daß / wo man
sie alle an Galgen hencken solte / was Diebe sind / vnd doch nicht heissen
wöllen / solt die Welt bald wüst werden / vnd beyde an Henckern vnd Galgen
gebrechen. Denn es sol (wie jetzt gesagt) nicht allein gestolen heissen / daß
mann Kasten vnd Taschen reumet / Sondern vmb sich greiffen auff dem Marckt / in
alle Kräme / Schärren / Wein vnd Bierkeller / Werckstete / vnnd kürtzlich / wo
man hantieret / Gelt vmb Wahre oder Arbeit nimpt vnd gibt.
Als nemlich / daß wirs für den gemeinen hauffen / ein wenig grob außstreichen /
daß man doch sehe / wie from̅ wir sind / wenn ein Knecht oder Magd
im Hause nicht trewlich dienet / vnd Schaden thut oder geschehen lesset / den
sie wol verwahren kündte / oder sonst jhr Gut verwarloset vnd verseumet / aus
Faulhei / vnfleiß oder boßheit / zu trotz vnd verdrieß Herrn vnd Frawen / vnd
wie solchs muthwillig geschehen kan / (denn ich rede nicht von dem / das
versehen vnd vngerne gethan ist) da kanstu ein Jar ein Gülden dreissig oder
viertzig vnd mehr entwenden / welchs so ein ander heimlich genommen vnd entragen
hette / müst er am Strick erwürgen / Aber hie darffstu noch trotzen vnd pochen /
vnd thar dich niemand ein Dieb heissen.
Deßgleichen rede ich auch von Handwercksleuten / Arbeitern / Taglönern / so alle
jhren muthwillen brauchen / vnd nicht wissen / wie(Vntrew heisset auch Dieberey.) sie die Leute vbersetzen sollen / vnd
doch lessig vnd vntrew in der Arbeit sind. Diese alle sind weit vber die
heimlichen Diebe / für den mann schloß vn̅ Riegel legen kan / oder
wo man sie begreifft / also mitfehret / daß sie es nicht mehr thun. Für diesen
aber kan sich niemand hüten / darff sie auch niemand sawr ansehen / oder einiges
Diebstals zeihen / daß einer zehen mal lieber aus dem Beutel verlieren solt /
Denn da sind meine Nachbar / gute Freunde / mein eigen Gesind / dazu ich mich
guts versehe / die mich am aller ersten berücken.
ALso auch fort auff dem Marckt / vnd gemeinen Hendeln / gehet es mit voller Macht
vnd Gewalt / da einer den andern öffentlich mit falscher Wahre / Maß / Gewicht /
Müntze / betreuget / vnd mit Behendigkeit / vnd seltzamen Finantzen / oder
geschwinden Fündlein vberfortheilet. Item / mit dem Kauff vbersetzet /(Vberfortheilen vnd vbersetzen im Kauff.) vnd nach
seinem muthwillen beschweret / schindet vnd plaget. Vnd wer kan solchs alles
erzehlen / oder erdencken? Summa / das ist das gemeineste Handwerck / vnd die
gröste Zunfft auff Erden / vnd wenn man die Welt jtzt durch alle Stende ansiehet
/ so ist sie nichts anders / denn ein grosser weiter Stall voll grosser Diebe /
darumb heissen sie
|| [ID00226]
auch Stuelreuber / Land vnd Strassendiebe
/ nicht Kastenreuber / noch Meucheldiebe / so aus der Barschafft zwacken /
sondern die auff dem Stuel sitzen / vnd heissen grosse Junckern / vnd Erfame
fromme Bürger / vnd mit gutem schein rauben vnd stelen.
Ja hie were noch zu schweigen / von geringen einzelen Dieben / wenn man die
grossen gewaltigen Ertzdiebe solt angreiffen / mit welchen Herrn vnd Fürsten
Geselschafft machen / die nicht eine Stadt oder zwo / sondern gantz Teutschland
täglich außstelen / Ja wo bliebe das Heupt vnd Oberster Schutzherr aller Diebe /
der heilige Stuel zu Rom / mit alle seiner zugehöre / welcher aller Welt Güter
mit Dieberey zu sich bracht / vnd bis auff diesen Tag inne hat? Kürtzlich / so
gehets in der Welt / daß / wer öffentlich stelen vnd rauben kan / gehet sicher
vnd frey dahin / von jederman vngestrafft / vnd wil dazu geehret seyn / dieweil
müssen die kleinen heimlichen Diebe / so sich einmal vergriffen haben / die
Schand vnd straffe tragen / jene from̅ vnd zu ehren machen. Doch
sollen sie wissen / daß sie für Gott die grössesten Diebe sind / der sie auch /
wie sie werth sind vnd verdienen / straffen wird.
WEil nun diß Gebot so weit vmb sich greiffet / wie jetzt angezeigt / ists noth
dem Pöbel wol fürzuhalten vnd außzustreichen / daß man sie nicht so frey vn̅ sicher hingehen lasse / sondern jm̅er GOttes Zorn
für Augen stelle vnd einblewe. Denn wir solchs nicht Christen / sondern
allermeist Buben vnd Schelcken predigen müssen / welchen wol billicher Richter /
Stockmeister / oder Meister Hans / predigen solte. Darumb wisse ein jeglicher /
daß er schüldig ist bey Gottes Vngnaden / nicht allein seinem Nehesten kein
schaden zu thun / noch sein Vortheil zu entwenden / noch im Kauff oder jrgend
einem Handel / einerley vntrew oder tücke zu beweisen / sondern auch sein Gut
trewlich zu verwahren / seinen Nutz zu verschaffen vnd fördern / sonderlich so
er Gelt / Lohn / vnd Nahrung dafür nimpt.
(Gottes straffe vber allerley tücke vnd Vntrew.)
Wer nu solchs mutwillig verachtet / mag wol hingehen / vnd dem Hencker entlauffen
/ wird aber Gottes Zorn vnd Straffe nicht entgehen / Vnd wenn er sein Trotz vnd
Stoltz lange treibet / doch ein Landleuffer vnd Bettler bleiben / alle Plage vnd
Vnglück dazu haben. Jetzt gehestu hin / da du soltest deines Herrn oder Frawen
Gut bewahren / dafür du deinen Kropff vnd Bauch füllest / nimpst dein Lohn / als
ein Dieb / lessest dich dazu feyren als ein Juncker / Als jhr viel sind / die
Herrn vnd Frawen noch trotzen / vnd jhnen vngern zu lieb vnd dienst theten / ein
schaden zu verwaren. Siehe aber zu / was du daran gewinnest / Daß / wo du dein
eigens vberkömpst / vnd zu
|| [101]
Haus sitzest / dazu GOtt
mit allem Vnglück helffen wird / sol sichs wieder finden / vnd heimkommen / daß
/ wo du ein Heller abbrochen / oder Schaden gethan hast / dreissigfeltig
bezahlen müssest.
Deßgleichen sol es Handwercksleuten vnd Taglönern gehen /(Vntrew vnd Geitz gedeyet nicht.) von welchen mann
jetzt vnleidlichen Muthwillen hören vnd leiden muß / als weren sie Junckern in
frembdem Gut / vnd jederman müsse jhnen wol geben / wie viel sie wöllen. Solche
lasse nur getrost schinden / so lange sie können / aber Gott wird seines Gebots
nicht vergessen / vnd jhnen auch lohnen / wie sie gedienet haben / vnd hengen
nicht an einen grünen / sondern dürren Galgen / daß sie jhr lebenlang nicht
gedeyen / noch etwas für sich bringen. Vnd zwar wenn ein recht geordnet Regiment
in Landen were / kündt mann solchem muthwillen bald stewren vnd wehren / wie vor
zeiten bey den Römern gewesen ist / da man solchen flugs auff die Hauben greiff
/ daß sich andere daran stossen musten.
ALso sol es allen andern gelingen / so aus dem offnen freyen Marckt / nichts denn
ein Schindeleich / vnnd Raubhaus machen / da man täglich die Armen vbersetzt /
newe Beschwerung vnd Thewrung macht / vnd jeglicher des Marckts brauchet / nach
seinem muthwillen / trotzet vnd stoltzet dazu / als habe er gut Fug vnd Recht /
das seine so thewer zu geben / als jhn gelüstet / vnd sol jhm niemand darein
reden. Denen wöllen wir zwarten zusehen / schinden / zwacken / vnd geitzen
lassen / Aber Gott vertrawen / der es doch ohn das thun wird / daß Er / wenn du
lange geschunden vnd geschreppelt hast / ein Segen darüber spreche / daß dir
dein Korn auff dem Boden / dein Bier im Keller / dein Vieh im Stall verderbe /
Ja wo du jemand vmb einen Gülden teuschest / vnd verforteilest / sol dirs den
gantzen Hauffen wegrosten vnd fressen / daß du sein nimmer fro werdest.
Solchs sehen vnd erfahren wir zwar für Augen täglich erfüllet werden / daß kein
gestolen vnd felschlich gewonnen Gut gedeyet / Wie viel sind jhr / die Tag vnd
Nacht scharren vnd kratzen / vnnd doch keins Hellers reicher werden? Vnd ob sie
viel samlen / doch so viel Plage vnd Vnglück müssen haben / daß sie es nicht mit
Frewden geniessen / noch auff jhre Kinder erben können / Aber weil sich niemand
daran kehret / vnd hingehen / als giengs vns nichts an / muß Er vns anders
heimsuchen / vnnd Mores lehren / daß er eine
Landschatzung vber die ander / vber vns schicke / oder ein hauffen(Geitz gestraf fet mit Krieg vnd Thewrung.)
Landsknecht zu gast lade / die vns auff eine Stunde / Kasten vnd
|| [ID]
Beutel reumen / vnd nicht auffhören / weil wir ein Heller
behalten / dazu zu danck Haus vnd Hoff verbrennen / vnd verheeren / Weib vnd
Kinder schenden / vnd vmbbringen.
Vnd Summa / stielestu viel / so versiehe dich gewißlich / daß dir noch so viel
gestolen werde / vnd wer mit Gewalt vnd Vnrecht raubt / vnd gewinnet / ein
andern leite / der jhm auch also mitspiele. Denn (Gott
straffe ein Dieb mit dem andern.) die Kunst kan Gott meisterlich / weil
jederman den andern beraubt vnd stielet / daß er einen Dieb mit dem andern
straffet / wo wolt man sonst Galgen vnd Stricke gnug nehmen.
(Vermanung.)
WEr jhm nu wil sagen lassen / der wisse daß Gottes Gebot ist / vnd für kein
schertz wil gehalten seyn / Denn ob du vns verachtest / betreugest / stielest /
vnd raubest / wöllen wirs zwar noch zu kommen / vnd deinen Hohmuth außstehen /
leiden / vnd dem Vater vnser nach / vergeben vnd erbarmen / Denn die From̅en doch gnug haben müssen / vnnd du dir selbs mehr denn einem
andern schaden thust / Aber da hüte dich für / wenn das liebe Armuth (welchs
jetzt viel ist) kömpt / so vmb den täglichen Pfenning keuffen / vnd zeeren muß /
vnd du zufehrest / als müst jederman deiner Gnaden leben / schindest vnd
schabest bis auff den Grad / dazu mit Stoltz vnd Vbermuth abeweisest / dem du
soltest geben vnd schencken. So gehet es dahin elend vnd betrübt / vnd weiles
niemand klagen kan / schreiet vnd ruffet es gen Himmel / da hüte dich (sage ich
abermal) als für dem Teuffel selbs / Den̅ solch feufftzen vnd
ruffen wird nicht schertzen / Sondern ein Nachdruck haben / der dir vnd aller
Welt zu schweer werden wird. Denn es wird denen treffen / der sich der armen
betrübten Hertzen annimpt / vnd nicht wil vngerochen lassen / Verachtestu es
aber / vnd trotzest / so siehe / wen du auff dich geladen hast / Wird dirs
gelingen / vnd wolgehen / soltu GOtt vnd mich für aller Welt Lügener schelten.
Wir haben gnug vermahnet / gewarnet / vnd gewehret / wer es nicht achten / noch
gleuben wil / den lassen wir gehen / bis ers erfahre. Doch muß mann dem Jungen
Volck solchs einbilden / daß sie sich hüten / vnd dem alten vnbendigen Hauffen
nicht nachfolgen / Sondern Gottes Gebot für Augen halten / daß nicht Gottes Zorn
vnd Straffe auch vber sie gehe. Vns gebüret nicht weiter / denn zu sagen vnd
straffen mit Gottes Wort / Aber daß mann solchen öffentlichen Muthwillen stewre
/ da gehören Fürsten vnnd Obrigkeit zu / die selbs Augen / vnnd den Muth hetten
/ Ordnung zu stellen vnd halten / in allerley Hendel vnd Kauff / auff daß das
Armuth nicht
|| [102]
beschweret vnd verdrücket würde / noch
sie sich mit frembden Sünden beladen dürfften.
Das sey gnug dauon gesagt / was stelen heisse / daß mans nicht so enge spanne /
sondern gehen lasse / so weit als wir mit dem Nehesten zu thun haben / vnd kurtz
in ein Summa / wie in den vorigen / zu fassen / ist dadurch verboten: Erstlich
dem Nehesten schaden / vnd vnrecht zu thun (wie mancherley weise zurdencken sind
/ Habe vnd Gut abzubrechen / verhindern vnd fürzuhalten) Auch solchs nicht
bewilligen noch gestatten / sondern wehren / vorkom̅en / vnd
wiederumb gebotten / sein Gut fördern / bessern / vnd wo er noth leidet /
helffen mittheilen / fürstrecken / beyde Freunden vnd Feinden.
Wer nu gute werck suchet vnd begeret / wird hie vbrig gnug finden(Wo gut Werck zu suchen.) / die GOtt von
Hertzen angeneme / vnd gefellig sind / dazu mit trefflichem Segen begnadet vnd
vberschüttet / daß es reichlich sol vergolten werden / was wir vnsern Nehesten
zu nutz vnd freundtschafft thun / Wie auch der König Salomon lehret / Prouerb.
19. Wer sich deß Armen erbarmet / der leihet dem HERREN / der wird jhm wieder
vergelten sein Lohn. Da hastu ein reichen HERRN / der dir gewiß gnug ist / vnd
nichts wird gebrechen noch mangeln lassen / So kanstu mit frölichem Gewissen /
Hundert mahl mehr geniessen / denn du mit vntrew vnd vnrecht erschreppelst. Wer
nu des Segens nicht mag / der wird Zorn vnd Vnglück gnug finden.
|| [ID00230]
Du solt nicht falsch Zeugniß reden wieder deinen Nehesten.
VBer vnsern eigenen Leib / Ehelich Gemahel vnd zeitlich Gut / haben wir noch
einen Schatz / (Gottes Gebot vber deß Nehesten Ehre vnd
Gerüchte.) nemlich / Ehre vnd gut Gerücht / welchen wir auch nicht
emperen können / Denn es gilt nicht vnter den Leuten in öffentlicher Schande /
von jederman verachtet zu leben. Darumb wil Gott des Nehesten Leumund / glimpff
/
|| [103]
vnd Gerechtigkeit / so wenig als Gelt vnd Gut /
genom̅en / oder verkürtzt haben / auff daß ein jeglicher für
sein Weib / Kind / Gesind / vnd Nachbar ehrlich bestehe. Vnd zum Ersten / ist
der gröbste Verstand dieses Gebots / wie die Wort lauten: (Du solt nicht falsch
Zeugniß reden.) Auff öffentlich Gericht gestellet / da mann ein armen
vnschüldigen Man verklagt / vnd durch falsche Zeugen vnterdrückt / damit er
gestrafft werde an Leib / Gut oder Ehre.
Das scheinet nun jetzt / als gehe es vns wenig an / aber bey den(Falsch Zeugniß im Gericht.) Jüden ists gar ein
trefflich gemein ding gewesen. Denn das Volck war in feinem ördentlichen
Regiment gefasset / vnd wo noch ein solch Regiment ist / da gehets ohn diese
Sünde nicht abe. Vrsach ist diese / Denn wo Richter / Bürgermeister / Fürst /
oder andere Obrigkeit sitzet / da fehlet es nimmer / es gehet nach der Welt
lauff / daß man niemand gerne beleidigen wil / heuchlet / vnd redet nach Gunst /
Gelt / Hoffnung oder Freundschafft / darüber muß ein arm Man mit seiner Sache
verdruckt / Vnrecht haben / vnd Straffe leiden. Vnd ist ein gemeine Plage in der
Welt / daß im Gerichte selten fromme(Im Gericht sitzen
selten from̅e Leute.) Leute sitzen. Denn es gehöret für
allen andern dingen / ein frommer Man zu einem Richter / vnd nicht allein ein
frommer / sondern auch ein weiser / bescheidener / ja auch ein küner vnd kecker
Man / Also auch gehöret ein kecker / dazu fürnemlich ein frommer Man zum Zeugen.
Denn wer alle Sachen recht richten / vnd mit dem Vrtheil hindurch reissen sol /
wird offtmals gute Freunde / Schwäger / Nachbar / Reiche / vnd Gewaltige
erzürnen / die jhm viel dienen / oder schaden können / darumb muß er gar blind
seyn / Augen vnd Ohren zugethan / nicht sehen noch hören / denn stracks für sich
/ was jhm fürkompt / vnd demnach schliessen.
Darumb ist nu erstlich diß Gebot gestellet / daß ein jeglicher seinem(Des Nehesten Recht fördern vnd schützen.)
Nehesten helffe zu seinem Rechten / vnd nicht hindern noch beugen lasse /
sondern fördere vnd stracks darüber halte / Gott gebe / es sey Richter oder
Zeuge / vnd treffe an was es wölle. Vnd sonderlich ist hiemit vnsern Herrn
Juristen ein Ziel gesteckt / daß sie zusehen / recht vnd auffgericht mit den
Sachen vmbgehen / was Recht ist / Recht bleiben lassen / vnd wiederumb nicht
verdrehen noch vermenteln / oder schweigen / vnangesehen Gelt / Gut / Ehre /
oder Herrschafft. Das ist ein Stück / vnd der gröbste Verstand dieses Gebots /
von allem das für Gericht geschiehet.
DArnach greifft es gar viel weiter / wenn mans(Falsch
Zeugnis in Geistlichen sachen.) sol ziehen ins Geistliche Gericht oder
Regiment / Da gehets
|| [ID00232]
also / daß ein jeglicher wieder seinen
Nehesten felschlich zeuget. Denn wo fromme Prediger vnd Christen sind / die
haben für der Welt das Vrtheil / daß sie Ketzer / Abtrünnige / ja Auffrürische /
vnd verzweiffelte Bösewicht heissen. Dazu muß sich Gottes Wort auffs
schendlichst vnd gifftigst verfolgen / lestern / lügenstraffen / verkehren vnd
felschlich ziehen / vnd deuten lassen. Aber das gehe seinen weg / denn es ist
der blinden Welt art / daß sie die Warheit vnd Gottes Kinder verdampt vnd
verfolget / vnd doch für keine Sünde achtet.
(Gemeine Sünde der bösen Zungen.)
ZVm dritten / so vns allzumal belanget / ist in diesem Gebot verboten alle Sünde
der Zungen / dadurch mann dem Nehesten mag Schaden thun / oder zu nahe seyn.
Denn falsch Zeugnis reden ist nichts anders / denn Mundwerck / was mann nun mit
Mundwerck wieder den Nehesten thut / das wil Gott gewehret haben / es seyen
falsche Prediger mit der Lehre vnd lestern / falsche Richter vnd Zeugen mit dem
Vrtheil / oder sonst ausser dem Gericht mit liegen / vnd vbel reden. Daher
gehöret sonderlich das leidige (Affterreden.) schendliche Laster / Affterreden / oder verleumbden / damit
vns der Teuffel reitet / dauon viel zu reden were / Denn es ist ein gemeine
schedliche Plage / daß jederman lieber böses denn guts von dem Nehesten höret
sagen / vnd wiewol wir so böse sind / daß wir nicht leiden können / daß vns
jemand ein böse stück nachsage / sondern jeglicher gerne wolt / daß alle Welt
Güldens von jhm redete / doch können wir nicht hören / daß man das beste von
andern sage.
(Niemand sol vrtheilen noch vbel reden / ausser dem Befehl
oder Richter ampt.)
Derhalben sollen wir mercken / solche Vntugend zu meiden / daß niemand gesetzt
ist / seinen Nehesten öffentlich zu vrtheilen / vnd straffen / ob er jhn gleich
siehet sündigen / er habe denn Befehl / zu richten vnd straffen / Denn es ist
gar ein grosser vnterscheid zwischen den zweyen / Sünde richten / vnd Sünde
wissen. Wissen magstu sie wol / aber richten soltu sie nicht. Sehen vnd hören
kan ich wol / daß mein Nehester sündiget / Aber gegen andern nachzusagen / habe
ich kein Befehl. Wenn ich nun zufahre / richte vnd vrtheile / so falle ich in
eine Sünde / die grösser ist denn jene. Weistu es aber / so thue nicht anders /
denn mache aus den Ohren ein Grab / vnd schirre es zu / bis daß dir befohlen
werde Richter zu seyn / vnd von Arnpts wegen zu straffen.
Das heissen nu Affterreder / die es nicht bey dem wissen bleiben lassen / sondern
fortfahren / vnd ins Gericht greiffen / Vnd wenn sie ein stücklein von einem
andern wissen / tragen sie es in alle Winckel / kützeln vnd krawen sich / daß
sie mögen eines andern Vnlust rüren /
|| [104]
wie die Sew /
so sich im Kot weltzen / vnd mit dem Rüssel darinn wülen.(Affterreden ist in Gottes Gericht greiffen.) Das
ist nichts anders / denn Gotte in sein Gericht vnd Ampt fallen / vrtheilen / vnd
straffen mit dem scherffsten Vrtheil. Denn kein Richter höher straffen kan /
noch weiter fahren / denn daß er sage / dieser ist ein Dieb / Mörder / Verrehter
/ etc. Darumb wer sich solchs vnterstehet vom Nehesten zu sagen / greifft eben
so weit / als Keyser / vnd alle Obrigkeit / Denn ob du das Schwert nicht führest
/ so brauchestudoch deiner gifftigen Zungen / dem Nehesten zu schand vnd
schaden.
Darumb wil Gott gewehret haben / daß niemand dem andern vbel nachrede / wenn ers
gleich schüldig ist / vnd dieser wol weis / viel weniger / so ers nicht weis /
vnd allein von hören sagen genom̅en hat. Sprichstu aber / sol ichs
denn nicht sagen / wenn es die Warheit ist? Antwortet. Warumb tregstus nicht für
ördentliche Richter? Ja ich kans nicht öffentlich bezeugen / so möcht mann mir
vieleicht vbers Maul fahren / vnd vbel abweisen. Ey lieber / reuchstu den Braten
/ trawestu nicht für geordenten Personen stehen / vnd verantworten / so halte
auch das Maul / weistu es aber / so wisse es für dich / nicht für ein andern /
Denn wo du es weiter sagest / ob es gleich wahr ist / so bestehestu(Affterreder sind Lügener vnd Diebe.) doch wie ein
Lügener / weil du es nicht kanst wahr machen / thust dazu wie ein Bösewicht /
denn man sol niemand sein Ehre vnd Gerücht nehmen / es sey jhm denn zuuor
genommen öffentlich.
Also heist nu falsch Gezeugnis / alles was man nicht / wie sichs(Was falsch Zeugnis heisse.) gehöret / vberweisen
kan / darumb was nicht mit gnugsamer Beweisung offenbar ist / sol niemand
offenbar machen / noch für Warheit sagen / Vnd summa / was heimlich ist / sol
man heimlich bleiben lassen(???) / oder je
heimlich straffen / wie wir hören werden. Darumb / wo dir ein vnnütz Maul
fürkömpt / das ein andern außtregt / vnd verleumbdet / so rede jhm frisch vnter
Augen / daß er schamrot werde / so wird mancher das Maul halten / der sonst ein
armen Menschen ins Geschrey bringt / daraus er schwerlich wieder kom̅en kan / denn Ehr vnd Glimpff ist bald genommen / aber nicht bald
wiedergeben.
ALso siehestu / daß kurtzumb verboten ist / von dem Nehesten etwas böses zu reden
/ doch außgenommen Weltliche Obrigkeit / Prediger / Vater vnd Mutter / daß mann
dennoch diß(Vrteilen vnd vbel reden / gehöret allein
der Obrigkeit an.) Gebot so verstehe / daß das böse nicht vngestrafft
bleibe. Wie mann nu laut des Fünfften Gebots / niemand schaden sol am Leibe /
doch außgezogen Meister Hansen / der seines Ampts halben dem Nehesten kein guts
/ sondern nur schaden vnd böses thut / vnd nicht wieder
|| [ID00234]
Gottes Gebot sündigt / Darumb / daß Gott solch Ampt von seinet wegen geordnet
hat / Denn Er jhm die Straffe seines gefallens fürbehalten hat / wie er im
Ersten Gebot drewet / Also auch / wiewol ein jeglicher für seine Person /
niemand richten noch verdammen sol / doch wo es die nicht thun / denen es
befohlen ist / sündigen sie ja so wol / als ders ausser dem Ampt von sich selbs
thete / Denn hie foddert die noth von dem vbel zu reden / Klagen fürbringen /
fragen / vnd zeugen. Vnd gehet nicht anders zu / denn mit einem Artzt / der
zuweilen dem / den er heilen sol / an heimliche ort sehen / vnd greiffen muß.
Also sind Obrigkeit / vnd Vater vnd Mutter / ja auch Brüder vnd Schwester / vnd
sonst gute Freunde vnternander schüldig / wo es noth vnd nutz ist / böses zu
straffen.
(Rechte weise vnd ordnung des Nehesten Sünde zu straffen.)
Das were aber die rechte weise / wenn man die Ordnung nach dem Euangelio hielte /
Matth. 18. da Christus spricht: Sündiget dein Bruder an dir / so gehe hin / vnd
straffe jhn zwischen dir vnd jhm (Matth.
18.) alleine. Da hastu ein köstliche feine Lehre / die Zunge wol zu
regieren / die wol zu mercken ist / wieder den leidigen Mißbrauch. Darnach
richte dich nun / daß du nicht so bald den Nehesten anderswo außtragest / vnd
nachredest / Sondern jhn heimlich vermahnest / daß er sich bessere. Deßgleichen
auch / wenn dir ein ander etwas zu Ohren tregt / was dieser oder jener gethan
hat / lehre jhn auch also / daß er hingehe / vnd straffe jhn selbs / wo ers
gesehen hat / wo nicht / daß er das Maul halte.
Solches magstu auch lernen / aus täglichem Haußregiment. Denn so thut der Herr im
Haus / wenn er siehet / daß der Knecht nicht thut / was er sol / so spricht er
jhm selbs zu / Wenn er aber so toll were / liesse den Knecht daheim sitzen / vnd
gienge heraus auff die Gassen den Nachbarn zu klagen / würde er freylich müssen
hören / Du Narr / was gehets vns an / Warumb sagstus jhm selber nicht? Siehe /
das were nun recht Brüderlich gehandelt / daß dem Vbel gerahten würde / vnd dein
Nehester bey Ehren bliebe. Wie auch Christus daselbs sagt / Höret er dich / so
hastu deinen Bruder gewonnen / da hastu ein gros trefflich Werck gethan / Denn
meinstu / daß ein gering ding sey ein Bruder gewinnen? Las alle Mönche vnd
heilige Orden / mit alle jhren Wercken zu hauffe geschmeltzt herfür tretten / ob
sie den Rhum können auffbringen / daß sie einen Bruder gewonnen haben?
(Niemand vrtheilen oder stoffen hinter seinem wissen.)
Weiter lehret Christus: Wil er dich aber nicht hören / so nim noch einen oder
zween zu dir / auff daß alle Sache bestehe auff zweyer oder dreyer Zeugen Munde
/ Also / daß man je mit dem selbs handle /
|| [105]
den es
belanget / Vnd nicht hinter seinem wissen jhm nachrede / wil aber solchs nicht
helffen / so trage es denn öffentlich für die Gemeine / es sey für Weltlichem
oder Geistlichem Gerichte. Denn hie stehestu nicht allein / Sondern hast jene
Zeugen mit dir / durch welche du den Schüldigen vberweisen kanst / darauff der
Richter gründen / vrtheilen vnd straffen kan / so kan man ordentlich vnd recht
dazu kommen / daß man dem bösen wehret oder bessert / sonst / wenn man ein
andern mit dem Maul vmbtregt / durch alle Winckel / vnd den Vnflat rüret / wird
niemand gebessert / Vnd darnach / wenn man stehen / vnd zeugen sol / wil mans
nicht gesagt haben / Darumb geschehe solchen Meulern recht / daß mann jhnen den
Kützel wol büssete / daß sich andere daran stiessen. Wenn du es deinem Nehesten
zur Besserung / oder aus Liebe der Warheit thetest / würdestu nicht heimlich
schleichen / noch den Tag vnd Liecht schewen.
DAs alles ist nun von heimlichen Sünden gesagt:(Offentliche sünd machet sich selbs zu schanden.) Wo aber die Sünde
gantz öffentlich ist / daß Richter vnd jederman wol weis / so kanstu jhn ohn
alle Sünd meiden / vnd fahren lassen / als der sich selbs zu schanden gemacht
hat / dazu auch öffentlich von jhm zeugen / denn was offenbar am Tag ist / da
kan kein Affterreden / noch falsch Richten oder zeugen seyn. Als daß wir jetzt
den Bapst mit seiner Lehre straffen / so öffentlich in Büchern an Tag gegeben /
vnd in aller Welt außgeschrien ist. Denn wo die Sünde öffentlich ist / sol auch
billich öffentliche Straffe folgen / daß sich jederman dafür wisse zu hüten.
ALso haben wir nun die Summa / vnd gemeinen Verstand von diesem Gebot / daß
niemand seinem Nehesten / beyde Freund vnd Feind / mit der Zungen schedlich seyn
/ noch böses(Summa.) von jhm reden sol / Gott
gebe es sey wahr oder erlogen / so es nicht aus Befehl oder zur Besserung
geschicht / sondern seine Zunge brauchen / vnnd dienen lassen / von jederman das
beste zu reden / des Nehesten Sünde vnd Gebrechen zudecken / entschüldigen / vnd
mit seiner Ehre beschönen / vnd schmücken. Vrsach sol seyn allermeist diese / so
Christus im Euangelio anzeucht / vnd damit alle Gebot gegen dem Nehesten wil
gefasset haben / Alles was jhr wöllet / das euch die Leute thun sollen / das
thut jhr jhnen auch.
Auch lehret solchs die Natur an vnserm eigenen Leibe / wie S.(Gleichnis aus der Natur.) Paulus 1. Corinth. 12.
sagt: Die Glieder des Leibs / so vns düncken die schwechsten seyn / sind die
nötigsten / Vnd die vns düncken die vnehrlichsten seyn / denselbigen legen wir
am meisten Ehre an / Vnd
|| [ID00236]
die vns vbel anstehen / die schmückt
man am meisten / Das Angesicht / Augen / Nasen vnd Mund / decket niemand zu /
denn sie dürffens nicht / als an jhm selbs die ehrlichsten Glieder / so wir
haben / aber die allergebrechlichsten / der wir vns schemen / deckt man mit
allem fleiß / da muß Hende / Augen / sampt dem gantzen Leibe / helffen decken
vnd verhüllen. Also sollen auch wir alle vnternander / was an vnserm Nehesten
vnehrlich vnd gebrechlich ist / schmücken / vnd mit allem / so wir vermögen / zu
seinen Ehren dienen / helffen / vnd förderlich seyn / vnd wiederumb wehren / was
jhm mag zu Vnehren reichen. Vnd ist (Alles zum besten
außlegen.) sonderlich ein feine edle Tugend / wer alles / das er vom
Nehesten höret reden / (so nicht öffentlich böse ist) wol außlegen / vnd auffs
beste deuten / oder je zu gut halten kan / wieder die gifftigen Meuler / die
sich fleissen / wo sie etwas ergrübbeln / vnd erhaschen können / am Nehesten zu
taddeln / vnd auffs ergste außken / vnd verkehren / wie jetzt fürnemlich dem
lieben Gottes Wort / vnnd seinen Predigern geschicht.
(Gute Werck der Zungen.)
Darumb sind in diesem Gebot gar mechtig viel gute Wercke verfasset / die Gott
auffs höheste wolgefallen / vnd vberflüssig Gut vnd Segen mit sich bringen /
wenn sie nur die blinde Welt vnd falschen Heiligen erkennen wolten. Denn es ist
nichts an vnd im gantzen Menschen / das mehr vnd weiter / beyde Guts schaffen /
vnd Schaden thun kan / in Geistlichen vnd Weltlichen Sachen / denn die Zunge /
so doch das kleineste vnd schwechste Glied ist.
|| [106]
Du solt nicht begehren seines Weibs / Knecht / Magd / Viehe / oder was sein
ist.
DIese zwey Gebot sind fast den Jüden sonderlich(Vrsach
der letzten Gebot bey den Jüden.) gegeben / Wiewol sie vns dennoch
auch zum theil betreffen. Denn sie legen sie nicht aus von Vnkeuscheit noch
Diebstal / weil dauon droben gnug verboten ist / hieltens auch dafür / sie
hetten jene alle gehalten / wenn sie eusserlich die Werck gethan / oder
|| [ID]
nicht gethan hetten. Darumb hat Gott diese zwey hinzu gesetzt
/ daß mans auch halte für Sünde / vnd verboten / des Nehesten Weib oder Gut
begehren / vnd einerley weise darnach zu stehen / vnd sonderlich darumb / weil
in dem Jüdischen Regiment / Knechte vnd Megde nit / wie jetzt / frey waren vmbs
Lohn zu dienen / wie lange sie wolten / sondern des Herrn eigen / mit Leib / vnd
was sie hatten / wie das Viehe vnd ander Gut / Dazu auch ein jeglicher vber sein
Weib die Macht hatte / sie durch ein Scheidbrieff öffentlich von sich zu lassen
/ vnd ein andere zu nehmen. Da musten sie nu vnternander die Fahr stehen / wenn
jemand eines andern Weib gerne gehabt hette / daß er jrgend ein vrsach nehme /
beyde sein Weib von sich zu thun / vnd dem andern seines auch zu entfrembden /
daß ers mit gutem Fug zu sich brechte / Das war nu bey jhnen kein Sünde noch
Schande / so wenig als jetzt mit dem Gesinde / wenn ein Haußherr seinem Knecht
oder Magd vrlaub gibt / oder einer dem andern sonst abdringet.
(Summa.)
Darumb haben sie nu (sag ich) diese Gebot also gedeutet / wie es auch recht ist
(wiewol es auch etwas weiter vnd höher gehet) daß niemand dem andern das seine /
als Weib / Gesind / Haus vnd Hoff / Acker / Wiesen / Viehe / denck / vnd fürneme
an sich zu bringen / auch mit gutem schein vnd behelff / doch mit des Nehesten
schaden. Denn droben im Siebenden Gebot ist die Vntugend verboten / da mann
frembde Gut zu sich reisset / oder dem Nehesten fürhelt / dazu mann kein Recht
haben kan. Hie aber ist auch gewehret / dem Nehesten nichts abzuspannen / ob
mann gleich mit Ehren für der Welt dazu kom̅en kan / daß dich
niemand zeihen noch taddeln thar / als habstus mit Vnrecht eröbert.
Denn die Natur so geschickt ist / daß niemand den andern so viel als jhm selbs
gönnet / vnd ein jeglicher / so viel er jmmer kan / zu sich bringet / ein ander
bleibe wo er kan. Vnd wöllen noch dazu from̅ seyn / können vns
auffs feineste schmücken / vnd den Schalck bergen / suchen vnd dichten so
behende Fündlein / vnd schwinde Griffe (wie man jetzt täglich auffs beste
erdencket) als aus dem Rechten gezogen / thüren vns darauff kecklich beruffen /
vnd trotzen / vnnd wöllen solchs nicht Schalckheit / sondern Gescheidigkeit vnd
Fürsichtigkeit genennet haben. (Juristen.) Dazu
helffen auch Juristen vnd Rechtsprecher / so das Recht lencken vnd dehnen / wie
es zur Sache helffen wil / die Wort zwacken / vnd zu Behelff nehmen /
vnangesehen Billigkeit / vnd des Nehesten Notturfft. Vnd Summa / wer in solchen
Sachen der geschickste vnd gescheidste ist / dem hilfft das Recht am besten /
wie sie auch sprechen: Vigilantibus iura subueniunt.
|| [107]
Darumb ist diß letzte Gebot nit für die böse Buben für der Welt /(Welchen diß Gebot gestellet.) sondern eben für
die Frömsten gestellet / die da wöllen gelobt seyn / redliche vnd auffrichtige
Leute heissen / als die wieder die vörige Gebot nichts verschülden / wie
fürnemlich die Jüden seyn wolten / vnd noch viel grosser Junckern / Herrn vnd
Fürsten. Denn der ander gemeine hauffe gehört noch weit herunter in das siebende
Gebot / als die nicht viel darnach fragen / wie sie das jhre mit Ehren vnd recht
gewinnen.
SO begibt sich nun solchs am meisten in den Hendeln(Rechts hendel.) / so auff Recht gestellet werden / dadurch man
fürnimpt dem Nehesten etwas ab zu gewinnen / vnd jhn von dem seinen
abezuschüpffen. Als (daß wir Exempel geben) wenn man haddert vnd handelt vmb
gros Erbfall / ligende Güter / etc. da führet man herzu vnd nimpt zu hülffe /
was ein schein des Rechten haben wil / mutzet vnd schmückts also herfür / daß
das Recht diesem zufallen muß / vnd behelt das Gut mit solchem Titel / daß
niemand kein Klage noch anspruch dazu hat. Item / Wenn jemand gern ein Schloß /
Stadt / Graffschafft / oder sonst etwas grosses hette / vnd treibt so viel
Finantzerey / durch Freundschafft / vnd womit er kan / daß es einem andern abe /
vnd jhm zugesprochen wird / dazu mit Brieff vnd Siegel bestetigt / daß mit
Fürstlichem Titel / vnd redlich gewonnen heisse.
DEßgleichen auch in gemeinen Kauffßhendeln / wo(Kauffs
hendel.) einer dem andern etwas behendiglich aus der Hand rücket / daß
jener muß hinnach sehen / oder jn vbereilet / vnd bedrenget / woran er sein
Vortheil vnd genieß ersihet / daß jener vieleicht aus noth oder Schuld nicht
erhalten / noch ohn schaden lösen kan / auff daß ers halb oder mehr gefunden
habe / vnd muß gleichwol nicht mit Vnrecht genommen / oder entwendet / sondern
redlich gekaufft seyn. Da heists: Der erste der beste / vn̅ ein
jglicher sehe auff seine schantz / ein ander habe was er kan. Vnd wer wolt so
klug seyn alles zu erdencken / wie viel man mit solchem hübschen Schein / kan zu
sich bringen? Das die Welt für kein Vnrecht helt / vnd nicht sehen wil / daß
damit der Neheste enhindern bracht wird / vnd lassen muß / das er nicht ohn
schaden entperen kan / so doch niemand ist / der jhm solchs wolt gethan haben /
Daran wol zu spüren ist / daß solcher Behelff vnd Schein falsch ist.
Also ists nun vorzeiten auch mit den Weibern zugangen / Da kundten sie solche
Fündlin / wenn einem ein andere gefiele / Daß er durch sich oder andere (wie
denn mancherley Mittel vnd Wege zuerdencken waren) zurichtet / Daß jhr Man ein
Vnwillen
|| [ID00240]
(Jüdisch fünd lin / eines andern Eheweib
abzudringen.) auff sie warff / oder sie sich gegen jhm sperret / vnd so
stellet / daß er sie muste von sich thun / vnd diesem lassen. Solchs hat ohne
zweiffel starck regieret im Gesetz / wie man auch im Euangelio lieset / von dem
König Herode / daß er seines eigenen Bruders Weib / noch bey seinem Leben
freyete / welcher doch ein erbarer from̅er Man seyn wolte / wie
jhm auch S. Marcus Zeugnis gibt. Aber solch Exempel / hoffe ich / sol bey vns
nicht stat haben / weil im Newen Testament den Ehelichen verboten ist / sich von
einander zu scheiden / es were den̅ in solchem Fall / daß einer
dem andern eine reiche Braut mit behendigkeit entrückte. Das ist aber bey vns
nicht seltzam / daß einer dem andern sein Knecht oder Dienstmagd abspannet vnd
entfrembdet / oder sonst mit guten worten abdringet.
(Gott wil niemand verfortheilet haben.)
Es geschehe nu solchs alles / wie es wölle / so sollen wir wissen / daß Gott
nicht haben wil / daß du dem Nehesten etwas / das jhm gehöret / also entziehest
/ das er empere / vn̅ du deinen Geitz füllest / ob du es gleich
mit Ehren für der Welt behalten kanst / Denn es ist eine heimliche / meuchlinge
Schalckheit / vnd wie man spricht / vnter dem Hütlin gespielet / daß mans nicht
mercken sol. Denn ob du gleich hingehest / als habstu niemand vnrecht gethan /
so bistu doch deinem Nehesten zu nahe / vnd heissets nicht gestolen / noch
betrogen / so heisset es dennoch des Nehesten Guts begeret / das ist / darnach
gestanden / vn̅ jm abwendig gemacht / ohn seinen willen / vnd
nicht wollen gönnen / das jm Gott bescheret hat. Vnd ob dirs der Richter vn̅ jederman lassen muß / so wird dirs doch Gott nicht lassen / denn
Er siehet das Schalckhertz / vnd der Welt tücke wol / welche / wo man jr ein
Finger breit einreumet / nimpt sie ein Elle lang dazu / daß auch öffentlich
vnrecht vnd gewalt folget.
(Summa dieser Gebot.)
Also lassen wir diese Gebot bleiben / in dem gemeinen Verstand / daß erstlich
geboten sey / daß man des Nehesten schaden nicht begere / auch nicht dazu helffe
/ noch vrsach gebe / sondern jhm gönne vnd lasse / was er hat / dazu fördere vnd
erhalte / was jhm zu Nutz vnd Dienst geschehen mag / wie wir wolten vns gethan
haben / Also / daß es sonderlich wieder die Abgunst / vnd den leidigen Geitz
gestellet sey / auff daß Gott die Vrsach vnd Wurtzel aus dem wege reume / daher
alles entspringet / dadurch man dem Nehesten schaden thut / darumb Ers auch
deutlich mit den worten setzet / Du solt nicht begeren / etc. Denn er wil
fürnemlich das Hertz rein haben / wiewol wirs / so lang wir hie leben / nicht
dahin bringen können / Also / daß diß wol ein Gebot bleibet / wie die andern
alle / das vns ohn vnterlas beschüldigt vnd anzeigt / wie from̅
wir für Gott sind.
|| [108]
Beschlus der Zehen Gebot.
SO haben wir nun die Zehen Gebot / ein Außbund Göttlicher Lehre / was wir thun
sollen / daß vnser gantzes Leben Gotte gefalle / vnd den rechten Brun vnd Röre /
aus vnd in welcher quellen vnd gehen müssen / alles was gute Wercke seyn
sollen.(Kein Gut Werck ausser den Zehen
Geboten.) Also / daß ausser den Zehen Geboten kein Werck noch Wesen gut
vnd Gott gefellig kan seyn / es sey so gros vnd köstlich für der Welt / wie es
wölle. Las nu sehen / was vnsere grosse Heiligen rhümen können / von jhren
Geistlichen Orden / vnd grossen schweren Wercken / die sie erdacht vnd
auffgeworffen haben / vnd diese fahren lassen / gerade als weren diese viel zu
gering / oder allbereit lengest außgericht / Ich meyne je / mann solte hie alle
Hende voll zu schaffen haben / daß mann diese hielte: Sanfftmuth / Gedult / vnd
Liebe gegen Feinden / Keuscheit / Wolthat / etc. vnd was solche stück mit sich
bringen. Aber solche Werck gelten vnd scheinen nicht für der Welt Augen / Denn
sie sind nicht seltzam vnd auff geblasen / an sonderliche eigene Zeit / Stete /
Weise / vnd Geberde gehefftet / sondern gemeine tägliche Haußwerck / so ein
Nachbar gegen dem andern treiben kan / darumb haben sie kein ansehen.
Jene aber sperren Augen vnd Ohren auff / dazu helffen sie selbs /(Der Heuchler Werck.) mit grossem Geprenge / Kost
/ vnd herrlichem Gebew / vnd schmücken sie herfür / daß alles gleissen vnd
leuchten muß / da reuchert man / da singet vnd klinget man / da zündet man
Kertzen vnd Liechte an / daß man für diesen keine andere hören noch sehen könne
/ Denn daß da ein Pfaff in einer Gülden Casel stehet / oder ein Ley den gantzen
Tag in der Kirchen auff den Knien ligt / das heisst ein köstlich Werck / das
niemand gnug loben kan / Aber daß ein armes Meidlin / eines jungen Kindes wartet
/ vnd trewlich thut / was jhr befohlen ist / das muß nichts heissen / Was solten
sonst Mönche vnd Nonnen in jhren Klöstern suchen?
Siehe aber / ist es nicht ein verfluchte Vermessenheit der verzweiffelten(Der Heuchler Vermessenheit.) Heiligen / so da
sich vnterstehen / ein höher vnd besser Leben vnd Stende zu finden / denn die
Zehen Gebot lehren / geben für / wie gesagt / es sey ein schlecht Leben / für
den gemeinen Man /
|| [ID00242]
Ihres aber sey für die Heiligen / vnd
Volkomene / vnd sehen nicht die elenden / blinden Leute / daß kein Mensch so
weit bringen kan / daß er eins von den Zehen Geboten halte / wie es zu halten
ist / sondern noch beyde / der Glaube / vnd das Vater vnser zu hülffe kom̅en muß (wie wir hören werden) dadurch man solchs suche vnd bitte
/ vnd ohn vnterlas empfahe / Darumb ist jhr rhümen gerade so viel / als wenn ich
rhümete vnd sagte: Ich habe zwar nicht ein Groschen zu bezahlen / Aber zehen
Gülden traw ich wol zu bezahlen.
(Vermanung.)
Das rede vnd treibe ich darumb / daß man des leidigen Mißbrauchs / der so tieff
eingewurtzelt hat / vnd noch jederman anhanget / los werde / vnd sich gewehne in
allen Stenden auff Erden / allein hieher (Zehen Gebot
vber alle Werck lehre.) zu sehen / vnd sich damit zu bekümmern / denn
man wird noch lang kein Lehre noch Stende auffbringen / die den Zehen Geboten
gleich sind / weil sie so hoch sind / daß sie niemand durch Menschen Krafft
erlangen kan / Vnd wer sie erlanget / ist ein Himmlisch / Engelisch Mensch /
weit vber alle Heiligkeit der Welt. Nim sie nur für / vnd versuche dich wol /
lege alle Krafft vnd Macht daran / so wirstu wol so viel zu schaffen gewinnen /
daß du kein andere Werck oder Heiligkeit suchen noch achten wirst. Das sey gnug
von dem Ersten Theil / beyde zu lehren / vnd vermanen / doch müssen wir zu
beschliessen widerholen den Text / so dazu gehöret / welchen wir auch droben im
Ersten Gebot gehandelt haben / auff daß man lerne / was Gott darauff wil
gewendet haben / daß man die Zehen Gebot wol lerne treiben / vnd vben.
Ich der HERR dein Gott / bin ein eyueriger Gott / Der vber die / so mich hassen /
die Sünde der Väter heimsucht an den Kindern / bis ins dritte vnd vierde Glied.
Aber denen / so mich lieben / vnd meine Gebot halten / thue Ich wol in tausent
Glied.
DIeser Zusatz / wiewol er (wie oben gehöret) zu fodderst zum Ersten Gebot
angehenget ist / so ist er doch vmb aller Gebot willen gesetzt / als die sich
semptlich hieher ziehen / vnd darauff gerichtet sollen seyn. Darumb habe ich
gesagt man solle der Jugend auch solchs fürhalten / vnd einblewen / daß sie es
lerne / vnd behalte / auff daß man sehe / was vns dringen vnd zwingen sol /
solche Zehen Gebot zu halten / Vnd sol es nicht anders ansehen / denn als sey
diß Stück zu einem jeglichen sonderlich gesetzt / also daß es in vnd durch sie
alle gehe.
|| [109]
Nun ist (wie vor gesagt) in diesen worten zusammen gefasset /(Drewwort vnd Verheissung neben den Zehen
Geboten.) beyde ein zornig Drewwort / vnd freundliche Verheissung / vns zu
schrecken vnd warnen / dazu zu locken vnd reitzen / auff daß man sein Wort / als
ein Göttlichen Ernst annehme / vnd gros achte / weil Er selbs außdrücket / wie
gros jhm daran gelegen sey / vnd wie hart Er darüber halten wölle / Nemlich /
daß Er grewlich vnd schrecklich straffen wil / alle die seine Gebot verachten /
vnd vbertretten / Vnd wiederumb / wie reichlich ers belohnen wil / wolthun / vnd
alles Guts geben / denen / die sie gros achten / vnd gerne darnach thun / vnd
leben. Damit Er wil gefoddert haben / daß sie alle aus solchem Hertzen gehen /
das alleine Gott fürchtet / vnd für Augen hat / vnd aus solcher Furcht alles
lesset / was wieder seinen Willen ist / auff daß jhn nicht erzürne / vnnd
dagegen auch jhm allein vertrawet / vnd jhm zu liebe thut / was er haben wil /
weil er sich so freundlich / als ein Vater hören lesset / vnd vns alle Gnade vnd
Guts anbeut.
Das ist auch eben die meinung / vnd rechte Außlegung des Ersten(Gantze summa des ersten Gebots.) vnd fürnemsten
Gebots / daraus andere quellen / vnd gehen sollen / Also / daß dis Wort / Du
solt nicht andere Götter haben / nichts anders / auffs einfeltigste wil gesaget
haben / denn so viel hie gefoddert / du solt Mich / als deinen einigen rechten
GOtt fürchten / lieben / vnnd Mir vertrawen / Denn wo ein solchs Hertz gegen
Gott ist / das hat dieses vnd alle andere erfüllet. Wiederumb / wer(Gott fürchten vnd vertrawen erfüllet alle Gebot.)
etwas anders im Himmel vnd auff Erden fürchtet / vnd liebet / der wird weder
dieses noch keines halten / Also hat die gantze Schrifft vberall diß Gebot
gepredigt vnd getrieben / alles auff die zwey stück / Gottes Furcht vnd
Vertrawen gerichtet / vnd fürnemlich der Prophet Dauid im Psalter durch vnnd
durch / Als da er spricht: Der HERR hat gefallen an denen / die Ihn fürchten /
vnd auff seine Güte warten / Als were das gantze Gebot mit einem Verß
außgestrichen / vnd eben so viel gesagt / Der HErr hat gefallen an denen / die
kein andere Götter haben.
Also sol nu das Erste Gebot leuchten / vnd seinen Glantz geben / in die andern
alle / Darumb mustu auch diß Stück lassen gehen durch alle Gebot / als die
Schele oder Bögel im Krantz / das Ende(Das Erste Gebot
treibet die andern alle.) vnd Anfang zu hauffe füge / vnd alle
zusam̅en halte / auff daß mans jmmer wiederhole / vnd nicht
vergesse / als nemlich im Andern Gebot / Daß man Gott fürchte / vnd seines
Nahmens nicht mißbrauche / zu fluchen / liegen / triegen / vnd anderer
Verführung / oder Büberey / Sondern recht vnd wol brauche / mit anruffen / beten
/ loben / vnd
|| [ID00244]
dancken aus Liebe / vnd vertrawen / nach dem
ersten Gebot geschepfft / (Erste
Taffel.) Deßgleichen sol solche Furcht / Liebe / vnd Vertrawen / treiben
vnd zwingen / daß mann sein Wort nicht verachte / sondern lerne / gerne höre /
heilig halte / vnd ehre.
(Ander Tafel.)
DArnach weiter / durch die folgenden Gebot gegen dem Nehesten auch also / alles
aus Krafft des Ersten Gebots / daß man Vater vnd Mutter / Herrn / vnd alle
Obrigkeit ehre / vnterthan / vnd gehorsam sey / nicht vmb jhren willen / sondern
Gottes Willen / Denn du darffst weder Vater noch Mutter ansehen / noch fürchten
/ noch jhnen zu lieb thun oder lassen / Siehe aber zu / was Gott von dir haben
wil / vnd gar getrost foddern wird / Lesstu es / so hastu einen zornigen Richter
/ oder wiederumb einen gnedigen Vater.
Item / Daß du deinem Nehesten kein Leid / Schaden / noch Gewalt thust / noch
einerley weise zu nahe seyest / es treffe seinen Leib / Gemahel / Gut / Ehre /
oder Recht an / wie es nacheinander geboten ist / ob du gleich raum vnd Vrsach
dazu hettest / vnd dich kein Mensch darumb straffete / Sondern jederman wolthust
/ helffest / vnd förderst / wie vnd wo du kanst / allein Gotte zu liebe vnd
gefallen / in dem Vertrawen / daß Er dir alles reichlich wil erstatten. Also
siehestu / (Das Erste Gebot der Brunne aller
anderer.) wie das Erste Gebot das Heupt vnd Quellbrun ist / so durch die
andern alle gehet / Vnd wiederumb alle sich zu rück ziehen / vnd hangen in
diesem / daß Ende vnd Anfang alles in einander geknüpfft / vnd gebunden ist.
Solchs (sag ich nu) ist nütz vnd noth dem jungen Volck jmm er für zu halten /
vermahnen vnd erinnern / auff daß sie nicht allein / wie das Viehe / mit
schlägen vnd Zwang / Sondern in Gottes Furcht vnd Ehre auffgezogen werden. Denn
wo man solchs bedencket / vnd zu Hertzen nimpt / daß es nicht Menschentand /
Sondern der hohen Majestet Gebot sind / der mit solchem Ernst drüber helt /
zürnet / vnd (GOttes streng Gebot nicht Menschen
Wort.) straffet die sie verachten / vnd wiederumb so vberschwenglich
vergilt / denen die sie halten / daselbs wird sich selbs reitzen vnd treiben /
gerne Gottes Willen zu thun.
(Zehen Gebot allenthalben schreiben.)
Darumb ist nicht vmbsonst im Alten Testament geboten / daß man solle die Zehen
Gebot schreiben an alle Wende vnd Ecken / ja auch an die Kleider / nicht daß
mans allein lasse da geschrieben stehen / vnd schawtrage / wie die Jüden theten
/ sondern daß mans ohn vnterlas für Augen / vnd in stetem Gedechtnis habe / in
alle vnserm thun vnd wesen treibe / vnd ein jeglicher lasse es seine tägliche
vbunge
|| [110]
seyn / in allerley Fällen / Gescheffte vnd
Hendeln / als stünde es an allen örten geschrieben / wo er hin siehet / ja wo er
gehet oder stehet / so würde man beyde für sich daheim in seinem Hause / vnd
gegen Nachbarn vrsach gnug finden / die Zehen Gebot zu treiben / daß niemand
weit darnach lauffen dürffte.
Aus dem siehet man abermal / wie hoch diese Zehen Gebot zu(Werck der Zehen Gebot.) heben vnd preisen sind /
vber alle Stende / Gebot vnd Werck / so man sonst lehret vnd treibet / Denn hie
können wir trotzen / vnd sagen: Las aufftretten alle Weisen vnd Heiligen / ob
sie köndten ein Werck herfür bringen / als diese Gebot / so GOtt mit solchem
ernst foddert / vnd befihlt / bey seinem höhesten Zorn vnd Straffe / dazu so
herrliche Verheissung dazu setzet / daß Er vns mit allen Gütern vnd Segen
vberschütten wil / darumb sol man sie ie für allen andern Lehren / thewr vnd
werth halten / als den höhesten Schatz von GOTT gegeben.
|| [ID00246]
Von dem Glauben.
BIßher haben wir gehöret das erste stücke Christlicher Lehre / vnd darinne
gesehen alles / was (Glaub lehret Gott
erkennen.) Gott von vns wil gethan vnd gelassen haben / Darauff folget nun
billich der Glaube / der vns fürlegt / alles / was wir von Gott gewarten / vnd
empfahen müssen / vnd auffs kürtzte zu reden / jhn gantz vnd gar erkennen
lehret. Welchs eben dazu dienen sol / daß wir dasselbige thun können / so wir /
lauts der Zehen Gebot / thun sollen / denn sie sind (wie droben gesagt) so hoch
gestellet / daß aller Menschen Vermügen viel zu gering vnd schwach ist /
dieselbigen zu halten. Darumb ist diß Stück ja so nötig / als jenes zu lernen /
daß man wisse / wie man dazu komme / woher / vnd (???) wodurch solche Krafft zu nehmen sey / Denn so wir kündten aus eigenen
krefften die Zehen Gebot halten / wie sie zu halten sind / dürfften wir nichts
weiter / weder Glauben / noch Vater vnser. Aber ehe man solchen Nutz vnd Noth
des Glaubens außstreichet / ist gnug erstlich für die gar Einfeltigen / daß sie
den Glauben an jhm selbs fassen / vnd verstehen lernen.
Auffs erste / hat man bißher den Glauben getheil et in Zwölff Artickel / Wiewol /
wenn man alle Stücke / so in der Schrifft stehen / vnd zum Glauben gehören /
eintzelen fassen solte / gar viel mehr Artickel sind / auch nicht alle deutlich
/ mit so wenig worten mügen außgedrückt werden. Aber daß mans auffs leichteste
vnd einfeltigste fassen kündte / wie es für die Kinder zu lehren ist / wöllen
wir den gantzen (Drey Henpt-Artickel des
Glaubens.) Glauben kürtzlich fassen in Drey Heupt Artickel / nach den
dreyen Personen der Gottheit / dahin alles / was wir gleuben / gerichtet ist.
Also / daß der Erste Artickel von GOtt dem Vater / erklehre die Schöpffung. Der
Ander von dem Sohn / die Erlösung. Der Dritte von dem heiligen Geist / die
Heiligung. Als were der Glaube auffs aller kürtzte in so viel Wort gefasset: Ich
gleub an GOtt Vater / der mich geschaffen hat. Ich gleube an Gott den Sohn / der
mich erlöset hat. Ich gleube an den heiligen Geist / der mich heilig machet. Ein
Gott vnd Glaube / aber drey Personen / darumb auch drey Artickel oder Bekentnis.
So wöllen wir nu kürtzlich die Wort vberlauffen
|| [111]
Der Erste Artickel.
Ich gleube an Gott den Vater / Allmechtigen Schöpffer Himmels vnd der Erden.
DA ist auffs aller kürtzte abgemalet vnd fürgebildet(Glaube leret was wir für ein Gott haben.) / Was Gottes des Vaters
Wesen / Wille / Thun / vnd Werck sey. Denn weil die Zehen Gebot haben
fürgehalten / man solle nicht mehr denn einen Gott haben / möchte man nun fragen
/ Was ist denn Gott für ein Man? Was thut er? Wie kan man jhn preisen
|| [ID]
oder abmalen / vnd beschreiben / daß man jhn kenne? Das
lehret nu dieser vnd folgende Artickel / Also / daß der Glaube nichts anders ist
/ denn ein Antwort vnd Bekentnis der Christen / auff das Erste Gebot gestellet.
Als wenn man ein jung Kind fragete / Lieber / was hastu für einen Gott? Was
weistu von jhm? daß es kündte sagen / Das ist mein Gott / Zum Ersten / der Vater
/ der Himmel vnd Erden geschaffen hat / ausser diesem einigen halte ich nichts
für GOtt / denn sonst keiner ist / der Himmel vnd Erden schaffen kündte.
Für die Gelehrten aber / vnd die etwas leufftig sind / kan mann die Artickel alle
drey weit außstreichen / vnd theilen in so viel stücke / als es Wort sind. Aber
jetzt für die jungen Schüler / sey gnug das nöthigste anzuzeigen / Nemlich / wie
gesagt / daß dieser Artickel belanget die Schöpffung / daß man stehe auff dem
Wort / Schöpffer Himmels vnd der Erden. Was ists nu gesagt / oder was meinstu
(Verstand des wörtlins Schöpffer.) mit dem
Wort (Ich gleube an Gott Vater Allmechtigen / Schöpffer / etc.) Antwort. Das
meyne vnd gleube ich / daß ich GOttes Geschöpffe bin / das ist / daß Er mir
geben hat / vnd ohne vnterlas erhelt / Leib / Seele / vnd Leben / Gliedmasse /
klein vnd gros / alle Sinne / Vernunfft / vnd Verstand / vnd so fort an / Essen
vnd Trincken / Kleider / Nahrung / Weib vnd Kind / Gesind / Haus vnd Hoff / etc.
Dazu alle Creatur / zu Nutz vnd Notturfft des Lebens dienen lesst / Sonne / Mond
/ vnd Sternen am Himmel / Tag vnd Nacht / Lufft / Fewr / Wasser / Erden / vnd
was sie tregt vnd vermag / Vogel / Fische / Thier / Getreide / vnd allerley
Gewechs. Item / was mehr Leibliche vnd zeitliche Güter sind / gut Regiment /
Friede / Sicherheit / Also / daß man aus diesem Artickel lerne / daß vnser
keiner das Leben / noch alles / was jetzt erzehlet ist / vnd erzehlet mag werden
/ von jhm selbs hat / noch erhalten kan / wie klein vnd gering es ist / denn es
alles gefasset ist in das wort / Schöpffer.
Darüber bekennen wir auch / daß Gott der Vater / nicht allein solchs alles was
wir haben / vnd für Augen sehen / vns geben hat / Sondern auch täglich für allem
Vbel vnd Vnglück behütet / vnd beschützet / allerley Fehrligkeit vnd Vnfall
abwendet / vnd solchs alles aus lauter Liebe vnd Güte / durch vns vnuerdienet /
als ein freundlicher (Allmechtiger Vater.) Vater /
der für vns sorget / daß vns kein Leid wiederfahre. Aber dauon weiter zu sagen /
gehöret in die andern zwey Stücke dieses Artickels / da man spricht: Vater
Allmechtigen.
(Folge vnd Frucht des Glaubens.)
HIeraus wil sich nun selbs schliessen vnd folgen / weil vns das alles / so wir
vermögen / dazu / was im Himmel
|| [112]
vnd Erden ist /
täglich von Gott gegeben / erhalten / vnd bewahret wird / so sind wir ja
schüldig / jhn darumb ohn vnterlas zu lieben / loben / vnd dancken / Vnd
kürtzlich / jhm gantz vnd gar damit zu dienen / wie er durch die Zehen Gebot
foddert / vnd befohlen hat. Hie were nu viel zu sagen / wenn mans solt
außstreichen / wie wenig jhrer sind / die diesen Artickel gleuben. Denn wir
gehen alle vberhin / hörens / vnd sagens / sehen aber vnd bedencken nicht / was
vns die Wort fürtragen / denn wo wirs von Hertzen gleubten / würden wir auch
darnach thun / vnd nicht so stoltz hergehen / trotzen / vnd vns brüsten / als
hetten wir das Leben / Reichthumb / Gewalt vnd Ehre / etc. von vns selbs / daß
mann vns fürchten / vnd dienen müste. Wie die vnselige verkehrte Welt thut / die
in jhrer Blindheit ersoffen ist / aller Güter vnd Gaben Gottes / allein zu jhrer
Hoffart / Geitz / Lust vnd Woltagen mißbraucht / vnd Gott nicht ein mal ansehe /
daß sie jhm danckete / oder für einen HERRN vnd Schöpffer erkennete.
Darumb solt vns dieser Artickel alle demütigen / vnd erschrecken / wo wirs
gleubten / denn wir sündigen täglich mit Augen / Ohren / Henden / Leib vnd Seele
/ Gelt vnd Gut / vnd mit allem das wir haben / sonderlich die jenigen / so noch
wieder GOttes Wort fechten. Doch haben die Christen den Vortheil / daß sie sich
des schüldig erkennen / jhm dafür zu dienen / vnd gehorsam zu seyn.
Derhalben sollen wir diesen Artickel täglich vben / einbilden /(Vbung des Glaubens in allerley Fellen.) vnd vns
erinnern / in allem / was vns für Augen kompt / vnd guts wiederfehret / vnd wo
wir aus Nöthen oder Fehrligkeit kommen / wie vns GOtt solchs alles gibt / vnd
thut / daß wir daran spüren vnd sehen / sein Väterlich Hertz / vnd
vberschwengliche Liebe gegen vns / dauon würde das Hertz erwarmen / vnd
entzündet werden / danckbar zu seyn / vnd aller solcher Güter zu Gottes Ehren
vnd Lob zu brauchen. Also haben wir auffs kürtzte die meinung dieses Artickels /
so viel den Einfeltigen erstlich noth ist zu lernen / beyde / was wir von Gott
haben / vnd empfahen / vnnd was wir dafür schüldig sind / welches gar ein gros
trefflich Erkentnis ist / Aber viel ein höher Schatz / denn da sehen wir / wie
sich der Vater vns gegeben hat / sampt allen Creaturen(GOtt gibt sich vns sampt allen Creaturen.) / vnd auffs aller
reichlichste in diesem Leben versorget / ohn daß er vns sonst auch mit
vnaußsprechlichen Ewigen Gütern / durch seinen Sohn vnd heiligen Geist
vberschüttet / wie wir hören werden.
|| [ID00250]
Der Ander Artickel.
Vnd an JEsum Christum seinen einigen Sohn vnsern HErrn / Der empfangen ist vom
heiligen Geist / Geboren von der Jungfrawen Maria / Gelitten vnter Pontio Pilato
/ gecreutzigt / gestorben / vnd begraben / Niedergefahren zur Hellen / Am
dritten Tage aufferstanden von den Todten / Auffgefahren gen Himmel / Sitzend
zur Rechten GOttes des Allmechtigen Vaters / Von dannen Er kommen wird / zu
richten die Lebendigen vnd die Todten.
|| [113]
HIe lernen wir die andere Person der Gottheit kennen / daß wir sehen / was wir
vber die vörigen zeitlichen Güter von Gott haben / Nemlich / wie Er sich gantz
vnd gar außgeschüttet hat / vnd nichts behalten / das er nicht vns gegeben habe.
Dieser Artickel ist nu sehr reich / vnd weit / Aber daß wirs auch kurtz vnd
Kindlich handeln / wöllen wir ein Wort für vns nehmen / vnd darinne die gantze
Summa dauon fassen / Nemlich (wie gesagt) daß man hieraus lerne / wie wir
erlöset sind / Vnd sol stehen auff diesen Worten: An Jesum Christum vnsern
HERRN.
Wenn man nun fragt / Was gleubstu im andern Artickel von JEsu Christo? Antwort
auffs kürtzte. Ich gleube / daß JEsus Christus warhafftiger Gottes Sohn / sey
mein HERR worden.(Christus vnser HERR.) Was ist
nu das / Ein HErr werden? Das ists / daß Er mich erlöset hat / von Sünde / vom
Teuffel / vom Tode / vnd allem Vnglück. Denn zuuor habe ich keinen HErrn noch
König gehabt / Sondern vnter des Teuffels Gewalt gefangen / zu dem Tod verdampt
/ in der Sünde vnd Blindheit verstrickt gewesen.
Denn da wir geschaffen waren / vnd allerley Guts von GOtt(Teuffels Reich vnd Gewalt.) dem Vater empfangen
hatten / kam der Teuffel / vnd bracht vns in Vngehorsam / Sünde / Tod / vnd alle
Vnglück / daß wir in seinem Zorn vnd Vngnad lagen / zu ewigem Verdamnis
verurtheilet / wie wir verwircket vnd verdienet hatten. Da war kein Raht /
Hülffe / noch Trost / bis daß sich dieser einige vnd Ewige Gottes Sohn / vnsers
Jammers vnd Elends / aus grundloser Güte erbarmte / vnd von Himel kam vns zu
helffen. Also sind nu jene Tyrannen vnd Stockmeister alle vertrieben / vnnd ist
an jhre stat getretten JESVS Christus / der HERR des Lebens / Gerechtigkeit /
alles Guts / vnd Seligkeit / vnd hat vns arme verlorne Menschen aus der Hellen
Rachen gerissen / gewonnen / frey gemacht / vnd wiederbracht in des Vaters Huld
vnd Gnade / vnd als sein Eigenthumb vnter seinen Schirm vnd Schutz genommen /
daß Er vns regiere durch seine Gerechtigkeit / Weißheit / Gewalt / Leben vnd
Seligkeit.
DAs sey nun die Summa dieses Artickels / Daß das Wörtlein / HERR / auffs
einfeltigste so viel heisse / als ein Erlöser / das ist / der vns vom Teuffel zu
Gotte / vom Tod zum Leben / von Sünde zur Gerechtigkeit bracht hat / vnd dabey
erhelt. Die(Wie vnd wo durch die Erlösung
geschehen.) Stücke aber / so nach einander in diesem Artickel folgen /
thun nichts anders / denn daß sie solche Erlösung erklehren vnd außdrücken / wie
vnd wodurch sie geschehen sey / das ist / was Ihn gestanden / vnd was
|| [ID]
Er daran gewendet vnd gewagt hat / daß er vns gewönne / vnd
zu seiner Herrschafft brechte / Nemlich / daß Er Mensch worden / von dem
heiligen Geist vnd der Jungfrawen / ohne alle Sünde empfangen / vnd geborn /
auff daß er der Sünden HErr were / dazu gelitten / gestorben vnd begraben / daß
er für mich gnug thete / vnd bezahlete / was ich verschuldet habe / nicht mit
Silber vnd Gold / sondern mit seinem eigenen thewren Blut. Vnd diß alles darumb
/ daß Er mein HErr würde / denn Er für sich der keines gethan / noch bedurfft
hat. Darnach wieder auffgestanden / den Tod verschlungen / vnd gefressen / vnd
endlich gen Himmel gefahren / vnd das Regiment genommen / zur Rechten des Vaters
/ daß jhm Teuffel / vnd alle Gewalt muß vnterthan seyn / vnd zun Füssen ligen /
so lang / bis Er vns endlich am Jüngsten Tage / gar scheide / vnd sondere von
der bösen Welt / Teuffel / Tod / Sünde / etc.
(Artickel von Christo jm̅er zu treiben.)
Aber diese entzele Stück alle / sonderlich außzustreichen / gehöret nicht in die
kurtze Kinderpredigt / sondern in die grossen Predigt / vber das gantze Jahr /
sonderlich auff die zeit / so dazu geordnet sind / ein jeglichen Artickel in die
lenge zu handeln / von der Geburt / Leiden / Aufferstehen / Himmelfahrt Christi
/ etc. Auch stehet das gantze Euangelium / so wir predigen / darauff / daß man
diesen Artickel wol fasse / Als an dem alle vnser Heyl vnd Seligkeit ligt / vnd
so reich vnd weit ist / daß wir jmmer gnug daran zu lernen haben.
|| [114]
Der Dritte Artickel.
Ich gleube an den heiligen Geist / Ein heilige Christliche Kirche / Die Gemeine
der Heiligen / Vergebung der Sünden / Aufferstehung des Fleisches / Vnd ein
Ewigs Leben / Amen.
DIesen Artickel kan ich nit besser örtern / den̅ / wie gesagt / von
der Heiligung / daß dadurch der H. Geist mit seinem Ampt außgedruckt / vnd
abgemalet werde / nemlich /
|| [ID00254]
daß er heilig machet / drumb
müssen wir fussen auff das Wort / heiligen Geist / Weil es so kurtz gefasset ist
/ daß man kein anders haben (Mancherley
Geist.) kan. Denn es sind sonst mancherley Geist in der Schrifft / als
Menschengeist / Himlische Geister / vnd böse Geister. Aber Gottes (Heiliger Geist der da heilig machet.) Geist / heist
allein ein heiliger Geist / das ist / der vns geheiliget hat / vnd noch heiliget
/ Denn wie der Vater ein Schöpffer / der Sohn ein Erlöser heisset / so sol auch
der heilige Geist von seinem Werck / ein Heiliger oder Heiligmacher heissen. Wie
gehet aber solch Heiligen zu? Antwort. Gleich wie der Sohn die Herrschafft
vberkömpt / (Wie vnd wo durch die heiligung
geschihet.) dadurch er vns gewinnet durch seine Geburt / Sterben / vnd
Aufferstehen / etc. Also richtet der heilige Geist die Heiligung aus / durch die
folgende Stück / das ist / durch die Gemeine der Heiligen / oder Christliche
Kirche / Vergebung der Sünden / Aufferstehung des Fleisches / vnd das Ewige
Leben / das ist / daß er vns erstlich führet in seine heilige Gemeine / vnd in
der Kirchen Schos legt / dadurch er vns predigt / vnd zu Christo bringet.
Denn weder du noch ich / kündten jmmermehr etwas von Christo wissen / noch an jhn
gleuben / vnd zum HErrn kriegen / wo es nicht durch die Predigt des Euangelij
von dem Heiligen Geist würde angetragen / vnd vns in Bosam geschenckt / das
Werck ist geschehen / vnd außgericht / denn Christus hat vns den Schatz erworben
vnd gewonnen / durch sein Leiden / Sterben / vnd Aufferstehen / etc. Aber wenn
das Werck verborgen bliebe / daß niemand wüste / so were es vmbsonst vnd
verlohren. Daß nun solcher Schatz nicht begraben bliebe / Sondern angelegt vnd
genossen würde / hat Gott das Wort außgehen vnd verkündigen lassen / darinn den
heiligen Geist geben / vns solchen Schatz vnd Erlösung heim zu bringen / vnd
zuzueigenen. (Der Heilig Geist bringt vns Christum
heim.) Darumb ist das heiligen nichts anders / denn zu dem HErrn
Christo bringen / solch Gut zu empfahen / dazu wir von vns selbs nicht kommen
kündten.
SO lerne nu diesen Artickel auffs deutlichste verstehen. Wenn man fraget / Was
meinestu mit den Worten: Ich gleube an den heiligen Geist? daß du könnest
antworten: Ich gleube / daß mich der heilige Geist heilig machet / wie sein
Nahme ist. Womit thut er aber solchs? oder was ist seine weise vnd mittel dazu?
Antwort. Durch die Christliche Kirch / Vergebung der Sünden / Aufferstehung des
Fleisches / vnd das Ewige Leben. Denn zum ersten hat Er eine sonderliche Gemeine
in der Welt / welche ist die Mutter / so ein jeglichen Christen zeugt vnd tregt
/ durch das Wort
|| [115]
Gottes / welchs er offenbahret vnd
treibet / die Hertzen erleuchtet / vnd anzündet / daß sie es fassen / annehmen /
daran hangen / vnd dabey bleiben.
Denn wo ers nicht predigen lesset / vnd im Hertzen erweckt / daß(Der heilig Geist muß CHristum offenbaren.) mans
fasset / da ists verlohren / wie vnter dem Bapsthumb geschehen ist / da der
Glaube gantz vnter die Banck gestecket / vnd niemand Christum für einen HErrn
erkant hat / noch den heiligen Geist / für den / der da heilig machet / Das ist
/ Niemand hat gegleubet / daß Christus also vnser HErr were / der vns ohn vnser
Werck vnd Verdienst solchen Schatz gewonnen hette / vnd vns dem Vater angenehme
gemacht. Woran hat es denn gemangelt? Daran / daß der heilige Geist nicht ist da
gewesen / der solches hette offenbahret / vnd predigen lassen / Sondern Menschen
/ vnd böse Geist sind da gewesen / die vns haben gelehret / durch vnsere Werck
selig zu werden / vnd(wo der Geist nicht predige da
ist keine Kirche.) Gnad erlangen / Darumb ist es auch kein Christliche
Kirche / denn wo man nicht von Christo predigt / da ist kein heiliger Geist /
welcher die Christliche Kirche machet / beruffet / vnd zusamen bringet / ausser
welcher niemand zu dem HErrn Christo kom̅en kan. Das sey gnug von
der Summa dieses Artickels / weil aber die Stück / so darinn verzehlet / für die
Einfeltigen nicht so gar klar sind / wöllen wir sie auch vberlauffen.
DIe heilige Christliche Kirche heisset der Glaube /(Gemeinschafft der Heiligen.)
Communionem Sanctorum, Ein Gemeinschafft der Heiligen /
denn es ist beydes einerley zusam̅en gefasset / aber vor zeiten
das eine Stück nicht dabey gewesen / ist auch vbel vnd vnuerstendlich
verteutschet / Eine Gemeinschafft der Heiligen. Wenn mans deutlich geben solt /
müste mans auff Teutsche artgar anders reden / denn das wort Ecclesia, heist eigentlich auff Teutsch / eine Versamlung / wir sind
aber gewonet des wörtlins Kirche / welchs die Einfeltigen nicht von einem
versamleten Hauffen / sondern von dem geweiheten Haus vnd Gebew verstehen /
wiewol das Haus nicht solt eine Kirch heissen / ohne allein darumb / daß der
Hauffe darinn zusamen kömpt / denn wir / die zusamen kom̅en /
machen vnd nehmen vns ein sonderlichen raum / vnd geben dem Haus nach dem
Hauffen einen Nahmen.
Also heisset das wörtlein (Kirche) eigentlich nichts anders / denn(Kirche.) ein gemeine Samlung / vnd ist von art
nicht Teutsch / sondern Griechisch / (wie auch das Wort / Ecclesia) Denn sie heissens auff jhre Sprach Kyria, wie mans auch Lateinisch / Curiam nennet.
Darumb solts auff recht Teutsch vnd vnser Mutter Sprache heissen / Ein
|| [ID]
Christliche Gemeine oder Samlung / oder auffs aller beste vnd
klerste / ein heilige Christenheit.
Also auch das wort Communio, das daran gehenget ist /
solt nicht Gemeinschafft / sondern Gemeine heissen. Vnnd ist nichts anders /
denn die Glosse oder Außlegung / da jemand hat wöllen deuten / was die
Christliche Kirche heisse / dafür haben die vnsern / so weder Lateinisch noch
Teutsch gekunt haben / gemachet / Gemeinschafft der Heiligen / so doch kein
Teutsche Sprache so redet / noch verstehet. Aber (Heilige Gemeine oder Christenheit.) recht Teutsch zu reden / solt es
heissen / Ein Gemeine der Heiligen / das ist / ein Gemeine / darinn eytel
Heiligen sind / oder noch klerlicher / ein heilige Gemeine. Das rede ich darumb
/ daß man die wort verstehe / weil es so in die Gewonheit eingerissen ist / daß
schwerlich wieder heraus zu reissen ist / Vnd sol bald Ketzerey seyn / wo mann
ein Wort endert.
DAs ist aber die meinung vnd Summa / von diesem Zusatz / Ich gleube / daß da sey
ein heiliges Heufflein / vnd Gemeine auff Erden / eyteler Heiligen vnter einem
Heupt Christo / durch den heiligen Geist / zusammen beruffen / in einem Glauben
/ Sinne vnd Verstand / mit mancherley Gaben / doch eintrechtig in der Liebe /
ohn Rotten vnd Spaltung. Derselbigen bin ich auch ein Stück / vnd Glied / aller
Güter / so sie hat / theilhafftig / vnd Mitgenosse / durch den heiligen Geist
dahin gebracht / vnd eingeleibet / dadurch daß ich Gottes Wort gehöret habe /
vnd noch höre / welchs ist der Anfang / hinein zu kommen. Denn vorhin / ehe wir
dazu kommen sind / sind wir gar des Teuffels gewesen / als die von Gott vnd von
Christo nichts gewusst haben. So bleibt der heilige Geist bey der heiligen
Gemeine oder Christenheit / bis auff den Jüngsten Tag / dadurch Er vns holet /
vnd brauchet sie dazu / das Wort zu führen / vnd treiben / dadurch er die
Heiligung machet / vnd mehret / daß sie Täglich zunehme / vnd starck werde im
Glauben / vnd seinen Früchten / so Er schaffet.
(Vergebung der Sünde.)
DArnach weiter gleuben wir / Daß wir in der Christenheit haben Vergebung der
Sünde / welchs geschicht durch die heiligen Sacrament vnd Absolution / darzu
allerley Trostsprüche des gantzen Euangelij. Darumb gehöret hieher / was von den
Sacramenten zu predigen ist / Vnd Summa / das gantze Euangelium / vnd alle
Empter der Christenheit / welchs auch noth ist / daß ohne vnterlaß gehe. Denn
wiewol GOttes Gnade durch CHristum erworben ist / vnnd die Heiligkeit durch den
Heiligen
|| [116]
Geist gemacht / durch Gottes Wort in der
vereinigung der Christlichen Kirchen / so sind wir doch nimmer ohne Sünde /
vnsers Fleisches halben / so wir noch am Hals tragen.
Darumb ist alles in der Christenheit dazu geordnet / daß man(Tägliche vergebung der Christenheit.) da täglich
eytel Vergebung der Sünden durch Wort vnd Zeichen hole / vnser Gewissen zu
trösten / vnd auffzurichten / so lange wir hie leben / Also machet der Heilig
Geist / daß / ob wir gleich Sünde haben / doch sie vns nicht schaden kan / weil
wir in der Christenheit sind / da eytel Vergebung der Sünde ist / beyde daß vns
Gott vergibt / vnd wir vnter einander vergeben / tragen / vnd auffhelffen.
Ausser der Christenheit aber / da das Euangelium nicht ist / ist auch kein
Vergebung nicht / wie auch keine Heiligkeit da seyn kan. Darumb haben sich alle
selbs heraus geworffen / vnd gesondert / die nicht durchs Euangelium vnd
Vergebung der Sünde / sondern durch jhre Wercke / Heiligkeit suchen / vnd
verdienen wöllen.
In deß aber / weil die Heiligkeit angefangen ist / vnd täglich zunimpt / warten
wir / daß vnser Fleisch hingerichtet / vnd mit allem Vnflat bescharret werde /
Aber herrlich herfür kom̅e / vnd aufferstehe zu gantzer vnd
völliger Heiligkeit / in einem newen Ewigen Leben. Denn jetzt bleiben wir halb
vnd halb rein vnd heilig / auff daß der heilige Geist jm̅er an vns
arbeite / durch das Wort / vnd täglich Vergebung außtheile / bis in jenes Leben
/ da nicht mehr Vergebung wird seyn / sondern gantz vnd gar rein / vnd heilige
Menschen / voller Frömkeit vnd Gerechtigkeit / entnommen vnd ledig von Sünd /
Tod / vnd allem Vnglück / in einem newen vnsterblichen / vnd verklerten Leib.
Siehe / das alles sol des heiligen Geistes Ampt vnd Werck seyn /(Ampt des heiligen Geistes.) daß er auff Erden die
Heiligkeit anfahe / vnd täglich mehre / durch die zwey Stück / Christliche
Kirche / vnd Vergebung der Sünde / wenn wir aber verwesen / wird Ers gantz auff
einem Augenblick volführen / vnd vns ewig dabey erhalten / durch die letzten
zwey.
Daß aber hie stehet / Aufferstehung des Fleisches / ist auch nicht(Aufferstehung des Fleisches.) wol Teutsch geredt
/ Denn wo wir Teutschen Fleisch hören / dencken wir nicht weiter / denn in die
Schärren. Auff recht Teutsch aber würden wir also reden / Aufferstehung des
Leibs oder Leichnams / doch ligt nicht grosse macht daran / so mann nur die Wort
recht verstehet.
DAs ist nu der Artickel / der da jmerdar im Werck(Des
heiligen Geists werck gehet jmmerdar.) gehen / vnd bleiben muß / Denn
die Schöpffung haben wir nu hinweg / so ist die Erlösung auch außgerichtet /
aber der heilig Geist
|| [ID00258]
treibet sein Werck ohn vnterlas / bis
auff den Jüngstentag / dazu Er verordnet eine Gemeine auff Erden / dadurch er
alles redet vnd thut / Denn er seine Christenheit noch nicht alle zusammen
bracht / noch die Vergebung außgetheilet hat / Darumb gleuben wir an den / der
vns täglich herzu holet / durch das Wort / vnd den Glauben gibt / mehret vnd
stercket durch dasselbig Wort / vnd Vergebung der Sünde / auff daß Er vns / wenn
das alles außgerichtet / vnd wir dabey bleiben / der Welt vnd allem Vnglück
absterben / endlich gar vnd ewig heilig mache / welchs wir jetzt durchs Wort im
Glauben warten.
Siehe da hastu das gantze Göttliche wesen / Willen vnd Werck / mit gantz kurtzen
/ vnd doch reichen Worten / auffs aller feineste abgemalet / darin̅ alle vnser Weißheit stehet / so vber alle Menschen Weißheit / Sinn / vnd
Vernunfft gehet vnd schwebet. Denn alle Welt / wiewol sie mit allem fleis
darnach getrachtet hat / Was doch GOtt were / vnd was er im Sinn hette / vnd
thete / so hat sie doch der keines je erlangen mögen. Hie aber hastu es alles
auffs aller reicheste. Den̅ da hat Er selbs offenbaret / vnd
auffgethan den tieffsten Abgrund (Im Glauben hat sich
Gott gantz außgeschüttet.) seines Väterlichen Hertzens / vnd eytel
vnaußsprechlicher Liebe / in allen dreyen Artickeln. Denn er hat vns eben dazu
geschaffen / daß er vns erlösete / vnd heiligte / vnd vber das er vns alles
geben / vnd eingethan hatte / was im Him̅el vnd auff Erden ist /
hat er vns auch seinen Sohn vnd heiligen Geist geben / durch welche Er vns zu
sich brechte. Denn wir kündten (wie droben erklehret) nim̅ermehr
dazu kommen / daß wir des Vaters Hulde vnd Gnade erkenneten / ohn durch den
HErrn Christum / der ein Spiegel ist des Väterlichen Hertzens / ausser welchem
wir nichts sehen / denn einen zornigen vnd schrecklichen Richter / von Christo
aber kündten wir auch nichts wissen / wo es nicht durch den heiligen Geist
offenbaret were.
(Was Christen von andern Völckern vnterscheidet.)
DArumb scheiden vnd sondern diese Artickel des Glaubens vns Christen / von allen
andern Leuten auff Erden. Denn was ausser der Christenheit ist / es seyen Heyden
/ Türcken / Jüden / oder falsche Christen / vnd Heuchler / ob sie gleich nur
einen warhafftigen GOtt gleuben / vnd anbeten / so wissen sie doch nicht / wie
Er gegen jhnen gesinnet ist / können sich auch keiner Liebe noch Guts zu jhm
versehen / darumb sie in ewigem Zorn vnd Verdamnis bleiben / denn sie den HErrn
Christum nicht haben / dazu mit keinen Gaben durch den heiligen Geist erleuchtet
/ vnd begnadet sind.
Aus dem siehestu nu / daß der Glaube gar viel ein andere Lehre
|| [117]
ist / denn die Zehen Gebot / Denn jene lehret wol / was wir thun
sollen(Vnterscheid des Glaube̅n vnd
der Zehen Gebot.) / diese aber sagt / was vns Gott thue vnd gebe / die
Zehen Gebot sind auch sonst in aller Menschen Hertzen geschrieben / den Glauben
aber kan keine Menschliche Klugheit begreiffen / vnd muß allein vom heiligen
Geist gelehret werden. Darumb machet jene Lehre noch keinen Christen / denn es
bleibt noch jm̅er Gottes Zorn vnd Vngnad vber vns / weil wirs
nicht halten können / was Gott von vns foddert / Aber diese bringet eytel Gnade
/ machet vns from̅ / vnd Gott angenehme / Denn durch diese
Erkentnis krigen wir Lust / vnd Liebe zu allen Geboten GOttes / weil wir hie
sehen / wie sich Gott gantz vnd gar / mit allem / das er hat vnd vermag / vns
gibt / zu hülffe vnd stewer die Zehen Gebot zu halten / der Vater alle Creaturen
/ Christus alle seine Werck / der Heilig Geist alle seine Gaben. Das sey jetzt
gnug vom Glauben / ein Grund zu legen für die Einfeltigen / daß man sie nicht
vberlade / Auff daß / wenn sie die Summa dauon verstehen / darnach selbs weiter
nachtrachten / vnd was sie in der Schrifft lernen / hieher ziehen / vnd jmmerdar
in reicherm Verstand zunehmen vnd wachsen / denn wir haben doch täglich / so
lang wir hie leben / daran zu predigen vnd zu lernen.
|| [ID00260]
Das Vater vnser.
WIr haben nun gehöret / was mann thun vnd gleuben sol / darinn das beste vnd
seligste Leben stehet / Folget nu das Dritte Stück / wie man beten sol / Denn
weil es also mit vns gethan ist / daß kein Mensch die Zehen Gebot volkommen
halten kan / ob er gleich angefangen hat zu gleuben / vnd sich der Teuffel mit
aller Gewalt / sampt der Welt vnd vnserm eignen Fleisch daw ieder sper
|| [118]
ret / ist nichts so noth / denn daß man Gott
jmmerdar in Ohren lige / ruffe vnd bitte / daß Er den Glauben vnd Erfüllung der
Zehen Gebot vns gebe / erhalte / vnd mehre / Vnd alles / was vns im wege ligt /
vnd dran hindert / hinweg reume / Daß wir aber wüsten / was vnd wie wir beten
sollen / hat vns vnser HErr Christus selbs Weise vnd Wort gelehret / wie wir
sehen werden.
EHE wir aber das Vater vnser nacheinander erklehren(Vermanung zum Gebet.) / ist wol am nötigsten vorhin die Leute zu
vermahnen / vnd reitzen zum Gebete / wie auch Christus vnd die Aposteln gethan
haben / Vnd sol nemlich das Erste seyn / daß mann wisse / wie wir vmb Gottes
Gebots willen schüldig sind zu beten / Denn so haben wir gehört / im Andern
Gebot: Du solt Gottes Nahmen nicht vnnützlich führen / Daß darinn gefoddert
werde / den heiligen Nahmen preisen / in aller Noth anruffen vnd beten / Denn
anruffen ist nichts anders denn beten / Also / daß es streng vnd ernstlich
geboten ist / so hoch als alle andere / Keinen andern Gott haben / nicht tödten
/ nicht stelen / etc. Daß niemand gedencke / es sey gleich so viel / Ich bete
oder bete nicht / wie die grobe Leute hingehen / in solchem Wahn vnd
Gedancken:(Gottes Gebot.) Was solt ich beten
/ wer weis / ob Gott mein Gebet achtet / oder hören wil? Bete ich nicht / so
betet ein ander / vnd kommen also in die Gewonheit / daß sie nim̅ermehr beten / vnd nehmen zu behelff / daß wir falsch vnd heuchel Gebete
verwerffen / als lehreten wir / man solle oder dürffe nicht beten.
Das ist aber je wahr / was man bißher für Gebete gethan hat / geplerret vnd
gedönet in den Kirchen / etc. ist freylich kein Gebet gewesen / denn solch
eusserlich ding / wo es recht gehet / mag ein Vbung für die jungen Kinder /
Schüler / vnd Einfeltigen seyn / vnd mag gesungen oder gelesen heissen / es
heisset aber nicht eigentlich gebetet / Das heisset aber gebetet / wie das Ander
Gebot lehret / Gott anruffen(Beten heisset Gott in
Nöten anruffen.) in allen Nöthen. Das wil Er von vns haben / vnd sol
nicht in vnser wilköre stehen / Sondern sollen vnd müssen beten / wöllen wir
Christen seyn / so wol als wir sollen vnd müssen Vater / Mutter / vnd der
Obrigkeit gehorsam seyn / Denn durch das anruffen vnd bitten / wird der Nahme
Gottes geehret / vnd nützlich gebrauchet. Das soltu für allen dingen mercken /
daß mann damit schweige vnd zu rück stosse / solche gedancken / die vns dauon
halten vnd abschrecken / denn gleich wie es nicht gilt / daß ein Sohn zum Vater
sagen wolt / Was ligt an meinem Gehorsam / ich wil hingehen / vnd thun / was ich
kan / es gilt doch gleich so viel? Sondern da stehet das Gebot / Du solt
|| [ID]
vnd must es thun. Also auch hie / stehet es nicht in meinem
willen / zu thun vnd zu lassen / sondern sol vnd muß gebetet seyn.
Daraus soltu nu schliessen / vnd dencken / weil es so hoch geboten (Niemand sol sein Gebet verachten.) ist zu beten /
daß bey leib niemand sein Gebete verachten sol / sondern gros vnd viel dauon
halten. Vnd nim jmmer das Gleichnis von den andern Geboten. Ein Kind sol bey
leib nicht sein Gehorsam gegen Vater vnd Mutter verachten / sondern jmmer
gedencken: Das Werck / ist ein werck des Gehorsams / vnd das ich thue / thue ich
nicht anderer meinung / denn daß in dem Gehorsam vnd Gottes Gebot gehet /
darauff ich kündte gründen / vnd fussen / vnd solches gros achten / nicht vmb
meiner Wirdigkeit willen / sondern vmb des Gebots willen. Also auch hie / was /
vnd wo für wir bitten / sollen wir so ansehen / als von GOTT gefoddert / vnd in
seinem Gehorsam gethan / vnd also dencken: Meinet halben were es nichts / Aber
darumb sol es gelten / daß Gott geboten hat. Also sol ein jeglicher / was er
auch zu bitten hat / jmmer für Gott kommen / mit dem Gehorsam dieses Gebots.
Darumb bitten wir / vnd vermahnen auffs fleissigest jederman / daß mann solches
zu Hertzen nehme / vnd in keinen weg vnser Gebete verachte / denn mann bißher
also gelehret hat / ins Teuffels Nahmen / daß niemand solchs geachtet hat / vnd
gemeinet / es were gnug / daß das Werck gethan were / GOTT erhörets oder höret
es nicht. (Auff ebenthewr beten.) Das heisset das
Gebete in die Schantz geschlagen / vnd auff ebenthewer hin gemurret / darumb ist
es ein verlohren Gebete. Denn wir vns solche Gedancken lassen jrren / vnd
abschrecken: Ich bin nicht heilig noch wirdig gnug / wenn ich so from̅ vnd heilig were / als S. Petrus / Paulus / so wolte ich beten /
Aber nur weit hinweg mit solchen Gedancken / denn eben das Gebot / das S. Paul
troffen hat / das trifft mich auch / vnd ist eben so wol vmb meinet willen das
Ander Gebot gestellet / als vmb seinet willen / daß er kein besser noch heiliger
Gebot zu rhümen hat.
(Gottes Gebot machet das Gebet köstlich.)
Darumb soltu so sagen: Mein Gebete / das ich thue / ist ja so köstlich / heilig /
vnd Gott gefellig / als S. Paulus / vnd der Allerheiligsten / Vrsach / denn ich
wil jhn gerne lassen heiliger seyn / der Person halben / aber des Gebots halben
nicht / weil GOtt das Gebete nicht der Person halben ansiehet / Sondern seines
Worts vnd Gehorsams halben / denn auff das Gebot / darauff alle Heiligen jhr
Gebete setzen / setze ich meines auch / dazu bete ich eben das / darumb sie
allzumal bitten / oder gebeten haben.
Das sey das Erste vnd nötigste Stück / daß alle vnser Gebete sich
|| [119]
gründen vnd stehen sol auff Gottes Gehorsam / nicht
angesehen vnser Person / Wir seyen Sünder oder from̅ / wirdig oder
vnwirdig. Vnd sollen wissen / daß Gott in keinen schertz wil geschlagen haben /
sondern zürnen vnd straffen / wo wir nicht bitten / so wol als Er allen andern
Vngehorsam straffet / Darnach daß er vnser Gebet / nicht wil lassen vmbsonst vnd
verlohren seyn. Denn wo Er dich nicht erhören wolte / würde er dich nicht
heissen beten / vnd so streng Gebot darauff schlagen.
ZVm andern / sol vns desto mehr treiben vnd reitzen(Gottes Verheissung.) / daß Gott auch eine Verheissung dazu gethan /
vnd zugesaget hat / daß es sol ja vnd gewiß seyn / was wir bitten / wie er
spricht im 50. Plalm: Ruffe Mich an zur zeit der Noth / so wil Ich dich
erretten. Vnd Christus im Euangelio / Matth. am 7. Bittet / so wird euch gegeben
/ etc. Denn ein jeglicher / wer da bittet / der empfehet. Solchs solte je vnser
Hertz erwecken vnd anzünden mit lust vnd Liebe zu beten / weil Er mit seinem
Wort bezeuget / daß jhm vnser Gebet hertzlich wol gefalle / dazu gewißlich
erhört vnd gewert seyn sol / auff daß wirs nicht verachten / noch in Wind
schlahen / vnd auff vngewiß bitten.
Solchs kanstu jhm auffrücken vnd sprechen: Hie komme ich lieber Vater / vnd bitte
/ nicht aus meinem fürnehmen / noch auff eigene Wirdigkeit / sondern auff dein
Gebot vnd Verheissung / so mir nicht fehlen noch liegen kan / Wer nu solcher
Verheissung nicht gleubet / sol abermal wissen / daß er Gott erzürnet / als der
jhn auffs höhest vnehret / vnd Lügen straffet.
Vber das sol vns auch locken vnd ziehen / daß Gott neben dem(GOtt stellet vns selbs die weise zu beten.) Gebot
vnd Verheissunge zuuor kömpt / vnd selbs die Wort vnd weise stellet / vnd vns in
Mund legt / wie vnd was wir beten sollen / auff daß wir sehen / wie hertzlich Er
sich vnser Noth annimpt / vnd je nicht daran zweiffeln / daß jhm solch Gebet
gefellig sey / vnd gewiß erhöret werde / welchs gar ein grosser Vortheil ist /
für allen andern Gebeten / so wir selbs erdencken möchten. Denn da würde das
Gewissen jmmer im zweiffel stehen / vnd sagen / Ich habe gebeten / aber wer weis
wie es jhm gefellet / Oder ob ich die rechte maß vnd weise troffen habe / Darumb
ist auff Erden kein edler Gebet zu finden / weil es solche trefflich Zeugniß hat
/ daß Gott hertzlich gerne höret / da für wir nicht der Welt Gut solten nehmen.
Vnd ist auch darumb also fürgeschrieben / daß wir sehen vnd bedencken / die Noth
/ so vns dringen vnd zwingen sol / ohne vnterlas zu(Vnser Noth so vns treiben sol zu beten.) beten / Denn wer da beten
wil / der muß etwas bringen / fürtragen
|| [ID00264]
vnd nennen / des er
begehret / wo nicht / so kan es kein Gebet heissen. Darumb haben wir billich der
Münche vnd Pfaffen Gebete verworffen / die Tag vnd Nacht feindlich heulen vnd
murren / Aber jhr keiner dencket vmb ein haarbreit zu bitten / Vnd wenn man alle
Kirchen / sampt den Geistlichen / zusammen brechte / so müsten sie bekennen /
daß sie nie von Hertzen vmb ein tröpfflin Weins gebeten hetten. Denn jhr keiner
je hat aus Gottes Gehorsam / vnd Glauben der Verheissung fürgenom̅en zu beten / auch keine Noth angesehen / sondern nicht weiter gedacht (Wenn
mans auffs beste außgericht hat) denn ein gut Werck zu thun / damit sie Gott
bezahleten / als die nicht von jhm nehmen / sondern nur jhm geben wolten.
(Noth machet Erust vnd Andacht.)
Wo aber ein recht Gebet seyn sol / da muß ein ernst seyn / daß man seine Noth
fühle / vnd solche Noth / die vns drücket vnd treibet zu ruffen vnd schreyen /
So gehet denn das Gebet von sich selbs / wie es gehen sol / daß man keines
lehrens darff / wie man sich dazu bereiten / vnd andacht schepffen sol. Die Noth
aber / so vns beyde für vns vnd jederman anligen sol / wirstu reichlich gnug im
Vater vnser finden / Darumb sol es auch dazu dienen / daß man sich der daraus
erinnere / betrachte / vnd zu Hertzen nehme / auff daß wir nicht laß werden zu
beten / denn wir haben alle gnug / das vns mangelt / Es fehlet aber daran / daß
wirs nicht fühlen noch sehen / Darumb auch Gott haben wil / daß du solche Noth
vnd Anligen klagest vnd anziehest / Nicht daß Ers nicht wisse / sondern / daß du
dein Hertz entzündest / desto stercker vnd mehr zu begehren / vnd nur den Mantel
weit außbreitest vnd auffthuest / viel zu empfahen.
(Allerley Not für Gott zu tragen.)
DArumb solten wir vns von Jugend auff gewehnen / ein jeglicher für alle seine
Noth / wo er nur etwas fühlet / das jhn anstösset / vnd auch anderer Leute /
vnter welchen er ist / täglich zu bitten / als für Prediger / Obrigkeit /
Nachbarn / Gesinde / Vnd jm̅er (wie gesagt) Gott sein Gebot vnd
Verheissung auffrücken / vnd wissen / daß Ers nicht wil verachtet haben. Das
sage ich darumb / denn ich wolt gerne / daß man solchs wider in die Leute
brechte / daß sie lerneten recht beten / vnd nicht so rohe vnd kalt hingehen /
dauon sie täglich vngeschickter werden zu beten / welchs auch der Teuffel haben
wil / vnd mit allen krefften dazu hilfft / denn er fühlet wol / was jhm für Leid
vnd schaden thut / wenn das Gebete recht im schwang gehet.
(Das Gebete ist vnser waffen wider den Teuffel.)
Denn das sollen wir wissen / daß alle vnser Schirm vnd Schutz / allein in dem
Gebete stehet / Denn wir sind dem Teuffel viel zu schwach / sampt seiner Macht
vnd Anhang / so sich wieder vns legen /
|| [120]
daß sie vns
wol kündten mit Füssen zu tretten. Darumb müssen wir dencken / vnd zu dem Waffen
greiffen / damit die Christen sollen gerüstet seyn / wieder den Teuffel zu
bestehen / Denn was meinestu / daß bißher so gros ding außgerichtet habe /
vnserer Feinde rahtschlagen / Fürnehmen / Mord vnd Auffruhr gewehret oder
gedempffet? Dadurch vns der Teuffel sampt dem Euangelio / gedacht hat
vnterzudrücken / wo nicht etlicher frommer Leute Gebete / als eine Eyserne Mawr
auff vnser Seiten darzwischen kommen were? Sie solten sonst selbs gar viel ein
ander Spiel gesehen haben / wie der Teuffel gantz Teutschland in seinem eigenen
Blut verderbet hette. Jetzt aber mügen sie es getrost verlachen / vnd jhren
Spott haben / Wir wöllen aber dennoch / beyde jhnen vnd dem Teuffel / allein
durch das Gebete / Manns gnug seyn / wo wir nur fleissig anhalten vnd nicht laß
werden. Denn wo jrgend ein from̅er Christ bittet: Lieber Vater /
las doch deinen Willen geschehen / So spricht Er droben: Ja liebes Kind / es sol
ja seyn vnd geschehen / dem Teuffel vnnd aller Welt zu Trotz.
Das sey nu zur Vermanung gesagt / daß man für allen dingen lerne / das Gebete
gros vnd thewer achten / vnd ein rechten Vnterscheid wisse / zwischen dem
plappern / vnd etwas bitten / denn wir verwerffen mit nichte das Gebete /
Sondern das lauter vnnütze geheule vnd gemurre verwerffen wir: Wie auch Christus
selbs lang gewessche verwirfft vnd verbeut. Nu wöllen wir das Vater vnser auffs
kürtzte vnd klerlichste handeln. Da sind nun in Sieben Artickel oder Bitte nach
einander gefasset alle Noth / so vns ohn vnterlas belanget / vnd ein jegliche so
gros / daß sie vns treiben solt / vnser lebenlang daran zu bitten.
|| [ID00266]
Geheiliget werde dein Nahme.
(Gottes Name vns gegeben zu heiligen.)
DAS ist nun etwas finster / vnd nicht wol Teutsch geredt / denn auff vnser Mutter
Sprache würden wir also sprechen: Himlischer Vater / hilff daß nur dein Nahme
möge heilig seyn. Was ists nu gebetet / daß sein Nahme heilig werde? Ist er
nicht vorhin heilig? Antwort. Ja er ist allezeit heilig in seinem Wesen / aber
in vnserm Brauch ist er nicht heilig. Denn Gottes Nahme ist
|| [121]
vns gegeben / weil wir Christen worden / vnd getaufft sind / daß
wir Gottes Kinder heissen / vnd die Sacrament haben / da durch Er vns mit jhm
verleibet / Also / daß alles was Gottes ist / zu vnserm Brauch dienen sol. Da
ist nun die grosse Noth / da für wir am meisten sorgen sollen / daß der Nahme
sein Ehre habe / heilig vnd heer gehalten werde / als vnser höhester Schatz vnd
Heiligthumb so wir haben / vnd daß wir / als die fromme Kinder darumb bitten /
daß sein Nahme / der sonst im Himmel heilig ist / auch auff Erden bey vns vnd
aller Welt heilig sey vnd bleibe.
WIe wird er nu vnter vns heilig? Antwort / auffs(Wie
Gottes Name gehetliget werde.) deutlichste so man sagen kan / Wenn
beyde vnsere Lehre vnd Leben Göttlich vnd Christlich ist. Denn weil wir in
diesem Gebete Gott vnsern Vater heissen / so sind wir schüldig / daß wir vns
allenthalben halten vnd stellen wie die frommen Kinder / daß er vnser nicht
Schande / sondern Ehre vnd Preiß habe / Nu wird Er von vns entweder mit Worten /
oder mit Wercken verunheiliget / (denn was wir auff Erden machen / muß entweder
Wort oder Werck / reden oder thun seyn) Zum Ersten also / wenn man predigt /
lehret vnd redet vnter Gottes Nahmen / das doch falsch vnd verfürisch ist / daß
sein Name die Lügen schmücken vnd verkeuffen muß / Das ist nu die grösseste
Schande vnd Vnehre Göttliches Nahmens / Darnach auch / wo mann gröblich den
heiligen Nahmen zum Schanddeckel führet / mit schweren / fluchen / zeubern /
etc.
Zum Andern / auch mit öffentlichen bösem Leben vnd Wercken /(Vnehre Göttliches Nahmens mit Worten / oder
Wercken.) wenn die / so Christen vnd Gottes Volck heissen / Ehebrecher /
Seuffer / geitzige Wenste / Neidisch / vnd Affterreder sind / Da muß abermal
Gottes Name / vmb vnser willen / mit schanden bestehen vnd gelestert werden.
Denn gleich wie es einem leiblichen Vater eine schande vnd vnehre ist / der ein
böses vngerahten Kind hat / das mit worten vnd Wercken wieder jhn handelt / daß
er vmb seinet willen muß verachtet vnd geschmehet werden. Also reichet es auch
zu Gottes Vnehren / so wir / die nach seinem Nahmen genennet sind / vnd allerley
Güter von jhm haben / anders lehren / reden vnd leben / denn from̅e vnd Himlische Kinder / daß Er hören muß / daß man von vns sagt / Wir müssen
nicht Gottes / sondern des Teuffels Kinder seyn.
Also siehestu / daß wir eben das in diesem Stück bitten / so Gott(Diese Bitte auff das Ander Gebot gerichtet.) im
Andern Gebot foddert / Nemlich / daß man seines Namens nicht mißbrauche / zu
schweren / fluchen / liegen / triegen / etc. Sondern nützlich brauche zu Gottes
Lob vnd Ehren / Denn / wer Gottes Namen
|| [ID00268]
zu jrgend einer
Vntugend brauchet / der entheiliget vnd entweihet diesen heiligen Nahmen / wie
man vor zeiten eine Kirche entweihet hiesse / wenn ein Mord oder andere Büberey
darinn begangen war / Oder / wenn man eine Monstrantzen oder Heiligthumb
vnehrete / als das wol an jhm selbs heilig / vnd doch im Brauch vnheilig ward.
Also ist das Stück leicht vnd klar / wenn man nur die Sprache verstehet / Daß
Heiligen heisset so viel / als auff vnsere weise / Loben / Preisen / vnd Ehren /
beyde mit Worten vnd Wercken.
(Noth dieses Gebets.)
Da siehe nun / wie hoch solch Gebet von nöthen ist / Denn weil wir sehen / wie
die Welt so voll Rotten vnd falscher Lehrer ist / die alle den heiligen Nahmen
zum Deckel vnd Schein jhrer Teuffels Lehre führen / solten wir billich ohn
vnterlas schreien vnd ruffen wieder solche alle / Beyde / die felschlich
predigen vnd gleuben / Vnd was vnser Euangelium / vnd reine Lehre anfichtet /
verfolget / vnd verdempffen wil / als Bischoffe / Tyrannen / Schwermer / etc.
Item / auch für vns selbs / die wir Gottes Wort haben / aber nicht danckbar
dafür sind / noch darnach leben / wie wir sollen. Wenn du nu solchs von Hertzen
bittest / kanstu gewiß seyn / daß es GOtt wolgefellet. Denn liebers wird er
nicht hören / den̅ daß seine Ehre vnd Preiß für vnd vber alle ding
gehe / sein Wort rein gelehret / thewr vnd werth gehalten werde.
|| [122]
Dein Reich komme.
WIe wir im ersten Stück gebetet haben / das Gottes Ehre vnd Namen betrifft / daß
Gott wehre / daß die Welt nicht jhre Lügen vnd Boßheit darunter schmücke /
Sondern heer vnd heilig halte / beyde mit Lehre vnd Leben / daß er an vns
gelobet vnd gepreiset werde / Also bitten wir hie / daß auch sein Reich kommen
solle. Aber gleich wie Gottes Nahme an jhm selbs heilig ist / vnd wir doch
bitten / daß er bey vns heilig sey / Also kömpt auch sein Reich ohn vnser bitten
|| [ID00270]
von sich selbs / doch bitten wir gleichwol / daß es zu
vns komme / Das ist / vnter vns / vnd bey vns gehe / Also / daß wir auch ein
stück seyen / darunter sein Nahme geheiliget werde / vnd sein Reich im schwang
gehe.
(Was Gottes Reich sey.)
Was heisset nu Gottes Reich? Antwort. Nichts anders / denn wie wir droben im
Glauben gehört haben / daß Gott seinen Sohn Christum vnsern HErrn in die Welt
geschickt / daß er vns erlösete vnd frey machete von der Gewalt des Teuffels /
vnd zu sich brecht vnd regierete / als ein König der Gerechtigkeit / des Lebens
vnd Seligkeit / wieder Sünde / Tod vnd böse Gewissen / dazu er auch seinen
heiligen Geist geben hat / der vns solches heimbrechte / durch sein heiliges
Wort / vnd durch seine Krafft im Glauben erleuchtete vnd sterckte. Derhalben
bitten wir nu hie zum ersten / daß solches bey vns krefftig werde / vnd sein
Name so gepreiset / durch das heilige Wort Gottes / vnd Christlich Leben / Beyde
/ daß wir / die es angenommen haben / dabey bleiben / vnd täglich zunehmen / vnd
daß es bey andern Leuten ein Zufall vnd Anhang gewinne / vnd gewaltiglich durch
die Welt gehe / auff daß jhr viel zu dem Gnadenreich kommen / der Erlösung
theilhafftig werden / durch den heiligen Geist herzu bracht / auff daß wir also
alle sampt in einem Königreich jetzt angefangen / Ewiglich bleiben.
(Wie Gottes Reich zu vns komme.)
DEnn Gottes Reich zu vns komen / geschicht auff zweyerley weise / Einmal hie
zeitlich / durch das Wort vnd den Glauben. Zum Andern / Ewig durch die
Offenbarung / Nun bitten wir solchs beydes / daß es komme zu denen / die noch
nicht darinne sind / Vnd zu vns / die es vberkommen haben / durch täglich
zunehmen / vnd künfftig in dem Ewigen Leben. Das alles ist nichts anders / denn
so viel gesagt: Lieber Vater / wir bitten / gib vns erstlich dein Wort / daß das
Euangelium rechtschaffen durch die Welt gepredigt werde. Zum Andern / Daß auch
durch den Glauben angenommen werde / in vns wircke vnd lebe / daß also dein
Reich vnter vns gehe / durch das Wort / vnd Krafft des Heiligen Geistes / vnd
des Teuffels Reich niedergelegt werde / daß er kein Recht noch Gewalt vber vns
habe / so lange / bis es endlich gar zerstöret / die Sünde / Tod / vnd Helle
vertilget werde / Daß wir Ewig leben / in voller Gerechtigkeit vnd Seligkeit.
(GOtt wil eytel vberschwenglich Gut geben.)
Aus dem siehestu / Daß wir hie nicht vmb eine Parteken / oder Zeitlich
vergenglich Gut bitten / Sondern vmb einen Ewigen vberschwenglichen Schatz / vnd
alles / was GOTT selbs vermag / Das
|| [123]
viel zu gros ist
/ daß ein Menschlich Hertz solchs thürste in Sinn nemen / zu begehren / wo Ers
nicht selbs geboten hette zu bitten / Aber weil er Gott ist / wil Er auch die
Ehre haben / daß Er viel mehr vnd reichlicher gibt / denn jemand begreiffen kan
/ Als ein ewiger vnuergenglicher Quell / Der / je mehr er außfleusset vnd
vbergehet / je mehr er von sich gibt / Vnd nichts höher von vns begehret / denn
daß mann viel vnd grosse dinge von jhm bitte / Vnd wiederumb zürnet / wenn man
nicht getrost bittet vnd foddert.
Denn gleich als wenn der reicheste / mechtigste Keyser einen armen Bettler hiesse
bitten / was er nur begehren möchte / vnd bereit were / gros Keyserlich
Geschencke zu geben / vnd der Narr nicht mehr denn eine Hofesuppen bettelte /
Würde er billich als ein Schelm vnd Bößwicht gehalten / als der aus Keyserlicher
Majestet Befehl sein Hohn vnd Spott triebe / vnd nicht werth were für seine
Augen zu kommen.
Also reichet es auch Gotte zu grosser Schmach vnd Vnehre /(Gottes Vnehre / so man nicht viel vnd grosses
bittet.) wenn wir / denen Er so viel vnaußsprechliche Güter anbeut vnd
zusaget / solchs verachten / oder nicht getrawen zu empfahen / vnd kaum vmb ein
stück Brots vnterwinden zu bitten. Das ist alles des schendlichen Vnglaubens
schuld / der sich nicht so viel guts zu Gott versiehet / daß er jhm den Bauch
ernehre / schweige / daß er solche ewige Güter solt vngezweiffelt von GOtt
gewarten / Darumb sollen wir vns dawieder stercken / Vnd diß lassen das erste
seyn zu bitten / so wird man freylich alles ander auch reichlich haben / Wie
Christus lehret: Trachtet am ersten nach dem Reich Gottes / so sol euch solches
alles zufallen / Denn wie solt Er vns an zeitlichem mangeln vnd darben lassen /
weil Er das Ewige vnd vnuergengliche verheisset?
|| [ID00272]
Dein Wille geschehe / wie im Himmel / also auch auff Erden.
BIßher haben wir gebeten / daß sein Name von vns geehret werde / vnd sein Reich
vnter vns gehe / In welchen zweyen gantz begriffen ist / was Gottes Ehre / vnd
vnser Seligkeit belanget / daß wir (Noth zu bitten daß
Gottes Ehr vnd Reich bey vns bleibe.) GOtt sampt allen seinen Gütern zu
eigen kriegen / Aber hie ist nun ja so grosse Noth / daß wir solches feste
halten / vnd vns nicht lassen dauon reissen. Denn wie in einem guten Regiment
|| [124]
nicht allein müssen seyn / die da bawen vnd wol
regieren / Sondern auch die da wehren / schützen / vnd feste darüber halten:
Also auch hie / wenn wir gleich für die höheste Noth gebeten haben / vmb das
Euangelium / Glauben vnd heiligen Geist / daß er vns regiere / aus des Teuffels
Gewalt erlöse / so müssen wir auch bitten / daß Er seiuen Willen geschehen lasse
/ Denn es wird sich gar wünderlich anlassen / wenn wir dabey bleiben sollen /
daß wir viel Anstösse vnd Püffe darüber müssen leiden / von dem allen / so sich
vnterstehet die zwey vorigen Stücke zu hindern vnd wehren.
Denn niemand gleubt / wie sich der Teuffel dawieder setzet vnd(Teufel / Welt vnd Fleisch wider Gottes Willen.)
sperret / als der nicht leiden kan / daß jemand recht lehre / oder gleube / vnd
thut jhm aus der masse wehe / daß er muß seine Lügen vnd grewel / vnter dem
schönsten schein Göttliches Nahmens geehret / auffdecken lassen / vnd mit allen
schanden stehen / dazu aus dem Hertzen getrieben werden / vnd ein solchen Riß in
sein Reich lassen geschehen / Darumb tobet vnd wütet er als ein zorniger Feind /
mit aller seiner Macht vnd Krafft / henget an sich alles / was vnter jhm ist /
Dazu nimpt er zu hülffe / die Welt / vnd vnser eigen Fleisch / Denn vnser
Fleisch ist an jm selbs faul / vnd zum bösen geneigt / ob wir gleich Gottes Wort
angenom̅en haben / vnd gleuben / die Welt aber ist arg vnd
böse / Da hetzet er an / bleset vnd schüret zu / daß er vns hindere / zu rück
treibe / felle / vnd wieder vnter seine Gewalt bringe / das ist alle sein wille
/ Sinn vnd Gedancken / darnach er Tag vnd Nacht trachtet / vnd kein Augenblick
feyret / brauchet alle Künste / Tücke / Weise vnd wege dazu / die er jmmer
erdencken kan.
Darumb müssen wir vns gewißlich des versehen vnd erwegen / so wir Christen seyn
wöllen / daß wir den Teuffel sampt allen seinen Engeln / vnd der Welt zu Feinde
haben / die vns alle Vnglück vnd Hertzleid anlegen / Denn wo Gottes Wort
geprediget / angenom̅en oder gegleubet wird / vnd Frucht schaffet
/ da sol das liebe heilige Creutz auch nicht aussen bleiben / Vnd dencke nur
niemand daß er Friede haben werde / sondern hinnan setzen müsse / was er auff
Erden hat / Gut / Ehre / Haus vnd Hoff / Weib vnd Kind / Leib vnd Leben / Das
thut nun vnserm Fleisch / vnd alten Adam wehe / Denn es heisset fest halten /
vnd mit Gedult leiden / wie man vns angreiffet / vnd fahren lassen / was man vns
nimpt.
Darumb ist je so grosse Noth / als in allen andern / daß wir ohn(Summa.) vnterlas bitten: Lieber Vater / Dein
Wille geschehe / Nicht des Teuffels / vnd vnserer Feinde wille / Noch alles des
/ so dein heiliges Wort verfolgen vnd dempffen wil / oder dein Reich hindern /
Vnd gib vns /
|| [ID00274]
daß wir alles / was drüber zu leiden ist / mit
Gedult tragen vnd vberwinden / daß vnser armes Fleisch aus Schwacheit oder
Tragheit / nicht weiche noch abfalle.
(Gottes Willen in vns geschehen.)
Siehe / also haben wir auffs einfeltigste in diesen dreyen stücken / die Noth /
so Gott selbs betrifft / Doch alles vmb vnsern willen / denn es gilt allein vns
/ was wir bitten / Nemlich also / wie gesaget / daß auch in vns geschehe / das
sonst ausser vns geschehen muß. Denn wie auch ohn vnser bitten sein Nahme
geheiliget werden / vnd sein Reich kom̅en muß / Also muß auch sein
Wille geschehen vnd durchdringen / ob gleich der Teuffel mit alle seinem Anhang
fast dawieder rumoren / zürnen vnd toben / vnd sich vnterstehen das Euangelium
gantz außzutilgen / Aber vmb vnser willen müssen wir bitten / Daß sein Wille
auch vnter vns wieder solch jhr toben vnuerhindert gehe / daß sie nichts
schaffen können / vnd wir wieder alle Gewalt vnd Verfolgung feste dabey bleiben
/ vnd solchen Willen Gottes vns gefallen lassen.
(Der Christen Schutz wieder jhre Feinde.)
Solch Gebete sol nu jetzt vnser Schutz vnd Wehre seyn / die zu rück schlage vnd
niederlege / alles was der Teuffel / Bapst / Bischoffe / Tyrannen vnd Ketzer
wieder vnser Euangelium vermügen / Las sie allezumal zürnen / vnd jhr höhestes
versuchen / rahtschlagen vnd beschliessen / wie sie vns dempffen vnd außrotten
wöllen / daß jhr Wille vnd Raht fortgehe vnd bestehe / Dawider sol ein Christ
oder zween / mit diesem einigen stücke / vnsere Mawr seyn / daran sie anlauffen
vnd zu scheitern gehen. Den Trost vnd Trotz haben wir / daß des Teuffels / vnd
aller vnser Feinde Willen vnd Fürnehmen / sol vnd muß vntergehen / vnd zu nicht
werden / Wie stoltz / sicher vnd gewaltig sie sich wissen / Denn wo jhr wille
nicht gebrochen vnd gehindert würde / so kündte sein Reich auff Erden nicht
bleiben / noch sein Nahme geheiliget werden.
|| [125]
Vnser täglich Brod gib vns heute.
HIe bedencken wir nun den armen Brodkorb /(Was ta̅glich Brod heisse.) vnsers Leibs vnd zeitlichen Lebens
Notturfft / Vnd ist ein kurtz einfeltig Wort / greiffet aber auch sehr weit vmb
sich / Denn wenn du täglich Brod nennest / vnd bittest / so bittestu alles / was
dazu gehöret / das täglich Brod zu haben vnd geniessen / Vnd dagegen auch wieder
alles / so dasselbige hindert. Darumb mustu deine Gedancken wol auffthun / vnd
außbreiten / nicht allein in Backofen oder Mehlkasten / Sondern ins weite Feld
vnd gantze Land / so das tägliche Brod / vnd allerley Nahrung tregt / vnd
|| [ID]
vns bringet. Denn wo es Gott nicht wachsen liesse / Segnete
vnd auff dem Lande erhielte / würden wir nimmer kein Brod aus dem Backofen
nehmen / noch auff den Tisch zu legen haben.
(Zeitlichs Lebens Notturfft.)
Vnd daß wirs kürtzlich fassen / so wil diese Bitte mit eingeschlossen haben /
alles was zu diesem gantzen Leben in der Welt gehöret / weil wir allein vmb deß
willen das tägliche Brod haben müssen. Nun gehöret nicht allein zum Leben / daß
vnser Leib sein Futter vnd Decke / vnd andere Notturfft habe / sondern auch /
daß wir vnter den Leuten / mit welchen wir leben / vnd vmbgehen / in täglichem
handel vnd wandel / vnd allerley wesen / mit Ruge vnd Friede hinkom̅en / Summa / Alles was beyde Heußlich vnd nachbarlich oder Bürgerlich wesen
vnd Regiment belanget / Denn wo diese zwey gehindert werden / daß sie nicht
gehen / wie sie gehen sollen / da ist auch des Lebens Notturfft gehindert / daß
endlich nicht kan erhalten werden. Vnd ist wol das aller (Weltlich Regiment.) nötigste / für Weltliche
Obrigkeit vnd Regiment zu bitten / als durch welchs vns GOtt allermeist vnser
täglich Brod / vnd alle gemach dieses Lebens erhelt. Denn ob wir gleich aller
Güter von Gott die fülle vberkom̅en / so können wir doch desselben
keins behalten / noch sicher vnd frölich brauchen / wo Er vns nicht ein
bestendig friedlich Regiment gebe / Denn wo Vnfried / Hadder vnd Krieg ist / da
ist das täglich Brod schon genommen / oder je gewehret.
(Fürsten Schild.)
Darumb möchte man billich in eines jeglichen frommen Fürsten Schilt ein Brod
setzen / für einen Lewen oder Rautenkrantz / Oder auff die Müntze für das
geprege schlagen / zu erinnern beyde sie vnd die Vnterthanen / daß wir durch jhr
Ampt Schutz vnd Friede haben / vnd ohn sie das liebe Brod nicht essen noch
behalten können / darumb sie auch aller Ehren werth sind / daß man jhnen dazu
gebe / was wir sollen vnd können / Als denen / durch welche wir alles / was wir
haben / mit Friede vnd Ruge geniessen / da wir sonst keinen Heller behalten
würden / Dazu daß man auch für sie bitte / daß GOtt desto mehr Segen vnd Guts
durch sie vns gebe.
Also sey auffs kürtzte angezeigt vnd entworffen / wie weit dis Gebet gehet durch
allerley wesen auff Erden. Daraus möcht nu jemand ein lang Gebete machen / vnd
mit vielen worten alle solche Stück / so (Summa dieser
Bitte.) darein gehören / erzehlen / Als nemlich / daß wir bitten / daß
vns Gott gebe Essen vnd Trincken / Kleider / Haus vnd Hoff / vnd gesunden Leib /
dazu das Getreide / vnd Früchte auff dem Feld wachsen / vnd wol gerahten lasse /
Darnach auch daheim wol Haußhalten helffe / from Weib / Kinder vnd Gesinde gebe
vnd bewahre / Vnser Arbeit / Handwerck / oder was wir zu thun haben / gedeyen
vnd gelingen las
|| [126]
se / trewe Nachbarn / vnd gute
Freunde beschere / etc. Item / Keyser / Könige / vnd alle Stende / vnd
sonderlich vnsern Landsfürsten / allen Rähten / Oberherrn vnd Amptleuten
Weißheit / stercke vnd Glücke gebe / wol zu regieren / vnd wieder Türcken / vnd
alle Feinde zu siegen / Den Vnterthanen vnd gemeinem Hauffen Gehorsam / Fried
vnd Eintracht vnternander zu leben / Vnd wiederumb / daß er vns behüte für
allerley Schaden des Leibs vnd Narung / Vngewitter / Hagel / Fewr / Wasser /
Gifft / Pestilentz / Viehe sterben / Krieg vnd Blutuergiessen / Thewrer Zeit /
schedlichen Thieren / bösen Leuten / etc. Welchs alles gut ist den Einfeltigen
einzubilden / daß solchs vnd dergleichen von Gott muß gegeben / vnd von vns
gebeten seyn.
Vrnemlich aber ist diß Gebet auch gestellet wider(Teuffel hindert das tägliche Brod vnd alle Gaben Gottes.) vnsern
höhesten Feind den Teuffel / den̅ das ist alle sein sinn vnd
begehr / solches alles / was wir von Gott haben / zu nehmen oder hindern / vnd
lesset jhm nicht genügen / daß er das Geistliche Regiment hindere vnd zustöre /
damit / daß er die Seelen durch seine Lügen verführet / vnd vnter seine Gewalt
bringet / sondern wehret vnd hindert auch / daß kein Regiment / noch Erbarlich
vnd friedlich Wesen auff Erden bestehe / da richtet er so viel Hadder / Mord /
Auffruhr vnd Krieg an / Item / Vngewitter / Hagel / das Getreide vnd Viehe zu
verderben / die Lufft zu vergifften / etc. Summa / es ist jhm leid / daß jemand
einen bissen Brod von Gott habe / vnd mit Frieden esse / Vnd wenn es in seiner
Macht stünde / vnd vnser Gebet (nehest Gott) nicht wehrete / würden wir freylich
keinen Halm auff dem Felde / kein Heller im Hause / ja nicht eine Stunde das
Leben behalten / sonderlich die / so Gottes Wort haben / vnd gerne wolten
Christen seyn.
Siehe / also wil vns Gott anzeigen / wie er sich alle vnser Noth(Gott sorget täglich / auch für vnsern Leib.)
annimpt / vnd so trewlich auch für vnser zeitliche Narung sorget / vnd wiewol er
solchs reichlich gibt vnd erhelt / auch den Gottlosen vnd Buben / doch wil Er /
daß wir darumb bitten / auff daß wir erkennen / daß wirs von seiner Hand
empfahen / vnd darin̅ sein Väterliche Güte gegen vns spüren /
den̅ wo Er die Hand abzeucht / so kan es doch endlich nicht
gedeyen noch erhalten werden / Wie man wol täglich siehet vnd fühlet. Was ist
jetzt für ein Plage in der Welt allein mit der bösen Müntze / ja mit täglicher
Beschwerung vnd auffsetzen / in gemeinem Handel / Kauff vnd Arbeit / deren / die
nach jhrem Muthwillen das liebe Armuth drücken / vnd jhr täglich Brod entziehen?
Welchs wir zwar müssen leiden / Sie aber mügen sich fürsehen / daß sie nicht das
gemeine Gebet verlieren / vnd sich hüten / daß diß stücklein im Vater vnser /
nicht wieder sie gehe.
|| [ID00278]
Vnd verlasse vns vnser Schuld / als wir verlassen vnsern Schüldigern.
(Niemand kan in der Welt ohne Sünde leben.)
DIs Stücke trifft nu vnser Armes vnd Elendes Leben an: Welches / ob wir gleich
Gottes Wort haben / gleuben / seinen Willen thun vnd leiden / vnd vns von Gottes
Gabe vnd Segen neeren / gehet es doch ohne Sünde nicht abe / dann wir noch
täglich straucheln / vnd zu viel thun / weil wir in der Welt leben vnter
|| [127]
den Leuten / die vns viel zu leid thun / vnd vrsach
geben zu Vngedult / Zorn / Rache / etc. Dazu den Teuffel hinder vns haben / der
vns auff allen seiten zusetzet / vnd ficht (wie gehört) wieder alle vorige
stücke / daß nicht müglich ist in solchem stetem Kampff allzeit fest stehen.
Darumb ist hie abermal grosse Noth zu bitten vnd ruffen: Lieber Vater / verlasse
vns vnsere Schuld / nicht / daß Er auch ohn vnd vor vnserm bitten / nicht die
Sünde vergebe / (Denn Er hat vns das Euangelium / darinn eytel Vergebung ist /
geschenckt / ehe wir darumb gebeten / oder jemals darnach gesunnen haben) Es ist
aber darumb zu thun / daß wir solche Vergebung erkennen vnd annehmen. Denn weil
das Fleisch / darinn wir täglich leben / der Arth ist / daß Gott nicht trawet
vnd gleubt / vnd sich jmmerdar regt mit bösen Lüsten vnd Tücken / daß wir
täglich mit Worten vnd Wercken / mit thun vnd lassen / sündigen / dauon das
Gewissen zu Vnfried kömpt / daß sich für Gottes Zorn vnd Vngnade fürchtet / vnd
also den Trost vnd Zuuersicht aus dem Euangelio sincken lesset / so ist ohn
vnterlas von nöthen / daß man hieher lauffe / vnd Trost hole / das Gewissen
wieder auffrichten.
Solchs aber sol nu dazu dienen / daß vns Gott den stoltz breche /(Niemand kan eigene Frömbkeit für Gott bringen.)
vnd in der Demuth halte / denn er hat jhm fürbehalten das Vorteil / Ob jemand
wolte auff seine Frömkeit pochen / vnd andere verachten / daß er sich selbs
ansehe / vnd diß Gebet für Augen stelle / so wird er finden / daß er eben so
from ist / als die andern / vnd müssen alle für GOTT die Feddern niederschlagen
/ vnd fro werden / daß wir zu der Vergebung kommen / Vnd dencke es nur niemand /
so lange wir hie leben / dahin zu bringen / daß er solcher Vergebung nicht
dürffte / Summa / wo Er nicht ohn vnterlaß vergibt / so sind wir verloren.
SO ist nu die meinung dieser Bitte / daß Gott nicht(Summa.) wolt vnser Sünde ansehen vnd fürhalten / was wir täglich
verdienen / Sondern mit Gnaden gegen vns handeln vnd vergeben / wie Er
verheissen hat / vnd also ein frölich vnd vnuerzagt Gewissen geben / für jhm zu
stehen / vnd zu bitten / denn wo das Hertz nicht mit Gott recht stehet / vnd
solche Zuuersicht schepffen kan / so wird es nimmermehr sich thüren vnterstehen
zu beten. Solche Zuuersicht aber / vnd frölich Hertz kan nirgend her kommen /
denn es wisse / daß jhm die Sünde vergeben seyn.
Es ist aber dabey ein nöthiger / vnd doch tröstlicher Zusatz angehenget:(Wir müssen auch vergebe̅ / wie GOtt vns
vergibt.) Als wir vergeben vnsern Schüldigern. Er hats verheissen /
daß wir sollen sicher seyn / daß vns alles vergeben vnd ge
|| [ID00280]
schencket sey / doch so ferne / daß wir auch vnserm Nehesten vergeben
/ Denn wie wir gegen Gott täglich viel verschulden / vnd Er doch aus Gnaden
alles vergibt / Also müssen auch wir vnserm Nehesten jm̅erdar
vergeben / so vns Schaden / Gewalt vnd Vnrecht thut / böse Tücke beweiset / etc.
Vergibstu nu nicht / so dencke auch nicht / daß dir Gott vergebe / Vergibstu
aber / so hastu den Trost vnd Sicherheit / (Dem
Nehesten vergeben machet vns sicher / daß vns Gott vergebe.) daß dir im
Himmel vergeben wird / Nicht vmb deines vergebens willen / denn Er thut es frey
vmb sonst / aus lauter Gnad / weil ers verheissen hat / wie das Euangelium
lehret / sondern / daß er vns solchs zu Sterck vnd Sicherheit / als zum
warzeichen setze / neben der Verheissung / die mit diesem Gebet stimmet / Luc.
am 6. Vergebt / so wird euch vergeben / Darumb sie auch Christus bald nach dem
Vater vnser wiederholet / vnd spricht / Matthei am 6. Denn so jhr den Menschen
jhre Fehle vergebet / so wird euch ewer Himlischer Vater auch vergeben / etc.
Darumb ist nu solchs Zeichen bey diesem Gebete mit angehefftet / Daß / wenn wir
bitten / vns der Verheissung erinnern / vnd also dencken: Lieber Vater / darumb
komme vnd bitte ich / daß du mir vergebest / Nicht daß ich mit Wercken gnugthun
/ oder verdienen könne / Sondern / weil du es verheissen hast / vnd das Siegel
daran gehengt / daß so gewiß seyn solle / als habe ich ein Absolutio von Dir selbs gesprochen / Denn wie viel die Tauffe vnd
Sacrament / eusserlich zum Zeichen gestellet / schaffen / So viel vermag auch
diß Zeichen / vnser Gewissen zu stercken / vnd frölich zu machen / Vnd ist für
andern eben darumb gestellet / daß wirs alle Stunde kündten brauchen vnd vben /
Als das wir alle zeit bey vns haben.
|| [128]
Vnd führe vns nicht in Versuchung.
WIr haben nu gnug gehöret / was für mühe vnnd Arbeit wil haben / daß man das
alles / so man bittet / erhalte / vnd dabey bleibe / daß dennoch nicht ohn
gebrechen vnd straucheln abgehet / Dazu / ob wir gleich Vergebung vnd gut
Gewissen vberkom̅en haben / vnd gantz los gesprochen sind / So
ists doch mit dem Leben so gethan / daß einer heut stehet / vnd morgen dauon
fellet / Darumb müssen wir abermal bitten / ob wir nu from sind / vnd
|| [ID]
mit gutem Gewissen gegen Gott stehen / daß er vns nicht lasse
zu rück fallen / vnd der Anfechtung oder Versuchung weichen. Die Versuchung
(Versuchung oder Bekörung dreyerley.) aber /
oder (wie es vnsere Sachsen von alters her nennen) Beköringe ist dreyerley / des
Fleisches / der Welt vnd deß Teuffels / denn im Fleisch wohnen wir / vnd tragen
den alten Adam am Hals / der (Vuser
fleisch.) reget sich / vnd reitzet vns täglich zur Vnzucht / Faulheit /
Fressen vnd Sauffen / Geitz vnd Teuscherey / den Nehesten zu betriegen vnd
vbersetzen / Vnd Summa / allerley böse Lüste / so vns von Natur ankleben / vnd
dazu erregt werden / durch ander Leute Geselschafft / Exempel / hören vnd schen
/ welche offtmals auch ein vnschüldiges Hertz verwunden vnd entzünden.
(Die Welt.)
Darnach ist die Welt / so vns mit worten vnd wercken beleidiget / vnd treibet zu
Zorn vnd vngedult / Summa / da ist nichts denn Haß vnd Neid / Feindschafft /
Gewalt vnd vnrecht / vntrew / rechen / fluchen / schelten / affterreden /
Hoffart vnd stoltz / mit vberflüssigem Schmuck / Ehre / Rhum / vnd Gewalt / da
niemand wil der geringste seyn / sondern oben an sitzen / vnd für jederman
gesehen seyn.
(Der Teuffel.)
Dazu kömpt nu der Teuffel / hetzet vnd bleset auch allenthalben zu / Aber
sonderlich treibet er / was das Gewissen vnd Geistliche Sachen betrifft /
Nemlich / daß man beyde GOttes Wort vnd Werck in Wind schlahe / vnd verachte /
daß er vns vom Glauben / Hoffnung vnd Liebe reisse / vnd bringe zu Mißglauben /
falscher vermessenheit vnd verstockung / Oder wiederumb zur Verzweiffelung /
Gottes verleugnung vnd lesterung / vnd andern vnzehligen grewlichen stücken. Das
sind nu die Stricke vnd Netze / ja die rechten fewrigen Pfeile / die nicht
Fleisch vnd Blut / sondern der Teuffel auffs aller gifftigste ins Hertze
scheusset.
Das sind je grosse schwere Fahr vnd Anfechtung / so ein jeglicher Christ tragen
muß / wenn auch jegliche für sich alleine were / auff daß wir je getrieben
werden / alle Stunde zu ruffen vnd bitten / weil wir in dem schendlichen Leben
sind / da man vns auff allen seiten zusetzet / jagt vnd treibet / Daß vns Gott
nicht lasse matt vnd müde werden / vnd wieder zu rück fallen / in Sünde /
Schande vnd Vnglauben / Denn sonst ists vnmüglich / auch die aller geringsten
Anfechtung zu vberwinden.
(Nicht einfüren in Versuchung.)
Solchs heisset nu nicht einführen in Versuchunge / wenn Er vns Krafft vnd stercke
gibt zu wiederstehen / Doch die Anfechtung nicht weg genom̅en /
noch auffgehaben / Denn Versuchung vnd reitzunge kan niemand vmbgehen / weil wir
im Fleisch leben / vnd den Teuffel vmb vns haben / Vnd wird nicht anders daraus
/ Wir müssen An
|| [129]
fechtung leiden / ja darinn
stecken / Aber da bitten wir für / daß wir nicht hinnein fallen / vnd darin
ersauffen.
Darumb ists viel ein ander ding / Anfechtung fülen / vnd darein(Anfechtung fülen / vnd in Anfechtung fallen.)
verwilligen / oder Ja darzu sagen / Fülen müssen wir sie alle / wiewol nicht
alle einerley / sondern etliche mehr vnd schwerer / Als die Jugend fürnemlich /
vom Fleisch / Darnach was erwachsen / vnd Alt wird / von der Welt / Die andern
aber / so mit Geistlichen Sachen vmbgehen / das ist / die starcken Christen /
vom Teuffel / Aber solch fülen / weil es wieder vnsern willen ist / vnd wir sein
lieber los weren / kan niemand schaden / Denn wo mans nicht fülete / kündte es
kein Anfechtung heissen. Bewilligen aber ist / wenn man jhm den Zaum lesset /
nicht dawieder stehet noch bittet.
Derhalben müssen wir Christen des gerüstet seyn / vnd täglich(Anfechtung dienet wieder des Fleisches
Sicherheite.) gewarten / daß wir ohn vnterlaß angefochten werden / auff
daß niemand so sicher vnd vnachtsam hingehe / als sey der Teuffel weit von vns /
Sondern allenthalben der Streiche gewarten / vnd jhm versetzen / Denn ob ich
jetzt keusch / gedültig / freundlich bin / vnd im festen Glauben stehe / sol der
Teuffel noch diese Stunde einen solchen Pfeil ins Hertz treiben / daß ich kaum
bestehen bleibe. Denn er ist ein solcher Feind / der nimmer ablesset / noch müde
wird / Daß / wo eine Anfechtung auffhöret / gehen jmmer andere vnd newe auff.
Darumb ist kein Raht noch Trost / denn hieher gelauffen / daß man das Vater vnser
ergreiffe / vnd von Hertzen mit Gott rede: Lieber Vater / du hast mich heissen
beten / Las mich nicht durch die Versuchung zu rück fallen / So wirstu sehen /
daß sie ablassen muß / vnd sich endlich gewonnen geben / Sonst / wo du mit
deinen Gedancken(Anfechtung wird nicht mit eigener
Krafft vberwunden.) vnd eigenem Raht vnterstehest dir zu helffen /
wirstus nur erger machen / vnd dem Teuffel mehr raum geben / Denn er hat ein
Schlangen Kopff / welcher / wo er ein Lücken gewinnet / darein er schleiffen kan
/ so gehet der gantze Leib hinnach vnauffgehalen / Aber das Gebet kan jhm wehren
/ vnd zu rück treiben.
|| [ID00284]
Sondern erlöse vns von dem Vbel / Amen.
(Der Teuffel hindert alles / was wir bitten.)
IM Griechischen lautet das stücklin also: Erlöse oder behüte vns von dem argen
oder boßhafftigen / Vnd siehet eben / als rede er vom Teuffel / als wolt ers
alles auff einen hauffen fassen / daß die gantze summa alles Gebets gehe wider
diesen vnsern Heuptfeind / Den̅ er ist der / so solches alles /
was wir bitten / vnter vns hindert / Gottes Namen oder Ehre / Gottes Reich vnd
Willen / das täglich Brod / frölich gut Gewissen / etc.
(Teuffel dencket vns in allerley Not zu bringen.)
Darumb schlagen wir solchs endlich zusam̅en / vnd sagen: Lieber
Vater / hilff doch / daß wir des vnglücks alles los werden. Aber nichts desto
weniger ist auch mit eingeschlossen / was vns böses wiederfahren
|| [130]
mag / vnter des Teuffels Reich / Armut / schande /
Tod / vnd kürtzlich / aller vnseliger Jam̅er vnd Hertzleid / so
auff Erden vnzehlich viel ist / Denn der Teuffel / weil er nicht allein ein
Lügner / sondern auch ein Todschleger ist / ohn vnterlas auch nach vnserm Leben
trachtet / vnd sein müthlein kület / wo er vns zu vnfall vnd Schaden / am Leib
bringen kan. Daher kömpt es / daß er manchem den Hals bricht / oder von Sinnen
bringet / etliche im Wasser erseufft / vnd viel dahin treibet / daß sie sich
selbs vmbbringen / vnd zu viel andern schrecklichen Fellen. Darumb haben wir
auff Erden nichts zu thun / denn ohn vnterlas wieder diesen Heuptfeind zu bitten
/ Denn wo vns Gott nicht erhielte / weren wir keine Stunde für jhm sicher.
Daher siehestu abermal / wie Gott für alles / was vns auch leiblich anfichtet /
wil gebeten seyn / daß man nirgend keine hülffe / denn bey jhm / suche vnd
gewarte. Solchs hat Er aber zum letzten gestellet / Denn sollen wir von allem
vbel behütet vnd los werden / muß zuuor sein Name in vns geheiliget / sein Reich
bey vns seyn / vnd sein Wille geschehen / Darnach wil Er vns endlich für Sünden
vnd Schanden behüten / daneben von allem was vns wehe thut vnd schedlich ist.
ALso hat vns Gott auffs kürtzte fürgelegt alle noth / die vns jm̅er
anligen mag / daß wir je keine entschüldigung haben zu beten. Aber da ligt die
macht an / daß wir auch lernen / Amen(Amen sprechen
zum Gebete.) dazu sagen / das ist / nicht zweiffeln daß es gewißlich
erhöret sey / vnd geschehen werde / Den̅ es ist nichts anders /
denn eins vngezweiffelten Glaubens Wort / der da nicht auff ebenthewer betet /
sondern weis daß Gott nicht leuget / weil ers verheissen hat zu geben. Wo nu
solcher Glaube nicht ist / da kan auch kein recht Gebete seyn. Darumb ists ein
schedlicher Wahn / deren die also beten / daß sie nicht dürffen von Hertzen Ja
dazu sagen / vnd gewißlich schliessen / daß Gott erhöret / sondern bleiben in
dem zweiffel / vnd sagen: Wie solt ich küne seyn / vnd rhümen / daß Gott mein
Gebete erhöre? Bin ich doch ein armer Sünder / etc.
Das macht daß sie nicht auff Gottes Verheissung / sondern auff jhre Werck vnd
eigene Wirdigkeit sehen / damit sie GOtt verachten vnd lügenstraffen / derhalben
sie auch nichts empfahen / wie S. Jacobus sagt: Wer da betet / der bete im
Glauben vnd zweiffel nicht / Denn wer da zweiffelt / ist gleich wie ein Woge des
Meers / so vom Winde getrieben vnd gewebt wird / solcher Mensche dencke nur
nicht / daß er etwas von Gott empfahen werde. Siehe / so viel ist Gott daran
gelegen / daß wir gewiß sollen seyn / daß wir nicht vmb sonst bitten / vnd in
keine wege vnser Gebete verachten.
|| [ID00286]
Von der heiligen Tauffe.
WIr haben nun ausgerichtet / die drey Heuptstück der gemeinen Christlichen Lehre
/ Vber dieselbige ist noch zusagen / von vnsern zweyen Sacramenten / von Christo
eingesetzt / dauon auch ein jeglicher Christ zum wenigsten ein gemeinen
|| [131]
kurtzen Vnterricht haben sol / weil ohn dieselbigen
kein Christen seyn kan / wiewol man leider bißher nichts dauon gelehret hat. Zum
Ersten aber nehmen wir für vns die Tauffe / dardurch wir erstlich in die
Christenheit genommen werden / daß mans aber wol fassen könne / Wöllen wirs
ördentlich handeln / vnd allein dabey bleiben / was vns nötig ist zu wissen /
Denn wie mans erhalten vnd verfechten müsse / wieder die Ketzer vnd Rotten /
wöllen wir den Gelehrten befehlen.
Auffs erste / muß man für allen dingen die Wort wol wissen /(Einsetzung der Tauffe.) darauff die Tauffe
gegründet ist / vnd dahin alles gehet / was dauon zu sagen ist / Nemlich / da
der HERR Christus spricht / Matthei am letzten:
Gehet hin in alle Welt / lehret alle Heyden / Vnd teuffet sie im Nahmen des
Vaters / vnd des Sohns / vnd des heiligen Geistes.
Item / Marci am letzten Capittel:
Wer da gleubt vnd getaufft wird / der wird selig / Wer aber nicht gleubt / der
wird verdampt.
IN diesen Worten soltu zum ersten mercken / Daß hie stehet / GOttes Gebot vnd
Einsetzung / daß(Tauffe ein Göttlich ding.) man
nicht zweiffele / die Tauffe sey ein Göttlich ding / Nicht von Menschen erdacht
noch erfunden / Denn so wol als ich sagen kan / Die Zehen Gebot / Glauben / vnd
Vater vnser / hat kein Mensch aus seinem Kopff gespunnen / sondern sind von Gott
selbs offenbaret vnd gegeben / so kan ich auch rhümen / daß die Tauffe kein
Menschentand sey / sondern von Gott selbs eingesetzt / dazu ernstlich vnd streng
geboten / daß wir vns müssen teuffen lassen / oder sollen nicht selig werden.
Daß man nicht dencke / es sey so leichtfertig ding / als ein newen roten Rock
anziehen / Denn da ligt die höheste macht an / daß man die Tauffe trefflich /
herrlich / vnd hoch halte / denn darüber streiten vnd fechten wir allermeist /
weil die Welt jtzt so vol Rotten ist / die da schreien / die Tauffe sey ein
eusserlich ding / Eusserlich ding aber sey kein nütz / Aber las eusserlich ding
seyn / als es jm̅er kan / da stehet aber Gottes Wort vnd Gebot /
so die Tauffe einsetzet / gründet vn̅ bestetiget / Was aber Gott
einsetzet vn̅ gebeut / muß nicht vergeblich / sondern eytel
köstlich ding seyn / wen̅ es auch dem ansehen nach / geringer denn
ein Strohalm were. Hat man bißher können gros achten / wenn der Bapst mit
Brieffen vnd Bullen Ablaß außteilete / Altar oder Kirchen bestetigte / alleine
vmb der Brieffe vnd
|| [ID00288]
Siegel willen / so sollen wir die Tauffe
viel höher vnd köstlicher halten / weil es GOtt befohlen hat / dazu in seinem
Nahmen geschicht / Denn also lauten die Wort: Gehet hin teuffet / Aber nicht in
ewerm / sondern in Gottes Nahmen.
(Tauffe in Gottes Namen.)
Denn in Gottes Nahmen getaufft werden / ist nicht von Menschen / Sondern / von
Gott selbs getaufft werden / Darumb / ob es gleich durch des Menschen Hand
geschicht / so ist es doch warhafftig Gottes eigen Werck. Daraus ein jeglicher
selbs wol schliessen kan / daß es viel höher ist / denn kein Werck von einem
Menschen / oder Heiligen gethan / Denn was kan man für Werck grösser machen /
denn Gottes Werck? Aber hie hat der Teuffel zu schaffen / daß er vns mit
falschem schein blende / vnd von Gottes Werck auff vnsere (falscher schein Menschlicher Werck.) Werck führe /
Denn das hat viel einen köstlichern schein / daß ein Cartheuser viel schwere /
grosse Werck thut / Vnd halten alle mehr dauon / das wir selbs thun vnd
verdienen. Aber die Schrifft lehret also / Wenn man gleich aller Münche Wercke
auff einen hauffen schlüge / wie köstlich sie gleissen mögen / so weren sie doch
nicht so edel vnd gut / als wenn GOTT ein Strohalm auffhübe. Warumb? Darumb /
daß die Person edler vnd besser ist / Nu muß man hie nicht die Person nach den
Wercken / Sondern die Werck nach der Person achten / von welcher sie jhren Adel
nehmen müssen / Aber hie fellet die tolle Vernunfft zu / Vnd weil es nicht
gleisset / wie die Wercke / so wir thun / so sol es nichts gelten.
(Was die Tauffe sey.)
AVs diesem lerne nu ein richtigen Verstand fassen / vnd antworten auff die Frage
/ Was die Tauffe sey / Nemlich also / Daß sie nicht ein blos schlecht Wasser ist
/ sondern ein Wasser in Gottes Wort vnd Gebot gefasset / vnd dadurch geheiliget
/ Daß nicht anders ist / denn ein Gottes Wasser / Nicht / daß das Wasser an jhm
selbs edler sey / denn ander Wasser / Sondern / daß Gottes (Rottengeister reissen Gottes wort von der
Tauffe.) Wort vnd Gebot dazu kömpt. Darumb ists ein lauter Bubenstücke /
vnd des Teuffels gespötte / daß jetzt vnsere newe Geister die Tauffe zu lestern
/ GOttes Wort vnd Ordnung dauon lassen / vnd nicht anders ansehen / denn das
Wasser / das man aus dem Brunnen schepffet / vnd darnach daher geiffern / Was
solt ein Hand voll Wassers der Seelen helffen? Ja lieber / wer weis das nicht /
wenn es vonander trennens sol gelten / daß Wasser Wasser ist? Wie tharstu aber
so in Gottes Ordnung greiffen / vnd das beste Kleinot dauon reissen / damit es
Gott verbunden vnd eingefasset hat / vnd nicht wil getrennet haben? Denn das ist
der Kern in dem Wasser / Got
|| [132]
tes Wort oder Gebot
/ vnd Gottes Nahmen / welcher Schatz grösser vnd edler ist / denn Himmel vnd
Erde.
Also fasse nun die Vnterscheid / daß viel ein ander ding ist die(Tauffe in Himlisch Wasser.) Tauffe / denn alle
ander Wasser / Nicht des natürlichen wesens halben / Sondern daß hie etwas
edlers dazu kömpt / Denn Gott selbs sein Ehre hinan setzet / sein Krafft vnd
Macht daran legt / Darumb ist es nicht allein ein natürlich Wasser / sondern ein
Göttlich / Himlisch / heilig / vnd selig Wasser / Vnd wie mans mehr loben kan /
alles vmb des Worts willen / welches ist ein Himlisch / heilig Wort / das
niemand gnug preisen kan / Denn es hat vnd vermag alles / was Gottes ist / Daher
hat es auch sein Wesen / daß es ein Sacrament heisset / wie auch S. Augustinus gelehret hat: Accedat
verbum ad elementum,(Spruch S. Augustini.)
& fit Sacramentum, Das ist / wenn das Wort zum
Element / oder natürlichen wesen kömpt / so wird ein Sacrament daraus / das ist
/ ein heilig / Göttlich ding vnd Zeichen.
DArumb lehren wir allezeit / man solle die Sacrament(Eusserlich ding nach Gottes wort anzusehen.) / vnd alle eusserliche
ding / so Gott ordnet vnd einsetzet / nicht ansehen nach der groben eusserlichen
Laruen / wie man die Schalen von der Nuß sihet / Sondern wie Gottes Wort darein
geschlossen ist. Denn also reden wir auch von Vater vnd Mutterstand / vnd
Weltlicher Obrigkeit / wenn man die wil ansehen / wie sie Nasen / Augen / Haut
vnd Haar / Fleisch vnd Bein haben / so sehen sie Türcken vnd Heyden gleich / Vnd
möcht auch jemand zufahren / vnd sprechen: Warumb solt ich mehr von diesem
halten / den̅ von andern? Weil aber das Gebot darzu kömpt / Du
solt Vater vnd Mutter ehren / So sehe ich einen andern Man / geschmücket vnd
angezogen mit der Majestet vnd Herrligkeit Gottes / Das Gebot (sage ich) ist die
Gülden Ketten / so er am Hals tregt / ja die Krone auff seinem Heupt / die mir
anzeigt / wie vnd warumb man diß Fleisch vnd Blut ehren sol.
Also vnd viel mehr soltu die Tauffe ehren / vnd herrlich halten / vmb des Worts
willen / als die Er selbs / beyde mit Worten vnd wercken geehret hat / Dazu mit
Wunder vom Himmel bestetiget. Denn meinestu / daß es ein schertz war / da sich
Christus teuffen lies / Der Himmel sich auffthete / der heilige Geist
sichtiglich herab fuhr / vnd war eytel Göttliche Herrligkeit vnd Majestet?
Derhalben vermahne ich abermal / daß man bey leib die zwey / Wort vnd Wasser /
nicht von einander scheiden vnd trennen lasse / Denn wo man das Wort dauon
sondert / So ists nicht ander Wasser / denn damit die Magd kochet / Vnd mag wol
ein Badertauffe heissen / Aber wenn
|| [ID00290]
es dabey ist / wie es
Gott geordnet hat / so ists ein Sacrament / vnd heisset / Christus Tauffe. Das
sey das Erste Stück von dem Wesen vnd Wirde des heiligen Sacraments.
(Nutz vnd Krafft der Tauffe.)
AVffs Ander / Weil wir nu wissen / was die Tauffe ist / vnd wie sie zu halten sey
/ müssen wir auch lernen / Warumb vnd wozu sie eingesetzt sey / das ist / was
sie nütze / gebe vnd schaffe / Solchs kan man auch nicht besser / denn aus den
Worten Christi / oben angezogen / fassen / Nemlich: Wer da gleubet vnd getaufft
wird / der wird selig. Darumb fasse es auffs aller einfeltigste also / daß diß
der Tauffe Krafft / Werck / Nutz / Frucht / vnd Ende ist / Daß sie selig mache.
Denn man teuffet nieman darumb / daß er ein Fürst werde / Sondern / wie die Wort
lauten / Daß er selig (Selig werden.) werde. Selig
werden aber / weis man wol / daß nichts anders heisset / denn von Sünden / Tod /
Teuffel erlöset / in Christus Reich kommen / vnd mit jhm Ewig leben.
(Gottes Namen in der Tauffe.)
Da siehestu abermal / wie thewr vnd werth die Tauffe zu halten sey / weil wir
solchen vnaußsprechlichen Schatz darinne erlangen / welchs auch wol anzeigt /
daß es nicht kan ein schlecht lauter Wasser seyn / Denn lauter Wasser kündte
solchs nicht thun / aber das Wort thuts / vnd daß (wie oben gesagt) Gottes Nahme
darinne ist / wo aber Gottes Name ist / da muß auch Leben vnd Seligkeit seyn /
daß es wol ein Göttlich / Selig / Fruchtbarlich / vnd Gnadenreich Wasser heisset
/ Denn durchs Wort kriegt sie die Krafft / daß sie ein Bad (Tito am 3.) der Wieder geburt ist / wie sie Sanct
Paulus nennet / an Tit. 3.
Daß aber vnser Klüglinge die newen Geister fürgeben / Der Glaube macht allein
selig / die Werck aber vnd eusserliche dinge thun nichts dazu. Antworten wir /
Daß freylich nichts in vns thut / denn der Glaube / wie wir noch weiter hören
werden / das wöllen aber die Blindenleiter nicht sehen / Daß der Glaube etwas
haben muß / das (Der Slaube ist gehefstet an die
Tauffe.) er gleube / Das ist / daran er sich halte / vnd darauff stehe
vnd fusse / Also hanget nu der Glaube am Wasser / vnd gleubet / daß die Tauffe
sey / darinn eytel Seligkeit vnd Leben ist / Nicht durchs Wasser / wie gnug
gesagt / Sondern dadurch / daß mit GOttes Wort vnd Ordnung / verleibet ist / vnd
sein Name darinn klebet. Wenn ich nu solchs gleube / Was gleube ich anders /
denn an Gott / als an den / der sein Wort darein geben vnd gepflantzt hat / vnd
vns diß eusserlich ding fürschlegt / darinn wir solchen Schatz ergreiffen
kündten.
(Glaube muß etwas eusserlichs für sich haben.)
Nu sind sie so toll / daß sie vonander scheiden / den Glauben / vnd das ding /
daran der Glaube hafftet vnd gebunden ist / ob es gleich
|| [133]
eusserlich ist / Ja es sol vnd muß eusserlich seyn / daß mans mit
Sinnen fassen vnd begreiffen / vnd dardurch ins Hertz bringen könne / Wie denn
das gantze Euangelium ein eusserliche Mündliche Predigt ist / Summa / Was Gott
in vns thut vnd wircket / wil er durch solche eusserliche Ordnung wircken. Wo Er
nun redet / ja wo hin / oder wodurch er redet / da sol der Glaube hin sehen /
vnd sich daran halten. Nun haben wir hie die Wort: Wer da gleubet / vnd getaufft
wird / der wird selig. Worauff sind sie geredt / anders denn auff die Tauffe /
das ist / das Wasser in Gottes Ordnung gefasset? Darumb folget das / Wer die
Tauffe verwirfft / der verwirfft Gottes Wort / den Glauben / vnd Christum / der
vns dahin weiset / vnd an die Tauffe bindet.
AVffs dritte / Weil wir den grossen nutz vnd krafft(Person den die Tauffe nützet.) der Tauffe haben / So las nun weiter
sehen / wer die Person sey / die solchs empfahe / was die Tauffe gibt vnd
nützet. Da ist abermal auffs feinest vnd klerlichst außgedrückt / eben mit den
Worten: Wer da gleubet / vnd getaufft wird / der wird selig / Das ist / Der
Glaube machet die Person allein wirdig / das heilsame(Glaube machet die Person wirdig.) / Göttliche Wasser / nützlich zu
empfahen / Denn weil solchs alhie in den Worten / bey vnd mit dem Wasser /
fürgetragen vnd verheissen wird / kan es nicht anders empfangen werden / denn
daß wir solchs von Hertzen gleuben / ohn Glauben ist es nichts nütz / ob es
gleich an jhm selbs ein Göttlicher / vberschwenglicher Schatz ist / Darumb
vermag das einige Wort (Wer da gleubt) so viel / daß es außschleusset / vnd zu
rück treibet / alle Werck / die wir thun können / der meinung / als dadurch
Seligkeit zu erlangen vnd verdienen. Denn es ist beschlossen / Was nicht Glaube
ist / das thut nichts dazu / empfehet auch nichts.
Sprechen sie aber / wie sie pflegen: Ist doch die Tauffe auch selbs ein Werck /
So sagstu / Die Werck gelten nicht zur Seligkeit / Wo bleibet denn der Glaube?
Antwort: Ja vnsere Werck thun frehlich nichts zur Seligkeit / Die Tauffe aber
ist nicht vnser / Sondern(Tauffe ist nicht vnser /
sondern Gottes Werck.) Gottes Werck / (Denn du wirst / wie gesagt /
Christus Tauffe gar weit müssen scheiden / von der Badertauffe) Gottes Werck
aber sind heilsam / vnd Noth zur Seligkeit / vnd schliessen nicht aus / sondern
foddern den Glauben / Denn ohn Glauben kündte man sie nicht fassen / Denn damit
/ daß du lessest vber dich giessen / hastu sie nicht empfangen / noch gehalten /
daß sie dir etwas nütze / Aber dauon wird sie dir nütze / wenn du dich der
meinung lest teuffen / als aus Gottes
|| [ID00292]
Befehl vnd Ordnung /
Dazu in Gottes Nahmen / Auff daß du in dem Wasser die verheissene Seligkeit
empfahest / nun kan solchs die Faust / noch der Leib nicht thun / Sondern das
Hertz muß es gleuben.
(GOttes Werck empfehet der Glaube.)
Also siehestu klar / daß da kein Werck ist von vns gethan / sondern ein Schatz /
den Er vns gibt / vnd der Glaube ergreiffet / so wol als der HErr Christus am
Creutz nicht ein Werck ist / sondern ein Schatz im Wort gefasset / vnd vns
fürgetragen / vnnd durch den Glauben empfangen. Darumb thun sie vns Gewalt / daß
sie wieder vns schreyen / als predigen wir wieder den Glauben / so wir doch
alleine darauff treiben / als der so nöthig dazu ist / daß ohn jhn nicht
empfangen noch genossen mag werden.
ALso haben wir die drey Stück / so man von diesem Sacrament wissen muß /
Sonderlich das Gottes Ordnung ist / in allen Ehren zu halten / Welchs allein
gnug were / ob es gleich gantz ein eusserlich ding ist / Wie das Gebot / Du solt
Vater vnd Mutter ehren / allein auff ein leiblich Fleisch vnd Blut gestellet /
da man nicht das Fleisch vnd Blut / sondern GOttes Gebot ansiehet / darinn es
gefasset ist / vnd vmb welchs willen das Fleisch Vater vnd Mutter heisset. Also
auch / wenn wir gleich nicht mehr hetten / denn diese Wort: Gehet hin / vnd
teuffet / etc. müssen wirs dennoch als Gottes Ordnung annehmen vnd thun. Nun ist
nicht allein das Gebot vnd Befehl da / sondern auch die Verheissung / darumb ist
es noch viel herrlicher / denn was Gott sonst geboten vnd geordnet hat / Summa /
so voll Trosts vnd Gnad / daß Himmel vnd Erden nicht kan begreiffen. Aber da
gehöret Kunst zu / daß man solchs gleube / Denn es mangelt nicht am Schatz /
Aber da mangelt es an / daß man jhn fasse / vnd feste halte.
(Vbung der Tauffe / sol für vnd für bleiben.)
Darumb hat ein jeglicher Christen sein lebenlang gnug zu lernen / vnd zu vben an
der Tauffe / Denn er hat jmmerdar zu schaffen / daß er festiglich gleube / was
sie zusaget vnd bringet / vberwindung des Teuffels vnd Tods / Vergebung der
Sünde / GOttes Gnade / den gantzen Christum / vnd heiligen Geist mit seinen
Gaben / Summa / es ist so vberschwenglich / daß / wenns die blöde Natur
bedencket / solt sie zweiffeln / ob es kündte wahr seyn. Denn rechne du / wenn
jrgend ein Artzt were / der die Kunst kündte / daß die Leute nicht stürben /
Oder / ob sie gleich stürben / darnach ewig lebten / wie würde die Welt mit Gelt
zuschneien / vnd regnen / daß für den Reichen niemand kündte zukommen? Nun wird
hie die Tauffe jederman vmb
|| [134]
sonst für die Thür
gebracht / ein solcher Schatz vnd Artzney / die den Tod verschlinget / vnd alle
Menschen beym Leben erhelt.
Also muß man die Tauffe ansehen / vnd vns nütze machen / daß(Ewig leben an Leib vnd Seele durch die Tauffe.)
wir vns des stercken vnd trösten / wenn vns vnser Sünde oder Gewissen beschweret
/ vnd sagen: Ich bin dennoch getaufft / Bin ich aber getaufft / so ist mir
zugesagt / Ich solle selig seyn / vnd das ewige Leben haben / beyde an Seel vnd
Leib. Denn darumb geschicht solchs beydes in der Tauffe / daß der Leib begossen
wird / welcher nicht mehr fassen kan / den̅ das Wasser / vnd dazu
das Wort gesprochen wird / das die Seele auch könne fassen. Weil nu beyde Wasser
vnd Wort eine Tauffe ist / so muß auch beyde Leib vnd Seele selig werden / vnd
ewig leben / Die Seele durchs Wort / daran sie gleubet / Der Leib aber / weil er
mit der Seele vereiniget ist / vnd die Tauffe auch ergreiffet / wie ers
ergreiffen kan / Darumb haben wir an vnserm Leib vnd Seele kein grösser Kleinod
/ Den̅ dadurch werden wir gar heilig vnd(???) selig / welchs sonst kein Leben / kein Werck auff Erden erlangen
kan.
Das sey nun gnug gesagt von dem Wesen / Nutz vnd Brauch der Tauffe / so viel
hieher dienet.
|| [ID00294]
Von der Kindertauffe.
(Ob die Kinder gleuben / vnd recht ge taufft werden.)
HIebey fellet nu eine Frage ein / Damit der Teuffel durch seine Rotten die Welt
verwirret / von der Kindertauffe / Ob sie auch gleuben oder recht getaufft
werden? Dazu sagen wir kürtzlich / Wer einfeltig ist / der schlage die Frage von
sich / vnd weise sie zu den Gelehrten. Wiltu aber antworten / so antworte also:
(Gott bestetiget die Kindertauffe / durch sein eigen Werck.)
Daß die Kindertauffe Christo gefalle / beweiset sich gnugsam aus seinem eigenen
Werck / Nemlich / daß Gott deren viel heilig machet / vnd den heiligen Geist
geben hat / die also getaufft sind / Vnd
|| [135]
heutigs Tags
noch viel sind / an den man spüret / daß sie den heiligen Geist haben / beyde
der Lehre vnd Lebens halben / als vns von Gottes Gnaden auch gegeben ist / daß
wir ja können die Schrifft außlegen / vnd Christum erkennen / welchs ohn den
heiligen Geist nicht geschehen kan. Wo aber Gott die Kindertauffe nicht annehme
/ würde Er deren keinen den Heiligen Geist / noch ein Stück dauon geben / Summa
/ es müste so lange zeit her bis auff diesen Tag / kein Mensch auff Erden
Christen seyn. Weil nu Gott die Tauffe bestetigt / durch eingeben seines
heiligen Geistes / Als man in etlichen Vätern / als S. Bernhard / Gerson / Johan
Huß / vnd andern / wol spüret / vnd die heilige Christliche Kirche nicht
vntergehet / bis an das Ende der Welt / so müssen sie bekennen / daß sie Gott
gefellig sey / Denn er kan je nicht wieder sich selbs seyn / oder der Lügen vnd
Büberey helffen / noch seine Gnade vnd Geist dazu geben. Diß ist fast die beste
vnd sterckste beweisung für die Einfeltigen vnd Vngelehrten / Denn man wird vns
diesen Artickel / Ich gleube eine heilige Christliche Kirche / Die Gemeine der
Heiligen / etc. nicht nehmen noch vmbstossen.
Darnach sagen wir weiter / Daß vns nicht die gröste Macht(Taufse ist recht / ob gleich jemand nicht
gleubet.) daran ligt / ob der da getaufft wird / gleube oder nicht gleube
/ Denn darumb wird die Tauffe nicht vnrecht / Sondern an Gottes Wort vnd Gebot
ligt es alles. Das ist nu wol ein wenig scharff / stehet aber gar darauff / das
ich gesagt habe / daß die Tauffe nichts anders ist / denn Wasser vnd Gottes Wort
/ bey vnd miteinander / das ist / Wenn das Wort bey dem Wasser ist / so ist die
Tauffe recht / ob schon der Glaube nicht dazu kömpt / denn mein Glaube machet
nicht die Tauffe / sondern empfehet die Tauffe. Nu wird die Tauffe dauon nicht
vnrecht / Ob sie gleich nicht recht empfangen oder gebraucht wird / Als die (wie
gesagt) nicht an vnsern Glauben / sondern an das Wort gebunden ist.
Denn wenn gleich diesen Tag ein Jüde mit schalckheit vnd bösem Fürsatz herzu keme
/ vnd wir jhn mit gantzem ernst teuffeten / Sollen wir nichts desto weniger
sagen / daß die Tauffe recht were / Denn da ist das Wasser sampt Gottes Wort /
ob er sie gleich nicht empfehet / wie er sol / Gleich als die vnwirdig zum
Sacrament gehen / das rechte Sacrament empfahen / ob sie gleich nicht gleuben.
Also siehestu / daß der Rottengeister einrede nichts taug / Denn wie gesagt /
wenn gleich die Kinder nicht gleubten / welchs doch nicht ist / (als jetzt
beweiset) So were doch die Tauffe recht / Vnd sol sie niemand wieder teuffen /
Gleich als dem Sacrament nichts abgebrochen wird / Ob jemand mit bösem Fürsatz
hinzu gienge / vnd nicht
|| [ID00296]
zu leiden were / daß ers vmb des
Mißbrauchs willen / auff dieselbige Stunde / abermahl nehme / Als hette er zuuor
nicht warhafftig das Sacrament empfangen / Denn das hiesse das Sacrament auffs
höhest gelestert vnd geschendet. Wie kehmen wir dazu / daß Gottes Wort vnd
Ordnung darumb solt vnrecht seyn / vnd nichts gelten / daß wirs vnrecht
brauchen?
Darumb sage ich / hastu nicht gegleubt / so gleube noch / vnd sprich also: Die
Tauffe ist wol recht gewesen / Ich habe sie aber leider nicht recht empfangen /
Denn auch ich selbs / vnd alle / so sich (Niemand sol
auff seinen Glauben bawen.) teuffen lassen / müssen für Gott also
sprechen: Ich komme her in meinem Glauben / vnd auch der andern / noch kan ich
nicht darauff bawen / daß ich gleube / vnd viel Leute für mich bitten / Sondern
darauff bawe ich / daß es dein Wort vnd Befehl ist / Gleich wie ich zum
Sacrament gehe / nicht auff meinen Glauben / sondern auff Christus Wort. Ich sey
starck oder schwach / das lasse ich GOTT walten / Das weis ich aber / daß er
mich heisset hingehen / Essen vnd Trincken / etc. vnd mir seinen Leib vnd Blut
schenckt / das wird mir nicht liegen noch triegen.
Also thun wir nu auch mit der Kindertauffe / das Kind tragen wir herzu / der
meinung vnd Hoffnung / daß es gleube / Vnd bitten / daß jhm Gott den Glauben
gebe / Aber darauff teuffen wirs nicht / Sondern allein darauff / daß Gott
befohlen hat. Warumb das? Darumb / daß wir wissen / daß Gott nicht leugt / Ich
vnd mein Nehester / vnd Summa / alle Menschen / mügen fehlen vnd triegen / Aber
Gottes Wort kan nicht fehlen.
(Vnglaube schwechet GOttes Wort nicht.)
Darumb sind es je vermessene tölpische Geister / die also folgern vnd schliessen
/ Wo der Glaube nicht recht ist / da ist auch die Tauffe nicht recht / gerade /
als ich wolt schliessen / Wen̅ ich nicht gleube / so ist Christus
nichts / Oder also / wen̅ ich nicht gehorsam bin / so ist Vater /
Mutter / vnd Obrigkeit nichts / Ist das wol geschlossen / Wo jemand nicht thut /
was er thun sol / daß darumb das ding an jhm selbs nichts seyn / noch gelten
sol? Lieber kehre es vmb / vnd schleuß viel mehr also / Eben darumb ist die
Tauffe etwas vnd recht / daß mans vnrecht empfangen hat. Den̅ wo
sie an jhr selbs nicht recht were / kündte man sie nicht mißbrauchen / noch
daran sündigen. Es heisset also: Abusus non tollit, sed
confirmat substantiam, Mißbrauch nimpt nicht hinweg das Wesen / sondern
bestetigts / Den̅ Gold bleibet nichts weniger Gold / ob es gleich
ein Bübin mit Sünden vnd Schanden tregt.
DArumb sey beschlossen / Daß die Tauffe allezeit recht / vnd in vollem wesen
bleibt / Wenn gleich nur ein Men
|| [136]
sche getaufft
würde / vnd dazu nicht rechtschaffen gleubte / Den̅ Gottes Ordnung
vnd Wort / lesset sich nicht von Menschen wandelbar machen / noch endern. Sie
aber / die Schwermergeister sind so verblend(Schwermergeister.) / daß sie Gottes Wort / vnd Gebot nicht sehen /
vnd die Tauffe vnd Obrigkeit nicht weiter ansehen / denn als Wasser im Bach vnd
Töpffen / oder als einen andern Menschen. Vnd weil sie keinen Glauben noch
gehorsam sehen / sol es an jm selbs auch nichts gelten / Da ist ein heimlicher
auffrhürischer Teuffel / der gerne die Krone von der Obrigkeit reissen wolt /
daß man sie darnach mit Füssen trete / Dazu alle Gottes Werck vnd Ordnunge vns
verkeren / vnd zu nicht machen. Darumb müssen wir wacker vnd gerüst seyn / vnd
vns von dem Wort nicht lassen weisen noch wenden / daß wir die Tauffe nicht
lassen ein blos Zeichen seyn / wie die Schwermer trewmen.
AVffs letzte ist auch zu wissen / Was die Tauffe bedeutet(Deutung der Tauffe.) / vnd warumb GOtt eben solch
eusserlich Zeichen vnd Geberde ordenet zu dem Sacrament / dardurch wir erstlich
in die Christenheit genom̅en werden. Das Werck aber oder Geberde
ist das / daß man vns ins Wasser sencket / daß vber vns hergehet / vnd darnach
wieder heraus zeucht / Diese zwey Stück / vnter das Wasser sincken / vnd wieder
heraus kommen / deutet die Krafft vnd Werck der Tauffe / welchs nichts anders
ist / denn die Tödtung des alten Adams(Tödtung des
alten Adams.) / Darnach die Aufferstehung des newen Menschens / welche
beyde vnser Lebenlang in vns gehen sollen / Also / daß ein Christlich Leben
nichts anders ist / denn eine tägliche Tauffe / einmal angefangen / vnd jmmer
darinn gegangen / Denn es muß ohn vnterlas also gethan seyn / daß man jmmer
außfege / was des alten Adams ist / vnd herfür komme / was zum newen gehöret.
Was ist denn der alte(Alte mensch.) Meusch? Das
ist er / so vns angeboren ist von Adam / Zornig / Hessig / Neidisch / Vnkeusch /
Geitzig / Faul / Hoffertig / Ja vngleubig / mit allen Lastern besetzt / vnd von
Art kein guts an jhm hat / Wenn wir nu in Christus Reich kommen / sol solchs
täglich abnehmen / daß wir je lenger je Milder / Gedültiger / Sanfftmütiger
werden / dem Geitz / Haß / Neid / Hoffart je mehr abbrechen.
Das ist der rechte Brauch der Tauffe vnter den Christen / durch das Wasserteuffen
bedeutet. Wo nun solchs nicht gehet / Sondern dem alten Menschen der Zaum
gelassen wird / daß er nur stercker wird / das heisset nit der Tauffe gebrauchet
/ sondern wieder die Tauffe gestrebet / Denn die ausser Christo sind / können
nicht anders thun / denn täglich erger werden / Wie auch das Sprichwort lautet /
vnd
|| [ID00298]
die Warheit ist / Im̅er je erger / je
lenger je böser / Ist einer fürm Jahr stoltz vnd geitzig gewesen / so ist er
hewr viel geitziger vnd stöltzer / Also / daß die Vntugend von Jugend auff mit
jhm wechset vnd fortfehret. Ein junges Kind hat kein sonderliche Vntugend an
sich / wo es aber erwechst / so wird es vnzüchtig vnd vnkeusch / kömpt es zu
seinem vollen Mans alter / so gehen die rechten Laster an / je lenger je mehr.
Darumb gehet der alte Mensch in seiner Natur vnauffgehalten / wo man nicht durch
der Tauffe Krafft wehret vnd dempffet. Wiederumb / wo Christen sind worden /
nimpt er täglich abe / so lang bis er gar vntergehet. Das heisset recht in die
Tauffe gekrochen / vnd täglich wieder herfür kom̅en. Also ist das
eusserliche Zeichen gestellet / Nicht allein daß es solle krefftiglich wircken /
Sondern auch etwas deuten. Wo nu der Glaube gehet mit seinen Früchten / da ists
nicht eine lose deutung / sondern das Werck dabey / Wo aber der Glaube nicht ist
/ da bleibt es ein blos vnfruchtbar Zeichen.
Vnd hie siehestu / daß die Tauffe beyde mit jhrer Krafft vnd deutunge / begreifft
auch das Dritte Sacrament / welchs man genennet (Busse
ist das rechte Werck der Tauffe.) hat die Busse / als die eigentlich
nichts anders ist / denn die Tauffe / Denn was heisset Busse anders / denn den
alten Menschen mit ernst angreiffen / vnd in ein newes Leben treten? Darumb wenn
du in der Busse lebest / so gehestu in der Tauffe / welche solch newes Leben
nicht allein deutet / sondern auch wircket / anhebet vnd treibet / denn darinn
wird geben Gnade / Geist vnd Krafft / den alten Menschen zu vnterdrücken / daß
der newe herfür komme / vnd starck werde.
Darumb bleibt die Tauffe jm̅erdar stehen / vnd ob gleich jemand
dauon fellet vnd sündigt / haben wir doch jm̅er ein zugang dazu /
daß man den alten Menschen wieder vnter sich werffe / aber mit Wasser darff man
vns nicht mehr begiessen / denn ob man sich gleich hundert mal liesse ins Wasser
sencken / so ists doch nicht mehr denn ein Tauffe: (Busse ein Wiedergang zur Tauffe.) Das Werck aber vnd deutung / gehet
vnd bleibet. Also ist die Busse nicht anders / denn ein Wiedergang vnd zutreten
zur Tauffe / daß man das wiederholet vnd treibet / so man zuuor angefangen / vnd
doch dauon gelassen hat.
Das sage ich darumb / daß man nicht in die meinung komme / darinn wir lange zeit
gewesen sind / vnd gewehnet haben / die Tauffe were nun hin / daß man jhr nicht
mehr brauchen kündte / Nach dem wir wieder in Sünde gefallen sind / Das machet /
daß mans nicht weiter ansiehet / denn nach dem Werck / so einmal geschehen ist.
Vnd ist zwar daher kommen / daß S. Hieronymus
geschrieben hat. Die Busse sey die ander Taffel / damit wir müssen außschwimmen
vnd
|| [137]
vberkommen / nach dem das Schiff gebrochen ist /
darein wir treten vnd vberfahren / wenn wir in die Christenheit kommen. Damit
ist nun der Brauch der Tauffe weggenommen / daß sie vns nicht mehr nützen kan.
Darumb ists nicht recht geredt / denn das Schiff zubricht nicht / weil es (wie
gesagt) Gottes Ordnung / vnd nicht vnser ding ist. Aber das geschicht wol / daß
wir gleiten / vnd heraus fallen / fellet aber jemand heraus der sehe / daß er
wieder hinzu schwimme / vnd sich daran halte / bis er wieder hinein komme / vnd
darinn gehe / wie vorhin angefangen.
ALso siehet man / wie ein hoch trefflich ding es ist vmb die Tauffe / so vns dem
Teuffel aus dem Hals reisset / Gott zu eigen macht / die Sünde dempffet vnd
wegnimpt / darnach täglich den newen Menschen stercket / vnd jmmer gehet vnd
bleibet / bis wir aus diesem Elend zur ewigen Herrligkeit kom̅en.
Darumb sol ein jeglicher die Tauffe halten / als ein täglich Kleid / darinn er
jmmerdar gehen sol / daß er sich allezeit in dem Glauben vnd seinen(Tauffe ein täglich Kleid der Christen.) Früchten
finden lasse / daß er den alten Menschen dempffe / vnd im newen erwachse / Denn
wöllen wir Christen seyn / so müssen wir das Werck treiben / dauon wir Christen
sind. Fellet aber jemand dauon / so komme er wieder hinzu. Denn wie Christus der
Gnadenstuel darumb nicht weichet / noch vns wehret wieder zu jhm zu kommen / ob
wir gleich sündigen / Also bleibt auch alle sein Schatz vnd Gabe. Wenn nun
einmal in der Tauffe Vergebung der Sünden vberkommen ist / so bleibet sie noch
täglich so lang wir leben / das ist / den alten Menschen am Hals tragen.
|| [ID00300]
Von dem Sacrament des Altars.
WIe wir von der Heiligen Tauff gehöret haben / müssen wir von dem andern
Sacrament auch reden / Nemlich / die drey Stücke / Was es sey / Was es nütze /
Vnd wer es empfahen sol. Vnd solchs alles aus den Worten gegründet / dadurch
(Einsetzung des Sacraments.) es von Christo
eingesetzt ist / welche auch ein jeglicher wissen sol / der ein Christ wil seyn
/ vnd zum Sacrament gehen / Denn wir sinds nicht gesinnet / dazu zu lassen vnd
zu reichen / denen / die nicht wissen / was sie da suchen / oder warumb sie
kommen. Die Wort aber sind diese:
|| [138]
VNser HERR Jesus Christus / in der Nacht / da er verrhaten ward / nam er das Brod
/ dancket / vnd brachs / vn̅ gabs seinen Jüngern / vnd sprach:
Nemet hin / esset / das ist mein Leib / der für euch gegeben wird / Solchs thut
zu meinem Gedechtnis.
Desselbigen gleichen nam er auch den Kelch / nach dem Abendmal / dancket / vnd
gab jhn den / vnd sprach: Nehmet hin / vnd trincket alle daraus / Dieser Kelch
ist das newe Testament / in meinem Blut / das für euch vergossen wird / zur
Vergebung der Sünde / Solchs thut / so offt jhrs trincket / zu meinem
Gedechtnis.
HIe wöllen wir vns auch nicht in die Haar legen / vnd fechten mit den Lesterern
vnd Schendern dieses Sacraments / sondern zum ersten lernen / da die macht an
ligt (wie auch von der Tauffe) Nemlich / Daß das fürnemeste(Sacrament Gottes Ordnung.) stück sey Gottes Wort
/ vnd Ordnung oder Befehl / Den̅ es ist von keinem Menschen
erdacht noch auffbracht / sondern ohn jemands Raht vnd bedacht / von Christo
eingesetzt. Derhalben wie die Zehen Gebot / Vater vnser / vnd Glaube / bleiben
in jhrem Wesen vnd Wirden / ob du sie gleich nim̅ermehr heltest /
betest / noch gleubest / Also bleibet auch diß Hochwirdige Sacrament vnuerrückt
/ daß jhm nichts abgebrochen noch genom̅en wird / ob wirs gleich
vnwirdig brauchen vnd handeln. Was meinestu / daß Gott nach vnserm thun oder
gleuben fragt / daß er vmb des willen solt seine Ordnung wandeln lassen? Bleibet
doch in allen Weltlichen dingen alles / wie es Gott geschaffen / vnd geordnet
hat / Gott gebe / wie wirs brauchen vnd handeln / Solches muß man jm̅erdar treiben / Denn damit kan man fast aller Rottengeister
geschwetze zu rücke stossen / Denn sie die Sacrament ausser Gottes Wort ansehen
/ als ein ding das wir thun.
Was ist nu das Sacrament des Altars? Antwort. Es ist der(Was das Sacrament sey.) wahre Leib vnd Blut des
HErrn Christi / in vnd vnter dem Brod vnd Wein / durch Christus Wort / vns
Christen befohlen zu essen vnd zu trincken. Vnd wie von der Tauffe gesagt daß
nicht schlecht Wasser ist / so sagen wir hie auch / das Sacrament ist Brod vnd
Wein / aber nicht schlecht Brod vnd Wein / so man sonst zu Tisch tregt / Sondern
Brod vnd Wein in Gottes Wort gefasset / vnd daran gebunden.
|| [ID00302]
Das Wort (sage ich) ist das / das diß Sacrament machet vnd vnterscheidet / daß es
nicht lauter Brod vnd Wein / sondern Christus (Spruch
s. Augustini, Das Wort machet ein Sacrament.) Leib vnd Blut ist vnd
heisset / Denn es heisset: Accedat verbum ad elementum,
& fit Sacramentum, Wenn das Wort zum eusserlichen ding kömpt /
so wirds ein Sacrament. Dieser Spruch S. Augustini, ist
so eigentlich vnd wol geredt / daß er kaum einen bessern gesagt hat / Das Wort
muß das Element zum Sacrament machen / Wo nicht / so bleibts ein lauter Element.
Nu ists nicht eines Fürstens oder Keysers / Sondern der hohen Majestet Wort vnd
Ordnung / dafür alle Creaturn sollen zun Füssen fallen / vnd ja sprechen / daß
es sey / wie Er sagt / vnd mit allen Ehren / Furcht vnd Demuth annehmen.
Aus dem Wort kanstu dein Gewissen stercken vnd sprechen: Wenn hundert tausent
Teuffel / sampt allen Schwermern herfaren / Wie kan Brod vnd Wein Christus Leib
vnd Blut seyn? etc. So weis ich daß alle Geister vnd Gelehrten auff einen
hauffen nicht so klug sind / als die Göttliche Majestet im kleinsten Fingerlein
/ Nu stehet hie Christus Wort: Nehmet Esset / das ist mein Leib / Trincket alle
daraus / das ist das Newe Testament in (Ohn wort ist
lauter Brod vnd Wein.) meinem Blut / etc. Da bleiben wir bey / vnd
wöllen sie ansehen / die Ihn meistern werden / vnd anders machen / denn Ers
geredt hat. Das ist wol wahr wenn du das Wort dauon thust / oder ohn Wort
ansiehest / so hastu nichts denn lauter Brod vnd Wein / Wen̅ sie
aber dabey bleiben / wie sie sollen vnd müssen / so ists lauts derselbigen /
warhafftig Christus Leib vnd Blut / Denn wie Christus Mund redet vnd spricht /
Also ist es / als der nicht liegen noch triegen kan.
Daher ist nun leicht zu antworten / auff allerley Frage / damit man sich jetzt
bekümmert / Als diese ist: Ob auch ein böser Priester kündte das Sacrament
handeln vnd geben / Vnd was mehr deßgleichen ist. Denn da schliessen wir vnd
sagen / Ob gleich ein Bube das Sacrament nimpt / oder gibt / So nimpt er das
rechte Sacrament / das ist / Christus Leib vnd Blut / eben so wol / als der es
auffs aller wirdigest handelt. Denn es ist nicht gegründet auff Menschen
Heiligkeit / sondern auff Gottes Wort / Vnd wie kein Heilige auff Erden / ja
kein Engel im Him̅el / das Brod vnd Wein zu Christus Leib vnd Blut
machen kan / Also kans auch niemand endern noch wandeln / ob es gleich
mißbrauchet wird. Denn vmb der Person / oder Vnglaubens willen / wird das Wort
nicht falsch / dadurch es ein Sacrament worden / vnd eingesetzt ist / Denn er
spricht nicht / Wenn jhr gleubt oder wirdig seyd / so habt jhr mein Leib vnd
Blut / Sondern /
|| [139]
Nehmet / Esset vnd Trincket / Das
ist mein Leib vnd Blut. Item / Solchs thut (nemlich / das ich jetzt thue /
einsetze / euch gebe / vnd nehmen heisse) Das ist so viel gesagt / Gott gebe /
du seyeft vnwirdig oder wirdig / so hastu hie sein Leib vnd Blut / aus Krafft
dieser Wort / so zu dem Brod vnd Wein kommen / Solches mercke vnd behalte nur
wol / Denn auff den Worten stehet alle vnser Grund / Schutz vnd Wehre wieder
alle Irrthumb vnd Verführung / so je kommen sind / oder noch kommen mögen.
ALso haben wir kürtzlich das erste stück / so das Wesen(Krafft vnd Nutz des Sacraments.) dieses Sacraments belanget / Nun
siehe weiter / auch die Krafft vnd nutz / darumb endlich das Sacrament
eingesetzt ist / Welches auch das nötigste darinn ist / daß man wisse / was wir
da suchen vnd holen sollen. Das ist nu klar vnd leicht / eben aus den gedachten
worten / Das ist mein Leib vnd Blut / für euch gegeben vnd vergossen / zur
vergebung der Sünde / Das ist kürtzlich so viel gesagt / Darumb gehen wir zum
Sacrament / daß wir da empfahen solchen Schatz / durch vnd in dem wir Vergebung
der Sünde vberkom̅en. Warumb das? Darumb daß die Wort da stehen /
vnd vns solches geben / Den̅ darumb heisset Er mich essen vnd
trincken / daß es mein sey / vnd mir nütze / als ein gewiß Pfand vnd Zeichen: Ja
eben dasselbige Gut / so für mich gesetzt ist / wieder meine Sünde / Tod vnd
alle Vnglück.
Darumb heisset es wol eine Speise der Seelen / die den newen(Sacrament ein Speise der Seelen.) Menschen neeret
vnd sterckt / Den̅ durch die Tauffe werden wir erstlich new geborn
/ Aber daneben / wie gesagt ist / bleibet gleichwol die alte Haut im Fleisch vnd
Blut am Menschen / da ist so viel Hinderniß vnd Anfechtung / vom Teuffel vnd der
Welt / daß wir offt müde vnd matt werden / vnd zu weilen auch straucheln.
Darumb ist es gegeben zur täglichen Weide vnd Fütterung / daß sich der Glaube
erhole vnd stercke / daß er in solchem Kampff nicht zu rück falle / sondern
jm̅erdar je stercker vnd stercker werde / Denn das newe Leben
sol also gethan seyn / daß es stets zunehme / vnd fortfahre / Es muß aber
dagegen viel leiden / Denn so ein zorniger Feind ist der Teuffel / Wo er siehet
/ daß man sich wieder jhn leget / vnd den alten Menschen angreifft / vnd er vns
nicht mit macht vberpoltern kan / da schleicht vnd streicht er auff allen Seiten
vmbher / versuchet alle Künste / vnd lesset nicht abe / bis er vns zu letzt müde
machet / daß man entweder den Glauben lesset fallen / Oder Hende vnd Füsse gehen
/ vnd wird vnlustig oder vngedültig / Dazu ist nu der Trost gegeben / Wenn das
Hertz solches fühlet / daß jhm wil zu schweer werden / daß es hie newe Krafft
vnd Labsal hole.
|| [ID00304]
HIe verdrehen sich aber vnsere klugen Geister / mit jrer grossen Kunst vnd
klugheit / die schreien vnd poltern / Wie kan Brod vn̅ Wein die
Sünde vergeben / oder den Glauben stercken? So sie doch hören / vnd wissen / daß
wir solches nicht von Brod vnd Wein sagen / als an jhm selbs Brod Brod ist /
sondern von solchem Brod vnd Wein / das Christus Leib vnd Blut ist / vnd die
Wort bey sich hat / Dasselbige / sagen wir / ist je der Schatz / vnd kein ander
/ dadurch solche Vergebung erworben ist. Nu wird es vns ja nit anders / den̅ in den worten (Für euch gegeben / vnd vergossen) gebracht vnd
zugeeignet / denn darin̅ hastu beydes / Daß es Christus Leib vnd
Blut ist / Vnd daß es dein ist / als ein Schatz vnd Geschencke / Nun kan je
Christus Leib nicht ein vnfruchtbar vergeblich ding seyn / das nichts schaffe
noch nütze / Doch wie gros der Schatz für sich selbs ist / so muß er in das Wort
gefasset / vnd vns gereicht werden / Sonst würden wirs nicht können wissen noch
suchen.
(Vergebung der Sünd krieget man allein durchs Wort.)
Darumb ists auch nichts geredt / daß sie sagen / Christus Leib vnd Blut ist nicht
im Abendmal für vns gegeben noch vergossen / darumb künte man im Sacrament nicht
vergebung der Sünde haben / Den̅ ob gleich das Werck am Creutz
geschehen / vnd die Vergebung der Sünde erworben ist / so kan sie doch nicht
anders / den̅ durchs Wort zu vns kom̅en / Denn was
wüsten wir sonst dauon / daß solchs geschehen were / oder vns geschenckt seyn
solte / wenn mans nicht durch die Predigt / oder Mündlich Wort fürtrüge? Woher
wissen sie es / oder wie können sie die vergebung ergreiffen / vnd zu sich
bringen / wo sie sich nit halten / vnd gleuben an die Schrifft / vnd das
Euangelium? Nu ist je das gantze Euangelium vnd Artickel des Glaubens / Ich
gleube eine heilige Christliche Kirche / Vergebung der Sünde / etc. Durch das
Wort in dis Sacrament gesteckt / vn̅ vns fürgelegt. Warumb solten
wir den̅ solchen Schatz aus dem Sacrament lassen reissen / so sie
doch beken̅en müssen / daß eben die Wort sind / die wir
allenthalben im Euangelio hören / vn̅ ja so wenig sagen kön̅en / diese wort im Sacrament seyen kein nütz / so wenig sie
thüren sprechen / Daß das gantze Euangelium oder Gottes Wort ausser dem
Sacrament / kein nütz sey.
(Brauch des Sacrame̅ts.)
ALso haben wir nu das gantze Sacrament / Beyde was es an jm selbs ist / vnd was
es bringet vnd nützet / Nu muß man auch sehen / wer die Person sey / die solche
krafft vnd nutz empfahe. Das ist auffs kürtzte / wie droben von der Tauffe / vnd
sonst offt gesagt ist / Wer da solchs gleubet / wie die Wort lauter / vnd was
sie bringen. Den̅ sie sind nit Stein noch Holtz gesagt oder
verkündiget /
|| [140]
sondern denen / die sie hören / zu
welchen er spricht: Nemet vnd esset / etc. Vnd weil er Vergebung der Sünde
anbeutet / vnd verheisset / kan es(Glaube empfchet
Vergebung der Sünde.) nicht anders / denn durch den Glauben empfangen
werden. Solchen Glauben foddert er selbs in dem Wort / als er spricht: Für euch
gegeben / vnd für euch vergossen / Als solt Er sagen / Darumb gebe ichs / vnd
heisse euch essen vnd trincken / daß jhr euchs solt annemen vnd geniessen. Wer
nu jm solchs lesset gesagt seyn / vnd gleubet / daß es wahr sey / der hat es /
Wer aber nicht gleubet / der hat nichts / als ders jhm lesset vmb sonst
fürtragen / vnd nicht wil solchs heilsamen Guts geniessen. Der Schatz ist wol
auffgethan / vnd jederman für die Thür / ja auff den Tisch gelegt / Es gehört
aber dazu / daß du dich auch sein annehmest / vnd gewißlich dafür haltest / wie
dir die Wort geben.
Das ist nun die gantze Christliche bereitung / diß Sacrament(Wirdige bereitung zum Sacrament.) wirdig zu
empfahen / Denn weil solcher Schatz gar in den Worten fürgelegt wird / kan mans
nicht anders ergreiffen / vnd zu sich nemen / den̅ mit dem Hertzen
/ denn mit der Faust wird man solch Geschenck / vnd ewigen Schatz nicht fassen.
Fasten vnd beten / etc. mag wol ein eusserliche Bereitung vnd Kinder vbung seyn
/ daß sich der Leib züchtig vnd ehrbietig gegen dem Leib vnd Blut Christi helt
vnd geberdet / Aber / das darinn vnd damit gegeben wird / kan nicht der Leib
fassen / noch zu sich bringen. Der Glaube aber thuts des Hertzen / so da solchen
Schatz erkennet / vnd sein begehret. Das sey gnug / so viel zur gemeinen
Vnterricht noth ist / von diesem Sacrament / Denn was weiter dauon zu sagen ist
/ gehöret auff ein ander Zeit.
AMende / weil wir nu den rechten Verstand vnd(Vermanung
das Sacrament zu empfahen.) die Lehre von dem Sacrament haben / ist
wol noth / auch eine Vermahnung vnd Reitzung / daß man nicht lasse solchen
grossen Schatz / so man täglich vnter den Christen handelt / vnd außtheilet /
vmb sonst für vber gehen / Das ist / daß die Christen wöllen seyn / sich dazu
schicken / das hochwirdige Sacrament offt zu empfahen. Den̅ wir
sehen / daß man sich eben laß vnd faul dazu stellet / vnd ein grosser hauffe ist
deren / die das Euangelium hören / Welche / weil des Bapsts Tand ist abkom̅en / daß wir gefreyet sind von seinem zwang vnd Gebot / gehen sie
wol dahin / ein Jahr / zwey oder drey / vnd lenger / ohn Sacrament / als seyen
sie so starcke Christen / die sein nicht dürffen / vnd lassen sich etliche
hindern / vnd dauon schrecken / daß wir gelehret haben / Es solle niemand dazu
gehen / ohn die Hunger vnd Durst fülen / so sie treibt. Etliche wenden für / Es
sey frey / vnd nicht von nöthen / vnd sey gnug / daß sie sonst gleuben /
|| [ID]
Vnd kommen also das mehrer theil dahin / daß sie gar rohe
werden / vnd zu letzt beyde / das Sacrament vnd Gottes Wort verachten.
Nun ists wahr / was wir gesagt haben / Man solle bey Leib niemand treiben noch
zwingen / auff daß mann nicht wieder eine newe Seelmörderey anrichte / Aber das
sol man dennoch wissen / Daß (Die sich des Sacraments
eussern / sind nit Christen) solche Leute für keine Christen zu halten
sind / die sich so lange zeit des Sacraments eussern vnd entziehen / denn
Christus hat es nicht darumb eingesetzt / daß mans für ein Schawspiel handele /
Sondern seinen Christen geboten / daß sie es essen vnd trincken / vnd sein
darüber gedencken.
(Rechte Christen empfahen offe das Sacrament.)
Vnnd zwar welche rechte Christen sind / vnd das Sacrament thewr vnd werth halten
/ sollen sich wol selbs treiben / vnd hinzu dringen / doch daß die Einfeltigen
vnd schwachen / die da auch gern Christen weren / desto mehr gereitzet werden /
die Vrsach vnd Noth zu bedencken / so sie treiben sollen / wöllen wir ein wenig
dauon reden. Den̅ wie es in andern Sachen / so den Glauben / Liebe
/ vnd Gedult betrifft / ist nicht gnug allein lehren vnd vnterrichten / sondern
auch täglich vermanen / Also ist es auch hie noth mit predigen anhalten / daß
man nicht laß noch verdrossen werde / weil wir wissen vnd fülen / wie der
Teuffel sich jmmer wieder solchs vnd alles Christliche wesen sperret / vnd so
viel er kan / dauon hetzet vnd treibt.
(Die Erste Vrsach warumb das Sacrament offt zu gebrauche̅ / ist Christus Befehl vnd Gebot.)
VNd zum Ersten haben wir den hellen Text in den Worten Christi / Das thut zu
meinem gedechtnis / Das sind Wort / die vns heissen vnd befehlen / Dardurch
denen / so Christen wöllen seyn / auffgelegt ist / das Sacrament zu geniessen.
Darumb wer Christus Jünger wil seyn / mit denen er hie redet / der dencke vnd
halte sich auch dazu / nit aus zwang / als von Menschen gedrungen / sondern dem
HErrn Christo zu gehorsam vnd gefallen. Sprichstu aber / stehet doch dabey / So
offt jrs thut / Da zwinget er je niemand / sondern lessets in freyer wilköre?
Antwort. Ist wahr / Es stehet aber nicht / daß mans nimmermehr thun solle / ja
weil Er eben die Wort spricht / So offt als jhrs thut / Ist dennoch mit
eingebunden / daß mans offt thun sol / vnd ist darumb hinzu gesetzt / daß er wil
das Sacrament frey haben / vngebunden / an sonderliche zeit / wie der Jüden
Osterlamb / welchs sie alle Jar nur einmal / vnd eben auff den Vierzehenden Tag
/ des ersten vollen Monds / des Abends musten essen / vnd keinen Tag
vberschreiten / Als Er damit sagen wolt / Ich setze euch ein Osterfest / oder
Abendmahl / das jhr nicht eben diesen Abend des Jahrs einmal / Sondern offt
sollet geniessen / Wenn vnd wo jhr wöllet / nach eines jeglichen gelegenheit vnd
Notturfft / an keinem
|| [141]
Ort oder bestimpte zeit
angebunden / wiewol der Bapst hernach solches vmbkehret / vnd wieder ein
Jüdenfest daraus gemacht hat.
Also siehestu / daß nicht also Freyheit gelassen ist / als möge(Das Sacrament sol niemand verachten.) mans
verachten. Denn das heisse ich verachten / wenn man so lange zeit hingehet / vnd
sonst kein hinderniß hat / vnd doch sein nimmer begehret. Wiltu solche Freyheit
haben / so habe eben so mehr Freyheit / Daß du kein Christen seyest / vnd nicht
gleuben noch beten dürffest / denn das ist eben so wol Christus Gebot / als
jenes. Wiltu aber ein Christen seyn / so mustu je zu weilen diesem Gebot gnug
thun / vnd gehorchen / Denn solch Gebot solt dich je bewegen in dich selbs zu
schlahen vnd zu dencken / Siehe / was bin ich für ein Christen? Were ichs / So
würde ich mich je ein wenig sehnen nach dem / das mein HERR befohlen hat zu
thun.
Vnd zwar weil wir vns so frembde darzu stellen / spüret man wol /(Was vns reitzen sol das Sacrament zu empfahen.)
was wir für Christen in dem Bapsthumb gewesen sind / Als die aus lauterm zwang
vnd furcht Menschlichs Gebots sind hingangen / ohn Lust vnd Liebe / vnd Christus
Gebot nie angesehen / Wir aber zwingen noch dringen niemand / darffs vns auch
niemand zu dienst oder gefallen thun / Das sol dich aber reitzen vnd selbs
zwingen / daß Ers haben wil / vnd jhm gefellet / Menschen sol man sich weder zum
Glauben / noch jrgend einem guten Werck nötigen lassen. Wir thun nicht mehr /
denn daß wir sagen vnd vermahnen / was du thun solt / Nicht vmb vnsern / Sondern
vmb deinen willen / Er locket vnd reitzet dich / wiltu solchs verachten / so
antworte selbs dafür.
Das sol nu das erste seyn / sonderlich für die kalten vnd nachlessigen / daß sie
sich selbs bedencken vnd erwecken. Denn das ist gewißlich wahr / als ich wol bey
mir selbs erfahren habe / vnd ein jeglicher bey sich finden wird / Wenn man sich
also dauon zeucht / daß man von tage zu tage je mehr roh vnd kalt wird / vnd gar
in Wind schleget / sonst muß man sich je mit dem Hertzen vnd Gewissen befragen /
vnd stellen als ein Mensch / das gerne wolt mit Gott recht stehen / Je mehr nu
solchs geschicht / je mehr das Hertz erwarmet / vnd entzündet wird / daß nicht
gar erkalte.
Sprichstu aber / Wie denn / wenn ich füle / daß ich nicht geschickt(Wenn man sich vngeschicket fület / was zu thun
sey.) bin? Antwort / Das ist meine Anfechtung auch / sonderlich aus dem
alten Wesen her / vnter dem Bapst / da man sich so zumartert hat / daß man gantz
rein were / vnd Gott kein tedlin an vns fünde / Dauon wir so schüchter dafür
worden sind / daß fluchs sich jederman entsetzt vnd gesagt hat / O wehe du bist
nicht wirdig. Denn da hebt Natur vnd Vernunfft an zu rechnen / vnser
Vnwirdigkeit / gegen das
|| [ID00308]
thewre Gut / Da findet sichs denn
als eine finstere Latern gegen die liechte Sonne / oder Mist gegen Edelsteine /
Vnd weil sie solches siehet / wil sie nicht hinan / vnd harret bis sie geschickt
werde / so lang daß eine Woche die ander / vnd ein halb Jahr das ander bringet.
Aber wenn du das wilt ansehen / wie from vnd rein du seyest / vnd darnach
erbeiten / daß dich nichts beisse / so mustu nimmermehr hinzu kom̅en.
Derhalben sol man hie die Leute vnterscheiden / denn was freche vnd wilde sind /
den sol man sagen / daß sie dauon bleiben / den̅ sie sind nicht
geschickt / Vergebung der Sünden zu empfahen / als die sie nicht begeren / vnd
vngerne wolten from seyn. Die andern aber / so nicht solche rohe vnd lose Leute
sind / vnd gerne from weren / sollen sich nicht dauon sondern / ob sie gleich
sonst schwach vnd gebrechlich sind / Wie auch S.
Hilarius gesaget hat: Wenn ein Sünde nicht also gethan ist / daß man jemand
billich aus der Gemeine stossen / vnd für ein Vnchristen halten kan / Sol man
nit vom Sacrament bleiben / auff daß man sich nicht des Lebens beraube. Denn so
weit wird niemand kom̅en / daß er nicht viel täglicher Gebrechen
im Fleisch vnd Blut behalte.
(Sacrament siehen nicht auff vnser Wirdigkeit.)
Darumb sollen solche Leute lernen / daß die höheste Kunst ist / daß man wisse /
daß vnser Sacrament stehet / nicht auff vnser Wirdigkeit / Den̅
wir lassen vns nicht teuffen / als die wirdig vnd heilig sind / Kom̅en auch nicht zur Beichte / als seyen wir rein vnd ohn Sünde / sondern das
Wiederspiel / als arme elende Menschen / vnd eben darumb / daß wir vnwirdig sind
/ Es were den̅ ein solcher / der keine Gnade vnd Absolution
begeret / noch sich dechte zu bessern. Wer aber gern wolt Gnad vnd Trost haben /
sol sich selbs treiben / vnd niemand dauon schrecken lassen / vnd also sprechen:
Ich wolt wol gerne wirdig seyn / Aber ich kom̅e auff keine
Wirdigkeit / sondern auff dein Wort / daß du es befohlen hast / Als der gerne
dein Jünger were / mein Wirdigkeit bleibe / wo sie kan. Es ist aber schwer /
denn das ligt vns jm̅er im wege / vnd hindert / daß wir mehr auff
vns selbs / den̅ auff Cristus Wort vnd Mund sehen. Denn die Natur
wolt gerne also handeln / Daß sie gewiß auff sich selbs möchte fussen vnd stehen
/ Wo nicht / so wil sie nicht hinan. Das sey gnug vom ersten Stück.
(Die andere vrsach ist die Verheissung bey dem Sacrament.)
ZVm Andern / ist vber das Gebot auch eine Verheissunge / wie auch oben gehört /
die vns auffs aller sterckste reitzen vnd treiben sol / Den̅ da
stehen die freundliche liebliche Wort: Das ist mein Leib / Für euch gegeben /
Das ist mein
|| [142]
Blut / Für euch vergossen / zur
vergebung der Sünden / Diese Wort / habe ich gesagt / sind keinem Stock noch
Stein gepredigt / sondern mir vnd dir / sonst möcht er eben so mehr still
schweigen / vnd kein Sacrament einsetzen / Darumb dencke vnd bringe dich auch in
das / Euch / daß er nicht vmb sonst mit dir rede.
Denn da beut er vns an / alle den Schatz / so er vns von Him̅el(Verheissung ist vns geprediget.) bracht
hat / dazu er vns auch sonst locket auffs aller freundlichste / als da er
spricht / Matth. 11. Kompt her zu Mir / alle / die jhr müheselig /(Matth. 11.) vnd beladen seyd / Ich wil euch
erquicken. Nu ists je Sünde vnd schande / daß er vns so hertzlich vnd trewlich
foddert vnd vermanet / zu vnserm höchsten vnd besten Gut / Vnd wir vns so frembd
darzu stellen / vnd so lange hingehen / bis wir gar erkalten / vnd verharten /
daß wir(Sacrament ist tröstlich / nicht
schedlich.) kein Lust noch Liebe dazu haben. Mann muß je das Sacrament
nicht ansehen / als ein schedlich ding / daß man dafür lauffen solle / sondern
als eytel heilsame / tröstliche Artzney / die dir helffe / vnd das Leben gebe /
beyde an Seel vnd Leib. Denn wo die Seele genesen ist / da ist dem Leibe auch
geholffen. Wie stellen wir vns denn dazu / als sey es ein Gifft / daran man den
Tod fresse?
Das ist wol wahr / Daß / die es verachten vnd vnchristlich leben / nemens jhnen
zu schaden vnd verdamnis / Denn solchen sol nichts gut noch heilsam seyn / eben
als einem Krancken / der aus muthwillen jsset vnd trincket / das jm vom Artzt
verboten ist. Aber denen / so jre schwacheit fülen / vnd jhr gerne los weren /
vnd Hülffe begeren / sollens nicht anders ansehen vnd brauchen / denn ein
köstlich Tyriack / wieder die Gifft / so sie bey sich haben. Den̅
hie soltu im Sacrament empfahen(Im Sacrament Vergebung
der Sünden.) aus Christus Munde / Vergebung der Sünde / welche bey
sich hat / vnd mit sich bringet / Gottes gnade vn̅ Geist / mit
alle seinen Gaben / schutz / schirm vnd gewalt / wieder Tod vnd Teuffel / vnd
alles vnglück.
ALso hastu von Gottes wegen / beyde des HErrn(Die
Dritte vrsach ist vnser eigene Noth.) Christi Gebot vnd Verheissung /
Zu dem / sol dich deinet halben treiben dein eigene Noth / so dir auff dem Hals
ligt / vmb welcher willen solch gebieten / locken vnd verheissen geschicht. Denn
Er spricht selbs / Die starcken dürffen des Artztes nicht / sondern die Krancken
/ Das ist / die müheselig vnd beschweret sind / mit Sünden / Furcht des Tods /
Anfechtung des Fleisches vnd Teuffels. Bistu nu beladen / vn̅
fülest deine schwacheit / so gehe frölich hin / vnd lasse dich er quicken /
trösten vnd stercken. Denn wiltu harren bis du solchs los werdest / daß du rein
vnd wirdig zum Sacrament kom̅est / so mustu ewig dauon bleiben /
Denn da fellet er das Vrtheil / vnd spricht: Bistu rein
|| [ID00310]
vnd
from / so darffstu mein nichts / vnd ich dein wieder nichts / Darumb heissen die
allein vnwirdig / die jhr gebrechen nicht fühlen / noch wöllen Sünder seyn.
(Vnser eigen Fleisch.)
Sprichstu aber / Wie sol ich jhm denn thun / wenn ich solche noth nicht fülen kan
/ noch Hunger vnd Durst zum Sacrament empfinden? Antwort. Denselbigen / die so
gesinnet sind / daß sie sich nicht fülen / weis ich kein bessern Raht / denn daß
sie doch in jhren Bosam greiffen / ob sie auch Fleisch vnd Blut haben / Wo du
denn solchs findest / so gehe doch / dir zu gut / in S. Paulus Epistel an die
Galater / vnd höre was dein Fleisch für ein Früchtlin sey / Offenbar sind aber
(spricht er) die Wercke des Fleisches / als da sind: Ehebruch / Hurerey /
Vnreinigkeit / Geilheit / Abgötterey / Zauberey / Feindschafft / Hader / Eyuer /
Zorn / Zanck / Zweytracht / Secten / Haß / Mord / Sauffen / Fressen / vnd
dergleichen. Derhalben kanstu es nicht fülen / so gleube doch der Schrifft / die
wird dir nicht liegen / als die dein Fleisch besser kennet / denn du selbs. Ja
weiter schleust S. Paulus zun Rom. 7. Denn ich weis / daß in mir / das ist / in
meinem Fleisch / wohnet nichts guts. Darff S. Paulus solchs von seinem Fleisch
reden / so wöllen wir auch nicht besser noch heiliger seyn. Daß wirs aber nicht
fülen / ist so viel desto erger / Den̅ es ist ein Zeichen / daß
ein außsetzig Fleisch ist / das da nicht empfindet / vnd doch wütet / vnd vmb
sich frisset. Doch (wie gesagt) bistu so gar erstorben / so gleube doch der
Schrifft / so das Vrtheil vber dich spricht. Vnd Summa / Je weniger du deine
Sünd vnd Gebrechen fülest / je mehr vrsach hastu hinzu zu gehen / Hülff vnd
Artzney suchen.
(Von der Welt.)
Zum andern / Siehe dich vmb / ob du auch in der Welt seyest / oder weistus nicht
/ so frage deine Nachbarn drumb / Bistu in der Welt / so dencke nicht / daß an
Sünden vnd Noth werde fehlen. Denn fahe nur an / vnd stelle dich / als wolstu
from werden / vnd beym Euangelio bleiben / vnd siehe zu / ob dir niemand werde
feind werden / dazu Leid / Vnrecht / Gewalt thun / Item / zu Sünden vnd Vntugend
vrsach geben. Hastu es nicht erfahren / so las dirs die Schrifft sagen / die der
Welt allenthalben solchen Preis vnd zeugnis gibt.
(Von dem Teuffel.)
Vber das / wirstu ja auch den Teuffel vmb dich haben / welchen du nicht wirst gar
vnter dich treten / Weil es vnser HErr Christus selbs nicht hat können vmbgehen.
Was ist nu der Teuffel? Nichts anders / denn wie jhn die Schrifft nennet / ein
Lügener / vnd ein Mörder / Ein Lügener / das Hertz zuuerführen von Gottes Wort /
vnd verblenden / daß du deine Noth nicht fülest / noch zu Christo kom̅en küntest. Ein Mörder / der dir kein Stunde das Leben günnet.
Wenn du sehen
|| [143]
soltest / wie viel Messer / Spies / vnd
Pfeile alle Augenblick auff dich gezielet werden / du soltest fro werden / so
offt du küntest zu dem Sacrament(Vnser Noth sehen wir
nicht an.) zu kom̅en. Daß man aber so sicher vnd
vnachtsam dahin gehet / machet nichts anders / denn daß wir nicht dencken noch
gleuben / Daß wir im Fleisch vnd in der bösen Welt / oder vnter des Teuffels
Reich seyn.
Darumb versuche vnd vbe solches wol / vnd gehe nur in dich selbs / oder siehe
dich ein wenig vmb / vnd halt dich nur der Schrifft / Fülestu alßdenn auch
nichts / so hastu desto mehr Noth zu klagen / beyde Gott vnd deinem Bruder / da
las dir rahten / vnd für dich bitten / vnd lasse nur nicht abe / so lange bis
der Stein von deinem Hertzen komme / so wird sich die Not wol finden / vnd du
gewar werden / daß du zweymal tieffer ligst / denn ein ander armer Sünder / vnd
des Sacraments viel mehr dürffest / wieder das Elend / so du (leider) nicht
siehest / Ob Gott Gnade gebe / daß du es mehr fülest / vnd je hungeriger würdest
/ sonderlich weil dir der Teuffel so zusetzet / vnd ohn vnterlas auff dich helt
/ wo er dich erhasche / vnd bringen vmb Seel vnd Leib / daß du keine stunde für
jm sicher kanst seyn. Wie bald möchte er dich plötzlich in Jam̅er
vnd Noth bracht haben / wen̅ du dichs am wenigsten versihest?
GOlchs sey nu zur vermanung gesagt / nicht allein für vns alte vnd grosse /
sondern auch für das junge Volck / so man in der Christlichen Lehre vnd Verstand
auffziehen sol / denn damit kündte man desto leichter die Zehen Gebot / Glauben
/ vnd Vater vnser in die Jugend bringen / daß es jnen mit Lust vnd ernst
einginge / vnd also von Jugend auff vbten vnd gewoneten. Denn es ist doch
nu(???) fast mit den Alten geschehen / daß
man solches vnd anders nicht erhalten kan / man ziehe denn die Leute auff / so
nach vns kom̅en sollen / vnd in vnser Ampt vnd Werck treten / auff
daß sie auch jre Kinder fruchtbarlich erziehen / damit Gottes Wort / vnd die
Christenheit erhalten werde. Darumb wisse ein jeglicher Haußvater / daß er aus
Gottes Befehl vnd Gebot schüldig ist / seine Kinder solches zu lehren oder
lernen lassen / was sie können sollen. Denn weil sie getaufft sind / vnd in die
Christenheit genom̅en / sollen sie auch solcher Gemeinschafft des
Sacraments geniessen / auff daß sie vns mögen dienen / vnd nütze werden / Denn
sie müssen doch alle vns helffen gleuben / lieben / beten / vnd wieder den
Teuffel fechten.
CONFESSIO, Oder Bekentnus des Glaubens etlicher Fürsten vnd Stedte /
Vberantwortet Key. Maj. zu Augspurg.
Helmstadt / Anno 1603.
|| [ID00314]
|| [145]
ALler Durchleuchtigster / Grosmechtigster / Vnüberwindlichster Keyser /
Allergnedigster Herr / Als E. Key. Maj. kurtz verschiener Zeit / einen gemeinen
Reichstag alhie gen Augspurg gnediglichen außgeschrieben / Mit anzeig vnd
ernstem begehr / von Sachen / vnsern vnd des Christlichen Namens / Erbfeind den
Türcken / betreffend / vnd wie demselben mit beharrlicher Hülff statlichen
wiederstanden / Auch wie der zwispalden halben in dem heiligen Glauben / vnd der
Christlichen Religion gehandelt möge werden / zurathschlagen / vnd fleis
anzukeren / alle / eines jeglichen gutbedüncken / Opinion / vnd meinung zwischen
vns selbst in Lieb vnd gütigkeit zu hören / zu ersehen / vnd zu erwegen / vnd
dieselbigen zu einer einigen Christlichen Warheit zu bringen vnd zu vergleichen
/ Alles / so zu beyden theilen / nicht recht außgelegt / oder gehandelt were /
abzuthun / vnd durch vns alle / ein einige wahre Religion anzunemen vnd zu
halten / Vnd wie wir alle vnter einem Christo sind / vnd streiten / Also auch
alle in einer Gemeinschafft / Kirchen / vnd Einigkeit zu leben / Vnd wir die
vnden benanten Churfürst vnd Fürsten / sampt vnsern Verwandten gleich andern
Churfürsten / Fürsten vnd Stenden dazu erfoddert / so haben wir vns drauff
dermassen erhaben / daß wir / sonder rhum / mit den ersten hieher kommen.
Vnd als denn auch E. K. Maj. berürts E. K. Maj. außschreibens / vnd demselbigen
gemes / dieser Sachen halben / den Glauben berürend / an Churfürsten / Fürsten /
vnd Stende in gemein / gnediglichen / auch mit
|| [ID00316]
höchstem fleis
/ vnd ernstlich begehrt / daß ein jeglicher / vermöge vorgemelts E. Key. Maj.
außschreibens / sein gutbedüncken / Opinion / vnd meinung / derselbigen Irrungen
/ zwispalden / vnd mißbreuch halben / etc. zu Teudsch vnd Latein / in Schrifft
stellen vnd vberantworten solten. Darauff denn nach genommenem bedacht vnd
gehaltenem Raht E. Key. Maj. an vergangener Mitwochen ist fürgetragen worden /
als wolten wir auff vnserm theil / das vnser / vermöge E. Key. Maj. fürtrags /
in Teudsch vnd Latein / auff heut Freytag vbergeben. Hierumb E. Key. Maj. zu
vnterthenigstem Gehorsam / vberreichen vnd vbergeben wir vnser Pfarner /
Prediger / vnd jhrer Leren / auch vnsers Glaubens Bekentnis / Was vnd welcher
gestalt sie aus Grunde Göttlicher heiliger Schrifft in vnsern Landen /
Fürstenthumen / Herrschafften / Steten / vnd Gebieten / predigen / lehren / vnd
halten.
Vnd sind gegen E. Key. Maj. vnserm Allergnedigsten Herrn / wir in aller
vnterthenigkeit erbötig / So die andern Churfürsten / Fürsten vnd Stende /
dergleichen gezwifachte / schrifftliche vbergebung / jhrer meinung oder Opinion
in Latein vnd Teudsch jetzt auch thun werden / Daß wir vns mit J. Liebden vnd
jhnen / gern von bequemen vnd gleichmessigen wegen vnterreden / Vnd dieselbigen
/ so viel der gelegenheit nach jmer müglich / vereinigen wöllen / damit vnser
beiderseits / als parten / Schrifftlich fürbringen / vnd gebrechen zwischen vns
selbst / in Lieb vnd Gütigkeit gehandelt / vnd dieselben zwispalden / zu einer
einigen wahren Religion / wie wir alle vnter einem Christo sind vnd streiten /
vnd Christum bekenne̅ sollen / alles nach laut offt gemelts E. K.
Maj. außschreibens / vnd nach Göttlicher Warheit / ge
|| [146]
furt mögen werden / Als wir denn auch Gott den Allmechtigen mit
höchster Demuth / anruffen / vnd bitten wöllen / sein Göttliche Gnad dazu zu
verleihen.
Wo aber bey vnsern Herrn Freunden / vnd besondern den Churfürsten / Fürsten vnd
Stenden des andern theils / die Handlung dermassen / wie E. K. M. außschreiben
vermag / vnter vns selbs in Lieb vnd Gütigkeit der gestalt nicht vorfahen / noch
ersprießlich seyn wolt / als doch an vns in keinem / das mit Gott vnd Gewissen
zu Christlicher Einigkeit dienstlich seyn kan oder mag / erwinden sol / wie E.
K. M. auch gemelte vnsere Freunde / die Churfürsten / Fürsten / Stende / vnd ein
jeder Liebhaber Christlicher Religion / so diese sachen fürkommen / aus
nachfolgenden vnser vnd der vnsern Bekentnissen / gnediglich / freundlich vnd
gnugsam werden zu vernehmen haben.
Nach dem denn E. Key. Maj. vormals Churfürsten / Fürsten vnd Stenden des Reichs
gnediglichen zu verstehen gegeben / vnd sonderlich durch ein öffentliche
verlesene Instruction / auff dem Reichstag / so im Jar der mindern Zal 26. zu
Speir gehalten / daß E. Key. Maj. in sachen vnsern heiligen Glauben belangend /
zu schliessen lassen / aus vrsachen / so dabey gemeldet nicht gemeinet / sondern
bey dem Bapst vmb ein Concilium fleissigen vnd anhaltung thun wolten. Vnd für
einem Jar / auff dem letzten Reichstag zu Speir / vermüge einer schrifftlichen
Instruction / Churfürsten / Fürsten vnd Stenden des Reichs / durch E. Key. May.
Stadhalter im Reich Königliche W. zu Hungern vnd Böhmen / sampt E. K. M. Oratorn
/ vnd verordenten Commissarien / dis vnter andern haben fürtragen vnd anzeigen
lassen / daß E. K. M. derselbigen Stadhalter / Ampts
|| [ID00318]
uerwalter vnd Rähten des Keyserlichen Regiments / auch der abwesenden
Churfürsten / Fürsten vnd Stenden Botschafften / so auff dem außgeschrieben
Reichstag zu Regenspurg versamlet gewesen / gutbedüncken / das General Concilium
belangend / nachgedacht / vnd solches anzusetzen / auch für fruchtbar erkant.
Vnd weil sich aber die sachen zwischen E. K. M. vnd dem Bapst zu gutem
Christlichen Verstand schickten / daß E. K. M. gewiß were / daß durch den Bapst
das General Conciliu̅ zu halten / nit gewegert / so were E. K. M.
gnedigs erbietens zu fördern vn̅ zu handeln / daß der Bapst solch
General Conciliu̅, neben E. K. M. zum ersten aus zuschreibe̅ bewilligen / vnd daran gar kein mangel erscheinen solt.
So erbieten gegen E. Ke. M. wir vns hiemit in aller vnterthenigkeit / vnd zum
vberflus / in berürtem Fall / ferner auff ein solch gemein frey Christlich
Concilium, darauff auff allen Reichstagen / so E. K. M. bey jhrer Regierung im
Reich gehalten / durch Churfürsten / Fürsten vnd Stende / aus hohen vnd dapffern
bewegungen geschlossen / an welchs auch zu sampt E. K. M. wir vns vo̅ wegen dieser groswichtigsten sachen / in Rechtlicher weis vnd
Form verschiener zeit beruffen / vnd appelliert haben / Der wir hiemit nochmals
anhengig bleiben / vnd vns durch diese / oder nachfolgende handlung (es werden
denn diese zwispaldigen Sachen / endlich in Lieb vnd gütigkeit / laut E. K. M.
ausschreibens / gehört / erwogen / beygelegt / vnd zu einer Christlichen
Einigkeit vergleicht) nicht zubegeben wissen / Dauon wir hiemit öffentlichen
bezeugen vnd protestiren. Vnd ist das vnser / vnd der vnsern Bekentnis / wie
vnterschiedlichen von Artickeln zu Artickeln hernach folget.
|| [147]
Der Erste.
ERstlich lehren vnd halten wir eintrechtiglich / laut des Beschluß Concilij Niceni, Daß ein einig Göttlich Wesen sey /
welches genent wird / vnd warhafftiglich ist Gott / vnd sind doch drey Personen
/ in demselbigen einigen Göttlichen Wesen / gleich gewaltig / gleich Ewig / Gott
Vater / Gott Sohn / Gott heiliger Geist / alle drey / ein Göttlich Wesen / Ewig
/ ohn stück / vnermessener Macht / Weißheit / vnd Güte / ohn Ende / ein
Schöpffer vnd Erhalter aller dinge / der sichtbaren vnd vnsichtbaren. Vnd wird
durch das Wort / Persona, verstanden / nicht ein stück /
nicht ein Eigenschafft in einem andern / sondern das selb bestehet / wie denn
die Väter in dieser Sachen diß Wort gebraucht haben.
Dazu werden verworffen alle Ketzereyen / so diesem Artickel zu wieder sind / als
Manichei, die zweene Götter gesetzt haben / Einen
Bösen vnd ein Guten. Item Valentiniani, Ariani,
Eunomiani, Mahometisten / vnd alle dergleichen / auch die Jüden vnd Samosateni, alte vnd newe / so nur eine Person setzen /
vnd von diesen zweyen / Wort / vnd heiligen Geist / Sophisterey machen / Sagen /
daß es nicht müssen vnterschiedene Personen seyn / sondern Wort bedeute leiblich
Wort oder Stimme / vnd der heilig Geist sey geschaffene regung in Creaturen.
Der Ander.
WEiter wird gelehret / Daß nach dem Fall Adae / alle Menschen / so natürlich
geborn werden / in Sünden empfangen vnd geboren werden / das ist / Daß sie alle
von Mutter Leib an / voller böser Lust vnd Neigung sind / vnd keine wahre GOttes
Furcht / keine wahre Gottes Lieb / keinen wahren Glauben an Gott von Natur haben
können / Daß auch dieselbe angeborne Seuch vnd Erbsünd / warhafftig Sünd sey /
vnd verdamme alle die jenigen / vnter den ewigen Gottes Zorn / so nicht durch
die Tauffe vnd heiligen Geist wieder geborn werden.
|| [ID00320]
Hie werden verworffen die Pelagianer / vnd andere / so die Erbsünd nicht für
Sünde halten / damit sie die Natur from machen / durch Natürliche Kreffte / zu
Schmach dem Leiden vnd Verdienst Christi.
Der Dritte.
ITem / Es wird gelehret / Daß Gott der Sohn sey Mensch worden / Geborn aus Maria
der reinen Jungfrawen / Vnd daß die zwo Natur / Göttliche vnd Menschliche / in
einer Person / also vnzertrenlich / vereiniget / ein Christus sind / Welcher
wahrer Gott / wahrer Mensch ist / warhafftig geborn / gelidden / gecreutziget /
gestorben vnd begraben / daß Er ein Opffer were / nicht allein für die Erbsünde
/ sondern auch für alle andere Sünde / vnd Gottes Zorn versönet.
Item / Daß derselbig Christus abgestiegen zur Helle / Warhafftig am dritten Tag
von den Todten aufferstanden / Auffgefahren gen Himmel / sitzend zur Rechten
Gottes / Daß er ewig herrsche vber alle Creatur / vnd regiere / daß Er alle / so
an jhn gleuben / durch den heiligen Geist / heilige / reinige / stercke / tröste
/ jhnen auch Leben / vnd allerley Gaben / vnd Güter außtheile / vnd wieder den
Teuffel / vnd wieder die Sünde / schütze vnd beschirme.
Item / Daß derselbige HErr Christus / endlich wird öffentlich kommen / zu richten
die Lebendigen vnd die Todten / etc. laut des Symboli
Apostolorum. Vnd werden verdampt allerley Ketzereyen / so diesem
Artickel entgegen sind.
Der Vierde.
VNd nach dem die Menschen in Sünden geboren werden / vnd Gottes Gesetz nicht
halten / auch nicht von Hertzen Gott lieben können / so wird gelehrt / daß wir
durch vnser Werck oder gnugthuung / nicht können Vergebung der Sünden verdienen
/ werden auch nicht von wegen vnser Werck gerecht geschetzt für Gott / Sondern
wir erlangen Vergebung der Sünden / vnd werden Gerecht geschetzt für Gott vmb
Christus willen / aus Gnaden / durch den Glauben / so das Gewissen Trost
empfehet an der Verheissung Christi / vnd gleubet / daß vns gewißlich Vergebung
der Sünden gegeben wird / vnd daß vns Gott wölle gnedig seyn / vns gerecht
schetzen / vnd ewiges Leben geben vmb Christus willen / der durch seinen Tod
Gott versönet hat / vnd für die Sünde gnug gethan. Wer also
|| [148]
warhafftiglich gleubet / der erlanget Vergebung der Sünde / wird
Gott angenehme / vnd für Gott gerecht geschetzt / vmb Christus willen / Rom. 3.
vnd 4.
Der Fünffte.
GOlchen Glauben zu erlangen / hat Gott das Predigampt eingesetzt / Euangelium vnd
Sacramenta geben / dadurch / als durch Mittel / der
heilig Geist wirckt / vnd die Hertzen tröstet / vnd Glauben gibt / wo / vnd wenn
Er wil / in denen / so das Euangelion hören / welchs lehret / Daß wir durch
Christus Verdienst einen gnedigen Gott haben / so wir solchs gleuben. Vnd werden
verdammet die Wiederteuffer / vnd andere / so lehren / Daß wir ohn das Leibliche
Wort des Euangelij den heiligen Geist / durch eigene Bereitung vnd Werck
verdienen.
Der Sechste.
AVch wird gelehret / daß solcher Glaub / gute frücht vnd gute Werck bringen sol /
vnd daß man müsse gute Werck thun / allerley so Gott geboten hat / vmb Gottes
willen / doch nicht auff solche Werck zu vertrawen / daß wir durch vnsere Werck
Gottes Gesetz gnug thun / oder von wegen vnser Werck / gerecht geschetzet
werden. Denn wir empfahen Vergebung der Sünden / vnd werden gerecht geschetzt /
durch den Glauben / vmb Christus willen / wie Christus spricht: So jhr das alles
gethan habt / solt jhr sprechen / Wir sind vntüchtige Knecht. Also lehren auch
die Väter: Denn Ambrosius spricht: Also ists beschlossen
bey Gott / Daß / wer an Christum gleubt / selig sey / vnd nicht durch Werck /
Sondern allein durch den Glauben / ohn verdienst / vergebung der Sünden
habe.
Der Siebende.
ES wird auch gelehret / daß alle zeit müsse ein heilige Christliche Kirche seyn
vnd bleiben / welche ist die Versamlung aller Gleubigen / bey welchen das
Euangelium rein gepredigt / vnd die heiligen Sacrament / laut des Euangelij /
gereicht werden.
Denn dieses ist gnug zu wahrer Einigkeit der Christlichen Kirchen / daß da
eintrechtiglich / nach reinem Verstand / das Euangelium geprediget / vnd die
Sacrament / dem Göttlichen Wort gemeß / gereicht werden. Vnd ist nicht noth zu
wahrer Einigkeit der Christlichen Kirchen / daß allenthalben gleichförmige
Ceremonien / von Menschen eingesetzt / gehalten werden / wie S. Paulus spricht /
|| [ID00322]
Ephes. 4. Ein Leib / ein Geist / wie jhr beruffen seyd zu
einerley Hoffnung ewers Beruffs / ein HERR / ein Glaube / ein Tauffe.
Der Achte.
ITem / Wiewol die Christliche Kirche eigentlich nichts anders ist / denn die
Versamlung aller Gleubigen vnd Heiligen / Jedoch / dieweil in diesem Leben viel
falscher Christen vnd Heuchler / auch öffentliche Sünder vnter den frommen
bleiben / sind die Sacrament gleichwol krefftig / ob schon die Priester /
dardurch sie gereicht werden / nicht from sind / wie Christus anzeigt / auff dem
Stuel Mosi sitzen die Phariseer / etc. Derhalben werden die Donatisten / vnd
alle andere verdammet / so anders halten.
Der Neunde.
VOn der Tauffe wird gelehret / Daß sie nötig sey / vnd daß dadurch Gnad angeboten
wird / daß man auch die Kinder teuffen sol / welche durch solche Tauffe GOtt
vberantwort vnd gefellig werden.
Derhalben werden die Wiederteuffer verworffen / welche lehren / Daß die
Kindertauffe nicht recht sey.
Der Zehende.
VOn dem Abendmal des HErrn / wird also gelehret / Daß wahrer Leib vnd Blut
Christi / warhafftiglich vnter Gestalt des Brods vnd Weins / im Abendmal
gegenwertig sey / vnd da außgetheilet vnd genommen wird. Derhalben wird auch die
Gegenlehre verworffen.
Der Eilffte.
VOn der Beicht wird also gelehret / Daß man in der Kirchen priuatam Absolutionem erhalten / vnd nicht fallen lassen sol / Wiewol
in der Beicht nicht noth ist / alle Missethat vnd Sünden zu erzehlen / dieweil
doch solches nicht müglich ist / Psalm. 18. Wer kennet die Missethat?
Der Zwölffte.
VOn der Busse wird gelehret / Daß die jenigen / so nach der Tauffe gesündiget
haben / zu aller zeit / so sie bekehret werden / Vergebung der Sünden erlangen
mögen / vnd sol jhnen die
|| [149]
Absolutio von der Kirchen nicht gewegert werden. Nun ist
wahre rechte Busse eigentlich nichts anders / denn Rew vnd leid / oder schrecken
haben vber die Sünde / vnd doch daneben gleuben an das Euangelium vnd Absolution
/ daß die Sünde vergeben / vnd durch Christum Gnad erworben sey / welcher Glaube
wiederumb das Hertz tröst / vnd zu frieden macht.
Darnach sol auch Besserung folgen / vnd daß man von Sünden lasse. Denn diß sollen
die Früchte der Busse seyn / wie Johannes spricht / Matth. 3. Wircket
rechtschaffene Früchte der Busse.
Hie werden verworffen die / so lehren / daß die jenigen / so einest sind from
worden / nicht wieder fallen mögen.
Dagegen auch werden verdammet die Nouatiani, welche die
Absolutio, denen / so nach der Tauffe gesündiget
hatten / wegerten.
Auch werden die verworffen / so nicht lehren / Daß man durch den Glauben / ohn
vnser verdienst / vmb Christus willen / Vergebung der Sünden erlangen / Sondern
/ daß wir solchs durch vnser Werck vnd Liebe verdienen.
Auch werden verworffen die jenigen / so lehren / daß Canonicae
satisfactiones noth seyn zu Bezahlung der ewigen Peen / oder des
Fegfewers.
Der Dreyzehende.
VOm Brauch der Sacrament wird gelehret / daß die Sacrament eingesetzt sind /
nicht allein darumb / daß sie Zeichen sind / dabey man eusserlich die Christen
kennen möge / Sondern / daß es Zeichen vnd Zeugniß sind / Göttlichs Willens
gegen vns / vnsern Glauben dadurch zu erwecken vnd zu stercken / Derhalben sie
auch Glauben foddern / vnd denn recht gebraucht werden / so mans im Glauben
empfehet / vnd den Glauben dadurch sterckt. Darumb werden die jenigen verworffen
/ so lehren / die Sacrament machen gerecht / ex opere
operato, ohn Glauben / vnd lehren nicht / Daß dieser Glaube dazu gethan
sol werden / daß da Vergebung der Sünd angeboten werde / welche durch Glauben /
nicht durchs Werck erlanget wird.
Der Vierzehende.
VOm Kirchen Regiment wird gelehrt / Daß niemand in der Kirchen öffentlich lehren
/ oder predigen / oder Sacrament reichen sol / ohn ördentlichen Beruff.
|| [ID00324]
Der Funffzehende.
VOn Kirchenordnung von Menschen gemacht / lehret man die jenige halten / so ohn
Sünde mögen gehalten werden / vnd zu Frieden vnd guter Ordnung in der Kirchen
dienen / als gewisse Feyer / Fest / vnd dergleichen / Doch geschicht vnterricht
dabey / daß man die Gewissen damit nicht beschweren sol / als seyen solche
Ordnung nötige Gottesdienst / ohn die niemand für Gott gerecht seyn könne.
Darüber wird gelehret / Daß alle Satzungen / vnd Tradition von Menschen der
meinung gemacht / daß man dadurch Gott versöne / oder Vergebung der Sünde
verdiene / oder gerecht für Gott geschetzt werde / dem Euangelio vnd der Lehre
vom Glauben an Christum entgegen sind. Derhalben sind Klöster gelübd / vnnd
andere Tradition / von vnterscheid der Speise / Tag / etc. Dadurch man vermeint
Vergebung der Sünd / vnd Seligkeit zu verdienen / als durch Gottesdienst /
vntüchtig / vnd wieder das Euangelium.
Der Sechzehende.
VOn Policey vnd Weltlichem Regiment wird gelehret / Daß alle Obrigkeit in der
Welt / vnd geordente Regiment vnd Gesetze / gute Ordnung von Gott geschaffen vnd
eingesetzt sind / vnd daß Christen mögen in Obrigkeit / Fürsten / vnd
Richterampt / ohn Sünde seyn / nach Keyserlichen vnd andern vblichen Rechten /
Vrtheil vnd Recht sprechen / Vbeltheter mit dem Schwert straffen / rechte Kriege
füren / streiten / keuffen vnd verkeuffen / Auffgelegte Eyde thun / eigens haben
/ Ehelich seyn / etc.
Hie werden verdammet die Wiederteuffer / so lehren / daß der obangezeigten keins
Christlich sey.
Auch werden die jenige verdampt / so lehren / Daß Christliche Volkommenheit sey /
Haus vnd Hoff / Weib vnd Kind leiblich verlassen / vnd sich der vorberürten
stück eussern / so doch diß allein rechte Volkommenheit ist / rechte Furcht
Gottes / vnd rechter Glaube an Gott / Denn das Euangelium lehret nicht ein
eusserlich / zeitlich / Sondern jnnerlich ewig Wesen vnd Gerechtigkeit des
Hertzen / vnd verwirfft nicht Weltlich Regiment / Policey / vnd Ehestand /
Sondern wil / daß man solchs alles halte / als warhafftige Gottes Ordnung / vnd
in solchen Stenden Christliche Liebe / vnd rechte gute Werck / ein jeder nach
seinem Beruff beweise. Derhalben sind die Christen schüldig der Obrigkeit
vnterthan / vnd jhren Geboten vnd
|| [150]
Gesetzen gehorsam
zu seyn / in allem / so ohn Sünde geschehen mag. Denn so der Obrigkeit Gebot ohn
Sünde nicht geschehen mag / sol man Gott mehr gehorsam seyn / denn den Menschen
/ Act. 4.
Der Siebenzehende.
AVch wird gelehrt / Daß vnser HERR JEsus Christus am Jüngsten Tage kommen wird /
zu richten / vnd alle Todten aufferwecken / Den Außerwelten vnd Gerechten /
ewigs Leben / vnd ewige Frewde geben / Die Gottlosen Menschen aber / vnd die
Teuffel in die Hell vnd ewig Straff verdammen.
Derhalben werden die Wiederteuffer verworffen / so lehren / Daß die Teuffel vnd
verdampte Menschen / nicht ewige Pein vnd Quaal haben werden.
Item / Hie werden verworffen etliche Jüdische Lehre / die sich auch jetzund
ereugen / daß für der Aufferstehung der Todten / eytel Heilige / Fromme / ein
Weltlich Reich haben / vnd alle Gottlosen vertilgen werden.
Der Achtzehende.
VOm Freyen Willen wird also gelehret / Daß der Mensche etlicher masse einen
Freyen willen hat / eusserlich Erbar zu leben / vnd zu wehlen vnter denen dingen
/ so die Vernunfft begreifft / aber ohn gnad / hülff / vnd wirckung des heiligen
Geistes / vermag der Mensch nit Gott gefellig zu werden / Gott hertzlich zu
fürchten / zu lieben / oder zu gleuben / oder die angeborne böse Lust aus dem
Hertzen zu werffen / sondern solchs geschicht durch den heiligen Geist / welcher
durch Gottes Wort geben wird / Den̅ Paulus spricht / 1. Corinth.
2. Der natürliche Mensch vernimpt nichts vom Geist Gottes.
Vnd damit man erkennen möge / daß hierinn kein Newigkeit gelehrt wird / so sind
das die klaren wort Augustini vom Freyen willen / hiebey
geschrieben aus dem dritten Buch Hypognosticon: Wir
bekennen / daß in allen Menschen ein Freyer Wille ist / Denn sie haben ja alle
natürlich angeborne Verstand vnd Vernunfft / nicht daß sie etwas vermügen mit
Gott zu handeln / als Gott von Hertzen zu lieben / zu fürchten / Sondern allein
in eusserlichen Wercken dieses Lebens / haben sie Freyheit / guts oder böses zu
wehlen / Gut meyn ich / das die Natur vermag / als auff dem Acker zu arbeiten /
oder nicht / zu essen / zu trincken / zu einem Freund zu gehen oder nicht / ein
Kleid an oder außzuthun / zu bawen / ein Weib zu nehmen / ein Handwerck zu
treiben / vnd dergleichen etwas nützlichs vnd guts zu thun / welchs alles doch
ohn Gott nicht ist noch bestehet / Sondern alles aus Ihm /
|| [ID00326]
vnd durch jhn ist. Dagegen kan der Mensch auch böses aus eigener wahl fürnehmen
/ Als für einen Abgott niederzuknien / ein Todschlag zu thun / etc.
Hie werden die jenigen verworffen / so lehren / Daß wir Gottes Gebot ohn Gnad vnd
heiligen Geist halten können. Denn ob wir schon eusserliche Werck der Gebot zu
thun / von Natur vermögen / so können wir doch die hohen Gebot im Hertzen nicht
thun / Nemlich / Gott warhafftiglich fürchten / lieben / Gott gleuben / etc.
Der Neunzehende.
VOn Vrsach der Sünden wird bey vns gelehrt / Daß / wiewol GOTT der Allmechtige
die gantze Natur geschaffen hat vnd erhelt / so wircket doch der verkerte Wille
die Sünd / in allen bösen vnd Verechtern Gottes / Wie denn des Teuffels wille
ist / vnd aller Gottlosen / welcher alßbald / so Gott die Hand abgethan / sich
von Gott zum argen gewandt hat / Wie Christus spricht / Johan. 8. Der Teuffel
redet Lügen aus seinem eigen.
Der Zwantzigste.
DEn vnsern wird mit Vnwarheit auffgelegt / Daß sie Gute Werck verbieten / Denn
jhr Schrifft von Zehen Geboten vnd andere beweisen / daß sie von rechten
Christlichen Stenden vnd Wercken / guten nützlichen Bericht vnd vermanung gethan
haben / dauon man vor dieser zeit wenig gelehret hat / sondern allermeist in
allen Predigten / auff Kindische vnnötige Werck / als Rosenkrentz /
Heiligendienst / Mönch werden / Walfarten / gesatzten Fasten / Feyern /
Brüderschafften / Indulgentien / etc. getrieben. Solche vnnötige Werck rhümet
auch vnser Wiederpart nun nicht mehr so hoch / als vor zeiten / wiewol sie
dennoch jhre Irrthumb nicht bekennen / sondern vnterstehen sich dieselbige / zu
vnterdrückung der heilsamen vnd tröstlichen Lehre vom Glauben / vnd zu Schmach
vnserm HErrn Christo zu verfechten. Dieweil aber die Lehre vom Glauben / welche
das Heuptstück ist in Christlicher Lehre / wie man bekennen muß / lange zeit
nicht getrieben noch gepredigt ist / sondern dagegen viel falscher Gottesdienst
auffgericht / So ist dauon durch die vnsern dieser Bericht geschehen.
|| [151]
Wo Glaube / vnd was der Glaube sey.
VNser HErr Christus hat sein Euangelium gefasset in eine richtige vnd kurtze
Summa / Nemlich / Daß man lehren sol / Buß vnd Vergebung der Sünd in seinem
Nahmen. Die Predigt von der Buß / strafft die Sünd. Wer nu für Gottes Zorn
erschrickt / von wegen seiner Sünde / dem prediget das Euangelium auch Vergebung
der Sünden / vmb Christus willen / aus Gnaden / ohn vnser verdienst. Solche
Vergebung wird allein durch den Glauben erlanget / so wir gleuben / daß Gott vns
vmb Christus willen vnsere Sünde vergeben / vnd gnedig seyn wölle.
Also lehren nun die vnsern / Daß wir durch den Glauben an Christum Vergebung der
Sünde erlangen / Nicht durch vnsere vorgehende oder folgende Werck verdienen /
Sondern allein empfahen Vergebung / aus Barmhertzigkeit / vmb Christus willen /
vnd daß wir alle zeit / wenn wir schon gute Werck haben / gleuben sollen / daß
wir vmb Christus willen / für Gott gerecht geschetzt werden / nicht aus
verdienst vnserer Werck / denn wir können doch Gottes Gesetz selbs nicht gnug
thun.
Dieses ist ein reicher / gewisser Trost / allen blöden vnd erschrocken Gewissen /
vnd ist klar in der heiligen Schrifft gegründet vnd außgedruckt / ja es ist der
fürnemest Artickel des Euangelij. Denn Paulus spricht also / Ephes. 2. Aus
Gnaden seyd jhr selig worden / durch den Glauben / vnd dasselbig nicht aus euch
/ Sondern es ist Gottes Gabe / nicht aus Wercken / damit sich niemand rhüme. Vnd
Roman. 4. Darumb müsse Gerechtigkeit durch den Glauben / vnd aus Gnaden kommen /
daß die Verheissung fest bleibe / das ist / So wir vmb vnser Werck willen /
Vergebung der Sünden empfahen solten / weren wir allezeit vngewiß / ob wir
Vergebung erlanget hetten. Denn wir befinden allezeit Gebrechen an vnsern
Wercken / darumb wir müsten zweiffeln / ob wir gnug gethan hetten / Also würde
die Verheissung fallen / vnd vnnütz werden / so sie auff vnser Wercke gebawet
were / vnd nimmermehr künd das Gewissen zu frieden / vnd zu
|| [ID00328]
ruhen seyn / Wenn wir vmb vnser Werck willen Gerecht seyn müsten. Darumb sollen
wir allezeit auch so wir nu new geboren seyn / vnd gute Werck thun / den Mitler
Christum behalten / Vnd gleuben / Daß vns Gott gnedig sey / vnd gerecht schetze
/ Nicht darumb / daß wir das Gesetz erfüllen / Sondern vmb Christus willen /
durch den vns zugesagt ist / Daß vns GOtt vmb seinet willen gnedig seyn wölle.
Darumb spricht Paulus weiter / Roman. 5. So wir durch Glauben gerecht geschetzt
werden / haben wir Friede mit Gott / vnd durch Glauben haben wir einen zugang zu
Gott / etc. Vnd dieser Sprüch ist die Schrifft voll.
Vnerfarne Leute verachten vnd verfolgen die Lehre / Denn die Welt weis von keiner
Gerechtigkeit / denn allein vom Gesetz / vnd von vernünfftigem leben / Weis
nicht / wie das Gewissen gegen Gott vnd in Gottes Gericht sich halten sol. Vnd
doch wenn Gott strafft vnd erschreckt die Gewissen / so faren dieselbige zu / so
diese Lehre vom Glauben vnd Christo nicht wissen / suchen Werck / vnd wöllen mit
eigen Wercken Gottes zorn versönen / vnd ewig Leben erlangen / Diese lauffen in
Klöster / die andern fallen auff Meß halten / vnd wird ein Werck vber das ander
erticht / Gottes zorn zuuersönen / Das ist eitel Blindheit / vnd verachtung
Christi / Vnd fallen die Hertzen für vnd für in grösser Vngedult gegen Gott /
biß sie zu letzt gantz verzweiffeln.
Diese Irrthüm straffen wir laut deß Euangelij / vnd richten dagegen auff die
Lehre vom Glauben / Daß das Gewissen sich getrost darauff verlassen sol / daß
wir Vergebung der Sünde / ohn vnser verdienst / vmb Christus willen / haben /
vnd daß es ein schmach Christi sey / so wir eigene Werck suchen / dadurch
zuuerdienen / daß vns Gott gnedig sey. Vnd dieweil dieser Artickel betrifft die
Ehre Christi / vnd solchen hohen trost der Gewissen / so ist noth / daß diese
Lehre ernstlich in der Christenheit getrieben werde.
Hierauß ist auch zumercken / Wo Glauben sey / vnd was wir Glauben heissen. Denn
wo nicht schrecken ist für Gottes zorn / sondern lust an Sündlichem Wandel / da
ist nicht Glauben / denn Glauben sol trösten / vnd lebendig machen die
erschrockene Hertzen. Darumb auch Esaias spricht / Gott wölle seine Wohnung
haben in erschrocknen Hertzen. Darumb ist leicht zu antworten / wenn etliche
sprechen / So der Glaube gerecht mache / sey nicht noth gute Wercke zuthun.
Dagegen lehren wir / daß die jenigen / so lust an jhren Sünden haben / vnd
fortfaren in Sündlichem Wandel / nicht Glauben haben. Denn wo nicht schrecken
ist für Gottes zorn / da ist nicht Glaube.
|| [152]
So ist das Argument leicht auffzulösen / daß man spricht / Die Teuffel gleuben
auch / sind dennoch nicht gerecht. Antwort. Gleuben heist hie nicht die
Historien allein wissen / Sondern es heist den Artickel gleuben / Vergebung der
Sünde. Diesen Artickel gleuben die Teuffel / vnd Gottlosen nicht. Also heist hie
gleuben / in schrecken des Gewissens / sich getrost verlassen auff Gottes zusage
/ Daß Er vmb Christus willen / gnedig seyn wölle. Vnd das gleuben sol also
verstanden werden / Nicht die Historien allein wissen / sondern Gottes
Verheissung ergreiffen / lehret S. Paulus klar / Roman. 4. da er spricht /
Darumb werde man gerecht / durch Glauben / daß die Verheissung nicht vntüchtig
werde. Darumb wil er / daß man durch Glauben / die Verheissung Gottes ergreiffen
müsse. So schreibet auch Augustinus, Daß man Glauben
also verstehen sol wie wir dauon reden.
Das man Gute Werck sol vnd müsse thun / vnd wie man sie könne thun / Vnd wie
sie Gott gefellig seyn.
SOlcher Glaube / so er das erschrocken Hertz tröstet / empfehet den Heiligen
Geist / der fehet an in den jenigen / so Gottes Kinder worden sind / zu wircken
/ wie Paulus spricht / Roma. 8. Diß sind Kinder Gottes / welche der Geist Gottes
leitet. So wircket nu der heilige Geist / Erkentniß der Sünde / vnd Glauben /
daß wir die hohe vnd grosse Barmhertzigkeit in Christo zugesagt / für vnd für
klerer erkennen / vnd stercker gleuben / vnd ewigen Trost vnd Leben daraus
schöpffen. Darnach wircket der heilige Geist auch andere Tugend / Nemlich / die
Gott geboten hat / in den Zehen Geboten / Gott fürchten / lieben / dancken /
anruffen / ehren / den Nehesten lieben / gedültig / keusch seyn / die Obrigkeit
/ als Gottes Ordnung / erkennen vnd ehren / etc. Denn wir lehren / daß wir
Gottes Gebot / welche vns auffgelegt sind / sollen vnd müssen thun.
|| [ID00330]
Dazu lehren wir / Wie man sie könne thun / auch wie sie Gott gefallen / Denn ob
schon die Menschen durch eigene Natürliche Kreffte / eusserliche ehrliche Werck
/ zum theil zu thun vermögen / So kan doch das Hertz Gott nicht lieben / es
gleube denn zuuor / GOtt wölle gnedig seyn. Dazu die Menschen ausser Christo /
vnd ohn Glauben vnd heiligen Geist / sind in des Teuffels Gewalt / der treibet
sie auch zu mancherley öffentlichen Sünden. Darumb lehren wir zuuor vom Glauben
/ dadurch der heilige Geist geben wird / Vnd daß Christus vns hilfft / vnd
wieder den Teuffel behütet. Wenn also das Hertz weis / daß vns Gott gnedig wil
seyn / vnd vns erhören / vmb Christus willen / so kan es Gott lieben vnd
anruffen. Vnd dieweil es weis / daß vns Christus stercken vnd helffen wil / so
wart es hülff / verzaget nicht im leiden / vnd strebet wieder den Teuffel.
Darumb spricht Christus / Ohn mich könnet jhr nichts thun. Derhalben wer nicht
recht vom Glauben lehret / kan auch nicht nützlich von Wercken lehren / Denn ohn
die hülff Christi kan man doch Gottes Gebot nicht halten / wie klar zu sehen an
den Philosophis, die sich auffs höhest geflissen recht
zu leben / vnd sind dennoch in grosse Laster gefallen. Denn Menschliche
Vernunfft vnd Krafft ohn Christo / ist dem Teuffel viel zu schwach / der sie zu
sündigen treibet.
Weiter geschicht auch vnterricht / Wie gute Wercke Gott gefellig sind / Nemlich /
nicht darumb / Daß wir Gottes Gesetz gnug thun / Denn ohn der einige Christus /
sonst hat kein Mensch Gottes Gesetz gnug gethan / Sondern die Werck gefallen
derhalben / daß Gott die Person angenommen hat / vnd schetzet sie gerecht vmb
Christus willen / vmb des willen vergibt Er vns vnser Gebrechen / die noch da
bleiben in Heiligen. Darumb sol man nicht vertrawen / daß wir nach der
Wiedergeburt gerecht sind von wegen vnser Reinigkeit / oder derhalben / daß wir
das Gesetz erfüllen / Sondern man sol denn auch den Mitler Christum fürstellen /
vnd halten / daß vns vmb Christus willen Gott gnedig sey / vnd daß vnsere Wercke
Barmhertzigkeit dürffen / vnd nicht so wirdig sind / daß sie Gott als
Gerechtigkeit annehmen sol / vnd dafür ewigs Leben schüldig sey / sondern / daß
sie Gott derhalben gefallen / dieweil er der Person gnedig ist / vmb Christus
willen. Daß er aber der Person gnedig sey / das fasset ein jeder allein durch
Glauben. Also gefallen Gott die gute Werck allein in den Gleubigen / wie Paulus
lehret: Was nicht aus Glauben geschicht / ist Sünd / das ist / Wo das Hertz in
zweiffel stehet / Ob Gott vns gnedig sey / ob er vns erhöre / vnd gehet dahin in
Zorn gegen Gott / vnd thut Werck / wie köstlich die scheinen / so sind es doch
Sünde / denn das Hertz ist vnrein / darumb können die
|| [153]
guten Werck Gott ohn Glauben nicht gefallen / Sondern das Hertz muß vor mit Gott
zu frieden seyn / vnd schliessen / daß sich Gott vnser annehme / vns gnedig sey
/ vns gerecht schetze / nicht von wegen vnsers Verdiensts / Sondern vmb Christus
willen aus Barmhertzigkeit. Das ist rechte Christliche Lehre von guten
Wercken.
Der Ein vnd Zwantzigste.
VOm Heiligen dienst wird von den vnsern also gelehrt / Daß man der Heiligen
gedencken sol / auff daß wir vnsern Glauben stercken / so wir sehen / wie jhnen
Gnad wiederfahren / auch wie jnen durch Glauben geholffen ist / Dazu / daß man
Exempel nehme von jhren guten Wercken / ein jeder nach seinem Beruff / gleich
wie Key. Maj. seliglich vnd Göttlich dem Exempel Dauids folgen mag / Kriege
wieder den Türcken zu führen / denn beyde sind in Königlichem Ampt / welchs
Schutz vnd Schirm jhrer Vnterthanen foddert. Durch Schrifft aber mag man nicht
beweisen / daß man die Heiligen anruffen / oder hülff bey jhnen suchen sol. Denn
es ist allein ein einiger Versöhner vnd Mitler gesetzt zwischen GOtt vnd
Menschen / JEsus Christus / 1. Timoth. 2. Welcher ist der einige Heyland / der
einige Oberste Priester / Gnadenstuel / vnd Fürsprecher für Gott / Roman. 8. Vnd
der hat allein zugesagt / Daß vnser Gebet von seinet wegen sol erhört werden.
Das ist auch der höchste Gottesdienst / nach der Schrifft / daß man denselbigen
Jesum Christ / in allen Nöthen vnd Anligen / von Hertzen suchevnd anruffe / 1.
Johan. 2. So jemand sündiget / haben wir einen Fürsprecher bey Gott / der
Gerecht ist / JESVM.
Diß ist fast die Summa der Lehre / welche in vnsern Kirchen zu rechtem
Christlichen Vnterricht vnd Trost der Gewissen / auch zu Besserung der Gleubigen
gepredigt vnd gelehret ist / wie wir denn vnser eigen Seele vnd Gewissen ja
nicht gern wolten für GOtt mit Mißbrauch Göttlichs Nahmens oder Worts / in die
höheste gröste Fahr setzen / oder auff vnser Kinder vnd Nachkommen ein ander
Lehre / Denn so dem reinen Göttlichen Wort / vnd Christlicher Warheit gemeß /
fellen oder erben. So den̅ dieselbigen in heiliger Schrifft klar
gegründet / vnd dazu auch gemeiner Christlicher / ja auch Römischer Kirchen / so
viel aus der Väter Schrifft zu mercken / nicht zu wieder noch entgegen ist / so
achten wir auch / vnser Wiedersacher können in obangezeigten Artickeln / nicht
vneinig mit vns seyn. Derhalben handeln die jenigen gantz vnfreundlich /
geschwind / vnd wider alle Christliche Einigkeit / vnd Liebe / so die vnsern
derhalben / als
|| [ID00332]
Ketzer / abzusondern / zu verwerffen / vnd zu
meiden / jhnen selbst ohn einen bestendigen Grund Göttlicher Gebot oder Schrifft
/ fürnehmen / Den̅ so an den Heuptartickeln / kein befindlicher
Vngrund oder mangel / vnd diß vnser Bekentniß Göttlich vnd Christlich ist /
solten sich billich die Bischoffe / wenn schon bey vns der Tradition halb ein
mangel were / gelinder erzeigen / wiewol wir verhoffen bestendigen Grund vnd
vrsach darzu thun / Warumb bey vns etliche Tradition vnd Mißbreuch geendert
sind.
So nun von den Artickeln des Glaubens / in vnsern Kirchen nicht gelehret wird /
zuwieder der heiligen Schrifft / oder gemeiner Christlichen Kirchen / Sondern
allein etliche Mißbreuche geendert sind / welche zum theil mit gewalt auff
gericht / foddert vnser Notturfft dieselbigen zu erzehlen / vnd vrsach
anzuzeigen / Warumb hierinne enderung geduldet ist / damit Key. Maj. erkennen
möge / daß nicht hierinne Vnchristlich oder freuelich gehandelt / Sondern daß
wir durch Gottes Gebot / welchs billich höher zu achten / denn alle Gewonheit /
gedrungen seyn / solche Enderung zu gestatten.
|| [154]
Von beyder Gestalt des Sacraments.
DEn Leien wird bey vns beyde Gestalt des Sacraments gereicht / aus dieser vrsach
/ Denn Christus hat das heilige Sacrament also zu gebrauchen eingesetzt vnd
geordnet / Matth. 26. Trincket alle daraus / Da spricht Christus mit klaren
Worten von dem Kelch / daß sie alle daraus trincken sollen. Vnd damit niemand
diese Wort anfechten vnd glossiren könne / als gehöre es den Priestern allein zu
/ So zeiget Paulus 1. Corinth. 11. an / Daß die gantze Versamlung der Corinther
Kirchen / beyde Gestalt gebrauchet hat / vnd dieser Brauch ist lange zeit in der
Kirchen blieben / wie man durch die Historien / vnd der Väter Schrifften
beweisen kan. Cyprianus gedenckt an viel örten / Daß den
Leien der Kelch die zeit gereicht sey. So spricht S.
Hieronymus, Daß die Priester / so das Sacrament reichen / dem Volck das
Blut Christi außtheilen. So gebeut Gelasius der Bapst
selbs / Daß man das Sacrament nicht theilen sol / Distinct.
2. de Consec. c. Comperimus. Mann findet auch nindert keinen Canon /
der da gebiete / Allein eine Gestalt zu nehmen. Es kan auch niemand wissen /
Wenn / oder durch welche diese Gewonheit / eine Gestalt zu nehmen eingeführt
ist. Nun ist öffentlich / daß solche Gewonheit / wieder die Einsetzung Christi /
auch wieder die alten Canones eingeführt / vnrecht ist.
Derhalben hat sich nicht gebürt / der jenigen Gewissen / so das heilige
Sacrament / nach Christus Einsetzung zu gebrauchen begehrt haben / zu beschweren
/ vnd zwingen wieder vnsers HERRN Christi Ordnung zu handeln. Vnd dieweil die
theilung des Sacraments der Einsetzung Christi zu entgegen ist / wird auch bey
vns die gewönliche Procession mit dem Sacrament vnterlassen.
|| [ID00334]
Vom Ehestand der Priester.
ES ist bey jederman / hohes vnd nieders Standes / ein großmechtig Klag in der
Welt gewesen / von grosser Vnzucht / vnd wildem wesen vnd Leben der Priester /
so nicht vermochten Keuscheit zu halten / Vnd war auch je mit solchen grewlichen
Lastern / auffs höhest kommen. So viel heßlichs gros Ergernis / Ehebruch / vnd
ander Vnzucht zu vermeiden / haben sich etliche Priester bey vns in Ehelichen
Stand geben / dieselben zeigen diese vrsachen / daß sie dahin gedrungen vnd
bewegt sind / aus hoher Noth jhrer Gewissen. Nach dem die Schrifft klar meldet /
Der Eheliche Stand sey von Gott dem HERRN eingesetzt / Vnzucht zu vermeiden /
Wie Paulus sagt / 1. Corinth. 7. Vnzucht zu vermeiden / habe ein jeglicher sein
eigen Eheweib. Item / Es ist besser Ehelich werden / denn brennen. Vnd nach dem
Christus sagt / Matth. 19. Sie fassen nicht alle das Wort / Da zeiget Christus
an (welcher wol gewust hat / was am Menschen sey) daß wenig Leut die Gabe keusch
zu leben haben. Denn Gott hat den Menschen / Menlin vnd Frewlin geschaffen /
Genes. 1. Ob es nu in Menschlicher macht oder vermögen sey / ohn sonder Gabe
Gottes / durch eigen fürnehmen oder gelübde / Gottes der hohen Majestet
Geschöpffe besser zu machen oder zu endern / hat die Erfahrung allzu klar geben.
Denn was guts / was erbar züchtiges Leben / was Christlichs / ehrlichs oder
redlichs Wandels / an vielen daraus erfolget / wie grewlich schrecklich Vnruhe
vnd Quaal jhrer Gewissen / viel an jhrem letzten Ende derhalb gehabt / ist am
Tag / vnd jhr viel haben es selb bekennet. So denn Gottes Wort vnd Gebot durch
kein Menschlich Gelübd oder Gesetz mag geendert werden / haben aus dieser vnd
andern Vrsachen / vnd gründen / die Priester vnd andere Geistliche Eheweiber
genommen.
So ist es auch aus den Historien / vnd der Väter Schrifften zu beweisen / daß in
der Christlichen Kirchen vor alters der Gebrauch gewest / daß die Priester vnd
Diacon Eheweiber gehabt. Darumb sagt S. Paulus / 1. Timoth. 3. Es sol ein
Bischoff vnstrefflich seyn /
|| [155]
eines Weibes Man. Es
sind auch in Teudsche Land erst vor 400. Jaren die Priester zum Gelübd der
Keuscheit vom Ehestande / mit gewalt abgedrungen / welche sich dagegen semptlich
/ auch so gantz ernstlich / vn̅ hart gesetzt haben / daß ein
Ertzbischoff zu Meintz / welcher das Bäpstliche newe Edict derhalb verkündiget /
gar nahe in einer Empörung der gantzen Priesterschafft in einem gedrenge wer
vmbbracht. Vnd dasselbige Verbot ist bald im anfang so geschwind vnd
vnschicklich fürgenommen / Daß der Bapst die zeit nicht allein die künfftige Ehe
/ den Priestern verboten / sondern auch der jenigen Ehe / so schon in dem
Ehestand lang gewesen / zurissen / welchs doch nicht allein wieder alle
Göttliche / Natürliche vnd Weltliche Recht / Sondern auch den Canonibus, so die Bäpste selbs gemachet / vnd den berümsten Concilijs gantz entgegen vnd zu wieder ist.
Auch ist bey viel hohen Gottfürchtigen / verstendigen Leuten / dergleichen rede
vnd bedencken offt gehört / daß solcher gedrungener Celibat / vnd beraubung des
Ehestands / welchen Gott selbs eingesetzet / vnd frey gelassen / nie kein gutes
/ sondern viel grosser Laster / vnd viel arges eingeführet habe. Es hat auch
einer von Bäpsten Pius der 2. selbst / wie sein
Historien anzeigt / diese wort offt geredt / vnd von sich schreiben lassen: Es
möge wol etliche vrsach haben / warumb den Geistlichen die Ehe verboten sey / Es
habe aber viel höher / grösser vnd wichtiger vrsachen / warumb man jhnen die Ehe
sol wieder frey lassen. Vngezweiffelt / es hat Bapst Pius, als ein verstendiger weiser man / diß wort aus grossem bedencken
geredt.
Derhalben wöllen wir vns in Vnterthenigkeit zu Key. Maj. vertrösten / daß jhr
Maj. als ein Christlicher Hochlöblicher Keyser / gnediglichen behertzigen werde
/ Daß jetzund in letzten zeiten / von welchen die Schrifft meldet / die Welt
jm̅er erger / vnd die Menschen gebrechlicher vnd schwecher
werden. Derhalben wol hochnötig / nützlich vnd Christlich ist / diese fleissige
einsehung zuthun / Damit / Wo der Ehestand verboten / nicht erger vnd
schendlicher Vnzucht vnd laster in Teutschen Landen möchten einreissen. Denn es
wird ja diese sachen niemands weißlicher oder besser endern / oder machen können
/ denn Gott selbs / welcher den Ehestand / Menschlicher gebrechligkeit zu
helffen / vnd vnzucht zu weren eingesetzt hat. Es sagen die alten Canones auch / man müsse zu zeiten die scherffe vnd rigorem lindern vnd nachlassen / vmb Menschlicher
schwacheit willen / vnd ergers zuuerhüten / vnd zu meydem. Nun wehre das in
diesem Fall auch wol Christlich / vnd gantz hoch von nöten. Was kan auch der
Priester vnd Geistlichen Ehestand / gemeiner Christlichen Kirchen
|| [ID]
nachteilig seyn / sonderlich der Pfarherr vnd anderer / die
der Kirchen dienen sollen? Es wird wol künfftig an Priestern vnd Pfarherrn
mangeln / so diß hart Verbot des Ehestandes / lenger weren solt.
So nu dieses / Nemlich / Daß die Priester vnd Geistlichen mögen Ehelich werden /
gegründet ist auff das Göttliche Wort vnd Gebot / dazu die Historien beweisen /
daß die Priester Ehelich gewesen / so auch das Gelübd der Keuscheit / so viel
heßliche Vnchristliche Ergerniß / so viel Ehebruch / schrecklich vngehörte
Vnzucht / vnd grewlich Laster hat angericht / Daß auch etliche vnter Thumbherrn
/ auch etliche Curtisan zu Rom / solchs offt selbst bekent / vnd kleglichen
angezogen / wie solch Laster in Clero zu grewlich vnd
vbermacht / Gottes Zorn würde erregt werden. So ist es ja erbermlich / daß man
den Christlichen Ehestand / nicht allein verboten / Sondern an etlichen örten
auffs geschwindest / wie vmb groß Vbelthat / zu straffen vnterstanden hat / so
doch Gott in der heiligen Schrifft den Ehestand in allen Ehren zu haben geboten
hat / So ist auch der Ehestand in Keyserlichen Rechten / vnd in allen Monarchien
/ wo je Gesetz vnd Recht gewesen / hoch gelobet / Allein dieser Zeit beginnet
man die Leut vnschüldig / allein vmb der Ehe willen / zu martern / vnd dazu
Priester / der man für andern schonen solt. Vnd geschicht nicht allein wieder
Göttliche Recht / Sondern auch wieder die Canones.
Paulus der Apostel / 1. Tim. 4. nennet die Lehre / so die Ehe verbieten /
Teuffels Lehre. So sagt Christus selbst / Joh. 8. Der Teuffel sey ein Mörder von
Anbegin / welches denn wol zusamen stimmet / daß es freylich Teuffels Lehre seyn
müssen / die Ehe verbieten / vnd sich vnterstehen / solche Lehre mit Blut
vergiessen zu erhalten.
Wie aber kein Menschlich Gesetz Gottes Gebot kan weg thun / oder endern / also
kan auch kein Gelübde Gottes Gebot endern. Darumb gibt auch S. Cyprianus den Raht / Daß die Weiber / so die gelobte Keuscheit
nicht halten / sollen Ehelich werden / vnd saget Epist.
11. also: So sie aber Keuscheit nicht halten wöllen / oder nicht vermögen / so
ists besser / daß sie Ehelich werden / denn daß sie durch jhre Lust ins Fewr
fallen / vnd sollen sich wol fürsehen / daß sie den Brüdern vnd Schwestern kein
Ergerniß anrichten.
Zu dem / so brauchen auch alle Canones grösser
Gelindigkeit vnd aequitet / gegen den jenigen / so in der Jugend Gelübd gethan /
wie denn Priester vnd Mönche des mehrertheils in der Jugend in solchen Stand aus
Vnwissenheit kommen sind.
|| [156]
Von der Mess.
MAn leget den vnsern mit vnrecht auff / Daß sie die Meß sollen abgethan haben.
Denn das ist öffentlich / daß die Meß / ohn rhum zu reden / bey vns mit grösser
andacht vnd ernst gehalten wird / denn bey den Wiedersachern. So werden auch die
Leute mit höchsten fleiß zum offtermal vnterrichtet / vom heiligen Sacrament /
wozu es eingesetzt / vnd wie es zu gebrauchen sey / Als nemlich / Die
erschrocken Gewissen damit zu trösten / dadurch das Volck zur Communion vnd
Messe gezogen wird. So ist auch in den öffentlichen Ceremonien der Messe / kein
merckliche enderung geschehen / denn daß an etlichen örten / Teudsch Gesenge /
das Volck damit zu lehren / vnd zu vben neben Lateinischem Gesang / gesungen
wird / Sintemal alle Ceremonien fürnemlich dazu dienen sollen / daß das Volck
daran lerne / was jhm zu wissen von Christo noth ist.
Nach dem aber die Messe / auff mancherley weise / für dieser zeit mißbraucht /
wie am Tag ist / daß ein Jahrmarckt daraus gemacht / daß man sie kaufft vnd
verkaufft hat / vnd das mehrer theil in allen Kirchen vmb Geldes willen gehalten
ist / Solcher Mißbrauch ist zu mehrmaln / auch für dieser zeit / von Gelehrten
vnd frommen Leuten gestrafft worden. Als nun die Prediger bey vns dauon
geprediget / vnd die Priester erinnert sind der schrecklichen Bedrawung / so
denn billich einen jeden Christen bewegen sol / Daß / wer das Sacrament
vnwirdiglich braucht / der sey schüldig am Leibe vnd Blut Christi / Darauff sind
solche Kauffmesse vnd Winckelmesse / welche bis anher aus Zwang / vmb Geldes vnd
der Prebenden willen gehalten worden / in vnsern Kirchen gefallen.
Dabey ist auch der grewliche Irrthumb gestrafft / daß man gelehret hat / Vnser
HErr Christus habe durch seinen Tod allein für die Erbsünde gnug gethan / vnd
die Messe eingesetzt zu einem Opffer für die andern Sünd / Vnd also die Messe zu
einem Opffer gemacht für die Lebendigen vnd Todten / damit GOTT zu versönen /
vnd andern verdienen Vergebung der Sünde / durch dieses Werck / ob es schon
geschicht von Gottlosen / Daraus ist weiter gefolget / daß
|| [ID00338]
man disputirt hat / Ob eine Meß für viel gehalten / als viel verdiene / als so
man für ein jeglichen eine sonderliche hielte. Daher ist die grosse vnzeliche
menge der Messe komen / daß man mit diesem Werck hat wöllen bey Gott alles
erlangen / das man bedurfft hat / vnd ist daneben deß Glaubens an Christum / vnd
rechten Gottesdienst vergessen worden.
Darumb ist dauon vnterricht geschehen / wie ohn zweiffel die noth gefoddert / daß
man wüst / wie das Sacrament recht zugebrauchen were. Vnd erstlich / daß kein
Opffer für Erbsünd vnd andere Sünde sey / denn der einige Tod Christi / zeiget
die Schrifft an viel örten an / Denn also stehet geschrieben zun Ebreern am 9.
Daß sich Christus einmal geopffert hat / vnd dadurch für alle Sünde gnug gethan.
Zum andern so lehret S. Paulus / daß wir für Gott gerecht geschetzt werden /
durch Glauben / vnd nicht durch werck. Dawider ist öffentlich dieser mißbrauch
der Messe / so man vermeint / durch dieses Werck gerecht zuwerden / wie man denn
weis / daß man die Meß dazu gebraucht / dadurch vergebung der Sünden / vnd alle
Güter bey Gott zu erlangen / nicht allein der Priester für sich / sondern auch
für die gantze Welt / vnd für andere Lebendige vnd Todte / vnd solchs durchs
Werck / ex opere operato, ohn Glauben.
Zum dritten / So ist das heilige Sacrament eingesetzt / nicht damit für die Sünde
ein Opffer anzurichten / (denn das Opffer ist zuuor geschehen) Sondern daß vnser
Glaube dadurch erweckt / vnd die Gewissen getröstet werden / welche durchs
Sacrament vernehmen / daß jhnen Gnad vnd Vergebung der Sünden von Christo
zugesaget ist. Derhalben foddert diß Sacrament Glauben / vnd wird ohn Glauben
vergeblich gebraucht.
Dieweil nu die Meß nicht ein Opffer ist / für andere Lebendige oder Todte / jhre
Sünde wegzunehmen / Sondern sol eine Communio seyn / da
der Priester vnd andere das Sacrament empfahen für sich / so wird diese weise
bey vns gehalten / daß man an Feyertagen / auch sonst / so Communicanten da sind
/ Meß helt / vnd etliche / so das begehren / communiciert. Also bleibet bey vns
die Meß in jhrem rechten Brauch / wie vor zeiten in der Kirchen gehalten / wie
man beweisen mag aus Sanct Paulo / 1. Corinth. 11. Dazu aus vieler Väter
Schrifften. Denn Chrysostomus spricht: Wie der Priester
täglich stehe / vnd foddere etliche zur Communion / etlichen verbiete er hinzu
zu treten. Auch zeigen die alten Canones an / daß einer
das Ampt gehalten hat / vnd die andern Priester vnd Diacon communicieret.
|| [157]
Denn also lauten die Wort in
Canone Niceno: Die Diacon sollen nach den Priestern ördentlich das
Sacrament empfahen / vom Bischoff oder Priester.
So man nu kein Newigkeit hierinn / die in der Kirchen für alters nicht gewesen /
fürgenommen hat / vnd in den öffentlichen Ceremonien der Messen / keine
merckliche Enderung geschehen ist / allein / daß die andern vnnötige Meß / etwa
durch einen Mißbrauch gehalten / neben der Pfarmesse gefallen sind / sol billich
diese weise / Meß zu halten / nicht für Ketzerisch vnd Vnchristlich verdammet
werden. Denn man hat vor zeiten auch in den grossen Kirchen / da viel Volcks
gewesen / auch auff die Tag / so das Volck zusammen kam / nicht täglich Meß
gehalten / wie Tripartita Historia lib. 9. anzeigt / Daß
man zu Alexandria, an Mitwoch vnd Freytag die Schrifft
gelesen / vnd außgelegt habe / vnd sonst alle Gottesdienst gehalten / ohn die
Messe.
Von der Beicht.
DIe Beicht ist durch die Prediger diß theils nicht abgethan. Denn diese Gewonheit
wird bey vns gehalten / das Sacrament nicht zu reichen denen / so nicht zuuor
verhört / vnd absoluiert sind. Dabey wird das Volck fleissig vnterricht / wie
tröstlich das Wort der Absolution sey / wie hoch die Absolution zu achten /
Den̅ es sey nicht des gegenwertigen Menschen Stimme / oder
Wort / Sondern Gottes Wort / der die Sünde vergibt. Denn sie wird an Gottes stat
/ vnd aus Gottes Befehl gesprochen. Von diesem Befehl vnd Gewalt der Schlüssel /
wie tröstlich / wie nöthig sie sey / den erschrocken Gewissen / wird mit grossem
fleis gelehret / Dazu / wie Gott foddere / dieser Absolution zu gleuben / nicht
weniger / denn so man Gottes Stimme vom Himmel höret / vnd vns der Absolution
gewißlich trösten / vnd wissen / daß wir durch Glauben Vergebung der Sünd
erlangen. Von diesen nötigen Stücken haben vor zeiten die Prediger / so von der
Beicht viel lehreten / nicht ein wörtlin gerü
|| [ID00340]
ret /
Sondern allein die Gewissen mit langer erzelung der Sünden / mit gnugthun / mit
Ablas / mit Wallfarten / vnd dergleichen gemartert. Vnd viel vnser Wiedersacher
bekennen selbst / daß dieses theils von rechter Christlicher Buß / schicklicher
denn zuuor / in langer zeit geschrieben vnd gehandelt sey.
Vnd wird von der Beicht also gelehret / Daß man niemand dringen sol / die Sünde
namhafftig zuerzehlen / denn solchs ist vnmüglich / wie der 18. Psalm spricht /
Wer kennet die missethat? Vnd Jeremias 17. sagt / Deß Menschen Hertz ist so arg
/ daß man es nicht außlernen kan / Die elende Menschliche Natur steckt also
tieff in Sünden / daß sie dieselbigen nicht alle sehen / oder kennen kan / vnd
solten wir allein von denen absoluiret werden / die wir zehlen können / wer vns
wenig geholffen / Derhalben ist nicht noth die Leute zudringen / die Sünde
namhafftig zuerzehlen. Also haben auch die Väter gehalten / wie man findet / Distinct. 1. de Poenitentia, Daß die Wort Chrysostomi angezogen werden: Ich sage nicht / daß du
dich selbst solt öffentlich dargeben / noch bey einem andern dich selbs
verklagen / oder schüldig geben / sondern folge dem Propheten / welcher spricht
/ Psalm. 36. Offenbare dem HERRN deine Wege / derhalben beichte Gott dem HERRN
dem warhafftigen Richter / neben deinem Gebet / Nicht sage deine Sünde mit der
Zungen / sondern in deinem Gewissen. Hie sihet man klar / daß Chrysostomus nicht zwinget die Sünde namhafftig zuerzehlen / So lehret
auch die Glosa in Decretis de Poenitentia, Distinct. 5.
Daß die Beicht nicht durch die Schrifft geboten / Sondern durch die Kirchen
eingesetzt sey. Doch wird durch die Prediger dieses theils fleissig gelehret /
Daß / ob schon die erzehlung der Sünden nicht noth ist / dennoch Priuata Absolutio zu trost den erschrockenen Gewissen
sol erhalten werden / So ist auch solche Beicht dazu nützlich / daß man die
Leute höret / wie sie vnterrichtet sind im Glauben / vnd wo es noth ist / daß
man sie besser vnterrichte.
|| [158]
Von Vnterscheid der Speise.
VOr zeiten hat man also gelehret / geprediget / vnd geschrieben / daß vnterscheid
der Speise / vnd dergleichen Tradition von Menschen eingesetzt / dazu dienen /
daß man dadurch Vergebung der Sünden verdiene / vnd für die Sünde gnug thue /
vnd daß es Gottesdienst sind / darumb vns Gott gerecht schetze. Aus diesem Grund
hat man täglich newe Fasten / newe Ceremonien / newe Orden / vnd dergleichen
fürgenommen / vnd auff solches hefftig vnd hart getrieben / als sind solche ding
nöthige Gottesdienst / vnd geschehe grosse Sünde / so mans nicht halte / Daraus
sind viel schedlicher Irrthüm in der Kirchen gefolget.
Erstlich ist dadurch die Verheissung Christi / vnd die Lehre vom Glauben
vertunckelt / welche vns das Euangelium mit grossem ernst fürhelt / vnd treibet
hart darauff / daß man den Verdienst Christi hoch vnd thewr achte / vnd wisse /
daß gleuben an Christum hoch vnd weit vber alle Werck zu setzen sey / Derhalben
hat S. Paulus hefftig wieder das Gesetz Mosi / vnd Menschliche traditiones gefochten / daß wir lernen sollen / daß wir
für Gott nicht from werden / aus vnsern Wercken / sondern Allein durch den
Glauben an Christum / daß vns Gott vmb Christus willen / ohn vnser Verdienst /
Sünde vergebe / vnd gerecht schetze. Solche Lehre ist schier gantz verloschen /
dadurch / daß man hat gelehrt / mit Gesetzen / Fasten vnd dergleichen /
Vergebung der Sünden zu verdienen.
Zum Andern / haben auch solche traditiones Gottes Gebot
vertunckelt / Denn man setzt diese traditiones weit vber
Gottes Gebot. Diß hielt man allein für Christlich leben / Wer die Feyer also
hielt / also betet / also fastet / also gekleidet war / das nennet man Geistlich
Christlich leben. Daneben hielt man andere nötige gute Werck / für ein Weltlich
Vngeistlich wesen / Nemlich diese / So jeder nach seinem Beruff zu thun schüldig
ist / als daß der Haußvater arbeitet / Weib vnd Kind zu nehren / vnd zu Gottes
Furcht auffzuziehen / die Haußmutter Kinder gebieret / vnd wartet jhrer / ein
Fürst vnd Obrigkeit Land vnd Leut regiert / etc. Solche Werck von GOTT geboten /
|| [ID00342]
musten ein Weltlich vnd vnuolkommen Wesen seyn / Aber die
Traditiones musten den prechtigen Namen haben / daß
sie allein heilige volkommene Werck hiessen / derhalben war kein maß noch ende
soche traditiones zu machen.
Zum Dritten / solche traditiones sind zu hoher
Beschwerung der Gewissen geraten / denn es ist nicht müglig alle traditiones zu halten / vnd waren doch die Leute in der
meinung / als were solchs ein nötiger Gottesdienst / Vnd schreibet Gerson / daß
viel hiemit in Verzweiffelung gefallen / etliche haben sich auch selbs vmbbracht
/ derhalben / daß sie kein Trost gehört haben / daß wir vmb Christus willen
gerecht sind / Denn man siehet bey den Summisten vnd Theologen / wie die
Gewissen verwirret / welche sich vnterstanden haben / die traditiones zusammen zu ziehen / vnd aequitet gesucht / daß sie den
Gewissen hülffen / haben so viel damit zu thun gehabt / daß dieweil alle
heilsame Christliche Lehre / von nötigen sachen / als vom Glauben / von Trost in
hohen anfechtungen / vnd dergleichen / darnieder gelegen ist. Darüber haben auch
viel frommer gelehrter Leute / vor dieser zeit sehr geklaget / daß solche traditiones, viel Zancks in der Kirchen anrichten / Vnd
daß fromme Leute damit verhindert / zu rechtem Erkentniß Christi nicht kommen
möchten. Gerson vnd etliche mehr haben hefftig darüber geklaget / Ja es hat auch
Augustino mißfallen / daß man die Gewissen mit so
viel traditionibus beschweret / Derhalben er dabey
vnterricht gibt / daß mans nicht für nöthige dinge halten sol.
Darumb haben die vnsern nicht aus Freuel / oder Verachtung Geistlichs Gewalts /
von diesen sachen gelehret / Sondern es hat die hohe Noth gefoddert / vnterricht
zu thun / von obangezeigten Irrthümen / welche aus Mißuerstand der Tradition
gewachsen sind / denn das Euangelium zwinget / daß man die Lehre vom Glauben /
sol vnd müsse in Kirchen treiben / welche doch nicht mag verstanden werden / so
man vermeint durch eigene erwehlte Werck Vergebung der Sünden zu verdienen / vnd
ist dauon also gelehret / Daß man durch haltung gedachter Menschlicher Tradition
/ nicht kan Gott versünen / oder für Sünde genug thun / oder Vergebung der Sünde
verdienen / vnd sol derhalben kein nötiger Gottesdienst daraus gemacht werden /
gleich als möge niemand ohn solche Tradition für Gott gerecht seyn.
Dazu wird Vrsach aus der Schrifft angezogen / Christus Matth. 15. entschüldiget
die Apostel / daß sie die gewönliche traditiones nicht
gehalten haben / vnd spricht dabey: Sie ehren mich ver
|| [159]
geblich mit Menschen Geboten / so er nu diß ein
vergeblichen dienst nennet / mus er nicht nötig seyn / Vnd bald hernach / Was
zum Munde eingehet / verunreiniget den Menschen nicht. Item Paulus spricht Rom.
14. Das Him̅elreich stehet nicht in Speise oder Tranck / Col. 2.
Niemand sol euch richten in Speise / Tranck / Sabbath / etc. Act. 15. spricht
Petrus / Warumb versuchet jhr Gott mit aufflegung deß Jochs auff die Jünger /
welchs weder vnser Väter noch wir haben mögen tragen / sondern wir gleuben /
durch die Gnade vnsers HErrn Jesu Christi selig zu werden / gleicher weise wie
auch sie. Da verbeut Petrus / Das man die Gewissen nicht beschweren sol / mit
mehr eusserlichen Ceremonien / es sey Mosi oder andern / vnd 1. Timoth. 4.
werden solche Traditiones Teuffelslehre genennet / Denn
also lauten S. Pauli wort / Der Geist aber sagt deutlich / Daß in den letzten
zeiten / werden etliche vom Glauben abtretten / vnd anhangen den jrrigen
Geistern / vnd lehren der Teuffel / durch die / so in Gleisnerey lügner sind /
vnd Brandmal in jhren Gewissen haben / Vnd verbieten Ehelich zu werden / vnd zu
meiden die Speise / die Gott geschaffen hat / mit Dancksagung zu nemen den
Gleubigen / vnd denen / die die Warheit erkennet haben / Denn das ist stracks
dem Euangelio entgegen / solche Werck einsetzen oder thun / daß man damit
vergebung der Sünde verdiene / Oder / als möge niemands Christen seyn / ohn
solche Dienste.
Daß man aber den vnsern die schuld gibt / als verbieten sie Casteyung vnd Zucht /
wie Iouinianus, wird sich viel anders aus jhren
Schrifften befinden / Denn sie haben allezeit gelert vom heiligen Creutz / das
Christen zu leiden schüldig sind / vnd dieses ist rechte ernstliche / vnd nicht
ertichte Casteyung. Daneben wird auch gelert / daß ein jeglicher schüldig ist /
sich mit leiblicher vbung / als Fasten / vnd ander arbeit / also zu halten / daß
er nicht vrsach zu Sünden gebe / nicht daß er durch solche Werck vergebung der
Sünd verdiene / oder darumb für Gott werde gerecht geschetzt / vnd diese
leibliche vbung sol nicht allein etliche bestimpte Tage / sondern stetigs
getrieben werden / Dauon redet Christus Luc. 21. Hütet euch / das ewre Hertzen
nicht beschweret werden / mit Fressen vnd Sauffen. Item / Die Teuffel werden
nicht außgeworffen / denn durch Fasten vnd Gebet / vnd Paulus spricht / Er
casteye seinen Leib / vnd bringe jn zum gehorsam / damit er anzeiget / daß
Casteyung dienen sol / nicht damit vergebung der Sünden zuuerdienen / Sondern
den Leib geschickt zu halten / daß er nicht verhindere / was eim jeglichen nach
seinem Beruff zuschaffen befohlen ist / vnd wird also nicht das Fasten
verworffen / Son
|| [ID00344]
dern / daß man ein nöthigen Cultum daraus / auff bestimpte Tag vnd Speis / zu
verwirrung der Gewissen / gemacht hat.
Auch werden dieses theils viel Ceremonien vnd Tradition gehalten / als Ordnung
der Messe vnd Fest / etc. Welche dazu dienen / daß in der Kirchen Ordnung
gehalten werde / Daneben aber wird das Volck vnterrichtet / daß wir vmb Christus
willen durch Glauben gerecht geschetzet werden / nicht von wegen dieser Werck /
vnd daß man sie ohn Beschwerung des Gewissens halten sol / Also / daß / so man
es nachlesst / ohn Ergerniß / nicht daran gesündiget wird. Diese Freyheit in
eusserlichen Ceremonien / haben auch die alten Väter gehalten / Denn in Orient
hat man das Osterfest auff ein ander Zeit / denn zu Rom gehalten. Vnd da etliche
diese Vngleicheit für ein Trennung in der Kirchen halten wolten / sind sie
vermahnet von andern / daß nicht noth in solchen Gewonheiten / gleicheit zu
halten / Vnd spricht Irenaeus also: Vngleicheit in
Fasten trennet nicht die Einigkeit des Glaubens. Wie auch Distinct. 12. von solcher Vngleicheit in Menschlichen Ordnungen
geschrieben / daß sie der Einigkeit der Christenheit nicht zuwieder sey / Vnd
Tripartita Historia lib. 9. zeucht zusammen viel
vngleicher Kirchen Gewonheit / vnd setzt einen nützlichen Christlichen Spruch /
Der Apostel meinung ist nicht gewesen Feyertag einzusetzen / Sondern Glauben vnd
Liebe zu lehren.
Von Kloster Gelübden.
VOn Kloster Gelübden zu reden / ist Noth erstlich zu bedencken / wie es bis anher
damit gehalten / welch Wesen in Klöstern gewesen / vnd daß sehr viel darin
täglich nicht allein wieder Gottes Wort / sondern auch Bäpstlichen Rechten zu
entgegen gehandelt ist / Denn zu S. Augustinus zeiten
sind Klösterstende frey gewesen. Folgend / da die rechte Zucht vnd Lehre zerrütt
/ da hat man Kloster Gelübde erdacht / vnd damit eben / als mit einem erdachten
Gefengniß die Zucht wiederumb auffrichten wollen. Vber das
|| [160]
hat man neben den Kloster Gelübden / viel ander Stück mehr
auffbracht / vnd mit solchen Banden vnd beschwerden hat man jhrer viel / auch
vor gebürenden Jahren beladen. So sind auch viel Personen aus vnwissenheit zu
solchem Klosterleben kommen / welche / wiewol sie sonst nicht zu jung gewesen /
haben sie doch jhr vermögen nicht gnugsam ermessen noch verstanden / dieselben
also verstrickt / sind gedrungen vnd gezwungen worden / im Klosterleben
zubleiben / Wiewol sie die Canones selbs ledig sprechen
/ Vnd diß ist härter gehalten worden mit den Jungfrawen / denn mit den München /
so man doch billich der Jungfrawen / als des schwechern Geschlechts / solt
verschonet haben. Diese härtigkeit hat viel frommen Leuten vor dieser zeit
mißfallen / die gesehen haben / daß man das Junge vnerfarne / vngelehrte Volck
in die Klöster / vmb der narung willen / versteckt hat / Darauß hernach viel
Sünd vnd Ergerniß gefolget / vnd sind die Gewissen in grosse Fahr vnd Strick
gefallen. Da haben viel fromer Leute geklaget vber der Münch Tyranney / die
hierinne nicht allein kein Euangelium / Sondern auch keine Canones haben hören wollen.
Vber diese beschwerung haben sie auch die Gewissen mit vnrechter lehre verfüret /
daß jhr Klosterleben solt Vergebung der Sünden verdienen / solt der Tauff gleich
seyn / solt Christliche volkomenheit seyn / nicht allein Gottes Gebot erfüllen /
Sondern auch darüber die Raht im Euangelio halten / also rhümen sie das
Klosterleben / vnd setzens viel höher denn die Tauffe / vnd sonst eusserliche
Göttliche Stende / als vber Obrigkeit / Predigampt / Ehestand.
Vor zeiten sind die Klöster Schulen gewesen / darinn man junge Leute in
Christlicher Lehre / vnd andern nützlichen Künsten auffgezogen hat / Daß sie
hernach zu regierung der Kirchen / vnd zu predigen gebraucht worden / Aber
jtzund machen sie viel ein ander wesen / auß dem Klosterleben / daß es
Gottesdienst / Cultus vnd Opffer seyn für die Sünde /
daß es Christliche Heiligkeit vnd Volkomenheit sey / Wie aber die Münch diß jhr
heilig leben / da sie von rhümen / halten / wöllen wir hie vmb glimpffs willen
fallen lassen.
Erstlich aber von den jenigen / so sich auß dem Klosterleben in Ehestand begeben
haben / wird bey vns also gelehret / daß der Ehestand allen frey sol gelassen
werden / welche zu ewiger Keuscheit nicht geschickt sind / Denn kein Gelübde kan
Gottes ordnung vnd Gebot auffheben. Nu ist dieses ein klar Gebot / Vnzucht
zuuermeiden / sol ein jeder sein Eheweib haben / vnd nicht allein durchs Gebot /
Sondern auch durch die Natur vnd Gottes Werck werden solche
|| [ID00346]
zum Ehestand getrieben / welchen GOtt nicht sonderliche Gabe zu ewiger Keuscheit
geben hat / Derhalben die jenigen / die sich in Ehestand begeben / dieweil sie
Gottes Gebot vnd Ordnung folgen / thun sie nicht vnrecht.
Was kan man doch dagegen auffbringen / das Gelübde binde wie es wölle / So kan es
doch Gottes Gebot nicht auffheben / vnd sol nicht wieder Gottes Gebot binden /
Canones lehren selbs / daß in allen Gelübden / autoritas superioris sol außgenommen seyn / daß kein
Gelübde der Obrigkeit jhre Macht wehren sol / Darumb sol in diesen Gelübden auch
autoritas DEI außgezogen seyn / daß sie wieder
Gottes Befehl nicht binden.
Wenn alle Gelübde binden solten / so hetten die Bäpste auch nicht Macht gehabt
die Gelübde zu relaxiren. Nun weis man / daß die Bäpste viel aus den Klöstern
ledig gelassen haben / als ein König von Arragonia vnd
andere / Darumb muß folgen / daß sie selbs bekennen / daß etliche Gelübde
vnbündig / vnd nicht rechte Gelübde sind.
Weiter ist vnbillich / daß man treibt auffs Gelübde / vnd siehet nicht zuuor / ob
dieses Gelübde sind oder nicht. Gelübde sol von rechten vnd müglichen dingen /
vnd freywillig geschehen / Nu stehet ewige Keuscheit nicht in eines jeden Macht
/ So weis man auch / daß junge Leute zum theil / zum Klosterleben gedrungen
werden / zum theil sich / als vnerfarne / aus Vnuerstand darein begeben / die
jhr vermügen nicht gewust / Haben auch nicht verstanden / ob solch Leben
Göttlich sey oder nicht / Was nu aus Zwang oder Vnuerstand geschicht / das heist
nicht freywillig geschehen / Darumb / so solchs nicht Gelübde sind / ist nicht
noth zu disputieren / ob sie binden oder nicht binden / Denn so es nicht Gelübde
sind / so binden sie nicht / Derhalben auch Canones die
Gelübde relaxiren / so geschehen sind / von den / die noch nicht vber Funffzehen
Jahr komen sind / Darumb / daß in dem alter noch niemand sein vermügen weis /
Vnd ein ander ist noch linder / der verbeut Gelübde zu thun vor Achtzehen Jahren
/ durch diese Canones werden viel ledig gesprochen / die
jetzund in Klöstern sind. So schreibet auch Augustinus 27. q.
1. Cap. Nuptiarum, Daß man die Ehe deren / so zuuor Keuscheit gelobt
haben / nicht zerreissen sol / Darumb ob schon jemand das straffen wolte / daß
die Gelübde gebrochen sind / So folget doch daraus nicht / daß man solcher
Personen Ehe zerreissen sol.
Wiewol nu Gottes Gebot / den Ehestand belangend / viel vom Klosterleben ledig
machet / so zeigen doch die vnsern / ander mehr vrsach an / derhalben diese Vota nicht tüchtig noch bündig sind / Denn
|| [161]
aller Gottesdienst von Menschen erticht / vnd
erwehlet / dadurch vergebung der Sünden zu verdienen / vnd daß sie Gott annehmen
sol / als Gerechtigkeit / vnd vns darumb gerecht schetzen / vnd ewig Leben zu
geben schüldig seyn / Solche Werck vnd Stende / solcher meinung gehalten / sind
wieder GOTT / Denn Christus spricht: Sie ehren Mich vergeblich mit Menschen
Gebot / Vnd Paulus streitet das ernstlich an vielen örten / Daß man Vergebung
der Sünde nicht durch vnsere Werck / vnd Gottesdienst von vns erwehlet / erlange
/ Daß auch nieman für Gott gerecht geschetzt werde / von wegen solcher ertichten
Gottesdienst / Sondern daß wir haben Vergebung der Sünde vmb Christus willen /
daß wir auch vmb Christus willen gerecht geschetzt werden / so wir gleuben.
Nu ist am Tage / daß die Mönche gelehret vnd gehalten haben / daß jhr ertichte
Gelübden vnd Gottesdienst verdienen solten / Vergebung der Sünden / daß sie
damit für die Sünde gnugthuen / Daß sie derhalben für Gott gerecht geschetzt
würden / Was ist nu das anders / denn jhre Möncherey an Christus stat setzen /
vnd verleugnen die verheissen Barmhertzigkeit in Christo? Daraus folget / daß
solche Gelübden der meinung geschehen vnd gehalten / wieder Gott / vnd vnbündig
sind / denn wie auch die Rechte sprechen / Gelübde sollen nicht vincula iniquitatis seyn / das ist / Sie sollen nicht
verbinden zu Sünden / Darumb alle Gelübde / so wieder Gottes Befehl vnd Gebot
sind / sollen billich vnbündig gesprochen werden.
Paulus spricht auch also: Wolt jhr gerecht werden durchs Gesetz / so seyd jhr abe
von Christo / vnd habet die Gnad verlohren / das ist / Die jenigen / so mit
eigen Wercken Vergebung der Sünden zu verdienen fürhaben / vnd vermeinen Gott zu
gefallen vmb jrer Werck willen / vnd erfüllung des Gesetzes / vnd nicht darauff
fest stehen / daß sie Vergebung der Sünden vmb Christus willen / ALLEIN aus
Barmhertzigkeit / durch Glauben empfahen / Daß sie auch vmb Christus willen GOTT
gefallen / nicht von wegen eigener Werck / die verlieren Christum / ja sie
verstossen jhn / Denn sie setzen jhr Vertrawen / das Christo allein gehört /
auff jhre eigene Wercke. Item / Sie halten jhre eigene Werck gegen Gottes Zorn
vnd Gericht / nicht den Mitler vnd Versöner Christum / Darumb rauben sie Christo
seine Ehre / vnd gebens jhren Orden / Denn das ist öffentlich / daß die Mönche
fürgeben / sie verdienen mit jhren Gelübden Vergebung der Sünden / vnd gefallen
Gott vmb solcher Werck willen / Also lehren sie vertrawen auff eigene werck /
nicht auff Christus Versönung / Solch vertrawen ist öffentlich wieder GOTT / vnd
ist vergeblich /
|| [ID00348]
wenn Gott richtet / vnd das Gewissen
erschreckt / denn vnser Werck können nicht bestehen / wieder Gottes Zorn vnd
Gerichte / Sondern allein also wird Gottes Zorn versönet / Wenn wir ergreiffen
Gottes Verheissung in Christo zugesagt / vnd gleuben / daß vns Gott nicht von
wegen vnser Werck / sondern aus Barmhertzigkeit / vmb Christus willen gnedig
seyn wolle / Derhalben die jenigen / so auff eigene Werck vertrawen / die
verstossen Christum / vnd wollen sein nicht / denn sie wöllen nicht auff jhn
vertrawen.
Weiter rhümen die Mönche / daß jhre Orden seyn Christliche Volkommenheit / denn
sie halten die Gebot vnd Rahte / Das heisst ja auff Werck vertrawet / Vnd dieser
Irrthumb ist zum höchsten dem Euangelio entgegen / Daß sie fürgeben / sie
erfüllen GOttes Gesetz / daß daran nicht mangel sey / ja daß sie noch vbermaß
haben / die sie hernach applicieren / als Gnugthuung vnd Bezahlung für andere /
machen sich also selbs zu Christo / vnd wöllen durch jhre vbrige Werck andere
selig machen / das heisst ja Christum weggeworffen / Denn so sie GOttes Gesetz
erfüllen / vnd dem gnug thun / bedürffen sie Christi nicht / vnd hat Gott nicht
an jhn zu straffen vnd zu richten.
Vber das / ist dieses ein grosser schedlicher / Heydnischer Irrthumb / Daß
Christliche Volkommenheit stehen sol / in Weise vnd Wercken / die Menschen selbs
erwehlen / als nemlich in diesen eusserlichen Wercken / als nicht Ehelich seyn /
nicht eigens haben / Gehorsam in sonderlichen Kleidern vnd Speis / Diese dinge
haben nicht Gottes Gebot / Sondern Christliche Volkommenheit ist / ernstlich
Gott fürchten / vnd doch vertrawen / daß wir einen gnedigen GOtt haben / vmb
Christus willen / vnd in solchem Glauben zunehmen / vnd jhn vben / Gott anruffen
/ Hülffe von Gott warten in allen Sachen / vnd eusserliche Gute Wercke / so Gott
geboten hat / thun / ein jeder nach seinem Beruff / Inn diesen Stücken stehet
die Christliche Volkommenheit / nicht in Ehelosem Stand / in Betteln / Kappen /
Gürteln / vnd dergleichen / Darumb ist es ein schedlich Ergerniß in der
Christenheit / ein eigen Gottesdienst / mit solchen Orden anrichten / vnd
denselben rhümen / daß man dadurch Vergebung der Sünden verdiene / daß diese
Werck seyn Volkommenheit für Gott.
Damit wird Christus Ampt vnd Verheissung vertunckelt / Denn die Leute werden
dadurch von Christo auff vertrawen eigener Werck abgewandt / dazu werden Gottes
Gebot vertunckelt / so man solche falsche ertichte Werck neben vnd vber Gottes
Gebot setzet / So man das für Engelisch Leben außrüfft / nicht Ehelich seyn /
nicht ei
|| [162]
gens haben / Kappen tragen / vnd
dagegen Stende / von Gott geboten / geringer macht / daß mans dafür halte / als
seyn sie Sündlich / Oder / als achte Gott solcher Werck nicht / Wie denn
geschehen ist / daß viel mit Beschwerung jhrer Gewissen in Ehestand / in
Obrigkeit / in Gütern vnd Handtierung gewesen sind / allein derhalben / daß sie
nicht bericht gehabt haben / daß diese Stende vnd Werck von Gott geordnet vnd
recht sind / vnd haben der Mönche Wesen allein für hohe Christliche Heiligkeit
gehalten / Derhalben etliche / wie man lieset / jhren Ehestand / etliche andere
löbliche Empter verlassen / vnd haben Mönche leben angenommen / Darumb foddert
die hohe Notturfft / Daß rechte Prediger die Leute mit fleis lehren / daß
Christliche Volkommenheit in Glauben / vnd Wercken von GOtt geboten stehe /
nicht in Möncherey vnd Gelübden / die Gott nicht geboten hat. Also hat auch
Gerson für dieser zeit gestrafft / so Möncherey für Christliche Volkommenheit
rhümeten.
Dieweil nun die Gelübden in solchen grossen Irrthumen geschehen / Nemlich / Daß
man durch eigene ertichte Mönche Werck / Vergebung der Sünde verdienen solt /
Daß man darumb gerecht für Gott geschetzet werde / daß sie Gottes Gesetz
gnugthun / daß sie halten Gottes Gebot vnd Raht / daß sie vbermas Werck haben /
vnd andern applicieren / für sie gnug zu thun / so kan ein jeder verstendiger
leichtlich richten / daß solche Gelübde / die mit so viel Irrthumb fürgenommen /
vnbündig / vnd nicht Gelübde sind.
|| [ID00350]
Von der Bischoffe Gewalt.
ETliche haben Geistliche vnnd Weltliche Gewalt sehr vnschicklich durch einander
gemenget / haben gelehret / daß der Bapst aus Christus Befehl ein Monarcha vnd Herr seyn sol / aller Weltlichen Güter /
Königreich / vnd Herrschafften / Der Könige zusetzen vnd zuentsetzen gewalt habe
/ Vnd sind darauß offtmals Krieg entstanden / daß die Bäpst haben Keyser vnd
andere König entsetzen wöllen / so haben sie auch im Geistlichen Regiment die
Schlüssel dahin gedeutet / daß Bäpste möchten newe Gottesdienst gebieten / die
Gewissen zubeschweren / mit Reseruatione casuum, Sind
auch ins Fegfewr damit gefahren / habens auch sonst mancherley weis mit der Excommunicatio mißbraucht / dauon haben vor dieser zeit
etliche fromme gelehrte Leute geschrieben / Derhalben auch die vnsern verursacht
worden / die Gewissen von beyderley gewalt / Weltlich vnd Geistlich zu
vnterrichten / vnd vnterscheid anzuzeigen / der allen Christen mercklich
nützlich vnd noth ist zu wissen / Vnd haben allezeit gelehrt / daß beyde gewalt
die höhesten vnd besten Gaben Gottes seyn auff Erden / darumb man sie beyde in
höchster Demut vnd danckbarkeit ehren sol.
Vnd ist Bischoffe gewalt / laut deß Euangelij / ein befehl Gottes / das
Euangelium zupredigen / Sünder straffen vnd binden / Sünde vergeben vnd die
Sacrament reichen / Denn diesen Befehl gibt Christus seinen Aposteln / da Er
spricht / Joh. 20. Wie mich der Vater gesand hat / also sende ich euch / Nehmet
den heiligen Geist / Wem jhr die Sünde vergebet / dem sollen sie vergeben seyn /
Wem jhr nicht vergebet / dem sol nicht vergeben seyn / Vnd Marc. 16. Gehet hin
vnd prediget das Euangelium in aller Welt.
Vnd diese Gewalt wird allein durchs Wort vnd Sacrament geübet / so man vielen /
oder einem in sonderheit Gottes Wort sagt / Sünde strafft / bindet / oder
vergibt vnd aufflöset. Denn das Euangelium bringet vns nicht ein leiblich Reich
/ sondern ewige Güter /
|| [163]
den heiligen Geist / ewige
Gerechtigkeit vnd ewiges Leben. Diese Güter kan man nicht erlangen / anders denn
durch Gottes Wort / vnd Sacrament / Wie Paulus spricht / Roma. 1. Das Euangelium
ist ein krafft Gottes / Dadurch selig werden Alle / so daran gleuben.
So nu die geistliche Gewalt ewige Güter der Seel anbeut / Vnd allein durchs Wort
vnd Sacrament geübet wird / Ist sie fern vnterschieden von weltlicher Gewalt /
die leibliche Güter gibt vnd erhelt / Vnd wird mit leiblichem Zwang geübet /
Schützet den Leib / Hauß vnd Hoff / wieder eusserliche vnd öffentliche
Beleydigung / Vnd wehret dieselbige nicht mit worten allein / Sondern mit
leiblicher Straff / Damit Friede vnd eusserliche Zucht erhalten werde. Darumb
hindert oder jrret auch geistliche Gewalt die weltliche Obrigkeit gantz nicht /
Denn das Euangelium schützet die Seel / weltliche Gewalt den Leib / Das
Euangelium sagt von ewigen dingen vnd Gütern der Seel / vnd lest die Obrigkeit
eusserlich Regiment fassen vnd halten / von Leib vnd leiblichen gütern / Vnd hat
damit gar nichts zu thun / Ohn allein / daß es vermahnet / Daß wir sollen
derselbigen weltlichen Gewalt gehorsam seyn / vnd sollen wissen / daß der Stand
Gott wolgefalle / denn Gott habe jhn geordnet / dem leiblichen Leben zu gut.
Derhalben sol man geistliche vnd weltliche Gewalt recht wissen zu vnterscheiden /
daß sich geistliche Gewalt nicht vnterstehe weltlicher Empter / als gehören sie
zu jhrem Ampt / auß Christus befehl. Geistlich gewalt hat befehl das Euangelium
zu predigen / vnd Sacrament zureichen / Hat nicht befehl von Christo / daß sie
sich zum Herrn setze aller Güter vnd Königreich in der Welt / daß sie Könige
setze oder entsetze / daß sie weltlich Recht von Zinsen / oder andern Weltlichen
sachen mache / Denn Christus spricht Johan. 18. also / Mein Reich ist nicht von
dieser Welt. Item / Luc. 12. Wer hat mich zu eim Richter vber euch gesetzt. Vnd
Paulus spricht / Vnser Policey ist im Himmel / das ist / Wir richten kein newe
weltliche Politia auff Erden an / Sondern lassen weltliche Politia bleiben / Vnd
lehren daneben etwas vom ewigen Wesen / das ist / nicht eusserlich / sondern in
der Seel. Item / Vnser Waffen sind nicht leiblich / sondern sind krefftig durch
Gott / die gedancken im Hertzen nider zureissen. Auff diese weise lehren die
vnsern / von vnterscheid beyderley Gewalt vnd heissen sie beyde in aller demut
vnd danckbarkeit / als die höhesten gaben Gottes auff Erden / ehren.
Haben aber Bischoffe weltliche Gewalt / so haben sie dieselbige
|| [ID00352]
nicht / daß Christus befohlen habe / daß das Geistlich Ampt Weltlich
herrschen sol / Sondern sie haben solche Gewalt geschenckt von Keysern / Königen
vnd Fürsten / zu Erhaltung jhrer Güter / nach Weltlichen Rechten. Diese
Weltliche Gewalt ist ein ander Ampt / denn das Geistlich / vnd gehet das
Geistlich nicht an / wie Sanct Paulus Handwerck sein Predigampt nicht angehöret.
Wenn man nu von der Bischoffen Jurisdictio redet / sol jhr Weltlich Gewalt vom
Geistlichen Ampt / vnd Geistlicher Jurisdictio vnterschieden werden / vnd
gebüret den Bischoffen / als Bischoffen / das ist / den jenigen / so befohlen
ist das Euangelium zu predigen / vnd Sacrament zu reichen / kein ander Iurisdictio aus Göttlichem Rechten vnd dem Euangelio /
denn Sünd vergeben / die Lehre / so dem Euangelio entgegen ist / verwerffen /
vnd ander öffentlich Sünd mit dem Bann straffen / ohn Leiblich Gewalt / sondern
mit dem Wort / In diesen Fellen sind die Kirchen schüldig aus Göttlichem Rechten
/ jhnen gehorsam zu seyn / Wie Christus spricht: Wer euch höret / der höret
Mich.
So aber die Bischoffe etwas wieder das Euangelium lehren oder statuirn / oder
gebieten / so verbeut GOTT den Gehorsam / Matth. 7. Hütet euch für den falschen
Propheten / Vnd Galat. 1. Wenn ein Engel vom Him̅el ein ander
Euangelium prediget / denn Ich geprediget habe / so sol er verbannet seyn / Vnd
2. Corinth. 3. Wir haben nicht Gewalt der Warheit zuwieder / sondern für die
Warheit. Item / Vns ist Gewalt gegeben zu bawen / nicht zu verderben. Also
lehren auch die Canones, 2. q. 7. cap. Sacerdotes, &
cap. Oues. Vnd Augustinus spricht wieder Petilianum, Man sol auch den ördentlichen Bischoffen
nicht gehorchen / wo sie jrren / oder etwas halten wieder die heilige Schrifft.
Daneben haben die Bischoffe ein ander Jurisdictio in etlichen Sachen / als
Ehesachen / Kirchen Gütern / etc. In diesen Sachen haben sie ein sonder Gericht
/ vnd Jurisdictio / durch Menschlich Recht / Vnd nicht daß Christus dieselbige
Sachen zu jhrem Ampt gezogen habe / Dieweil sie nun diese Jurisdictio von
Menschlichem Rechten haben / Folget / Wenn sie die nicht handhaben / daß sich
Weltliche Obrigkeit dieser Sachen annehmen / vnd Recht sprechen müsse / Fried zu
erhalten.
Weiter fragt man / ob Bischoffe vnd Pfarherr Macht haben / newe Gottesdienst
anzurichten vnd zu gebieten / Als Fasten / Feyren / vnd andere Ceremonien? Vnd
die jenige / So den Bischoffen diese Macht geben / ziehen an die Wort Christi /
Johann. 16. Ich
|| [164]
habe euch noch viel zu sagen / Aber
jhr künd es noch nicht tragen / Wenn aber der Geist der Warheit kommen wird /
der wird euch leiten zu aller Warheit. Auch ziehen sie an der Apostel Exempel /
die Blut vnd ersticktes zu essen verboten haben / Ziehen an den Sabbat / der
auff ein andern Tag gelegt ist / denn er in Zehen Geboten eingesetzt ist. Vnd
dieses Exempel rhümen sie sehr / wollen dadurch beweisen / daß sie auch macht
haben Gottes Gesetz zu endern.
Aber auff diese Frage thun die Vnsern diesen Bericht / daß die Bischoffe nicht
Gewalt haben etwas zu ordnen oder zu gebieten / das dem heiligen Euangelio
entgegen ist / Wie wir droben angezeigt haben / vnd die Canones lehren Distinct. 9. Nu ists wieder das
Euangelium traditiones machen / oder gebieten der
meinung / daß wir dadurch sollen Gott versünen / Vergebung der Sünden verdienen
/ vnd für die Sünde gnug thun / Denn damit wird Christo sein gebürende Ehre
genommen / Vnd diesen Wercken von Menschen erticht zugeeignet. Nun ist am Tage /
daß aus dieser meinung traditiones in der Kirchen für
vnd für gemacht vnd geheufft sind / vnd ist dadurch vnterdruckt die Lehre vom
Glauben an Christum / daß man ohne Verdienst vmb Christus willen Vergebung der
Sünden erlange / Vnd daß wir Gerecht geschetzet werden / durch Glauben / Dagegen
hat man Fasten / Feyer / Gnugthuung / Heiligen Dienst / vnd dergleichen für vnd
für mehr gemacht / daß man dadurch wolt Vergebung der Sünden verdienen.
Vnd ist ein gemeiner Irrthumb gewesen / daß im Newen Testament müsse ein solcher
eusserlicher Gottesdienst seyn / mit gesetzten Tagen / Speis / Opffern / wie im
Gesetz Mosi / Vnd daß Christus den Aposteln vnd Bischoffen sol befohlen haben /
solche Ceremonias also zu ordnen / daß sie Gottesdienst
seyn solten / vnd nötig / daß ohn sie niemand Christen seyn solt / Vnd daß
Christliche Heiligkeit ein solch eusserlich Wesen were / Daher hat man die
Gewissen beschweret / das solten eytel Todsünde seyn / verbotene Speis essen /
Horas Canonicas vnterlassen / nicht alle Sünde
erzehlen in der Beicht / Vnd sind dieser Todsünd so viel / daß kein Summa so
gros geschrieben / darinn sie alle zusammen gebracht sind.
Woher haben die Bischoffe diese Macht / die Kirchen vnd Gewissen also zu
beschweren? So doch viel klarer Sprüche verbieten traditiones zu machen / als Gottesdienst / vnd nützlich zu verdienen
Vergebung der Sünde / oder / als nötige Stück zur Seligkeit.
Paulus spricht zun Colossern / Niemand sol euch richten in Speis / Tranck /
Feyertagen / etc. Item / So jhr mit Christo den
|| [ID00354]
eusserlichen
Ordnungen abgestorben seyd / Warumb macht jhr wiederumb Gesetz? Nemlich / Das
soltu nicht angreiffen / Das soltu nicht kosten / Das soltu nicht anrüren / so
doch alle diese Stück sich verzeren vnter den Henden / vnd sind Menschen Gebot /
die nur einen schein haben der Weißheit. Item zu Tito / Ihr solt nicht acht
geben auff Jüdische Fabeln / vnd Menschen Gebot / die die Warheit nicht annemen
/ Vnd Christus Matth. 15. verwirfft solche Gottesdienst / Sagt / Es sind vnnütze
Gottesdienst / vnd nennet die Blinde vnd Blindenführer / so aus diesen dingen
Gottesdienst machen / vnd spricht / Man sol sie fahren lassen.
So die Bischoffe macht haben solche Gottesdienst zu machen / vnd zu gebieten /
vnd die Gewissen zu beschweren / Warumb verbeut die Schrifft diese Gottesdienst
/ vnd nennet sie Doctrinas Daemoniorum, Teuffels Lehre?
Der heilige Geist hat vns ja nicht vergeblich also verwarnet.
Darumb folget / nach dem Menschen Gebot / so mans gebeut Vergebung der Sünden zu
verdienen / oder nötige Gottesdienst daraus zu machen / dem Euangelio entgegen
sind / daß Bischoffe nicht Macht haben solche traditiones zu gebieten / Denn man muß in der Kirchen diesen fürnemsten
Artickel des Euangelij rein vnd klar behalten / daß wir nicht Vergebung der Sünd
verdienen durch vnsere Werck / werden auch nicht gerecht geschetzt / von wegen
vnser erwehlten Gottesdienst / Sondern vmb Christus willen / durch Glauben.
Weiter muß man auch diese Lere wissen vnd behalten / daß im Newen Testament kein
solcher Gottesdienst mit gesatzter Speis vnnd Kleidung / vnd dergleichen noth
ist / wie im Gesetz Mosi / vnd daß niemand die Kirch sol beschweren / vnd Sünde
machen in solchen stücken / Denn also spricht Paulus zun Galatern 5. Ihr solt
euch nicht wiederumb vnter das Joch der Knechtschafft dringen lassen.
Aber von Feyer / vnd ander Kirchen Ordnungen sol man also halten / Daß Bischoffe
oder Pfarherr mögen Ordnung machen / nicht daß es Gottesdienst sind / Oder
Vergebung der Sünde verdienen / Sondern vmb eusserlicher Zucht willen / daß es
ördentlich vnd friedlich in Kirchen zugehe / vnd sollen die Bischoffe solche
Ordnung nicht auff die Kirchen legen / als nöthige ding zur Seligkeit / vnd die
Gewissen zu beschweren / vnd Sünde machen / So mans ausser des Falls der
Ergerniß nicht heltet. Also hat Paulus geordnet / Daß die Weiber sollen jhre
Heupter bedecken in der Kirchen. Item / Daß die / so die Schrifft außlegen /
vnter sich ein Ordnung halten.
|| [165]
Solche Ordnung sollen die Kirchen vmb Friedes willen halten / damit keiner den
andern erger / vnd daß ördentlich zugehe / nicht daß die Gewissen beschweret
werden / daß sie es für nöthige Gottesdienst halten / vnd sündigen / so sie es
ohn Ergerniß vnterlassen / wie man nicht für Sünde hat / So ein Weib ohn
Ergerniß mit vnbedecktem Heupt in der Kirchen stünde. Also sol man von Sontag /
Ostern / Pfingsten / vnd dergleichen Ordnung halten. Denn die Kirche hat den
Sabbath nicht verruckt oder auffgehaben / Sondern GOtt hat selbst gelehret / daß
wir im Newen Testament nicht sollen verbunden seyn zum Gesetz Moisi. Darumb
haben die Apostel den Sabbath fallen lassen / vns damit zu erinnern / daß wir
nicht zum Gesetz Moisi verbunden sind. Vnd dieweil doch noth ist / damit das
Volck wisse / wenn es zusammen kommen sol / einen gewissen Tag zu bestimmen /
haben sie den Sontag geordnet / daß man daran Gottes Wort hören vnd lehren sol.
Dergleichen sind auch Feste ordinieret / als Weinacht / Ostern / Pfingsten /
etc. Daran die wunderbarlichen vnd heilsamen Historien zu lehren / So hilfft
auch bestimpte Zeit / daß man solcher grosser ding Gedechtniß fester beheltet /
vnd ist nicht die meinung / daß solche Feyer auff Jüdische weis müssen gehalten
werden / als sey die Feyer an jhr selbst ein nöthiger Cultus im Newen Testament / Sondern sollen vmb der Lehre willen gehalten
werden.
Vor dieser zeit / ist viel vngereimpter Lehre / von verenderung des Sabbaths vnd
andern Ceremonien getrieben worden / Daß Christus den Aposteln vnd Bischoffen
befohlen habe / Ceremonias anzurichten / als
Gottesdienst / nöthig zur Seligkeit / wie im Alten Testament Ceremoniae nöthig gewesen. Dieser Irrthumb ist eingerissen / da man
des Glaubens vergessen hat / vnd hat wöllen durch solche Werck verdienen / daß
Gott gnedig were. Darumb hat man nötige dinge daraus gemacht / als wolte Gott
niemand ohn solchen Gottesdienst zu Gnaden nehmen / vnd were Christliche
Heiligkeit / solche eusserliche Werck vnd Ceremoniae.
Vnd sind die Gewissen damit also geengstiget worden / daß sie viel mehr mit
diesen vnnötigen dingen zu thun gehabt / denn mit Gottes Geboten / Wie Gerson
mit klaren worten klaget. Vnd wiewol etliche Doctores
Linderung vnd Epijkias gesucht haben / kan dennoch das
Gewissen nicht aus den Stricken kom̅en / so lange es solche dinge
/ für nötige Gottesdienst heltet / dadurch man muß für GOtt gerecht werden / vnd
ohn die man nicht könne gerecht werden.
Die Apostel haben verboten Blut vnd ersticktes zu essen / das
|| [ID00356]
heltet man jetzund nicht mehr / vnd wird dieses Verbot ohn Sünde gebrochen /
Denn die Apostel haben die Gewissen nicht wöllen beschweren / vnd ein nötig ding
zur Seligkeit aus dieser Ceremonia machen / vnd Sünd
machen / wer es nicht hielt / sondern haben vmb Ergerniß willen / der schwachen
Jüden / diese Ordnung auff ein zeit gemacht / Denn man muß gegen diesem Verbot
andere Sprüche / von der Apostel meinung halten. Man helt wenig Canones, wie sie lauten / vnd sind viel mit der zeit
abgangen / als Canones poenitentiales. So man nu dieses
alles für nötig ding halten solt / welche Beschwerung der Gewissen würde daraus
folgen? Darumb ist noth die Gewissen zu vnterrichten / daß man traditiones so fern halte / Ergerniß zu vermeiden / vnd
daß man ausserhalb der Ergerniß / nicht Sünde mache / in dingen / die das
Euangelium frey haben wil.
Es möchten auch die Bischoffe jhre gewönliche Obedientz leichtlich erhalten / so
sie nicht auff etliche traditiones drüngen / die ohn
Sünd nicht mögen gehalten werden. Denn in dieser Sach wird in keinem wege
gesucht / den Bischoffen jhre Herrligkeit oder Gewalt zu nehmen / Aber sie
solten auch jhre Gewalt zu Besserung / vnd nicht zu Verderbung der armen
Gewissen brauchen / vnd rechte Lehre nicht verhindern / vnd vnbilliche traditiones lindern vnd relaxieren / wie denn zum
offtermal traditiones in der Kirchen / von wegen
gelegenheit der Leufft vnd Zeit geendert sind / wie ein jeder Verstendiger in Canonibus sehen kan. Wo man aber dieses bey den
Bischoffen nicht erlangen mag / so müsse man wissen / daß man Gott mehr / denn
den Menschen gehorsam seyn sol. Vnd werden die Bischoffe GOtt Rechenschafft für
die Spaltung / so durch jhre Hartigkeit in der Kirchen anhanget / geben müssen.
Wir haben die fürnemlichen Artickel vnser gantzen Lehre erzehlet. Wiewol aber
etliche mehr Mißbreuch anzuziehen gewesen / als von Indulgentien / vnd
Wallfarten / von Mißbrauch des Bannes / wie vnruge in Pfarren durch Mönche vnd
Stationarios an vielearten angericht wird. Diese
vnd dergleichen Stück haben wir fallen lassen / Denn was wir dauon halten / ist
leichtlich aus den erzehlten Artickeln abzunemen. Wir haben auch niemand mit
dieser Schrifft zu schmehen gedacht / sondern allein vnser Bekentniß gethan /
daraus menniglich erkennen mag / Daß wir in der Lehre vnd Ceremonien nicht
halten zuwieder Gottes Wort / oder der heiligen Gemeinen / vnd Catholica Christlichen Kirchen. Denn das ist öffentlich
/ daß wir mit höchstem fleis gewehret haben / daß nicht newe Vnchristliche Lere
bey vns gelehrt / oder angenommen werden möcht.
|| [166]
DIese obgeschriebene Artickel / vbergeben wir Keyserlicher Majestet / vnserm
Allergnedigsten Herrn / wie jhr Keyserliche Majestet begehret hat / Darinn in
Summa zu sehen / Bekentniß vnsers Glaubens / vnd vnser Prediger vnd Pfarner
Lehre / Vnd erbieten vns weiter bericht von dieser Lehre / wo solchs begehret
wird / durch Gottes Gnad / aus heiliger Göttlicher Schrifft / von allen
Artickeln / vnd jedem in sonderheit / nach Notturfft zu thun.
Ewer Keyserlichen Majestet
Vnterthenige
Johannes Hertzog zu Sachssen Churfürst. Georg Marggraue zu Brandenburg. Ernst Hertzog zu Lünenburg. Philippus Landgraue zu Hessen. Johann Friderich Hertzog zu Sachssen. Franciscus Hertzog zu Lünenburg. Wolffgang Fürst zu Anhalt. Die Stadt Nürnberg. Die Stadt Reutlingen.
|| [ID00358]
|| [ID00359]
Philippus Melanthon dem Leser.
ALs die Bekentnis vnser Gnedigsten vnd Gnedigen Herrn des Churfürsten zu Sachssen
/ vnd der Fürsten dieses theils / zu Augspurg öffentlich für Keys. Maj. vnd den
Stenden des Reichs ist verlesen worden / haben etliche Theologi vnd Mönche
wieder dieselbig Bekentniß vnd Confession / ein antwort / vnd vorlegung
gestellet / welche denn Key. Maj. hernach für jhrer Majestat / den Churfürsten /
Fürsten vnd Stenden des Reichs vorlesen lassen / vnd hat begeret / daß vnsere
Fürsten auff solche meinung forthin wolten zu gleuben / auch zu lehren vnd zu
halten willigen.
Dieweil aber die vnsern angehört / Daß in solcher antwort der Theologen / viel
Artickel verworffen / welche sie ohn Beschwerung der Gewissen / vnd mit Gott
nicht künten lassen verwerffen / haben sie der antwort / oder Confutation
abschrifft gebeten / damit sie eigentlich sehen vnd erwegen möchten / was die
Wiedersacher zu verdammen sich vnterstünden / vnd desto richtiger auff jhre
Vrsach / vnd fürgebrachte Gründe / wieder antworten möchten.
Vnd in dieser grossen hochwichtigsten Sache / welch nicht zeitlichs / sondern ein
gemeine Religion / alle Heil vnd Wolfart der Gewissen / Vnd widerumb auch gros
|| [ID00362]
Fehrligkeit vnd beschwerung derselbigen belanget / haben
es die vnsern gewiß dafür gehalten daß die Wiedersacher solche abschrifft / ohn
alle beschwerung / gantz willig vnd gern vberreichen / oder auch vns anbieten
würden.
Aber die Vnsern haben solchs gar nicht anders erlangen mögen / denn mit fast
besch werlichen angehefften verpflichtungen vnd Condition / welche sie in keinen
weg haben willigen mögen.
Darnach ist ein vnterhandlung / vnd etliche wege der güte oder Süne fürgenomen /
da sich denn die Vnsern auffs höhest erboten / alles gern zu tragen / zu dulden
/ vnd zu thun / das ohn beschwerung der Gewissen geschehen künd. Aber die
Wiedersacher haben darauff allein hart gestande̅ / daß wir in
etliche öffentliche Mißbreuch vnd Irrthumb haben willigen sollen. Vnd so wirdas
nicht thun kündten noch wolten / hat die Keyserliche Majestat wider begert / daß
vnsere Herrn vnd Fürsten willigen solten / so zu gleuben / so zu halten / wie
der Theologen Confutation lautet / welches vnser Fürsten gantz vnd gar
abgeschlagen.
Denn wie solten jhr Chur. vnd Fürst. Gnaden in so hoher allerwichtigsten sachen /
vieler / vnd jhr eigen Seel vnd Gewissen belangend / in eine Schrifft willigen /
die man jhnen nicht vbergeben / noch zu vberlesen vergönnen / oder vberreichen
wolt / sonderlich / so sie in der verlesung angehört / daß solche Artickel
verworffen waren / die sie nicht mochten noch kundten nachgeben / sie wolten
denn öffentlich wieder GOtt vnd Erbarkeit handeln.
Derhalben jhr Chur. vnd Fürst. G. mir vnd andern befohlen / ein Schutzrede oder
Apologia vnsers ersten
|| [169]
Bekentnis zustellen / In
welcher der Keys. Majest. vrsachen angezeigt würden / Warumb wir die Confutation
nicht annehmen / vnd warumb dieselbige nicht gegründet were / Denn ob man vns
wol Abschrifft vnd Copey vber vnser flehen / bitten / vnd höhestes ansuchen
versagt / so hatten die vnsern doch in verlesung der Confutation die summa der
Argument fast in eyl / vnd als im floge gefangen / vnd auffgezeichnet / darauff
wir die Apologi / das mal / so vns Copey entlich versaget / stellen musten /
dieselbige Apologi haben die vnsern zu letzt / als sie von Augspurg abschied
genomen / der Key. Maj. vberantwort / damit jhr Majestat verstehen möchte / daß
es gantz groswichtige vrsachen hette / warumb wir die Confutation nicht hetten
mögen willigen / aber die Keys. Majest. hat die vberantwort Apologi gewegert
anzunehmen.
Darnach ist gleich wol ein Decret außgangen / darinne die Wiedersacher sich mit
Vngrund rhümen / daß sie vnser Bekentnis aus der Heiligen Schrifft verlegt
haben.
Dagegen aber hat jederman vnser Apologi vnd Schutzrede / daraus er wird sehen /
wie vnd was die Widersacher geurteilt haben. Denn wir haben es hie eigentlich
erzehlt / wie es ergangen / vnd nicht anders / weis Gott. So haben wir auch hie
klar angezeigt / wie sie etliche artickel / wieder die öffentlichen / hellen
Schrifft / vnd klare Wort des heiligen Geistes / verdammet haben / vnd dürffen
nimmermehr mit der Warheit sagen / daß sie einen Titel aus der heiligen Schrifft
wieder vns verantwortet hetten.
Wiewol ich nu anfenglich zu Augspurg diese Apologi hatte angefangen / mit Raht
vnd bedencken etlicher
|| [ID00364]
anderer / so hab ich doch jetzund / so
dieselbige im Druck ausgehen solt / etwas dazu gethan. Darumb schreib ich auch
hie mein Namen dran / damit niemand klagen müge / das Buch sey ohn Namen
ausgangen.
Ich hab mich bißher / so viel mir müglich gewesen / geflissen / von Christlicher
Lehre / nach gewönlicher weis zu reden / vnd zu handeln / damit man mit der zeit
desto leichtlicher zusammen rücken / vnd sich vergleichen künte / wiewol ich
diese Sachen mit fugen / weiter von jhr gewonlichen weis hette führen mögen.
Die Wiedersacher handeln aber diese Sachen dargegen / also vnfreundlich / Daß sie
sich gnug merken lassen / Daß sie weder Warheit noch Einigkeit suchen / sondern
allein vnser Blut zu sauffen.
Nu hab ich auff dißmal / auch noch auffs gelindest geschrieben / Wo aber etwas
geschwindes in diesem Buch ist / wil ich solchs nicht wieder Keyserliche Maje.
oder die Fürsten / welchen ich gebürliche Ehre gern erzeige / sondern wieder die
Mönche vnd Theologen geredt haben. Denn ich hab erst newlich die Confutation
bekomen recht zu lesen / vnd mercke daß viel darinne so gefehrlich / so gifftig
/ vnd neidisch geschrieben / daß es auch an etlichen Orten / fromme Leute
betriegen möchte.
Ich hab aber nicht alle zenckische / muthwillige Rencke der Wiedersacher
gehandelt / denn da weren vnzeliche Bücher von zu schreibe̅ / jre
besten höhesten gründe hab ich gefasset / Daß bey hohem vnd nieder Stenden / bey
den jetzigen / vnd vnsern nachkomen / bey allen eingebornen Teutschen / auch
sonst aller Welt / allen frembden Nationen / ein klar Zeugnis für Augen sey /
vnd ewig stehen bleib / daß wir rein / Göttlich / recht von dem Euangelio
Christigeleret haben. Wir haben war
|| [170]
lich nicht
lust oder frewd an Vneinigkeit. Auch sind wir nicht so gar stock oder stein hart
/ daß wir vnser Fahr nicht bedencken.
Denn wir sehen vnd mercken / wie die Wiedersacher in dieser sache vns so mit
grosser Gifft / vnd bitterkeit suchen / vnd bis hieher gesucht haben / an Leib /
Leben / vnd alles was wir haben.
Aber wir wissen die öffentlichen / Göttlichen Warheit / ohn welche die Kirche
Christi / nicht kan seyn oder bleiben / vnd das ewig heilig Wort des Euangelij
nicht zuuerleugnen / oder zuuerwerffen.
Derhalben / so wir vmb des HERRN Christi / vnd vmb dieser aller höchsten /
wichtigsten sachen willen / an welcher der gantze heilige Christliche Glaube /
die gantze Christliche Kirche gelegen ist / noch grössern Wiederstand / fahr /
oder verfolgung warten / oder außstehen sollen / Wöllen wir in so gantz
Göttlicher / rechter sachen gern leyden / vn̅ vertrösten vns des
gentzlich / sinds auch gewis / daß der heiligen Göttlichen Majestat im Himmel /
vnd vnserm lieben Heyland JEsu Christo / dieses wolgefellet / vnd nach dieser
zeit werden Leute seyn / vnd vnser nachkommen / Die gar viel anders / vnd mit
mehr trawen / von diesen sachen vrtheilen werden.
Denn es können die Wiedersacher selbs nicht verneinen / noch leugnen / daß viel
vnd die höhesten / nötigsten Artickel der Christlichen Lehre / ohn welche die
Christliche Kirche / sampt der gantzen Christlichen Lehre vnd Namen / würden
vergessen / vnd vntergehen / durch die vnsern wieder an Tag bracht seyn. Denn
mit was zenckischen / vergeblichen / vnnützen / kindischen Lehren /
|| [ID]
viel nöthige stücke / vor wenig Jahren bey Mönchen /
Theologen / Canonisten vnd Sophisten / vntergedrücket gewesen / wil ich hie
dißmal nicht erzehlen / es sol noch wol kommen.
Wir haben (Gott lob) Zeugnis von vielen hohen / Ehrlichen / redlichen /
Gottfürchtigen Leuten / welche Gott von Hertzen dancken / für die
vnaussprechlichen Gaben vnd Gnaden / daß sie in den aller nöthigsten Stücken /
der gantzen Schrifft / von vns viel klerer / gewisser / eigentlicher / richtiger
Lehre vnd Trost der Gewissen haben / denn in allen Büchern der Wiedersacher
jmmer funden ist.
Darumb wollen wir / So die erkante / helle Warheit / je mit Füssen getreten wird
/ diese Sache hie Christo vnd Gott im Himel befehlen / Der der Waisen Vater /
vnd Widwen / vnd aller verlassen Richter ist / Der wird (das wissen wir je
fürwar) diese Sache vrtheilen / vnd recht richten. Vnd du HErr Jesu Christ /
dein herliges Euangelium / dein Sache ist es / Wöllest ansehen so manch betrübt
Hertz vnd Gewissen / vnd dein Kirchen vnd Heufflein / die vom Teuffel angst vnd
noth leiden / erhalten / vnd stercken deine Warheit / mache zu schanden alle
Heucheley vnd Lügen / vnd gib also Friede vnd Einigkeit / daß dein Ehre fürgehe
/ vnd dein Reich wieder alle Pforten der Helle krefftig / ohn vnterlas wachse /
vnd zunehme.
|| [171]
Apologia der Confession auß dem Latein verteutschet / Durch Justum Jonam.
DEn Ersten Artickel vnsers Bekentnis / lassen jhnen die Wiedersacher gefallen /
in welchem angezeigt wird / wie wir gleuben / vnd lehren / Daß da sey ein Ewiges
/ einiges / vnzertheilet / Göttlich Wesen / vnd doch drey vnterschiedene
Personen / in einem Göttlichen Wesen / gleich mechtig / gleich Ewig / Gott Vater
/ Gott Sohn / Gott heiliger Geist. Diesen Artickel haben wir allezeit also rein
gelehret / vnd verfochten / Halten auch / vnd seyn gewiß / daß derselbig so
starcken / guten gewissen Grund in der heiligen Schrifft hat / daß niemands
müglich / den zu tadeln oder vmbzustossen.
Darumb schliessen wir frey / daß alle die jenigen Abgöttisch / Gotteslesterer /
vnd ausserhalb der Kirchen Christi seyn / die da anders halten vnd lehren.
Von der Erbsünde.
DEn andern Artickel von der Erbsünde / lassen jhnen auch die Wiedersacher
gefallen / Doch fechten sie an / als haben wirs nicht recht troffen / da wir
gesagt / Was die Erbsünde sey / so wir doch zufellig allein deß orts dauon
geredt.
Da wird alsbald im Eingang die Keyserliche Majestet befinden / daß vnser
Wiederwertigen in diesen hochwichtigen Sachen / offt gar nichts mercken noch
verstehen / Wiederumb
|| [ID00368]
auch offt vnser Wort / bößlich / vnd
mit fleis vns verkehren / oder je zu Mißuerstand deuten. Denn so wir auffs aller
einfeltigest / vnd klerest dauon geredet / was die Erbsünde sey / oder nicht sey
/ so haben sie aus eytel Gifft / vnd Bitterkeit die Wort / so an jhnen selbs
recht vnd schlecht geredt / mit fleis vbel / vnd vnrecht gedeutet.
Denn also sagen sie: Ihr sprecht / die Erbsünde sey dieses / daß vns ein solcher
Sinn vnd Hertz angeboren ist / darinne keine Furcht Gottes / kein vertrawen
gegen GOTT ist / das ist je ein wirckliche Schuld / vnd selbs ein Werck / oder
actualis culpa, Darumb ist es nicht Erbsünde. Es ist
leichtlich zu mercken / vnd abzunehmen / daß solche Cauillatio von Theologen / nicht von des Keysers Raht herkommet.
Wiewol wir nu solche neidische / gefehrliche / muthwillige deutungen / wol
wissen zu verlegen / doch daß alle redliche vnd erbare Leute verstehen mögen /
daß wir in dieser Sache / nichts vngeschicktes lehren / So bitten wir / sie
wöllen vnser vorige Teutsche Confession / so zu Augspurg vberantwort / ansehen /
die wird gnug anzeigen / wie wir nichts newes / oder vngehörtes lehren / denn in
derselbigen ist also geschrieben. Weiter wird gelehret / daß nach dem Fall Adae
/ alle Menschen / so Natürlich geboren werden / in Sünden empfangen / vnd
geboren werden / Das ist / daß sie alle von Mutter Leibe an / voll böser Lust
vnd neigung sind / keine wahre Gottes Furcht / keinen wahren Glauben an Gott /
von Natur haben können.
In diesem erscheinet gnug / daß wir von allen / so aus Fleisch geboren sind /
sagen / Daß sie vntüchtig sind zu allen Gottes sachen / GOtt nicht Hertzlich
fürchten / Ihm nicht gleuben / noch vertrawen können. Da reden wir von
angeborner böser arth des Hertzen / nicht allein von actuali
culpa oder von wircklicher Schuld vnd Sünden. Denn wir sagen / daß in
allen Adams Kindern / ein böse Neigung vnd Lust sey / vnd daß niemands jhm selbs
ein Hertz könne oder vermöge zu machen / das Gott erkenne / oder GOtt hertzlich
vertrawe / hertzlich fürchte.
Ich wolt doch gern hören / was sie da schelten wöllen oder möchten / Denn fromme
redliche Leute / denen die Warheit lieb / sehen ohn allen zweiffel / daß dieses
recht vnd wahr ist. Denn auff die meinung sagen wir in vnser Lateinischen
Bekentniß / daß in einem natürlichen Menschen nicht Potentia, das ist / Nicht so viel tügens vermügens sey / auch nicht an
vnschüldigen Kindlein / welche auch aus Adam vntüchtig seyn / jm̅er hertzlich Gott zu fürchten / vnd hertzlich Gott zu lieben / in den Alten
aber / vnd erwachsenen / sind noch vber die angeborne böse Art des Hertzens /
auch noch Actus, vnd wirckliche Sünde.
|| [172]
Darumb / wenn wir angeborne böse Lüste nennen / meynen wir nicht allein die Actus, böse Werck oder Frücht / sondern inwendig die
böse neigung / welche nicht auffhöret / so lang wir nicht new geborn werden /
durch Geist vnd Glauben. Aber darnach wollen wir mit mehr worten anzeigen / daß
wir von der Erbsünde / Nemlich / Was dieselbige sey / oder nicht / auch auff
geübte alte weise der Scholasticen / vnd nicht so vngewönlich geredt haben. Ich
muß aber erst anzeigen / aus was vrsachen ich an dem Ort fürnemlich / solcher
vnd nicht ander Wort hab brauchen wöllen.
Die Wiedersacher selbst / reden also dauon in jhren Schulen / vnd bekennen daß
die Materien oder Materiale der Erbsünde / wie sie es
nennen / sey böse Lust / darumb so ich habe wöllen sagen / was Erbsünde sey /
ist das nicht zu vbergehen gewest / Sonderlich dieser zeit / da etliche von
derselbigen angebornen bösen Lust mehr heydnisch / aus der Philosophi / denn
nach dem Göttlichen Wort / oder nach der heiligen Schrifft reden. Denn etliche
reden also dauon / daß die Erbsünde an der Menschlichen Natur / nicht sey eine
angeborne böse Arth / Sondern allein ein Gebrechen / vnd auffgelegte Last oder
Bürde / die alle Adams Kinder / vmb frembder Sünde willen / Nemlich / Adams
Sünde halben tragen müssen / vnd darumb alle sterblich seyn / nicht daß sie
selbst alle von art / vnd aus Mutter Leib Sünde ererbeten.
Darüber sagen sie dazu / daß kein Mensch ewig verdampt werde / allein vmb der
Erbsünde oder Erbjam̅ers willen / sondern gleich / wie von einer
leibeigen Magd / leibeigene Leut / vnd Erbknecht geboren werden / nicht jhr
eigen Schuld halben / sondern daß sie der Mutter Vnglücks vnd Elends entgelten /
vnd tragen müssen / so sie doch an jhn selbst wie ander Menschen / ohn wandel
geborn werden / so sey die Erbsünd auch nicht ein angeborn Vbel / sondern allein
ein Gebrechen vnd Last / die wir von Adam tragen / aber vor vns selbst / darumb
nicht in Sünden / vnd Erbungnaden stecken.
Damit ich nu anzeigete / daß vns solche vnchristliche Meinung nicht gefiele / hab
ich dieser Wort gebraucht / alle Menschen von Mutterleibe an / sind alle voll
böser Lüste vnd Neigung / Vnd nenne die Erbsünde auch darumb eine Seuche /
anzuzeigen / daß nicht ein Stücke / sondern der gantze Mensch / mit seiner
gantzen Natur / mit einer Erbseuche / von art in Sünden geboren wird / Darumb
nennen wir es auch nicht alleine ein böse Lust / Sondern sagen auch / daß alle
Menschen in Sünden ohn Gottes Furcht / ohn Glauben geboren werden / Dasselbige
setzen wir nicht ohn Vrsach dazu. Die
|| [ID00370]
Schulzencker oder Scholastici die reden von der Erbsünde / als sey es
allein ein liederlich / gering Gebrechen / vnd verstehen nicht / was die
Erbsünde sey / Oder wie es die andern heiligen Väter gemeinet haben.
Wenn die Sophisten schreiben / Was die Erbsünde sey / was der fomes oder böse neigung sey / reden sie vnter andern dauon / als sey
es ein Gebrech am Leib / Wie sie denn wunder Kindisch von sachen zu reden
pflegen / vnd geben Fragen für / Ob derselbige Gebrech auß vergifftung deß
verbotenen Apffels im Paradis / oder auß anblasen der Schlangen / Adam erst
ankomen sey. Item / Ob es mit dem Gebrechen die Artzney je lenger je erger
macht. Mit solchen zenckischen Fragen / haben sie diese gantze Heuptsachen / vnd
die fürnemste Frage / Was die Erbsünde doch sey / gar verwirret / vnd
vnterdrücket.
Darumb wenn sie von der Erbsünde reden / lassen sie das gröste vnd nötigste
aussen / vnd vnsers rechten grösten Jammers / gedencken sie gar nicht / Nemlich
/ Daß wir Menschen alle also von art geboren werden / Daß wir Gott oder Gottes
Werck nicht kennen / nicht sehen noch mercken / Gott verachten / Gott nicht
ernstlich fürchten / noch vertrawen / seinem Gericht oder Vrtheil feind seyn.
Item / Daß wir alle von Natur für Gott / als einem Tyrannen / fliehen / wieder
seinen willen zürnen vnd murren. Item / vns auff Gottes Güte gar nicht lassen /
noch wagen / Sondern allezeit mehr auff Gelt / Gut / Freunde verlassen. Diese
geschwinde Erbseuche / durch welche die gantze Natur verderbt / durch welche wir
alle solch Hertz / Sinn vnd Gedancken / von Adam ererben / welchs stracks wieder
Gott / vnd das erste höchste Gebot Gottes ist / vbergehen die Scholastici.
Vnd reden dauon / als sey die Menschliche Natur vnuerderbt / vermöge Gott gros zu
achten / zu lieben vber alles / GOttes Gebot zu halten / etc. Vnd sehen nicht /
daß sie wieder sich selbs sind. Denn solchs auß eigenen Krefften vermögen /
Nemlich / Gott gros zu achten / Hertzlich zu lieben / sein Gebot halten / Was
wehre das anders / denn eine newe Creatur im Paradis / gar rein vnd heilig seyn?
So wir nu auß vnsern Krefften / so grosses vermöchten / GOtt vber alles zu
lieben / seine Gebot zu halten / wie die Scholastici
dapffer dürffen heraus sagen / was wehre denn die Erbsünde? Vnd so wir auß
eignen Krefften gerecht würden / so ist die Gnade Christi vergeblich / Was
dürfften wir auch deß heiligen Geistes / so wir auß Menschlichen Krefften / GOtt
vber alles lieben / vnd seine Gebot halten können?
|| [173]
Hie sihet je jederman / wie vngeschickt die Wiedersacher von diesem hohen Handel
reden / Sie bekennen die kleinen Gebrechen an der Sündlichen Natur / vnd deß
aller grösten Erbjammers vnd elendes gedencken sie nicht / da doch die Apostel
alle vber klagen / Daß die gantze Schrifft allenthalben meldet / da alle
Propheten vber schreyen / wie der 13. Psalm / vnd etlich ander Psalmen sagen /
Da ist nicht der Gerecht sey / auch nicht einer / Da ist nicht der nach Gott
fraget / Da ist nicht der gutes thut / auch nicht einer / Ihr Schlund ist ein
offens Grab / Ottern Gifft ist vnter jhren Lippen / Es ist keine Furcht Gottes
für jhren Augen / so doch auch die Schrifft klar saget / Daß vns solchs alles
nicht angeflohen / sondern angeborn sey.
Dieweil aber die Scholastici vnter die Christlichen Lehre
viel Philosophi gemenget / vnd viel von dem Liecht der Vernunfft / vnd den Actionibus elicitis reden / halten sie zu viel vom
Freyen Willen / vnd vnsern Wercken. Darüber haben sie gelehret / Daß die
Menschen durch ein eusserlich erbar leben / für GOtt from werden / vnd haben
nicht gesehen / die angeborne vnreinigkeit inwendig der Hertzen / welch niemands
gewar wird / denn allein durchs Wort Gottes / welches die Scholastici in jhren Büchern fast sperlich / vnd selten handeln / Wir
sagen auch wol / Daß eusserlich erbar zu leben / etlicher mas in vnserm vermügen
stehe / Aber für Gott from vnd heilig zu werden / ist nicht vnsers vermügens.
Das sind die vrsachen / warumb ich deß orts / als ich hab wöllen sagen / Was die
Erbsünde sey / der angebornen bösen lust gedacht habe / vnd gesaget / Daß auß
Natürlichen Krefften kein Mensch vermag / Gott zu fürchten / oder jhm
zuuertrawen. Denn ich habe wöllen anzeigen / Daß die Erbsünde auch diesen jammer
in sich begreiffe / Nemlich / Daß kein Mensch Gott kennet oder achtet / keiner
jhn hertzlich fürchten oder lieben / oder jhm vertrawen kan. Das sind die
grösten stück der Erbseuche / durch welche wir alle auß Adam stracks wieder Gott
/ wieder die ersten Tafel Mosi / vnd das gröste / höchste Göttliche Gebot
gesinnet vnd geartet sind.
Vnd wir haben da nichts newes gesagt. Die alten Scholastici, so man sie recht verstehet / haben gleich dasselbig gesagt.
Denn sie sagen / die Erbsünde sey ein mangel der ersten Reinigkeit vnd
Gerechtigkeit im Paradis. Was ist aber Iustitia
originalis, oder die erste Gerechtigkeit im Paradis? Gerechtigkeit vnd
Heiligkeit in der Schrifft / heist je nicht allein / wenn ich die andere Tafel
Mosi halte / gute Werck thue / vnd dem Nehesten diene / Sondern den jenigen
nennet die Schrifft from / heilig vnd gerecht / der die ersten Tafel /
|| [ID]
der das erste Gebot helt / das ist / Der Gott von Hertzen
fürchtet / jhn liebet / vnd sich auff Gott verlest.
Darumb ist Adams Reinigkeit / vnd vnuerruckt Wesen / nicht allein eine feine
volkommene Gesundheit / vnd allenthalben rein Geblüt / vnuerderbte Kreffte deß
Leibes gewesen / wie sie dauon reden / Sondern das gröste an solcher edler
erster Creatur / ist gewesen ein helles Liecht im Hertzen / Gott vnd sein Werck
zu kennen / ein rechte Gottes furcht / ein recht hertzlich vertrawen gegen GOtt
/ vnd allenthalben ein rechtschaffen gewisser verstandt / ein fein gut frölich
Hertz gegen Gott / vnd allen Göttlichen sachen.
Vnd das bezeuget auch die heilige Schrifft / da sie sagt / Daß der Mensch nach
Gottes Bilde vnd Gleichniß geschaffen sey. Denn was ist das anders / denn daß
Göttliche Weißheit vnd Gerechtigkeit / die auß Gott ist / sich im Menschen
bildet? Dadurch wir Gott erkennen / durch welche Gottes Klarheit sich in vns
spiegelt / das ist / Daß dem Menschen erstlich / als er geschaffen / diese Gaben
gegeben seyn / rechte klare Erkentniß Gottes / rechte Furcht / recht vertrawen /
vnd dergleichen.
Denn also legen auch solches auß / vom Bilde vnd Gleichniß Gottes / Ireneus vnnd Ambrosius, so er
allerley auff die meinung redet / saget vnter andern / Die Seele ist nicht nach
dem Bilde Gottes geschaffen / in welcher Gott nicht allzeit ist. Vnd Paulus zu
den Ephesern vnd Colossern zeigt gnug an / daß Gottes Bilde in der Schrifft
nichts anders heisse / denn Erkentniß GOttes / vnd rechtschaffen Wesen vnd
Gerechtigkeit für Gott.
Vnd Longobardus sagt frey heraus / daß die
erstgeschaffene Gerechtigkeit in Adam / sey das Bilde vnd die Gleichnis GOttes /
welchs an dem Menschen von Gott gebildet ist. Ich erzehle die meinung vnd
Sprüche der Alten / welche an der Außlegung Augustini,
wie derselbige vom Bilde GOttes redet / nichts hindern. Darumb die Alten / da
sie sagen / Was die Erbsünde sey / vnd sprechen / Es sey ein Mangel der ersten
angeschaffenen Gerechtigkeit / Da ist jhr meinung / Daß der Mensch nicht allein
am Leibe / oder geringsten nidersten Krefften verderbet sey / Sondern daß er
auch dadurch verlohren habe / diese Gaben / rechte Erkentnis Gottes / rechte
Liebe vnd vertrawen gegen Gott / vnd die Krafft / das Liecht im Hertzen / so jhm
zu dem allen Liebe vnd Lust machet / denn die Scholastici oder Theologen selbs in Schulen lehren / daß dieselbige
angeborne Gerechtigkeit vns nicht müglich wehre gewesen / ohne sonderliche Gaben
/ vnd ohn hülffe der Gnaden.
|| [174]
Vnd dieselbigen Gaben nennen wir Gottes Furcht / Gottes Erkentniß vnd vertrawen
gegen Gott / damit daß man es verstehen möge. Auß diesem allen erscheinet
gnugsam / daß die Alten / da sie sagen / Was die Erbsünde sey / gleich mit vns
stimmen / vnd auch jhre meinung ist / Daß wir durch die Erbsünde in den jammer
kommen / geboren / daß wir kein gut Hertz / welchs Gott recht liebet / gegen
Gott haben / nicht allein kein rein gutes Werck zuthun / oder volbringen
vermögen.
Gleich dasselbige meinet auch Augustinus, Da er auch wil
sagen / Was die Erbsünde sey / vnd pflegt die Erbsünde eine böse Lust zu nennen
/ denn er wil anzeigen / Daß nach Adams Falle an stat der Gerechtigkeit böse
Lust vns angeboren wird / Denn von dem Fall an / dieweil wir als von art /
Sündlich geborn / Gott nicht fürchten / lieben / noch jhm vertrawen / so thun
wir nichts anders / denn daß wir vns auff vns selbs verlassen / vnd verachten
Gott / oder erschrecken / vnd fliehen von Gott.
Vnd also ist in Augustinus worten / auch die meinung
gefasset / vnd begriffen / der jenigen / die da sagen / Die Erbsünde sey ein
Mangel der ersten Gerechtigkeit / das ist / Die böse Lust / welche an stat
derselbigen Gerechtigkeit vns anhenget / Vnd ist die böse lust nicht allein ein
verderbung oder verrückung der ersten reinen Leibes Gesundheit Adams im Paradis
/ sondern auch eine böse Lust vnd Neigung / da wir nach den allerbesten /
höchsten / Krefften / vnd Liecht der Vernunfft / dennoch fleischlich wieder Gott
geneigt / vnd gesinnet sind / Vnd die jenigen wissen nicht / was sie sagen / die
da lehren / der Mensch vermüge auß seinen krefften Gott vber alles zu lieben /
vnd müssen doch zu gleich bekennen / es bleibe so lang diß Leben wehret / noch
böse Lust / so fern sie vom heiligen Geist nicht gentzlich getödtet ist.
Derhalben wir so eigentlich / beydes erwehnet vnd außgedruckt / da wir haben
lehren wöllen / was die Erbsünde sey / beyde die böse Lust vnd auch den Mangel
der ersten Gerechtigkeit im Paradis / vnd sagen / derselb Mangel sey / daß wir
Adams Kinder / Gott von hertzen nicht vertrawen / jhn nicht fürchten / noch
lieben. Die böse lust sey / daß natürlich wieder Gottes wort / alle vnser sinn /
hertz vnd muth stehet / da wir nicht allein suchen allerley wollust des Leibs /
sondern auch auff vnser Weißheit vnd Gerechtigkeit vertrawen / vnd dagegen
Gottes vergessen / vnd wenig / ja gar nichts achten. Vnd nicht allein die alten
Väter / als Augustinus vnd dergleichen / sondern auch
die newlichsten Lehrer / vnd Scholastici, die etwas
verstand
|| [ID00374]
gehabt / lehren / daß diese zwey stück semptlich die
Erbsünde sind / nemlich Mangel / vnd die böse lust / denn also sagt S. Thomas, daß Erbsünd ist nit allein ein Mangel der
ersten Gerechtigkeit / sondern auch ein vnördentlich Begirde oder Lust in der
Seelen / derhalben ist es (sagt er) nicht allein eitel lauter Mangel / sondern
auch aliquid positiuum. Vnd Bonauentura auch sagt klar / Wenn man fragt / was die Erbsünde sey /
ist diß die rechte antwort / daß es eine vngewehrete böse Lust sey / auch ist
die rechte antwort / daß es ein Mangel sey der Gerechtigkeit / vnd eins gibt das
ander.
Gleich dasselbig meinet auch Hugo, da er saget / Die
Erbsünde ist Blindheit im Hertzen / vnd böse lust im Fleisch / denn er wil
anzeigen / daß wir Adams Kinder alle so geborn werden / daß wir GOtt nicht
kennen / Gott verachten / jm nicht vertrawen / ja jhn auch fliehen / vnd hassen.
Denn das hat Hugo wollen kurtz begreiffen / da er sagt /
Ignorantia in mente, Blindheit oder vnwissenheit im
Hertzen. Vnd die Sprüche auch der newesten Lehrer / stim̅en vber
ein / mit der heiligen Schrifft. Denn Paulus nennet die Erbsünde vnter zeiten
mit klaren worten / ein Mangel Göttlichs Liechts / etc. 1. Corinth. 2. Der
Natürliche Mensch vernimpt nichts vom Geist Gottes / Vnd an andern orten nennet
er es / Böse Lust / als zu den Römern am 7. da er saget / Ich sehe ein ander
Gesetz in meinen Gliedern / etc. Welche Lust allerley böse Früchte gebieret.
Ich köndte hie wol viel mehr Sprüche der Schrifft fürbringen / von beyden diesen
stücken / Aber in dieser öffentlichen Warheit / ist es nicht noth / Ein jeder
verstendiger wird leichtlich sehen vnd mercken / daß also ohn Gottes Furcht /
ohn vertrawen im Hertzen / sind nicht allein Actus, oder
wirckliche Sünde / Sondern ein angeborn Mangel des Göttlichen Liechts / vnd
alles guten / welcher da bleibt / so lange wir nicht durch den heiligen Geist
new geborn / vnd durch den erleuchtet werden.
Wie wir nu bißher von der Erbsünde geschrieben vnd gelehrt / so lehren wir nichts
newes / nichts anders / denn die heilige Schrifft / die gemeine heilige
Christliche Kirche / Sondern solche nötige / tapffere / klare Sprüche der
heiligen Schrifft / vnd der Väter / welche durch vngeschickt Gezenck der
Sophisten vnterdruckt gewesen / bringen wir wieder an Tag / vnd wolten gern die
Christliche Lehre rein haben / Denn es ist je am tage / daß die Sophisten vnd
Schulzencker nit verstanden haben / Was die Väter mit dem wort / Mangel der
ersten Gerechtigkeit / gemeinet.
Diß Stück aber eigentlich vnd richtig zu lehren / vnd was die
|| [175]
Erbsünde sey / oder nicht sey / ist gar hoch von nöten / vnd kan
niemand sich nach Christo / nach dem vnaußsprechlichen Schatze Göttlicher Hulde
vnd Gnade / welche das Euangelium fürtregt / Hertzlich sehnen / oder darnach
verlangen haben / der nicht sein Jam̅er vnd Seuche erkennet / wie
Christus sagt: Die Gesunden dürffen des Artztes nicht. All heilig erbar Leben /
alle gute Werck / so viel jm̅er ein Mensch auff Erden thun mag /
sind für Gott eytel Heucheley vnd grewel / wir erkennen denn erst / daß wir von
art elende Sünder sind / welche in vngnaden Gottes sind / Gott weder fürchten
noch lieben. Also sagt der Prophet: Dieweil du mir es gezeigt hast / bin ich
erschrocken / Vnd der Psalm: Alle Menschen sind Lügener / das ist / Sie sind
nicht recht gesinnet von Gott.
Hie schreien nu die Wiedersacher hefftig wieder Dortor Luther / daß er
geschrieben hat / die Erbsünde bleibe auch nach der Tauffe / vnd sagen dazu /
derselbig Artickel sey billich verdampt von Bapst Leo dem Zehenden.
Aber Keyserliche Majestat wird hie öffentlich finden / daß sie vns gantz vnrecht
thun / denn die Wiedersacher verstehen fast wol / auff was meinung Doctor Luther
das geredt wil haben / da er sagt / die Erbsünde bleibe nach der Tauffe / er hat
allezeit klar also geschrieben / daß die heilige Tauffe die gantze Schuld vnd
Erbpflicht der Erbsünde wegnimpt vnd außtilget / wiewol das Material (wie sie es
nennen) der Sünde / Nemlich / die böse Neigung vnd Lust bleibet.
Darüber in alle seinen Schrifften setzet er noch darzu / vom selbigen Material /
daß der heilig Geist / welcher gegeben wird durch die Tauffe / anfehet inwendig
die vbrige böse Lüste täglich zu tödten / vnd zu leschen / vnd bringet ins Hertz
ein new Liecht / ein newen Sinn vnd Muth. Auff die meinung redet auch Augustinus, da er also sagt: Die Erbsünde wird in der
Tauffe vergeben / Nicht daß sie nicht mehr sey / Sondern daß sie nicht
zugerechnet werde.
Da bekennet Augustinus öffentlich / daß die Sünde in vns
bleibet / wiewol sie vns nicht zugerechnet wird / vnd dieser Spruch Augustini, hat den Lehrern hernach so wol gefallen / daß
er auch im Decret angezogen wird. Vnd wieder Iulianum
sagt Augustinus: Das Gesetz / das in vnsern Gliedern ist
/ ist weg gethan durch die Geistliche Wiedergeburt / vnd bleibt doch im Fleisch
/ welches ist sterblich / Es ist hinweg gethan / Denn die Schuld ist gantz los /
durch das Sacrament / Dadurch die Gleubigen newe geborn werden / Vnd bleibt noch
da / Denn es wircket böse Lüste / wieder welche kempffen die Gleubigen.
|| [ID00376]
Daß Doctor Luther also helt / vnd lehret / wissen die Widersacher fast wol / vnd
so sie es nicht können anfechten / Sondern selbs bekennen müssen / Verkehren sie
jhm bößlich die Wort / vnd deuten jhm sein meinung felschlich / die Warheit
vnterzudrücken / vnd vnschüldig zu verdammen.
Aber weiter disputieren die Wiedersacher / daß die böse Lust / ein Last vnd
auffgelegte Straffe sey / Vnd sey nicht ein solche Sünde / die des Todes vnd
Verdamniß schüldig / dawieder sagt Doctor Luther / Es sey ein solche verdamliche
Sünde. Ich habe hie oben gesagt / daß Augustinus auch
solchs meldet / die Erbsünde sey die angeborne böse Lust / Sol dieses vbel
geredt seyn / mögen sie es mit Augustino außfechten.
Darüber sagt Paulus: Die Sünde erkante ich nicht / ohn durch das Gesetz / denn
ich wuste nicht von der Lust / wo das Gesetz nicht gesagt hette / Las dich nicht
gelüsten / Da sagt je Paulus dürre heraus: Ich wuste nicht / daß die Lust Sünde
war / etc. Item / Ich sehe ein ander Gesetz in meinen Gliedern / das da
wiederstreitet dem Gesetz in meinem Gemüthe / vnd nimpt mich gefangen in der
Sünde Gesetz / welches ist in meinen Gliedern.
Dieses sind Pauli helle / gewisse Wort / vnd klare Sprüche / da vermag kein Gloß
/ kein listiges Fündlin nichts wieder / diese Sprüche werden alle Teuffel / alle
Menschen nicht mögen vmbstossen / Da nennet er klar die bösen Lüst ein Sünde /
Doch sagt er / daß solche Sünde den jenigen / so an Christum gleuben / nicht
wird zugerechnet / doch an jhr selbs ists gleichwol warlich ein Sünde / des
Todes vnd Ewigen Verdamniß schüldig / vnd hat keinen zweiffel / daß auch solches
der alten Väter Meinung gewest / Denn Augustinus
disputieret vnd ficht hefftig wieder die jenigen / die da hielten / daß die böse
Neigung vnd Lust am Menschen / nicht Sünde were / Vnd weder gut noch böse / Wie
schwartzen oder weissen Leib haben / auch weder gut noch böse ist.
Vnd wenn die Wiedersacher werden fürgeben / daß fomes,
oder die böse Neigung weder gut noch böse sey / da werden nicht allein viel
Sprüche der Schrifft wieder seyn / Sondern auch die gantze Kirche vnd alle Väter
/ Denn alle erfahrne Christliche Hertzen wissen / daß diese stücke leider vns in
der Haut stecken / angeborn sind / Nemlich / daß wir Gelt / Gut / alle ander
Sachen / grösser denn Gott achten / sicher dahin gehen / vnd leben. Item / daß
wir jmmer nach art fleischlicher Sicherheit / also gedencken / GOttes Zorn vnd
Ernst / sey nicht so gros vber die Sünde / als er doch gewiß ist / Item /
|| [176]
daß wir den edlen vnaußsprechlichen Schatz des
Euangelij / vnd versünung Christi nicht hertzlich / so thewer vnd edel achten /
als sie ist / Item / daß wir wieder Gottes Werck vnd Willen murren / daß er in
Trübsaln nicht bald hilfft / vnd machts wie wir wöllen / Item / wir erfahren
täglich / daß es vns wehe thut / wie auch Dauid vnd alle Heiligen geklagt / Daß
den Gottlosen in dieser Welt wolgehet.
Darüber fülen alle Menschen / wie leicht jhr Hertz entbrennet / jetzund mit
Ehrgeitz / denn mit Grim̅ vnd Zorn / denn mit Vnzucht.
So nu die Wiedersacher selbs bekennen müssen / Daß solcher Vnglaube / solcher
Vngehorsam wieder Gott im Hertzen ist / Wenn schon nicht gantz verwilligung /
(wie sie dauon reden) sondern allein die neigung / vnd Lust da ist: Wer wil so
küne seyn / daß er diese grobe Stücke weder bös noch gut achte. Nun sind die
klaren Psalmen vnd klare Wort der Propheten da / daß sie bekennen / daß sie sich
also fülen.
Aber die Sophisten in Schulen / haben zu dieser Sache / wieder die klaren
öffentlichen Schrifft geredt / vnd aus der Philosophi / jhre eigen Trewme / vnd
Sprüche ertichtet / Sagen / daß wir vmb der bösen Lust willen / weder bös noch
gut / weder zu schelten noch zu loben sind / Item / Daß Lüste vnd Gedancken
inwendig nicht Sünd sind / wenn ich nicht gantz darein verwillige / Dieselbigen
Rede vnd Wort in der Philosophen Bücher sind zu verstehen / von eusserlicher
Erbarkeit für der Welt / vnd auch eusserlicher Straff für der Welt / Denn da
ists wahr / wie die Juristen sagen / L. Cogitationis,
Gedancken sind Zoll frey / vnd Straff frey / Aber Gott erforschet die Hertzen /
Mit Gottes Gericht vnd Vrtheil ists anders.
Also flicken sie auch an diese Sache andere vngereimpte Sprüche / Nemlich /
Gottes Geschöpff vnd die Natur / könne an jhr selbs nicht bös seyn / Das fecht
ich nicht an / wenn es jrgend geredt wird / da es stat hat / Aber dazu sol
dieser Spruch nicht angezogen werden / die Erbsünde geringe zu machen. Vnd
dieselbigen Sprüche der Sophisten / haben viel vnseglichs schadens gethan /
durch welche sie die Philosophi / vnd die Lehre / welche eusserlich Leben für
der Welt belangend / vermischen mit dem Euangelio / vnd haben doch solchs nicht
allein in der Schule gelehret / sondern auch öffentlich vnuerschampt für dem
Volck gepredigt / Vnd dieselbigen Vngöttlichen / jrrigen / fehrliche /
schedliche Lehren / hatten in aller Welt vberhand genommen / da ward nichts
geprediget / denn vnser Verdienst in aller Welt / Dadurch ward das Erkentniß
Christi / vnd das Euangelium gantz vntergedruckt.
|| [ID00378]
Derhalben hat Doctor Luther aus der Schrifft lehren / vnd erkleren wöllen / Wie
ein gros Todsschuld die Erbsünde für Gott sey / Vnd wie in so grossem Elend wir
geboren werden / Vnd daß die vbrige Erbsünde / so nach der Tauffe bleibet / an
jhr selbs nicht indifferens sey / Sondern bedarff des
Mittlers Christi / daß sie vns Gott nicht zurechne / Vnd ohn vnterlas des
Liechts / vnd Wirckung des Heiligen Geistes / Durch welchen sie außgefeget /
vnnd getödter werde.
Wiewol nun die Sophisten vnd Scholastici anders lehren /
Vnd beyde / von der Erbsünde / vnd von derselbigen Straffe / der Schrifft
vngemeß lehren / Da sie sagen / der Mensch vermüge aus seinen Krefften Gottes
gebot zu halten / So wird doch die Straffe / so Gott auff Adams Kinder auff die
Erbsünde gelegt / im ersten Buch Mosi viel anders beschrieben / Denn da wird die
Menschlich Natur verurtheilt / Nicht allein zum Tode vnd andern leiblichen Vbeln
/ Sondern dem Reich des Teuffels vnterworffen / Denn da wird diß schrecklich
Vrtheil gefellet: Ich wil Feindschafft zwischen dir vnd dem Weib / Zwischen
jhrem Samen vnd deinem Samen setzen / etc.
Der Mangel erster Gerechtigkeit vnd die böse Lust / sind Sünde vnd Straffe / der
Tod aber vnd die andern leiblichen Vbel / die Tyranney vnd Herrschafft des
Teuffels / sind eigentlich die Straffe vnd Peene der Erbsünde. Denn die
Menschliche Natur / ist durch die Erbsünde vnter des Teuffels Gewalt dahin geben
/ Vnd ist also gefangen vnter des Teuffels Reich / welcher manchen grossen
weisen Menschen / in der Welt / mit schrecklichem Irrthumb / Ketzerey / vnd
ander Blindheit beteubet / vnd verführet / vnd sonst die Menschen zu allerley
Laster dahin reisset.
Wie es aber nicht müglich ist / den listigen vnd gewaltigen Geist Sathan zu
vberwinden / ohne die Hülffe Christi / Also können wir vns aus eignen Krefften /
aus dem Gefengniß auch nicht helffen.
Es ist in allen Historien von anfang der Welt zu sehen / vnd zu finden / Wie ein
vnsaglicher grosser Gewalt / das Reich des Teuffels sey. Mann siehet / daß die
Welt vom höchsten / bis zum niedersten voll Gotteslesterung / voll grosser
Irrthumb / Gottloser Lehre / wieder Gott vnd sein Wort ist / in den starcken
Fesseln vnd Ketten / helt der Teuffel jemmerlich gefangen / viel weiser Leute /
viel Heuchler / die für der Welt heilig scheinen / Die andern führet er in
andere grobe Laster / Geitz / Hoffart / etc.
|| [177]
So vns nu Christus darumb gegeben ist / Daß er dieselbigen Sünde / vnd schwere
Straffe der Sünde / wegnehme / die Sünde / den Tod / des Teuffels Reich vns zu
gut vberwinde / kan niemands hertzlich sich frewen des grossen schatzes /
niemands die vberschwencklichen Reichthümer der Gnaden erkennen / er füle denn
vor erst dieselbige Last / vnser angeborn gros Elend vnd Jam̅er.
Darumb haben vnsere Prediger von dem nötigen Artickel mit allem höchsten fleis
gelehret / vnd haben nichts newes gelehret / Sondern eytel klare Wort der
heiligen Schrifft / vnd gewisse Sprüche der Väter / Augustini, vnd der andern.
Dieses achten wir / Solle die Keyserliche Majestet jhr billich lassen gnug seyn /
wieder das lose / Kindische / vngegründte fürbringen der Wiedersacher / durch
welche sie der vnsern Artickel / ohn vrsach gantz vnbillich anfechten / Denn sie
singen / sagen / wie viel / was / vnd wie lang sie wöllen / so wissen wir
eigentlich das / vnd sinds fürwar gewiß / daß wir Christlich vnd recht lehren /
vnd mit der gemeinen Christlichen Kirchen gleich stimmen vnd halten / werden sie
darüber weiter muthwilligen Zanck einführen / so sollen sie sehen / es sollen
hie / wil Gott / Leute nicht fehlen / die jhnen antworten / vnd die Warheit
dennoch erhalten.
Denn die Wiedersacher wissen das mehrertheil nicht / was sie reden / Denn wie
offt reden vnd schreiben sie jhnen selbs wiederwertigs / verstehen auch jhre
eigen Dialectica nicht vom Formal der Erbsünde / das ist / Was eigentlich an
jhrem Wesen die Erbsünde sey / oder nicht sey / Was auch der mangel der ersten
Gerechtigkeit sey. An diesem ort aber haben wir nicht wöllen von jhrer
zenckischen Disputation subtiler / oder weiter reden / Sondern allein die
Sprüche vnd meinung der heiligen Väter / Welchen wir auch gleichförmig lehren /
mit klaren / gemeinen / verstendlichen Worten / erzehlen wöllen.
DEn dritten Artickel lassen jhnen die Wiedersacher gefallen / da wir bekennen /
daß in Christo zwo Natur sind / Nemlich / Daß Gottes Sohn die Menschliche Natur
hat angenom̅en / Vnd also Gott vnd Mensch eine Person / ein
Christus ist / Vnd daß derselbige für vns hat gelidden / vnd gestorben / vns dem
Vater zu versünen / Vnd daß Er aufferstanden ist / daß er ein ewig Reich besitze
/ Alle Gleubigen heilige / vnd gerecht mache / etc. Wie das Credo der Aposteln / vnd Symbolum Nicenum
lehret.
|| [ID00380]
Wie man für Gott From vnd Gerecht wird.
IM Vierden / Fünfften vnd Sechsten / vnd hernach im 20. Artickel / verdammen die
Wiedersacher vnser Bekentniß / daß wir lehren / Daß die Gleubigen vergebung der
Sünde durch Christum / ohn alle verdienst / allein durch den Glauben erlangen /
Vnd verwerffen gar trotzlich beydes / Erstlich / daß wir Nein darzu sagen / daß
den Menschen durch jhren verdienst solten die Sünde vergeben werden.
Zum Andern / Daß wir halten / lehren vnd bekennen / daß niemand Gott versünet
wird / Niemands vergebung der Sünde erlanget / denn Allein durch den Glauben an
Christum.
Dieweil aber solcher Zanck ist vber dem höchsten / fürnemsten Artickel der
gantzen Christlichen Lehre / Also / daß an diesem Artickel gantz viel gelegen
ist / Welcher auch zu klarem / richtigem verstand der gantzen heiligen Schrifft
fürnemlich dienet / Vnd zu dem vnaußsprechlichen Schatz / vnd dem rechten
Erkentnis Christi allein den Weg weiset / auch in die gantzen Bibel allein die
Thür auffthut / ohne welchen Artickel auch kein arm Gewissen einen rechten
bestendigen gewissen Trost haben / Oder die Reichthümer der Gnaden Christi
erkennen mag / So bitten wir Keyserliche Majestet / wöllen von dieser grossen
tapffern / Hochwichtigen sachen nach notturfft / vnd gnediglich vns hören. Denn
dieweil die Wiedersacher gar nicht verstehen noch wissen / Was durch diese Wort
in der Schrifft zuuerstehen / Was vergebung der Sünde sey / Was Glaube / Was
Gnade / Was Gerechtigkeit sey / So haben sie diesen edlen / Hochnötigen /
fürnemsten Artickel / Ohn welchen niemands Christum erkennen wird / jemmerlich
besudelt / Vnd den Hohen tewren Schatz deß Erkentniß CHristi / Oder was Christus
vnd sein Reich vnd Gnad sey / gar vnterdruckt / Vnd den armen Gewissen ein
solchen so edlen grossen Schatz / vnd ewigen Trost / daran es gar gelegen /
jemmerlich geraubet.
|| [178]
DAs wir aber vnser Bekentnis bekrefftigen / Vnd was die Wiedersacher fürbracht /
verlegen mügen / So wöllen wir zuuor erst anzeigen / grund vnd vrsach beyderley
Lehre / damit jeder Theil klerer zuuernemen sey.
Die gantze Schrifft / beyde Altes vnd Newes Testaments / wird in die zwey Stück
getheilet / vnd lehret / diese zwey Stück / Nemlich / Gesetz vnd Göttliche
Verheissungen. Denn an etlichen örten helt sie vns für das Gesetz / An etlichen
beut sie Gnad an / durch die herrlichen Verheissung von Christo / Als wenn im
Alten Testament die Schrifft verheisset den zukünfftigen Christum / vnd beut
ewigen Segen / Benedeyung / Ewiges Heil / Gerechtigkeit / vnd Ewiges Leben durch
jhn an / Oder im Newen Testament / Wenn Christus / sieder Er kom̅en ist auff Erden / im Euangelio verheisset Vergebung der Sünden / Ewige
Gerechtigkeit / Ewiges Leben.
Hie aber an dem ort / nen̅en wir das Gesetze die zehen Gebot Gottes
/ wo dieselbigen in der Srifft gelesen werden. Von den Ceremonien / vnd den
Gesetzen der Gerichts Hendel / wöllen wir hie nicht reden.
Von diesen zweyen stücken / nemen nu die Wiedersacher das Gesetz für sich / Denn
dieweil das Natürlich Gesetz / welchs mit dem Gesetz Mosi / oder Zehen Geboten
vberein stimmet / in aller Menschen Hertzen angeboren / vnd geschrieben ist /
Vnd also die Vernunfft etlicher mas / die Zehen Gebot fassen / vnd verstehen kan
/ Wil sie wehnen / Sie habe gnug am Gesetz / vnd durchs Gesetze könne man
Vergebung der Sünden erlangen.
Die Zehen Gebot aber / erfoddern nicht allein ein eusserlich erbar Leben / oder
gute Werck / Welche die Vernunfft etlicher mas vermag zu thun / Sondern
erfoddern etwas viel höhers / Welches vber alle Menschliche Kreffte / vber alle
vermügen der Vernunfft ist / Nemlich / wil das Gesetz von vns haben / daß wir
Gott sollen mit gantzem ernst / von Hertzen grund fürchten / vnd lieben / jhnen
in allen nöhten allein anruffen / vnd sonst auff nichts einigen trost setzen.
Item / das Gesetz wil haben / Daß wir nicht weichen noch wancken sollen / Sondern
auffs aller gewissest im Hertzen schliessen / daß Gott bey vns sey / Vnser Gebet
erhöret / vn̅ daß vnser Seufftzen vnd bitten ja sey / Item / daß
wir von Gott noch Leben / vnd allerley Trost erwarten sollen / Mitten im Tode /
in allen Anfechtungen / seinem willen vns gentzlich heimgeben / Im Tod vnd
Trübsal nicht von jhm fliehen / sondern jhm gehorsam seyn / gerne alles tragen /
vnd leyden / wie es vns gehet.
Hie haben die Scholastici den Philosophis gefolget / vnd wenn sie
|| [ID00382]
wollen sagen /
wie man für Gott from wird / lehren sie allein ein Gerechtigkeit vnd Frömkeit /
Da ein Mensch eusserlich für der Welt / ein erbar Leben führet / vnd gute Werck
thut / Vnd ertichten diesen Trawm dazu / Daß die Menschliche Vernunfft ohn den
heiligen Geist / vermüge Gott vber alles zu lieben / Denn wol ists wahr / wen̅ ein Menschenhertz müssig ist / vnd nicht in Anfechtungen / vnd
dieweil es GOttes Zorn vnd Gericht nicht fület / so mag es ein solchen Trawm jhm
ertichten / Als liebe es GOTT vber alles / vnd thue viel guts / viel Werck vmb
Gottes willen / Aber es ist eytel Heucheley / Vnd auff die weis / haben doch die
Wiedersacher gelehret / daß die Menschen Vergebung der Sünde verdienen / wenn
sie so viel thun / als an jhnen ist / das ist / wenn die Vernunfft jhr lesst die
Sünde leid seyn / vnd ertichtet ein willen dazu / Gott zu lieben.
Vnd diese Meinung vnd jrrige Lehre / dieweil die Leute Natürlich dazu geneigt
sind / daß jhr Verdienst vnd Werck für Gott etwas geachtet / vnd verdienen
möchten / hat vnzehlich viel mißbreuchliche Gottesdienst in der Kirchen
angericht / vnd geursacht / Als sind die Klostergelübde / Mißbreuche der Messen
/ Wie denn solchs vnzehlich jm̅er ein Gottesdienst vber den andern
aus diesem Irrthumb erdacht ist / Vnd daß nur solch vertrawen / auff vnser
Verdienst vnd Werck jm̅er weiter außgebreitet worden / haben sie
vnuerschampt dürffen sagen vnd schliessen / Gott der HERR müsse von noth Gnade
geben den jenigen / die also gute Werck thun / Nicht daß Er gezwungen were /
Sondern daß diß die Ordnung also sey / die Gott nicht vbergehe / noch endere.
Vnd in diesen stücken / eben in dieser Lehre / sind viel andere grosse gantz
schedliche Irrthumb / vnd schreckliche Lesterunge Gottes begriffen / vnd
verborgen / welche alle bey Nahmen zu erzehlen / jetzo zu lang were / Allein das
wölle doch vmb Gottes willen ein jeglicher Christlicher Leser bedencken / Können
wir durch solche Werck für Gott from / vnd Christen werden / so wolt ich gern
hören / (vnd versucht alle ewer bestes hie zu antworten) was doch für
vnterscheid seyn wolt / zwischen der Philosophen / vnd Christi Lehre / So wir
Vergebung der Sünden erlangen mügen / durch solch vnser werck / oder Actus elicitos, Was hilfft vns denn Christus? Können wir
heilig vnd from für GOTT werden / durch Natürliche Vernunfft / vnd vnser eigen
gute Werck / Was dürffen wir denn des Bluts vnd Tods Christi / Oder / daß wir
durch Ihn new geborn werden? Wie Petrus 1. Petri 1. sagt Vnd aus dem fehrlichen
Irrthumb / (Dieweil man solchen öffentlich in Schulen gelehret / vnd auff den
Predigstülen getrieben) ist es leider
|| [178]
dahin gerahten
/ daß auch grosse Theologen zu Löuen / Paris / etc. von keiner andern
Christlichen frömkeit / oder Gerechtigkeit gewust haben (Ob wol alle Buchstaben
vnd Syllaben im Paulo anders lehren) denn von der Frömkeit / Welche die
Philosophi lehret / Vnd so es vns billich frembde seyn solt / vnd wir billich
sie verlachen solten / Verlachen sie vns / ja verspotten Paulum selbst.
Also gar ist der schendlich grewlich Irrthumb eingerissen. Ich hab selbs ein
grossen Prediger gehört / Welcher Christi vnd das Euangelium nicht gedacht / vnd
Aristotelis Ethicorum predigt. Heisst das nicht
Kindisch / nerrisch vnter Christen gepredigt? Aber ist der Wiedersacher Lehre
war / So ist das Ethicorum ein köstlich Predigtbuch /
vnd ein fein new Bibel. Denn von eusserlichem erbarn Leben / wird nicht leicht
jemands besser schreiben / denn Aristoteles.
Wir sehen / daß etlich Hochgelerten haben Bücher geschrieben / Darinne sie
anzeigen / als stimmen die Wort Christi / vnd die Sprüche Socratis vnd Zenonis fein zusammen / Gleich
als sey Christus kom̅en / Daß er gute Gesetz vnd Gebot gebe /
Durch welche wir vergebung der Sünden verdienen solten / Vnd nicht viel mehr
Gnade vnd Friede Gottes zuuerkündigen / vnd den heiligen Geist außzutheilen /
durch sein Verdienst vnd Blut.
Darumb / so wir der Wiedersacher Lehre annemen / daß wir vergebung der Sünden
verdienen mügen / auß vermügen natürlicher Vernunfft vnd vnser Werck / so sind
wir schon Aristotelisch / vnd nicht Christisch / Vnd ist kein vnterscheid
zwischen erbarem Heydnischen / zwischen Phariseischem vnd Christlichem leben /
zwischen Philosophi vnd Euangelio.
Wiewol nu die Wiedersacher / damit sie des namen Christi nicht gar / als die
Gottlosen / rohen Heyden schweigen / also vom Glauben reden / Daß sie sagen / Es
sey ein Erkentnis der Historien von Christo / Vnd wiewol sie von Christo auch
dennoch etwas sagen / Nemlich / daß er vns verdienet habe einen Habitum, oder wie sie es nennen / Primam gratiam, die erste Gnade / Welche sie achten für ein Neigung /
Dadurch wir dennoch GOtt leichter / denn sonst lieben können / So ist es doch
ein schwache / geringe / kleine / schlechte Wirckung / Die Christus also hette /
oder die durch solchen Habitum geschehe.
Denn sie sagen nichts desto weniger / daß die Werck vnser Vernunfft vnd willens /
ehe derselbige Habitus da ist / Vnd auch darnach / wenn
derselbig Habitus da ist / eiusdem
speciei, das ist / für vnd nach / einerley vnd ein ding sey.
|| [ID00384]
Denn sie sagen / daß vnser Vernunfft vnd Menschlicher Wille an jhm selbs vermüge
Gott zu lieben / Allein der Habitus bringe ein Neigung /
daß die Vernunfft dasselbige / das sie zuuor wol vermag / desto lieber vnd
leichter thue.
Darumb lehren sie auch / daß derselbige Habitus müsse
verdienet werden / durch vnser vorgehende Werck / vnd daß wir durch die werck
des Gesetzes / vermehrung solcher guter Neigung / vnd das ewige Leben verdienen.
Also verbergen vns die Leute Christum / vnd begraben jhn auffs newe / daß wir jhn
nicht für ein Mittler erkennen können / Denn sie schweigen gar / daß wir lauter
aus Gnaden ohn Verdienst / Vergebung der Sünden durch Ihn erlangen / sondern
bringen jhre Trewme auff / Als kündten wir durch gute Werck vnd des Gesetzs
Werck / Vergebung der Sünde verdienen / so doch die gantze Schrifft sagt / Daß
wir das Gesetz nicht vermügen zu erfüllen / oder zu halten. Vnd so die Vernunfft
am Gesetz nichts außrichtet / denn daß sie allein eusserlich Werck thut / im
Hertzen aber fürchtet sie Gott nicht / so gleubt sie auch nicht / daß Gott jhr
warnehme. Vnd wiewol daß sie von dem Habitu also reden /
so ist es doch gewiß / daß ohn den Glauben an Christum / rechte GOttes Liebe in
keinem Hertzen seyn kan / So kan auch niemands verstehen / was GOttes Liebe ist
/ ohn den Glauben.
Daß sie aber ein vnterscheid ertichten / vnter Merito
congrui, vnd Merito condigni, vnterm gebürlichen
Verdienst / vnd rechtem gantzen Verdienst / spielen vnd zancken sie allein mit
Worten / damit sie sich nicht öffentlich / als Pelagianer mercken lassen. Denn
so Gott von noth muß Gnad geben / vmb gebür Verdienst / So ist es nicht gebür
Verdienst / sondern ein recht Pflicht / vnd gantz Verdienst / Wiewol sie selbs
nicht wissen / was sie sagen / Denn sie ertichten vnd trewmen das / Wenn der Habitus der Lieb Gottes (dauon oben gesagt) da ist / so
verdiene der Mensch gebürlich oder de congruo, die Gnad
Gottes. Vnd sagen doch / es könne niemands so gewiß seyn / ob derselbig Habitus da sey.
Nun höret lieben Herrn / wie wissen sie denn / oder wenn wissen sie es / Ob sie
gebürlich oder durch gantz Verdienst / für voll oder halb vnserm HERRN Gott sein
Gnad abuerdienen. Aber / ach lieber HERR Gott / das sind eytel kalte Gedancken
vnd Trewme / müssiger / heiloser / vnerfarner Leute / Welche die Bibel nicht
viel in Practiken bringen / die gar nicht wissen / noch erfahren / wie einem
Sünder vmbs Hertz ist / was Anfechtung des Tods oder des Teuffels sind /
|| [176]
Die gar nicht wissen / wie rein wir alles verdienstes
/ aller Werck vergessen / wenn das Hertz GOTtes Zorn fühlet / oder das Gewissen
in engsten ist. Die sichern vnerfarnen Leute / gehen wol jmmer dahin in dem wahn
/ als verdienen sie mit jhren Wercken de congruo, Gnad.
Denn es ist ohne das vns angeborn natürlich / daß wir von vns selbs / vnd vnsern
Wercken gern etwas viel wolten halten. Wenn aber ein Gewissen recht sein Sünde
vnd Jammer fühlet / So ist aller schertz / so sind alle Spielgedancken auß / vnd
ist eitel grosser rechter ernst / Da lest sich kein Hertz noch gewissen stillen
/ noch zu frieden stellen / Suchet allerley Wercke vnd aber Wercke / vnd wolt
gern gewißheit / wolt gern grund fülen / vnd gewis auff etwas fussen / vnd rugen
/ Aber dieselbigen erschrockenen Gewissen fühlen wol / daß man de condigno noch de congruo
nichts verdienen kan / sincken bald dahin in verzagen / vnd verzweiffelung /
wenn jhnen nicht ein ander wort / denn des Gesetzs Lehre / Nemlich / das
Euangelium von Christo / Daß der für vns gegeben ist / gepredigt wird.
Daher weis man etlich Historien / daß die Barfüsser Münch / wenn sie etlichen
guten Gewissen an der Todstunde / lang haben vmb sonst jhr Orden vnd gute Werck
gelobet / Daß sie zu letzt haben müssen jhres Ordens / vnd S. Franciscen
schweigen / vnd diß wort sagen / Lieber Mensch / Christus ist für dich
gestorben. Das hat in engsten erquicket / vnd erkület / Fried vnd Trost allein
geben.
Also lehren die Wiedersacher nichts / denn ein eusserlich Frömkeit / eusserlicher
guter Werck / Welche Paulus des Gesetzes Frömkeit nennet / vnd sehen also / wie
die Jüden / das verdeckt Angesicht Mosi / Thun nichts / denn daß sie in etlichen
sichern Heuchlern / die Sicherheit vnd hertigkeit stercken / Füren die Leute
auff ein Sandgrund / auff jhre eigen Werck / Dadurch Christus vnd das Euangelium
veracht wird / Geben manchen elenden Gewissen vrsach zu verzweiffelung / Denn
sie thun gute Werck auff vngewissen Wahn / Erfahren nimmer / wie ein gros
krefftig ding der Glaube ist / Fallen zu letzt gantz in Verzweiffelung.
Wir halten vnd reden / von der eusserlichen Frömkeit also / daß Gott wol foddert
/ vnd haben wil / ein solch eusserlich erbar Leben / vnd vmb GOttes Gebots
willen / müsse man dieselbigen guten Werck thun / Welche in zehen Geboten werden
geboten / Denn das Gesetz ist vnser Zuchtmeister / vnd das Gesetz ist den
Vnrechten geben / denn GOtt der HERR wil / daß den groben Sünden durch ein
eusserliche Zucht gewehret werde / Vnd dasselbige zu erhalten / gibt
|| [ID]
Er Gesetz / Ordenet Obrigkeit / Gibt gelehrte weise Leute /
die zum Regiment dienen. Vnd also eusserlich erbar Wandel vnd Leben zu führen /
vermag etlicher maß die Vernunfft aus jhren Krefften / wiewol sie offt durch
angeborne schwacheit / vnd durch List des Teuffels / auch daran gehindert wird.
Wiewol ich nu einem solchen eusserlichen Leben / vnd den guten Wercken / gerne so
viel Lobes lasse / als jhm gebüret / Denn in diesem Leben vnd im Weltlichen
Wesen ist je nicht bessers / denn Redligkeit vnd Tugend / Wie denn Aristoteles sagt / daß weder Morgenstern noch Abendstern
/ lieblicher / schöner sey / denn Erbarkeit vnd Gerechtigkeit / Wie denn Gott
solche Tugend auch belohnet mit leiblichen Gaben / So sol man doch gute Werck /
vnd solchen wandel nicht also hoch heben / daß es Christo zu schmach reiche.
Denn also schliesse ich / vnd bin des gewiß / Erticht ists / vnd nicht wahr /
daß wir durch vnser Werck solten Vergebung der Sünde verdienen.
Auch ists Lügen / vnd nicht wahr / daß ein Mensch für GOTT könne gerecht vnd from
werden / durch seine Werck vnd eusserliche Frömkeit.
Auch ist es vngrund / vnd nicht wahr / daß die Menschlich Vernunfft / aus jhren
Krefften vermügen solt / Gott vber alles zu lieben / sein Gebot zu halten / Ihn
zu fürchten / gewiß darauff zu stehen / daß Gott das Gebet erhöre / Gott zu
dancken / vnd gehorsam zu seyn / in Trübsaln vnd andern / was Gottes Gesetz
gebeut / Als / nicht frembdes Gutes begehren / etc. Denn das alles vermag die
Vernunfft nicht / Wiewol sie eusserlich erbar leben vnd gute Werck etlicher maß
vermag.
Auch ist es ertichtet / vnd nicht wahr / vnd ein Lesterung wieder Christum / daß
die jenigen solten ohne Sünde seyn / die Gottes Gebot allein eusserlich halten /
ohne Geist vnd Gnade im Hertzen.
Dieses meines Beschluß / habe ich Zeugniß nicht allein aus der heiligen Schrifft
/ Sondern auch aus den alten Vätern. Augustinus redet
vnd handelt solchs auffs aller reichlichst / wieder die Pelagianer / Daß die
Gnade nicht geben wird vmb vnsers Verdiensts willen. Vnd im Buch de natura & gratia, das ist / von der Natur vnd
Gnade sagt er also: So das vermügen der Natur durch den Freyen Willen gnug ist /
beyde / zu erkennen wie man leben sol / vnd also recht zu leben / So ist
Christus vmb sonst gestorben.
Warumb solt ich hie auch nicht ruffen vnd schreien mit Paulo / Ich mag billich
schreien / Ihr habt Christum verloren / die jhr durch des Gesetzes Werck gerecht
werden wolt / Vnd seyd von der Gna
|| [180]
de gefallen /
denn jhr erkennet die Gerechtigkeit nicht / die für GOtt gilt / vnd trachtet
ewre eigene Gerechtigkeit auffzurichten / vnd seyd der Gerechtigkeit / die für
Gott gilt / nicht vnterthan / Denn wie das ende des Gesetzs Christus ist / Also
ist auch der Heyland der verderbten Natur Christus. Item / Johan. 8. So euch der
Sohn frey macht / so seyd jhr recht frey.
Derhalben können wir durch die Vernunfft / oder vnser gute Werck nicht frey
werden von Sünden / oder Vergebung der Sünden verdienen. Item / Johan. 3. stehet
geschrieben: Es sey denn / daß jemand new geborn werde aus dem Wasser vnd Geist
/ so kan er nicht in das Reich Gottes kommen.
So nun das dazu gehöret / daß wir durch den heiligen Geist müssen new geborn
werden / so werden vns vnser gute Werck oder eigen Verdienst nicht rechtfertig
machen für Gott / so können wir das Gesetz nicht halten noch erfüllen. Item /
Rom. 3. Sie sind allzumal Sünder / vnd mangeln des Rhumes / den sie an GOTT
haben solten / das ist / jhnen mangelt die Weißheit vnd Gerechtigkeit / die für
GOtt gilt / dadurch sie GOtt recht erkennen / gros achten / vnd preisen solten.
Item / Roman. 8. Fleischlich gesinnet seyn / ist ein Feindschafft wieder Gott /
sintemal es dem Gesetz Gottes nicht vnterthan ist / denn es vermag es auch nicht
/ die aber Fleischlich gesinnet sind / mögen Gott nicht gefallen.
Das sind so gar klare / helle Sprüche der Schrifft / daß sie nicht so scharffes
Verstands bedürffen / Sondern allein / daß man es lese / vnd die klaren Wort wol
ansehe. Wie auch Augustinus in der Sache saget: Ist nu
die Vernunfft vnd Fleischlich gesinnet seyn / ein Feindschafft wieder Gott / so
kan kein Mensch ohn den heiligen Geist hertzlich GOtt lieben. Item / ist
Fleischlich gesinnet seyn wieder GOtt / so seyn warlich die besten gute Werck
vnrein vnd Sünde / die jmmer ein Adams Kind thun mag. Item / kan das Fleisch
Gottes Gesetz nicht vnterthan seyn / so sündiget warlich auch ein Mensch / wenn
er gleich edle / schöne / köstliche Gute Werck thut / die die Welt gros achtet.
Die Wiedersacher sehen allein die Gebot an / der andern Taffel Mosi / die da auch
von der eusserlichen Erbarkeit redet / welche die Vernunfft besser vernimpt /
vnd wöllen wehnen / mit solchen eusserlichen guten Wercken halten sie Gottes
Gesetz. Sie sehen aber die ersten Taffel nicht an / welche gebeut / vnd von vns
haben wil / daß wir Gott hertzlich sollen lieben / daran gar nicht wancken /
noch zweiffeln sollen / daß Gott vmb der Sünde willen zürne / daß wir GOtt
|| [ID]
Hertzlich fürchten sollen / Daß wir vns gewis in vnsern
Hertzen sollen darauff verlassen / GOTT sey nicht ferne / erhöre vnser Gebet /
etc.
Nu sind wir / ehe wir durch den heiligen Geist new geborn werden / alle der art
aus Adam / daß vnser Hertz in Sicherheit / Gottes Zorn / Vrtheil vnd drewen
verachtet / seinen Vrtheil vnd Straffen gehessig vnd feind ist. So nu alle Adams
Kinder in so grossen Sünden geborn werden / daß wir alle von art GOtt verachten
/ sein Wort / sein Verheissung / vnd drewen in zweiffel setzen / So müssen
warlich vnser besten gute Werck / die wir thun / ehe wir durch den heiligen
Geist new geboren werden / Sündlich vnnd Verdampt Werck für GOTT seyn / Wenn sie
gleich für der Welt schön seyn / Denn sie gehen auß einem bösen / Gottlosen /
vnreinen Hertzen / wie Paulus sagt Rom. am 14. Was nicht auß dem Glauben gehet /
das ist Sünde. Denn alle solche Werckheiligen thun Wercke ohn Glauben /
Verachten GOtt im Hertzen / vnd gleuben als wenig / Daß GOtt sich jhrer anneme /
als Epicurus gleubt hat. Die Verachtung GOttes inwendig
/ muß je die Werck vnfletig vnd Sündlich machen / Wenn sie gleich für den Leuten
schön sind / denn GOtt forschet die Hertzen.
Zu letzt / so ist je das auch auffs nerrischt / vnd vngeschickest von den
Wiedersachern geredt / Daß die Menschen / die auch ewiges zorns schüldig seyn /
vergebung der Sünden erlangen / durch die Licbe oder actum
elicitum dilectionis, So es doch vnmüglich ist / Gott zu lieben / wenn
das Hertz nicht erst / durch den Glauben vergebung der Sünden ergriffen hat.
Denn es kan je ein Hertz / das in engsten ist / Gottes Zorn recht fühlet / Gott
nicht lieben / Er gebe denn dem Hertzen lufft / er tröste vnd erzeige sich denn
wieder gnedig. Denn dieweil er schrecket / vnd also vns angreifft / als wölle er
vns in ewiger Vngnade / in den ewigen Todt / von sich stossen / So muß der armen
schwachen Natur / das Hertz vnd Muth entfallen / Vnd muß je für so grossem Zorn
erzittern / der so grewlich schreckt vnd strafft / Vnd kan je als denn / ehe
Gott selbs tröstet / kein füncklin Liebe fühlen.
Müssige vnd vnerfarne Leute / mügen jhnen wol selbs ein Trawm von der Liebe
ertichten / Darumb reden sie auch so Kindisch dauon / daß einer / der gleich
einer Todsünde schüldig ist / könne gleichwol Gott vber alles lieben / Denn sie
wissen noch nicht recht / was Sünd für ein Last / was es für ein grosse Quaal
sey / Gottes Zorn fühlen.
|| [181]
Aber fromme Hertzen / Die es im rechten Kampff mit Satan / vnd rechten engsten
des Gewissens erfaren haben / Die wissen wol / daß solch wort vnd gedancken /
eitel Gedancken / eitel Trewme sind / Paulus sagt / Das Gesetz richt nur Zorn an
/ Rom. 4. Er sagt nicht / daß durch das Gesetz die Leute verdienen vergebung der
Sünden / Denn das Gesetz klaget allzeit das Gewissen an / vnd erschreckts.
Derhalben macht das Gesetz niemands from / vnd gerecht für Gott / denn ein
erschrocken Gewissen fleuhet für Gott / vnd seinem vrtheil / derhalben jrren die
jenigen / die durch jre Werck / oder durch das Gesetz / wöllen verdienen
vergebung der Sünden.
Dieses sey gnug gesagt / von der Gerechtigkeit der Werckheiligen / oder der
Vernunfft / welche die Wiedersacher lehren / Denn bald hernach wen̅ wir werden sagen von der frömbkeit vnd Gerechtigkeit / die für Gott gilt /
die auß dem Glauben kommet / wird die Sache an jhr selbs mit sich bringen mehr
Sprüche / auß der Schrifft einzufüren / welche denn alle auch gleich starck
dienen werden / die obangezeigte Irrthumb der Wiedersacher vmbzustossen.
Dieweil denn kein Mensch / auß seinen Krefften GOttes Gesetz zu halten vermag /
Vnd sind alle vnter der Sünde schüldig deß ewigen Zorns vnd Todes / So können
wir durch das Gesetz der Sünde nicht los / noch für GOtt from werden / Sondern
es ist verheissen vergebung der Sünde / vnd Gerechtigkeit durch Christum /
welcher für vns gegeben ist / daß Er die Sünde der Welt bezahlet / Vnd ist der
einige Mittler vnd Erlöser. Vnd diese Verheissung laut nicht also / Durch
Christum habt jhr Gnad / Heil / etc. Wo jhrs verdienet / Sondern lauter auß
Gnade beutet er an vergebung der sünde / Wie Paulus sagt / So auß den Wercken
vergebung der Sünde ist / So ists nicht Gnade. Vnd an einem andern Ort / Diese
Gerechtigkeit / die für Gott gilt / ist ohn Gesetz offenbaret / das ist / vmb
sonst wird vergebung der Sünde angeboten.
Vnd darumb ligts nicht an vnsern Verdienst / daß wir GOtt versünet werden / denn
wenns an vnserm Verdienst lege / vergebung der Sünde / Vnd die versünung Gottes
auß dem Gesetz wehre / So wehre es verloren / Vnd wehren warlich vbel Gott
vereiniget / vnd versünet / Denn wir halten das Gesetz nicht / Vnd vermügen es
nicht zu halten / So würde folgen / daß wir auch die zugesagte Gnade / vnd
Versünung nimmermehr erlangeten.
Denn also schleust Paulus zu den Römern 4. So aus dem Gesetz das Erbe ist / So
ist der Glaub nichts / Vnd die
|| [ID00390]
Verheissung ist ab. So sich nu
die Verheissung gründet auff vnsern Verdienst / vnd auff das Gesetz / so folgte
/ dieweil wir das Gesetz nicht halten können / daß die Verheissung vergeblich
were.
So wir aber für Gott from vnd gerecht werden / allein aus lauter Gnade vnd
Barmhertzigkeit / die in Christo verheissen ist / erfolget / daß wir durch vnser
Werck nicht from werden. Denn was were sonst der herrlichen / Göttlichen
Verheissunge von nöthen / Vnd was dürffte Paulus die Gnade so hoch heben / vnd
preisen.
Derhalben lehret / rhümet / prediget / vnd preiset das Euangelium / die
Gerechtigkeit die aus dem Glauben kömpt an Christum / Welche nicht ein
Gerechtigkeit des Gesetzs ist / So lehret auch das Gesetz dauon nichts / vnd ist
gar viel ein höher Gerechtigkeit denn des Gesetzs Gerechtigkeit ist / Denn das
Gesetz foddert von vns vnser Werck / vnd wil haben / daß wir inwendig im Hertzen
/ Gottfürchtig / vnd gantz rechtschaffen seyen.
Aber die Göttliche Zusage / die beutet vns an / als den jenigen / die von der
Sünde vnd Tode vberweldigt seyn / Hülff / Gnad / vnd Versünung vmb Christus
willen / welche Gnade niemands mit wercken fassen kan / Sondern allein durch den
Glauben an Christum. Derselbe Glaub bringet / noch schencket / GOTT dem HErrn
kein Werck / kein eigen Verdienst / sondern bawet blos auff lauter Gnad / vnd
weis sich nichts zu trösten / noch zu verlassen / denn allein auff
Barmhertzigkeit / die verheissen ist in Christo. Derselbige Glaub nu / da ein
jeder für sich gleubet / daß Christus für jhn geben ist / der erlangt allein
Vergebung der Sünde vmb Christus willen / vnd macht vns für Gott from vnd
gerecht.
Vnd dieweil derselbige in rechtschaffener Bus ist / vnser Hertzen auch im
schrecken der Sünde / vnd des Todes / wieder auffrichtet / So werden wir durch
denselbigen / new geborn / vnd kömpt durch den Glauben der Heilig Geist / in
vnser Hertz / Welcher vnser Hertzen vernewert / daß wir Gottes Gesetz halten
können / Gott recht lieben / gewißlich fürchten / nicht wancken noch zweiffeln /
Christus sey vns geben / Er erhöre vnser ruffen / vnd bitten / Vnd daß wir in
Gottes Willen vns frölich geben können / auch mitten im Tode. Also derselbige
Glaube / der aus Gnaden vmb sonst / empfehet vnd erlangt vergebung der Sünde /
ist rechtschaffen / der gegen Gottes Zorn nicht seinen Verdienst oder Werck
setzet / welchs ein Federlin gegen einem Sturmwind were / Sondern der Christum
den Mittler darstellet / Vnd derselbig Glaub ist ein recht Erkentniß Christi.
|| [182]
Wer also gleubet / der erkennet die grossen wolthat Christi / vnd wird ein new
Creatur / Vnd ehe ein solch Glaub im Hertzen ist / kan niemand das Gesetz
erfüllen. Von demselbigen Glauben / vnd Erkentniß Christi / ist nicht ein
Syllabe / nicht ein Tittel in allen Büchern der Wiedersacher.
Darumb schelten wir auch die Wiedersacher / daß sie allein das Gesetz lehren /
von vnsern Wercken / vnd nicht das Euangelium / das da lehret / daß man gerecht
werde / wenn man an Christum gleubet.
Was der Glaub sey / der für Gott from vnd gerecht macht.
DIe Wiedersacher wöllen wehnen / der Glaube sey dieses / daß ich wisse / oder
gehört hab die Historien von Christo / Darumb lehren sie / Ich könne wol gleuben
/ ob ich gleich in Todsünden sey.
Darumb von dem rechten Christlichen Glauben / dauon Paulus an allen orten so offt
redet / daß wir durch den Glauben für Gott from werden / da wissen oder reden
sie gar nichts von. Denn welche für Gott heilig vnd gerecht geacht werden / die
sind je nicht in Todsünden. Darumb der Glaub / welcher für Gott from vnd gerecht
macht / ist nicht allein dieses / Daß ich wisse die Historien / wie Christus
geborn / gelidden / etc. das wissen die Teuffel auch / Sondern ist die gewißheit
/ oder das gewisse / starcke vertrawen im Hertzen / Da ich mit gantzem Hertzen
die Zusag Gottes / für gewiß vnd wahr halte / durch welche mir angeboten wird /
ohn mein Verdienst / Vergebung der Sünde / Gnade / vnd alles Heyl durch den
Mittler Christum. Vnd damit daß niemand wehne / Es sey allein ein blosse wissen
der Historien / so setze ich das dazu: Der Glaub ist / daß sich mein gantz Hertz
desselbigen Schatzes annimpt / vnd ist nicht mein thun / nicht mein schencken
noch geben / nicht mein Wercke oder bereiten / Sondern daß ein Hertze sich des
tröstet / vnd gantz darauff verlesset / daß Gott vns schenckt / vns gibt / vnd
wir Ihme nicht / daß er vns mit allem Schatz der Gnaden in Christo vberschüt.
|| [ID00392]
Auß diesem ist leicht zu mercken / vnterscheid zwischen dem Glauben / vnd
zwischen der Frömkeit / die durchs Gesetz kümpt. Denn der Glaub ist ein solcher
Gottesdienst / vnd latria. Da ich mir schencken vnd
geben lasse. Die Gerechtigkeit aber des Gesetzes / ist ein solcher Gottesdienst
/ der da Gott anbeutet vnser Wercke. So wil Gott nu durch den Glauben also
geehret seyn / daß wir vom jm empfahen / was er verheisset / vnd anbeutet.
Daß aber der Glaub nicht allein sey / die Historien wissen / Sondern der da fest
helt / die Göttlich verheissung / zeiget Paulus gnugsam an / Der da saget zu den
Römern am 4. Derhalben muß die Gerechtigkeit durch den Glauben kommen / Auff daß
die verheissung fest bleibe.
Da hefftet vnd verbindet Paulus die zwey also zusammen / daß wo Verheissung ist /
da muß auch Glaub seyn / etc. Vnd wiederumb Correlatiue,
Wo Verheissung ist / da foddert Gott auch Glauben.
Wiewol noch klerer vnd schlechter zu zeigen ist / Was der Glaube der da gerecht
macht / sey / Wenn wir vnser eigen Credo, vnd Glauben
ansehen. Denn im Symbolo stehet je dieser Artickel /
Vergebung der Sünde. Darumb ists nicht gnug / daß ich wisse oder gleube / daß
Christus Geborn ist / Gelidden hat / Aufferstanden ist / Wenn wir nicht auch
diesen Artickel / darumb das alles endlich geschehen / gleuben / Nemlich / ich
gleube / daß mir die Sünde vergeben seyn / Auff den Artickel muß das ander alles
gezogen werden / Nemlich / daß vmb Christus willen / Nicht vmb meines verdiensts
willen / vns die Sünde vergeben werden. Denn was wehr noth / daß Gott Christum
für vnser Sünde gebe / wenn vnser Verdienst für vnser Sünde kündte gnug thun.
Derhalben so offt wir reden von dem Glauben / der gerecht machet / oder fide iustificante, So sind allzeit diese drey Stück oder
obiecta bey einander / Erstlich / die Göttlich
Verheissung / Zum andern / daß dieselbige vmb sonst / ohn Verdienst / Gnade
anbeutet / Für das dritte / daß CHristi Blut vnd Verdienst der Schatz ist /
durch welchen die Sünde bezahlet ist. Die Verheissung wird durch den Glauben
empfangen / daß sie aber ohne verdienst Gnade anbeut / Da gehet alle vnser
Wirdigkeit / vnd Verdienst vnter / vnd zu beden / Vnd wird gepreiset / die Gnad
/ vnd gros Barmhertzigkeit. Der Verdienst Christi aber / ist der Schatz / denn
es muß je ein Schatz vnd edles Pfand seyn / dadurch die Sünde aller Welt bezalt
seyn.
Die gantze Schrifft Alts vnd Newes Testaments / wenn sie
|| [183]
von Gott / vnd Glauben redet / brauchet viel dieses Worts / Güte /
Barmhertzigkeit / Misericordia, Vnd die heiligen Väter /
in allen jhren Büchern / sagen alle / daß wir durch Gnade / durch Güte / durch
Vergebung selig werden. So offt wir nun das Wort / Barmhertzigkeit / in der
Schrifft / oder in den Vätern finden / sollen wir wissen / Daß da vom Glauben
gelehret wird / Der die Verheissung solcher Barmhertzigkeit fasset. Wiedernmb /
So offt die Schrifft vom Glauben redet / Meinet sie den Glauben / der auff
lauter Gnade bawet / Denn der Glaub nicht darumb für GOtt from vnd gerecht macht
/ daß er an jhm selbs vnser Werck / vnd vnser ist / sondern allein darumb / daß
er die verheissen angeboten Gnade / ohne Verdienst / aus reichem Schatz /
geschenckt nimpt.
Vnd solcher Glaub vnd vertrawen auff GOttes Barmhertzigkeit / wird als der gröste
/ heiligste Gottesdienst gepreiset / Sonderlich in Propheten / vnd Psalmen. Denn
wiewol das Gesetz nicht vornemlich predigt / Gnade vnd Vergebung der Sünde / wie
das Euangelium / So sind doch die Verheissung von dem künfftigen Christo / von
einem Patriarchen auff den andern geerbet / Vnd haben gewust / auch gegleubt /
daß GOTT durch den benedeieten Samen durch Christum / wolt Segen / Gnad / Heyl /
vnd Trost geben.
Darumb / so sie verstunden / daß Christus solt der Schatz seyn / dadurch vnser
Sünde bezahlet werden / haben sie gewust / daß vnsere Wercke / ein solche grosse
Schuld nicht bezahlen könten. Darumb haben sie Vergebung der Sünde / Gnade vnd
Heyl / ohn alle Verdienst empfangen / vnd durch den Glauben / an die Göttlich
Verheissung / an das Euangelium von Christo / selig worden / Als wol als wir /
oder die Heiligen im Newen Testament.
Daher kömpts daß diese wort / Barmhertzigkeit / Güte / Glaube so offt in Psalmen
vnd Propheten wiederholet werden. Als im 130. Psalm: So du wilt HErr acht haben
auff Missethat / HErr wer wird bestehen? Da bekennet Dauid seine Sünde / rhümet
nicht viel Verdienst / Sagt auch weiter: Denn bey dir ist Vergebung / daß man
dich fürchte / Da fület er wieder Trost / Vnd verlesst sich auff Gnade vnd
Barmhertzigkeit / verlesst sich auff die Göttliche Zusage / Vnd spricht: Meine
Seele harret des HErrn / vnd ich warte auff sein Wort / Vnd aber: Meine Seele
wartet doch auff den HErrn / das ist / Dieweil du verheissen hast Vergebung der
Sünde / So halt ich mich an die Zusage / So verlasse vnd wage ich mich auff die
gnedige Verheissung / Darumb werden die heiligen Patriarchen
|| [ID00394]
für Gott from vnd heilig / auch nicht durchs Gesetz / Sondern durch Gottes
Zusage / vnd den Glauben.
Vnd solt warlich jederman sich hoch verwundern / Warumb die Wiedersacher doch so
wenig / oder gar nichts vom Glauben lehren / So sie doch sehen gar nahe in allen
Syllaben der Bibel / Daß der Glaube für den allerhöchsten / edelsten /
heiligsten / grösten / angenemsten / besten Gottesdienst gelobet / vnd gepreiset
wird / Also saget er im 49. Psalm: Ruff mich an in der zeit der Noth / vnd Ich
wil dich erretten. Also nu vnd durch diese Weis wil Gott vns bekant werden /
Also wil er geehret seyn / daß wir von jhm Gnade / Heyl / alles Gut nehmen / vnd
entpfahen sollen / Vnd nemlich / aus Gnaden / nicht vmb vnsers Verdiensts
willen.
Dieses Erkentniß ist gar ein Edel Erkentniß / vnd ein großmechtiger Trost in
allen Anfechtungen / Leiblichen / Geistlichen / Es kom zu Sterben / oder zu
Leben / wie fromme Hertzen wissen. Vnd denselbigen edlen / thewren / gewissen
Trost / rauben vnd nehmen die Wiedersacher den armen Gewissen / wenn sie vom
Glauben so kalt / so verechtlich reden / Vnd lehren dagegen / mit Gott der hohen
Majestat / durch vnser Elend bettelisch Werck vnd Verdienst handeln.
Das der Glaube an Christum gerecht macht.
FVr das erst / daß niemands gedencke / wir reden von einem schlechten wissen oder
Erkentniß der Historien / von Christo / So müssen wir erstlich sagen / Wie es
zugehet / wie ein Hertz anfehet zu gleuben / wie es zum Glauben kömpt. Darnach
wollen wir anzeigen / daß derselbig Glaube für Gott from macht / vnd wie das zu
verstehen sey / Vnd wollen der Wiedersacher Gründe / eigentlich / klar / vnd
gewiß ablehnen. Christus befiehlet Lutae am letzten / zu predigen Bus vnd
Vergebung der Sünde. Das Euangelium auch straffet alle Menschen / Daß sie in
Sünden geborn seyn / Vnd
|| [184]
daß sie alle schüldig des
ewigen Zorns vnd Tods seyn / Vnd beutet jhnen an / Vergebung der Sünde vnd
Gerechtigkeit / durch Christum / vnd dieselbige Vergebung / Versünung / vnd
Gerechtigkeit / wird durch den Glauben empfangen.
Denn die Predigt von der Bus / oder die Stimme des Euangelij / Bessert euch /
thut Bus / Wenn sie recht in die Hertzen gehet / erschrecket sie die Gewissen /
vnd ist nicht ein Schertz / sondern ein gros schrecken / da das Gewissen sein
Jammer vnd Sünde / vnd GOttes Zorn fület. In dem erschrecken sollen die Hertzen
wieder Trost suchen / Das geschicht / wenn sie gleuben an die Verheissung von
Christo / daß wir durch jhnen vergebung der Sünde haben. Der Glaub / welcher in
solchem zagen vnd schrecken / die Hertzen wieder auffrichtet / vnd tröstet /
empfehet vnd empfindet Vergebung der Sünde / macht gerecht vnd bringt Leben /
denn derselbe starcke Trost / ist ein new Geburt / vnd ein new Leben.
Dieses ist je einfeltig / vnd klar geredt / so wissen fromme Hertzen / daß es
also ist / so sind die Exempel / daß es mit allen Heiligen so gangen / von
anbegin in der Kirchen vorhanden / wie an der Bekehrung Pauli vnd Augustini zu sehen ist. Die Wiedersacher haben nichts
gewisses / können nirgend recht sagen / oder verstendlich dauon reden / wie der
heilig Geist geben wird. Sie ertichten jhnen eigen Trewme / daß durch schlecht
leiblich empfahen / vnd brauchen der Sacrament / ex opere
operato, die Leute Gnad erlangen / vnd den heiligen Geist empfahen /
wenn schon das Hertz gar nicht dabey ist / Gleich als sey das Liecht des
Heiligen Geists so ein schlecht / schwach / nichtig ding.
So wir aber von einem solchen Glauben reden / welcher nicht ein müssiger Gedanck
ist / Sondern ein solch new Liecht / Leben / vnd Krafft im Hertzen / Welche
Hertz / Sinn / vnd Muth vernewert / ein andern Menschen / vnd new Creatur aus
vns macht / Nemlich / ein new Liecht / vnd Werck des heiligen Geists / So
verstehet ja menniglich / daß wir nicht von solchem Glauben reden / dabey
Todsünde ist / wie die Wiedersacher vom Glauben reden / Denn wie wil Liecht vnd
Finsterniß bey einander seyn? Denn der Glaube / wo er ist / vnd dieweil er da
ist / gebiert er gute Frucht / Wie wir darnach sagen wollen.
Dieses ist je mit klaren deutlichen einfeltigen worten geredt / wie es zugehet /
wenn ein Sünder recht sich bekehret / Was die newe Geburt sey oder nicht sey.
Trotz nun geboten allen den Sententiarijs, ob sie vnter
den vnzehlichen Commenten / Glossen / vnd Schriben
|| [ID00396]
ten /
vber Sententiarum einen können fürbringen / der ein
Wörtlin / ein Tittel recht dauon setzet / Wie es zugehet / wenn ein Sünder
bekehret wird. Wenn sie von der Liebe reden / Oder wenn sie von jhrem Habitu dilectionis reden / so bringen sie wol jhre
Trewme für / daß denselbigen Habitum die Leute verdienen
/ durch jhre Werck / reden aber gar nichts von Gottes Verheissung / oder Wort /
wie auch zu dieser zeit die Wiederteuffer lehren.
Nu kan man mit Gott doch je nicht handeln / So lesst sich Gott nicht erkennen /
suchen / noch fassen / denn allein im Wort / vnd durchs Wort / wie Paulus sagt:
Das Euangelium ist ein Krafft Gottes / allen die daran Gleuben. Item / zu den
Römern am 10. Der Glaub ist aus dem Gehör. Vnd aus dem allein solt je klar gnug
seyn / Daß wir allein durch den Glauben für Gott from werden / Denn so wir
allein durchs Wort Gottes / zu Gott kommen / vnd gerecht werden / Vnd das Wort
kan niemand fassen / denn durch den Glauben / So folget / daß der Glaub gerecht
macht / Doch sind andere Vrsachen / die sich zu dieser Sache besser reimen.
Dieses hab ich bißher gesagt / daß ich anzeige / wie es zugehet / wie wir new
geborn werden / Vnd daß man verstehen möcht / was der Glaub ist / oder nicht ist
/ dauon wir reden.
Nu wollen wir anzeigen / daß derselbige Glaube / vnd sonst nichts vns für Gott
gerecht macht / Vnd erstlich wil ich dieses hie den Leser verwarnen / gleich wie
dieser Spruch muß vnd sol stehen bleiben / vnd kan jhn niemands vmbstossen:
Christus ist vnser einiger Mittler / Also kan auch diesen Spruch niemand
vmbstossen / Durch den Glauben werden wir rechtfertig / on werck. Denn wie wil
Christus der Mittler seyn / vnd bleiben / Wenn wir nicht durch den Glauben vns
an Ihn halten / als an Mittler / vnd also Gott versünet werden / wenn wir nicht
gewiß im Hertzen halten / daß wir vmb seinet willen für Gott gerecht geschetzt
werden? Das heist nun gleuben / also vertrawen / also sich trösten des
Verdiensts Christi / daß vmb seinet willen Gott gewiß / vns wölle gnedig seyn.
Item / wie dieses klar in der Schrifft ist / daß vber das Gesetz zur Seligkeit
noth ist / die Verheissung Christi / Also ist auch klar / daß der Glaub gerecht
macht / denn das Gesetz prediget nicht Vergebung der Sünde aus Gnaden / Item /
das Gesetz können wir nicht erfüllen / noch halten / ehe wir den heiligen Geist
empfahen.
Darumb muß das bestehen / daß zur Seligkeit / die Verheissung Christi von nöthen
ist / Dieselbigen kan nun niemands fassen / noch
|| [185]
empfahen / denn allein durch den Glauben. Darumb die jenigen / so lehren / daß
wir nicht durch den Glauben für GOTT gerecht / vnd from werden / Was thun die
anders / denn daß sie Christum vnd das Euangelium vnterdrücken / vnd das Gesetz
lehren.
Aber etlich / wenn man sagt / der Glaub macht rechtfertig für GOtt / verstehen
solchs vielleicht vom anfang / Nemlich / daß der Glaub sey nur der anfang / oder
ein Vorbereitung zu der Rechtfertigung / Also / daß nicht der Glaub selbs dafür
gehalten werden sol / daß wir dadurch GOTT gefallen / vnd angenehm sind /
Sondern daß wir GOtt angenehm sind / von wegen der Lieb vnd Werck / so folgen /
Nicht von wegen des Glaubens. Vnd solche meynen / der Glaub werde allein
derhalben gelobet in der Schrifft / daß er ein anfang sey guter Werck / Wie denn
allzeit viel am Anfang gelegen ist. Diß aber ist nicht vnser Meinung / Sondern
wir lehren also vom Glauben / daß wir durch den Glauben / selbst für GOtt
angenehm sind.
Vnd nach dem das wort Iustificari auff zweyerley weis
gebraucht wird / Nemlich / für bekehret werden / oder new geborn / Item / für
gerecht geschetzt werden. Wollen wir das erst anzeigen / daß wir allein durch
den Glauben / aus dem Gottlosen wesen bekehret / new geborn / vnd gerecht
werden.
Etlich fechten gros an / das wort (Sola,) So doch Paulus
klar sagt / zu den Römern am 3. So halten wir nu / daß der Mensch gerecht werde
/ ohn des Gesetzs Werck. Item / Ephes. 2. Gottes Gabe ist es / nicht aus euch /
noch aus den Wercken / Auff daß sich nicht jemand rhüme. Item / Roman. am 3.
dergleichen.
So nu dieses wort vnd diese exclusiua (Sola) etlichen so
hart entgegen ist / so vbel gefellet / die mögen an so viel örten in den
Episteln Pauli auch diese Wort außkratzen / aus Gnaden / Item / nicht aus
Wercken / Item / Gottes Gabe / etc. Item / daß sich niemands rhüme / etc. vnd
dergleichen / Denn es sind gantz starcke exclusiuae. Das
Wort (aus Gnaden) schleust / Verdienst vnd alle Wercke aus / wie die Namen
haben.
Vnd durch das Wort (Sola) so wir sagen / Allein der Glaub
machet from / schliessen wir nicht aus das Euangelium / vnd die Sacrament / Daß
darumb das Wort vnd Sacrament solten vergeblich seyn / So es der Glaub allein
thut / wie die Wiedersacher vns alles gefehrlich deuten / Sondern vnsern
Verdienst daran schliessen wir aus / Denn wir haben oben gnug gesagt / Daß der
Glaub durchs Wort kömpt / So preisen wir das Predigampt vnd
|| [ID00398]
Wort / höher vnd mehr / denn die Wiedersacher / So sagen wir auch / die Liebe
vnd Werck sollen dem Glauben folgen.
Darumb schliessen wir die Werck durchs Wort (Sola) nicht
also aus / daß sie nicht folgen solten / Sondern das Vertrawen auff Verdienst /
auff Wercke / das schliessen wir aus / vnd sagen / Sie verdienen nicht Vergebung
der Sünden / Vnd das wollen wir noch richtiger / heller / vnd klerer zeigen.
Das wir Vergebung der Sünde (allein) durch den Glauben an Christum erlangen.
WIr halten / die Wiedersacher müssen bekennen / daß vor allen dingen zu der
Rechtfertigung von nöthen sey / Vergebung der Sünde / Denn wir sind alle vnter
der Sünde geborn / darumb so schliessen wir nun also.
Vergebung der Sünden erlangen / vnd haben / dasselbig heisst für Gott gerecht /
vnd from werden / Wie der 31. Psalm saget: Wol dem / dem die Vbertretung
vergeben ist.
Allein aber durch den Glauben an Christum / Nicht durch die Liebe / Nicht vmb der
Liebe oder Werck willen / erlangen wir Vergebung der Sünde / wiewol die Liebe
folget / wo der Glaube ist.
Derhalben muß folgen / daß wir allein durch den Glauben gerecht werden / Denn
gerecht werden / heisset ja / aus einem Sünder from werden / vnd durch den
heiligen Geist new geborn werden. Daß wir aber allein durch den Glauben (wie die
Minor meldet) Nicht durch die Liebe Vergebung der
Sünden erlangen / wöllen wir jetzund klar machen.
Die Wiedersacher reden Kindisch von diesen hohen dingen / sie fragen / ob es
einerley verenderung sey / Vergebung der Sünde / vnd Eingiessung der Gnade /
oder ob es zwo seyn. Die müssigen / vnerfahrnen Leute können doch gar nicht von
diesen Sachen reden / Den̅ Sünde recht fülen / vnd Gottes Zorn /
ist nicht so ein schlecht / schleffe
|| [186]
rig ding /
Wiederumb / Vergebung der Sünde ergreiffen / ist nicht so ein schwacher Trost.
Denn also sagt Paulus 1. Corinth. 15. Der Stachel des Todes ist die Sünde / Die
Krafft aber der Sünde ist das Gesetz / Gott aber sey Lob / der vns gibt
vberwindung durch JEsum Christum vnsern HERRN. Das ist / die Sünde erschreckt
das Gewissen / das geschicht durchs Gesetz / welchs vns GOttes Ernst vnd Zorn
zeigt / wieder die Sünde / Aber wir ligen ob durch Christum / Wie geschicht das?
Wenn wir gleuben / Wenn vnser Hertzen wieder auffgericht werden / vnd sich
halten an die Verheissung der Gnade durch Christum / So beweisen wir nu dieses
also / daß wir durch den Glauben an Christum / vnd nicht durch Werck / Vergebung
der Sünde erlangen / Nemlich / Gottes Zorn kan nicht versünet / noch gestilt
werden durch vnser Wercke / Sondern allein Christus ist der Mittler / vnd
Versüner / Vnd vmb seinet willen allein / wird vns der Vater gnedig.
Nun kan Christum niemands / als einen Mittler fassen durch Wercke / sondern
allein daß wir dem Wort gleuben / welchs jhnen als ein Mittler prediget.
Darumb erlangen wir allein durch den Glauben Vergebung der Sünde / wenn vnser
Hertz getröstet / vnd auffgerichtet wird / durch die Göttliche Zusage / welche
vns vmb Christus willen angeboten wird. Item / Paulus zu den Römern am 5. Durch
Ihnen haben wir ein zugang zum Vater / vnd sagt klar dazu / durch den Glauben.
Also werden wir nun / vnd nicht anders / dem Vater versünet / Also erlangen wir
Vergebung der Sünde / Wenn wir auffgericht werden / fest zu halten an der Zusage
/ da vns Gnad vnd Barmhertzigkeit verheissen ist durch Christum.
Die Wiedersacher / die verstehen dieses vom Mittler vnd Versüner Christo also /
daß Christus vns verdiene die Liebe / oder den Habitum
dilectionis, Vnd sagen nicht / daß wir jhnen als einen einigen Mittler
brauchen müssen / Sondern stecken Christum wieder ins Grab / ertichten ein
anders / als haben wir ein Zutrit durch vnser Werck / Item / als verdienen wir
durch Werck den Habitum, vnd können darnach durch die
Liebe zu Gott kommen.
Das heist je Christum wider ins Grab stecken / vnd die gantze Lehre vom Glauben
wegnemen / Dagegen aber lehret Paulus klar / daß wir ein zutrit haben / das ist
/ Versünung Gottes durch Christum / Vnd daß er anzeige / wie dasselbige geschehe
/ So setzet er dazu /
|| [ID00400]
Durch den Glauben haben wir den Zutrit
/ Durch den Glauben empfahen wir Vergebung der Sünde / aus dem Verdienst Christi
/ vnd können Gottes Zorn nicht stillen / denn durch Christum / So ist leicht zu
verstehen / daß wir nicht Vergebung verdienen durch vnser Werck oder Liebe.
Zum andern ists gewiß / das die Sünde vergeben werden / vmb des Versüners Christi
willen / Rom. 3. Welchen Gott dargestellet hat / zu einem Gnadenstuel / oder zu
einem Versüner / Vnd setzt klar dazu / durch den Glauben. So wird vns der
Versüner nu also nütz / Wenn wir durch den Glauben fassen das Wort / dadurch
verheissen wird Barmhertzigkeit / Vnd dieselbigen halten gegen Gottes Zorn / vnd
Vrtheil. Vnd dergleichen stehet geschrieben / Ebre. 4. Wir haben einen
Hohenpriester Christum / etc. Lasst vns zu jhm treten mit Freidigkeit. Er heist
vns zu Gott treten / nicht im vertrawen vnserer Werck / Sondern im vertrawen
auff den Hohenpriester Christum / Derhalben foddert er je klar den Glauben.
Für das dritte / Petrus Actor. 10. sagt: Dem Jesu geben Zeugniß alle Propheten /
daß wir Vergebung der Sünde durch seinen Namen erlangen sollen / alle / die in
jhn gleuben. Wie hette doch Petrus klerer können reden / Er sagt / Vergebung der
Sünd empfahen wir durch seinen Nahmen / das ist / durch jhn erlangen wir sie /
Nicht durch vnser Verdienst / Nicht durch vnser Rew oder Attrition / Nicht durch
vnser Liebe / Nicht durch eigenen Gottesdienst / Nicht durch eigen Menschen
Satzung / oder Wercke / vnd setzet dazu / wo wir in Ihn gleuben.
Derhalben wil er / daß ein Glaub im Hertzen sey / darumb saget er / Es zeugen mit
einem Mund von dem Christo alle Propheten. Das meyn ich / heist recht die
Christliche Kirchen / oder Catholick Kirche allegiert. Denn wenn alle Propheten
zeugen / das ist je ein herrlich / gros / trefflich / starck Decret / vnd
Zeugniß. Aber von dem Spruch wöllen wir darunden weiter reden.
Zum vierden / Vergebung der Sünde ist verheissen vmb Christus willen / Darumb kan
sie niemands erlangen / denn allein durch den Glauben. Denn die Verheissung kan
man nicht fassen / noch derselben theilhafftig werden / denn allein durch den
Glauben / Roman. 4. Derhalben muß die Gerechtigkeit durch den Glauben kommen /
Auff daß sie sey aus Gnaden / vnd die Verheissung fest bleibe. Gleich als solt
er sagen / So vnser Heyl vnd Gerechtigkeit auff vnserm Verdienst stünde / so
were die Verheissung Gottes jmmer noch vngewiß / vnd were vns vnnütz / denn wir
könten nimmer des gewiß
|| [187]
seyn / Wenn wir gnug
verdienet hetten. Vnd dieses verstehen from̅e Hertzen vnd
Christliche Gewissen fast wol / nemen nit tausent Welt / daß vnser Heyl auff vns
stünde. Damit stimpt Paulus zun Galat. 3. Gott hat alles vnter der Sünde
beschlossen / daß die Verheissung auß dem Glauben Jesu Christi / den Gleubigen
wiederfahre. Da stösst Paulus allen vnsern Verdienst danider / Denn er sagt /
Wir sind alle schüldig des Todes / vnd vnter der Sünde beschlossen / Vnd
gedenckt der Göttlichen Zusage / Dadurch wir allein Vergebung der Sünde erlangen
/ Vnd setzt noch weiter dazu / Wie wir der Verheissung theilhafftig werden /
Nemlich / durch den Glauben. Vnd dieser Grund / dieses Arguments / da Paulus aus
art vnd Natur / der Göttlichen Verheissung schleust / Nemlich also / So Gottes
Verheissung gewis seyn / vnd fest stehen sol / wie sie nicht fehlen kan / So muß
Vergebung der Sünde nicht auß vnserm Verdienst seyn / sonst were sie vngewis /
vnd wüsten nicht / wenn wir gnug verdienet hetten. Ja diß Argument / sage ich /
vnd der Grund / ist ein rechter Fels / vnd fast das sterckste im gantzen Paulo /
vnd wird gar offt erholet / vnd angezogen in allen Episteln.
Es wird auch nimmermehr auff Erden ein Mensch etwas trachten / vnd tichten / oder
erdencken / dadurch der einig Grund allein / wen̅ sonst nichts
were / müge vmbgestossen werden. Es werden auch fromme Hertzen / vnd Christliche
Gewissen sich in keinem weg lassen hieuon abfüren / Nemlich / daß wir allein
durch den Glauben vmb Christus Verdiensts willen / Vergebung der Sünde haben /
denn da haben sie ein gewissen / starcken / ewigen Trost / wieder die Sünde /
Teuffel / Tod / Helle / Das ander alles ist ein Sandgrund / vnd bestehet nicht
in Anfechtungen.
So wir nu allein durch den Glauben / vergebung der Sünde erlangen / vnd den
heiligen Geist / so macht allein der Glaub für Gott from. Denn die jenigen / So
mit Gott versünet sind / die sind für Gott from / vnd Gottes Kinder / Nicht vmb
jhrer Reinigkeit willen / Sondern vmb Gottes Barmhertzigkeit willen / So sie
dieselbigen fassen / vnd ergreiffen / durch den Glauben.
Darumb zeuget die Schrifft / daß wir durch den Glauben für Gott from werden. So
wollen wir nu Sprüche erzelen / Welche klar melden / daß der Glaube from vnd
gerecht mache / Nicht derhalben / daß vnser gleuben ein solch köstlich / rein
Werck sey / Sondern allein derhalben / daß wir durch gleuben / vnd sonst mit
keinem ding / die angebotene Barmhertzigkeit empfahen.
Paulus in der Epistel zu den Römern / handelt fürnemlich die
|| [ID00402]
ses stück / Wie ein Mensch für Gott from werde / vnd beschleust / daß
alle / die da gleuben / daß sie durch Christum ein gnedigen Gott haben / ohn
verdienst / durch den Glauben / für Gott from werden. Vnd diesen gewaltigen
Beschluß / diese Proposition / in welcher gefasset ist die Heuptsache der
gantzen Episteln / ja der gantzen Schrifft / setzet er im dritten Capittel mit
dürren klaren worten also.
So halten wir es nu / daß der Mensch gerecht werde / ohn des Gesetzes Werck /
allein durch den Glauben.
DA wöllen die Wiedersacher sagen / Paulus habe außgeschlossen allein die
Jüdischen Ceremonien / nicht andere tugentliche Wercke. Aber Paulus redet nicht
allein von Ceremonien / sondern eigentlich / gewis redet er auch von allen
andern Wercken / vnd von dem gantzen Gesetze / oder zehen Geboten. Denn im 7.
Cap. hernach zeuhet er an / den Spruch auß den zehen Geboten / Las dich nicht
gelüsten. Vnd so wir durch andere Werck / welche nicht Jüdische Ceremonien weren
/ köndten Vergebung der Sünde erlangen / vnd dadurch Gerechtigkeit verdienen /
Was were denn Christus vnd sein Verheissung von nöten. Da lege schon danider /
alles was Paulus von der Verheissung an so viel Orten redet. So schriebe auch
Paulus vnrecht zu den Ephesern / da er sagt / Ohn Verdienst / vmb sonst / seyd
jhr selig worden / denn GOttes Gabe ists / nicht auß Wercken. Item / Paulus
zeucht an in der Epistel zu den Römern / Abraham vnd Dauid / dieselbigen hatten
ein Befehl vnd GOttes Gebot / von der Beschneidung / so nu jrgend ein Werck für
Gott from machet / So müsten je die Wercke / die dazumal Gottes befehl hatten /
auch gerecht vnd from gemacht haben.
Aber Augustinus der lehret klar / daß Paulus von dem
gantzen Gesetz rede / wie er denn nach der lenge solchs disputiert / de Spiritu & Litera von dem Geist vnd Buchstaben
/ da er zu letzt saget / so wir nu dieses stück / nach vermögen / das Gott
verlihen hat / bewogen / vnd gehandelt haben / so schliessen wir / daß kein
Mensch from wird durch Gebot eines guten Lebens / sondern durch den Glauben Jesu
Christi.
Vnd daß niemands dencken darff / als sey Paulo dieses Wort (der Mensch wird
gerecht / allein durch den Glauben) entfahren / so führet er das nach der lenge
aus / im vierden capittel zu den Römern / vnd erholet solchs in allen seinen
Episteln / denn also sagt er am vier
|| [188]
den
Capittel: Dem / der mit Wercken vmbgehet / wird der Lohn nicht aus Gnaden
zugerechnet / sondern aus Pflicht / dem aber / der nicht mit Wercken vmbgehet /
gleubet aber an den / der die Gottlosen gerecht macht / dem wird sein Glaub
gerechnet zur Gerechtigkeit.
So ists nu aus den Worten klar / daß der Glaub / das ding vnd das Wesen ist /
welches er GOttes Gerechtigkeit nennet / vnd setzet dazu / Sie werde aus Gnaden
zugerechnet / vnd sagt / Sie köndt vns aus Gnaden nicht zugerechnet werden / so
Werck oder Verdienst da weren. Darumb schleust er gewißlichen aus allen
Verdienst / vnd alle Wercke / Nicht allein Jüdischer Ceremonien / sondern auch
alle andere gute Werck. Denn so wir durch dieselben Werck from würden für GOtt /
so würde vns der Glaub nicht gerechnet zur Gerechtigkeit / ohn alle Werck / wie
doch Paulus klar sagt / Vnd hernach spricht er: Vnd wir sagen / daß Abraham sein
Glaub ist gerechnet zur Gerechtigkeit. Item / Roman. Cap. 5. Nun wir denn sind
gerecht worden durch den Glauben / so haben wir Friede mit GOTT / durch vnsern
HErrn JEsum Christ / das ist / Wir haben fröliche / stille Gewissen für Gott.
Roman. 10. So man von Hertzen gleubt / so wird man gerecht. Da nennet er den
Glauben / die Gerechtigkeit des Hertzen. Zu den Galat. am 2. So gleuben wir auch
an Christum Jesum / Auff daß wir gerecht werden / durch den Glauben an Christum
/ Vnd nicht durchs Gesetzes Werck.
Ephes. 2. Denn aus Gnaden seyd jhr selig worden / durch den Glauben / vnd
dasselbig nicht aus euch / Gottes Gab ist es / nicht aus Wercken / auff daß sich
niemands rhüme.
Johan. 1. Denen gab er macht Kinder Gottes zu werden / die da an seinen Nahmen
gleuben / welche nicht von dem Geblüt / noch von dem Willen des Fleisches / noch
von dem Willen des Mannes / Sondern von Gott geborn seyn.
Johan. 3. Wie Moses in der Wüsten ein Schlangen erhöhet hat / Also muß des
Menschen Sohn auch erhöhet werden / Auff daß alle / die an jhn gleuben / nicht
verlohren werden.
Item / Gott hat seinen Sohn nicht gesand in die Welt / daß Er die Welt richte /
sondern daß die Welt durch Ihn selig werde / wer an jhn gleubt / der wird nicht
gericht.
Actor. 13. So sey es nun euch kund / lieben Brüder / daß euch verkündiget wird /
Vergebung der Sünde / vnd von dem allem / durch welchs jhr nicht könnet im
Gesetz Mosi gerecht werden / wer aber an diesen gleubet / der ist gerecht. Wie
hette er doch klerer reden können /
|| [ID00404]
von dem Reich Christi /
vnd von der Rechtfertigung? Er sagt / das Gesetz habe nicht können jemands
gerecht machen / Vnd sagt / Darumb sey Christus gegeben / daß wir gleuben / daß
wir durch Ihn gerecht werden. Mit klaren Worten sagt er: Das Gesetz kan niemands
gerecht machen / Darumb wird vns durch Christum Gerechtigkeit zugerechnet / wenn
wir gleuben / daß vns Gott durch Ihn gnedig ist.
Actor. 4. Das ist der Stein von euch Bawleuten verworffen / der zum Eckstein
worden ist / vnd ist in keinem andern Heyl / Vnd ist auch kein ander Nahme den
Menschen gegeben / darinnen wir sollen selig werden.
An den Namen aber Christi kan ich nicht anders gleuben / denn daß ich höre
predigen den verdienst Christi / vnd solchs fasse. Derhalben durch gleuben an
den Namen Christi / vnd nicht durch vertrawen auff vnser Werck / werden wir
selig. Denn das Wort (Nahme) an dem ort / bedeut vrsach / dadurch vnd darumb das
Heyl kömpt. Darumb den Namen Christi rhümen oder bekennen / ist als viel / als
vertrawen auff den / der Christus allein ist / vnd heist / daß der Causa meins Heyls vnd Schatzs sey / dadurch ich erlöset
bin.
Actor. 15. Durch den Glauben reiniget er jhre Hertzen / darumb ist der Glaub / da
die Aposteln von reden / nicht ein schlecht Erkentniß der Historien / sondern
ein starck krefftig Werck des heiligen Geists / das die Hertzen verendert.
Abacuc. 1. Der Gerecht lebet seines Glaubens / Da sagt er erstlich / daß der
Gerecht durch den Glauben gerecht wird / so er gleubt / daß Gott durch Christum
gnedig sey. Zum andern sagt er / daß der Glaub lebendig macht / denn der Glaub
bringet allein den Hertzen vnd Gewissen / Fried vnd Frewd / vnd das ewige Leben
/ welchs hie in diesem Leben anfehet.
Esa. 53. Sein Erkentniß wird viel gerecht machen. Was ist aber das Erkentniß
Christi / denn sein Wolthat kennen vnd sein Verheissung / die Er in der Welt hat
geprediget / vnd predigen lassen? Vnd die Wolthat kennen / das heist an Christum
warlich gleuben / Nemlich / gleuben das / was Gott durch Christum verheissen hat
/ daß Er das gewiß geben wölle. Aber die Schrifft ist vol solcher Sprüche / vnd
Zeugniß. Denn diese zwey Stück handelt die Schrifft / Gesetz Gottes / vnd
Verheissung Gottes. Nun reden die Verheissung von Vergebung der Sünde / vnd
Gottes Versünung durch Christum.
Vnd bey den Vätern findet man auch viel der Sprüche / denn auch Ambrosius zu Irenaeo schreibt:
Die gantze Welt aber / wird dar
|| [189]
umb Gott
vnterthan / vnterworffen durchs Gesetz / denn durch das Gebot des Gesetzes /
werden wir alle angeklagt / aber durch die werck des Gesetzes wird niemands
gerecht / denn durch das Gesetz wird die Sünde erkand / Aber die Schuld wird
auffgelöset durch den Glauben / vnd es scheinet wol / als hette das Gesetz
schaden gethan / denu es alle zu Sündern gemacht hat / Aber der HErr Christus
ist kommen / vnd hat vns die Sünde / welche niemands kund meiden / geschenckt /
vnd hat die Handschrifft durch vergiessen seines Bluts außgelescht / vnd das ist
/ das Paulus sagt zu den Römern am 5. Cap. Die Sünde ist mechtig worden durchs
Gesetz / aber die Gnade ist noch mechtiger worden durch JEsum.
Denn dieweil die gantze Welt ist schüldig worden / so hat Er der gantzen Welt
Sünde weggenommen / wie Johannes zeugt: Siehe / das ist das Lamb Gottes / welchs
der Welt Sünde wegnimpt. Vnd darumb sol niemands seiner Werck sich rhümen / denn
durch sein eigen thun wird niemands gerecht / Wer aber gerecht ist / dem ists
geschencket in der Tauff in Christo / da er ist gerecht worden. Denn der Glaub
ist / der vns los macht durch das Blut Christi / Vnd wol dem / welchem die Sünde
vergeben wird / vnd Gnad wiederfehret.
Diese sind Ambrosij klare Wort / die doch gantz
öffentlich mit vnser Lehre auch stimmen / Er sagt / daß die Werck nicht gerecht
machen / vnd sagt / daß der Glaub vns erlöse / durch das Blut Christi. Wenn man
alle Sententiarios vber einen hauffen zusammen
schmeltzet / die doch grosse Titel führen / denn etliche nennen sie Engelisch /
Angelicos, etliche Subtiles,
etliche Irrefragabiles, das ist / Doctores die nicht jrren können / vnd wenn man sie alle lese / so
werden sie alle mit ein nicht so nütz seyn / Paulum zu verstehen / als der
einige Spruch Ambrosij.
Auff die meinung hat auch Augustinus viel wieder die
Pelagianer geschrieben / Vnd de Spiritu & Litera
sagt er also: Darumb wird vns das Gesetz / vnd sein Gerechtigkeit fürgehalten /
daß / wer sie thut / dadurch lebe / vnd daß ein jeder / so er sein Schwacheit
erkennet / zu GOTT / welcher allein gerecht macht / komme / Nicht durch sein
eigen Krefft / noch durch den Buchstaben des Gesetzes / welchen wir nicht
erfüllen können / Sondern durch den Glauben. Ein recht gut Werck kan niemands
thun / denn der zuuor selbs gerecht / from / vnd gut sey / Gerechtigkeit aber
erlangen wir allein durch den Glauben. Da sagt er klar / daß Gott / welcher
allein seliget / vnd heiliget / durch den Glauben versünet wird / vnd daß der
Glaub vns für Gott from vnd gerecht macht.
|| [ID00406]
Vnd bald hernach / auß dem Gesetz fürchten wir Gott / durch den Glauben / Hoffen
vnd Vertrawen wir in Gott / die aber die Straffe fürchten / denen wird die Gnade
verborgen / vnter welcher Furcht / wenn ein Mensch in Angst ist / etc. sol er
durch den Glauben fliehen zu der Barmhertzigkeit Gottes / daß er das jenig gebe
/ dazu Gnad verleihe / das er im Gesetz gebeutet. Da lehret er / daß durch das
Gesetz die Hertzen geschreckt werden / vnd durch den Glauben wieder Trost
empfahen.
Es ist warlich wunder / daß die Wiedersacher können so blind seyn / vnd so viel
klarer Sprüche nicht ansehen / Die da klar melden / daß wir durch den Glauben
gerecht werden / vnd nicht aus den Wercken. Wo dencken doch die armen Leute hin?
Meinen sie / daß die Schrifft ohn vrsachen einerley so offt mit klaren worten
erholet? Meinen sie / daß der heilig Geist sein Wort nicht gewis / vnd
bedechtlich setze / oder nicht wisse / was er rede?
Darüber haben die Gottlosen Leute ein Sophistisch Glos ertichtet / vnd sagen /
Die Sprüche der Schrifft / so sie vom Glauben reden / sind von fide formata zuuerstehen / das ist / sie sagen / der
Glaub machet niemands From oder Gerecht / den̅ vmb der Liebe oder
Werck willen. Vnd in Summa / nach jhrer meinung / So macht der Glaub niemands
Gerecht / Sondern die Liebe allein. Denn sie sagen / der Glaub könne neben einer
Todsünde seyn. Was ist das anders / denn alle zusage Gottes / vnd Verheissung
der Gnaden vmbgestossen / vnd das Gesetz vnd Werck geprediget?
So der Glaube vergebung der Sünde vnd Gnade erlanget / vmb der Liebe willen / so
wird die Vergebung der Sünde allzeit vngewis seyn / denn wir lieben Gott nimmer
so volkömlich / als wir sollen / Ja wir können Gott nicht lieben / denn das
Hertz sey erst gewiß das jhme die Sünde Vergeben seyn / Also / So die
Wiedersacher lehren / auff die liebe Gottes / die wir vermügen / vnd eigen Werck
vertrawen / Stossen sie das Euangelium / welchs Vergebung der Sünde prediget /
gar zu boden / so doch die Liebe niemands recht haben / noch verstehen kan / Er
gleube denn / daß wir auß Gnaden / vmb sonst / Vergebung der Sünde erlangen
durch Christum.
Wir sagen auch / daß die Liebe dem Glauben folgen sol / wie Paulus sagt / Galat.
5. In Christo Jesu ist weder Beschneidung noch Vorhaut etwas / sondern der Glaub
/ welcher durch die Liebe wircket. Man sol aber darumb auff die Liebe nicht
vertrawen / noch bawen / als erlangten wir vmb der Liebe willen / oder durch die
Liebe Vergebung der Sünde / vnd Versünung Gottes. Gleich wie wir
|| [190]
nicht Vergebung der Sünde erlangen / vmb anderer
Werck willen / die da folgen / sondern allein durch den Glauben. Denn die
Verheissung Gottes kan niemands durch Werck fassen / Sondern allein mit dem
Glauben. Vnd der Glaub eigentlich oder Fides propriè
dicta, ist / Wenn mir mein Hertz / vnd der heilig Geist im Hertzen sagt /
die Verheissung Gottes ist wahr vnd ja / von demselbigen Glauben redet die
Schrifft. Vnd dieweil der Glaub / ehe wir etwas thun oder wircken / nur jhm
schencken vnd geben lesset / vnd empfehet / So wird vns der Glaube zur
Gerechtigkeit gerechnet / wie Abraham / ehe wir lieben / ehe wir Gesetz thun /
oder einig Werck.
Wiewol es wahr ist / daß Frucht vnd Werck nicht aussen bleiben / vnd der Glaub
ist nicht ein blos schlecht Erkentniß der Historien / sondern ein new Liecht im
Hertzen / vnd krefftig Werck des heiligen Geistes / dadurch wir new geborn
werden / dadurch die erschrocken Gewissen wieder auffgericht / vnd Leben
erlangen. Vnd dieweil der Glaube allein Vergebung der Sünde erlangt / vnd vns
Gott angenehm macht / bringt er mit sich den heiligen Geist / vnd solt billicher
genent werden / Gratia gratum faciens, das ist / die
Gnad / die da angenehm macht / denn die Lieb / welche folgt.
Bis anher haben wir reichlich angezeigt / aus Sprüchen der Väter vnd der Schrifft
/ damit doch diese Sache klar würde / Daß wir allein durch den Glauben /
Vergebung der Sünde erlangen vmb Christus willen / vnd daß wir allein durch den
Glauben gerecht werden / Das ist / aus Vngerecht / From / Heilig / vnd new
geborn werden. Fromme Hertzen aber sehen hie / vnd mercken / wie gantz vberaus
hochnöthig diese Lehre vom Glauben ist / Denn durch die allein / lernt man
Christum erkennen / vnd seine Wolthat / vnd durch die Lehre / finden die Hertzen
vnd Gewissen allein / rechte / gewisse Ruhe vnd Trost. Denn sol ein Christliche
Kirche seyn / sol ein Christen Glaub seyn / So muß je ein Predigt vnd Lehre
darinne seyn / dadurch die Gewissen auff kein Wahn noch Sandgrund gebawet werden
/ Sondern darauff sie sich gewiß verlassen / vnd vertrawen mügen.
Darumb sind warlich die Wiedersacher / vntrewe Bischoffe / vntrewe Prediger / vnd
Doctores, haben bis anher den Gewissen vbel gerahten
/ vnd rahten jhnen noch vbel / daß sie solche Lehre führen / da sie die Leute
lassen im zweiffel stecken / vngewiß schweben / vnd hangen / Ob sie Vergebung
der Sünde erlangen / oder nicht. Denn wie ists müglich / daß die jenigen in
Todes nöthen / vnd letzten zügen vnd Engsten / bestehen solten / die diese
nöthige Lehre von Christo nicht
|| [ID00408]
gehöret haben / oder nicht
wissen / die da noch wancken / vnd in zweiffel stehen / ob sie Vergebung der
Sünde haben / oder nicht. Item / sol ein Christliche Kirche seyn / so muß je in
der Kirchen das Euangelium Christi bleiben / Nemlich diese Göttliche Verheissung
/ daß vns ohn Verdienst / Sünden vergeben werden / vmb Christus willen.
Dasselbig heilig Euangelium / drücken die jenigen gar vnter / die von dem
Glauben / dauon wir reden / gar nichts lehren.
Nu lehren noch schreiben die Scholastici, nicht ein Wort
/ nicht ein Tittel vom Glauben / welchs schrecklich ist zu hören / den folgen
vnser Wiedersacher / vnd verwerffen diese höchste Lehre vom Glauben / vnd sind
so verstockt vnd blind / daß sie nicht sehen / daß sie damit das gantze
Euangelium / die Göttliche Verheissung von der Vergebung der Sünde / vnd den
gantzen Christum / vnter die Füß treten.
Von der Liebe vnd Erfüllung des Gesetzes.
HIE werffen vns die Wiedersacher diesen Spruch für: Wiltu Ewig leben / so halt
die Gebot Gottes. Item / Roman. 2. Nicht die das Gesetz hören / werden gerecht
seyn / sondern die das Gesetz thun / vnd dergleichen viel vom Gesetz / vnd von
Wercken. Nu ehe wir darauff antworten / müssen wir sagen von der Liebe / vnd was
wir von Erfüllung des Gesetzes halten.
Es stehet geschrieben im Propheten: Ich wil mein Gesetz in jhr Hertz geben. Vnd
Roman. 3. sagt Paulus: Wir heben das Gesetz nicht auff durch den Glauben /
Sondern richten das Gesetz auff. Item / Christus sagt: Wiltu ewig leben / so
halt die Gebot. Item / zu den Corinthern sagt Paulus: So ich nicht die Liebe
habe / bin ich nichts. Diese / vnd dergleichen Sprüche zeigen an / daß wir das
Gesetz halten sollen / wenn wir durch den Glauben gerecht worden seyn / vnd also
je lenger je mehr / im Geist zunehmen. Wir reden aber hie nicht von Ceremonien
Moisi / sondern von den Zehen Geboten / welche von vns foddern / daß wir von
Hertzen grund Gott recht fürchten / vnd lieben sollen. Dieweil nu der Glaub mit
sich bringet den Heili
|| [191]
gen Geist / vnd ein new
Liecht vnd Leben im Hertzen wirckt / so ist es gewiß / vnd folget von noth / daß
der Glaub das Hertz vernewet vnd endert. Vnd was das für ein Newerung der
Hertzen sey / zeigt der Prophet an / da er sagt: Ich wil mein Gesetz in jhre
Hertzen geben.
Wenn wir nu durch den Glauben newgeborn seyn / vnd erkennet haben / daß vns Gott
wil gnedig seyn / wil vnser Vater / vnd Helffer seyn / So heben wir an / Gott zu
fürchten / zu lieben / jhm zu dancken / jhn zu preisen / von jhm alle Hülffe zu
bitten / vnd zu warten / jhm auch nach seinem willen in Trübsaln gehorsam zu
seyn. Wir heben als denn auch an den Nehesten zu lieben / da ist nun inwendig
durch den Geist Christi / ein new Hertz / Sinn vnd Muth.
Dieses alles kan nicht geschehen / ehe wir durch den Glauben gerecht werden / ehe
wir new geborn werden / durch den heiligen Geist. Denn erstlich kan niemands das
Gesetz halten / ohn Christus Erkentniß / So kan auch niemands das Gesetz
erfüllen / ohn den heiligen Geist. Den heiligen Geist aber können wir nicht
empfahen / den̅ durch den Glauben / wie zu den Galat. am 3. Paulus
sagt / Daß wir die Verheissung des Geistes durch den Glauben empfahen.
Item / Es ist vnmüglich / daß ein Menschen Hertz allein durch das Gesetz / oder
sein Werck / GOtt liebe. Denn das Gesetz zeigt allein an GOttes Zorn vnd Ernst /
das Gesetz klagt vns an / vnd zeigt an / wie er so schrecklich die Sünde
straffen wölle / beyde mit zeitlichen / vnd ewigen Straffen. Darumb was die Scholastici von der Liebe Gottes reden / ist ein Trawm /
vnd ist vnmüglich GOtt zu lieben / ehe wir durch den Glauben die Barmhertzigkeit
erkennen / vnd ergreiffen / Denn / alßdenn erst wird Gott obiectum amabile, ein lieblich / selig Anblick.
Wiewol nu ein erbar Leben zu führen / vnd eusserliche Werck des Gesetzes zu thun
/ die Vernunfft etlicher maß ohn Christo / ohn den heiligen Geist / aus
angebornem Liecht vermag / so ist es doch gewiß / wie oben angezeigt / daß die
höchsten stücke des Göttlichen Gesetzes / Als / das gantz Hertz zu GOtt zu
kehren / von gantzem Hertzen Ihn gros zu achten (welchs in der ersten Taffel vnd
im ersten höchsten Gebot gefoddert wird) niemands vermag / ohn den heiligen
Geist.
Aber vnser Wiedersacher sind gute / rohe / faule / vnerfarne Theologen / Sie
sehen allein die Ander Taffel Moisi an / vnd die Wercke derselbigen. Aber die
Erste Taffel / da die höchste Theologi inne stehet / da es alles angelegen ist /
achten sie gar nicht / ja dasselbige höchste / heiligste / gröste / fürnemste
Gebot / welchs allen Menschlichen vnd Englischen Verstand vbertrifft / Welches
den höchsten
|| [ID00410]
Gottesdienst / die Gottheit selbst / vnd die Ehr
der ewigen Majestet belanget / da GOtt gebeut / daß wir Hertzlich Ihn sollen für
einen HERRN vnd GOTT halten / fürchten vnd lieben / halten sie so gering / so
klein / als gehöre es zu der Theologi nicht.
Christus ist vns aber dazu dargestelt / daß vmb seinet willen vns Sünde vergeben
/ vnd der Heilig Geist geschenckt wird / der ein new Liecht vnd ewiges Leben /
ewige Gerechtigkeit in vns wirckt / daß Er vns Christum im Hertzen zeigt / Wie
Johann. 16. geschrieben: Er wirds von dem meinen nehmen / vnd euch verkündigen.
Item / Er wircket auch andere Gabe / Liebe / Dancksagung / Keuscheit / Gedult /
etc. Darumb vermag das Gesetz niemands ohn den Heiligen Geist zu erfüllen /
darumb sagt Paulus: Wir richten das Gesetz auff durch den Glauben / vnd thuns
nicht ab / denn so können wir erst das Gesetz erfüllen vnd halten / wenn der
heilig Geist vns gegeben wird.
Vnd Paulus 2. Corinth. 3. sagt / daß die Decke des Angesichts Moisi / könne nicht
weggethan werden / denn allein durch den Glauben an den HErrn Christum / durch
welchen gegeben wird der heilig Geist. Denn also sagt er: Bis auff diesen Tag /
wenn Moises gelesen wird / ist die Decke vber jhrem Hertzen / Wenn sie sich aber
zum HErrn bekehren / wird die Deck weggethan / denn der HErr ist ein Geist. Wo
aber des HErrn Geist ist / da ist Freyheit. Die Decke nennet Paulus den
Menschlichen Gedancken vnd wahn von Zehen Geboten vnd Ceremonien / Nemlich / daß
die Heuchler wehnen wöllen / daß das Gesetze müge erfüllet vnd gehalten werden
durch eusserliche Werck / Vnd / als machen die Opffer / Item / allerley
Gottesdienst / ex opere operato, jemands gerecht für
Gott / denn wird aber die Decke vom Hertzen genommen / das ist / der Irrthumb
vnd Wahn wird weggenommen / wenn Gott im Hertzen vns zeigt vnsern Jammer / vnd
lesst vns Gottes Zorn vnd vnser Sünde fülen / da mercken wir erst / wie gar fern
vnd weit wir vom Gesetz seyn / da erkennen wir erst / wie sicher vnd verblendet
alle Menschen dahin gehen / wie sie Gott nicht fürchten / In Summa / Nicht
gleuben / daß Gott Himmel / Erden / vnd alle Creatur geschaffen hat / vnsern
Odem vnd Leben vnd die gantze Creatur alle stund erheltet / vnd wieder den Satan
bewahret / da erfahren wir erst / daß eytel Vnglaub / Sicherheit / Verachtung
Gottes in vns so tieff verborgen stecket / da erfahren wir erst / daß wir so
schwach / oder gar nichts gleuben / daß Gott Sünd vergebe / daß Er Gebet erhöre
/ etc. Wenn wir nu das Wort vnd Euangelium hören / vnd durch den Glauben
Christum erken̅en / empfahen wir den heiligen Geist / daß wir denn
recht von Gott halten / jhn fürchten / jhm gleuben / etc.
|| [192]
In diesem ist nun gnugsam angezeigt / daß wir GOttes Gesetz ohn den Glauben / ohn
Christum / ohn den heiligen Geist nicht halten können / Darumb sagen wir auch /
daß man muß das Gesetz halten / vnd ein jeder Gleubiger fehet es an zu halten /
vnd nimpt je lenger je mehr zu / in Liebe vnd Furcht Gottes / welchs ist recht
GOttes Gebot erfüllen. Vnd wenn wir vom Gesetz halten / reden / oder von guten
Wercken / begreiffen wir beydes / das gut Hertz inwendig / vnd die Werck
außwendig.
Darumb thun vns die Wiedersacher vnrecht / da sie vns schuld geben / wir lehren
nicht von guten Wercken / So wir nicht allein sagen / man müsse gute Werck thun
/ Sondern sagen auch eigentlich / Wie das Hertz müsse darbey seyn / damit es
nicht lose / taube / kalte / Heuchler Werck seyn. Es lehret die Erfahrung / daß
die Heuchler / wiewol sie sich vnterstehen / aus jhren Krefften das Gesetz zu
halten / daß sie es nicht vermügen / noch mit der That beweisen. Denn wie fein
sind sie ohn Haß / Neid / Zanck / Grim / Zorn / ohn Geitz / Ehebruch / etc. Also
daß nirgend die Laster grösser seyn / denn in Klöstern / Stifften. Es sind alle
Menschliche Kreffte viel zu schwach dem Teuffel / daß sie seiner List vnd
Stercke aus eigenem vermügen wiederstehen solten / Welcher alle die jenigen
gefenglich heltet / die nicht durch Christum erlöset werden / Es muß Göttliche
stercke seyn / vnd Christus Aufferstehung / die den Teuffel vberwinde. Vnd so
wir wissen / daß wir Christi stercke / seines Sieges durch den Glauben
theilhafftig werden / können wir auff die Verheissung / die wir haben / Gott
bitten / daß Er vns durch seines Geists stercke / beschirme vnd regiere / daß
vns der Teuffel nicht felle oder stürtze / sonst fielen wir alle stunde in
Irrthumb vnd grewliche Laster.
Darumb sagt Paulus nicht von vns / Sondern von Christo / Er hat das Gefengniß
gefangen geführt / Denn Christus hat den Teuffel vberwunden / vnd durchs
Euangelium verheissen / den heiligen Geist / daß wir durch Hülff desselbigen /
auch alles vbel vberwinden. Vnd 1. Johan. 3. ist geschrieben: Dazu ist
erschienen der Sohn Gottes / daß Er aufflöse die Wercke des Teuffels.
Darüber so lehren wir nicht allein / wie man das Gesetz halte / sondern auch /
wie es GOtt gefalle / alles was wir thun / Nemlich / nicht daß wir in diesem
Leben / das Gesetz so volkömlich vnd rein halten können / sondern daß wir in
Christo seyn / wie wir hernach wöllen sagen / So ist es nu gewiß / daß die
Vnsern auch von guten Wercken recht lehren. Vnd wir setzen noch dazu / daß es
vnmüglich sey / daß rechter Glaub / der das Hertz tröstet vnd Vergebung der
Sünden
|| [ID00412]
empfehet / ohn die Liebe GOttes sey / Denn durch
Christum kömpt man zum Vater / vnd wenn wir durch Christum Gott versünet seyn /
So gleuben vnd schliessen wir denn erst recht gewiß im Hertzen / daß ein wahrer
Gott lebe vnd sey / daß wir ein Vater im Himmel haben / der auff vns allzeit
siehet / der zu fürchten sey / der vmb so vnsegliche Wolthat zu lieben sey / dem
wir sollen allzeit Hertzlich dancken / Ihm Lob vnd Preiß sagen / welcher vnser
Gebet / auch vnser sehnen vnd seufftzen erhöret / Wie denn Johannes in seiner
ersten Epistel am 4. sagt: Wir lieben Ihn / denn er hat vns zuuor geliebet / VNS
/ Nemlich / Denn er hat seinen Sohn für vns geben / vnd vns Sünde vergeben. Da
zeigt Johannes gnug an / daß der Glaub also fürgehe / vnd die Liebe alßdenn
folge.
Item / dieser Glaube ist in denen / da rechte Bus ist / das ist / da ein
erschrocken Gewissen / Gottes Zorn vnd seine Sünde fület / Vergebung der Sünde /
vnd Gnade suchet. Vnd in solchem schrecken / in solchen engsten vnd nöthen /
beweiset sich erst der Glaube / vnd muß auch also bewehrt werden vnd zunehmen.
Darumb kan der Glaub nicht seyn in fleischlichen sichern Leuten / welche nach
des Fleisches Lust vnd Willen dahin leben / denn also sagt Paulus / Roma. 8. So
ist nu nichts verdamlichs an denen / die in Christo Jesu sind / die nicht nach
dem Fleisch wandeln / Sondern nach dem Geist. Item / So sind wir nu Schüldener
nicht dem Fleisch / daß wir nach dem Fleisch leben / Denn wo jhr nach dem
Fleisch lebet / so werdet jhr sterben müssen / Wo jhr aber durch den Geist / des
Fleisches Gescheffte tödtet / so werdet jhr leben. Derhalben kan der Glaub /
welcher allein in dem Hertzen vnd Gewissen ist / denen jhre Sünd hertzlich leyd
seyn / nicht zu gleich neben einer Todsünde seyn / wie die Wiedersacher lehren /
so kan er auch nicht in den jenigen seyn / die nach der Welt fleischlich / nach
des Satans vnd des Fleisches Willen leben.
Aus diesen Früchten vnd Wercken des Glaubens / klauben die Wiedersacher nur ein
stücke / Nemlich die Liebe / vnd lehren / daß die Liebe für Gott gerecht mache /
Also sind sie nichts anders / den̅ Werckprediger vnd Gesetzlehrer.
Sie lehren nicht erst / daß wir Vergebung der Sünde erlangen durch den Glauben /
Sie lehren nichts von dem Mittler Christo / daß wir durch denselbigen einen
gnedigen GOtt erlangen / Sondern reden von vnser Liebe / vnd vnsern Wercken /
vnd sagen doch nicht / Was es für eine Liebe sey / vnd können es auch nicht
sagen.
Sie rhümen / sie können das Gesetz erfüllen oder halten / so doch die Ehre
niemands gehöret denn Christo / vnd halten also jhr eigen
|| [193]
Werck gegen GOttes Vrtheil / sagen / sie verdienen / de condigno, Gnad vnd ewiges Leben. Das ist doch ein
gantz vergeblich vn̅ Gottlos vertrawen auff eigene Werck. Denn in
diesem Leben / können auch Christen vnd Heiligen selbst / GOttes Gesetz nicht
volkömlich halten / denn es bleiben jmmer böse Neigung vnd Lüst in vns / wiewol
der heilig Geist denselbigen wiederstehet.
ES möcht aber jemands vnter jhnen fragen / So wir selbst bekennen / daß die Liebe
ein Frucht des Geistes sey / vnd so die Liebe dennoch ein heilig Werck vnd
Erfüllung des Gesetzes genennet wird / Warumb wir den̅ auch nicht
lehren / daß sie für Gott gerecht mache?
Antwort.
Erst ist das gewiß / daß wir Vergebung der Sünde nicht empfahen / weder durch die
Liebe / noch vmb der Liebe willen / sondern allein durch den Glauben / vmb
Christus willen. Denn allein der Glaub im Hertzen / siehet auff Gottes
Verheissung / vnd allein der Glaube ist die Gewißheit / da das Hertz gewiß
darauff stehet / daß Gott gnedig ist / daß Christus nicht vmb sonst gestorben
sey / etc. Vnd derselbig Glaube vberwindet allein das schrecken des Todes vnd
der Sünde. Denn wer noch wancket oder zweiffelt / ob jhm die Sünde vergeben seyn
/ der vertrawet GOtt nicht / vnd verzaget an CHristo / denn er helt seine Sünde
für grösser vnd stercker / denn den Tod vnd Blut Christi / so doch Paulus sagt /
Roma. 5. Die Gnade sey mechtiger / denn die Sünde / das ist / krefftiger /
reicher vnd stercker.
So nun jemands meinet / Daß er darumb Vergebung der Sünde wil erlangen / daß er
die Liebe hat / der schmehet vnd schendet Christum / vnd wird am letzten Ende /
wenn er für GOttes Gericht stehen sol / finden / daß solch vertrawen vergeblich
ist / darumb ist es gewiß / daß allein der Glaub gerecht macht. Vnd gleich wie
wir nicht erlangen Vergebung der Sünde / durch andere gute Werck vnd Tugende /
als vmb Gedult willen / vmb Keuscheit / vmb Gehorsams willen gegen der Obrigkeit
/ vnd folgen doch die Tugende / wo Glaub ist / also empfahen wir auch nicht vmb
der Liebe GOttes willen Vergebung der Sünde / wiewol sie nicht aussen bleibt /
wo dieser Glaub ist.
Daß aber Christus Lucae am 7. spricht: Ihr werden viel Sünde vergeben werden /
denn sie hat viel geliebet. Da legt Christus sein Wort selbs aus / da er sagt:
Dein Glaube hat dir geholffen. Vnd Christus wil nicht / daß die Fraw durch das
Werck der Liebe verdie
|| [ID00414]
net habe Vergebung der Sünde /
darumb sagt er klar: Dein Glaub hat dir geholffen. Nun ist das der Glaub /
welcher sich verlest auff Gottes Barmhertzigkeit / vnd Wort / nicht auff eigene
Werck. Vnd meinet jemand / daß Glaube sich zu gleich auff Gott vnd eigene werck
verlassen könne / der verstehet gewißlich nicht / was Glauben sey. Denn das
erschrocken Gewissen wird nicht zu frieden durch eigene Werck / Sondern muß nach
Barmhertzigkeit schreien / vnd lest sich allein durch Gottes Wort trösten vnd
auffrichten. Vnd die Historien selbst zeigt an dem ort wol an / Was Christus
Liebe nennet. Die Fraw kömpt in der Zuuersicht zu Christo / daß sie wölle
Vergebung der Sünde bey Ihm erlangen / Das heist recht Christum erkennen vnd
ehren / denn grösser Ehr kan man Christo nicht thun. Denn das heist Messiam oder
Christum warlich erkennen / bey Ihm suchen Vergebung der Sünde / dasselbige von
Christo halten / also Christum erkennen vnd annehmen / das heist recht an
Christum gleuben.
Christus aber hat dieses Wort / da er sagt (Sie hat viel geliebet) nicht
gebraucht / als er mit der Frawen redet / Sondern / als Er mit dem Phariseer
redet. Denn der HERR Christus helt gegen ander die gantze Ehre / die jhm der
Phariseer gethan hat / mit dem erbieten vnd Wercken / so die Fraw Ihm erzeigt
hat. Er straffet den Phariseer / daß er jhn nicht hat erkent für Christum /
wiewol er jhn russerlich geehret / als einen Gast / vnd frommen heiligen Man.
Aber den Gottesdienst der Frawen / daß sie jhre Sünde erkennet / vnd bey Christo
Vergebung der Sünde suchet / diesen Dienst lobet Christus. Vnd es ist ein gros
Exempel / welchs Christum billich bewegt hat / daß er den Phariseer / als ein
weisen ehrlichen Man / der doch nicht an jhn gleubet / straffet / den Vnglauben
wirfft Er jhm für / vnd vermahnet jhn durch das Exempel / Als solt er sagen /
Billich soltu dich schemen du Phariseer / daß du so blind bist / mich für
Christum vnd Messiam nicht erkennest / so du ein Lehrer des Gesetzes bist / vnd
das Weib / das ein vngelehrt arm Weib ist / mich erkennet.
Darumb lobet Er da nicht allein die Liebe / sondern den gantzen Cultum oder Gottesdienst / den Glauben mit den Früchten
/ vnd nennet doch für dem Pharisaeo, die Frucht. Denn
man kan den Glauben im Hertzen andern nicht weisen vnd anzeigen / denn durch die
Früchte / die beweisen für den Menschen den Glauben im Hertzen. Darumb wil
Christus nicht / daß die Liebe vnd die Werck / sollen der Schatz seyn / dadurch
die Sünden bezahlt werden / welches Christus Blut ist. Derhalben ist dieser
Streit vber einer hohen / wichtigen
|| [194]
Sache / da den
frommen Hertzen vnd Gewissen jhr höchster / gewissester / ewiger Trost angelegen
ist / Nemlich / von Christo / ob wir sollen vertrawen auff den Verdienst Christi
/ oder auff vnsere Werck. Denn so wir auff vnsere Werck vertrawen / so wird
Christo sein Ehr genommen / so ist Christus nicht der Versüner noch der Mittler
/ vnd werden doch endlich erfahren / daß solch vertrawen vergeblich sey / vnd
daß die Gewissen dadurch nur in verzweiffelung fallen / denn so wir vergebung
der Sünde / vnd Versünung Gottes nicht ohn Verdienst erlangen durch Christum /
so wird niemands Vergebung der Sünde haben / er hab denn das gantz Gesetz
gehalten / denn das Gesetz macht niemands gerecht für Gott / so lang es vns
anklaget. Nu kan sich ja niemands rhümen / daß er dem Gesetz gnug gethan hab /
darumb müssen wir sonst Trost suchen / Nemlich an Christo.
Nu wöllen wir antworten auff die Frag / welche wir oben angezeigt / Warumb die
Liebe oder Dilectio, niemands für GOtt gerecht mache.
Die Wiedersacher dencken also / die Liebe sey Erfüllung des Gesetzes / darumb
were es wol wahr / daß Liebe vns gerecht macht / wenn wir das Gesetz hielten.
Wer darff aber mit Warheit sagen oder rhümen / daß er das Gesetz halte / vnd
Gott liebe / wie das Gesetz gebeut? Wir haben oben angezeigt / daß darumb Gott
die Verheissung der Gnaden gethan hat / daß wir das Gesetz nicht halten können /
darumb sagt auch allenthalben Paulus / daß wir durch das Gesetz nicht können für
Gott gerecht werden.
Die Wiedersacher müssen hie wol weit fehlen / vnd der Heuptfrage jrre gehen /
denn sie sehen in diesem handel allein das Gesetz an / Denn alle Menschliche
Vernunfft vnd Weißheit / kan nicht anders vrtheilen / denn daß man durch Gesetze
müsse from werden / vnd wer eusserlich das Gesetze halte / der sey heilig vnd
from. Aber das Euangelium rücket vns herumb / vn̅ weiset vns von
dem Gesetz zu den Göttlichen Verheissungen / vnd lehret / daß wir nicht gerecht
werden durchs Gesetz / denn niemand kan es halten / sondern dadurch / daß vns
vmb Christus willen Versünung geschenckt ist / vnd die empfahen wir allein durch
den Glauben / denn ehe wir ein Tittel am Gesetz erfüllen / so muß erst da seyn
der Glaub an Christum / durch welchen wir GOtt versünet werden / vnd erst
Vergebung der Sünde erlangen. Lieber HErr Gott / wie dürffen doch die Leute sich
Christen nennen / oder sagen / daß sie auch die Bücher des Euangelij ein mal je
angesehen / oder gelesen haben / die noch dieses anfechten / daß wir Vergebung
der Sünde durch den Glauben an Christum erlangen? Ist es doch einem Christen
Menschen schrecklich allein zu hören.
|| [ID00416]
Zum andern / ists gewiß / Daß auch die jenigen / So durch den Glauben vnd
heiligen Geist newgeboren sind / doch gleichwol noch / so lang diß Leben weret /
nicht gar rein seyn / auch das Gesetz nicht volkömlich halten. Den̅ wiewol sie die Erstling des Geistes empfahen / vnd wiewol sich in jhnen das
new / ja das ewig Leben angefangen / so bleibt doch noch etwas da von der Sünde
vnd bösen Lust / vnd findet das Gesetz noch viel / daß es vns anzuklagen hat.
Darumb / ob schon Liebe GOttes vnd gute Werck in Christen sollen vnd müssen seyn
/ sind sie dennoch für Gott nicht gerecht / vmb solcher jhrer Werck willen /
Sondern vmb Christus willen / durch den Glauben. Vnd vertrawen auff eigene
Erfüllung des Gesetzes / ist eytel Abgötterey vnd Lesterung Christi / vnd fellet
doch zu letzt weg / vnd macht daß die Gewissen verzweiffeln.
Derhalben sol dieser Grund fest stehen bleiben / daß wir vmb Christus willen GOtt
angenehm vnd gerecht sind durch den Glauben / nicht von wegen vnser Lieb vnd
Werck / das wöllen wir also klar vnd gewiß machen / daß mans greiffen möge.
So lang das Hertz nicht Friede für Gott hat / kan es nicht gerecht seyn / denn es
fleuhet für Gottes Zorn / vnd verzweiffelt / Vnd wolt daß Gott nicht richtet /
darumb kan das Hertz nicht gerecht vnd Gott angenehm seyn / dieweil es nicht
Friede mit GOtt hat. Nun macht der Glaub allein / daß das Hertz zu frieden wird
/ vnd erlangt Ruhe vnd Leben / Roman. 5. So es sich getrost vnd frey verlest
auff Gottes Zusage vmb Christus willen. Aber vnsere Werck bringen das Hertz
nicht zu frieden / denn wir finden allzeit / daß sie nicht rein sind / Darumb
muß folgen daß wir allein durch Glauben Gott angenehm / vnd gerecht sind / So
wir im Hertzen schliessen / Gott wölle vns gnedig seyn / nicht von wegen vnser
Werck vnd Erfüllung des Gesetzes / sondern aus lauter Gnaden / vmb Christus
willen.
Was können die Wiedersacher wieder diesen Grund auffbringen? Was können sie
wieder die öffentlichen Warheit ertichten oder erdencken? Denn diß ist je gewiß
/ vnd die Erfahrung lehrets starck gnug / daß / wenn wir GOttes Vrtheil vnd Zorn
recht fülen / oder in Anfechtung kommen / vnsere Wercke / oder Gottesdienst /
das Gewissen nicht können zu Ruhe bringen. Vnd das zeigt die Schrifft offt gnug
an / Als im 142. Psalm / Du wöllest mit deinem Knechte nicht in das Gericht
gehen / Denn für dir wird keiner / der da lebt / gerecht seyn. Da zeigt er klar
an / daß alle Heiligen / alle fromme Kinder Gottes / welche den heiligen Geist
haben / wenn Gott nicht aus Gnaden / jhnen wil jhre Sünde vergeben / noch vbrige
Sünde im
|| [195]
Fleische an sich haben / denn daß Dauid an
einem andern ort sagt: HERR / richte mich nach meiner Gerechtigkeit / Da redet
er von seiner Sach / vnd nicht von eigener Gerechtigkeit / sondern bitt / daß
Gott sein Sach vnd Wort schützen wölle / Wie er denn sagt: Richte HERR mein
Sache. Wiederumb im 129. Psalm sagt er klar / daß keiner / auch nicht die
höchsten Heiligen können Gottes Vrteil ertragen / denn Er wil auff Missethat
acht geben / Wie er sagt: So du wilt acht haben / auff Missethat / HERR / wer
wird bestehen?
Vnnd also sagt Job am 9. Ich entsetze mich für allen meinen Wercken. Item / Wenn
ich gleich Schnee weis gewaschen were / Vnd meine Hende gleich glentzeten für
Reinigkeit / noch wirstu vnreins an mir finden. Vnd in Sprüchen Salomonis 20.
Wer kan sagen / Mein Hertz ist rein? Vnd 1. Johan. 1. So wir werden sagen / daß
wir keine Sünde haben / verführen wir vns selbst / vnd ist die Warheit nicht in
vns. Item / im Vater vnser bitten auch die Heiligen / Vergib vns vnser Schuld.
Darumb haben auch die Heiligen Schuld vnd Sünde. Item / im 4. Buch Moisi / Auch
der Vnschüldige wird nicht vnschüldig seyn. Vnd Zacharias der Prophet sagt am 2.
Cap. Alles Fleisch sey stille vor dem HERRN. Vnd Esaias 40. sagt: Alles Fleisch
ist Gras / das ist / das Fleisch vnd alle Gerechtigkeit / so wir vermügen / die
können Gottes Vrtheil nicht ertragen. Vnd Jonas sagt am Andern Capittel: Welche
sich lassen auff Eytelkeit vergeblich / die lassen Barmhertzigkeit fahren.
Derhalben / erheltet vns eytel Barmhertzigkeit / Vnser eigen Wercke / Verdienst
vnd Vermügen / können vns nicht helffen.
Diese Sprüche vnd dergleichen in der Schrifft zeigen an / daß vnser Werck vnrein
seyn / vnd daß wir Gnade vnd Barmhertzigkeit bedürffen. Darumb stellen die Werck
die Gewissen nicht zu Friede / sondern allein die Barmhertzigkeit / welche wir
durch den Glauben ergreiffen.
Zum dritten / Christus bleibt nicht desto weniger vor / als nach / der einige
Mittler vnd Versüner / wenn wir in Ihm also newgeborn seyn / Darumb jrren die
jenigen / die da ertichten / daß CHristus allein vns primam
gratiam, oder die ersten Gnade verdiene / vnd daß wir hernach durch
vnsere eigene Wercke vnd Verdienst / müssen das ewige Leben verdienen. Denn Er
bleibt der einige Mittler / Vnd wir sollen des gewiß seyn / daß wir vmb seinet
willen allein ein gnedigen Gott haben / Ob wir es auch gleich vnwirdig seyn /
wie Paulus sagt: Durch Ihn haben wir ein Zugang zu Gott / denn vnser besten
Wercke / auch nach empfangener Gnade des Euangelij (wie ich
|| [ID00418]
gesagt) seyn noch schwach / vnd nicht gar rein / denn es ist je nicht so ein
schlecht ding vmb die Sünde vnd Adams Fall / wie die Vernunfft meinet oder
gedenckt. Vnd ist vber allen Menschlichen Verstand vnd Gedancken / Was durch den
Vngehorsam für ein schrecklicher Gottes Zorn auff vns geerbet ist / vnd ist gar
eine grewliche Verderbung an der gantzen Menschlichen Natur geschehen / Welche
kein Menschen Wercke / sondern allein Gott selbst kan herwieder bringen / darumb
saget der Psalm. Wol denen / welchen jhre Sünde Vergeben seyn. Darumb dürffen
wir Gnade / vnd Gottes gnediger Güte / vnd Vergebung der Sünde / wenn wir gleich
viel gute Werck gethan haben Dieselbige Gnad aber / lest sich allein durch den
Glauben fassen / Also bleibt Christus allein der Hohepriester vnd Mittler / vnd
was wir nu guts thun / oder was wir des Gesetzes halten / gefellet Gott nicht /
für sich selbst / Sondern daß wir vns an Christum halten / vnd wissen / daß wir
ein gnedigen Gott haben / nicht vmb des Gesetzes willen / sondern vmb Christus
willen.
Zum vierden / So wir hielten / daß / wenn wir nu zu dem Euangelio kommen / vnd
new Geborn seyn / hernach durch vnsere Wercke Verdienen sollen / daß vns Gott
gnedig forthin were / nicht durch Glauben / So keme das Gewissen nimmer zu ruhe
/ Sondern müste verzweiffeln. Denn das Gesetz klaget vns ohn vnterlas an /
dieweil wir es nicht volkömlich halten können / etc. Wie denn die gantze heilige
Christliche Kirche / alle Heiligen / allezeit bekant haben / vnd noch bekennen.
Denn also sagt Paulus zu den Röm. am 7. Das gute / das ich wil / das thue ich
nicht / sondern das böse / das ich nicht wil / das thue ich / etc. Item / Mit
dem Fleisch diene ich dem Gesetz der Sünden / etc. Denn es ist keiner / der Gott
den HErrn so von Gantzem Hertzen fürchtet vnd Liebet / Als er schüldig ist /
keiner / der Creutz vnd Trübsal in gantzem Gehorsam gegen Gott treget / keiner /
der nicht durch Schwacheit offte zweiffelt / ob auch Gott sich vnser anneme / ob
er vns achte / ob er vnser Gebet erhöre. Darüber murren wir offt auß Vngedult
wieder Gott / daß es den Gottlosen wolgehet / den Frommen vbel. Item / Wer ist /
der seinem Beruff recht gnug thut / der nicht wieder Gott zürnet in Aufechtungen
/ wenn Gott sich verbirgt? Wer Liebet seinen Neheste̅ / als sich
selbs? Wer ist ohn allerley böse Lüste? Von den Sünden allen sagt der Psalm /
Dafür werden bitten alle Heiligen zu rechter zeit / Da sagt er / Daß alle
Heiligen müssen vmb Vergebung der Sünde bitten.
Derhalben seyn die jenigen gar stock blind / welche die bösen Lüste im Fleisch /
nicht für Sünde halten / Von welchen Paulus sagt /
|| [196]
Das Fleisch strebet wieder den Geist / vn̅ der Geist strebet
wieder das Fleisch. Denn das Fleisch vertrawet Gott nicht / verlest sich auff
diese Welt / vnd zeitliche Güter / suchet in Trübsaln Menschlichen Trost vnd
Hülff / auch wieder Gottes willen / zweiffelt an Gottes Gnade vnd Hülff / murret
wieder Gott im Creutz vnd Anfechtungen / welchs alles wieder Gottes Gebot ist.
Wieder die Adams Sünde / streitet vnd strebet der H. Geist / in den Hertzen der
Heiligen / daß er dieselbige Gifft des alten Adams / die böse Verzweiffelte Art
/ außfege vnd tödte / vnd in das Hertze ein andern Sinn vnd Muth bringe.
Vnd Augustinus saget auch / Alle Gebot GOTtes halten wir
denn / wenn vns alles / das wir nicht halten / Vergeben wird. Darumb wil Augustinus, daß auch die guten Werck / welche der H.
Geist Wirckt in vns / Gott nicht anders gefallen / denn also / daß wir gleuben /
Daß wir Gott angenem seyn vmb Christus willen / nicht daß sie an jhnen selbst
solten Gott gefallen.
Vnd Hieronymus saget wieder Pelagium, Denn sind wir gerecht / Wenn wir vns für Sünder erken̅en / vnd vnser Gerechtigkeit stehet nicht in vnserm Verdienst /
sondern in Gottes Barmhertzigkeit. Darumb / wen̅ wir gleich gantz
reich von rechten guten Wercken seyn / vnd also angefangen haben / GOttes Gesetz
zu halten / wie Paulus / da er trewlich Gepredigt hat / etc. So muß dennoch der
Glaub da seyn / dadurch wir Vertrawen / Daß Gott vns gnedig vnd Versünet sey vmb
Christus willen / vnd nit vmb vnser Werck willen. Denn die Barmhertzigkeit lest
sich nicht fassen / denn allein durch den Glauben / darumb die jenigen / so
lehren / daß wir vmb Werck willen / nicht vmb Christus willen / Gott angenehm
werden / die füren die Gewissen in verzweiffelung.
AVß dem allem ists klar gnug / Daß allein der Glaube vns für GOtt gerecht macht /
das ist / Er erlanget Vergebung der Sünde / vnd Gnad vmb Christus willen / vnd
bringet vns zu einer newen Geburt. Item / so ists klar gnug / Daß wir allein
durch den Glauben den heiligen Geist empfangen. Item / Daß vnsere Werck / vnd da
wir anfahen das Gesetz zu halten / an jhm selbst Gott nicht gefallen. So ich nu
/ wenn ich gleich vol Guter Werck bin / Wie Paulus war vnd Petrus / dennoch
anders wo muß meine Gerechtigkeit suchen / Nemlich / in der Verheissung der
Gnade Christi / Item / so allein der Glaub das Gewissen stillet / so muß je das
gewis seyn / daß allein der Glaub für Gott gerecht macht. Denn wir müssen
allzeit dabey bleiben / wöllen wir recht lehren / daß wir nicht vmb des Gesetzes
willen / nicht vmb Werck willen /
|| [ID00420]
sondern vmb Christus willen
Gott angenehm seyn. Denn die Ehre / so Christo gebüret / sol man nicht dem
Gesetze oder vnsern elenden Wercken geben.
Antwort auff die Argument der Wiedersacher.
SO wir nu die rechte Gründe dieser Sache haben angezeigt / Nemlich / den
Vnterschied vnter Göttlicher Verheissung / vnd deß Gesetzes / so kan man
leichtlich verlegen das jenige / So die Wiedersacher dagegen fürbringen / denn
sie füren Sprüche ein vom Gesetz vnd guten Wercken / die Sprüche aber / so von
Göttlicher Verheissung reden / lassen sie aussen. Man kan aber kurtz antworten /
auff alle Sprüche / so sie einfüren von dem Gesetze / Nemlich / daß das Gesetz
ohn Christo niemands halten kan / Vnd wenn gleich eusserlich gute Werck
geschehen ohn Christo / so hat doch Gott darumb an der Person nicht gefallen.
Darumb / wenn man wil von guten Wercken lehren oder predigen / sol man allzeit
dazu setzen / daß zu forderst Glaube da seyn müsse / vnd daß sie allein vmb des
Glaubens willen an Christum / Gott angenehm seyn / vnd daß sie Früchte vnd
zeugniß des Glaubens sind.
Diese vnsere Lehre ist je klar / Sie lest sich auch wol am liecht sehen / vnd
gegen die heilige Schrifft halten / vnd ist auch klar hie vnd richtig
fürgetragen / wer jhm wil sagen lassen / vnd die Warheit nicht wissentlich
verleugnen. Denn Christi Wolthat / vnd den grossen Schatz des Euangelij (welchen
Paulus so hoch hebt) recht zu erkennen / müssen wir je auff einem theil / Gottes
verheissung vnd angebotene Gnade / auff dem andern theil / das Gesetz / so weit
von einander scheiden / als Him̅el vnd Erden. In bawfelligen
Sachen bedarff man viel Glossen / aber in guten Sachen ist allzeit ein solutio oder zwo / die durchaus gehen / vnd lösen alles
auff / So man dargegen vermeint auffzubringen. Also hie in dieser Sach / diese
einige solutio, löset alle Sprüch auff / die wieder vns
angezogen werden / Nemlich /
|| [197]
Daß man das Gesetz ohn
Christo nicht recht thun kan / Vnd ob schon eusserliche Werck geschehen / daß
doch Gott die Person nicht gefellet / ausser Christo. Denn wir bekennen / daß
die Schrifft diese zwo Lehre füret / Gesetz / vnd Verheissung der Gnaden.
Die Wiedersacher aber / die tretten schlechts das gantz Euangelium mit Füssen /
vnd alle Verheissunge der Gnaden in Christo / So sie lehren / daß wir vmb vnser
Liebe vnd Wercke willen / Vergebung der Sünde erlangen / vnd nicht durch den
Glauben / Denn so Gottes Gnade vn̅ Hülffe gegen vns / gebawet ist
auff vnsere Werck / so ist sie gar vngewiß / denn wir können nim̅ermehr gewiß seyn / wenn wir Werck gnug thun / oder ob die Werck Heilig oder
rein gnug seyn / So wird auch also die Vergebung der Sünde vngewiß / vnd gehet
Gottes Zusage vnter / wie Paulus sagt / die Göttliche Zusage ist den̅ vmbgestossen / vnd ist alles vngewiß. Darumb lehren wir die
Hertzen vnd Gewissen / daß sie sich trösten durch dieselbige Verheissung Gottes
/ welche fest stehet / vnd beutet Gnad an / vnd vergebung der Sünde vmb Christus
willen / nicht vmb vnser Werck willen.
Darnach lehren wir auch von guten Wercken / vnd von dem Gesetz / Nicht daß wir
durch das Gesetz verdienen Vergebung der Sünde / oder daß wir vmb des Gesetzes
willen Gott angenehm seyn / Sondern daß Gott gute Werck haben wil / Denn man muß
(wie Paulus sagt) recht schneiden vnd theilen Gottes Wort / das Gesetz auff
einen ort / die Zusage Gottes auff den andern. Man muß sehen / Wie die Schrifft
von der Verheissunge / wie sie von dem Gesetz redet / Denn die Schrifft gebeut
vnd lobet also gute Wercke / daß sie doch gleichwol Gottes Verheissunge / Vnd
den rechten Schatz Christum noch viel tausent mahl höher setzet.
Denn gute Werck sol vnd muß man thun / Denn Gott wil sie haben / So sind es
Früchte des Glaubens / wie Paulus Ephes. 2. sagt / denn wir sind geschaffen in
Christo Jesu zu guten Wercken / Darumb sollen gute Wercke dem Glauben folgen /
Als Dancksagung gegen Gott / Item / daß der Glaub dadurch geübet werde / wachsse
/ vnd zunehme / Vnd daß durch vnser Bekentniß vnd guten Wandel / andere auch
erinnert werden. Also sagt Paulus Rom. 4. daß Abraham habe die Beschneidung
empfangen / nicht daß er vmb des Wercks willen were gerecht worden / Sondern /
daß er an seinem Leibe ein zeichen hette / dadurch er erinnert würde / vnd jmmer
im Glauben zuneme. Item / daß er seinen Glauben bekennet für andern / vnd durch
sein Zeugniß die andern auch zu Gleuben reitzet. Also hat Abel durch den Glauben
Gott ein angenehm Opffer gethan /
|| [ID00422]
Denn das Opffer hat Gott
nicht gefallen / ex opere operato, sondern Abel hielts
gewiß dafür / daß er ein gnedigen Gott hette / das Werck aber thet er / daß er
seinen Glauben vbet / vnd die andern durch sein Exempel vnd Bekentniß zu gleuben
reitzet.
So nu also vnd nicht anders die guten Wercke solten dem Glauben folgen / so thun
die viel anderer meinung jre Werck / die nicht gleuben / daß jhnen ohn Verdienst
/ Sünde vergeben werden vmb Christus willen. Denn wenn dieselbigen sehen gute
Wercke an den Heiligen / richten sie Menschlicher weis von den Heiligen / Wöllen
wehnen / die Heiligen haben mit jhren Wercken Vergebung der Sünde erlangt / oder
sind durch Wercke für Gott gerecht worden. Darumb thun sie dergleichen jhnen
nach / vnd meynen / sie wöllen auch also vergebung der Sünde erlangen / vnd
Gottes Zorn versünen.
Solchen öffentlichen Irrthumb vnd falsche Lehre von den Wercken / verdammen wir.
Erstlich / daß dadurch Christo dem rechten Mittler die Ehre genom̅en wird / vnd wird den elenden Wercken geben / wen̅ wir an
Christus stat vnser Werck wöllen darstellen für ein Schatz vnd versünung des
Göttlichen Zorns / vnd der Sünde / Den̅ die Ehre gehöret allein
Christo / nicht vnsern elenden Wercken.
Zum andern / So finden doch die Gewissen auch nicht Friede in solchen Wercken /
Denn wenn sie schon der Wercke viel thun vnd zu thun sich fleissigen / so findet
sich doch kein Werck / das rein gnug sey / das wichtig / köstlich gnug sey ein
gnedigen GOTT zu machen / das ewig Leben gewiß zu erlangen / In Summa / das
Gewissen ruhig vnd friedlich zu machen.
Für das dritte / Die auff Wercke bawen / die lernen nim̅ermehr Gott
recht kennen / noch seinen Willen. Denn ein Gewissen / das an Gottes Gnaden
zweiffelt / das kan nicht gleuben / daß es erhöret werde / vnd dieweil es Gott
nicht anruffen kan / wird es auch Göttlicher Hülff nicht innen / kan also GOtt
nicht kennen lernen. Wenn aber der Glaub da ist / Nemlich / daß wir durch
Christum ein gnedigen Gott haben / der darff frölich Gott anruffen / lernet GOtt
vnd seinen Willen kennen.
Aber der Irrthumb von den Wercken / klebet der Welt gar hart an / die Heyden
haben auch Opffer / welche von Patriarchen erstlich herkommen / dieselbigen
Opffer vnd Wercke der Väter haben sie nachgethan / vom Glauben wusten sie nicht
/ hielten dafür / daß dieselbigen Wercke jhnen einen gnedigen Gott machten. Die
Israeliten ertichten jhnen auch Wercke vnd Opffer / der meynung / daß sie
dadurch wolten ein gnedigen GOTT machen / durch jhr opus
operatum,
|| [198]
Das ist / durch das blosse Werck / welches ohn
Glauben geschach. Da sehen wir / wie hefftig die Propheten dawieder schreien /
vnd ruffen / Als im 49. Psalm: Deines Opffers halben straff ich dich nicht /
etc. Item / Jeremias sagt: Ich hab nicht mit ewern Vätern von Brandopffer
geredt. Da verdammen die Propheten nicht die Opffer an jhnen selbst / Denn die
hat Gott geboten / als eusserliche vbung / in demselbigen seinem Volck / Sondern
sie treffen fürnemlich jhr Gottlos Hertz / Da sie die Opffer der meynung thaten
/ daß sie meineten / dadurch würde GOtt ex opere operato
versünet / dadurch ward der Glaub vntergedruckt.
Vnd so nu kein Werck das Gewissen recht zu frieden stellet / so pflegen die
Heuchler / auff ein blinds gerathwol / vnd wagen dahin / gleichwol ein Werck
vber das ander / ein Opffer vber das ander zu erfinden / vnd alles ohn Gottes
Wort vnd Befehl / mit bösem gewissen / wie wir im Bapsthumb gesehen / vnd
fürnemlich lassen sie sich bewegen durch die Exempel der Heiligen / denn wen̅ sie denen also nachfolgen / meynen sie wöllen Vergebung der
Sünde erlangen / wie die Heiligen erlangt haben / etc. Aber die Heiligen
gleubeten.
Das Volck Israel hat gesehen / daß die Propheten opfferten auff den Höhen vnd
Hainen / Das Werck theten sie nach / daß sie durch das Werck GOttes Zorn
versüneten. Die Propheten aber hatten da Opffer gethan / nicht daß sie durch die
Werck Vergebung der Sünde verdienen wölten / sondern / daß sie an den orten
predigeten vnd lehreten / Darumb thaten sie die Opffer zu einem Zeugniß jhres
Glaubens.
Item / das Volck hatte nu gehöret / daß Abraham seinen Sohn geopffert hatte / daß
sie nun auch Wercke theten / die sie schweer vnd sawer ankehmen / so opfferten
sie jhre Söhne auch. Abraham aber war nicht der meynung seinen Sohn zu opffern /
daß solch solt eine Versünung seyn / dadurch er für Gott gerecht würde / etc.
Also in der Kirchen hat Christus das Abendmahl eingesetzt / darinne durch
Göttliche Zusage / Vergebung der Sünde wird angeboten / daß wir erinnert werden
/ daß durch das eusserliche Zeichen / vnser Glaub gesterckt werd / daß wir
dadurch auch für den Leuten vnsern Glauben bekennen / vnd die Wolthat Christi
preisen vnd predigen / wie Paulus sagt / So offt jhr das thut / solt jhr den Tod
des HERRN verkündigen / etc. Die Wiedersacher aber geben für / die Messe sey ein
solch Werck / das ex opere operato, für Gott vns gerecht
mache / vnd erlöse die jenigen von Pein vnd Schuld / für welche es geschicht.
|| [ID00424]
S. Anthonius, Bernhardus, Dominicus, vnd andere Heiligen
/ haben durch ein eigen Leben von Leuten sich gethan / damit sie desto leichter
die heilige Schrifft köndten lesen / oder vmb ander vbung willen / nicht desto
weniger haben bey sich gehalten / daß sie durch den Glauben an Christum für GOtt
gerecht weren / daß sie allein durch Christum ein Gnedigen GOTT erlangten. Aber
der grosse hauff ist hernach zugefahren / haben den Glauben an Christum faren
lassen / haben allein gesehen auff die Exempel ohn Glauben / vnd sich
vnterstanden durch dieselbigen Kloster Wercke / vergebung der Sünd zuerlangen.
Also setzt allzeit die Vernunfft / die guten Werck zu hoch / vnd an einen
vnrechten ort. Den jrrthumb ficht nu an das Euangelium / vnd lehret / daß wir
für Gott gerecht werden / nicht vmb deß Gesetzes oder vnser Werck willen /
sondern allein vmb Christus willen / Christum aber kan man nicht fassen / denn
allein durch den Glauben / darumb so werden wir auch allein durch den Glauben
für Gott gerecht.
Dagegen ziehen die Wiedersacher an den Spruch Pauli zu den Corinthern am 13. Cap.
Wenn ich hette allen Glauben / etc. Vnd hette aber die Liebe nicht / So bin ich
nichts. Da ruffen die Wiedersacher mit einem grossen Triumph / vnd rhümen / sie
seyen durch diesen Spruch gewiß / daß nicht allein der Glaube für GOtt vns
gerecht mache / Sondern auch die Liebe. Es ist aber gantz leicht zu antworten /
nach dem wir oben haben angezeigt / was wir von der Liebe vnd Wercken halten.
Paulus wil in dem Spruche / daß in den Christen solle Liebe seyn gegen dem
Nehesten / Das sagen wir auch / denn wir haben je hie oben gesagt / Wenn wir new
geborn seyn / so fahen wir an das Gesetz zu halten / vnd Gottes Gesetze gehorsam
zu seyn / Darumb / wenn jemands die Christliche Liebe nach lesset / so ist er /
wenn er gleich grossen starcken Glauben gehabt / kalt worden / vnd ist nu wieder
Fleischlich ohn Geist vnd Glauben / Denn da ist nicht der heilig Geist / wo
nicht Christliche Liebe ist / vnd andere gute Früchte.
Es folget aber daraus nicht / daß vns die Liebe für GOtt gerecht macht / das ist
/ Daß wir darumb durch die Liebe Vergebung der Sünde erlangen / daß die Liebe
das schrecken der Sünde vnd des Tods vberwinde / daß die Liebe an Christus stat
gegen Gottes zorn vnd Gericht solle gehalten werden / daß die Liebe das Gesetz
erfülle / daß wir durch die Liebe Gott Versünet vnd angenehm werden / vnd nicht
vmb Christus willen. Von dem allen sagt Paulus nichts / vnd die Wiedersacher
ertichten es doch auß jhrem Hirne.
|| [199]
Denn so wir durch vnser Liebe Gottes zorn vberwinden / so wir durch vnser Gesetz
erfüllung Gott angenem seyn / mügen die Wiedersacher auch sagen / daß die
Göttliche Verheissung / das gantz Euangelium nichts sey / denn dasselbige lehret
/ daß wir ein zugang haben zu Gott / allein durch Christum / daß wir nicht durch
vnser Gesetz Werck / sondern vmb Christus willen Gott angenehm seyn / als den
einigen Mittler vnd Versüner.
Die Wiedersacher deuten viel Sprüch auff jhre meinung / die doch nicht also
lauten / Aber sie machen Zusatz daran / wie hie. Denn dieser Spruch ist klar
gnug / wenn allein die Wiedersacher jhr eigen Trewme / ausserhalb der Schrifft
nicht dran flickten / so sie doch nicht verstehen / was Glaub sey / was Christus
ist / oder wie es zugehet / wenn ein Mensch für Gott gerecht wird.
Die Corinther / vnd etliche auß jhnen / hatten das Euangelium gehöret / vnd viel
trefflicher Gaben empfangen / vnd wie es denn in solchen sachen zugehet / Im
anfang waren sie hitzig / vnd wacker zu allen Sachen / darnach erwuchsen Rotten
vnd Secten vnter jhnen / wie Paulus anzeigt / Huben an die rechten Aposteln zu
verachten / Darumb strafft sie Paulus / Vermahnet sie wieder zur Einigkeit / vnd
zu Christlicher Liebe. Vnd Paulus redet an dem ort nicht von Vergebung der Sünde
/ oder / wie man für Gott from vnd gerecht wird / Oder wie es zugehet / wenn ein
Sünder zu Christo bekehret wird / Sondern redet von den Früchten des Glaubens /
Redet auch nicht von der Liebe gegen GOtt / Sondern von der Liebe gegen dem
Nehesten.
Nu ist es fast nerrisch / daß die Liebe gegen dem Nehesten / dadurch wir hie auff
Erden mit den Leuten handeln / vns für GOtt sol Gerecht machen / So doch zu der
Gerechtigkeit / welche für Gott gilt / dieses gehöret / daß wir etwas erlangen /
dadurch Gottes zorn gestillet / vnd das Gewissen gegen Gott im Him̅el zu friede kom̅e / der keins geschihet durch die Liebe /
Sondern allein durch den Glauben / durch welchen man fasset Christum vnd Gottes
zusage.
Das ist aber war / Wer die Liebe verleuret / der verleuret auch Geist vnd Glauben
/ vnd also sagt Paulus / Wenn ich die Liebe nicht habe / so bin ich nichts. Er
setzet aber nicht die affirmatiua dazu / daß die Liebe
für Gott gerecht mache.
Aber hie sagen sie auch / die Liebe werde dem Glauben vnd der Hoffnung vorgezogen
/ Denn Paulus sagt / 1. Corinth. 13. Die Liebe ist die grössest vnter den
dreyen. Nu sey es zu achten / daß die Tugend / so Paulus die grössest nennet /
für Gott vns Gerecht vnd
|| [ID00426]
Heilig mache. Wiewol nu Paulus da
eigentlich redet von der Liebe gegen dem Nehesten / Vnd so er spricht / Die
Liebe ist die grössest / Sagt er darumb / denn die Liebe gehet weit / vnd tregt
viel Früchte auff Erden / denn Glaub vnd Hoffnung handeln allein mit GOtt / Aber
die Liebe gehet auff Erden vntern Leuten vmb / vnd thut viel guts / mit trösten
/ lehren / vnterrichten / helffen / rathen / heimlich / öffentlich / doch lassen
wir zu / daß Gott vnd den Nehesten lieben / die höhest Tugend sey / Denn diß ist
das höhest Gebot / Du solt GOtt lieben von gantzem Hertzen / daraus folget nu
nicht / daß die Liebe vns gerecht mache.
Ja / sprechen sie / Die höhest Tugend sol billich gerecht machen. Antwort. Es wer
wahr / wenn wir vmb vnser Tugend willen ein gnedigen Gott hetten. Nu ist droben
bewiesen / daß wir vmb Christus willen / nicht vmb vnser Tugend willen /
angenehm vnd gerecht sind / den̅ vnser Tugend sind vnrein / ja wie
dieses Gesetz das höhest ist / Du solt Gott lieben / also kan diese Tugend /
Gott lieben / am allerwenigsten gerecht machen / Denn so das Gesetz vnd Tugend
höher ist / so wirs weniger thun können. Darumb sind wir nicht vmb der Liebe
willen gerecht / der Glaub aber macht gerecht / nicht vmb vnsers thuns willen /
Sondern allein derhalben / daß er Barmhertzigkeit sucht vnd empfehet / vnd wil
sich auff kein eigen thun verlassen / das ist / daß wir lehren / Gesetz macht
nicht gerecht / Sondern das Euangelium / das gleuben heisst / daß wir vmb
Christus willen / nicht vmb vnsers thuns willen / ein gnedigen Gott haben.
Die Wiedersacher lehren aber darumb also von der Liebe / daß sie vns GOtt versüne
/ denn sie wissen nicht vom Euangelio / sondern sehen allein das Gesetz an /
wollen damit vmb eigener Heiligkeit willen ein gnedigen Gott haben / nicht aus
Barmhertzigkeit vmb Christus willen. Also sind sie allein Gesetzlehrer / vnd
nicht Lehrer des Euangelij.
Auch ziehen die Wiedersacher wieder vns an / den Spruch zu den Colossern / Die
Liebe ist ein Band der volkom̅enheit / daher schliessen sie / daß
die Liebe für Gott gerecht mache / denn sie macht vns volkommen / Wiewol wir hie
allerley antworten könten von der Volkom̅enheit / doch wollen wir
hie den Spruch Pauli einfeltig handeln.
Es ist gewiß / daß Paulus von der Liebe des Nehesten redet / so darff man auch
nicht gedencken / daß Paulus meynung sey / daß wir solten für Gott ehe gerecht
werden durch die Wercke der andern Taffeln / denn durch die Wercke der ersten
Taffeln. Item / so die Liebe ein Volkommenheit ist / oder volkömlich Erfüllung
des Gesetzes /
|| [200]
so ist des Mittlers Christi nicht von
nöthen. Paulus aber der lehret an allen örten / daß wir darumb GOTT angenehm
seyn / vmb Christus willen / nicht vmb vnser Liebe / oder vnser Werck / oder
Gesetzes willen / Denn auch kein Heilige / (wie oben gesagt) erfüllet das Gesetz
volkömlich. Darumb / so er an allen andern örten schreibt vnd lehret / daß in
diesem Leben / an vnsern Wercken kein Volkom̅enheit ist / so ist
nicht zu gedencken / daß er zu den Colossern von Volkommenheit der Person rede /
sondern er redet von Einigkeit der Kirchen / Vnd das Wort / so sie Volkommenheit
deuten / heisset nicht anders / denn vnzerrissen seyn / das ist / einig seyn.
Daß er nun sagt / Die Liebe ist ein Band der Volkommenheit / das ist / Sie
bindet / füget / vnd helt zusammen die vielen Gliedmaß der Kirchen vnter sich
selbst. Denn gleich wie in einer Stadt / oder in einem Hause / die Einigkeit
dadurch erhalten wird / daß einer dem andern zu gut halte / vnd kan nicht Friede
noch Ruhe bleiben / wo nicht einer dem andern viel versiehet / wo wir nicht
einander tragen / Also wil Paulus da vermahnen zu der Christlichen Liebe / daß
einer des andern Fehle / Gebrechen / dulden vnd tragen sol / daß sie einander
vergeben sollen / damit Einigkeit erhalten werde in der Kirchen / damit der
Christen Hauff nicht zurissen / zutrennet werde / vnd sich in allerley Rotten
vnd Secten theilen / daraus denn grosser Vnrath / Haß vnd Neid / allerley
Bitterkeit vnd böse Gifft / endlich öffentlich Ketzerey erfolgen möchten. Denn
die Einigkeit kan nicht bleiben / wenn die Bischoffe ohn alle Vrsach zu schweere
Bürden aufflegen dem Volck. Auch werden daraus leichtlich Rotten / wenn das
Volck auffs geschwindest alles wil meistern vnd außecken an der Bischoffe oder
Prediger Wandel vnd Leben / oder wenn sie alßbald der Prediger müde werden /
etwa vmb eins kleinen Gebrechens willen / da folget viel grosses Vnraths /
alßdenn bald suchet man aus derselbig Verbitterung / andere Lehrer vnd andere
Prediger.
Wiederumb wird erhalten Volkommenheit vnd Einigkeit / das ist / die Kirche bleibt
vnzutrennet vnd gantz / wenn die Starcken die Schwachen dulden vnd tragen / wenn
das Volck mit seinen Predigern auch gedult hat / wenn die Bischoffe vnd Prediger
wiederumb allerley Schwacheit / Gebrechen / dem Volck nach gelegenheit wissen zu
gut zu halten. Von dem wege vnd der weis Einigkeit zu halten / ist auch viel
allenthalben geschrieben in den Büchern der Philosophi vnd Weltweisen. Denn wir
müssen einander viel vergeben / vnd für gut haben vmb Einigkeit willen. Vnd
dauon redet Paulus mehr dann an einem ort. Darumb schliessen die Wiedersacher
nicht recht / daß
|| [ID00428]
die Liebe solle für Gott gerecht machen /
Denn Paulus redet da nicht von der Volkommenheit oder Heiligkeit der Personen /
wie sie wehnen / sondern sagt / Die Liebe macht ein stilles wesen in der
Kirchen. Vnd also legt den Spruch auch Ambrosius aus /
gleich wie ein Gebew gantz ist / wenn alle Stücke zusammen hangen / etc.
Es solten sich aber die Wiedersacher auch wol schemen / daß sie so trefflich hoch
von der Liebe schreiben vnd predigen / vnd Liebe / Liebe in allen jhren Büchern
schreiben vnd schreien / vnd gar keine Liebe erzeigen. Denn wie ein schöne
Christen Liebe ist das / daß sie durch jhre vngehörte Tyranney / zutrennen vnd
zureissen die Einigkeit der Kirchen / so sie nichts denn Blutbrieffe vnd
tyrannisch Gebot außgehen zulassen / dem allerlöblichsten Keyser gern das ergest
wolten einbilden. Sie erwürgen die Priester vnd viel andere fromme / ehrliche
Leute / keiner ander Vrsache halben / denn daß sie allein / öffentliche /
schendliche Mißbreuche anfechten. Sie wolten gern daß alle die tod weren / die
wieder jhre Gottlose Lehre mit einem wort mucken / Das alles reimet sich gar
vbel zu dem grossen rhümen von Liebe / von Charitas,
&c. Denn wenn bey den Wiedersachern ein tröpfflin Liebe were /
so könt man wol Frieden vnd Einigkeit in der Kirchen machen / wenn sie jhre
Menschensatzungen / welche doch nichts zu Christlicher Lehre oder Leben nütze
seyn / nicht also aus lauter rachgiriger Bitterkeit vnd Phariseischem Neid /
wieder die erkante Warheit verfechten / sonderlich so sie jhre Satzungen selbs
nicht recht halten.
Aus dem Apostel Petro ziehen sie auch an den Spruch / 1. Petri am 4. da er sagt:
Die Liebe decket zu die mennige der Sünde. Nun ist es gewiß / daß Petrus da auch
redet von der Liebe gegen dem Nehesten / Denn er redet daselbst von dem Gebot
der Liebe / da geboten ist / daß wir vns vntereinander lieben sollen. So ist es
auch keinem Apostel nie in seine gedancken kom̅en / daß die Liebe
solt den Tod vberwinden / oder die Sünde / daß die Liebe solt ein Versünung seyn
ohn den Mittler Christum / daß die Liebe solt vnser Gerechtigkeit seyn ohn den
Versüner Christum. Denn die Liebe / wenn wir sie schon gleich haben / so ist es
nicht mehr / denn ein Gerechtigkeit des Gesetzes / sie ist je nicht Christus /
durch welchen wir allein gerecht werden / wenn wir gleuben / daß vmb des
Mittlers willen vns der Vater gnedig ist / daß vns sein Verdienst geschenckt
wird. Darumb kurtz zuuor vermahnet Petrus / daß wir vns sollen zu Christo halten
/ daß wir auff Ihn / als den Eckstein erbawet werden. Denn er sagt: Wer an Ihn
gleubet / der wird nicht zu schanden werden. Mit vnsern Wercken vnd Leben /
werden wir warlich für GOttes Vrtheil vnd
|| [201]
Angesicht
mit schanden bestehen. Aber der Glaub / durch welchen Christus vnser wird / der
erlöset vns von solchen schrecken des Todes. Denn durch die Verheissung sind wir
recht gewiß / daß vns durch Christum die Sünde vergeben ist.
Vnd das Wort 1. Petri 4. Die Liebe decket der Sünde mennige / etc. Ist genommen
aus den Sprüchen Salomonis / da er saget: Haß richtet Hader an / aber die Liebe
die decket der Sünde mennige zu. Da gibt der Text klar an jhm selbs gnug / daß
er von der Liebe redet gegen dem Nehesten / vnd nicht von der Liebe gegen Gott.
Vnd er wil gleich dasselbige / das der nehest Spruch Pauli zu den Colossern saget
/ Nemlich / daß wir vns sollen fleissigen / Brüderlich / freundlich zu leben /
Also / daß einer dem andern viel zu gut halte / daß Vnlust vnd Zwispalt
vermeidet werden / Als solt er sagen / Zwispalt erwechst aus Haß / wie wir denn
sehen / daß aus geringen Füncklin offt gros Fewer angehet.
Es waren nich so grosse Sachen / darüber erst C. Caesar
vnd Pompeius vneins worden / vn̅ wo einer
dem andern gewichen hette / so were der folgend gros Krieg / so viel
Blutuergiessen / so manch gros Vnglück vnd Vnrath nicht daraus kommen. Aber da
ein jeder mit seinem Kopffe hindurch wolte / ist der grosse vnsegliche Schade /
Zerrüttung des gantzen Römischen Regiments der zeit erfolget. Vnd es seyn viel
Ketzereyen daher erwachsen / daß Prediger auff einander sind verbittert worden.
So ist nun Petri Spruch also zu verstehen / die Liebe decket der Sünde mennige zu
/ das ist / Die Liebe decket des Nehesten Sünde / Das ist / Ob sich gleichwol
Vnwill vnter Christen begibt / so treget doch die Liebe alles / vbersicht gern /
weicht dem Nehesten / duldet vnd tregt Brüderlich seine Gebrechen / vnd suchet
nicht alles auffs scherffest / So wil nun Petrus das gar nicht / daß die Liebe
für Gott verdiene Vergebung der Sünde / daß die Liebe vns Gott versüne / ohn den
Mittler Christum / daß wir durch die Liebe solten GOtt angenehm seyn / ohn den
Mittler Christum / Sondern das wil Petrus / daß / in welchem Christliche Liebe
ist / der ist nicht eigensinnig / nicht hart vnd vnfreundlich / Sondern helt
leichtlich dem Nehesten sein gebrechen vnd Fehle zu gut / vergibt Brüderlich dem
Nehesten / stillet / weiset sich selbs / vnd weichet vmb Friedens willen / wie
auch lehret der Spruch / Amici vitia noris, non oderis,
das ist / Ich sol meins Freunds weise lernen / Aber jhn (ob es nicht alles
schnur gleich ist) darumb nicht hassen.
Vnd die Apostel vermahnen nicht ohn Vrsache zu solcher Liebe /
|| [ID00430]
welchs die Philosophi Epijkiam genent haben. Denn sollen
die Leute in Einigkeit bey einander seyn oder bleiben / es sey in der Kirchen /
oder auch Weltlichem Regiment / so müssen sie nicht alle Gebrechen gegen ander
auff der Goldwage abrechen / sie müssen lassen einander fast viel mit dem Wasser
fürüber gehen / vnd jmmer zu gut halten / so viel auch jmmer müglich Brüderlich
mit einander gedult haben.
Auch ziehen sie den Spruch aus dem Apostel Jacobo an / vnd sagen: Sehet jhr nun /
daß wir nicht allein durch den Glauben / sondern durch Werck für Gott gerecht
werden. Vnd sie wöllen wehnen / der Spruch sey fast starck wieder vnser Lehre.
Aber wenn die Wiedersacher allein jhr Trewme aussen lassen / vnd nicht hinan
flicken / was sie wollen / so ist die Antwort leicht / Denn des Apostels Jacobi
Spruch hat wol seinen einfeltigen Verstand / aber die Wiedersacher ertichten das
dazu / daß wir durch vnser wercke verdienen Vergebung der Sünde. Item / daß die
guten Wercke ein Versünung seyn / dadurch vns Gott gnedig wird. Item / daß wir
durch die gute Werck vberwinden können die grosse Macht des Teuffels / des Tods
/ vnd der Sünde. Item / daß vnser gute Wercke an jhnen selbs für GOtt so
angenehm vnd gros geacht seyn / daß wir des Mittlers Christi nicht dürffen. Der
keins ist dem Apostel Jacobo in sein Hertz kommen / welchs doch alles die
Wiedersacher sich zu erhalten vnterstehen durch den Spruch Jacobi.
So müssen wir nu erst dieses mercken / daß dieser Spruch mehr ist wieder die
Wiedersacher / den̅ für sie / Denn die Wiedersacher lehren / der
Mensch werde für Gott from vnd gerecht durch die Liebe vnd Wercke. Von dem
Glauben / dadurch wir vns halten an den Mittler Christum / reden sie nichts. Vnd
das mehr ist / von dem Glauben wollen sie nichts hören noch sehen / vnterstehen
diese Lehre vom Glauben mit dem Schwert vnd Fewer zu tilgen. Jacobus aber thut
anders / er lest den Glauben nicht aussen / sondern redet vom Glauben / damit
lest er Christum den Schatz vnd den Mittler bleiben / dadurch wir für GOTT
gerecht werden. Wie auch Paulus da er die Summa setzt Christlichs Glaubens /
setzet er Glauben vnd Liebe zusammen 1. Timoth. 1. Die Summa des Gesetzs ist die
Liebe aus vngeferbtem Glauben.
Zum andern / zeigt die Sache an jhr selbs an / daß er von Wercken redet / welche
dem Glauben folgen / Denn er zeigt an / daß der Glaub nicht müsse tod / sondern
lebendig / krefftig / schefftig / vnd thetig im Hertzen seyn / Darumb ist Jacobi
meynung nicht gewesen / daß wir durch Wercke Gnad oder Vergebung der Sünde
verdienen /
|| [202]
denn er redet von Wercken der jenigen /
welche schon durch Christum gerecht worden seyn / welche schon Gott versünet
seyn / vn̅ Vergebung der Sünde durch Christum erlangt haben.
Darumb jrren die Wiedersacher weit / wenn sie auß dem Spruch schliessen wollen /
daß wir durch gute Werck Gnad vnd Vergebung der Sünde verdienen / oder / daß
Jacobus diß wolle / daß wir durch vnsere Werck ein zugang zu Gottt haben / ohn
den Mittler vnd Versüner Christum.
Zum dritten / So hatte S. Jacobus zuuor gesagt / von der Geistlichen Wiedergeburt
/ Daß sie durch das Euangelium geschihet. Denn also sagt er im Ersten Capittel.
Er hat vns gezeuget nach seinem willen / durch das Wort der Warheit / auff daß
wir weren Erstlinge seiner Creatur. So er nu saget / daß wir durch das
Euangelium new Geborn seyn / so wil er / daß wir durch den Glauben gerecht seyn
für GOtt worden. Denn die Verheissung von Christo fasset man allein durch den
Glauben / Wenn wir durch dieselbigen getrost werden wieder das schrecken des
Todes / der Sünde / etc. Darumb ist sein meynung nicht / daß wir durch vnsere
Wercke solten new Geborn werden.
Auß diesem allem ist klar gnug / Daß der Spruch Jacobi nicht wieder vns ist /
denn er schilt da etliche faule Christen / welche allzu sicher waren worden /
Machten jhnen gedancken / sie hetten den Glauben / so sie doch ohn Glauben waren
/ darumb macht er vnterscheid zwischen lebendigem vnd todtem Glauben / den
todten Glauben nennet er / wo nicht allerley gute Werck vnd früchte des Geistes
folgen / Gehorsam / Gedult / Keuschheit / Liebe / etc. Lebendigen Glauben nennet
er / da gute Früchte folgen. Nu haben wir gar offt gesagt / was wir Glauben
nennen / Denn wir nennen das nicht Glauben / Daß man die schlechte Historien
wisse von Christo / Welche auch in Teuffeln ist / Sondern das new Liecht vnd die
Krafft / welche der heilig Geist in den Hertzen wircket / durch welche wir das
Schrecken des Todes / der Sünde vberwinden / etc. Das heissen wir Glauben.
Ein solch recht Christlicher Glaube / ist nicht so ein Leicht schlecht ding / als
die Wiedersacher wehnen wollen / Wie sie denn sagen / Glaub / Glaub / Wie bald
kan ich Gleuben / etc. Es ist auch nicht ein Menschen Gedancke / den ich mir
selbs machen könne / Sondern ist ein Göttliche Krafft im Hertzen / Dadurch wir
new Geborn werden / dadurch wir den grossen Gewalt deß Teuffels vnd des Todes
vberwinden / Wie Paulus saget zun Colossern / In welchem jhr auch seyd
aufferstanden durch den Glauben / den Gott wircket / etc.
|| [ID00432]
Derselbige Glaube / dieweil es ein new Göttlich Liecht vnd Leben im Hertzen ist
/ dadurch wir andern Sinn vnd Muth kriegen / ist lebendig / schefftig vnd reich
von guten Wercken.
Darumb ist das recht geredt / daß der Glaub nicht recht ist / der ohn Werck ist /
vnd ob er sagte / daß wir durch den Glauben vnd Wercke gerecht werden / So sagt
er doch nicht / daß wir durch die Wercke new geborn werden / so sagt er auch
nicht / daß Christus halb der Versüner sey / halb vnser Wercke / Sondern er
redet von Christen / Wie sie seyn sollen / nach dem sie nun new geborn sind /
durch das Euangelium.
Denn er redet von Wercken / die nach dem Glauben folgen sollen / da ists recht
geredt / Wer Glauben vnd gute Werck hat / der ist gerecht / Ja nicht vmb der
Wercke willen / Sondern vmb Christus willen durch den Glauben / Vnd wie ein
guter Bawm gute Früchte tragen sol / Vnd doch die Frücht machen den Bawm nicht
gut / Also müssen gute Wercke folgen / nach der newen Geburt / wiewol sie den
Menschen nicht für Gott angenem machen / sondern wie der Bawm zuuor gut seyn muß
/ Also müsse der Mensch zuuor Gott angenehm seyn durch den Glauben / vmb
Christus willen. Die Werck sind viel zu gering dazu / daß vns Gott vmb jhrent
willen gnedig seyn solt / wo er vns nicht vmb Christus willen gnedig were.
Also ist Jacobus S. Paulo nicht entgegen / sagt auch nicht / daß wir durch die
Wercke verdienen Vergebung der Sünde / sagt nicht / daß vnsere Wercke des
Teuffels Macht / den Tod / die Sünde / der Helle schrecken vberwinden / vnd dem
Tode Christi gleich seyn / er sagt nicht / daß wir durch Werck GOtt angenehm
werden / er sagt nicht / daß vnsere Werck die Hertzen zu Ruhe bringen / vnd
GOttes Zorn vberwinden / oder daß wir Barmhertzigkeit nicht dürffen / wenn wir
Werck haben / der keins sagt Jacobus / welchen Zusatz doch die Wiedersacher
hinzu flicken an die Wort Jacobi.
Auch führen sie noch mehr Sprüche wieder vns / als dieser / Danielis am 4. sagt
der Text: Deine Sünde löse mit Gerechtigkeit / vnd deine Vbertrettung mit
Almosen gegen den Armen. Vnd Esa. 58. Brich den Hungerigen dein Brod. Item /
Lucae 6. Vergebet / so wird euch vergeben werden. Vnd Matth. 6. Selig sind die
Barmhertzigen / denn sie werden Barmhertzigkeit erlangen.
Auff diese Sprüche vnd dergleichen von den Wercken / antworten wir erstlich
dieses / Nemlich / daß (wie wir oben gesagt) das Gesetz niemands halten kan ohn
Glauben / so kan niemand Gott gefallen ohn Glauben an Christum / Wie Er sagt:
Ohn mich kündt jhr
|| [203]
nichts thun. Item / ohn den
Glauben ist es vnmüglich GOtt zu gefallen. Item / wie Paulus sagt / durch
Christum haben wir ein Zugang zu Gott durch den Glauben. Darumb so offt die
Schrifft der Werck gedencket / so wil sie allenthalben das Euangelium von
Christo vnd den Glauben mit gemeinet haben.
Zum andern / so sind die Sprüche aus Daniel vnd die andern (so jetzund erzahlt)
fast alle Predigt von der Bus. Erstlich predigen sie das Gesetz / zeigen die
Sünde an / vnd vermahnen zur Besserung vnd guten Wercken. Zum andern / ist
daneben ein Verheissung / daß Gott wolle gnedig seyn. Nu ist es gewiß / daß zu
einer rechten Bus nicht gnug ist allein das Gesetz zu predigen / denn es
schrecket allein die Gewissen / sondern es muß dazu kom̅en auch
das Euangelium / Nemlich daß die Sünde ohn Verdienst vergeben werden vmb
Christus willen / daß wir durch den Glauben erlangen Vergebung der Sünde / das
ist so gewiß vnd also klar / daß wo die Wiedersacher das werden anfechten / vnd
Christum vnd den Glauben von der Buß scheiden / billich für Lesterer des
Euangelij vnd Christi geacht werden.
Darumb sol man die wort des grossen / hohen Propheten Danielis / nicht allein
auff das blos Werck / auff die Allmosen deuten vnd ziehen / sondern auch den
Glauben ansehen / man muß der Propheten Wort / welche voll Glaubens vnd Geistes
gewest / nicht so Heydnisch ansehen / Als Aristotelis,
oder eins andern Heyden. Aristoteles hat auch Alexandrum vermahnet / daß er seine Macht / nicht zu
eigenem muthwillen / Sondern zur Besserung Landen vnd Leuten brauchen solt / Das
ist recht vnd wol geschrieben / mann kan auch von Königlichem Ampt nichts
bessers predigen oder schreiben / Aber Daniel sagt seinem König nicht allein von
seinem Königlichem Ampt / sondern von der Bus / von Vergebung der Sünde / von
Versünung gegen GOtt / vnd von den hohen / grossen / Geistlichen Sachen / welche
gar hohe vnd weit vber alle Menschliche Gedancken vnd Wercke gehen / Darumb sind
seine Wort nicht allein von Wercken vnd Allmosen zu verstehen / Welche auch ein
Heuchler thun kan / sondern fürnemlich vom Glauben.
Daß man aber muß Glauben hie verstehen / da wir von reden / das ist / Gleuben /
daß GOtt Sünde durch Barmhertzigkeit / nicht vmb vnsers Verdiensts willen
vergebe / das beweiset der Text selbs / erstlich damit / denn es sind zwey Stück
in Danielis Predigt. Das ein ist Gesetzpredigt vnd Straff / Das ander / ist die
Verheissung oder Absolutio. Wo nun Verheissung ist / muß
Glauben seyn. Denn Verheissung kan nicht anders empfangen werden / Denn
|| [ID]
daß sich das Hertz verlesset auff solch Gottes Wort / vnd
siehet nicht an eigene Wirdigkeit / oder Vnwirdigkeit / darumb foddert Daniel
auch Glauben / denn also laut die Verheissung: Deine Sünde werden geheilet.
Dieses Wort ist eine rechte Prophetische vnd Euangelische Predigt / denn Daniel
wuste / daß durch den künfftigen Samen Christum / nicht allein den Jüden /
sondern auch den Heyden vergebung der Sünde / Gnad vnd ewigs Leben zugesagt war
/ sonst hette er den König nicht also können trösten. Denn es ist nicht Menschen
Werck / eim erschrocken Gewissen gewißlich Vergebung der Sünde zusagen vnd
trösten / daß Gott nicht mehr zürnen wolle. Da muß man von Gottes Willen /
Zeugniß aus Gottes Wort haben / Wie denn Daniel die hohen Verheissungen vom
künfftigen Samen gewust vnd verstanden hat. Dieweil er nu ein Promißio setzet / ist klar vnd offenbahr / daß er Glauben foddert / da
wir von reden.
Daß er aber spricht: Deine Sünde löse mit Gerechtigkeit / vnd deine Vbertrettung
mit Wolthaten gegen den Armen / ist ein Summa einer gantzen Predigt / vnd ist so
viel / besser dich / Vnd ist wahr / so wir vns bessern / werden wir los von
Sünden. Darumb sagt er recht / Löse deine Sünde. Daraus folget aber nicht / daß
wir von Sünden los werden vmb vnser Wercke willen / oder / daß vnser Werck die
Bezahlung seyen für die Sünde. Auch setzet Daniel nicht allein die Werck /
sondern spricht: Löse deine Sünde mit Gerechtigkeit. Nun weis menniglich / daß
Gerechtigkeit in der Schrifft nicht allein eusserliche werck heist / sondern
fasset den Glauben / wie Paulus spricht: Iustus ex fide
viuit, der Gerecht lebet seines Glaubens. Darumb foddert Daniel
erstlich Glauben / da er Gerechtigkeit nennet / vn̅ spricht: Löse
deine Sünde mit Gerechtigkeit / das ist / mit Glauben gegen Gott / dadurch du
gerecht wirdest / dazu thu auch gute Werck / Nemlich / warte deines Ampts / sey
nicht ein Tyran / sondern siehe zu / daß dein Regiment Landen vnd Leuten
nützlich sey / halt Frieden / vnd schütz die Armen wieder vnrechten Gewalt / das
seyn Fürstliche Eleemosynae.
Also ist klar / daß dieser Spruch der Lehre vom Glauben nicht entgegen ist / aber
vnsere Wiedersacher / die groben Esel / flicken jhre Zusatz an alle solche
Sprüche / Nemlich / daß vns die Sünd vmb vnser Werck willen vergeben werden /
vnd lehren vertrawen auff werck / so doch die Sprüch nicht also reden / sondern
foddern gute Werck / wie denn wahr ist / daß muß ein ander vnd besser Leben in
vns werden / Aber dennoch sollen dieselbige Werck Christo sein Ehr nicht nehmen.
Also ist auch auff den Spruch aus dem Euangelio zu antwor
|| [204]
ten / Vergebet / so wird euch vergeben. Denn es ist gleich
ein solche Lehre von der Bus. Das erste stück an diesem Spruch foddert Besserung
/ vnd gute Wercke / Das ander stück setzet dazu die Verheissunge / vnd man sol
daraus nicht schliessen / daß vnser Vergeben / vns ex opere
operato, Vergebung der Sünde verdiene. Denn das sagt Christus nicht /
sondern / wie in andern Sacramenten / Christus die Verheissung hefftet an das
eusserliche Zeichen / also hefftet er auch hie die Verheissung von Vergebung der
Sünde an die eusserlichen guten Werck. Vnd wie wir im Abendmahl nicht erlangen
Vergebung der Sünden ohn den Glauben ex opere operato,
Also auch nicht in diesem Wercke / vnd vnserm vergeben / Denn vnser vergeben ist
auch kein gut Werck / es geschehe denn von den jenigen / welchen von Gott in
Christo / die Sünde schon zuuor vergeben sind.
Darumb vnser Vergeben sol es GOtt gefallen / so muß es nach der Vergebung / da
vns Gott vergibt / folgen. Denn Christus pfleget die zwey also zusammen zu
setzen / das Gesetz vnd Euangelium / beyde / den Glauben vnd auch die guten
Wercke / daß er anzeige / daß kein Glaube da sey / wenn nicht gute Wercke
folgen. Item / daß wir eusserlich Zeichen haben / welche vns erinnern des
Euangelij / vnd Vergebung der Sünde / dadurch wir getröstet werden / Daß also
manchfeltig vnser Glaube geübet werde.
Also sollen solche Sprüche verstanden werden / denn sonst were es stracks wieder
das gantz Euangelium / vnd würden vnser bettelische Werck an Christus stat
gesetzt / Welcher allein sol die Versünung seyn / welcher je nicht zu verachten
ist.
Item / Wo sie solten von Wercken verstanden werden / so würde die Vergebung der
Sünde gantz vngewiß / denn sie stünde auff einem losen Grunde / auff vnsern
elenden Wercken.
Auch ziehen sie an einen Spruch aus Tobia: Die Allmosen erlösen von der Sünde /
vnd von dem Tode. Wir wollen nicht sagen / daß da ein Hyperbole sey / Wiewol wir es sagen möchten / damit Christi Ehre
erhalten werde / Denn diß ist Christus Ampt allein von der Sünde / vom Tode
erlösen / etc. Wir wollen aber vns zu vnser alten Regeln halten / Nemlich / Daß
das Gesetz oder die Werck ausser Christo niemands gerecht machen für Gott. So
gefallen nu die Allmosen / welche dem Glauben folgen / denn erst Gott / wenn ich
durch Christum versünet bin / Nicht die vorher gehen / darumb erlösen sie vom
Tode / nicht ex opere operato, Sondern / wie ich kurtz
zuuor von der Bus gesagt habe / daß man den Glauben mit den Früchten zugleich
muß zusammen fassen. Also ist auch von den Allmosen zu
|| [ID00436]
sagen
/ daß sie Gott gefallen / dieweil sie geschehen in den Gleubigen / Denn Tobias
redet nicht allein von Allmosen / Sondern auch vom Glauben / Denn er saget: Lobe
Gott / vnd bitte jhn / daß er dich wolle auff deinen wegen leiten / etc. Da
redet er eigentlich von dem Glauben / da wir von reden / Der da gleubt / daß er
einen gnedigen Gott habe / den er zu loben schüldig ist / für eytel grosse Güte
vnd Gnade / von dem er auch täglich warte Hülffe / vnd bittet jhn / daß er jhm
im leben vnd sterben leiten vnd regieren wölle.
Auff die weise mögen wir nachgeben / daß die Allmosen nicht vnuerdienstlich seyn
gegen Gott / Nicht aber / daß sie können den Tod / die Helle / den Teuffel / die
Sünde vberwinden / die Gewissen zu ruhe stellen / (denn das muß durch den
Glauben an Christum alleine geschehen) sondern verdienen / daß vns Gott schützet
für künfftigem Vbel vnd Fahr Leibs vnd der Seelen. Das ist der einfeltige
Verstand / welcher auch mit andern Sprüchen der Schrifft vberein stimmet / Denn
wo gute Werck gelobet werden in der Schrifft / so sol man es allezeit nach der
Regel Pauli verstehen / daß man das Gesetz vnd die Werck nicht vber Christum
hebe / daß Christus vnd der Glaube so hohe vber alle Wercke gehen / als der
Him̅el vber der Erden ist.
Auch ziehen sie an den Spruch Christi: Gebet Allmosen / so wird euch alles rein
seyn. Die Wiedersacher seyn taub / vnd haben dicke Ohren / darumb müssen wir jhn
die Regeln offt erholen / Daß das Gesetze ohn Christo niemands für Gott from
mache / Vnd daß alle Werck allein vmb Christus willen angenehm seyn. Aber die
Wiedersacher schliessen Christum allenthalben aus / thun gleich als sey Christus
nichts / vnd lehren vnuerschampt / daß wir Vergebung der Sünde erlangen durch
gute Wercke / etc.
Wenn wir aber den Spruch vnzurissen gantz ansehen / so werden wir sehen / daß er
auch vom Glauben mit redet / Christus schilt die Phariseer / daß sie wolten
wehnen / sie würden für Gott heilig vnd rein / durch allerley Baptismata carnis, das ist / durch allerley Leibliche Bade / waschen /
vnd Reinigung am Leibe / an Gefesse / an Kleidern / Wie auch ein Bapst in seine
Canones gesetzt hat / ein nöthig Bäpstlich Stücke
von Weihe Wasser / Daß / wenn es mit geweihetem Saltz besprenget wird / so
heiligets vnd reiniget das Volck von Sünden / Vnd die Glosse sagt / Es reinige
von täglichen Sünden. Also hatten die Phariseer auch Irrthumb vnter sich /
welche Christus straffet / Vnd setzet gegen die ertichten Reinigung zweyerley
Reinigkeit / Eine innerlich / die ander eusserlich / Vnd vermahnet daß sie
inwendig sollen rein seyn / Das geschihet (wie Petrus saget in Geschichten
|| [205]
der Aposteln am 15.) durch den Glauben / Vnd setzt
dazu von eusserlicher Reinigkeit: Gebet Allmosen von dem / das jhr vbrig habt /
so wird euch alles rein seyn.
Die Wiedersacher führen nicht recht ein / das wort (Alles) denn Christus setzt
den Beschluß auff beyde stücke / auff die jnnerliche vnd eusserliche Reinigkeit
/ vnd sagt / Alles wird euch rein seyn / das ist / Wenn jhr euch nicht allein
leiblich badet / sondern Gott gleubet / vnd also inwendig rein seyd / vnd
außwendig Allmosen gebet / So wird euch alles rein seyn. Vnd zeigt an / daß auch
die rechte eusserliche Reinigkeit stehe in den Wercken / welche Gott geboten
habe / vnd nicht in Menschlichen Satzungen / als da waren dieselbigen traditiones Pharisaeorum, &c. Vnd wie bey vnser
zeit ist das besprützen vnd sprengen des Weihewassers / die Schneeweissen
Mönchskleider / die vnterscheid der Speis / vnd dergleichen.
Die Wiedersacher aber ziehen diß signum vniuersale,
Nemlich / das wort (Alles) Sophistisch allein auff ein theil / vnd sagen / Alles
wird euch rein seyn / wenn jhr Allmosen gebet / etc. Als wenn einer saget /
Andreas ist da / darumb seyn alle Apostel da / darumb im Antecedent oder
vorgehend stücke dieses Spruchs / sol beydes beyeinander bleiben / Gleubet vnd
gebet Allmosen / den̅ darauff gehet die gantze Sendung / das
gantze Ampt Christi / darumb ist er da / daß sie gleuben sollen. Wenn nu beyde
stücke zusamen gefasset werden / vnd Eleemosynen geben / so folget recht / daß
Alles rein sey / das Hertz durch Glauben / der eusserliche Wandel durch gute
Werck. Also sol man die Predigt gantz fassen / vnd nicht das ein stück vmbkehren
/ vnd deuten / daß das Hertz von Sünden rein wird / durch vnser Eleemosynen.
Es sind auch wol etliche / die da meynen / daß es wieder die Phariseer von
Christo Ironice, oder spöttisch geredt sey / als solt er
sagen / Ja lieben Junckern / raubet vnd stelet / vnd gehet darnach hin / gebt
Allmosen / so werd jhr bald rein seyn / Daß also Christus etwas herbe vnd
hönisch ansteche jhre Phariseische Heucheley / Denn wiewol sie voll Vnglaubens /
voll Geitz vn̅ alles argen waren / so hielten sie doch jhr
Reinigung / gaben Allmosen / vnd meineten sie weren gar rein zarte Heiligen /
Die Außlegung ist dem Text daselbs nicht entgegen.
Was nu auff ander dergleichen mehr Sprüch zu antworten sey / ist leichtlich
abzunehmen aus diesem / so wir erklehret haben / Denn die Regel leget aus alle
Sprüch von guten Wercken / daß sie ausser Christo für Gott nichts gelten /
sondern das Hertz muß zuuor Christum haben / vnd gleuben / daß es Gott gefalle
vmb Christus willen / nicht von wegen eigener Werck.
|| [ID00438]
Die Wiedersacher führen auch etliche Schulargument / darauff leichtlich zu
antworten ist / wenn man weis / was Glauben ist. Erfahrne Christen reden viel
anders vom Glauben denn die Sophisten / wie wir droben angezeigt / daß Glauben
heist vertrawen auff Gottes Barmhertzigkeit / daß er gnedig seyn wolle / vmb
Christus willen / ohn vnsern Verdienst / Vnd das heist glauben den Artickel
Vergebung der Sünde. Dieser Glaub ist nicht allein die Historia wissen / die
auch Teuffel wissen / Darumb ist das Schulargument leichtlich auff zulösen / daß
sie sprechen / die Teuffel gleuben auch / darumb mache der Glaube nicht gerecht.
Ja die Teuffel wissen die Historia / gleuben aber nicht Vergebung der Sünd.
Item / daß sie sprechen / Gerecht seyn / heisset Gehorsam / Nu ist ja Werck thun
ein Gehorsam / Darumb müssen die Werck Gerecht machen / Darauff sol man also
antworten / Gerecht seyn / heist ein solcher Gehorsam / den Gott dafür annimpt.
Nu wil Gott vnsern Gehorsam in Wercken nicht annehmen für Gerechtigkeit / denn
es ist nicht ein hertzlicher Gehorsam / dieweil niemand das Gesetz recht haltet:
Darumb hat er einen andern Gehorsam geordnet / den er wil für Gerechtigkeit
annehmen / Nemlich / Daß wir vnsern Vngehorsam erkennen / vnd vertrawen / Wir
gefallen Gott vmb Christus willen / nicht von wegen vnsers Gehorsams / Derhalben
heist nun hie gerecht seyn / Gott angenehm seyn / nicht von wegen eigens
Gehorsams / Sondern aus Barmhertzigkeit / vmb Christus willen.
Item / Sünd ist Gott hassen / darumb muß Gerechtigkeit seyn Gott lieben. Wahr
ists / Gott lieben ist Gerechtigkeit des Gesetzes. Aber dieses Gesetz erfüllet
niemand. Darumb lehret das Euangelium eine newe Gerechtigkeit / daß wir vmb
Christus willen GOtt gefallen / ob wir schon das Gesetz nicht erfüllen / vnd
sollen doch anheben das Gesetz zu thun.
Item / Was ist vnterscheid zwischen Glauben vnd Hoffen? Antwort / Hoffnung wartet
künfftiger Güter / vnd rettung aus der Trübsal / Glauben empfehet gegenwertige
Versönung / vnd schleust im Hertzen / daß Gott die Sünde vergeben habe / vnd daß
er mir jetzund gnedig sey. Vnd dieses ist ein hoher Gottesdienst / der GOtt
damit dienet / daß er jhm die Ehre thut / vnd die Barmhertzigkeit vnd
Verheissung so gewiß helt / daß er ohn Verdienst kan allerley Güter von jhm
empfahen vnd warten. Vnd in diesem Gottesdienst sol das Hertz geübet werden /
vnd zunehmen / Dauon wissen die tollen Sophisten nichts.
Aus diesem allem ist leichtlich zu verstehen / Was man halten
|| [206]
sol von merito condigni, da die
Wiedersacher ertichten / daß wir für Gott gerecht sind / durch die Liebe vnd
vnser Wercke / da gedencken sie nicht einmal des Glaubens / Vnd an stat des
Mittlers Christi setzen sie vnsere Wercke / vnsere Erfüllung des Gesetzes / das
ist in keinem wege zu leiden. Denn wiewol wir oben gesagt / wo die newe Geburt
ist / durch Geist vnd Gnade / da folget auch gewißlich die Liebe / So sol man
doch die Ehre Christi nicht vnsern Wercken geben / sondern das ist gewiß / daß
wir vor vnd nach / wenn wir zu dem Euangelio kom̅en / gerecht
geschetzt werden vmb Christus willen / vnd Christus bleibt der Mittler vnd
Versüner / vor als nach / nach als vor / vnd durch Christum haben wir einen
zugang zu GOtt / nicht darumb / daß wir das Gesetz gehalten haben / vnd viel
guts gethan / Sondern / daß wir so frölich / getrost auff Gnad bawen / vn̅ so gewiß vns verlassen / daß wir aus Gnade vmb Christus willen
gerecht für Gott geschetzt werden.
Vnd das lehret / prediget / bekennet die heilige Catholica Christliche Kirche / daß wir selig werden durch Barmhertzigkeit
/ wie wir oben haben angezogen aus Hieronymo, Vnser
Gerechtigkeit stehet nicht auff eigen Verdienst / Sondern auff Gottes
Barmhertzigkeit / vnd dieselbige Barmhertzigkeit fasset man durch den Glauben.
Hie wöllen aber alle Verstendige sehen / was aus der Wiedersacher Lehre folgen
wolt / Denn so wir halten werden / daß Christus allein vns primam gratiam, das ist / die erste Gnade verdienet hette / (wie sie
es nen̅en) vnd wir hernach durch vnsere Werck erst das ewige Leben
müsten verdienen / so werden die Hertzen oder Gewissen weder an der Tods stunde
/ noch sonst nim̅ermehr zu frieden werden / werden nim̅ermehr bawen können auff gewissen Grund / werden nim̅ermehr gewiß / ob vns Gott gnedig were. Also führete jhre Lehre die Gewissen
ohn vnterlas auff eytel Hertzleid / vnd endlich auff verzweiffelung / denn
Gottes Gesetz ist nicht ein schertz / das klagt das Gewissen an / ausser Christo
/ ohn vnterlas / wie Paulus sagt / Das Gesetz richt Zorn an / also / denn wenn
die Gewissen Gottes Vrtheil fülen / vnd haben kein gewissen Trost / fallen sie
dahin in Verzweiffelung.
Paulus sagt: Alles was nicht aus dem Glauben ist / das ist Sünde. Die jenigen
aber können nicht aus Glauben thun / die den̅ sollen ein gnedigen
Gott erst bekommen / wenn sie mit jhren Wercken das Gesetz erfüllet haben. Denn
sie werden allezeit wancken vnd zweiffeln / ob sie Werck gnug gethan haben / ob
dem Gesetz gnug geschehen sey / Ja sie werden starck fülen vnd empfinden / daß
sie noch dem Gesetz schüldig seyn / darumb werden sie nimmermehr bey sich gewiß
halten / daß sie ein gnedigen GOtt haben / oder / daß jhr Gebet
|| [ID00440]
erhöret werde. Derhalben können sie GOtt nimmer recht lieben / auch nicht
guts sich zu Gott versehen / oder Gott recht dienen. Denn was sind doch solche
Hertzen vnd Gewissen anders / denn die Helle selbs / so nichts anders in solchen
Hertzen ist / denn eytel zweiffeln / eytel verzagen / eytel murren / verdrieß
vnd Haß wieder Gott / vnd in dem Haß ruffen sie doch gleichwol Gott heuchlisch
an / wie der Gottlos König Saul that.
Hie können wir vns beruffen auff alle Christliche Gewissen / vnd alle die jenigen
/ die Anfechtungen versucht haben / die müssen bekennen vnd sagen / daß solch
grosse Vngewißheit / solche Vnruhe / solche Quaal vnd Angst / solch schrecklich
zagen vnd Verzweiffelung aus solcher Lehre der Wiedersacher folget / da sie
lehren oder wehnen / daß wir durch vnsere Wercke / oder Erfüllung des Gesetzes /
so wir thun / für Gott gerecht werden / vnd weisen vns den Holtzweg zu vertrawen
/ nicht auff die reichen / seligen zusage der Gnade / welche vns durch den
Mittler Christum werden angeboten / sondern auff vnsere elende Wercke.
Darumb bleibt dieser Beschluß / wie ein Mawr / ja wie ein Fels fest stehen / daß
wir / ob wir schon angefangen haben das Gesetz zu thun / dennoch nicht vmb
solcher Werck willen / sondern vmb Christus willen durch Glauben / Gott angenehm
sind / vnd mit Gott Frieden haben / Vnd ist vns Gott für dieselbige Werck nicht
schüldig das ewig Leben / sondern gleich wie vns vergebung der Sünde vnd
Gerechtigkeit vmb Christus willen / nicht vmb vnser Wercke / oder des Gesetzes
willen / wird zugerechnet / Also wird vns auch nicht vmb vnser Wercke willen /
noch vmb des Gesetzes willen / sondern vmb Christus willen / sampt der
Gerechtigkeit / ewig Leben angeboten / wie denn Christus sagt: Das ist der Wille
des Vaters / der mich gesand hat / daß ein jeglicher der den Sohn siehet / vnd
gleubet an Ihn / habe das Ewige Leben. Item / Der da gleubet in den Sohn / hat
das ewige Leben.
Nu sind hie wol die Wiedersacher zu fragen / Was sie doch den armen Gewissen / an
des Todes stunde / für rath geben / ob sie die Gewissen vertrösten / daß sie
sollen wol fahren / selig werden / ein gnedigen Gott haben / vmb jhres eigen
verdiensts willen / oder aus Gnade vnd Barmhertzigkeit vmb Christus willen. Denn
S. Peter / S. Paul vnd dergleichen Heiligen können nicht rhümen / daß jnen Gott
für jhr Marter das ewig Leben schüldig sey / haben auch nicht auff jre werck
vertrawet / sondern auff Barmhertzigkeit in Christo verheissen.
Vnd es were auch nicht müglich / daß ein Heiliger / wie gros vnd hohe er ist /
wieder das anklagen Göttlichs Gesetzs / wieder die grosse
|| [207]
Macht des Teuffels / wieder das schrecken des Todes / vnd endlich
wieder Verzweiffelung vnd Angst der Helle solt bleiben oder bestehen können /
wenn er nicht die Göttliche Zusage / das Euangelium / wie ein Bawm oder Zweig
ergriffe in der grossen Fluth / in dem starcken / gewaltigen Strome vnter den
Wellen vnd Bulgen der Tods angst / wenn er nicht durch den Glauben sich an das
Wort / welchs Gnade verkündiget / hielte / vnd also ohn alle Wercke / ohn Gesetz
/ lauter aus Gnaden / das ewige Leben erlanget. Denn diese Lehre allein erhelt
die Christlichen Gewissen in Anfechtungen vnd Tods engsten / von welchen die
Wiedersacher nichts wissen / vnd reden dauon / wie der Blinde von der Farbe.
Hie werden sie aber sagen / So wir durch lauter Barmhertzigkeit sollen selig
werden / Was ist denn für ein vnterscheid vnter denen / die da selig werden /
vnd die da nicht selig werden? Gilt kein Verdienst / so ist kein vnterscheid
vnter bösen vnd guten / Vnd folget / daß sie zu gleich selig werden. Das
Argument hat die Scholaster beweget / daß sie haben erfunden / das meritum condigni, Denn es muß ein vnterscheid vnter
denen seyn / die da selig werden / vnd die verdampt werden.
Für das erste aber sagen wir / daß das ewige Leben gehört denen / die Gott
gerecht schetzet / Vnd wenn sie sind gerecht geschetzt / sind sie damit Gottes
Kinder / vnd Christi Miterben worden / wie Paulus zu den Römern am 8. sagt:
Welche Er hat gerecht gemacht / die hat er auch herrlich gemacht. Darumb wird
niemand selig / denn allein die da gleuben dem Euangelio. Wie aber vnser
Versünung gegen Gott vngewiß / wen̅ sie solt auff vnsern wercken
stehen / vnd nicht auff Gottes gnediger Verheissung / welche nicht fehlen kan /
Also auch were alles vngewiß / was wir durch die Hoffnung warten / wenn sie
solte gebawet seyn auff vnserm verdienst vnd Wercke / Denn Gottes Gesetz klaget
das Gewissen an ohn vnterlas / vnd fülen im Hertzen nicht anders / denn diese
Stimme aus der Wolcken / vnd Fewerflammen / Deuteron. am 5. Ich bin der HERR
dein GOtt / Das soltuthun / Das bistu schüldig / Das wil ich haben / etc. Vnd
kein Gewissen kan ruhe haben ein Augenblick / wenn das Gesetz vnd Moses im
Hertzen drenget / ehe es Christum ergreifft durch den Glauben / Es kan auch
nicht recht hoffen das ewige Leben / es sey denn erst zu ruhen. Denn ein
Gewissen / das da zweiffelt / das fleuhet für GOTT / vnd verzweiffelt / das kan
nicht hoffen / Nun muß aber die Hoffnung des ewigen Lebens gewiß seyn / damit
sie nu nicht
|| [ID00442]
wancke / sondern gewiß sey / so müssen wir
gleuben / daß wir das ewige Leben haben / nicht durch vnsere Wercke oder
Verdienst / Sondern aus lauter Gnaden durch den Glauben an Christum.
In Welt hendeln / vnd in den Weltlichen Gerichts Stülen / da ist zweyerley Gnade
vnd Recht / Recht ist durch die Gesetz vnd Vrteil gewiß / Gnade ist vngewiß. Hie
für Gott ists ein ander ding / Denn die Gnade vnd Barmhertzigkeit ist durch ein
gewiß Wort zugesagt / vnd das Euangelium ist das Wort / das vns gebeut zu
gleuben / daß vns GOtt gnedig sey / vnd selig machen wölle vmb Christus willen /
wie der Text laut: Gott hat seinen Sohn nicht in die Welt geschickt / daß er die
Welt richte / Sondern daß die Welt seltg werde durch jhn / Wer in jhn gleubet /
der wird nicht gericht.
So offt als man nun redet von Barmhertzigkeit / so ists also zu verstehen / daß
Glaub gefoddert wird / vnd derselbig Glaub der macht das vnterschied / vnter
denen die selig werden / vnd vnter denen die verdampt werden / vnter wirdigen
vnd vnwirdigen. Denn das Ewige Leben ist niemands zugesagt / denn den Versüneten
in Christo. Der Glaub aber versünet / vnd macht vns gerecht für Gott / wenn vnd
zu welcher zeit wir die Zusage durch den Glauben ergreiffen. Vnd das gantz Leben
durch sollen wir Gott bitten / vnd vns fleissigen / daß wir den Glauben bekom̅en / vnd in dem Glauben zunehmen / Denn / wie oben gesagt ist /
der Glaub ist wo Buß ist / vnd ist nicht in den / die nach dem Fleisch wandeln /
derselbig Glaub sol auch durch allerley Anfechtunge / das gantz Leben durch
wachsen vnd zunehmen. Vnd welche den Glauben erlangen / die werden new geboren /
daß sie auch ein new Leben führen / gute Wercke thun.
Wie wir nu sagen / daß die rechte Buß sol das gantz Leben durch weren / Also
sagen wir auch / daß die guten Wercke vnd Früchte des Glaubens / das gantz Leben
durch geschehen sollen / Wiewol vnser Wercke nimmermehr so thewr werden / daß
sie solten dem Schatz Christi gleich seyn / oder das ewige Leben verdienen. Wie
auch Christus sagt: Wenn jhr alles gethan habt / so sprecht / Wir seyn vnnütze
Knecht / Vnd S. Bernhardus sagt recht / Es ist noth /
vnd du must erst gleuben / daß du Vergebung der Sünde nicht haben könnest / denn
allein durch Gottes Gnade / Vnd darnach / daß du auch sonst hernach kein gut
Werck haben vnd thun könnest / wenn Gott dirs nicht gibt / Endlich / daß du das
ewig Leben mit keinen Wercken verdienen kanst / wenn dir dasselbig auch nicht
ohne Verdienst geben wird / vnd bald
|| [208]
hernach /
Niemands wolle sich selbs verführen / Denn wenn du wirdest recht die Sache
bedencken / So wirstu ohn zweiffel finden / daß du mit Zehen Tausent nicht
könnest entgegen kommen / dem / der dir mit Zwantzig Tausent begegnet / etc. Das
sind je starcke Sprüche S. Bernhardi, sie möchten doch
demselben gleuben / ob sie vns nicht gleuben wolten.
Darumb damit die Hertzen einen rechten gewissen Trost vnd Hoffnung haben mügen /
so weisen wir sie / wie Paulus thut / auff die Göttliche Zusage der Gnaden in
Christo / vnd lehren / daß man müsse gleuben / daß GOtt vmb vnser Wercke / nicht
vmb Erfüllung des Gesetzes vns das ewige Leben gibt / Sondern vmb Christus
willen / Wie Johannes der Apostel in seiner Epistel spricht: Wer den Sohn hat /
der hat das Leben / Wer den Sohn nicht hat / der hat nicht das Leben.
Hie haben die Wiedersacher jhre grosse Kunst trefflich bewiesen / vnd den Spruch
Christi verkehret / Wenn jhr alles gethan habt / so sprecht / Wir sind vnnütze
Knecht / Ziehen jhn von Wercken auff Glauben / Sagen viel mehr / Wenn wir alles
gleuben / sind wir vnnütze Knechte. Das sind je schendliche Sophisten / die die
tröstliche Lehre vom Glauben so gar verkehren. Sagt jhr Esel / Wenn einer da
ligt am Tod / vnd fület / daß er kein Werck hat / das für GOttes Gericht gnug
sey / vnd kan auff kein Werck vertrawen / was wolt jhr demselben rathen? Wolt
jhr jhm auch sagen / Wenn du schon gleubest / so bistu doch ein vnnützer Knecht
/ vnd hilfft dich nicht? Da müsse das arme Gewissen in verzweiffelung fallen /
wenn es nicht weis / daß das Euangelium den Glauben eben darumb foddert /
dieweil wir vntüchtige Knecht sind / vnd nicht Verdienst haben.
Darumb sol man sich hüten für den Sophisten / so die Wort Christi also lesterlich
verkehren / Denn es folget nicht / Die Wercke helffen nicht / darumb hilfft der
Glaube auch nicht. Wir müssen den groben Eseln ein grob Exempel geben: Es folget
nicht / Der Heller hilfft nicht / darumb hilfft der Gülden auch nicht. Also /
wie der Gülden viel höher vnd stercker ist / denn der Heller / sol man verstehen
/ daß Glauben viel höher vnd stercker ist / denn Wercke / nicht daß Glauben
helff vmb seiner Wirdigkeit willen / Sondern darumb / daß er auff Gottes
verheissung vn̅ Barmhertzigkeit vertrawet / Glaub ist starck /
nicht vmb seiner Wirdigkeit willen / Sondern von wegen der Göttlichen
Verheissung / vnd darumb verbeut Christus hie vertrawen auff eigene Werck / denn
sie können nicht helffen / dagegen verbeut er nicht
|| [ID00444]
vertrawen
auff GOttes Verheissung / ja er foddert dasselbige vertrawen auff Gottes
Verheissung / eben darumb / dieweil wir vntüchtige Knecht sind / vnd die Wercke
nicht helffen können.
Derhalben ziehen die Bößwicht die Wort Christi vnrecht / von vertrawen eigener
Wirdigkeit / auff vertrawen Göttlicher zusage / damit ist jhre Sophisterey klar
verlegt vnd auff gelöset / der HERR Christus wolle die Sophisten / so sein
heiliges Wort also zerreissen / bald zu schanden machen / Amen.
Die Wiedersacher aber wollen beweisen / daß wir das Ewig Leben mit Wercken
verdienen de condigno, damit daß das ewig Leben wird
genennet ein Lohn. Wir wollen darauff kurtz vnd richtig antworten.
Paulus nennet das ewige Leben ein Geschenck vnd Gabe / denn wenn wir durch den
Glauben gerecht werden / so werden wir Gottes Söhne vnd Miterben Christi. An
einem andern ort aber stehet geschrieben / Ewer Lohn ist reichlich im Himmel.
Wenn nu die Wiedersacher düncket / daß dieses wieder einander sey / so mögen sie
es außrichten / sie thun wie sie pflegen / sie lassen das wort (donum) aussen / vnd lassen allenthalben aussen das
Heuptstücke / wie wir für GOtt gerecht werden / Item / daß Christus allezeit der
Mittler bleibt / vnd klauben darnach herauß das wort (merces oder Lohn) vnd legen denn dasselbige jhres gefallens auffs ergst
auß / nicht allein wieder die Schrifft / sondern auch wieder gemeinem brauch zu
reden / vnd schliessen denn also / Da stehet in der Schrifft / Ewer Lohn / etc.
Darumb sind vnsere Wercke so wirdig / daß wir dadurch das ewig Leben verdienen.
Das ist gar ein new Dialectica, da finden wir das enzele
wort (Lohn) Darumb thun vnsere Werck volkömlich gnug dem Gesetz / darumb sind
wir durch vnsere Werck Gott angenehm / dürffen keiner gnade / noch keines
Mittlers Christi / vnsere gute Wercke sind der Schatz / dadurch das ewige Leben
erkaufft vnd erlanget wird. Darumb können wir durch vnsere gute Werck das erste
höchste Gebot Gottes / vnd das gantz Gesetz halten. Weiter können wir auch thun
opera supererogationis, das ist / vbrige Werck / vnd
mehr denn das Gesetz foddert. Darumb haben die Mönche / so sie mehr thun / denn
sie schüldig seyn / vbrigen / vberflüssigen Verdienst / den mögen sie andern
schencken / oder vmb Gelt mittheilen / vnd mügen deß geschencks / als die newen
Götter / ein new Sacrament einsetzen / damit sie bezeugen / daß sie jhre
Verdienst jenen verkaufft vnd mitgetheilet haben / Wie denn die Barfüsser Mönche
vnd ander Orden vnuerschampt gethan / daß sie den todten Cörpern haben Ordens
Kappen angezo
|| [209]
gen / Das sind feine starcke
Gründe / welche sie alle aus der einigen syllaben (Lohn) spinnen können / damit
sie Christum vnd den Glauben vertunckeln.
Wir aber zancken nicht vmb das Wort (Lohn) sondern von diesen grossen / hohen /
allerwichtigsten Sachen / Nemlich / wo Christliche Hertzen rechten gewissen
Trost suchen sollen. Item / ob vnsere werck die Gewissen können zu ruhen oder zu
Friede bringen. Item / ob wir halten sollen / daß vnsere Werck des ewigen Lebens
wirdig sind / oder ob es vmb Christus willen geben werde. Dieses sind die
rechten fragen in diesen Sachen / wenn da die Gewissen nicht recht bericht seyn
/ so können sie keinen gewissen Trost haben.
Wir aber haben klar gnug gesagt / daß die Guten Wercke das Gesetz nicht erfüllen
/ daß wir GOttes Barmhertzigkeit bedürffen / vnd daß wir durch den Glauben GOtt
angenehm werden / vnd daß die guten Werck / sie seyn wie köstlich sie wollen /
Wenn es auch S. Paulus Wercke selbs weren / kein Gewissen können zu ruhe machen.
Aus dem allem folget / daß wir sollen gleuben / daß wir das ewig Leben erlangen
durch Christum aus Gnaden / nicht vmb der Wercke / oder des Gesetzes willen.
Was sagen wir aber von dem Lohn / welches die Schrifft gedenckt? Für das erste /
wenn wir sagten / daß das ewige Leben werde ein Lohn genennet / darumb / daß es
den Gleubigen Christi aus der Göttlichen Verheissung gehöret / so hetten wir
recht gesagt. Aber die Schrifft nennet das ewige Leben einen Lohn / nicht daß
GOtt schüldig sey / vmb die Werck das ewig Leben zu geben / sondern nach dem das
ewig Leben sonst geben wird / aus andern vrsachen / daß dennoch damit vergolten
werden vnsere Werck vnd Trübsal / ob schon der Schatz so gros ist / daß jhn Gott
vns vmb die Werck nicht schüldig were. Gleich wie das Erbtheil oder alle Güter
eins Vaters / dem Sohn gegeben werden / vnd sind ein reiche Vergleichung vnd
Belohnung seins Gehorsams / Aber dennoch empfehet er das Erbe nicht / vmb seines
Verdiensts willen / sondern daß es jhm der Vater günnet / als ein Vater / etc.
Darumb ists gnug / daß das ewige Leben deßhalben werde ein Lohn genennet / daß
dadurch vergolten werden die Trübsaln / so wir leiden / vnd die Wercke der Liebe
/ die wir thun / ob es wol damit nicht verdienet wird. Denn es ist zweyerley
vergelten / eins das man schüldig ist / das ander das man nicht schüldig ist /
Als / so der Keyser eim Diener ein Fürstenthumb gibt / damit wird vergolten des
Dieners Arbeit / vnd ist doch die Arbeit nicht wirdig des Fürstenthumbs /
son
|| [ID00446]
dern der Diener bekennet / es sey ein Gnaden
Lehen. Also ist vns Gott vmb die Werck / nicht schüldig das ewige Leben. Aber
dennoch so ers gibt vmb Christus willen den Gleubigen / so wird damit vnser
Leiden vnd Werck vergolten.
Weiter sagen wir / daß die gute Werck warlich verdienstlich vnd meritoria seyn / nicht das sie vergebung der Sünde vns
solten verdienen / oder für Gott gerecht machen / Denn sie gefallen Gott nicht /
sie geschehen denn von den jenigen / welchen die Sünde schon vergeben sind / So
sind sie auch nicht werth deß ewigen Lebens / sondern sie sind verdienstlich zu
andern gaben / welche in diesem vnd nach diesem Leben gegeben werden / Denn Gott
verzeuhet viel Gaben biß in jenes Leben / da nach diesem Leben Gott die Heiligen
wird zu ehren setzen / Denn hie in diesem Leben / wil er den alten Adam
creutzigen vnd tödten mit allerley Anfechtungen vnd trübsaln.
Vnd dahin gehört der Spruch Pauli / Ein jeder wird Lohn empfahen nach seiner
Arbeit. Denn die Seligen werden belohnung haben / einer höher denn der ander.
Solch vnterschied macht der Verdienst / nach dem er nu Gott gefelt / vnd ist
verdienst / dieweil die jenigen solche werck thun / die Gott zu Kindern vnd
Erben angenommen hat / so haben sie denn eigen vnd sonderlichen verdienst / wie
ein Kind für dem andern.
Die Wiedersacher ziehen auch andere Sprüche an / zu beweisen / daß die Wercke das
ewige Leben verdienen / Als diese / Paulus sagt / Er wird einem jeden geben nach
seinen Wercken. Item / Johan. 5. Die gutes gethan haben / werden aufferstehen
zur Aufferstehung des Lebens. Item / Matth. 25. Mich hat gehungert / vnd jhr
habt mich gespeiset? Antwort. Diese Sprüche alle / welche die Wercke loben /
sollen wir verstehen nach der Regel (welche ich oben gesetzt habe) Nemlich / daß
die Werck ausserhalb Christo / Gott nicht gefallen / Vnd daß man in keinen weg
außschliessen sol den Mittler Christum. Darumb so der Text sagt / daß das ewige
Leben werde gegeben / denen / die guts gethan haben. So zeigt er an / daß es
werde den jenigen geben / die durch den Glaube̅ an Christum zuuor
gerecht seyn worden. Denn GOtt gefallen keine gute Wercke / es sey denn der
Glaub dabey / dadurch sie gleuben / daß sie Gott angenehm seyn vmb Christus
willen / Vnd welche also durch den Glauben sind gerecht worden / die bringen
gewißlich gute Werck vnd gute Früchte / als der Text saget / Mich hat gehungert
/ vnd jhr habt mich gespeiset / etc. Da muß man ja bekennen / daß Christus nicht
allein das Werck verstehe / sondern das Hertz haben wolle / das da recht von
Gott haltet vnd
|| [210]
gleubet / daß es GOtt gefalle durch
Barmhertzigkeit. Also lehret Christus / daß das ewig Leben den Gerechten gegeben
wird / wie dabey Christus spricht / Die Gerechten werden ins ewig Leben gehen /
vnd nennet doch droben die Frücht / daß wir lernen sollen / daß Gerechtigkeit
vnd Glaube nicht ein Heucheley / sondern ein new Leben sey / da gute Werck
müssen folgen.
Wir suchen hie nicht ein vnnötige Subtilitet / Sondern es hat grosse Vrsach /
warumb man in diesen Fragen ein gewissen Bericht muß haben / Denn alßbald / wenn
man den Wiedersachern zulesst / daß die Werck das ewige Leben verdienen / bald
spinnen sie diese vngeschickte Lehre daraus / daß wir vermügen Gottes Gesetz zu
halten / daß wir keiner Barmhertzigkeit bedürffen / daß wir für Gott gerecht
seyn / das ist / Gott angenehm durch vnsere Wercke / nicht vmb Christus willen /
daß wir auch opera supererogationis, vnd mehr thun
können / denn das Gesetz erfoddert / Also wird denn die gantze Lehre vom Glauben
gar vnterdrückt. Sol aber ein Christliche Kirche seyn vnd bleiben / so muß je
die reine Lehre von Christo / von Gerechtigkeit des Glaubens erhalten werden.
Darumb müssen wir solche grosse Pharisaische Irrthumb anfechten / damit wir den
Namen Christi / vnd die Ehre des Euangelij vnd Christi erretten / vnd den
Christlichen Hertzen ein rechten / bestendigen / gewissen Trost erhalten. Den̅ wie ist es müglich / daß ein Hertz oder Gewissen könne zu ruhen
kommen / oder die Seligkeit hoffen / wenn in Anfechtungen vnd Tods Engsten für
GOttes Vrtheil vnd Augen / vnsere Werck so gar zu staub werden / wo es nicht
durch Glauben deß gewiß wird / daß wir selig werden aus Gnaden / vmb Christus
willen / nicht vmb vnser Werck / vmb vnser Erfüllung des Gesetzes.
Vnd freylich Sanct Lorentz / da er auff dem Rost gelegen / vnd vmb Christus
willen gemartert / ist nicht also gesinnet gewest / daß dasselbige sein Werck
Gottes Gesetz volkömlich vnd rein erfüllet / daß er ohn Sünde were / daß er des
Mittlers Christi / oder der Gnade nicht dürffte / Er hats freylich bleiben
lassen / bey dem Wort des Propheten Dauids: Du wöllest nicht ins Gericht gehen /
HERR / mit deinem Knecht / etc.
S. Bernhardus hat auch nicht gerhümet / daß seine Wercke
wirdig weren des ewigen Lebens / da er spricht: Perditè
vixi, Ich hab Sündlich gelebt / etc. Doch richtet er sich getrost wieder
auff / helt sich an die Verheissung der Gnade / vnd gleubet / daß er vmb
Christus willen Vergebung der Sünde habe / vnd das ewige Leben / Wie der Psalm
saget: Wol denen / welchen die Sünde vergeben seyn / Vnd
|| [ID00448]
Paulus zu den Römern am 4. Diß ist des Menschen Seligkeit / wenn jhm die
Gerechtigkeit wird zugerechnet ohne Wercke. So saget nu Paulus / Der sey selig /
welchem die Gerechtigkeit wird zugerechnet durch den Glauben an Christum / ob er
gleich kein gut Werck gethan hat. Das ist der rechte bestendige Trost / welcher
in Anfechtungen bestehet / damit die Hertzen vnd Gewissen können gesterckt vnd
getröstet werden / Nemlich / daß vmb Christus willen durch den Glauben vns
Vergebung der Sünde / Gerechtigkeit / vnd Ewiges Leben geben wird. Wenn nu die
Sprüche / so von Wercken reden / dermassen verstanden werden / daß sie den
Glauben mit begreiffen / so sind sie gar nichts wieder diese Lehre. Vnd man muß
allzeit den Glauben mit begreiffen / damit wir den Mittler Christum nicht
außschliessen / dem Glauben aber folget Erfüllung des Gesetzs / denn der Heilig
Geist ist da / der macht ein new Leben.
Das sey gnug von diesem Artickel.
Von der Kirchen.
DEn Siebenden Artickel vnsers Bekentniß / da wir sagen / Daß die Christliche
Kirch sey die Versamlung der Heiligen / verdammen die Wiedersacher / vnd führen
weitleufftige Geschwetze ein / daß die bösen oder Gottlosen von der Kirchen
nicht sollen gesondert werden / Dieweil Johannes der Teuffer die Kirchen
vergleicht einem Tennen / in welchem Korn vnd Sprew bey einander ligen. Item /
Christus die Kirchen vergleicht einem Netze / da böse vnd gute Fische innen
seyn.
Da sehen wir daß wahr ist / wie man sagt / Daß man nicht so deutlich reden kan /
böse Zungen könnens verkehren. Wir haben eben darumb / vnd aus dieser vrsach /
den Achten Artickel dazu gesetzt / daß niemands darff gedancken fassen / als
wolten wir die bösen vn̅ Heuchler / von der eusserlichen
Geselschafft der Christen oder Kirchen absondern / oder / als were vnser meynung
/ daß die Sacrament / wenn sie durch Gottlose gereicht werden / ohn Krafft oder
wirckung seyn.
|| [211]
Darumb darff diese falsche / vnrechte Deutung / keiner langen Antwort / der Acht
Artickel entschüldigt vns gnugsam. Wir bekennen vnd sagen auch / daß die
Heuchler vnd bösen auch mögen Glieder der Kirchen seyn / in eusserlicher
Gemeinschafft des Namens / vnd der Empter / vnd daß man von bösen möge die
Sacrament recht empfahen / sonderlich wenn sie nicht verbannet seyn. Vnd die
Sacrament sind darumb nicht ohn Krafft oder wirckung / daß sie durch Gottlose
gereicht werden. Denn auch Paulus zuuor hat propheceyet / daß Antichristus sol sitzen im Tempel Gottes / herrschen vnd regieren in
der Kirchen / Regiment vnd Ampt darinne haben.
Aber die Christliche Kirche stehet nicht allein in Geselschafft eusserlicher
Zeichen / sondern stehet fürnemlich in Gemeinschafft / inwendig / der ewigen
Güter im Hertzen / Als des heiligen Geistes / des Glaubens / der Furcht vnd
Liebe Gottes / Vnd dieselbige Kirche hat doch auch eusserliche Zeichen / dabey
man sie kennet / Nemlich / Wo Gottes Wort rein gehet / wo die Sacrament
demselbigen gemeß gereicht werden / da ist gewisse die Kirche / da seyn Christen
/ vnd dieselbige Kirche wird allein genennet in der Schrifft / Christus Leib /
denn Christus ist jr Heupt / vnd heiliget vnd stercket sie durch seinen Geist /
wie Paulus zu den Ephes. 1. sagt: Vnd hat jhn gesetzt zum Heupt der Gemeinen /
welche ist sein Leib / vn̅ die fülle des / der alles in allen
erfüllet. Darumb in welchen Christus durch seinen Geist nichts wircket / die
seyn nicht Gliedmaß Christi / vnd das bekennen auch die Wiedersacher / daß die
bösen allein Todte Gliedmaß der Kirchen seyn.
Darumb kan ich mich nicht gnugsam verwundern / Warumb sie doch vnsern Beschlus
von der Kirchen anfechten / so wir von lebendigen Gliedmaß der Kirchen reden /
vn̅ wir haben nichts newes gesagt. Denn Paulus zu den Ephes.
am 5. Cap. sagt gleich auch also / Was die Kirche sey / vnd setzt auch die
eusserlichen Zeichen / Nemlich / das Euangelium / die Sacrament / den̅ also sagt er: Christus hat geliebet die Gemeine / vn̅ sich selbst für sie gegeben / auff daß er sie heiliget / vnd hat
sie gereiniget durch das Wasserbad im Wort / auff daß er sie jhm selbs zurichtet
eine Gemein / die herrlich sey / die nicht habe flecken oder runtzel / sondern
daß sie heilig sey / vnstrefflich / etc.
Diesen Spruch des Apostels haben wir gar nahe von Wort zu Wort gesetzt in vnser
Bekentnis / vnd also bekennen wir auch in vnserm heiligen Symbolo vnd Glauben / Ich gleube eine heilige Christliche Kirche. Da
sagen wir / daß die Kirche heilig sey / die Gottlosen aber vnd Bösen / können
nicht die heilige Kirche seyn. In vnserm Glauben folgt bald hernach
Gemeinschafft der Heiligen / welchs
|| [ID00450]
noch klerer / deutlicher
außlegt / was die Kirche heist / Nemlich / den Hauffen vnd die Versamlung /
welche ein Euangelium bekennen / gleich ein Erkentniß Christi haben / einen
Geist haben / welcher jhre Hertzen vernewert / heiliget vnd regieret.
Vnd der Artickel von der Catholick oder gemein Kirchen / welche von aller Nation
vnter der Sonnen zusammen sich schickt / ist gar tröstlich vnd hoch nötig.
Den̅ der hauffe der Gottlosen ist viel grösser / gar nahe
vnzehlich / welche das Wort verachten / bitter hassen / vn̅ auffs
eusserst verfolgen / als da seyn Türcken / Mahometisten / ander Tyrannen /
Ketzer / etc. Darüber wird die rechte Lehre vnd Kirche offt so gar vnterdrückt
vnd verlohren / wie vnterm Bapsthumb geschehen / als sey kein Kirche / vnd lest
sich offt ansehen / als sey sie gar vntergangen. Dagegen daß wir gewiß seyn
mögen / nicht zweiffeln / sondern fest vnd gentzlich gleuben / daß eigentlich
ein Christliche Kirche / bis an das Ende der Welt / auff Erden seyn vnd bleiben
werde. Daß wir auch gar nicht zweiffeln / daß ein Christliche Kirche auff Erden
lebe vnd sey / welche Christi Braut sey / ob wol der Gottlose Hauffe mehr vnd
grösser ist / daß auch der HErr Christus hie auff Erden in dem Hauffen / welcher
Kirche heist / täglich wircke / Sünde vergebe / täglich das Gebet erhöre /
täglich in Anfechtungen mit reichem / starckem Trost die seinen erquicke / vnd
jmmer wieder auffrichte / so ist der tröstlich Artickel im Glauben gesetzt.
Ich gleube ein Catholick gemeine Christliche Kirche / damit niemands dencken
möchte / die Kirche sey / wie ein ander eusserlich Policey / an dieses oder
jenes Land / Königreich oder Stadt gebunden / wie von Rom der Bapst sagen wil /
Sondern daß gewiß wahr bleibet / daß der Hauff / vnd die Menschen / die rechte
Kirche seyn / welche hin vnd wieder in der Welt / von Auffgang der Sonnen bis
zum Nidergang / an Christum warlich gleuben / Welche denn ein Euangelium / einen
Christum / einerley Tauff vnd Sacrament haben / durch einen Heiligen Geist
regieret werden / ob sie wol vngleiche Ceremonien haben.
Denn auch im Decret Gratiani sagt klar die Glossa, daß dis wort (Kirche) largè zu nehmen / begreifft böse vnd gute. Item / daß die bösen allein mit
dem Namen in der Kirchen seyn / nicht mit dem Wercke / die guten aber sind beyde
mit Namen vnd Wercken darinne. Vnd auff die meynung lieset man viel Sprüche bey
den Vätern / Denn Hieronymus sagt: Welcher ein Sünder
ist / vnd in Sünden noch vnrein ligt / der kan nicht genennet werden ein
Gliedmaß der Kirchen / noch in dem Reich Christi seyn.
|| [212]
Wiewol nu die bösen vnd Gottlosen Heuchler mit der rechten Kirchen Geselschafft
haben / in eusserlichen zeichen / im Namen vnd Emptern / dennoch wenn man
eigentlich reden wil / was die Kirche sey / muß man von dieser Kirchen sagen /
die der Leib Christi heist / vnd gemeinschafft hat / nicht allein in
eusserlichen zeichen / sondern die Güter im Hertzen hat / den heiligen Geist vnd
Glauben.
Denn man muß je recht eigentlich wissen / wodurch wir Gliedmas Christi werden /
vnd was vns macht zu lebendigen Gliedmassen der Kirchen / Denn so wir würden
sagen / daß die Kirche allein ein eusserlich Policey were / wie andere Regiment
/ darinne böse vnd gute weren etc. so wird niemands daraus lernen noch verstehen
/ daß Christi Reich Geistlich ist / wie es doch ist / darinne Christus inwendig
die Hertzen regiret / stercket / tröstet / den heiligen Geist / vnd mancherley
Geistliche gaben außtheilet / Sondern man wird gedencken / es sey ein
eusserliche weis / gewisse ordnung etlicher Ceremonien vnd Gottesdienst.
Item / was wolt für ein vnterscheid seyn zwischen dem Volck des Gesetzes vnd der
Kirchen / so die Kirche allein ein eusserliche Policey were. Nu vnterscheidet
Paulus also die Kirche von den Jüden / daß er sagt / die Kirche sey ein
Geistlich Volck / das ist / ein solch Volck / welchs nicht allein in der Policey
vnd Bürgerlichem wesen vnterschieden sey von den Heyden / Sondern ein recht
Volck Gottes / welches im Hertzen erleuchtet wird / vnd new Geborn durch den
heiligen Geist.
Item / in dem Jüdischen Volck / da hatten alle die jenigen / so von Natur Jüden /
vnd auß Abrahams Samen geborn waren / vber die Verheissung der Geistlichen Güter
in Christo / auch viel zusage von Leiblichen Gütern / als vom Königreiche / etc.
Vnd vmb der Göttlichen Zusage willen waren auch die bösen vnter jhnen Gottes
Volck genennet. Denn den Leiblichen Samen Abrahe / vnd alle geborne Jüden /
hatte Gott abgesondert von andern Heyden / durch dieselbigen Leiblichen
Verheissunge / vnd dieselbigen Gottlosen vnd bösen waren doch nicht das rechte
Gottes Volck / gefielen auch Gott nicht / Aber das Euangelium / welchs in der
Kirchen geprediget wird / bringet mit sich nicht allein den Schatten der ewigen
Güter / sondern ein jeder rechter Christ der wird hie auff Erden der ewigen
Güter selbs theilhafftig / auch des ewigen Trosts / des ewigen Lebens vnd
heiligen Geistes / vnd der Gerechtigkeit / die auß Gott ist / theilhafftig / bis
daß er dort volkömlich selig werde.
Derhalben sind die allein nach dem Euangelio Gottes Volck / welche die
Geistlichen Güter / den heiligen Geist empfahen / vnd die
|| [ID00452]
selbige Kirch ist das Reich Christi / vnterschieden von dem Reich des
Teuffels. Den̅ es ist gewiß / daß alle Gottlosen im Gewalt des
Teuffels seyn / vnd Gliedmaß seines Reichs / wie Paulus zu den Ephesern sagt /
daß der Teuffel krefftig regiere in den Kindern des vnglaubens. Vnd Christus
sagt zu den Phariseern / welche die heiligsten waren / vn̅ auch
den Namen hatten / daß sie Gottes Volck vn̅ die Kirch weren /
welche auch jr Opffer theten) jr seyd aus ewrem Vater dem Teuffel.
Darumb die rechte Kirche ist das Reich Christi / das ist die Versamlung aller
Heiligen / denn die Gottlosen werden nicht regieret durch den Geist Christi. Was
sind aber viel Wort von nöten in so klarer öffentlicher sache? Allein die
Wiedersacher wiedersprechen der hellen Warheit. So die Kirche / welche je gewiß
Christi vnd Gottes Reich ist / vnterschieden ist von des Teuffels Reich / so
können die Gottlosen / welche in des Teuffels Reich seyn / je nicht die Kirche
seyn / wiewol sie in diesem Leben / dieweil das Reich Christi noch nicht
offenbahrt ist / vnter den rechten Christen / vnd in der Kirchen seyn / darinne
auch Lehreampt / vnd andere Empter mit haben. Vnd die Gottlosen sind darumb
mitler zeit nicht ein stück des Reichs Christi / weil es noch nicht offenbahrt
ist. Denn das recht Reich Christi / der recht Hauffe Christi / sind vnd bleiben
allezeit die jenigen / welche Gottes Geist erleuchtet hat / stercket / regieret
/ ob es wol für der Welt noch nicht offenbahrt / sondern vnterm Creutz verborgen
ist / gleich wie es allezeit ein Christus ist vnd bleibt / der die zeit
gecreutziget ward / vnd nu in ewiger Herrligkeit herrschet vnd regieret im
Himmel.
Vnd da reimen sich auch die Gleichniß Christi hin / da Er klar sagt Matth. 13.
Daß der gute Same sind die Kinder des Reichs / das Vnkraut seyn die Kinder des
Teuffels / der Acker sey die Welt / nicht die Kirche.
Also ist auch zu verstehen das Wort Johannis / da er sagt / Mat. 3. Er wird seine
Tenne fegen / vnd den Weitzen in seine Schewre samlen / Aber die Sprew wird er
verbrennen. Da redet er von dem gantzen Jüdischem Volck / vnd saget / Die rechte
Kirche solle von dem Volck abgesondert werden. Derselbige Spruch ist den
Wiedersachern mehr entgegen / den̅ für sie / denn er zeiget klar
an / wie das recht gleubig / Geistlich Volck solle von dem Leiblichen Israel
abgescheiden werden.
Vnd da Christus spricht / Das Him̅elreich ist gleich einem Netz /
Item / den Zehen Jungfrawen / wil er nicht / daß die bösen die Kirche seyn /
Sondern vnterrichtet / wie die Kirche scheinet in dieser Welt / darumb spricht
er / Sie sey gleich diesen / etc. Das ist wie im hauffen
|| [213]
Fische die guten vnd bösen durch einander ligen / also ist die
Kirche hie verborgen vnter dem grossen hauffen / vnd mennige der Gottlosen /
vn̅ wil daß sich die Frommen nicht ergern sollen. Item / daß
wir wissen sollen / daß das Wort vnd die Sacrament darumb nicht ohne krafft seyn
/ ob gleich Gottlose predigen / oder die Sacrament reichen. Vnd lehret vns
Christus damit also / Daß die Gottlosen / ob sie wol nach eusserlicher
geselschafft in der Kirchen seyn / doch nit Gliedmas Christi / nicht die rechte
Kirche seyn / denn sie sind Gliedmas des Teuffels.
Vnd wir reden nicht von einer ertichten Kirchen / die nirgend zu finden sey /
sondern wir sagen vnd wissen fürwar / daß diese Kirche darinne Heiligen leben /
warhafftig auff Erden ist vnd bleibt / nemlich / daß etliche Gottes Kinder sind
/ hin vnd wider in aller Welt / in allerley Königreiche̅ / Inseln
/ Lendern / Städten / vom auffgang der Sonnen / biß zum niedergang / die
Christum vnd das Euangelium recht erkent haben. Vnd sagen dieselbige Kirche habe
diese eusserliche Zeichen / das Predigampt oder Euangelium / vnd die Sacrament.
Vnd dieselbige Kirche ist eigentlich / wie Paulus sagt / ein Seule der Warheit /
den̅ sie behelt das rein Euangelium / den rechten Grund. Vnd
wie Paulus sagt / Einen andern Grund kan niemands legen ausser dem / der gelegt
ist / welcher ist Christus. Auff den Grund sind nu die Christen gebawet.
Vnd wiewol nu in dem hauffen / welcher auff den rechten Grund / das ist /
Christum vnd den Glauben gebawet ist / viel schwache seyn / welche auff solchen
Grund Stro vnd Hew bawen / das ist / etliche Menschliche gedancken vnd Opinion /
mit welchen sie doch den grund Christum nicht vmbstossen / noch verwerffen /
derhalben sie dennoch Christen sind / vnd werden jhnen solche fehl vergeben /
werden auch etwa erleucht / vnd besser vnterricht. Also sehen wir in Vätern /
daß sie auch bißweilen Stro vnd Hew auff den Grund gebawet haben / doch haben
sie damit den Grund nicht vmbstossen wollen.
Aber viel Artickel bey vnsern Wiedersachern stossen den rechten Grund nieder /
das Erkentniß Christi vnd den Glauben / denn sie verwerffen vnd verdammen den
hohen / grösten Artickel / da wir sagen / Daß wir allein durch den Glauben /
ohne alle Werck vergebung der Sünde / durch Christum erlangen. Dagegen lehren
sie / vertrawen auff vnsere Wercke / damit vergebung der Sünden zu verdienen /
vnd setzen an stat Christi jhre Wercke / Orden / Messe / Wie auch die Jüden /
Heyden vnd Türcken / mit eigen Wercken fürhaben Selig zu werden. Item / sie
lehren / die Sacrament machen from / ex opere operato
ohn Glauben / Wer nun den Glauben nicht nötig achtet /
|| [ID00454]
der
hat Christum bereit verlohren. Item / sie richten Heiligen dienst an / ruff en
sie an an stat Christi / als Mittler / etc.
Wie aber klare Verheissunge Gottes in der Schrifft stehen / daß die Kirche
allezeit sol den heiligen Geist haben / Also stehen auch ernste drawung in der
Schrifft / daß neben den rechten Predigern werden einschleichen / falsche Lehrer
vnd Wölffe. Diese ist aber eigentlich die Christliche Kirche / die den heiligen
Geist hat / die Wölffe vnd falsche Lehrer / wiewol sie in der Kirchen wüten /
vnd schaden thun / so sind sie doch nicht die Kirche / oder das Reich Christi /
Wie auch Lyra bezeuget / da er saget: Die rechte Kirche
stehet nicht auff Prelaten / jhres Gewalts halben / denn viel hohes Standes /
Fürsten vnd Bischoffe / auch viel nieder Standes sind vom Glauben abgefallen /
darumb stehet die Kirche auff den jenigen / in welchen ist ein recht Erkentniß
Christi / ein rechte Confession vnd Bekentniß des Glaubens vnd der Warheit.
Nu haben wir in vnser Confession nicht anders gesagt im Grunde / denn eben das /
das Lyra also mit klaren worten sagt / daß er nicht
klerer reden köndte. Aber es wolten gern die Wiedersacher ein newe Römische
Definition der Kirchen haben / daß wir solten sagen / Die Kirche ist die oberste
Monarchia, die gröste / mechtigste Hoheit in der
gantzen Welt / darinne der Römische Bapst / als das Heupt der Kirchen / aller
hohen vnd niedern Sachen vn̅ Hendel / Weltlicher / Geistlicher /
wie er wil vnd dencken darff / durchaus gantz mechtig ist / von welchs Gewalt
(er brauchs / mißbrauchs / wie er wölle) niemands disputieren / reden / oder
mucken darff. Item / in welcher Kirchen der Bapst Macht hat / Artickel des
Glaubens zu machen / allerley Gottesdienst auffzurichten / die heilige Schrifft
nach allem seinem gefallen abzuthun / zu verkehren / vnd zu deuten wieder alle
Göttliche Gesetz / wieder sein eigen Decretal / wieder alle Keyser Recht / wie
offte / wie viel / vnd wenn es jhnen gelüst / Freyheit vnd Dispensation vmb Gelt
zu verkeuffen / von welchem der Römische Keyser / alle Könige / Fürsten vnd
Potentaten schüldig seyn / jhre Königliche Kron / jhre Herrligkeit vnd Titel zu
empfahen / als vom Stathalter Christi / Derhalben der Bapst ein Irrdischer Gott
/ ein Oberste Majestet / vnd allein der großmechtigst Herr in aller Welt ist /
vber alle Königreich / vber alle Lande vnd Leute / vber alle Güter Geistlich vnd
Weltlich / vnd also in seiner Hand hat alles / beyde Weltlich vnd Geistlich
Schwerd. Diese Definition / welche sich auff die rechte Kirchen gar nicht / aber
auff des Römischen Bapsts wesen wol reimet / findet man nicht allein in der
Canonisten Büchern / sondern Daniel der Prophet malet den Antichrist auff diese
weis.
|| [214]
Wenn wir ein solche Definition setzten vnd sagten / Daß die Kirche were ein
solcher pracht / wie des Bapsts wesen stehet / so möchten wir vieleicht nit so
gar vngnedige Richter haben / Den̅ es sind der Wiedersacher Bücher
am tag / darinne deß Bapsts Gewalt allzu hoch gehoben wird / dieselbige strafft
niemands / Allein wir müssen herhalten / derhalben / daß wir Christus wolthat
preisen vnd hoch heben / vnd die klaren Wort vnd Lehre der Aposteln schreiben
vnd predigen / Nemlich / daß wir vergebung der Sünde erlangen / durch den
Glauben an Jesum Christum / vnd nicht durch Heucheley oder ertichte Gottesdienst
/ welche der Bapst vnzehlich angericht / Christus aber / vnd die Propheten / vnd
Aposteln / schreiben vnd reden gar viel anders dauon / was die Kirche Christi
sey / Vnd des Bapsts Reich wil sich zu derselbigen Kirchen gar nicht reimen /
sondern sihet jhr gar vnehnlich.
Darumb sol man die Sprüche / so von der rechten Kirchen reden / nicht auff die
Bäpste oder Bischoffe deuten / Nemlich / daß sie Seulen der Warheit seyn / Item
/ daß sie nicht jrren können. Denn wie viel findet man wol / oder wie viel sind
biß anher funden / vnter Bischoffen / Bäpsten / etc. Die sich deß Euangelij mit
ernst vnd Hertzlich angenommen / oder / das werth geacht hetten / ein Bletlin /
einen Buchstab darinne recht zulesen. Man weis wol leyder viel Exempel / daß
jhrer viel in Welschland vnd sonst seyn / welche die gantze Religion / Christum
vnd das Euangelium verlachen / vnd öffentlich für ein spott halten / Vnd lassen
sie jhnen etwas gefallen / so lassen sie jhnen das gefallen / das Menschlicher
vernunfft gemes / das ander alles halten sie für Fabeln.
Darumb sagen vnd schliessen wir nach der heiligen Schrifft / daß die rechte
Christliche Kirche sey / der Hauff hin vnd wieder in der Welt / der jenigen /
die da warlich gleuben dem Euangelio Christi / vnd den heiligen Geist haben /
Vnd wir bekennen doch auch / daß / so lange dieses Leben auff Erden weret / viel
Heuchler vnd böse in der Kirchen seyn / vnter den rechten Christen / welche auch
Glieder sind der Kirchen / so fern eusserliche zeichen betrifft. Denn sie haben
Empter in der Kirchen / predigen / reichen Sacrament / vnd tragen den Titel vnd
Namen der Christen / vnd die Sacramente / Tauffe / etc. sind darumb nicht ohn
Wirckung oder Krafft / daß sie durch Vnwirdige vnd Gottlose gereicht werden /
Denn vmb des beruffs willen der Kirchen / sind solche da / nicht für jhr eigen
Person / sondern als Christus / wie Christus zeuget / Wer euch höret / der höret
mich. Also ist auch Judas zu predigen gesendet. Wenn nu gleich
|| [ID00456]
Gottlose predigen / vnd die Sacrament reichen / So reichen sie dieselbigen an
Christus stat / Vnd das lehret vns das Wort Christi / daß wir in solchem fall /
die vnwirdigkeit der Diener / vns nicht sollen jrren lassen.
Aber von dem Stück haben wir klar gnug geredt in vnser Confession / Nemlich / daß
wir es nicht halten mit den Donatisten vnd Wickleuisten / die da hielten / daß
die jenigen sündigen / die die Sacrament in der Kirchen von Gottlosen Dienern
empfahen. Dieses achten wir / sol gnug seyn zu schützen vnd zu erhalten die
Definition / da wir gesagt / Was die Kirche sey / Vnd nach dem die rechte Kirch
in der Schrifft genent wird / Christus Leib / so ist je gar nicht müglich anders
dauon zu reden / denn wie wir dauon geredt haben.
Denn es ist je gewis / Daß die Heuchler vnd Gottlosen / nicht Christus Leib seyn
können / Sondern in das Reich deß Teuffels gehören / welcher sie gefangen hat /
vnd treibt wozu er wil. Dieses alles ist gantz öffentlich vnd so klar / daß
niemand leugnen mag. Werden aber die Wiedersacher mit jhren Calumnien fortfahren
/ Sol jhnen ferner antwort geben werden.
AVch verdammen die Wiedersacher dieses Stück vom siebenden Artickel / da wir
gesagt haben / daß gnug sey zu einigkeit der Kirchen / daß einerley Euangelium /
einerley Sacrament gereicht werden / Vnd sey nicht noth / daß die Menschen
Satzungen / allenthalben gleichförmig seyn. Diese stück lassen sie also zu / daß
nicht noth sey zu einigkeit der Kirchen / daß traditiones
particulares, gleich seyn. Aber daß traditiones
vniuersales, gleich seyn / das sey noth zu wahrer einigkeit der
Kirchen.
Das ist ein gute grobe Dictinctio, Wir sagen / daß die
jenigen ein eintrechtige Kirche heissen / die an einen Christum gleuben / ein
Euangelium / einen Geist / einen Glauben / einerley Sacrament haben. Vnd reden
also von Geistlicher einigkeit / ohn welche der Glaub vnd ein Christlich wesen
nicht seyn kan. Zu derselbigen Einigkeit sagen wir nu / Es sey nicht noth / daß
Menschen Satzungen / sie seyen Vniuersales oder Particulares, allenthalben gleich seyn. Denn die
Gerechtigkeit / welche für Gott gilt / die durch den Glauben kömpt / ist nicht
gebunden an eusserliche Ceremonien / oder Menschen Satzungen. Denn der Glaub ist
ein Liecht im Hertzen / das die Hertzen vernewert vnd lebendig macht / da
helffen eusserliche Satzungen oder Ceremonien / sie sind Vniuersal oder
Particular / wenig zu.
Vnd es hat nicht geringe vrsachen gehabt / daß wir den Artickel
|| [215]
gesetzt haben / Denn es ist gar mancher grosser Irrthumb / vnd
närrische Opinion von den Satzungen eingerissen in der Kirchen. Etliche haben
wolt wehnen / daß Christliche Heiligkeit vnd Glaube / ohn solche Menschen
Satzungen nicht gelte für Gott / Könne auch niemand Christen seyn / er halte
denn solche Traditiones, so es doch nichts anders seyn /
denn eusserliche Ordnung / welche offt zufellig / offt auch aus vrsachen / an
einem ort anders seyn / denn am andern / Wie im Weltlichen Regiment ein Stadt
andere Gebreuche hat / denn die ander / Auch lieset man in Historien / Daß eine
Kirche die andern in Bann gethan / solcher Satzung halben / Als vmb des
Ostertags willen / vmb der Bilde willen / vnd deßgleichen.
Darumb haben die Vnerfahrnen nicht anders gehalten / denn daß man durch solche
Ceremonien für Gott from würde / Vnd daß niemands Christen seyn könte ohn solche
Gottesdienste / vnd Ceremonien / Denn es sind gar viel vngeschickter Bücher der
Summisten / vnd anderer / dauon noch für Augen.
Aber wie die Einigkeit der Kirchen dadurch nicht getrennet wird / Ob in einem
Land / an einem Ort / die Tage Natürlich lenger oder kürtzer seyn / denn am
andern / Also halten wir auch / daß die Einigkeit der Kirchen dadurch nicht
getrennet wird / ob solche Menschen Satzungen / an einem ort diese / am andern
jene Ordnung haben. Wiewol es vns auch wolgefellet / daß die vniuersal
Ceremonien vmb Einigkeit / vnd guter Ordnung willen / gleichförmig gehalten
werden / wie wir denn in vnsern Kirchen die Messe des Sontags Feyer / vnd andere
hohe Feyer auch behalten.
Vnd wir lassen vns gefallen / alle gute nützliche Menschen Satzungen / sonderlich
die da zu einer feinen eusserlichen Zucht dienen / der Jugend vnd des Volcks.
Aber hie ist die Frage darüber nicht / Ob Menschen Satzungen vmb eusserlicher
Zucht willen / vmb Friedes willen zu halten seyn / Es ist gar viel ein ander
Frage / Nemlich / ob solche Menschen Satzunge halten / ein Gottesdienst sey /
dadurch man Gott versüne / vnd daß ohn solche Satzungen niemands für GOtt
gerecht seyn möge? Das ist die Heuptfrage / wenn darauff schließlich / vnd
endlich geantwort ist / so ist darnach klar zu vrtheilen / Ob das heisse einig
oder eintrechtig mit der Kirchen seyn / wenn wir allenthalben solche Satzungen
zu gleich halten.
Denn so solche Menschen Satzungen nicht ein nötiger Gottesdienst sind / so folget
/ daß etliche from / heilig / gerecht / GOttes Kinder vnd Christen seyn können /
die gleich nicht die Ceremonien haben / so in andern Kirchen im Gebrauch seyn.
Als ein Gleichniß /
|| [ID00458]
Wenn diß stehet / daß Teutsche vnd
Frantzösisch Kleidung tragen nicht ein nötiger Gottesdienst sey / so folget /
daß etliche gerecht / heilig / vnd in der Kirchen Christi seyn kön̅en / die auch gleich nicht Teutsche oder Frantzösisch Kleidung tragen. Also
lehret auch Paulus klar / Coloss. 2. So lasset nu niemand euch Gewissen machen
vber Speise / vber Tranck / oder bestimpte Feyertage / oder newe Monden / oder
Sabbater / welche sind der Schatten von dem / das zukünfftig war / Aber der
Cörper selbst ist in Christo. Item / so jhr denn nu abgestorben seyd mit Christo
/ den Satzungen der Welt / was lasset jhr euch denn fangen mit Satzungen / als
lebet jhr noch in der Welt / die da sagen / Du solt das nicht angreiffen / Du
solt das nicht kosten / Du solt das nicht anrüren / welchs sich doch alles vnter
den Henden verzeret / vnd ist Menschen Gebot vnd Lehre / welche haben ein schein
der Weißheit / durch selbst erwehlte Geistligkeit vnd Demuth.
Denn das ist Pauli meynung / Der Glaub im Hertzen / dadurch wir from werden / ist
ein Geistlich ding vnd Liecht im Hertzen / dadurch wir vernewert werden / ander
Sinn vnd Muth gewinnen. Die Menschen Satzungen aber sind nicht ein solch
lebendig Liecht vnd Krafft des Heiligen Geists im Hertzen / sind nicht Ewig /
Darumb machen sie nicht ewig Leben / Sondern sind eusserliche / leibliche Vbung
/ die das Hertz nicht endern. Darumb ist nicht zu halten / daß sie nötig seyen
zu der Gerechtigkeit / die für Gott gilt.
Vnd auff die meynung redet Paulus auch Roman. 14. Das Reich Gottes ist nicht
Speis vnd Tranck / Sondern Gerechtigkeit / Friede vnd Frewde im Heiligen Geist /
Aber es ist nicht noth hie viel Sprüche anzuzeigen / so die gantze Bibel der
voll ist / vnd wir auch in vnser Confession in den letzten Artickeln der viel
fürbracht / so wollen wir dieser Sachen Heuptfrage / hernach auch sonderlich
handeln / Nemlich / Ob solche Menschen Satzungen ein Gottesdienst seyn / welcher
noth sey zur Seligkeit / da wir denn reichlicher vnd mehr von dieser Sache reden
wollen.
Die Wiedersacher sagen / man müsse darumb solche Satzungen / sonderlich die
vniuersal Ceremonien halten / denn es sey vermutlich / daß sie von den Aposteln
auff vns geerbet. O wie gros heilige / treffliche Apostolische Leute / wie from
vnd Geistlich sind sie doch nu worden. Die Satzungen vnd Ceremonien von den
Aposteln / wie sie sagen / auffgericht / wöllen sie halten / vnd der Aposteln
Lehre vnd klare Wort wollen sie nicht halten. Wir sagen aber / vnd wissen / daß
es recht ist.
Man sol also vnd nicht anders / von allen Satzungen lehren /
|| [216]
vrtheilen vnd reden / denn wie die Aposteln selbst in jhren
Schrifften dauon gelehret haben / die Aposteln aber fechten auff das
allersterckest vnd hefftigest allenthalben / nicht allein wieder die jenigen /
so Menschen Satzungen wollen hoch heben / Sondern auch / die das Göttlich Gesetz
/ die Ceremonien der Beschneidung / etc. wolten als nötig achten zur Seligkeit.
Die Aposteln haben in keinem weg / eine solche Bürde auff die Gewissen legen
wollen / daß solche Satzungen von gewissen Tagen / von Fasten / von Speiß / etc.
dergleichen solte Sünde seyn / so mans nicht hielt / Vnd das mehr ist / Paulus
nennet klar solche Lehre / Teuffels Lehre. Darumb / was die Aposteln in dem für
gut vnd recht gehalten / das muß man auß jhren klaren Schrifften suchen / vnd
nicht allein Exempel anzeigen. Sie haben wol gehalten etliche gewisse Tage /
nicht daß solchs nötig were für Gott from vnd gerecht zu werden / Sondern / daß
das Volck wüste / wenn es solt zusam̅en kommen / Auch haben sie
wol etliche Breuch vnd Ceremonien gehalten / als ördentliche Lection in der
Bibel / wenn sie zusammen kamen etc. Auch haben im anfang der Kirchen die Jüden
/ so Christen worden / viel behalten von jhren Jüdischen Festen vnd Ceremonien /
welchs die Aposteln darnach auff die Historien deß Euangelij gericht haben /
Also sind vnsere Ostern von der Jüden Ostern / vnd vnsere Pfingsten von der
Jüden Pfingsten herkom̅en / Vnd haben die Aposteln nicht allein
mit lehren / Sondern auch durch solche Feste von der Historien / das erkentniß
Christi / vnd den grossen Schatz auff die nachkommen erben wollen.
So nu solche vnd dergleichen Ceremonien nötig sind zur Seligkeit / warumb haben
hernach die Bischoffe viel darinnen verendert? Denn sind sie durch Gottes befehl
eingesetzt / So hat kein Mensch macht gehabt die zu verendern.
Die Ostern hat man vor dem Concilio zu Nicen / an eim ort
/ auff ein ander zeit gehalten / denn am andern. Vnd die vngleicheit hat dem
Glauben oder der Christlichen Einigkeit nichts geschadet. Darnach hat man mit
fleiß den Ostertag verruckt / daß vnser Ostertag mit der Jüden Ostertag je nicht
solt vberein treffen. Die Apostel aber haben befohlen in Kirchen / den Ostertag
also auff die zeit zu halten / Wie jhnen die Brüder / so auß dem Jüdenthumb
bekeret waren / hielten. Darumb haben etliche Bisthumb vnd Völcker auch nach dem
Concilio zu Nicen hart darüber gehalten / daß der
Ostertag mit dem Jüdischen Ostertag solt gleicher zeit gehalten werden. Aber die
Aposteln haben mit jhrem Decret den Kirchen
|| [ID00460]
nicht wöllen ein
solche Last aufflegen / als were solchs nötig zur Seligkeit / wie die klaren
wort auch desselbigen jres Decrets anzeigen. Den̅ sie drückens mit
klaren Worten aus / daß niemand sich darumb bekümmern solle / ob die Brüder / so
Ostertag halten / etc. gleich die zeit nicht eigentlich abrechnen. Denn Epiphanius zeucht an die Wort der Aposteln / daraus ein
jeder verstendiger klar zu mercken hat / daß die Aposteln die Leute von dem
Irrthumb haben wollen abweisen / damit jhm niemands Gewissen machet vber
Feyertage / gewisse Zeit / etc. Den̅ sie setzen klar dazu / Man
sol sich nicht gros darumb beküm̅ern / ob schon in der Rechnung
des Ostertags geirret sey. Dergleichen vnzehliche könte ich aus den Historien
fürbringen / vnd noch klerer anzeigen / daß solche vngleicheit an eusserlichen
Satzungen / niemands von der gemeinen Christen Kirchen absondert oder scheidet.
Die Wiedersacher verstehen gar nicht / Was der Glaube / Was das Reich Christi sey
/ die da lehren / daß in den Satzungen / welche von Speis / von Tagen / von
Kleidung / vnd dergleichen dingen reden / die GOtt nicht geboten hat / die
Einigkeit der Christlichen Kirchen stehe. Es mag aber hie jederman sehen vnd
mercken / wie andechtige / vberaus heilige Leute die Wiedersacher seyn. Denn so
Vniuersal Ordnung nötig sind / vnd nicht sollen geendert werden / Wer hat jhnen
befohlen die Ordnung im Abendmal Christi zu endern? Welche nicht ein Menschen
Satzung ist / sondern ein Göttliche Ordnung. Aber dauon wollen wir hernach
sonderlich handeln.
DEn VIII. Artickel lassen jhnen die Wiedersacher gantz gefallen / da wir sagen /
daß auch Heuchler vnd Gottlose in der Kirchen funden werden / vnd daß die
Sacrament nicht darumb ohn krafft seyn / ob sie durch Heuchler gereicht werden /
den̅ sie reichens an Christus stat / vnd nicht für jhre Person
/ wie der Spruch lautet: Wer euch höret / der höret Mich. Doch sol man falsche
Lehrer nicht annehmen oder hören / denn dieselbigen sind nicht mehr an Christus
stat / sondern sind Wider Christi / vnd Christus hat von denen klar befohlen:
Hütet euch für den falschen Propheten. Vnd Paulus zu den Galatern: Wer euch ein
ander Euangeliu̅ prediget / der sey verflucht.
Sonst was der Priester eigen Leben belanget / hat vns Christus vermahnet in den
Gleichnissen von der Kirchen / daß wir nicht Schismata
oder Trennung sollen anrichten / ob die Priester / oder das Volck nicht
allenthalben rein Christlich leben / wie die Donatisten gethan haben. Die
jenigen aber / die darumb an etlichen örten haben Schismata vnd trennung angericht / daß sie fürgeben / die Priester
|| [217]
dürfften nicht Güter oder eigens haben / die achten
wir für auffrürisch. Denn eigens haben / Güter haben / ist ein Weltliche
Ordnung. Die Christen aber mögen allerley Weltliche Ordnung so frey brauchen /
als sie der Lufft / Speis / Tranck / gemeines Liechts brauchen. Denn gleich wie
Him̅el / Erde / Sonne / Mond vnd Sternen / Gottes Ordnung sind
/ vnd von Gott erhalten werden / Also sind Policeyen / vnd alles was zu Policey
gehöret / Gottes Ordnung / vnd werden erhalten vnd beschützt von Gott wieder den
Teuffel.
Von der Tauffe.
DEn Neunden Artickel lassen jnen die Wiedersacher auch gefallen / da wir bekennen
/ Daß die Tauffe zur Seligkeit von nöten sey / Vnd daß die Tauffe der Jungen
Kinder nicht vergeblich sey / sondern nötig vnd seliglich. Vnd dieweil das
Euangelium bey vns rein / vnd mit allem fleis geprediget wird / so haben wir
auch (Gott lob) den grossen Nutz / vnd selige Frucht dauon / daß nicht
Wiederteuffer in vnser Kirchen eingerissen / Denn vnser Volck ist (Gott lob)
vnterricht durch Gottes Wort / wieder die Gottlosen / auffrührischen Rotten /
derselbigen mördischen Bößwicht / vnd so viel andere Irrthum der Wiederteuffer
dempffen vnd verdammen / so haben wir den doch sonderlich wieder sie erstritten
vnd erhalten / daß die Kindertauff nicht vnnütz sey.
Denn es ist gantz gewis / daß die Göttlichen Verheissungen der Gnaden des
heiligen Geistes / nicht allein die Alten / sondern auch die Kinder belangen. Nu
gehen die Verheissungen die jenigen nicht an / so ausserhalben der Kirchen
Christi seyn / da weder Euangelium noch Sacrament ist. Denn das Reich Christi
ist nirgend / denn wo das wort Gottes vnd die Sacrament sind.
Darumb ist es auch recht Christlich vnd noth / die Kinder zu teuffen / damit sie
des Euangelij / der Verheissung des Heyls / vnd der Gnaden theilhafftig werden /
wie Christus befihlet / Gehet hin /
|| [ID00462]
teuffet alle Heyden. Wie
jhnen nun wird Gnade / Heyl in Christo / Also wird jhnen angeboten / die Tauffe
/ beyde Mannen vnd Weiben / Knaben vnd jungen Kindern. So folgt gewiß daraus /
daß man die jungen Kinder teuffen mag / vnd sol / Denn in vnd mit der Tauffe /
wird jhnen die gemein Gnad / vnd der Schatz des Euangelij angeboten.
Zum andern ists am tage / daß Gott der HERR jhm gefallen lest die Tauffe der
jungen Kinder / derhalben lehren die Wiederteuffer vnrecht / so dieselbige
Tauffe verdammen. Daß aber GOtt gefallen hat an der Tauffe der jungen Kinder /
zeigt Er damit an / daß er vielen / so in der Kindheit getaufft seyn / den
heiligen Geist hat geben / denn es sind viel heiliger Leute in der Kirchen
gewesen / die nicht anders getaufft seyn.
DEn Zehenden Artickel fechten die Wiedersacher nit an / Darinne wir bekennen /
daß vnsers HERRN Christi Leib vnd Blut warhafftiglich im Nachtmahl Christi
zugegen / vnd mit den sichtbarn dingen / Brod vnd Wein / dargereicht vnd
genommen wird / wie man bis anher in der Kirchen gehalten hat / Wie auch der
Griechen Canon zeuget / Vnd Cyrillus spricht / Daß vns Christus leiblich gereicht vnd geben wird im
Abendmahl / denn so sagt er: Wir leugnen nicht / daß wir durch rechten Glauben
vnd reine Liebe / Christo Geistlich vereiniget werden. Daß wir aber nach dem
Fleisch gar keine Vereinigung mit jhm haben solten / da sagen wir Nein zu / vnd
das ist auch wieder die Schrifft. Denn wer wil zweiffeln / Daß Christus auch
also der Weinstock sey / wir die Reben / daß wir Safft vnd Leben von jhm haben?
Höre wie Paulus sagt: Wir sind alle ein Leib in Christo / wiewol vnser viel sind
/ so sind wir in jhm doch eins / denn wir geniessen alle eines Brods. Meinstu
daß wir die Krafft Göttlichen Segens im Abendmahl nicht wissen? Denn wenn der
geschicht / so macht er / daß durch die Geniessung des Fleischs vnd Leibs
Christi / Christus auch leiblich in vns wohnet. Item / darumb ist das zu mercken
/ daß Christus nicht allein durch Geistliche Einigkeit / durch die Liebe /
sondern auch durch Natürliche Gemeinschafft in vns ist / Vnd wir reden von
gegenwertigkeit des lebendigen Leibs / Denn wir wissen / wie Paulus sagt / Daß
der Tod forthin nicht vber Ihn herrschen wird.
DEn XI. Artickel / da wir sagen von der Absolution / lassen jnen die Widersacher
gefallen / Aber was die Beicht
|| [218]
belanget / setzen sie
dieses dazu / daß mit der Beicht sol gehalten werden / nach dem Capittel / Omnis vtrius sexus, Daß ein jeder Christ alle Jar ein
mahl beichte / vnd ob er alle Sünde so rein nicht kan erzelen / daß er doch
fleiß habe / sich der alle zuerinnern / vnd so viel er sich erinnern mag / daß
er die in der Beicht sage.
Vom gantzen Artickel wollen wir hernach weiter handeln / wenn wir von der
Christlichen Buß werden reden. Es ist am tag / vnd es können die Wiedersacher
nicht leugnen / daß die Vnsern von der Absolution / von den Schlüsseln also
Christlich / richtig / rein geprediget / geschrieben vnd gelehret haben / daß
viel betrübte / angefochtene Gewissen / darauß grossen Trost empfangen / nach
dem sie dieses nötigen Stücks klar vnterricht seyn / Nemlich / daß es Gottes
Gebot ist / daß es der rechte brauch deß Euangelij ist / daß wir der Absolution
gleuben / vnd gewis bey vns dafür halten / daß ohn vnser verdienst / vns Sünde
vergeben werden durch Christum / daß wir auch so warhafftig / wenn wir dem wort
der Absolution gleuben / Gotte werden versünet / als hörten wir ein Stimme vom
Himmel.
Diese Lehre / welche fast nötig / ist vielen angefochtenen Gewissen fast
tröstlich gewest / Auch haben viel redliche / verstendige Leute / viel fromme
Hertzen im anfang dieser vnser Lehre halben / Doctor Luthern hoch gelobet / vnd
deß ein sondere frewd gehabt / daß der nötige / gewisse Trost wiederumb were an
Tag bracht. Denn zuuor war die gantze nötige Lehre von der Buß vnd Absolution
vnterdruckt / Nach dem die Sophisten kein rechten vnd bestendigen Trost des
Gewissens lehreten / sondern weiseten die Leute auff jhr eigene Wercke / Daraus
eytel Verzweiffelung in erschrocken Gewissen kömpt.
Was aber die gewisse zeit der Beicht belanget / so ist es war / vnd den
Wiedersachern vnuerborgen / Daß in vnsern Kirchen viel Leute des Jahrs nicht
allein ein mahl / sondern offt Beichten / der Absolution / vnd des heiligen
Sacraments brauchen / vnd die Prediger / wenn sie von dem Brauch vnd nutz der
heiligen Sacrament lehren / lehren sie also / daß sie das Volck mit fleiß
vermanen / des heiligen Sacraments offt zugebrauchen. Vnd es sind auch die
Bücher vnd Schriffte der Vnsern am Liecht / welche also geschrieben / Daß die
Wiedersacher / welche Erbare Gottfürchtige Leute seyn / solche nicht anfechten /
sondern loben müssen.
So wird auch von vnsern Predigern allezeit daneben gemelt / Daß die sollen
verbannet vnd außgeschlossen werden / die in öffentlichen lastern leben /
Hurerey / Ehebruch / etc. Item / so die heiligen
|| [ID00464]
Sacrament
verachten. Das halten wir also nach dem Euangelio / vnd nach den alten Canonibus.
Aber auff gewisse Tage oder zeit im Jahr / wird niemands zum Sacrament gedrungen
/ denn es ist nicht müglich / daß die Leute alle gleich auff eine gewisse zeit
geschickt seyn / vnd wenn sie alle in einer gantzen Pfarr auff ein zeit zum
Altar lauffen / kön̅en sie nicht so fleissig verhöret vnd
vnterrichtet werden / wie sie bey vns vnterrichtet werden. Vnd die alten Canones vnd Väter setzen keine gewisse zeit / allein
also sagt der Canon: So etliche sich zu der Kirchen
begeben / vnd befunden werden / daß sie das Sacrament nicht brauchen / sol man
sie vermahnen. Wo etliche nicht Communicieren / sollen sie zur Bus vermahnet
werden. So sie aber wöllen für Christen gehalten seyn / sollen sie sich nicht
allezeit danon halten.
Paulus 1. Corinth. 11. sagt / Daß die jenigen das Sacrament zum Gericht empfahen
/ die es vnwirdig empfahen. Darumb zwingen vnser Pfarrherrn die jenigen nicht /
die nicht geschickt seyn / das Sacrament zu empfahen.
Von dem erzelen aber / vnd erinnerung der Sünde in der Beicht / vnterrichten
vnser Prediger also die Leute / daß sie doch die Gewissen nicht verstricken /
als sey es noth / alle Sünde bey Namen zu erzehlen. Wiewol es nun gut ist / die
groben / vnerfahrnen dazu vnterweisen / Daß sie etliche Sünde in der Beicht
namhafftig machen / was sie drücket / damit man sie leichtlicher vnterrichten
kan / so disputieren wir doch dauon hie nicht / Sondern dauon / Ob Gott geboten
habe / daß man die Sünde also alle erzehlen müsse. Vnd ob die Sünde vnerzehlet
nicht mögen vergeben werden.
Derhalben solten die Wiedersacher vns nicht angezogen haben das Capittel / Omnis vtrius sexus, welchs wir sehr wol kennen /
Sondern aus der heiligen Schrifft / aus Gottes Wort vns beweist haben / daß
solch erzehlen der Sünde / von Gott geboten were.
Es ist leider allzu klar am tage / vnd rüchtig durch alle Kirchen in gantz Europa, wie dieses particular des Capittels Omnis vtrius sexus, daß es gebeut / man solle
schüldig seyn alle Sünde zu beichten / die Gewissen in Elend / Jam̅er / vnd verstrickung bracht hat / Vnd der Text an jhm selbst hat nicht so
viel schadens gethan / als hernach der Summisten Bücher / darinne die vmbstende
Circumstantz der Sünde zusammen gelesen / denn damit haben sie erst die Gewissen
recht jrr gemacht / vnd vnseglich geplaget / vnd dazu eytel guthertzige Leute /
den̅ die Frechen vnd wilden haben darnach nicht viel gefragt.
Darüber nach dem der Text also lautet: Ein jeder solt seinem ei
|| [219]
gen Priester beichten / was grosses Zancks /
vnd wie mördlichen Neid vnd Haß / hat zwischen Pfarrherrn vnd Mönchen allerley
Orden / diese Frage angericht / Welchs doch der eigen Priester were? Denn da war
alle Brüderschafft / alle Freundschafft aus / wenn es vmb die Herrschafft / vmb
den Beichtpfenning zu thun war.
Darumb halten wir / daß Gott nicht geboten hat / die Sünde namhafftig zu machen
vnd erzehlen. Vnd das helt auch Panormitanus, vnd viel
andere Gelehrte. Darumb wollen wir kein Bürde auff die Gewissen legen / durch
das Capittel / Omnis vtrius sexus, sondern sagen von
demselbigen / wie von andern Menschen Satzungen / Nemlich / daß es nicht ein
Gottesdienst sey / der nötig sey zur Seligkeit / Auch so wird in dem Capittel
ein vnmüglich ding geboten / Nemlich / daß wir alle Sünde beichten sollen. Nu
ists gewiß / daß wir viel Sünde nicht können gedencken / auch wol die grösten
Sünde nicht sehen / wie der Psalm saget: Wer kennet seine Fehle.
Wo verstendige / Gottfürchtige Pfarrherr vnd Prediger seyn / die werden wol
wissen / wie fern noth / vnd nütze seyn mag / die Jugend / vnd sonst vnerfarne
Leute in der Beicht zu fragen / Aber diese Tyranney vber die Gewissen / da die
Summisten / als die Stockmeister / die Gewissen ohn vnterlas geplaget haben /
können noch wollen wir nicht loben / welche denn / noch weniger beschwerlich
gewesen weren / wenn sie doch mit einem Wort des Glaubens an Christum / dadurch
die Gewissen recht getröstet werden / gedacht hetten.
Nu aber ist von Christo / von Glauben / von vergebung der Sünde / nicht eine
Syllabe / nicht ein Tittel in so viel grossen Büchern jrer Decretal / jhrer
Comment / jhrer Summisten / jrer Confessional / da wird niemands ein wort lesen
/ daraus er Christum / oder was Christus sey / müge lernen / Allein gehen sie
mit diesen Registern vmb / die Sünden zu samlen / zu hauffen / vnd were noch
etwas / wenn sie doch die Sünde verstünden / die Gott für Sünde helt. Nu ist der
grösser theil jhrer Summen nichts anders / denn von Narrenwerck / von Menschen
Satzungen. O was hat die heilose / Gottlose Lehre viel from̅er
Hertzen vnd Gewissen / die gern recht gethan hetten / zu Verzweiffelung bracht /
welche nicht haben ruhen können / denn sie wusten nicht anders / sie musten sich
also fressen vnd beissen mit dem erzehlen / zusam̅en rechen der
Sünde / vnd befunden doch jm̅er vnruhe / vnd daß es jhnen
vnmüglich war. Aber nicht weniger vngeschickts dings haben die Wiedersacher von
der gantzen Bus gelehret / Welchs wir hernach wollen erzehlen.
|| [ID00466]
Von der Buss.
IN dem Zwölfften Artickel lassen jhnen die Wiedersacher das erste theil gefallen
/ da wir sagen / Daß alle die jenigen / so nach der Tauffe in Sünde fallen /
Vergebung der Sünde erlangen / zu was zeit / vnd wie offt sie sich bekehren. Das
ander theil verwerffen vnd verdammen sie / da wir sagen / Die Bus habe zwey
stück / Contritionem vnd Fidem,
das ist / Zur Bus gehören diese zwey / Ein rewig zerschlagen Hertz / vnd der
Glaub / daß ich gleube / daß ich Vergebung der Sünde durch Christum erlange.
Da höre man nun / wozu die Wiedersacher Nein sagen / Da dürffen sie vnuerschampt
verneinen / daß der Glaub nicht ein Stück der Bus sey. Was sollen wir nun hie
Allergnedigster Herr Keyser gegen diesen Leuten thun? Gewiß ists / daß wir durch
den Glauben / Vergebung der Sünde erlangen / Dieses Wort ist nicht vnser wort /
sondern die Stimme vnd Wort Jesu Christi / vnsers Heilands.
Das klare Wort Christi nu verdammen diese Meister der Confutation / darumb können
wir in keinem weg die Confutation willigen. Wir wollen / ob Gott wil / die
klaren Wort des Euangelij / die heilige Göttliche Warheit / vnd das selige Wort
/ darinne aller Trost vnd Seligkeit stehet / nicht verleugnen / Denn dieses also
verneinen / daß wir durch den Glauben Vergebung der Sünde erlangen / was were
das anders / denn das Blut Christi vnd seinen Tod lestern vnd schenden?
Darumb bitten wir Allergnedigster Herr Keyser / daß Ewer Keyserliche Majestet in
dieser grossen / höchsten / allerwichtigsten Sachen / welche vnser eigene Seele
vnd Gewissen / welche auch den gantzen Christen Glauben / das gantz Euangelium /
das Erkentniß Christi / vnd das höchst / gröst / nicht allein in diesem
vergenglichem / sondern auch künfftigem Leben / ja vnser aller ewigs genesen vnd
verderben für Gott belanget / gnediglich vnd mit fleis hören vnd erkennen. Es
sollen alle Gottfürchtige / from̅e vnd erbare Leut nicht anders
befinden / denn daß wir in dieser Sache die Göttliche Warheit / vnd eytel
heilsame / hochnötigste / tröstlichste Vnterricht der Ge
|| [220]
wissen gelehret haben / vnd lehren lassen / daran allen
from̅en Hertzen der gantzen Christlichen Kirchen das
mercklichst vnd grössest / ja all jr Heyl vnd wolfart gelegen / ohn welche
vnterricht kein Predigampt / kein Christliche Kirch seyn noch bleiben kan.
Es sollen alle Gottfürchtige befinden / daß diese Lehre der Vnsern von der Buß /
das Euangelium / vnd reinen Verstand wieder an tag bracht hat / vnd daß dadurch
viel schedlicher / heßlicher Irrthumb abgethan / wie denn durch die Scholastiken
vnd Canonisten Bücher diese Lehre / Was doch rechte Buß sey / oder nicht sey /
gar vnterdruckt war. Vnd ehe wir zur Sache greiffen / müssen wir dieses anzeigen
/ Es werden alle Erbare / redliche / gelehrte Leute / hohes vnd niders Stands /
auch die Theologen selbst bekennen müssen / vnd ohn zweiffel auch die Feinde
werden von jhrem eigen Hertzen vberzeuget / daß zuuor vnd ehe denn Doctor Luther
geschrieben hat / eytel tunckel / verworren Schriffte vnd Bücher von der Buß
vorhanden gewest / wie man sihet bey den Sententiarien / da vnzehliche vnnütze
Fragen seyn / welche noch kein Theologi selbst haben
gnugsam können außörtern / viel weniger hat das Volck auß jhren Predigten / vnd
verwirreten Büchern / von der Buß / ein Summe fassen mügen oder mercken / was
doch zu wahrer Buß fürnemlich gehöret / wie / oder durch was weis / ein Hertz
vnd Gewissen / ruhe vnd frieden suchen müst. Vnd trotz / es tret noch einer
herfür / der auß jhren Büchern ein einigen Menschen vnterrichte / wenn gewis die
Sünde vergeben sind.
Lieber HERR Gott / wie siehet man da blindheit / wie wissen sie gar nicht dauon /
wie sind jhre Schrifft eytel Nacht / eytel Finsterniß. Sie bringen Fragen für /
Ob in Attritione oder Contritione Vergebung der Sünden geschehe / vnd so die Sünde vergeben wird
/ vmb der Rewe oder Contrition willen / was denn der Absolution von nöten sey /
Vnd so die Sünde schon vergeben seyn / was denn die Gewalt der Schlüssel von
nöten sey? Vnd da engsten sie sich / vnd verbrechen sich erst vber / vnd machen
die Gewalt der Schlüssel gar zu nicht. Etliche vnter jhnen ertichten vnd sagen /
Durch die Gewalt der Schlüssel werde nicht vergeben die Schuld für Gott /
Sondern die ewigen Pein werden dadurch verwandelt in zeitliche. Vnd machen also
auß der Absolution / auß Gewalt der Schlüssel / dadurch wir Trost vnd Leben
gewarten sollen / ein solche Gewalt / dadurch vns nur Straff auffgelegt werde.
Die andern wollen klüger seyn / die sagen / Daß durch Gewalt der Schlüssel Sünde
vergeben werden für den Leuten / oder für der Christlichen Gemein / aber nicht
für Gott.
|| [ID00468]
Das ist auch fast ein schedlicher Irrthumb / denn so die Gewalt der Schlüssel /
welche von Gott geben ist / vns nicht tröstet für Gott / wodurch wil denn das
Gewissen zu ruhen kommen? Darüber so lehren vnd schreiben sie noch vngeschickter
vnd verwirreter ding / Sie lehren / man könne durch Rewe Gnade verdienen. Vnd
wenn sie da gefragt werden / Warumb denn Saul vnd Judas / vnd dergleichen nicht
Gnade verdienet haben / in welchen gar ein schrecklich Contritio gewesen ist? Auff diese Frage solten sie antworten / Daß es
Judas vnd Saul am Euangelio vnd Glauben gefehlet hette / daß Judas sich nicht
getröstet hat durchs Euangelium / vnd hat nicht gleubet / Denn der Glaube
vnterscheidet die Rew Petri vnd Judae.
Aber die Wiedersacher gedencken des Euangelij vnd Glaubens gar nicht / sondern
des Gesetzes / sagen / Judas hab Gott nicht geliebet / sondern hab sich für der
Straff gefürchtet. Ist aber das nicht vngewiß vnd vngeschickt von der Bus
gelehret? Denn wenn wil ein erschrocken Gewissen / sonderlich in den rechten /
grossen Engsten / welche in Psalmen vnd Propheten beschrieben werden / wissen /
ob es Gott aus Liebe / als seinen Gott fürchet / Oder / ob es sein Zorn vnd ewig
Verdamniß fleuhet vnd hasset.
Es mügen die jenigen von diesen grossen Engsten nicht viel erfahren haben /
dieweil sie also mit worten spielen / vnd nach jhren Tremmen vnterschied machen
/ Aber im Hertzen / vnd wenn es zur Erfahrung kömpt / findet sichs viel anders /
vnd mit den schlechten Syllaben vnd Worten findet kein Gewissen ruhe / wie die
guten / senfften / müssigen Sophisten trewmen. Hie beruffen wir vns auff
Erfahrung aller Gottfürchtigen / auff alle redliche / verstendige Leute / die
auch gern die Warheit erkenten / die werden bekennen / daß die Wiedersacher in
allen jhren Büchern / nichts rechtschaffens gelehret haben von der Bus / sondern
eytel verworren vnnütz Geschwetz. Vnd ist doch diß ein Heuptartickel der
Christlichen Lehre von der Bus / von Vergebung der Sünde.
Nun ist dieselbige Lehre von den Fragen / die jetzo erzehlet / voller grosser
Irrthumb vnd Heucheley / dadurch die rechte Lehre von Christo / von den
Schlüsseln / von Glauben / zu vnseglichem Schaden der Gewissen vnterdruckt
gewesen.
Weiter richten sie noch mehr Irrthumb an / wenn man von der Beicht reden sol / da
lehren sie nichts / denn lange Register machen / vnd Sünd erzehlen / vnd mehrer
theil in Sünden wieder Menschen Gebot / vnd treiben hie die Leute / als sey
solch zehlen / de iure diuino, das ist / von Gott
geboten / Vnd dieses wer noch so hoch beschwerlich nicht /
|| [221]
wenn sie nur auch recht von der Absolution vnd Glauben hetten
gelehrt / Aber da fahren sie abermal fürüber / vnd lassen den hohen Trost ligen
/ vnd tichten das Werck / Beichten vnd Rewen mache from / ex
opere operato, ohn Christo / ohn Glauben / das heissen rechte Jüden.
Das dritte stück von diesem Spiel / ist die Satisfactio,
oder Gnugthuung für die Sünde. Daselbst lehren sie noch vngeschickter /
verwirreter / werffen das Hundert ins Tausent / daß daselbst nicht ein
Tröpfflein gutes oder nöthiges Trostes / ein arm Gewissen finden möcht. Denn da
ertichten sie jhnen selbst / daß die ewige Pein werde für GOtt verwandelt in
Pein des Fegfewrs / vnd ein theil der Pein werde vergeben vnd erlassen / durch
die Schlüssel / für ein theil aber müsse man gnugthun mit Wercken. Darüber sagen
sie weiter / vnd nen̅en die Gnugthuung opera
supererogationis, das sind denn bey jhnen die Kindischen / närrischen
Wercke / als Walfart / Rosenkrentze / vnd dergleichen / da kein Gebott Gottes
von ist.
Vnd weiter / Wie sie die Pein des Fegfewers abkeuffen vnd lösen mit jrem gnugthun
/ also haben sie noch weiter ein Fündlein erdacht / dieselbige Gnugthuung für
das Fegfewer auch abzulösen / welchs den̅ ein recht genießlicher /
reicher kauff / vnd grosser Jahrmarckt worden / Denn sie haben vnuerschampt
jhren Ablas verkaufft / vnd gesagt / Wer Ablas löset / der keuffe sich also ab /
da er sonst müst gnugthun / Vnd die Kretzmerey / den Jarmarckt / haben sie
vnuerschampt getrieben / nicht allein / daß den Lebendigen Ablas verkaufft /
sondern auch für die Todten hat man Ablas müssen keuffen. Darüber haben sie auch
den schrecklichen Mißbrauch der Messe eingeführt / daß sie die Todten haben mit
Messe halten erlösen wöllen / vnd vnter solchen Teuffels Lehren ist vnterdruckt
gewesen die gantze Christliche Lehre / von Glauben / von Christo / wie wir
dadurch sollen getröstet werden.
Darumb mercken vnd verstehen hie alle Erbare / redliche / Ehrliebende /
verstendige Leute / schweig denn Christen / daß gantz hoch von nöthen gewesen
ist / solche Vngöttliche Lehre der Sophisten vnd Canonisten von der Bus zu
taddeln / Denn dieselbige jhre Lehre ist öffentlich falsch / vnrecht / wieder
die klaren Wort Christi / wieder alle Schrifft der Aposteln / wieder die gantze
heilige Schrifft vnd Väter / vnd sind das jhre Irrthumb:
1. Daß vns GOtt muß die Sünde vergeben / so wir gute Werck thun / auch ausserhalben der Gnaden.
2. Daß wir durch die Attrition oder Rew / Gnade verdienen.
3. Daß vnser Sünde außzuleschen gnug sey / wenn ich die Sünde an mir selbst hasse vnd schelte.
|| [ID00470]
4. Daß wir durch vnser Rewe / nicht vmb des Glaubens willen an Christum Vergebung der Sünde erlangen.
5. Daß die Gewalt der Schlüssel verleihe Vergebung der Sünde / nicht für Gott / sondern für der Kirchen / oder den Leuten.
6. Daß durch die Gewalt der Schlüssel nicht allein die Sünde vergeben werden / sondern dieselbige Gewalt sey darumb eingesetzt / daß sie die ewigen Pein verwandelt in zeitliche / vnd daß sie den Gewissen etliche Gnugthuung aufflege / vnd Gottesdienst vnd Satisfactiones auffrichte / dazu die Gewissen für Gott verpflichte vnd verbinde.
7. Daß das erzehlen / vnd eigentlich rechnen aller Sünde / von Gott geboten sey.
8. Daß Satisfactiones, welche doch von Menschen auffgesetzet / noth seyn zu bezahlen die Pein / oder auch die Schuld / denn wiewol man in der Schul / die Satisfactiones allein für die Pein abrechnet / so verstehet doch menniglich / daß man dadurch vergebung der Schuld verdiene.
9. Daß wir aus empfahung des Sacraments der Bus / ex opere operato, wenn das Hertz gleich nicht dabey ist / ohn den Glauben an Christum / Gnade erlangen.
10. Daß aus dem Gewalt der Schlüssel / durch den Ablas / die Seelen aus dem Fegfewr erlöset werden.
11. Daß in Reseruat Fellen / nicht die Straff der Canonum, sondern die Schuld der Sünden für Gott / durch den Bapst müge reseruiert werden / in denen / die sich warlich zu Gott bekehren. Daß wir nu den Gewissen hülffen / aus den vnzehlichen Stricken / vnd verworren Netzen der Sophisten / so sagen wir / die Bus oder Bekehrung habe zwey stücke / Contritionem vnd Fidem. So nun jemands wil das dritte stücke dazu setzen / Nemlich / die Früchte der Bus vnd Bekehrung / welche sind gute Werck / so folgen sollen vnd müssen / mit dem wil ich nicht gros fechten. Wenn wir aber de Contritione, das ist / von rechter Rewe reden / schneiden wir ab die vnzehlichen / vnnützen Fragen / Da sie Fragen fürgeben / Wenn wir aus der Liebe Gottes / Item / wenn wir aus Furcht der straffe / Rewe haben? Denn es sind allein blosse wort / vnd vergeblich Geschwetz der jenigen / die nicht erfahren / wie einem erschrockenen Gewissen zu sinne sey. Wir sagen / Daß Contritio oder rechte Rew das sey / wenn das Gewissen erschreckt wird / vnd seine Sünde / vnd den grossen Zorn Gottes vber die Sünde anhebt zu fülen / vnd ist jhm leid / daß es gesündiget hat / Vnd dieselbige Contritio gehet also zu / wen̅ vnser Sünd durch Gottes Wort gestrafft wird / Denn in diesen zweyen Stücken stehet die Summa des Euangelij / Erstlich sagt es / Bessert euch / vnd
|| [222]
macht jederman zu Sündern. Zum andern / beuts an
Vergebung der Sünde / das ewige Leben / Seligkeit / alles Heyl / vnd den
heiligen Geist durch Christum / durch welchen wir new geborn werden.
Also fasset auch die Summa des Euangelij Christus / da Er Lucae am letzten sagt:
Zu predigen in meinem Nahmen Bus vnd Vergebung der Sünde vnter allen Heyden. Vnd
von dem schrecken vnd Angst des Gewissens redet die Schrifft im 37. Psalm: Denn
meine Missethat sind vber mein Heupt gangen / Wie ein schweere Last sind sie mir
zu schweer worden. Vnd im 6. Psalm: HERR sey mir gnedig / denn ich bin schwach /
Heile mich HERR / denn meine Gebein sind erschrocken / vnd mein Seele ist sehr
erschrocken / etc. Ach du HERR wie lang? Esaiae 38. Ich sprach / Nu muß ich zur
Helle Pforten fahren / da ich lenger zu leben gedacht / etc. Ich dacht / Möcht
ich bis Morgen leben / aber Er zerbrach mir alle meine Gebeine / wie ein Lewe.
Item / Meine Augen wolten mir brechen / HERR ich leide Noth / etc. In
denselbigen Engsten fület das Gewissen Gottes zorn vnd Ernst wieder die Sünde /
welchs gar ein vnbekante Sache ist / solchen müssigen vnd fleischlichen Leuten /
wie die Sophisten vnd jhrs gleichen / Denn da merckt erst das Gewissen / was die
Sünde für ein grosser Vngehorsam gegen Gott ist / da drücket erst recht das
Gewissen der schrecklich Zorn GOttes / Vnd es ist vnmüglich der Menschlichen
Natur denselbigen zu tragen / wen̅ sie nicht durch Gottes Wort
würde auffgericht.
Also sagt Paulus: Durch das Gesetz bin ich dem Gesetz gestorben / Denn das Gesetz
klaget allein die Gewissen an / gebeut was man thun solle / vnd erschreckt sie.
Vnd da reden die Wiedersacher nicht ein wort vom Glauben / lehren also kein wort
vom Euangelio / noch von Christo / sondern eytel Gesetzlehre / vnd sagen / daß
die Leute mit solchen schmertzen / Rewe vnd Leide / mit solchen Engsten / Gnade
verdienen / doch wo sie aus Liebe Gottes rewe haben / oder GOtt lieben. Lieber
HErr Gott / was ist doch das für ein Predigt / für die Gewissen / denen Trosts
von nöthen ist? Wie können wir doch denn Gott lieben / wenn wir in so hohen /
grossen engsten vnd vnseglichem Kampff stecken / wenn wir so grossen
schrecklichen Gottes ernst vnd Zorn fülen? Welcher sich da stercker fület denn
kein Mensch auff Erden nachsagen oder reden kan. Was lehren doch solche Prediger
vnd Doctores anders / denn eytel verzweiffelung? Die in
so grossen engsten einem armen Gewissen / kein Euangelium / kein Trost / allein
das Gesetz predigen. Wir aber setzen das ander stücke der Bus dazu / Nemlich /
den Glauben an Christum / Vnd sagen / Daß in sol
|| [ID00472]
chem
schrecken / den Gewissen sol vorgehalten werden das Euangelium von Christo / in
welchem verheissen ist / Vergebung der Sünde / aus Gnaden / durch Christum. Vnd
solche Gewissen sollen gleuben / daß jhnen vmb Christus willen Sünde vergeben
werden. Derselbig Glaub richtet wieder auff / tröstet vnd macht wieder lebendig
vnd frölich / solche zurschlagene Hertzen / wie Paulus Rom. 5. sagt: So wir nu
gerechtfertiget seyn / haben wir Friede mit GOTT. Derselbig Glaub zeigt recht an
vnterscheid / vnter der Rewe Judae vnd Petri / Sauls vnd Dauids / vnd darumb ist
Judae vnd Sauls Rewe nichts nütz gewest. Denn da ist nicht Glaub gewest / der
sich gehalten hette an die Verheissung Gottes durch Christum.
Dagegen sind Dauids vnd S. Peters Rewe rechtschaffen gewesen / denn da ist der
Glaube gewest / welcher gefasst hat die Zusage GOttes / welche anbeut Vergebung
der Sünde durch Christum. Denn eigentlich ist in keinem Hertzen einige Liebe
Gottes / es sey den̅ / daß wir erst GOtt versünet werden durch
Christum / denn GOttes Gesetz oder das Erste Gebot / kan ohn Christo niemands
erfüllen noch halten / wie Paulus zu den Ephesern sagt: Durch Christum haben wir
einen Zutrit zu Gott / vnd der Glaub kempffet / das gantz Leben durch / wieder
die Sünde / vnd wird durch mancherley Anfechtung probiert / vnd nimpt zu. Wo nu
der Glaub ist / da folget denn erst die Liebe Gottes / wie wir hie oben gesagt.
Vnd dan̅ heist also recht gelehret / Was timor
filialis sey / Nemlich ein solches fürchten vnd erschrecken für Gott /
da dennoch der Glaub an Christum / vns wiederumb tröstet. Seruilis timor autem, Knechtliche Furcht / ist Furcht ohn Glauben / da
wird eytel Zorn vnd Verzweiffelung.
Die Gewalt nun der Schlüssel / die verkündiget vns durch die Absolution das
Euangelium / Denn das Wort der Absolution / verkündiget mir Friede / vnd ist das
Euangelium selbst. Darumb / wenn wir vom Glauben reden / wöllen wir die
Absolution mit begriffen haben / Denn der Glaub ist aus dem Gehör / vnd wenn ich
die Absolution höre / das ist die Zusage Göttlicher Gnade / oder das Euangelium
/ so wird mein Hertz vnd Gewissen getröstet. Vnd dieweil Gott durch das Wort /
warlich new Leben vnd Trost ins Hertz gibt / so werden auch durch Gewalt der
Schlüssel / warhafftig hie auff Erden die Sünde los gezelet / Also / daß sie für
GOtt im Himmel los seyn / wie der Spruch laut: Wer euch hört / der höret Mich.
Darumb sollen wir das Wort der Absolution nicht weniger achten noch gleuben /
denn wenn wir GOttes klare Stimme vom Himmel
|| [223]
höreten
/ vnd die Absolution / das selige tröstliche Wort / solt billich das Sacrament
der Bus heissen / Wie denn auch etliche Scholastici,
welche gelehrter denn die andern gewesen / dauon reden.
Vnd derselbige Glaub an das Wort / sol für vnd für gesterckt werden / durch
Predigt hören / durch lesen / durch brauch der Sacrament / Denn das sind die
Siegel vnd Zeichen des Bunds / vnd der Gnaden im Newen Testament / das sind
Zeichen der Versünung vnd Vergebung der Sünde / denn sie bieten an Vergebung der
Sünde / wie denn klar zeugen die Wort im Abendmahl: Das ist mein Leib / der für
euch gegeben wird / etc. Das ist der Kelch des Newen Testaments / etc. Also wird
auch der Glaub gesterckt durch das Wort der Absolution / durch die Prediger des
Euangelij / durch empfahung des Sacraments / damit er in solchem schrecken vnd
Engsten des Gewissens nicht vntergehe.
Das ist ein klare / gewisse / richtige Lehre von der Bus / dadurch kan man
verstehen vnd wissen / was die Schlüssel seyn oder nicht seyn / was die
Sacrament nütz seyn / was Christi Wolthat ist / warumb vnd wie Christus vnser
Mittler ist.
Dieweil aber die Wiedersacher verdammen / daß wir die zwey Theil der Bus gesetzt
haben / so müssen wir anzeigen / daß nicht wir / sondern die Schrifft / diese
zwey Stück der Bus oder Bekehrung also außdrückt. Christus sagt / Matth. 11.
Kompt zu mir Alle / die jhr müheselig vnd beladen seyd / vnd ich wil euch
erquicken. Da sind zwey Stück / die Last oder Bürde / da Christus von redet /
das ist der Jammer / das gros erschrecken für Gottes Zorn im Hertzen / Zum
andern / das kommen zu Christo. Denn das kommen ist nichts anders / denn gleuben
/ daß vmb Christus willen vns Sünde vergeben werden / vnd daß wir durch den
Heiligen Geist newgeborn / vnd lebendig werden. Darumb müssen diese zwey die
fürnemste Stück in der Bus seyn / die Rewe vnd der Glaub.
Vnd Marc. 1. sagt Christus: Thut Bus / vnd gleubt dem Euangelio. Für das erst /
macht er vns zu Sündern / vnd schreckt vns. Zum andern / tröstet er vns / vnd
verkündiget Vergebung der Sünde. Denn dem Euangelio gleuben / heist nicht allein
die Historien des Euangelij gleuben / welchen Glauben auch die Teuffel haben /
Sondern heist eigentlich gleuben / daß vns durch Christum Sünde vergeben seyn /
denn denselbigen Glauben prediget vns das Euangelium / Da sehet jhr auch die
zwey Stücke / die Rewe oder das schrecken des Gewissens / da er sagt: Gleubt dem
Euangelio. Ob nun jemands wolt sagen / Christus begreifft auch die Früchte der
Bus das gantz
|| [ID00474]
newe Leben / das fechten wir nicht gros an / es
ist vns hie gnug / daß die Schrifft diese zwey Stücke / fürnemlich außdrückt /
Rewe vnd Glauben.
Paulus in allen Episteln / so offt er handelt / wie wir bekehret werden / fasset
er diese zwey Stücke zusam̅en / sterben des alten Menschen / das
ist / Rewe / erschrecken für Gottes Zorn vnd Gericht / vnd dagegen / Vernewerung
durch den Glauben. Denn durch Glauben werden wir getröst / vnd wieder zum Leben
gebracht / vnd errettet von Tod vnd Helle. Von diesen zweyen Stücken redet er
klar Rom. 6. Daß wir der Sünden gestorben seyen / das geschicht durch Rewe vnd
schrecken / Vnd wiederumb sollen wir mit Christo aufferstehen / das geschiehet /
so wir durch Glauben wiederumb Trost vnd Leben erlangen / vnd dieweil Glauben
sol Trost vnd Friede im Gewissen bringen / laut des Spruchs Rom. 4. So wir
gerecht sind worden durch Glauben / haben wir Friede / Folget / daß zuuor
schrecken vnd Angst im Gewissen ist / Also gehen Rewe vnd Glauben neben
einander.
Wiewol / was ists noth viel Sprüche oder zeugniß der Schrifft einzuführen / so
die gantze Schrifft der Sprüche voll ist / als im 117. Psalm: Der HERR züchtiget
mich wol / aber er gibt mich dem Tod nicht. Vnd im 118. Psalm: Mein Seele
vergehet für gremen / Richte mich auff nach deinen Worten. Erstlich sagt er von
schrecken / oder von der Rewe. Im andern Stücke des Verß zeiget er klar an / wie
ein rewig / arm Gewissen wieder getröstet wird / Nemlich / durch das Wort GOttes
/ welchs Gnade anbeutet / vnd wieder erquicket. Item / 1. Reg. 2. Der HERR
tödtet / vnd macht lebendig / Er führet in die Helle / vnd wieder heraus / Da
werden auch die zwey stücke gerürt / Rewe vnd Glaube. Item / Esaiae 28. Der HERR
wird zürnen / daß er sein Werck thue / welchs doch nicht sein Werck ist. Er sagt
/ Gott werde schrecken / wiewol dasselbige nicht Gottes werck sey / Denn Gottes
eigen Werck ist lebendig machen / Andere Werck als schrecken / tödten / sind
nicht Gottes eigene Werck / denn GOtt macht allein lebendig / Vnd wenn Er
schrecket / thut ers darumb / daß sein seliger Trost vns desto angenehmer vnd
süsser werde / Den̅ sichere vnd Fleischliche Hertzen / die Gottes
Zorn vnd jhre Sünde nicht fülen / achten keines Trostes.
Auff die weis pflegt die heilige Schrifft / die zwey Stücke bey einander zu
setzen. Erstlich das schrecken / darnach den Trost / daß sie anzeigen / daß
diese zwey stück zu einer rechten Bus oder Bekehrung gehören. Erstlich
hertzliche Rewe / darnach Glaube / der das Gewissen wieder auffrichte. Vnd ist
je gewiß also / daß nicht wol müg
|| [224]
lich ist von
der Sache klerer oder richtiger zu reden / So wissen wir fürwar / daß Gott in
seinen Christen in der Kirchen also wircket.
Diß sind nu die fürnemste zwey Werck / dadurch GOtt in den seinen wircket. Von
den zweyen Stücken redet die gantze Schrifft. Erstlich / daß er vnser Hertzen
erschrecket / vnd vns die Sünde zeiget. Zum andern / daß er wiederumb vns
tröstet / auffrichtet / vnd lebendig macht. Darumb führet auch die gantze
Schrifft diese zweyerley Lehre / Eine ist das Gesetz / welche vns zeiget vnsern
Jammer / strafft die Sünde / Die ander Lehre ist das Euangelium. Denn Gottes
Verheissung / da er Gnade zusagt durch Christum / vnd die Verheissung der Gnaden
wird von Adam her / durch die gantze Schrifft jm̅er wieder
erholet. Denn erstlich ist die Verheissung der Gnaden / oder das erst Euangelium
Adam zugesagt: Ich wil Feindschafft setzen / etc. Hernach sind Abraham vnd
andern Patriarchen von demselbigen Christo Verheissung geschehen / welche denn
die Propheten hernach geprediget / Vnd zu letzt ist dieselbige Verheissung der
Gnaden durch Christum selbst / als er nu kommen war / geprediget vnter den Jüden
/ vnd endlich durch die Aposteln vnter die Heyden in alle Welt außgebreitet.
Denn durch den Glauben an das Euangelium / oder an die Zusage von Christo sind
alle Patriarchen / alle Heiligen / von Anbegin der Welt / gerecht für GOtt
worden / vnd nicht vmb jhrer Rewe oder Leide / oder einigerley Werck willen.
Vnd die Exempel / wie die Heiligen sind from worden / zeigen auch die obgedachten
zwey stücke an / Nemlich / das Gesetz vnd Euangelium. Denn Adam / als er
gefallen war / wird er erst gestrafft / daß sein Gewissen erschrickt / vnd in
grosse engste kömpt / Dasselbe ist die rechte Rewe / oder Contritio, hernach sagt jm Gott Gnad vnd Heyl zu durch den
gebenedeyeten Samen / das ist / Christum / durch welchen der Tod / die Sünde /
vnd des Teuffels Reich / sol zu brochen werden / Da beutet er jhm wieder an /
Gnade vnd Vergebung der Sünde.
Das sind die zwey stücke / Denn wiewol GOtt hernach Adam straff auff leget / so
verdienet er doch durch die straff nicht Vergebung der Sünde. Vnd von
derselbigen auffgelegten Straff wöllen wir hernach sagen.
Also wird Dauid vom Propheten Nathan hart angeredt vnd erschreckt / daß er
spricht vnd bekennet: Ich hab für dem HERRN gesündiget / Das ist nu die Rew /
Hernach höret er das Euangelium vnd die Absolution: Der HERR hat deine Sünde
weggenom̅en / du solt nicht sterben. Als Dauid das Wort
gleubet / empfehet sein Hertz wieder Trost / Liecht / vnd Leben / vnd wiewol jhm
auch die
|| [ID00476]
Straff wird auffgelegt / so verdienet er doch durch
die Straff nicht Vergebung der Sünde. Vnd es sind auch wol Exempel / da solche
sonderliche Straff nicht dazu gethan werden / Sondern diese zwey stücke gehören
allezeit fürnemlich zu einer rechten Bus. Erst daß vnser Gewissen die Sünde
erkenne vnd erschrecke. Zum andern / daß wir der Göttlichen Zusage gleuben / Als
Luc. 7. Kömpt das arm sündig Weib zu Christo / vnd weinet bitterlich / Das
weinen zeigt die Rew an / Hernach höret sie das Euangelium: Deine Sünde sind dir
vergeben / dein Glaub hat dir geholffen / gehe im Frieden. Das ist nu das ander
fürnemste Stücke der Bus / Nemlich / der Glaub / der sie wieder tröstet. Aus
diesem können hie alle Christliche Leser mercken / daß wir nicht vnnötige Disputationes einführen / sondern klar / richtig / vnd
eigentlich das Stücke der Bus setzen / Ohn welche die Sünde nicht kön̅en vergeben werden / ohn welche niemands für Gott from / heilig /
oder new geborn wird.
Die Früchte aber vnd gute Wercke / Item / Gedult / daß wir gern leiden / Creutz
vnd straff / was Gott dem alten Adam aufflegt / das alles folget / wenn also
erst durch den Glauben die Sünde vergeben ist / vnd wir new geborn seyn. Vnd wir
haben diese zwey Stücke klar gesetzt / damit der Glaub an Christum / dauon die
Sophisten / Canonisten alle geschwiegen / auch einmahl gelehret werd / damit man
auch desto klerer sehen möge / was der Glaube sey / oder nicht sey / wen̅ er also gegen das gros schrecken vnd Angst gehalten wird.
Dieweil aber die Wiedersacher diesen klaren gewissen / trefflichen Artickel / ohn
alle schew vnd scham namhafftig verdammen / da wir sagen / Daß die Menschen
Vergebung der Sünde erlangen / durch den Glauben an Christum / so wöllen wir des
etliche Gründe vnd beweisung setzen / aus welchen zu verstehen sey / daß wir
Vergebung der Sünde nicht erlangen ex opere operato,
oder / durch das gethane Werck / durch Rew oder Leide / etc. Sondern allein
durch den Glauben / da ein jeder für sich selbst gleubt / daß jhm Sünde vergeben
seyn. Denn dieser Artickel ist der fürnemste vnd nötigste / Darumb wir mit den
Wiedersachern streiten / welcher auch der nötigste ist allen Christen zu wissen.
So wir aber hieroben im Artickel de Iustificatione, von
demselbigen gnugsam gesagt / so wollen wir desto kürtzer hie dasselb handeln.
Die Wiedersacher / wenn sie vom Glauben reden / sagen sie / der Glaube müsse vor
der Bus hergehen / vnd verstehen nicht den Glauben / welcher für Gott gerecht
macht / Sondern den Glauben / durch welchen in genere,
das ist / in gemein gegleubet wird / daß ein Gott
|| [225]
sey
/ daß ein Helle sey / etc. Wir reden aber darüber / von einem Glauben / daß ich
für mich gewiß gleube / daß mir die Sünde vergeben seyn vmb Christus willen /
von diesem Glauben streiten wir / der nach dem schrecken folgen sol vnd muß /
vnd das Gewissen trösten / vnd das Hertz in dem schweren Kampff vnd Angst /
wieder zu frieden machen.
Vnd das wöllen wir / wil Gott / ewiglich verfechten / vnd wieder alle Pforten der
Hellen erhalten / daß derselbig Glaube muß da seyn / sollen jemands Sünde
vergeben werden. Darumb setzen wir dieses stück auch zur Bus. Es kan auch die
Christliche Kirch nicht anders halten / denn daß Sünd vergeben werden durch
solchen Glauben / wiewol die Wiedersacher / als die wütende Hunde / dawieder
bellen.
Für das erst / frage ich hie die Wiedersacher / Ob es auch ein Stück der Bus sey
/ die Absolution hören oder empfahen. Denn wo sie die Absolution absondern von
der Beicht / wie sie denn subtil seyn wollen zu distinguieren / so wird niemands
wissen oder sagen können / Was die Beicht ohn die Absolution nütz sey. So sie
aber die Absolution von der Beicht nicht absondern / so müssen sie sagen / daß
der Glaube an das Wort Christi sey ein Stück der Bus / so mann die Absolution
nicht empfahen kan / denn allein durch den Glauben. Daß man aber das Wort der
Absolution nicht empfahen kan / denn allein durch den Glauben / ist zu beweisen
aus Paulo / Roman. 4. da er sagt / Daß die Verheissung GOttes niemands fassen
kan / denn allein durch den Glauben.
Die Absolution aber ist nichts anders / denn das Euangelium / ein Göttliche
Zusage der Gnaden vnd Hulde Gottes / etc. Darumb kan man sie nicht haben noch
erlangen / denn allein durch den Glauben. Denn wie kan den jenigen das Wort der
Absolution nütz werden / die sie nicht gleuben? Die Absolution aber nicht
gleuben / was ist das anders / denn Gott Lügen straffen? Dieweil das Hertz
wancket / zweiffelt / helts vngewiß / das Gott da zusaget.
Darumb stehet 1. Johan. 5. geschrieben: Wer Gott nicht gleubet / der Lügenstrafft
jhn / denn er gleubt nicht dem Zeugniß / da Gott von seinem Sohn zeuget. Zum
andern / so müssen je die Wiedersacher gewiß bekennen / daß die Vergebung der
Sünde sey ein Stücke / oder / daß wir auff jhr weise reden / sey finis, das ende / oder terminus ad
quem, der gantzen Bus. Denn was hülffe Bus / wenn nicht Vergebung der
Sünde erlangt würde? Darumb das jenige / dadurch Vergebung der Sünde erlangt
wird / sol vnd muß je ein fürnemest Stücke der Bus seyn. Eigentlich ist es aber
wahr / klar vnd gewiß /
|| [ID00478]
wenn alle Teuffel / alle Pforten der
Helle dawieder schrien / daß das Wort niemands von der vergebung der Sünde
fassen kan / den̅ allein durch den Glauben / Rom. 3. Welchen Gott
hat für gestelt zu einem Gnadenstuel durch den Glauben / etc. Item / Roman. 5.
Durch welchen wir auch ein Zutrit haben im Glauben zu dieser Gnade / etc. Denn
ein erschrocken Gewissen / das sein Sünde fület / merckt balde / daß Gottes Zorn
mit vnsern elenden Wercken nicht zu versünen ist / sondern also kömpt ein
Gewissen recht zu frieden / wenn es sich heltet an den Mittler Christum / vnd
gleubet den Göttlichen Zusagungen. Denn die jenigen verstehen nicht / Was
Vergebung der Sünde sey / oder wie man dieselbige erlanget / die da wehnen / die
Hertzen vnd Gewissen können gestillet werden / ohn den Glauben an Christum.
Petrus der Apostel führet ein den Spruch Esa. 49. Wer an jhn gleubet / der wird
nicht zu schanden werden. Derhalben müssen die Heuchler für GOtt zu schanden
werden / die da meynen / sie wöllen Vergebung der Sünde erlangen durch jhr Werck
/ nicht vmb Christus willen. Vnd Petrus Actor. 10. sagt: Dem Jesugeben Zeugniß
alle Propheten / daß die jenigen Vergebung der Sünde durch seinen Nahmen
erlangen / so an jhnen gleuben. Er hette nicht klerer reden können / denn daß er
sagt: Durch seinen Namen / Vnd setzt dazu / Alle die an Ihn gleuben.
Darumb erlangen wir Vergebung der Sünde / durch den Namen Christi / das ist / vmb
Christus willen / nicht vmb vnsers Verdienstes oder Wercke willen / vnd das
geschihet also / wenn wir gleuben / daß vns Sünde vergeben werden vmb Christus
willen.
Die Wiedersacher schreyen wol / sie seyn die Christliche Kirche / vnd sie halten
/ was die Catholica, gemein Kirche heltet. Petrus aber
der Apostel / hie in vnser sache / vnd vnserm höchsten Artickel / rhümet auch
ein Catholica, gemeine Kirche / da er sagt / dem Jesu
geben Zeugniß alle Propheten / daß wir Vergebung der Sünde erlangen durch seinen
Namen. Ich meyne je / wenn alle heilige Propheten eintrechtig zusammen stimmen
(nach dem Gott auch ein einigen Propheten für ein Weltschatz achtet) solle je
auch ein Decret / ein Stimme / vnd eintrechtig starck Beschlus seyn der gemein
Catholiken Christlichen / heiligen Kirchen / vnd billich dafür gehalten werden.
Wir werden weder Bapst / Bischoff noch Kirchen / den Gewalt einreumen wieder
aller Propheten eintrechtige Stimme / etwas zu halten oder zu schliessen. Noch
hat Bapst Leo der 10. diesen Artickel als jrrig dürffen
verdammen. Vnd die Wiedersacher verdammen dieses auch.
|| [226]
Darumb ist gnug am Tag / was das für ein feine Christliche Kirche sey / die nicht
allein durch öffentliche / geschriebene Decret vnd Mandat diesen Artickel /
Nemlich / daß wir Vergebung der Sünde / ohn Wercke / durch den Glauben an
Christum erlangen / verdam̅en darff / Sondern auch vber dem
Bekentnis dieses Artickels / vnschüldig Blut verdammen vnd erwürgen. Sie dürffen
Gebot außgehen lassen / daß man from̅e redliche Leute / die also
lehren / solle verjagen / vnd trachten jhnen durch allerley Tyranney / als die
Bluthund / nach Leib vnd Leben.
Aber sie werden vielleicht sagen / sie haben auch Lehrer für sich / Scotum, Gabrielem, vnd dergleichen / die auch grossen
Nahmen haben / dazu auch die Sprüche der Väter / welche im Decret verstümpelt
angezogen. Ja es ist wahr / sie heissen alle Lehrer vnd Scribenten / aber am
Gesang kan man mercken / welche Vögel es sind. Dieselbigen Scribenten haben
nichts anders denn Philosophi gelehret / Vnd von Christo vnd Gottes werck nicht
gewust / das beweisen jre Bücher klar.
Derhalben lassen wir vns nichts jrren / sondern wissen fürwar / daß wir das Wort
des heiligen Apostels Petri / als eines grossen Doctors frölich mügen halten /
gegen alle Sententiarios vber ein hauffen / vnd wenn jhr
viel tausent weren. Denn Petrus sagt klar / es sey ein eintrechtig Stimme aller
Propheten / vnd dieselbige herrliche Predigt des hohen / grossen Aposteln / hat
Gott krefftig dasmal bestetiget / durch außtheilung des heiligen Geists. Denn
also sagt der Text: Als Petrus noch redet / fiel der heilig Geist auff alle die
dem Wort zuhöreten.
Derhalben sollen die Christliche Gewissen das wol mercken / daß dieses Gottes
Wort vnd Gebot ist / daß vns ohn Verdienst Sünde vergeben werden durch Christum
/ nicht vmb vnser Wercke willen. Vnd solch Gottes Wort vnd Gebot / ist ein
rechter / starcker / gewisser / vnuergenglicher Trost / wieder alles schrecken
der Sünde / des Tods / wieder alle Anfechtung vnd Verzweiffelung / Quaal vnd
Angst des Gewissens.
Da wissen die müssigen Sophisten wenig von / Vnd diese selige Predigt / das
Euangelium / welche Vergebung der Sündepredigt durch den gebenedeyeten Samen /
das ist / Christum / ist von anbegin der Welt aller Patriarchen / aller from̅er Königen / aller Propheten / aller Gleubigen gröster Schatz vnd
Trost gewest. Denn sie haben an denselbigen Christum gegleubet / da wir an
gleuben / Denn von Aufang der Welt ist kein Heilig anders / denn durch den
Glauben desselbigen Euangelij selig worden. Darumb sagt auch
|| [ID00480]
Petrus / Es sey eine eintrechtige Stimme aller Propheten / vnd die Aposteln
predigen auch eintrechtig gleich dasselbig / vnd zeiget an / daß die Propheten
gleich als durch einen Mund geredt haben.
Darüber sind die zeugniß der heiligen Väter. Denn Bernhardus sagt mit klaren Worten also / Darumb ist für allen dingen noth
zu wissen / daß wir Vergebung der Sünde nicht anders haben können / denn durch
Gottes gnade / Doch soltu dieses dazu setzen / daß du das gleubest / daß auch
dir / nicht allein andern / durch Christum Sünde vergeben werden. Das ist das
zeugniß des heiligen Geistes / inwendig in deinem Hertzen / wenn er dir selbst
sagt in deinem Hertzen / dir selbst sind deine Sünde vergeben. Denn also nennets
der Apostel / Daß der Mensch ohn verdienst gerecht wird durch den Glauben.
Diese wort S. Bernhards streichen erst diese vnser Lehre recht heraus / vnd
setzen sie recht an das Liecht / denn er sagt / daß wir nicht allein in gemein
gleuben sollen / daß vns Sünd vergeben werden / Sondern sagt / Dieses muß dazu
gesetzt werden / daß ich für mich gleube / daß mir Sünde vergeben seyn. Vnd
lehret darüber noch eigentlicher vnd klerer / wie wir inwendig im Hertzen der
gnad / der vergebung vnser Sünde gewis werden / Nemlich / Wenn die Hertzen
getröstet werden / vnd gestillet inwendig durch diesen Trost. Wie aber nu jhr
Wiedersacher? Ist S. Bernhard auch ein Ketzer? Was wolt jhr doch mehr haben?
Wolt jhr noch leugnen / daß wir vergebung der Sünde erlangen durch den Glauben?
Für das dritte sagen die Wiedersacher / Daß die Sünde also vergeben werde / quia attritus vel contritus elicit actum dilectionis
Dei, Wen̅ wir vns auß der vernunfft fürnemen Gott zu lieben /
durch das Werck (sagen sie) erlangen wir vergebung der Sünde / das ist nichts
anders / denn das Euangelium vnd die Göttlichen Verheissung abthun / vnd eytel
Gesetz lehren / denn sie reden von eytel Gesetz vnd vnsern Wercken / denn das
Gesetz foddert Liebe.
Darumb lehren sie vertrawen / daß wir vergebung der Sünden erlangen durch solche
rewe / vnd vnser lieben. Was ist das anders / denn vertrawen auff vnser wercke /
nicht auff die Zusage oder Verheissung von Christo? So nu das Gesetz gnug ist /
vergebung der Sünde zu erlangen / was ist Christi / was ist des Euangelij von
nöten? Wir aber weisen die Gewissen ab / von dem Gesetz / von jhren wercken auff
das Euangelium / vnd die Verheissung der gnade / Denn das Euangelium das beutet
Christum an / vnd eytel gnade / vnd heist vns auff die Zusage vertrawen / daß
wir vmb Christus
|| [227]
willen versünet werden dem Vater /
nicht vmb vnser Rewe oder Liebe willen / Denn es ist kein ander Mittler oder
Versüner denn Christus. So können wir das Gesetz nicht erfüllen / wenn wir nicht
erst durch Christum versünet seyn / Vnd ob wir schon etwas guts thun / so müssen
wir es doch dafür halten / daß wir nicht vmb der Werck willen / Sondern vmb
Christus willen Vergebung der Sünde erlangen.
Derhalben heist das Christum geschmecht / vnd das Euangelium abgethan / wenn
jemand wolt haben / daß wir Vergebung der Sünde durch das Gesetz / oder / auff
andere weise / denn durch den Glauben an Christum erlangen. Vnd dieses haben wir
auch oben gehandelt de Iustificatione, da wir gesagt
haben / Warumb wir lehren / daß wir durch den Glauben gerecht werden / vnd nicht
durch die Liebe Gottes / oder durch vnsere Liebe gegen Gott.
Derhalben / wenn die Wiedersacher lehren / daß wir durch Rewe vnd Liebe Vergebung
der Sünde erlangen / vnd darauff vertrawen / ist nichts anders / denn das Gesetz
lehren / welchs sie dennoch nicht verstehen / was es für ein Liebe gegen Gott
foddere / Sondern sehen / wie die Jüden / allein in das verdeckt Angesicht
Moisi. Denn ich wil gleich setzen / daß die Wercke vnd die Liebe da seyn /
dennoch können weder Wercke noch Liebe Gott versünen / oder / als viel / als
Christus gelten / Wie der Psalm sagt: Du wöllest nicht mit deinem Knecht in das
Gerichte gehen / etc. Darumb sollen wir die Ehre Christi nicht vnsern Wercken
geben.
Aus dieser vrsach streitet Paulus / daß wir nicht durch das Gesetz gerecht werden
/ vnd helt gegen das Gesetz die Zusage Gottes / die Verheissung der Gnaden /
welche vmb Christus willen / vns gegeben wird. Da rücket vns Paulus herumb / vnd
weiset vns vom Gesetz auff die Göttlichen Verheissung / da wil er / daß wir
sollen auff Gott vnd seine Zusage sehen / vnd den HErrn Christum für vnsern
Schatz halten / denn dieselbige Zusage wird vergeblich seyn / so wir durch des
Gesetzes Werck gerecht für Gott werden / so wir durch vnser Gerechtigkeit
Vergebung der Sünde verdienen.
Nun ist es gewiß / daß Gott darumb die Zusage thut / darumb Christus auch kommen
ist / daß wir das Gesetz nicht halten noch erfüllen können / darumb müssen wir
erst durch die Verheissung versünet werden / ehe wir das Gesetz erfüllen / Die
Verheissung aber kan man nicht fassen / denn allein durch den Glauben.
Darumb alle die jenigen / so rechte Rewe haben / ergreiffen Verheissung der
Gnaden durch den Glauben / vnd gleuben gewiß /
|| [ID00482]
daß wir dem
Vater versünet werden durch Christum / das ist auch die meinung Pauli / Rom. 4.
Darumb erlangen wir gnade durch den Glauben / daß die Verheissung fest stehe.
Vnd Galat. 3. Die Schrifft hat alles vnter die Sünde beschlossen / daß die
verheissung Jesu Christi / durch den Glauben werde gegeben den Gleubigen / das
ist / Alle Menschen sind vnter der Sünde / vnd können nicht erlöset werden / sie
ergreiffen denn Vergebung der Sünde durch den Glauben. Darumb müssen wir erst
vergebung der Sünde durch den Glauben erlangen / ehe wir das Gesetz erfüllen.
Wiewol / wie wir oben gesagt / auß dem Glauben die Liebe gewis folget / denn die
jenigen / so gleuben / empfahen den heiligen Geist. Darumb fahen sie an / dem
Gesetz hold zu werden / vnd demselbigen zu gehorchen.
Wir wolten hie mehr Sprüche einfüren / aber die Schrifft ist der allenthalben vol
/ Ich wolte es auch gern nicht zu lang machen / damit die sache desto klerer sey
/ den̅ es hat gar keinen zweiffel / daß dieses Pauli meinung sey /
daß wir vergebung der Sünde erlangen / vmb Christus willen / durch den Glauben /
daß wir auch den Mittler setzen müssen gegen Gottes zorn / nicht vnsere Werck.
Es sollen sich auch fromme / Christliche Gewissen daran nichts jrren / ob die
Wiedersacher die klaren Sprüche Pauli felschlich außlegen / vnd vnrecht deuten /
denn so einfeltig / so gewis vnd rein / so klar kan man nichts reden oder
schreiben / man kan jhm mit worten ein ander Nasen machen.
Wir sind aber des gewis / vnd wissens fürwar / daß die meinung die wir gesetzt /
die rechte meinung Pauli ist / So hat das auch gar keinen zweiffel / daß diese
Lehre allein ein recht gewisser Trost ist / die Hertzen vnd Gewissen in rechtem
Kampff vnd in agone des Tods / vnd anfechtungen zu
stillen / zu trösten / wie es die Erfahrung gibt.
Derhalben nur weit weit von vns / mit den Phariseischen Leren der Wiedersacher /
da sie sagen / Daß wir vergebung der Sünde nicht durch den Glauben erlangen /
sondern daß wir sie verdienen müssen mit vnsern Wercken / vnd mit vnser Liebe
gegen Gott / Item / daß wir mit vnsern Wercken vnd Liebe sollen Gottes Zorn
versünen / Denn es ist ein rechte Phariseische Lehre / ein Lehre deß Gesetzes /
nicht des Euangelij / da sie lehren / Daß der Mensch erst durch das Gesetz
gerecht werde / ehe er durch Christum Gott versünet werde / so doch Christus
sagt / Ohn mich köndt jhr nichts thun. Item / Ich bin der Weinstock / jhr seyd
die Reben.
Die Wiedersacher aber die reden dauon / Als seyn wir nicht
|| [228]
Christi Reben / sondern Mosi / Denn sie wöllen erst durchs Gesetz
/ from vnd gerecht für Gott werden / vnd erst vnsere Wercke vnd Dilection GOTT
opffern / ehe sie Reben am Weinstock Christi seyn. Paulus aber / welcher
freylich ein viel höher Doctor ist / denn die
Widersacher / redet klar / vnd streitet widerumb diß allein / daß niemands das
Gesetz thun könne ohn Christo. Darumb die jenigen / so die Sünd vnd Angst des
Gewissens recht fülen / oder erfahren haben / die müssen sich an die Zusage der
Gnaden halten / daß sie durch Glauben erst Gott versünet werden / vmb Christus
willen / ehe sie das Gesetz erfüllen. Dieses alles ist öffentlich vnd klar gnug
bey Gottfürchtigen Gewissen / vnd hieraus werden Christen wol verstehen / warumb
wir hieroben gesagt haben / daß wir allein durch den Glauben für Gott gerecht
werden / nicht durch vnsere Wercke oder Dilection / etc. Denn alle vnsere
vermügen / alle thun vnd werck sind zu schwach / Gottes Zorn wegzunehmen vnd zu
stillen / darumb müssen wir Christum den Mittler darstellen.
Endlich aber solten die Wiedersacher bedencken / Wenn wil doch ein arm Gewissen
zu Frieden kom̅en / vnd stille werden / so wir Gnade vnd Vergebung
der Sünde darumb erlangen / daß wir Gott lieb haben / oder daß wir daß Gesetz
erfüllen / Das Gesetz wird vns allezeit anklagen / Denn kein Mensch erfüllet das
Gesetz / wie Paulus sagt: Das Gesetz richtet Zorn an.
Es fraget Chrysostomus, so fragen auch die Sententiarij, Wie einer gewiß wird / daß jhm die Sünde
vergeben seyn. Es ist warlich wol fragens werth / Wol dem / der da rechte
Antwort gibt. Auff diese allernötigste Frage ist nicht müglich zu antworten. Es
ist auch nicht müglich / das Gewissen in Anfechtungen recht zu trösten oder zu
stillen / man antworte denn auff diese meynung.
Es ist Gottes Beschluß / Gottes Befehl von anbegin der Welt her / daß vns durch
den Glauben an den gebenedeyeten Samen / das ist / durch den Glauben vmb
Christus willen ohne Verdienst / sollen Sünde vergeben werden. So jemands aber
daran wancket oder zweiffelt / der lügenstraffet Gott in seiner Verheissung /
wie Johannes sagt. Da sagen wir nun / daß ein Christ solchs für gewiß / als
GOttes Befehl halten sol / Vnd heltet ers also / so ist er gewiß / vnd fület
Frieden vnd Trost.
Die Wiedersacher / wenn sie lang predigen vnd lehren / ausser dieser Lehre /
lassen sie die armen Gewissen im zweiffel stecken / da ist nicht müglich / daß
da solt ruhe seyn / ein still oder friedlich Gewissen / wenn sie zweiffeln / ob
Gott gnedig sey. Denn so sie zweiffeln / ob sie
|| [ID00484]
ein gnedigen
GOtt haben / ob sie recht thun / ob sie Vergebung der Sünde haben / wie können
sie denn in dem zweiffel Gott anruffen? Wie können sie gewiß seyn / daß GOtt jhr
Gebet achte vnd erhöre? Also ist alle jhr Leben ohn Glauben / vnd können Gott
nicht recht dienen / Das ists / das Paulus zun Römern sagt: Was nicht aus dem
Glauben ist / das ist Sünde. Vnd dieweil sie in dem zweiffel allzeit vnd ewig
stecken bleiben / so erfahren sie nimmer / was GOtt / was Christus / was Glaub
sey / Darüber gehets zu letzt also / daß sie in Verzweiffelung / ohn Gott / ohn
alle Gottes Erkentniß sterben.
Eine solche schedliche Lehre führen die Wiedersacher / Nemlich / ein solche Lehre
/ dadurch das gantz Euangelium wird weggethan / Christus vnterdrückt / die Leut
in Hertzleid vnd Quaal der Gewissen / endlich / wenn Anfechtungen kom̅en / in Verzweiffelung geführet.
Dieses wolle nu Keyserliche Majestat gnediglich betrachten / vnd wol auffsehen /
Es belanget nicht Gold oder Silber / sondern Seelen vnd Gewissen. Auch wollen
alle erbare / verstendige hie wol auffmercken / was diese sach sey oder nicht
sey / Hie mögen wir leiden / daß alle Erbare Leute vrtheilen / welchs theil für
die Christlichen Gewissen das nützlichste gelehret habe / wir oder die
Wiedersacher. Den̅ warlich sol man es dafür halten / daß vns mit
zanck vn̅ zwispalt nicht wol ist / Vnd wenn es nicht die grösten /
allerwichtigsten vrsachen hette / Nemlich / vnser aller Gewissen / Heyl / vnd
Seel belangend / warumb wir dieses müssen mit dem Wiedersacher so hefftig
streiten / so wolten wir wol schweigen. Aber nach dem sie dasheilig Euangelium /
alle klare Schrifft der Apostel / die Göttliche Warheit verdammen / so können
wir mit Gott vnd Gewissen diese selige Lehre / vnd Göttliche Warheit / daran wir
endlich / wenn dis arm zeitlich Leben auffhöret / vnd aller Creatur Hülff aus
ist / den einigen / ewigen / höchsten Trost warten / nicht verleugnen / Auch von
dieser Sache in keinen weg weichen / welche nicht vnser allein ist / sondern der
gantzen Christenheit / vnd belanget den höchsten Schatz Jesum Christum.
Wir haben nu angezeigt / aus was vrsachen wir die zwey Stücke der Bus gesetzt
haben / Nemlich / die Rewe vnd den Glauben / vnd das haben wir darumb auch
gethan / Denn man findet allerley Sprüche hin vnd wieder in Büchern der
Wiedersacher von der Bus / Welche sie aus Augustino vnd
den andern alten Vätern stückweis verstümmelt einführen / welche sie denn
allenthalben dahin gedeut vnd gestrecket haben / die Lehre vom Glauben gantz
vnterzudrücken / Als diesen Spruch haben sie gesetzt / Die Bus ist ein Schmertz
/ dadurch die Sünde gestrafft wird. Item / Die Bus ist /
|| [229]
daß ich beweine die vorige Sünde / vnd die beklagten Sünde nicht
wieder thue. In den Sprüchen wird deß Glaubens gar nicht gedacht / vnd auch in
jhren Schulen / da sie gleich solche Sprüche nach der lenge handeln / gedencken
sie deß Glaubens gar nicht.
Darumb / damit die Lehre vom Glauben desto bekanter würde / haben wir den Glauben
für ein stück der Bus gesetzt. Denn die Sprüche / die vnser Rewe vnd vnser gute
Werck lehren / vnd deß Glaubens gar nicht gedencken / die sind gar fehrlich /
wie die Erfarung gibt. Darumb wenn sie die grossen fahr der Seelen vnd Gewissen
bedacht hetten / solten die Sententiarij vnd Canonisten
/ vber jhr Decret billich weißlicher geschrieben haben. Den so die Väter von dem
andern theil der Bus auch reden / nicht allein von einem theil / sondern von
beyden / von der Rew vnd vom Glauben / so solten sie beydes beyeinander gesetzt
haben.
Denn Tertullianus auch / redet gar tröstlich vom Glauben
/ vnd sonderlich preiset er den Göttlichen Eyd / dauon der Prophet redet. Als
war ich lebe / sagt der HErr / wil ich nicht den Tod des Sünders / sondern daß
er sich bekehre vnd lebe. Dieweil Gott schweret (saget er) Er wolle nicht den
Tod deß Sünders / So erfoddert Er gewiß den Glauben / daß wir seinem Eyd / vnd
Schweren gleuben sollen / daß Er vns Sünde vergeben wolle. Gottes zusage sollen
ohn das / bey vns auffs höchst angesehen / vnd geachtet seyn. Nu ist die Zusage
mit einem Eyd bestetiget. Darumb so jemands helt / daß jhm Sünde nicht vergeben
werden / der lügenstrafft Gott / welchs die gröste Gotteslesterung ist. Denn
also sagt Tertullianus, Inuitat praemio salutem, iurans etiam
&c. Das ist / Gott locket vns zu vnserm eigen Heyl / mit seinem
eigen Eyde / daß man jhm gleube. O wol denen / vmb deren willen Gott schweret /
O wehe vns elenden Leuten / wenn wir auch dem Göttlichen Eyd nicht gleuben.
Vnd hie müssen wir wissen / daß der Glaub gewis dafür halten sol / daß vns Gott
auß gnaden Sünde vergibt / vmb Christus willen / nicht vmb vnser Werck willen /
vmb Beicht oder gnugthun willen. Denn alsbald wir vns auff Wercke gründen /
werden wir vngewis. Denn ein erschrocken Gewissen merckt bald / daß sein beste
Werck nichts werth seyn gegen Gott. Darumb sagt Ambrosius ein fein wort von der Bus / Wir müssen Bus thun / vnd auch
gleuben / daß vns gnade wiederfahre / doch also / daß wir der gnade hoffen auß
dem Glauben / denn der Glaube wartet vnd erlanget / wie aus einer Handschrifft /
gnade. Item / der Glaub ist eben das / dadurch die Sünde bedeckt werden.
|| [ID00486]
Darumb sind klare Sprüche in den Büchern der Väter / nicht allein von Wercken /
sondern auch vom Glauben. Aber die Wiedersacher / so sie nicht verstehen die
rechten arth der Bus / verstehen auch der Väter Sprüche nicht / klauben sie
heraus etliche verstümmelt von einem theil der Bus / Nemlich / von der Rewe vnd
von den Wercken / vnd was vom Glauben geredt ist / da lauffen sie vberhin.
Von der Beicht vnd Gnugthuung.
GOttfürchtige / Erbare / fromme Christliche Leute können hie wol mercken / daß
viel daran gelegen ist / daß man de Poenitentia, von der
Rew / vnd dem Glauben ein rechte gewisse Lehre in der Kirchen habe vnd erhalte.
Denn der grosse betrug vom Ablaß / etc. Item / die vngeschickte Lehre der
Sophisten / hat vns gnug gewitziget / was grossen Vnraths vnd Fehrligkeit daraus
entstehet / wenn man hie fehl schlegt. Wie hat manch from Gewissen vnterm
Bapsthumb / hie / so mit grosser Arbeit den rechten Weg gesucht / vnd vnter
solchem Finsterniß nicht funden.
Darumb haben wir allzeit grossen fleis gehabt / von diesem stück klar / gewiß /
richtig zu lehren / Von der Beicht vnd Gnugthuung haben wir nicht sonders
gezanckt / denn die Beicht behalten wir auch / vmb der Absolution willen /
welche ist GOttes Wort / dadurch vns die Gewalt der Schlüssel los spricht von
Sünden. Darumb were es wieder GOTT / die Absolution aus der Kirchen also abthun
/ etc.
Die jenigen / so die Absolution verachten / die wissen nicht was Vergebung der
Sünde ist / oder / was die Gewalt der Schlüssel ist. Von dem erzehlen aber der
Sünden / haben wir oben in vnserm Bekentniß gesagt / daß wir halten / es sey von
GOTT nicht geboten / Denn daß sie sagen / Ein jeglicher Richter muß erst die
Sachen vnd Gebrechen hören / ehe er das Vrtheil spreche / Also müssen erst die
|| [230]
Sünde erzehlt werden / etc. Das thut nichts zur
sache / denn die Absolution ist schlecht der Befehl los zu sprechen / vnd ist
nicht ein new gericht Sünde zu erforschen. Denn Gott ist der Richter / der hat
den Aposteln nicht das Richterampt / sondern die Gnaden executio befohlen / die jenigen los zu sprechen / so es begehren / vnd
sie entbinden auch / vnd absoluirn von Sünden / die vns nicht einfallen. Darumb
ist die Abfolutio ein stimme deß Euangelij / dadurch wir
Trost empfangen / vnd ist nicht ein vrtheil oder Gesetz.
Vnd es ist nerrisch vnd Kindisch gnug bey Verstendigen / den Spruch Salomonis /
da er am 27. sagt / Diligenter cognosce vultum pecoris
tui, das ist / Habe acht auff deine Schaff / etc. an dem ort von der Beicht
oder Absolution einfüren. Denn Salomon redet da gar nichts von der Beicht /
sondern gibt ein Gebot den Haußuätern / sie sollen mit den jhren zu frieden seyn
/ vnd sich frembds guts enthalten / vnd befihlet mit dem Wort / Ein jeder solle
seines Vihes vnd Güter fleissig warnehmen / doch sol er aus Geitz Gottes furcht
/ Gottes Gebot vnd Wort nicht vergessen.
Aber die Wiedersacher machen auß der Schrifft schwartz vnd weiß / wenn / vnd wie
sie wollen / wieder alle Natürliche art der klaren Wort. An dem ort / cognosce vultum pecoris &c. da muß cognoscere Beicht hören heissen. Vihe oder Schafe muß da
Menschen heissen / Stabulum achten wir heist auch ein
Schul / da solche Doctores vnd Oratores inne seyn. Aber jnen geschihet recht / die also die heilige
Schrifft / alle gute Künste verachten / daß sie so grob in der Grammatica fehlen. Wenn jemands an dem ort je lust hette
/ ein Haußuater / dauon Salomon redet / mit einem Seelhierten zuuergleichen / so
müst vultus, da nicht arcana
conscientiae, sondern den eusserlichen Wandel bedeuten.
Aber ich las das fahren / es wird an etlichen örten in Psalmen gedacht / deß
worts / Confeßio, als im 32. Psalm. Ich wil dem HErren
meine vbertrettung bekennen wieder mich. Dasselbige Beichten vnd bekennen / das
Gott geschiehet / ist die Rewe selbs. Denn wenn wir Gott beichten / so müssen
wir im Hertzen vns für Sünder erkennen / nicht allein mit dem Munde / wie die
Heuchler die Wort allein nachreden. So ist dieselbige Beicht / die Gott
geschihet / ein solche Rewe im Hertzen / da ich Gottes ernst vnd zorn fühle /
Gott recht gebe / daß Er billich zürnet / daß Er auch mit vnserm Verdienst nicht
könne versünet werden / Vnd da wir doch Barmhertzigkeit suchen / nach dem Gott
hat Gnade in Christo zugesagt. Also ist das ein Beicht im 50. Psalm / An dir
allein hab ich gesündiget / daß du recht
|| [ID00488]
erfunden werdest /
wenn du gerichtet wirst / das ist / Ich bekenne mich ein Sünder / vnd daß ich
verdienet habe ewigen Zorn / vnd kan mit meinen Wercken / noch mit meinem
verdienst deinen zorn nicht stillen / Darumb sage ich / daß du gerecht bist /
vnd billich vns straffest. Ich gebe dir recht / ob wol die Heuchler dich richten
/ du seyest vnrecht / daß du jhren Verdienst vnd gute Werck nicht ansiehest. Ja
/ ich weis daß mein werck für deinem Vrteil nicht bestehen / sondern also werden
wir gerecht / so du vns für gerecht schetzest / durch deine Barmhertzigkeit.
Es möchte etwan auch einer den Spruch Jacobi anziehen / Bekennet einander ewer
Sünde. Er redet aber da nicht von der Beicht / die dem Priester geschiehet /
etc. Sondern redet von einem versünen / vnd bekennen / wenn ich sonst mich mit
meinem Nehesten versüne.
Es müssen auch die Wiedersacher / gar viel jhr eigen Lehrer verdammen / So sie
wollen sagen / daß erzehlung der Sünde müsse geschehen vnd von GOtt geboten sey.
Denn wiewol wir die Beicht auch behalten vnd sagen / Es sey nicht vnnütz / daß
man Jugend vnd vnerfahrne Leute auch fraget / damit sie desto besser mügen
vnterrichtet werden / doch ist das alles also zu messigen / damit die Gewissen
nicht gefangen werden / welche nim̅er können zu frieden seyn / so
lange sie in dem Wahn seyn / Daß man für Gott schüldig sey / die Sünde zu
erzehlen.
Derhalben ist das wort der Wiedersacher / da sie sagen / daß zur Seligkeit noth
sey ein gantz reine Beicht / da kein Sünde verschwiegen / etc. gantz falsch.
Denn solche Beicht ist vnmüglich. O HErr Gott / wie jemmerlich haben sie manch
from Gewissen geplaget vnd gequelet damit / daß sie gelehret / die Beicht müsse
gantz rein / kein Sünde vngebeicht bleiben. Denn wie kan ein Mensch jmmer gewiß
werden / wenn er gantz rein gebeicht habe?
Die Väter gedencken auch der Beicht / aber sie reden nicht von erzehlung der
heimlichen Sünd / sondern von einer Ceremonien einer öffentlichen Bus. Denn vor
zeiten hat man die jenige / so in öffentlichen Lastern gewesen / nicht wieder
angenommen in der Kirchen ohn ein öffentliche Ceremonien vnd Straff / derhalben
so musten sie den Priestern jhr Sünd namhafftig beichten / daß nach der grösse
der Vbertrettung die Satisfactiones könten auffgelegt
werden. Das gantz ding aber ist nichts gleich gewesen / dem Sünde erzehlen /
dauon wir reden. Denn dieselb Beicht vnd Bekentniß geschach nicht darumb / daß
ohn dieselbige Beicht Vergebung der Sünde für Gott nicht geschehen kan / Sondern
daß man jhnen kein eusserliche Straff könt aufflegen / man wüste denn die Sünde.
|| [231]
Vnd von den eusserlichen Ceremonien / der öffentlichen Bus / ist auch das wort
Satisfactio, oder gnugthuung / herkom̅en / denn die Väter wolten die jenigen / so in öffentlichen Lastern erfunden /
nicht wider annehmen ohn ein Straff / Vnd dieses hatte viel vrsachen / den̅ es dienet zu einem Exempel / daß öffentliche Laster gestrafft
würden / wie auch die Glosse im Decret sagt / So war es auch vngeschickt / daß
man die jenigen / so in offene Laster gefallen waren / solt bald vnuersucht zu
dem Sacrament zulassen. Dieselbigen Ceremonien alle / sind nu verlangest
abgekom̅en / vnd ist nicht noth / daß man sie wieder
auffrichte / denn sie thun gar nichts zu der Versünung für GOTT. Auch ist das
der Väter Meynung in keinem weg gewest / daß die Menschen dadurch solten
Vergebung der Sünde erlangen / wiewol solche eusserliche Ceremonien leichtlich
die Vnerfahrnen dahin bringen / daß sie meynen sie helffen etwas zur Seligkeit.
Wer nun das lehret oder helt / der lehret vnd helt gantz Jüdisch vnd Heydnisch /
den̅ die Heyden haben auch gehabt etlich Reinigung / da sie
haben wollen wehnen / sie würden dadurch gegen Gott versünet.
Nun aber / so dieselbige weise der öffentlichen Bus abkommen ist / ist blieben
der Name Satisfactio, vnd ist noch blieben der Schatten
des alten Brauchs / daß sie in der Beicht Gnugthuung aufflegen / vnd nennens opera non debita, wir nennens Satisfactiones Canonicas. Dauon lehren wir wie von erzelung der Sünden
/ Nemlich / daß dieselbigen öffentlichen Ceremonien / von Gott nicht geboten
sind / auch nicht noth sind / vnd nicht helffen zu Vergebung der Sünde. Denn
diese Lehre muß für allen dingen erhalten werden vnd stehen bleiben / daß wir
durch den Glauben / Vergebung der Sünde erlangen / nicht durch vnsere Wercke /
die für oder nach geschehen / Wenn wir bekehret oder new geborn seyn in Christo.
Vnd wir haben fürnemlich aus dieser vrsach von den Satisfactionibus geredt / damit niemands die Gnugthuung also verstünde
/ daß dadurch die Lehre vom Glauben würde vntergedruckt / als könten wir durch
vnsere Wercke / Vergebung der Sünde verdienen. Denn der fehrliche Irrthumb von
Satisfactionibus, ist also eingerissen / vnd
bestetiget durch etlich vngeschickte Lehre / so die Wiedersacher schreiben / die
Gnugthuung sey ein solch werck / dadurch der Göttlich Zorn vnd Vngnad versünet
werde.
Jedoch bekennen die Wiedersacher selbs / daß die Satisfactiones nicht los machen die Schuld für Gott / Sondern sie
ertichten / daß sie allein quit vnd los machen die Peen oder Straff / Denn so
lehren sie / daß / wenn die Sünde vergeben wird / so wird die Schuld oder
|| [ID]
Culpa ohne Mittel / allein durch GOtt vergeben / vnd
doch dieweil Er ein gerechter Gott ist / lest er die Sünde nicht ohne Straff /
vnd verwandelt die ewige Straff in ein zeitliche Straffe. Darüber lehren sie /
daß ein theil der zeitlichen Straffe erlassen werde / durch die Gewalt der
Schlüssel / Ein theil aber sol durch die Satisfactiones
oder Gnugthuung bezahlt werden / vnd man kan nicht verstehen / welchs theil der
straff oder Pein erlassen werde durch die gewalt der Schlüssel / sie wolten
den̅ sagen / daß ein theil der Pein des Fegfewers erlassen
werde / daraus folgen wolt / daß die Satisfactiones
allein dieneten zu erlösen die Pein des Fegfewers. Vnd weiter sagen sie / Die
Satisfactiones tügen für GOtt / wenn sie gleich von
den jenigen geschehen / die in Todsünde gefallen seyn / gleich als las sich Gott
von den versünen / die in Todsünden ligen / vnd seine Feind sind.
Dieses alles sind eytel ertrewmete / ertichte Lehre vnd Worte / ohne allen Grund
der Schriffte / vnd wieder alle Schrifft der alten Väter. Auch redet Longobardus selbs nicht auff die weis / von den Satisfactionibus. Die Scholastici haben wol von hör sagen gehabt / daß etwan Satisfactiones in der Kirchen gewesen weren / vnd haben nicht bedacht
/ daß es ein eusserlich Ceremonien gewest / da die publicè
poenitentes, oder die Büsser / sich gegen der Kirchen erzeigen musten /
mit einer Ceremonien / welche dazu war eingesetzt. Erstlich zu einem schrecken
vnd Exempel / daran sich andere möchten stossen. Zum andern / zu einer Probe /
ob dieselben Sünder oder Büsser / so wieder Gnade begehrten / auch Hertzlich
sich bekehret hetten. In Summa / sie haben nicht gesehen / daß solche Satisfactio ein eusserliche Zucht / Straff vnd Disciplina ist gewest / vnd ein solch ding / wie ein
ander Weltlich Zucht / zu einer schew oder Furcht auffgericht. Darumb haben sie
gelehret / daß sie nicht allein zu einer zucht / sondern auch GOtt zu versünen /
dieneten vnd noth weren zur Seligkeit. Wie sie aber in vielen andern stücken das
Reich Christi / welchs Geistlich ist / vnd der Welt Reich vnd eusserlich zucht
in einander gekocht haben / Also haben sie auch gethan mit den Satisfactionibus. Aber die Glossen in
Canonibus, zeigen an etlichen vielen örten an / daß dieselben Satisfactiones allein zu einem Exempel für der Kirchen
dienen sollen.
Hie lasst vns aber sehen / wie die Wiedersacher solche jhre Trewme gründen vnd
beweisen in der Confutation / welche sie Keyserlicher Majestet zu letzt
auffgehengt. Sie ziehen viel Sprüch der Schrifft an / daß sie den Vnerfahrnen
ein schein machen / als sey jhr Lehre von Satisfactionibus, in der Schrifft gegründet / welchs doch noch zu Longobardus zeiten vnbekant war. Sie bringen diese
Sprüch herfür /
|| [232]
Thut Bus / bringet früchte der Bus.
Item / begebet ewer Gliedmas zu dienen der Gerechtigkeit. Item / Christus hat
gesagt / Thut Bus. Item / Christus befihlet den Aposteln / Bus zu predigen. Item
/ Petrus prediget Bus in den Geschichten der Apostel am 2. Darnach zeigen sie an
etliche Sprüche der Väter / vnd die Canones, vnd
beschliessen / Es sollen die Gnugthuung in der Kirchen / wieder das Euangelium /
wieder der Väter vnd Concilien Decret / wieder beschluß der heiligen Kirchen /
nicht abgethan werden / sondern die jenigen / so Absolution erlangen / sollen jr
Bus vnd Satisfaction / Gnugthuung / so jhnen vom Priester auffgelegt /
volbringen / etc.
Gott wolle schenden vnd straffen solche verzweiffelte Sophisten / die so
verrheterlich vnd böslich das heilige Euangelium auff jhre Trewme deuten.
Welchem from̅en / erbarn Man solt nicht solch gros öffentlich
Mißbrauch Göttliches Worts im Hertzen wehe thun? Christus spricht / Thut Bus.
Die Apostel predigen auch / Thut Bus. Darumb ist durch die Sprüche beweiset /
daß Gott Sünde nicht vergebe / on vmb die ertichten Satisfaction willen? Wer hat
die groben / vnuerschempten Esel solche Dialectiken gelehret? Es ist aber nicht
Dialectica noch Sophistica,
sondern es sind Bubenstück / mit Gottes Wort also zu spielen / vnd so
verdrießlichen muthwillen treiben. Darumb ziehen sie den Spruch als tunckel vnd
verdeckt an auß dem Euangelio / Thut Bus / etc. Daß / wenn die Vnerfahrnen hören
/ daß diß Wort auß dem Euangelio wird wieder vns angezogen / dencken sollen /
Wir seyn solche Leute / die gar nichts von der Bus halten. Mit solchen Böswicht
stücken gehen sie mit vns vmb / wiewol sie wissen / daß wir recht von der
Buslehren / so wollen sie doch die Leut abschrecken / vnd gern viel Leut wieder
vns verbittern / daß die Vnerfahrnen schreyen sollen / Creutzige / Creutzige
solche schedliche Ketzer / welche von der Bus nichts halten / vnd werden also
öffentlich / als die Lügner / hie vberwunden.
Aber wir trösten vns des / vnd wissens fürwar / daß bey Gottfürchtigen / ja bey
erbarn / frommen / redlichen Leuten solche vnuerschampte Lügen / vnd felscherey
der heiligen Schrifft / doch nichts schaffen. So wird auch Gott der HERR / als
war Er ein lebendiger Gott ist / solche vnuerschampte Gotteslesterung / vnd
vngehörte Bösheit nicht lange leyden / sie werden sich gewis am ersten vnd
andern Gebot Gottes verbrennen.
Vnd nach dem wir in vnser Confession fast alle höchste Artickel der gantzen
Christlichen Lehre begriffen haben / also / daß vber diese Sache kein grösser
hochwichtigere Sache kan vnter der Sonnen
|| [ID00492]
seyn / solt man zu
diesen hohen / allerwichtigsten Hendeln / die gantze heilige Christliche
Religion / Wolfarth vnd Einigkeit der gantzen Christlichen Kirchen / vnd in
aller Welt so viel vnzehlich Seelen vnd Gewissen jetzund dieser zeit / vnd bey
vnsern Nachkom̅en belangende / billich mit allem trewen / höchsten
fleis / Leute gesucht vnd außerlesen haben / die Gottfürchtiger / verstendiger /
erfahrner / tüglicher vnd redlicher weren / auch mehr trewes / gutes Hertzen vnd
Sinnes zu gemeinem Nutz / zu Einigkeit der Kirchen / zu Wolfarth des Reichs /
trügen vnd erzeigten / denn die losen leichtfertigen Sophisten / so die
Confutation geschrieben haben.
Vnd jhr Er Cardinal Campegi, als der Verstendige / dem
diese Sache zu Rom vertrawet / des Weißheit man rhümen wil / wenn jhr auch
nichts / den̅ des Bapsts vnd Stuels zu Rom Ehr wolt achten oder
ansehen / hettet hie besser sollen haußhalten / vnd dieses mit höchstem fleis
vorkommen / daß in solcher so gar grosser / trefflichen Sachen / durch die oder
dergleichen Sophisten / nicht ein solch vngeschickt Confutatio were geschrieben. Welche beyde zu dieser zeit vnd künfftig
bey den Nachkom̅en / euch nicht anders denn zu eytelm spott / zu
verkleinerung ewers Gerüchts vnd Nahmens / zu ewigen / vnuerwindlichen schimpff
vnd schaden gereichen wird.
Ihr Romanisten sehet / daß diese die letzten zeiten seynd vor dem Jüngsten Tag /
von welchen Christus warnet / Daß viel Fehrligkeit sollen fürfallen in der
Kirchen. Ihr nun / die jhr wollet Wechter / die Hirten vnd Heupter der Kirchen
genennet seyn / solt in dieser zeit mit sonderm / trewen / höchsten fleis
auffsehen haben. Es seyn viel Zeichen für Augen schon / daß / wo jhr euch nicht
gantz wol in die zeit vnd sachen schicket vnd richtet / daß es mit dem gantzen
Römischen Stuel vnd Wesen ein gros starcke Verenderung gewinnen wil / Vnd dürfft
euch in Sinn nicht nehmen / ja dürfft nicht gedencken / daß jhr die Gemeinden
vnd Kirchen allein mit dem Schwert vnd Gewalt / wolt bey euch vnd dem Römischen
Stuel erhalten. Den̅ gute Gewissen schreien nach der Warheit / vnd
rechtem vnterricht aus Gottes Wort / vnd denselbigen ist der Tod nicht so bitter
/ als bitter jhnen ist / wo sie etwa in einem stücke zweiffeln / darumb müssen
sie suchen / wo sie vnterricht finden. Wolt jhr die Kirch bey euch erhalten / so
müsst jhr darnach trachten / daß jhr recht lehren vnd predigen lasset / damit
künd jhr ein guten Willen vnd bestendigen Gehorsam anrichten.
Wir wollen hie wieder zur Sache kom̅en / Die Sprüch aus der
Schrifft / so angezogen von Wiedersachern / reden nicht von der Gnugthuung vnd
Satisfaction / dauon die Wiedersacher streiten /
|| [233]
Darumb ist es lauter felscherey der Schrifft / daß sie Gottes Wort auff jhre
meynung deuten / vnd sagen / Wo rechte Bus / Vernewerung des heiligen Geistes
ist im Hertzen / da folgen gewiß gute Früchte / gute Wercke. Vnd ist nicht
müglich / daß ein Mensch solt sich zu Gott bekehren / rechte Bus thun /
Hertzliche Rew haben / vnd solten nicht folgen gute Wercke / gute Früchte. Denn
ein Hertz vnd Gewissen / das recht sein Jam̅er vnd Sünde gefület
hat / recht erschreckt ist / das wird nicht viel Wollüste der Welt achten oder
suchen. Vnd wo der Glaub ist / da ist er Gott danckbar / achtet vnd liebet
Hertzlich seine Gebot. Auch ist inwendig im Hertzen gewißlich kein rechte Bus /
wenn wir nicht eusserliche gute Werck / Christliche Gedult erzeigen. Vnd also
meynets auch Johannes der Teuffer / da er sagt: Erzeiget rechte Früchte der Bus.
Item Paulus / da er saget zun Römern 6. Begebet ewre Glieder zu Waffen der
Gerechtigkeit / etc. Vnd Christus / da er spricht / Thut Bus / redet warlich von
der gantzen Bus / vnd von dem gantzen newen Leben vnd seinen Früchten. Er redet
nicht von den Heuchlischen Satisfaction / dauon die Scholastici trewmen / vnd dürffen sagen / daß sie denn auch gelten für
Gott / für die Straff / wenn sie in Todsünden geschehen. Das solt freylich ein
köstlicher Gottesdienst seyn.
Auch so sind sonst viel Argument vnd Gründe / daß die obangezeigten Sprüche der
Schrifft sich nichts reimen auff die Gnugthuung / dauon die Scholastici reden. Sie ertichten vnd sagen / Die Satisfactiones seyn Wercke / die wir nicht schüldig seyn. Die heilige
Schrifft aber in den Sprüchen / so eingeführet / foddert solche Wercke / die wir
schüldig seyn. Denn dieses Wort Christi / da Er sagt / Thut Bus / ist ein Wort
des Göttlichen Gebots.
Item / die Wiedersacher schreiben / Daß die jenigen / so da beichten / ob sie
schon die auffgelegten Satisfactiones nicht wollen
annehmen / daß sie doch darumb nicht sündigen / Sondern werden im Fegfewer
müssen Straff tragen / vnd gnugthun. Nu hats je kein zweiffel / daß diese
Sprüche (Thut Bus / etc. Item Pauli / Gebet ewer Gliedmas zu dienen der
Gerechtigkeit) vnd dergleichen Sprüch seyn Christi vnd der Apostel / die das
Fegfewer gar nichts / sondern allein dieses Leben angehen.
Derhalben können sie nicht gestreckt werden / zu den auffgelegten Satisfactionibus, die ich mag annehmen / oder nicht
annehmen / Denn Gottes Gebot seyn vns nicht also frey heimgestellet / etc.
Zum dritten / so lehret des Bapsts Recht vnd Canon, daß
durch den Ablaß / solche Satisfactiones werden erlassen
/ Cap. Cum ex eo.
|| [ID00494]
de Panitentijs. Aber der Ablas macht niemands los von
diesen Geboten / Thut Bus / erzeiget rechte Früchte der Bus / etc.
Darumb ist es helle am Tage / daß man gantz vngeschickt die Sprüche der Schrifft
einführet von den Satisfactionibus. Denn so die Pennen
des Fegfewers sind Satisfactiones oder Satispaßiones, oder so die Satisfactiones sind Quittirung der Pein des Fegfewers / so müssen die
obangezeigte Sprüche Christi vnd Pauli / auch beweisen vnd probieren / daß die
Seelen ins Fegfewer fahren / vnd daselbst Pein leiden. So nun das von noth
folget aus der Wiedersacher Opinion / so müssen die Sprüche alle newe Röcke
anziehen / vnd also außgelegt werden / Facite fructus,
&c. Erzeigt rechte Früchte der Bus / das ist / leidet im
Fegfewer nach diesem Leben. Aber es ist verdrießlich so von öffentlichem
Irrthumb der Wiedersacher mehr Wort zu machen. Denn man weis fürwar / daß die
Schrifft an den örten redet von Wercken / die wir schüldig seyn / vnd von dem
gantzen newen Leben eins Christen / etc. Nicht von den ertichten Wercken / die
wir nicht schüldig seyn / dauon die Wiedersacher reden / vnd doch mit diesen
Lügen vertheidingen sie die Möncherey / das keuffen oder verkeuffen der Messen /
vnd vnzehliche andere Tradition / Nemlich / daß es Wercke seyn gnug zu thun für
die Peen vnd Straffe / ob sie gleich für die Schuld gegen Gott nicht gnugthun.
So nu die Sprüche aus der Schrifft angezogen / gar nicht melden / daß durch die
Werck / so wir nicht schüldig / die ewige Pein oder Fegfewer bezahlt werden / so
sagen die Widersacher ohn allen grund / daß durch solche Satisfactiones die Peinen des Fegfewers abgelöset werden.
So haben auch die Schlüssel nicht Befehl / Pein auffzulegen / Oder / die Pein zum
theil halb oder gantz zu quittiren. Man lieset solche Trewme vnd Lügen nirgend
in der Schrifft / Christus redet von Vergebung der Sünde / da Er sagt: Was jhr
aufflöset / etc. Wenn die Sünde vergeben ist / so ist auch der Tod weggenom̅en / vnd das ewig Leben geben. Auch so redet der Text / Was jhr
aufflöset / etc. nicht von Straff aufflegen / sondern daß auff den jenigen die
Sünde bleiben / die sich nicht bekehren.
Wiewol nu wir halten / daß nach der rechten Bus gute Früchte vnd Wercke folgen
sollen / Gott zu Lobe vnd danck / Vnd von denselbigen guten Wercken vnd Früchten
haben wir GOttes Gebot / als von Fasten / Beten / Allmosen / etc. So findet man
doch nirgend in der Schrifft / daß GOttes Zorn oder die ewige Peine solten mögen
abgelöset werden durch die Pein des Fegfewers / oder durch
Satisfa
|| [234]
ctiones
oder Gnugthun / das ist / durch etliche Wercke / die wir ohne das nicht
schüldig weren / Oder / daß die Gewalt der Schlüssel Befehl haben / Pein
auffzulegen / oder ein theil der Pein zu erlassen. Dasselbige solten nun die
Wiedersacher aus der Schrifft beweisen / das werden sie wol lassen.
Darüber so ist es gewiß / daß Christus Tod ein Gnugthuung ist / nicht allein für
die Schuld gegen Gott / sondern auch für den ewigen Tod / wie klar der Spruch
Oseae lautet: Tod / Ich wil dein Tod seyn. Was ist es denn für ein Grewel zu
sagen / daß Christi Tod gnugthue / für die Schuld gegen Gott / Aber die Pein /
so wir leiden / die erlöse vns vom ewigen Tode? Also daß dis Wort des Propheten
/ Tod / ich wil dein Tod seyn / nicht von Christo / sondern von vnsern Wercken /
vnd dazu von elenden Menschlichen Satzungen / die Gott nicht geboten hat /
sollen verstanden werden. Vnd noch darüber dürffen sie sagen / daß dieselbigen
Wercke für den ewigen Tod gnugthun / wenn sie gleich in Todsünden geschehen.
Es muß billich eim from̅en Hertzen wehe thun / die gantz
vngeschickte Rede der Wiedersacher. Denn wer es lieset vnd bedencket / dem
müssen je Hertzlich wehe thun / solche öffentliche Teuffels Lehre / die der
leidige Satan in die Welt gestrewet hat / die rechte Lehre des Euangelij
vnterzudrücken / damit niemands oder wenig möchten vnterrichtet werden / was das
Gesetz oder Euangelium / was Bus oder Glaube / oder was die Wolthat Christi
seyn.
Denn vom Gesetz sagen sie also: GOtt hat vnser Schwacheit angesehen / vnd hat dem
Menschen ein Ziel vnd Maß gesetzt der Wercke / welche er zu thun schüldig ist /
das sind die Wercke der Zehen Gebot / etc. daß er von den vbrigen / von den operibus supererogationis, das ist / von den Wercken /
die er nicht schüldig ist / möcht gnugthun für seine Fehl vnd Sünde.
Da ertichten sie jhnen selbs einen Trawm / als vermöge oder könne ein Mensch also
GOttes Gesetz erfüllen / daß er etwas mehr vnd vbrigs thue / denn das Gesetz
erfoddert / so doch die gantze heilige Schrifft zeuget / alle Propheten auch
zeugen / daß Gottes Gesetz viel höhers foddere / denn wir jmmer zu thun
vermögen. Aber sie wollen wehnen / das Gesetz Gottes / vnd Gott sey zu frieden
mit eusserlichen Wercken / vnd sehen nicht / wie das Gesetz foddert / daß wir
Gott lieben sollen von gantzem Hertzen / etc. vnd aller böser Lüste los seyn.
Darumb ist kein Mensch auff Erden / der so viel thut / als das Gesetz erfoddert.
Darumb ists bey Verstendigen gantz närrisch vnd Kindisch an
|| [ID00496]
zusehen / daß sie ertichten / Wir können noch etwas mehr thun / denn
das Göttlich Gesetz erfoddert. Denn wiewol wir die arme eusserliche Wercke thun
können / die nicht Gott / sondern Menschen geboten haben / welche Paulus
Bettelische Satzung nennet / so ist doch das ein närrisch / vergeblich vertrawen
/ daß ich vertrawen wolt / ich hette damit Gottes Gesetz erfüllet / ja mehr
gethan / denn Gott erfoddert.
Item / rechte Gebete / vnd rechte Allmosen / rechte Fasten / die sind von GOtt
geboten / vnd im Fall / da sie von Gott geboten seyn / da kan man sie ohn Sünde
nicht nachlassen / dagegen diese Werck so fern sie nicht geboten seyn in GOttes
Gesetze / Sondern haben ein Form nach Menschlicher Wahl / so sind sie nichts /
denn Menschen Satzunge / von welchen Christus sagt: Sie dienen Mir vergeblich
mit Menschen Geboten / Wie denn seyn etliche gewisse Fasten / nicht dazu
erfunden / das Fleisch zu nehmen / sondern damit Gott zu ehren / Vnd wie Scotus sagt / Des ewigen Todes los zu werden. Item / wie
denn sind etliche Gebet / etliche gewisse Allmosen / welche sollen ein
Gottesdienst seyn / welcher ex opere operato, GOtt
versüne / vnd von ewigem Verdamniß erlöse. Denn sie sagen vnd lehren / daß
solche Werck ex opere operato, das ist / durchs gethane
Werck / für die Sünde gnugthun / vnd lehren / daß solche Satisfactio gelte / ob gleich einer in Todsünden liget.
Darüber sind noch Werck / die noch weniger Göttlichen Befehl oder Gebot haben /
als da sind Rosenkrentze / Wallfarten / welche denn mancherley sind. Denn
etliche gehen in vollem Harnisch zu S. Jacob / etliche mit blossen Füssen / vnd
dergleichen. Das nennet Christus vergeblich vnnütz Gottesdienst / darumb sind
sie nicht nütz Gott zu versünen / wie doch die Wiedersacher sagen / Vnd
dieselbigen Wercke / als Wallfart / rhümen sie doch / vnd achtens für grosse
köstliche Werck / nennen es opera supererogationis, Vnd
das schendlicher ist / das noch Gotteslesterischer ist / man gibt jhnen die Ehre
/ die Christi Tod vnd Blut alleine gebüret / daß sie sollen das Precium, das ist / der Schatz seyn / damit wir von dem
ewigen Tode erlöset seyn. Pfui des leidigen Teuffels / der Christus heiligen vnd
thewren Tod so schmehen vnd lestern darff.
Also werden dieselben Wallfarten fürgezogen / den rechten Wercken / so in den
Zehen Geboten seyn außgedrückt / Vnd wird also zweyerley weis Gottes Gesetz
vertunckelt / Erstlich / daß sie wehnen / sie haben dem Gesetz gnug gethan / so
sie die eusserlichen Werck gethan haben / Zum andern / daß sie die elenden
Menschensatzung höher achten / denn die Wercke / so Gott geboten hat.
|| [235]
Darüber wird auch vntergedrucket / die Lehre von der Bus vnd Gnade / denn der
ewige Tod / vnd die engste der Hellen / lassen sich nicht also quittiren / wie
sie wehnen wollen. Man muß gar viel ein andern vnd grössern Schatz haben /
dadurch wir vom Tod ewigen engsten / vnd schmertzen erkaufft werden / denn vnser
Werck seyn. Denn solche Werckheiligkeit ist ein müssig ding / vnd die
Werckheiligen schmecken nicht ein mahl / was der Tod ist / Sondern wie Gottes
Zorn nicht anders mag / noch kan vberwunden werden / denn durch den Glauben an
Christum / Also wird auch der Tod vberwunden / allein durch Christum / wie
Paulus sagt / Gott sey lob / der vns den Sieg gibt / durch Jesum Christum vnsern
HErrn. Er sagt nicht / Der vns Sieg gibt durch vnser Gnugthuung.
Die Wiedersacher reden fast kalt vnd schlefferig / von der vergebung der Sünde
gegen Gott / vnd sehen nicht / daß vergebung solcher Schuld / vnd erlösung von
Gottes Zorn / vnd ewigem Tod / ein solch gros ding ist / daß solches allein
durch den einigen Mittler Christum / vnd durch den Glauben an jhn erlanget wird.
So nu der Tod vnd das Blut Christi die rechte bezahlung ist für den ewigen Tod /
vnd die Wiedersacher bekennen selbs / daß solche Wercke der Satisfaction /
wercke seyn / die wir nicht schüldig seyn / Sondern Menschen Satzunge / von
welchen Christus / Matth. 15. sagt / daß es vergebliche Gottesdienste seyn / So
mögen wir frey auch aus jhren eigen worten schliessen / daß solche Satisfactiones nicht von GOtt geboten seyn / auch ewige
Pein vnd Schuld / oder Pein des Fegfewers nicht ablösen.
Es werden die Wiedersacher vieleicht vns hie fürwerffen / daß die Pein vnd straff
eigentlich zur Busse gehöre / denn Augustinus sagt / Die
Busse sey ein Rache / angst / vnd straffe vber die Sünde. Antwort. Vnser
Wiedersacher seyn grobe Esel / daß sie die wort Augustini, der da redet von der Rew vnd gantzen Bus / deuten auff die
Ceremonien der Satisfaction / vnd weiter noch daran hengen / daß solche Satisfactio sol verdienen Vergebung des ewigen Todes.
Wir lehren auch / daß in der Busse straffe der Sünde sey / denn die grossen
schrecken / dadurch die Sünd in vns gerichtet wird / ist ein straffe / viel
grösser vnd höher den̅ Wallfarten / vnd dergleichen Gauckelspiel /
Aber solch schrecken gehet die Satisfactiones nicht an /
so verdienet es auch nicht vergebung der Sünde / oder des ewigen Tods / Sondern
wo wir nicht durch Glauben getröstet würden / were solch schrecken vnd straff
eitel Sünde vnd Tod. Also lehret Augustinus von der
straff. Aber vnser Wiedersacher / die grobe̅ Esel / wissen gar
nicht /
|| [ID00498]
was Bus oder Rew sey / sondern gehen mit jhrem
Gauckelspiel vmb / mit Rosenkrentzen / Wallfarten / vnd dergleichen.
Aber da sprechen sie / Gott / als der ein gerechter Richter ist / muß die Sünd
ohn Straff nicht lassen / ja warlich strafft er die Sünd / wenn Er in solchem
schrecken die Gewissen so starck mit seinem Zorn drenget vnd engstet / wie Dauid
im 6. Psalm saget: HErr straff mich nicht in deinem Grim̅. Vnd
Hieremias 10. cap. Straff mich HErr / doch mit Gnaden / nicht in deinem Grimme /
daß ich nicht vergehe. Da redet er warlich von grosser vnseglicher Angst / vnd
die Wiedersacher selbs bekennen / Die Rewe könne so bitter vnd geschwinde seyn /
daß die Satisfactio nicht noth sey / darumb ist die Contritio oder Rew / gewisser ein Pein / denn die Satisfactio.
Darüber müssen die Heiligen / den Tod / allerley Creutz vnd Trübsal tragen / wie
die andern / wie Petrus sagt 1. Pet. 4. Es ist zeit / das Gericht anzufahen an
dem Hause Gottes. Vnd wiewol dieselbigen Trübsaln / offt Peen vnd Straffe seyn
vber die Sünde / so haben sie doch in den Christen ein andere vrsache / Nemlich
/ daß sie sollen die Christen treiben vnd vben / daß sie in Anfechtung mercken
jhren schwachen Glauben / vnd lernen Gottes Hülff vnd Trost suchen / wie Paulus
von jhm selbs saget / 2. Corinth. 1. Daß wir vber die maß beschweret waren / vnd
vber Macht / also / daß wir bey vns beschlossen hatten / wir müsten sterben /
damit wir lerneten / nicht auff vns vertrawen. Vnd Esaias sagt: Die Noth vnd
Angst / darinne sie stecken / vnd dich anruffen / ist jhnen ein Zucht / das ist
/ die Trübsal ist die Kinderzucht / dadurch Gott vbet die Heiligen. Item / die
Trübsaln auch schicket vns Gott zu / die Sünde in vns / so noch vbrig ist / zu
tödten / vnd zu dempffen / daß wir im Geist vernewert werden / wie Paulus Roman.
8. sagt: Der Leib ist Tod vmb der Sünde willen / das ist / Er wird täglich mehr
vnd mehr getödtet / vmb der Sünde willen / die noch im Fleisch vbrig ist. Vnd
der Tod selbs dienet dazu / daß er des Sündlichen Fleisches ein ende mache / vnd
daß wir gar heilig / vnd vernewert auffstehen endlich von Todten.
Von diesen Trübsaln vnd Peenen werden wir nicht los durch die Satisfactiones, Derhalben kan man nicht sprechen / daß die Satisfactiones gelten für solche Creutz vnd Trübsal /
vnd zeitliche straff der Sünde wegnehme / Den̅ diß ist gewiß / daß
die Gewalt der Schlüssel niemands frey / los / absoluieren kan / vom Creutz /
oder von andern gemeinen Trübsaln. Vnd so sie wollen / daß das wort (Peen)
dadurch gethan wird / solle von gemeinen Trübsaln verstanden werden / Wie lehren
sie denn / man müsse im Fegfewer gnugthun?
|| [236]
Sie werffen vns Exempel für von Adam vnd Dauid / welcher vmb seines Ehebruchs
willen gestrafft ist. Aus den Exempel machen sie ein Regel / daß jegliche Sünde
müsse jhr gewis zeitliche straff haben / ehe die Sünde vergeben werden. Ich habe
vor gesagt / daß die Christen trübsaln leyden / dadurch sie gezüchtiget werden /
so leyden sie schrecken im Gewissen / manchen kampff vnd anfechtung. Also legt
vnser HErr Gott auch etlichen Sündern eigen Peen / vnd Straff auff / zu einem
Exempel. Vnd mit den Peenen hat die Gewalt der Schlüssel nichts zu thun /
Sondern allein Gott hat sie auffzulegen / vnd zu lösen / wie er wil.
Es folgt auch gar nicht / ob Dauid ein eigen straff auffgelegt ist / daß darumb
vber die gemeine Creutz vnd trübsal aller Christen / noch ein Peyn des Fegfewers
sey / ein jgliche Sünde jhren Grad vnd mas der Peyn hat. Denn es ist nirgend in
der Schrifft zu finden / daß wir von ewiger Peyn vnd Tod / nicht solten können
erlöset werden / denn durch solche quittirung vnsers leydens vnd gnugthuens.
Aber allenthalben zeuget die Schrifft / daß wir vergebung der Sünde ohn
Verdienst erlangen durch Christum / vnd daß Christus allein die Sünde vnd den
Tod vberwunden hat. Darumb sollen wir vnsern Verdienst nicht daran pletzen / vnd
flicken / Vnd wiewol Christen allerley Peen / Straff / vnd Trübsal leyden müssen
/ so zeigt doch die Schrifft an / daß solche vns auffgelegt werden / den alten
Adam zu tödten / vnd zu demütigen / nicht damit vns von dem ewigen Tod zu lösen.
Job wird entschüldiget in der Schrifft / daß er nicht geplagt sey / vmb einiger
böser thaten willen / Darumb sind die trübsal vnd anfechtungen nicht allezeit
Göttlichs Zorns zeichen / Sondern man muß die Gewissen fleissig vnterrichten /
daß sie die trübsal lernen gar viel anders ansehen / Nemlich / als Gnadenzeichen
/ daß sie nicht dencken / Gott habe sie von sich gestossen / wenn sie in
trübsaln seyn / man sol die andern rechten Früchte des Creutzes ansehen /
Nemlich / Daß Gott vns angreifft / vnd darumb ein frömbd Werck thut / wie Esaias
sagt / Damit er sein eigen Werck in vns haben möge / wie er denn dauon ein lange
tröstliche Predigt macht / am 28. cap. Vnd da die Jünger fragten von dem Blinden
/ Johan. 9. sagt Christus / Daß weder des Blinden Eltern noch er gesündiget
haben / Sondern Gottes Ehre vnd Wercke müssen offenbahrt werden. Vnd also sagt
auch Hieremias der Prophet / Die jenigen so nicht schuld daran haben / sollen
auch den Kelch trincken / etc. Also sind die Propheten erwürget / also ist Iohannes Baptista getödtet / vnd andere Heiligen.
|| [ID00500]
Darumb sind die Trübsal nicht allezeit straffe oder Peenen / für die vorigen
Sünde / Sondern sind Gottes Wercke zu vnserm nutz gericht / daß Gottes stercke
vnd krafft in vnser schwacheit desto klerer erkennet werde / wie er mitten im
Tode helffen kan / etc. Also saget Paulus / Gottes krafft vnd stercke lest sich
in schwachheit erfahren / vnd sehen. Darumb sollen wir vnser Leibe opffern in
Gottes willen / vnsern gehorsam / vnd gedult zu erzeigen / nicht von dem ewigen
Tode / oder ewiger Peyn vns zu erlösen / Denn da hat GOtt ein andern Schatz
verordnet / Nemlich / den Tod seines Sons vnsers HERRN Christi.
Vnd also legt Sanct Gregorius das Exempel Dauids auß / da
er sagt / So Gott vmb derselbigen Sünde willen jhm gedrawet hat / daß er also
von seinem eigen Sohn solt gedemütiget werden / Warumb hat er denn solchs
ergehen lassen / da die Sünde schon vergeben war? Ist zu antworten / Daß die
Vergebung geschehen ist / daß der Mensch nicht verhindert würde / das ewige
Leben zuempfahen / die gedrawete Straffe ist nichts desto weniger gefolget / daß
er jhnen prüfet / vnd in Demut behielte. Also hat auch GOtt dem Menschen den
Natürlichen Tod auffgelegt / vnd denselbigen auch als Er die Sünde vergeben /
nicht weggenommen / damit bewehret werden / vnd geprüfet die jenigen / welchen
Sünde vergeben / vnd sie geheiliget werden.
Nu ist öffentlich / daß die Schlüssel diese gemeine Straffe / als Krieg /
Thewrung / vnd dergleichen Plagen / nicht wegnemen. Item / daß auch Canonicae Satisfactiones, vns nicht los machen von
solchen Plagen / Also / daß vnsere Satisfactiones dafür
helffen oder gelten solten / wenn wir schon in Todsünden ligen. Auch bekennen
die Wiedersacher selbs / daß sie die Satisfactiones
aufflegen / nicht für solche gemeine Plagen / sondern für das Fegfewr / Darumb
sind jhre Satisfactiones eitel ertichte Trewme.
Aber hie ziehen etliche den Spruch Pauli an 1. Corinth. 11. So wir vns selbs
richteten / so würden wir nicht gerichtet. Daraus schliessen sie / so wir vns
selbs straffe aufflegten / würde Gott gnediger straffen. Antwort / Paulus redet
von besserung des gantzen Lebens / nicht von eusserlicher straff vnd Ceremonien
/ darumb thut dieser Spruch nichts zur Satisfartio. Denn was fraget Gott nach
der straff ohne besserung? Ja es ist ein grewliche Gotteslesterung / daß man
lehret / Vnser Satisfactio lindere GOTtes straff / wenn
sie schon in Todsünden geschicht. Paulus redet von Rew vnd Glauben / vnd von der
gantzen besserung / redet nicht von der eusserlichen straff
|| [237]
allein. Darumb kan man hieraus nicht mehr erzwingen / denn so wir
vns bessern / so wendet Gott sein Straff ab. Das ist wahr / vnd ist nützlich /
tröstlich / vnd noth zu predigen / daß Gott die Straff lindert / wenn wir vns
bessern / wie er mit Niniue thet. Vnd also lehret Esaias am 1. cap. Wenn schon
ewer Sünde Blutrot sind / sollen sie dennoch ab / vnd Schneeweis seyn / wenn jhr
euch bessert. Vnd diese Besserung stehet nicht in der Canonica Satisfactione, sondern in andern stücken der Bus / in Rew /
in Glauben / in guten Wercken / so folgen nach dem Glauben. Aber vnser
Wiedersacher deuten diese tröstliche Sprüche auff jhr Lügen vnd Gauckelspiel /
von der Satisfaction.
Daß aber die alten Lehrer vnd Väter der Satisfaction gedencken / daß die Concilia von den Satisfactionibus
Canones gemacht / hab ich droben gesagt / Es sey ein eusserlich
Ceremonien gewesen / vnd ist der Väter meynung nicht gewesen / daß dieselb
Ceremonie der Bus solt ein außleschen seyn der Schuld gegen Gott / oder der Pein
/ denn so etliche Väter gleich seyn / die des Fegfewers gedencken / so legen sie
es doch selbs aus / ob es auch were / so sey es doch nicht Erlösung von ewigem
Tode vnd Pein / welchs Christus allein thut / Sondern daß es ein reinigen vnd
fegen sey (Wie sie reden) der vnuolkommenen Seelen. Also sagt Augustinus: Die täglichen Sünde werden verbrand vnd außgelescht / als
schwacher Glaub gegen GOtt / vnd dergleichen / etc.
Man findet auch an etlichen örtern / daß die Väter das Wort Satisfactio, oder Gnugthuung / welchs vrsprünglich von der Ceremonien
der öffentlichen Penitentz / herkömpt / wie ich gesagt / brauchen für rechte Rew
/ vnd tödtung des alten Adams. Also sagt Augustinus: Die
rechte Satisfactio oder Gnugthuung ist vrsach der Sünden
abschneiden / das ist / das Fleisch tödten / etc. Item / das Fleisch zehmen vnd
casteien / nicht daß ewiger Tod oder Pein / damit quittiert werde / Sondern daß
vns das Fleisch nicht zu Sünden ziehen müge.
Also sagt Gregorius von wiedergeben frembder Güter / daß
es ein falsche Bus sey / wenn den jenigen nicht gnug geschihet / der Güter wir
mit vnrecht inne haben. Denn den gerewets nicht / daß er gestolen hat / der noch
jmmer stielet / Denn so lange er frembde Guht innen hat / so lang ist er ein
Dieb oder Reuber. Dieselbige Satisfactio gegen denen /
so einer schüldig ist / sol gegen denselbigen geschehen / vnd von derselbigen
ciuili Satisfactione ist nicht noth hie zu
disputiren.
Item / die Väter schreiben / daß es gnug sey / daß einmal im gantzen Leben
geschehe / die publica Penitentz / oder die öffentliche
Bus /
|| [ID00502]
dauon die Canones
Satisfactionum gemacht seyn. Daraus kan man mercken / daß jhr meynung nicht
gewest / daß dieselbigen Canones nötig seyn solten / zu
Vergebung der Sünden. Denn ohn dieselbigen Ceremonien der öffentlichen Bus /
lehren sie sonst viel von der Christlichen Bus / da sie der Canonum Satisfactionum nicht gedencken.
Die Esel / so die Confutation gestellet haben / sagen / Es sey nicht zu leiden /
daß man die Satisfactiones wieder das öffentliche
Euangelium wolle abthun. Wir haben aber bis anher klar gnug angezeiget / daß
dieselbigen Canonicae Satisfactiones, das ist / solche
Werck (wie sie dauon reden) so wir nicht schüldig seyn / in der Schrifft / oder
Euangelio nicht gegründet seyn.
So zeiget das die Sache an jhr selbs an / Denn wenn die Satisfactiones Wercke seyn / die man nicht schüldig ist / Warumb sagen
sie / wir lehren wieder das klare Euangelium? Denn so im Euangelio stünde / daß
die ewige Pein vnd Tod weggenommen würden / durch solche Werck / so weren es
Wercke / die man für Gott zu thun schüldig were. Aber sie reden also / daß sie
den Vnerfahrnen ein schein für der Nasen machen / vnd ziehen Sprüche der
heiligen Schrifft an / welche von rechten Christlichen Wercken / die wir
schüldig seyn / reden / so sie doch jhr Gnugthun gründen auff Wercke / die wir
nicht schüldig seyn / vnd welche sie Opera non debita,
nennen.
Sie lehren vnd gebens selbs nach in jhren Schulen / daß man ohn Todsünde solche
Satisfattion könne nachlassen. Darumb ist das falsch / daß sie sagen / das klare
Euangelium vermüge / man muß die Satisfactiones halten.
Weiter haben wir nu offt gesat / daß rechtschaffene Bus ohn gute Werck vnd
Früchte nicht seyn könne / vnd was rechte gute Werck seyn / lehren die Zehen
Gebot / Nemlich / Gott den HERRN warlich / vnd von Hertzen am höchsten gros
achten / fürchten vnd lieben / Ihn in Nöthen frölich anruffen / jhm allezeit
dancken / sein Wort bekennen / dasselbige Wort hören / auch andere dadurch
trösten / lehren / Eltern / Obrigkeit gehorsam seyn / seines Ampts / Beruffs
trewlich warten / nicht bitter / nicht hessig seyn / nicht tödten / sondern
tröstlich / freundlich seyn / dem Nehesten / den Armen nach vermügen helffen /
nicht huren / nicht Ehebrechen / sondern das Fleisch allenthalben im Zaum
halten. Vnd das alles nicht für den ewigen Tod / oder ewige Pein gnug zu thun /
welchs Christo allein gebüret / sondern also zu thun / damit dem Teuffel nicht
raum gegeben werde / vnd Gott erzürnet / vnd der heilig Geist betrübet / vnd
geunehret werde. Diese Früchte vnd gute Wercke hat Gott geboten / haben auch
jhre Belohnung /
|| [238]
vnd vmb Gottes Ehre vnd Göttlichs
Gebots willen / sollen sie auch geschehen.
Daß aber die ewigen Pein nicht anders erlassen werden / denn allein durch
Gnugthun im Fegfewer / oder etliche gute Wercke Menschlicher Tradition / da sagt
die heilige Schrifft nirgend von. Durch den Ablaß werden etwa solche auffgelegte
Bus vnd Satisfactio quittirt den publicè poenitentibus oder Büssern / daß die Leute nicht zu sehr
beschweret werden. Haben nu Menschen Macht die Satisfactiones vnd auffgelegte Straff oder Peen zu erlassen / so ist
solche Satisfactio von Gott nicht geboten. Denn
Göttlichen Befehl vnd Gebot / kan ein Mensch nicht abthun.
Nach dem aber die alte weise / der öffentlichen Bus vnd Gnugthuung ist vor lengst
abgethan / welchs die Bischoffe von einer zeit in die ander haben geschehen
lassen / ist des Ablaß nicht von nöthen / vnd ist doch der Nahme Indulgentia, oder Ablaß in der Kirchen blieben. Gleich
wie nu das Wort / Satisfactio, ist anders verstanden /
denn für eine Kirchenordnung vnd Ceremonia, Also hat man
das Wort Indulgentz oder Ablaß auch vnrecht gedeutet / vnd außgelegt für solche
Gnade vnd Ablaß / durch welchen die Seelen aus dem Fegfewer erlöset werden / so
doch die gantze Gewalt der Schlüssel in der Kirchen nicht weiter sich erstreckt
/ denn allein hie auff Erden / Wie der Text lautet: Was du binden wirdest auff
Erden / das sol gebunden seyn im Himmel / Was du aufflösen wirdest auff Erden /
das sol auffgelöset seyn im Himmel.
So ist die gewalt der Schlüssel nicht ein solche gewalt / sonderliche eigen
straff / oder Gottesdienst auffzurichten / sondern allein Sünde zu vergeben /
den jenigen / so sich bekehren / vnd zu verbannen die jenigen / so sich nicht
bekehren. Denn aufflösen an dem ort / heist Sünde vergeben / Binden heist Sünde
nicht vergeben / Denn Christus redet von einem Geistlichen Reich / Vnd Gott hat
befohlen / die jenigen / so sich bekehren / von Sünden zu entbinden / wie Paulus
sagt: Die Gewalt ist vns gegeben zu erbawen / vnd nicht zu brechen.
Darumb ist auch die Reseruatio Casuum, das ist / darinne
der Bapst vnd die Bischoffe etliche Felle fürbehalten / ein eusserlich /
Weltlich ding. Denn sie behalten jhn für die Absolution à
poena Canonica nicht von der Schuld gegen Gott. Darumb lehren die
Wiedersacher recht / da sie selbs bekennen / vnd sagen / Daß an der Todsstunde
ein solche Reseruatio oder Fürbehaltung nicht solle
hindern / die rechte Christliche Absolution.
Hiemit haben wir die Summa vnser Lehre von der Busse an
|| [ID00504]
gezeigt / vnd wissen fürwar / daß dieselbige Christlich ist / vnd
from̅en Hertzen gantz nützlich ist / vnd hoch von nöthen. Vnd
so Gottfürchtige / fromme / Erbare Leute diesen allerwichtigsten handel nach
Notturfft bedencken werden / vnd diese vnsere / ja Christi vnd der Apostel Lehre
halten / gegen so viel vngeschickter / verworren / Kindische Disputation vnd
Bücher der Wiedersacher / so werden sie befinden / daß sie das allerhöchste /
nöthigest Stück / Nemlich / vom Glauben an Christum / ohn welches niemand etwas
rechtschaffens / Christlichs lehren / oder lernen mag / gar haben außgelassen /
dadurch allein die Gewissen mögen rechten Trost haben. Sie werden auch sehen /
daß die Wiedersacher viel aus eigenem Hirn ertichten von Verdienst der Attrition
/ von erzehlung der Sünde / von Gnugthuung / welchs alles in der Schrifft
vngegründet / vnd weder oben noch vnten anreicht / welchs die Wiedersacher selbs
nicht verstehen.
Von den Sacramenten vnd jhrem rechten Brauch.
IM XIII. Artickel lassen jhnen die Wiedersacher gefallen / daß wir sagen / die
Sacrament sind nicht schlechte Zeichen / dabey die Leute vnter einander sich
kennen / wie Losung im Krieg / vnd Hoffarb / etc. Sondern sind krefftige Zeichen
/ vnd gewisse Zeugniß der Göttlichen Gnade vnd Willens gegen vns / dadurch GOtt
vnsere Hertzen erinnert vnd stercket / desto gewisser vnd frölicher zu gleuben.
Aber hie wollen sie haben / wir sollen auch bekennen / daß an der Zahl Sieben
Sacrament seyn / nicht mehr noch weniger. Darauff sprechen wir / daß noth sey
diese Ceremonien vnd Sacrament / die Gott eingesetzt hat durch sein Wort / wie
viel / vnd in was zahl die sind / zu erhalten. Aber von dieser zahl der Sieben
Sacrament befindet man / daß die Väter selbs nicht gleich gezehlet haben / so
sind auch diese Sieben Ceremonien nicht alle gleich nötig.
|| [239]
So wir Sacrament nennen / die eusserlichen Zeichen vnd Ceremonien / die da haben
Gottes Befehl / vnd haben ein angeheffte Göttliche zusage der Gnaden / so kan
ma̅ bald schliessen / was Sacrament seyn. Den̅
Ceremonien / vnd andere eusserliche ding / von Menschen eingesetzt / seyn auff
die weise nicht Sacrament. Denn Menschen ohn Befehl / haben nicht Gottes Gnade
zu verheissen. Darumb zeichen / so ohn Gottes Befehl seyn eingesetzt / die sind
nicht zeichen der Gnade / wiewol sie den Kindern vnd groben Leuten sonst mögen
ein erinnerung bringen / als ein gemahlet Creutze.
So sind nu rechte Sacrament / die Tauffe vnd das Nachtmal des HERRN / die Absolutio. Denn diese haben Gottes befehl / haben auch
verheissung der Gnaden / welche denn eigentlich gehöret zum Newen Testament /
vnd ist das Newe Testament. Denn dazu sind die eusserlichen zeichen eingesetzt /
daß dadurch beweget werden die Hertzen / Nemlich / durchs Wort vnd eusserlich
zeichen / zugleich / daß sie gleuben / wenn wir getaufft werden / wenn wir des
HERRN Leib empfahen / daß Gott vns warlich gnedig seyn wil durch Christum / wie
Paulus sagt / Der Glaub ist auß dem gehöre. Wie aber das Wort in die Ohren gehet
/ Also ist das eusserlich zeichen für die Augen gestellet / als inwendig das
Hertz zu reitzen / vnd zu bewegen zum Glauben / denn das Wort vnd eusserlich
zeichen wircken einerley im Hertzen / wie Augustinus ein
fein Wort geredt hat / Das Sacrament / sagt er / ist ein sichtlich Wort / Denn
das eusserlich zeichen ist wie ein Gemelde / dadurch dasselbige bedeutet wird /
das durchs Wort geprediget wird / Darumb richtets beydes einerley aus.
Aber die Confirmatio, vnd die letzte Oelung sind
Ceremonien / welche von den alten Vätern herkommen / welche auch die Kirche nie
als für nötig zur Seligkeit geachtet hat. Denn sie haben nicht Gottes Befehl
noch Gebot / darumb ists wol gut dieselbigen zu vnterscheiden / von den
obangezeigten / welche durch GOttes Wort eingesetzt / vnd befohlen seyn / vnd
ein angeheffte zusage Gottes haben.
Durch das Sacrament des Ordens oder Priesterschafft / verstehen die Wiedersacher
nicht das Predigampt / vnd das Ampt die Sacrament zu reichen / vnd außzutheilen
/ Sondern verstehens von Priestern / die zu Opffern geordnet seyn. Gleich als
muß im Newen Testament ein Priesterthumb seyn / wie das Leuitisch Priesterthumb
gewesen / da die Priester für das Volck Opffern / vnd den andern Vergebung der
Sünde erlangen. Wir aber lehren / Daß das einige Opffer Christi / am Creutze
gnug gethan hat / für aller Welt
|| [ID00506]
Sünde / vnd daß wir nicht
eines andern Opffers für die Sünde dürffen. Denn wir haben im Newen Testament
nicht ein solch Priesterthumb / wie das Leuitische Priesterthumb war / wie die
Epistel zu den Ebreern lehret.
Wo man aber das Sacrament des Ordens wolt nennen / ein Sacrament von dem
Predigampt vnd Euangelio / so hette es kein Beschwerung / die Ordinatio ein
Sacrament zu nennen / Den̅ das Predigampt hat Gott eingesetzt /
vnd geboten / vnd hat herrliche Zusage Gottes / Rom. 1. Das Euangelium ist ein
Krafft Gottes alle den jenigen / so daran gleuben / etc. Esaiae 55. Das Wort /
das aus meinem Munde gehet / sol nicht wieder zu mir leer kommen / sondern thun
was mir gefellet.
Wenn man das Sacrament des Ordens also verstehen wolt / so möcht man auch das
aufflegen der Hende ein Sacrament nennen. Denn die Kirche hat Gottes Befehl /
daß sie sol Prediger vnd Diaconos bestellen. Dieweil nu
solchs sehr tröstlich ist / so wir wissen / daß Gott durch Menschen / vnd die
jenigen / so von Menschen gewehlet sind / predigen vnd wircken wil / so ist gut
/ daß man solche Wahle hoch rhüme vnd ehre / sonderlich wieder die Teuffelischen
Anabaptisten / welche solche Wahl sampt dem Predigampt vnd leiblichen Wort /
verachten vnd lestern.
Aber der Eheliche Stand ist nicht erst eingesetzt im Newen Testament / sondern
bald / als das Menschlich Geschlecht erst erschaffen ist / vnd er ist auch durch
GOtt befohlen vnd geboten. Er hat auch Göttliche Zusagung / welche wol nicht
eigentlich zum Newen Testament gehören / sondern mehr das leiblich Leben
angehen. Darumb so es jemands wil ein Sacrament nennen / fechten wir nicht hoch
an. Es sol aber gleichwol abgesondert werden von den vorigen zweyen / welche
eigentlich Zeichen vnd Siegel sind des Newen Testaments.
Denn so der Ehestand allein darumb solt ein Sacrament heissen / daß GOTT
denselbigen eingesetzt vnd befohlen hat / so müsten die andern Empter vnd Stende
auch Sacrament genent werden / die auch in Gottes Wort vnd Befehl gehen / als
Obrigkeit oder Magistrat / etc.
Vnd endlich / so man alle die dinge wolt mit so herrlichem Titel / Sacrament
nennen / darumb / daß sie GOttes Wort vnd Befehl haben / so solt man billich für
allen andern das Gebet ein Sacrament nennen / Denn da ist ein starcker Gottes
Befehl / vnd viel herrlicher Göttlicher Zusage / es hette auch wol vrsache. Denn
wenn man dem Gebet so grossen Titel gebe / würden die Leute zum Gebet gereitzet.
|| [240]
Auch könt man die Allmosen vnter die Sacrament rechnen / Item / das Creutz vnd
die Trübsaln der Christen / Denn die haben auch GOttes Zusage / Doch wird kein
verstendiger Man grossen Zanck darüber machen / ob Sieben oder mehr Sacrament
gezehlet werden / doch so fern / daß Gottes Wort vnd Befehl nicht abgebrochen
werde.
Das ist aber mehr von nöthen zu disputiren / vnd zu wissen / Was der rechte
Brauch der Sacrament sey. Da müssen wir frey verdammen den gantzen Hauffen der
Scholasticorum, vnd jhren Irrthumb straffen / da sie
lehren / daß die jenigen / so die Sacrament schlecht gebrauchen / wenn sie nicht
obicem setzen / ex opere
operato, Gottes Gnade erlangen / wenn schon das Hertz alßdenn kein guten
Gedancken hat. Das ist aber stracks ein Jüdischer Irrthumb / so sie halten / daß
wir solten durch ein Werck vnd eusserlich Ceremonien gerecht vnd heilig werden
ohne Glauben / vnd wenn das Hertz schon nicht dabey ist / Vnd diese schedliche
Lehre wird doch geprediget / vnd gelehret weit vnd breit / durchaus / vnd
vberall im gantzen Bapsts Reich / vnd Bapsts Kirchen.
Paulus schreyet dawieder / vnd sagt / Daß Abraham sey für GOtt gerecht worden /
nicht durch die Beschneidung / Sondern die Beschneidung sey ein Zeichen gewesen
/ den Glauben zu vben / vnd zu stercken. Darumb sagen wir auch / daß zum rechten
Brauch der Sacramenten der Glaube gehöre / der da gleubt der Göttlichen Zusage /
vnd die zugesagte Gnade empfahe / welche durchs Sacrament vnd Wort wird
angeboten. Vnd diß ist ein gewisser rechter Brauch der heiligen Sacrament / da
sich ein Hertz vnd Gewissen auff wagen / vnd lassen mag / Denn die Göttliche
Zusage kan niemands fassen / denn allein durch den Glauben. Vnd die Sacrament
seyn eusserliche Zeichen vnd Siegel der Verheissung.
Darumb zum rechten Brauch derselbigen gehört Glaube / als wenn ich das Sacrament
des Leibs vnd Bluts Christi empfahe / saget Christus klar: Das ist das New
Testament / da sol ich gewiß gleuben / daß mir Gnade vnd vergebung der Sünde /
welche im Newen Testament verheissen ist / wiederfahre. Vnd solchs sol ich
empfahen im Glauben / vnd damit trösten mein erschrocken / blöde Gewissen / vnd
stehen darauff gewiß / daß Gottes Wort vnd Zusage nicht fehlen / Sondern so
gewiß / vnd noch gewisser seyn / als ob Gott mir ein newe Stimme / oder new
Wunderzeichen von Himmel ließ geben / dadurch mir würde Gnade zugesaget. Was
hülffen aber Wunderzeichen / wenn nicht Glaube da were. Vnd wir reden hie vom
|| [ID00508]
Glauben / da ich selbs gewiß für mich gleube / daß mir
die Sünde vergeben seyn / nicht allein vom fide
generali, da ich gleube / daß ein Gott sey. Derselbig rechte Brauch der
Sacrament / tröstet recht / vnd erquicket die Gewissen.
Was aber die heßliche / schendliche / Vngöttliche Lehre vom opere operato, da sie gelehret / Daß / wenn ich der Sacrament
gebrauche / so macht das gethane Werck mich für GOtt from / vnd erlangt mir
Gnade / ob gleich das Hertz keinen guten Gedancken dazu hat / für Mißbrauch vnd
Irrthumb eingeführet / kan niemand gnug nachdencken / schreiben / noch sagen.
Denn daher ist auch der vnsegliche / vnzehliche / grewliche Mißbrauch der Messen
kommen / Vnd sie können kein Titel noch Buchstaben aus den alten Vätern anzeigen
/ dadurch der Scholaster Opinion beweiset werde. Ja Augustinus saget stracks dawieder / Daß der Glaube im Brauch des
Sacraments / nicht das Sacrament für Gott vns from mache.
IM XIIII. Artickel / da wir sagen / Daß man niemands gestatte zu predigen / oder
die Sacrament zu reichen in der Kirchen / den̅ allein den jenigen
/ so recht gebürlich beruffen seyn / das nehmen sie an / Wenn wir den Beruff
also verstehen von Priestern / welche nach inhalt der Canonum geordinieret oder geweihet seyn. Von der Sache haben wir vns
etliche mal auff diesem Reichstag hören lassen / daß wir zum höchsten geneigt
sind alte Kirchenordnung / vnd der Bischoffe Regiment / das man nennet Canonicam Politiam, helffen zu erhalten / so die
Bischoffe vnsere Lehre dulden / vnd vnsere Priester annehmen wolten.
Nu haben die Bischoffe bis anher die vnsern verfolget / vnd wieder jhre eigene
Recht ermordet / so können wir auch noch nicht erlangen / daß sie von solcher
Tyranney ablassen / Derhalben ist die schuld vnsers Gegentheils / daß den
Bischoffen der Gehorsam entzogen wird / Vnd sind wir für GOtt vnd allen frommen
Leuten entschüldiget. Denn dieweil die Bischoffe die vnsern nicht dulden wöllen
/ sie verlassen den̅ diese Lehre / so wir bekant haben / vnd doch
wir für Gott schüldig sind / diese Lehre zu bekennen / vnd zu erhalten / müssen
wir die Bischoffe fahren lassen / vnd Gott mehr gehorsam seyn / vnd wissen / daß
die Christliche Kirche da ist / da GOttes Wort recht gelehret wird / Die
Bischoffe mögen zusehen / wie sie es verantworten wollen / daß sie durch solche
Tyranney die Kirchen zerreissen / vnd wüst machen.
|| [241]
Von den Menschlichen Satzungen in der Kirchen.
IM XV. Artickel lassen sie jnen gefallen / Da wir sagen / die Ceremonien vnd
Satzungen sol man halten in der Kirchen / die man mit gutem Gewissen ohne Sünde
halten kan / vnd die zu guter Ordnung vnd Friede dienen. Das ander Stücke
verdammen sie / da wir sagen / daß die Satzungen / welche auffgerichtet seyn /
Gott zu versünen / vnd Vergebung der Sünde zu erlangen / stracks wieder das
Euangelium seyn. Wiewol wir in der Confession von vnterscheid der Speise / vnd
von Satzungen viel gesagt haben / so müssen wir es doch hie wiederholen.
Wiewol wir gedacht / daß die Wiedersacher andere vrsachen suchen würden / die
Menschlichen Satzungen zu schützen / so hetten wir doch nicht gemeint / daß sie
diesen Artickel / Nemlich / durch Menschen Tradition verdienet niemands
Vergebung der Sünde / verdammen solten. Dieweil aber derselb gantz Artickel
vnuerschampt verdam̅et ist / So haben wir ein leichte / schlechte
Sache / Denn das ist öffentlich Jüdisch / das heist öffentlich mit des Teuffels
Lehre das Euangelium vnterdrücken. Denn die heilige Schrifft / vnd Paulus nennen
solche Satzungen denn erst rechte Teuffels Lehre / wen̅ man sie
dafür rhümet / daß sie sollen dienen / dadurch Vergebung der Sünde zu erlangen.
Denn da sind sie stracks wieder Christum / wieder das Euangelium / wie Fewer vnd
Wasser wieder einander seyn.
Das Euangelium lehret / Daß wir durch den Glauben an Christum ohne Verdienst /
Vergebung der Sünde erlangen / vnd GOtt versünet werden. Die Wiedersacher aber
setzen ein andern Mittler / Nemlich / Menschen Gesetz / durch die wollen sie
vergebung der Sünde erlangen / durch die wollen sie den Zorn Gottes versünen.
Aber Christus sagt klar: Sie dienen mir vergeblich durch Menschen Gebot.
Droben haben wir reichlich angezeigt / daß wir durch den Glauben für GOtt gerecht
werden / wenn wir gleuben / daß wir ein gnedigen Gott haben / nicht durch vnsere
Werck / sondern durch Christum.
|| [ID00510]
Nun ists gar gewiß / daß
solchs das rein Euangelium sey. Denn Paulus sagt klar zu den Ephesern am 2. cap.
Ohne Verdienst seyd jhr selig worden / vnd das nicht aus euch / Denn GOttes Gabe
ist nicht aus Wercken. Nu sagen die Wiedersacher / die Leute verdienen vergebung
der Sünde durch solche Menschliche Satzung / vnd Wercke. Was ist das anders /
denn vber Christum ein andern Mittler / ein andern Versüner stellen vnd setzen?
Paulus sagt zu den Galatern: Ihr seyd von Christo abgefallen / so jhr durchs
Gesetz wolt gerecht werden / das ist / so jhr haltet / daß jhr durchs Gesetz für
GOTT gerecht werdet / so ist euch Christus nichts nütze. Denn was dürffen die
jenigen des Mittlers Christi / die durch die Wercke des Gesetzes vertrawen GOtt
zu versünen. GOtt hat Christum dargestellet / daß Er vmb desselben Mittlers
willen / nicht vmb vnser Gerechtigkeit willen / vns wil gnedig seyn. Aber sie
halten / daß Gott vmb jhrer Wercke willen / vnd vmb solcher Tradition willen /
vns gnedig sey. So nehmen sie nun / vnd rauben Christo seine Ehr / Vnd ist kein
vnterscheid zwischen den Ceremonien des Gesetzes Mosi / vnd solchen Satzungen /
so viel es diese sache belanget. Paulus verwirfft Moses Ceremonien eben darumb /
darumb er auch Menschen Gebot verwirfft / Nemlich / daß es die Jüden für solche
Werck hielten / dadurch man vergebung der Sünde verdienet. Den̅
dadurch ward Christus vntergedruckt / darumb verwirfft er die werck des Gesetzes
vnd Menschen Gebot zugleich / Vnd streitet dieses / daß nicht vmb vnser Wercke /
Sondern vmb Christus willen / ohne Verdienst verheissen sey / Vergebung der
Sünde / doch also / daß wir sie durch den Glauben fassen. Denn die Verheissung
kan man nicht anders / denn durch den Glauben fassen.
So wir nu durch den Glauben vergebung der Sünde erlangen / so wir durch den
Glauben einen gnedigen Gott haben / vmb Christus willen / so ist es ein gros
Irrthumb vnd Gotteslesterung / daß wir durch solche Satzunge solten Vergebung
der Sünde erlangen.
Wenn sie nu hie sagen wolten / daß wir nicht durch solche Wercke Vergebung der
Sünde erlangen / Sondern wenn wir durch den Glauben jetzund Vergebung haben / so
sollen wir darnach durch solche Wercke verdienen / daß vns Gott gnedig sey / Da
streitet aber Paulus wieder / zu den Galat. am 2. Cap. da er sagt: Solten wir
aber / die da suchen durch Christum gerecht zu werden / auch noch selber Sünder
erfunden werden / so were Christus ein Sünden Diener. Item / zu eines Menschen
Testament / sol niemands ein Zusatz machen. Darumb sol man auch zu dem Testament
GOttes /
|| [242]
da er vns verheisset / Er wil vns gnedig
seyn / vmb Christus willen / nichts zuthun / Oder / dieses anflicken / als
verdienen wir erst / daß vns Gott vmb solcher Werck willen gnedig seyn müsse.
Vnd wenn gleich noch jemands wolt solche Wercke auffrichten / oder erwehlen /
damit Gott zuversünen / vergebung der Sünde zuverdienen / Wie wolt der gewiß
werden / daß die Werck Gott gefielen / so er kein Gottes Befehl noch Wort dauon
hat? Wie wolt er die Gewissen vnd Hertzen versichern / wie sie mit Gott stehen?
Item / daß die Werck Gott gefallen / wenn kein Gottes Wort noch Befehl da ist?
Es verbieten die Propheten allenthalben / eigene / erwehlte / sonderliche
Gottesdienst anzurichten / ohne Gottes Wort vnd Befehl. Ezechielis am 20.
Wandelt nicht in Geboten ewer Väter / So haltet jhr Sitten nicht / vnd werdet
nicht vnrein von jhren Götzen. Ich bin der HERR ewer GOTT / in meinen Geboten
wandelt / vnd haltet meine Rechte vnd Sitten / vnd thut dieselbigen. So die
Menschen macht haben Gottesdienst anzurichten / daß wir dadurch Sünde bezahlen /
vnd from werden für Gott / so müssen aller Heyden Gottesdienst / alle Abgötterey
/ aller Gottlosen Könige in Israel / Jeroboams / vnd ander auch gut seyn. Denn
es ist kein vnterscheid. Stehet bey Menschen die macht Gottesdienst
auffzurichten / dadurch mann müge Seligkeit verdienen / warumb solten der Heyden
vnd Israeliten selbst erwehlte Gottesdienst vnrecht seyn? Denn darumb seyn der
Heyden vnd Israeliten dienst verworffen / daß sie wehnen wolten / solche dienste
gefielen Gott / vnd wusten nichts vom höchsten Gottesdienst / der da heist
Glaube.
Item / Woher sind wir gewiß / daß solche GOTtesdienst vnd Wercke ohne Gottes wort
/ für Gott gerecht machen / so kein Mensch Gottes willen anders erfahren oder
wissen kan / denn allein durch sein Wort? Wie / wenn solche Gottesdienst Gott
der HErr nicht allein verachtet / sondern auch für ein Grewel heltet? Wie
dürffen denn die Wiedersacher sagen / daß sie für Gott gerecht machen? Ohne
Gottes Wort kan je niemands das sagen / Paulus sagt zu den Römern / Alles was
nicht aus dem Glauben geschiehet / das ist Sünd. So nu dieselbigen Gottesdienst
kein Göttlichen Befehl haben / so müssen die Hertzen im zweiffel stehen / ob sie
Gott gefallen.
Vnd was darff diese öffentliche Sache vieler wort / wenn die Wiedersacher diese
Gottesdienst also verteidingen / als seyns wercke / dadurch man vergebung der
Sünde vnd Seligkeit verdienet / so richten sie öffentliche Antichristische Lehre
vnd Reich an. Den̅ das Reich Antichristi
ist eigentlich solch new Gottesdienst durch Menschen er
|| [ID00512]
tichtet / dadurch Christus verworffen wird / wie Mahomets Reich selbs
erwehlte Gottesdienst hat / eigene Werck / dadurch sie für Gott vermeinen heilig
vnd from zu werden / vnnd halten nicht / daß man allein durch den Glauben an
Christum gerecht werde.
Also wird das Bapsthumb auch ein stücke vom Reich Antichristi, so es lehret durch Menschen Gebot Vergebung der Sünde zu
erlangen / vnd Gott versünen. Denn da wird Christo sein Ehre genommen / wenn sie
lehren / daß wir nicht durch Christum / ohne Verdienst gerecht werden / durch
den Glauben / sondern durch solche Gottesdienst / sonderlich wenn sie lehren /
daß solch selbs erwehlte Gottesdienst nicht allein nütz sey / sondern auch
nöthig / wie sie denn oben im Achten Artickel halten / da sie das verdammen /
daß wir gesagt / Zu rechter Einigkeit der Kirchen sey nicht noth / daß
allenthalben gleichförmige Menschen Satzungen seyn.
Daniel im 11. Cap. malet das Reich Antichristi also ab /
daß er anzeiget / daß solche new Gottesdienst von Menschen erfunden / werden die
Politia, vnd das recht Wesen des Antichristischen
Reichs seyn / denn also sagt er: Den Gott Maosim wird er ehren / vnd dem Gott /
den seine Väter nicht gekennet haben / wird er mit Gold / Silber / vnd
Edelgesteinen dienen. Da beschreibet er solche newe Gottesdienst / denn er sagt
von einem solchen Gott / dauon die Väter nichts gewust haben.
Denn die heiligen Väter / wiewol sie auch Ceremonien vnd Satzungen gehabt / so
haben sie doch nicht dafür gehalten / daß solche Ceremonien nütz vnd nötig weren
zur Seligkeit / so haben sie doch damit Christum nicht vntergedruckt / sondern
haben gelehret / daß vns Gott vmb Christus willen gnedig sey / nicht vmb solcher
Gottesdienst willen. Aber dieselbigen Satzungen / haben sie gehalten von wegen
Leiblicher vbung / Als die Feste / daß das Volck wüste / wenn es solt zusammen
kommen / daß in den Kirchen alles ördentlich vnd züchtiglich / vmb guter Exempel
willen zugienge / daß auch das gemein grobe Volck in einer feinen Kinderzucht
gehalten würde. Denn solch Vnterscheid der Zeit / vnd solch mancherley
Gottesdienst dienen das Volck in Zucht zu behalten / vnd zu erinnern der
Historien. Diese Vrsachen haben die Väter gehabt / Menschliche Ordnung zu
erhalten.
Vnd auff die weise fechten wirs auch nicht an / daß man gute Gewonheit halte. Vnd
wir können vns nicht gnugsam wundern / daß die Wiedersacher / wieder alle
Schrifft der Apostel / wieders Alt vnd New Testament / lehren dürffen / Daß wir
durch solch Gottesdienst
|| [243]
sollen ewiges Heyl / vnd
Vergebung der Sünde erlangen / Den̅ was ist das anders / denn /
wie Daniel saget / Gott ehren mit Gold / Silber / vnd Edelgestein / das ist /
halten / daß Gott vns gnedig werde / durch mancherley Kirchenschmuck / durch
Fahnen / Kertzen / wie denn vnzehlich seyn bey solchen Menschen Satzungen.
Paulus zu den Colossern schreibt / daß solche Satzungen haben ein schein der
Weißheit. Vnd hat auch ein grossen schein / als sey es fast heilig / denn
Vnordnung stehet vbel / vnd solche ordentliche Kinderzucht ist nützlich in der
Kirchen / etc. Dieweil aber Menschliche Vernunfft nicht verstehet / was Glaub
ist / so fallen die jenigen / so nach Vernunfft richten / von stund an darauff /
vnd machen ein solch Werck daraus / das vns gen Himmel helffen solle / vnd GOTT
versünen.
Also haben die Irrthumb / vnd schedliche Abgötterey eingerissen bey den
Israeliten. Darumb machten sie auch einen Gottesdienst vber den andern / wie bey
vnser zeit ein Altar vber den andern / eine Kirche vber die andern gestifftet
ist.
Also richtet auch die Menschliche Vernunfft von andern leiblichen vbung / als von
Fasten / etc. Denn Fasten dienet dazu / den alten Adam zu zehmen / da fellet
bald die Vernunfft darauff / vnd macht ein Werck daraus / das Gott versüne / wie
Thomas schreibet / Fasten sey ein Werck / das da tüge Schuld gegen GOtt
außzuleschen / vnd ferner zu verhüten. Das sind die klaren wort Thomae. Also
dieselbigen Gottesdienste / welche sehr gleissen / haben ein grossen schein /
vnd ein gros ansehen der Heiligkeit für den Leuten. Vnd dazu helffen nun die
Exempel der Heiligen / da sie sprechen: Sanct Franciscus
hat ein Kappen getragen / vnd dergleichen. Hie sehen sie allein die eusserliche
vbung an / nicht das Hertz vnd Glauben.
Vnd wenn nu die Leute also durch so grossen vnd prechtigen schein der Heiligkeit
/ betrogen werden / so folget denn vnzehlich Fahr vnd Vnrath daraus / Nemlich /
Daß Christi Erkentniß / vnd das Euangelium vergessen wird / vnd daß man alles
vertrawen auff solche Werck setzet. Darüber so werden durch solche Heuchlische
Wercke / die rechten guten Werck / die Gott in Zehen Geboten foddert / gantz
vnterdruckt / (welchs schrecklich ist zu hören) Denn die Werck müssen allein
Geistlich / heilig / volkommen Leben heissen / Vnd werden denn weit fürgezogen
den rechten / heiligen / guten Wercken / da ein jeder nach GOttes Gebot in
seinem Beruff zu wandeln / die Obrigkeit fleissig / trewlich zu regieren / die
Haußväter / die Ehelichen Leute / Weib vn̅ Kind / Gesinde / in
Christlicher Zucht zu halte̅ / schüldig seyn.
|| [ID00514]
Item / da ein Magd / ein Knecht seinem Herrn trewlich zu dienen pflichtig ist.
Dieselbigen Wercke heltet man nicht für Göttlich / sondern für Weltlich Wesen /
Also / daß viel Leute darüber jhnen ein schweer Gewissen gemacht. Den̅ man weis je / daß etliche jhren Fürsten Stand verlassen /
etliche den Ehestand / vnd sind in Klöster gangen / heilig vnd Geistlich zu
werden.
Vnd ist vber den Irrthumb noch der Jam̅er dabey / daß / wenn die
Leute in dem Wahn seyn / daß solche Satzungen nöthig seyn zur Seligkeit / die
Gewissen ohn vnterlas in Vnruhe vnd Quaal seyn / daß sie jhr Orden / jhr
Möncherey / jhr auffgelegte Wercke / nicht so strenge gehalten haben. Denn wer
könt die Satzungen alle erzelen? Es sind vnzehliche viel Bücher / in welchen
nicht ein Titel / nicht ein Syllaba von Christo / vom
Glauben geschrieben / oder von den rechten guten Wercken / die GOtt gebeut /
welche jeder nach seinem Beruff zu thun schüldig ist / Sondern allein von
solchen Satzungen schreiben sie / als von den Viertzig Tagen zu fasten / von
Messe hören / von Vier Gezeiten beten / etc. Da ist des deutens vnd dispensirens
kein ende.
Wie jemmerlich martert sich / wie ringet vnd windet sich vber den dingen der gute
fromme Man Gerson, da er gern den Gewissen mit dem
rechten Trost helffen wolt / da er Gradus vnd Latitudines suchet Praeceptorum,
wie fern dieselben Gebot binden / vnd kan doch nicht finden einen gewissen Grad
/ da er darff dem Hertzen Sicherheit vnd Friede gewiß zusagen. Darumb klaget er
auch gantz hefftig / wie in grosser Fahr die Gewissen vnd Conscientz dadurch
stehen / daß man solche Satzung also bey einer Todsünde foddert / vnd wil
gehalten haben.
Wir aber sollen vns wieder solche Heuchlische / gleissende Satzungen / dadurch
viel verführt / vnd jemmerlich die Gewissen / ohn vrsach geplaget werden /
rüsten vnd stercken mit GOttes Wort / vnd sollen erstlich das gewiß halten / daß
Vergebung der Sünde nicht durch solche Satzung verdienet wird. Wir haben den
Apostel droben angezogen / zu den Colossern: Lasst euch niemands Gewissen machen
vber Speis / Tranck / Newmonden / Sabbatern. Vnd der Apostel wil das gantz
Gesetz Mosi / vnd solche Tradition / zu gleich begriffen haben / damit die
Wiedersacher hie nicht entschlieffen / wie sie pflegen / als rede Paulus allein
vom Gesetz Mosi. Er zeiget aber klar gnug an / daß er von Menschlichen Satzungen
auch rede / wiewol die Wiedersacher selbs nicht wissen / was sie sagen. Denn so
das Euangelium vnd Paulus klar melden / daß auch die Ceremonien vnd Wercke
|| [244]
des Gesetzes Mosi für Gott nicht helffen / so werden
es viel weniger Menschliche Satzung thun.
Derhalben haben die Bischoffe nicht macht noch gewalt / eigene erwehlte
Gottesdienst auffzurichten / welche sollen die Leute für Gott heilig vnd from
machen / Denn es sagen auch die Aposteln / Actor. 15. Was versucht jhr Gott /
vnd legt eine Bürden auff die Jünger / etc. Da schilt es Petrus als ein grosse
Sünde / damit man GOtt verlestere / vnd versuche. Darumb ist es der Apostel
meinung / daß diese Freyheit in der Kirchen bleiben sol / daß keine Ceremonien /
weder das Gesetz Mosi / noch andere Satzunge / sollen als nötige Gottesdienst
geschetzt werden / wie etliche Ceremonien im Gesetz Mosi / als nötig / musten im
Alten Testament ein zeitlang gehalten werden. Darumb müssen wir auch wehren /
daß die Predigt von der Gnade / vnd von Christo / von Vergebung der Sünde / aus
lauter Gnade / nicht vnterdruckt werde / vnd der schedliche Irrthumb einreisse /
als seyn die Satzungen nötig from für Gott zu seyn.
Es haben Gerson, vnd viel andere trewe fromme Leute /
welche vber die grossen fehrligkeit der Gewissen mitleiden getragen / Epijkian vnd linderung gesucht / wie man doch darinne
den Gewissen helffen möchte / daß sie durch die Tradition nicht so in
manchfeltig wege gemartert würden / vnd haben nichts gewisses finden können /
den Gewissen aus den Banden zu helffen. Die heilige Schrifft / vnd die Aposteln
aber / seyn kurtz hindurch gangen / vnd schlecht mit einem striche alles
quittirt / vnd klar dürre heraus gesagt / daß wir in Christo frey ledig seyn von
allen Tradition / sonderlich wenn man dadurch Seligkeit vnd Vergebung der Sünden
zu erlangen suchet. Darumb lehren auch die Aposteln / daß man der schedlichen
Phariseischen Lehre sol widerstreben mit lehren / vnd mit dem gegen Exempel.
Darumb lehren wir / daß solch Satzungen nicht gerecht machen für GOtt / daß sie
auch nicht noth seyn zur Seligkeit / daß auch niemands solche Satzunge machen
oder annemen sol / der meinung / daß er wolle für Gott dadurch gerecht werden.
Wer sie aber halten wil / der halte sie / wie ich ein ander Stadt gebrauch
möchte halten / da ich wohne / ohn alle vertrawen / dadurch Gerecht zu werden
für Gott / als / daß ich bey den Teutschen Teutsche Kleydung trage / bey den
Wahlen Welsche / halte ich als ein Landbrauch / nicht dadurch Selig zu werden.
Die Aposteln / wie das Euangelium anzeigt / brechen frisch solche Satzungen / vnd
werden von Christo derhalben gelobt. Denn man muß es nicht allein mit lehren /
predigen / sondern auch mit der
|| [ID00516]
that den Phariseern anzeigen
vnd beweisen / daß solche Gottesdienst nichts nütze seyn zur Seligkeit. Vnd
darumb / ob die vnsern gleich etliche Tradition vnd Ceremonien nachlassen / so
sind sie doch gnugsam entschüldiget. Denn die Bischoffe foddern solchs alles
nötig zur Seligkeit / das ist ein Irrthumb / der nicht zu leiden ist.
Weiter / die Eltesten Satzungen aber in der Kirchen / als die drey hohen Feste /
etc. die Sontags Feyer / vnd dergleichen / welche vmb guter Ordnung / Einigkeit
/ vnd Friedes willen er funden / etc. die halten wir gerne. Auch so predigen die
vnsern auffs glimpfflichst gegen dem Volck dauon / allein daneben sagen sie /
daß sie für Gott nicht gerecht machen. Darumb reden die Wiedersacher jhren
Gewalt / vnd thun vns gantz für GOtt vnrecht / wenn sie vns Schuld geben / daß
wir alle gute Ceremonien / alle Ordnung in der Kirchen abbringen / vnd
niederlegen. Denn wir mögen es mit der Warheit sagen / daß es Christlicher /
ehrlicher in vnsern Kirchen / mit rechten Gottesdiensten / gehalten wird /
den̅ bey den Wiedersachern. Vnd wo Gottfürchtige / Erbare /
verstendige / vnparteische Leute seyn / die diese sache recht genaw wollen
bedencken / vnd ansehen / so halten wir die alten Canones, vnd mentem legis mehr / reiner vnd
fleissiger / den̅ die Widersacher. Denn die Widersacher tretten
vnuerschampt die aller ehrlichsten Canones mit Füssen /
wie sie den̅ Christo / vnd dem Euangelio auch thun. Die Pfaffen
vnd Mönche in Stifften mißbrauchen der Messe auffs schrecklichst vnd grewlichst
/ halten Messe täglich in grosser anzahl / allein vmb der Zinse willen / vmbs
Gelds / vmb des schendlichen Bauchs willen. So singen sie die Psalmen in
Stifften / nicht daß sie studiren / oder ernstlich beten / (den̅
das mehrertheil verstünde nicht ein Verß in Psalmen) sondern halten jhr Metten
vnd Vesper / als ein gedingten Gottesdienst / der jnen jhr Rente vn̅ Zinse tregt. Dieses alles können sie nicht leugnen / Es schemen sich auch
selbs etliche redliche vnter jnen desselbigen Jarmarckts / vnd sagen / Clerus dürffe einer Reformation.
Bey vns aber braucht das Volck des heiligen Sacraments willig / vngedrungen /
alle Sontage / welche man erst verhöret / ob sie in Christlicher Lehre
vnterricht seyn / im Vater vnser / im Glauben / in Zehen Geboten / etwas wissen
oder verstehen. Item / die Jugend vnd das Volck singet ördentlich Lateinische
vnd Teutsche Psalmen / daß sie der Sprüche der Schrifft gewohnen / vnd beten
lernen. Bey den Widersachern ist kein Catechismus, da
doch die Canones von reden / Bey vns werden die Canones gehalten / daß die Pfarrherr vnd Kirchendiener
öffentlich / vnd daheim die Kinder vnd Jugend in Gottes Wort vnterweisen. Vnd
der Catechismus ist nicht ein Kinderwerck / wie
|| [245]
Fahnen / Kertzen tragen / Sondern ein fast nützlich
Vnterrichtung.
Bey den Wiedersachern wird in vielen Lendern / als in Italien vnd Hispanien /
etc. das gantz Jahr durch nicht geprediget / den̅ allein in der
Fasten. Da solten sie schreyen / vnd billich hoch klagen / denn das heist auff
ein mal alle Gottesdienst recht vmbgestossen. Denn der allergröste / heiligste /
nöthigste / höchste Gottesdienst / welchen Gott im Ersten vnd Andern Gebot / Als
das gröste hat gefoddert / ist GOttes Wort predigen / Denn das Predigampt ist
das höchste Ampt in der Kirchen / Wo nun der Gottesdienst außgelassen wird / wie
kan da Erkentniß Gottes / die Lehre Christi / oder das Euangelium seyn? Darumb
wenn sie gleich in der Fasten / oder sonst ander zeit predigen / lehren sie
nichts / denn von solchen Menschen Satzungen / von anruffen der Heiligen / von
Weihewasser / vnd von solchen Narrenwercken / Vnd ist der Gebrauch / daß jhr
Volck bald / wenn der Text des Euangelij gesagt ist / aus der Kirchen lauffe /
welchs sich vieleicht dauon angefangen / daß sie nicht haben mügen die andern
Lügen hören. Etliche wenig vnter jhnen / heben nun auch an von guten Wercken zu
predigen. Von dem Erkentnis Christi aber / vom Glauben / von Trost der Gewissen
/ können sie nichtspredigen / Sondern dieselbigen seligen Lehre / das liebe
heilig Euangelium / nennen sie Lutherisch.
In vnser Kirchen aber werden von Predigern diese folgende nöthige Stücke mit
höchstem fleis gelehret. Von rechter Bus / von der Furcht Gottes / von dem
Glauben / was der sey / von dem Erkentnis Christi / von der Gerechtigkeit / die
aus dem Glauben kömpt. Item / Wie die Gewissen in engsten / vnd Anfechtung
sollen Trost suchen / wie der Glaube durch allerley Anfechtung muß geübet
werden. Was ein recht Gebet sey / wie man beten sol. Item / daß ein Christ gewiß
sich trösten sol / daß sein ruffen vnd bitten GOTT werde erhören im Him̅el. Von dem heiligen Creutze / von Gehorsam gegen der Obrigkeit.
Item / wie ein jeder in seinem Stande Christlich leben / vnd fahren mag / von
Gehorsam der Herrn Gebot / aller Weltlicher Ordnung vnd Gesetz. Item / Wie zu
vnterscheiden seyn / das Geistliche Reich Christi / vnd die Regiment vnd Reiche
in der Welt / von dem Ehestande / vn̅ wie der Christlich zu führen
sey / von Christlicher Zucht der Kinder / von der Keuscheit / von allerley
Wercken der Liebe gegen dem Nehesten. Also ist vnser Kirche mit Lehre vnd Wandel
bestellet / daraus vnparteische Leute wol mercken vnd abnehmen können / daß wir
Christliche rechte Ceremonien nicht abthun / Sondern mit fleis auffs trewlichst
erhalten.
|| [ID00518]
Vnd die Casteyung des Fleisches / oder alten Adams / lehren wir also / wie vnser
Confession meldet / daß die rechte Casteyung denn geschihet / wenn vns Gott den
willen bricht / Creutz vnd Trübsal zuschicket / daß wir lernen seinem willen
gehorsam seyn / wie Paulus zun Römern am 12. sagt / Begebt ewer eigen Leibe zu
einem heiligen Opffer. Vnd das sind rechte heilige Casteyung / also / in
anfechtungen lernen Gott kennen / jhnen fürchten / lieben / etc.
Vber dieselbigen Trübsaln / welche nicht in vnserm willen stehen / sind auch noch
die leiblichen Vbunge / da Christus von saget / Hütet euch / daß ewre Leibe
nicht beschweret werden mit Fressen vnd Sauffen. Vnd Paulus zu den Corinthern /
Ich zeme meinen Leib / etc. Die vbung sollen darumb geschehen / nicht daß es
nötige Gottesdienst seyn / dadurch man für Gott from werde / Sondern daß wir
vnser Fleisch im Zaum halten / damit wir durch Füllerey vnd beschwerung des
Leibs / nicht sicher vnd müssig werden / des Teuffels reitzunge / vnd des
Fleisches lüsten folgen. Dasselbige Fasten vnd Casteyen solt nicht allein auff
gewisse zeit / Sondern allezeit geschehen. Denn Gott wil / daß wir allezeit
messig vnd nüchtern leben / vnd / wie die erfahrung gibt / so helffen dazu nicht
viel bestimpte Fastentage. Den̅ man hat mit Fischen vnd allerley
Fastenspeise mehr vnkost vnd Quaserey getrieben / denn ausser der Fasten. Vnd
die Wiedersacher selbs haben die Fasten nie gehalten / der gestalt / wie sie in
Canonibus angezeigt ist.
Dieser Artickel von der Menschlichen Tradition / oder Satzunge / hat gantz viel
schwere Disputation vnd Fragen hinder sich / vnd die erfahrung hats allzu starck
geben / daß solche Satzunge rechte schwere Ketten vnd Stricke seyn / die
Gewissen jem̅erlich zu quelen. Denn wenn dieser wahn da ist / daß
sie nötig seyn zur Seligkeit / so plagen sie vber alle massen ein arm Gewissen.
Wie denn from̅e Hertzen wol erfahren / wenn sie in Horis Canonicis ein Complet außgelassen / etc. oder dergleichen
dawider gethan. Wiederumb schlecht hin die Freyheit lehren / hat auch sein
bedencken / vnd seine Frage / nach dem das gemeine Volck eusserlicher Zucht vnd
anleitung bedarff.
Aber die Wiedersacher machen diese Sache selbs gewiß / vnd schlecht. Denn sie
verdammen vns darumb / daß wir lehren / daß wir durch Menschliche Satzungen
nicht verdienen / vergebung der Sünde für Gott. Item / sie wollen jhre Satzung
durch die gantze Kirche vniuersaliter, durchaus gehalten
haben / schlechts als nötig / vnd setzen sie an Christus stat.
Da haben wir einen starcken Patron für vns / den Apostel
|| [246]
Paulum / welcher an allen orten das streitet / daß solche Satzungen für Gott
nicht gerecht machen / vnd nicht nötig seyn zur Seligkeit.
Auch lehren die Vnsern deutlich vnd klar / daß man der Christlichen Freyheit in
den dingen also gebrauchen sol / daß man für den schwachen / so solchs nicht
vnterrichtet seyn / nicht Ergernis anrichte / Vnd daß nicht etwa die jenigen /
so der Freyheit mißbrauchen / die schwachen von der Lehre des Euangelij
abschrecken. Darumb lehren auch vnser Prediger / daß ohne sondere / ohne
bewegende vrsachen / an den Kirchen breuchen nichts geendert sol werden /
Sondern vmb Friedes vnd Einigkeit willen / sol man die jenige gewonheiten halten
/ so man ohn Sünde / vnd ohne beschwerung der Gewissen halten kan. Vnd auff
diesem Augspurger Reichstag haben wir vns gleich gnug finden vnd vernehmen
lassen / daß wir vmb Liebe willen vnbeschwert seyn wolten / etliche Adiaphora mit den andern zu halten. Denn wir haben auch
bey vns wol bedacht / daß gemeine Einigkeit vnd Friede / so viel derselbigen
ohne beschwerung der Gewissen zu erhalten were / billich allen andern geringen
Sachen würde fürgezogen. Aber von dem allen wollen wir hernach weiter reden /
wenn wir von Klöstergelübden / vnd von der Potestate
Ecclesiastica handeln werden.
DEn XVI. Artickel lassen jhnen die Wiedersacher gefallen ohn alle weiter fragen /
da wir in der Confession sagen vnd lehren / daß ein Christ mit Gott vnd Gewissen
in der Obrigkeit seyn mag / Land vnd Leute regieren / Vrtheil vnd Recht sprechen
aus Keyserlichen vnd andern Landleufftigen Rechten / die Vbeltheter mit dem
Schwert / vnd sonst nach der scherffe straffen / Kriege führen / keuffen vnd
verkeuffen / Hauß / Hoff / vnd sonst eigens haben / vnd behalten / auffgelegte
Eyde in Gerichten schweren / In Summa / da wir lehren / das Obrigkeit vnd
Regiment / Item / jhr Recht vnd Straff / vnd alles was dazu gehört / seyn gute
Creaturen Gottes / vn̅ Gottes Ordnung / der ein Christ mit gutem
Gewissen brauchen mag. Dieser Artickel gefelt jhnen wol.
Dieser gantz wichtiger / nötiger Artickel / von Vnterscheid des Geistlichen
Reichs Christi / vnd Weltlichen Reichs / welcher fast nötig ist zu wissen / ist
durch die vnsern gantz eigentlich / richtig / vnd klar geben / vielen Gewissen
zu mercklichem grossem Trost.
Denn wir haben klar gelehret / daß Christi Reich Geistlich ist / da er regiert
durch das Wort vnd die Predigt / wircket durch den heiligen Geist / vnd mehret
in vns Glauben / Gottes furcht / Liebe / Ge
|| [ID00520]
dult
inwendig im Hertzen / vnd fehet hie auff Erden in vns GOttes Reich / vnd das
ewige Leben an. So lange aber dis Leben wehret / lest er vns nichts desto
weniger brauchen der Gesetze / der Ordnung vnd Stende / so in der Welt gehen /
darnach eines jedern Beruff ist / gleich wie er vns lest brauchen der Ertzeney /
Item / bawens vn̅ pflantzens / der Lufft / des Wassers.
Vnd das Euangelium bringet nicht new Gesetz im Weltregiment / Sondern gebeutet
vnd wil haben / daß wir den Gesetzen sollen gehorsam seyn / vnd der Obrigkeit /
darunter wir wohnen / es seyn Heyden oder Christen / vnd daß wir in solchem
gehorsam vnser Liebe erzeigen sollen. Denn Carolostadius
war in diesem Fall gar toll vnnd töricht / daß er lehret / Man solt nach dem
Gesetz Mosi die Stadt vnd Landregiment bestellen.
Von diesem stücke haben die Vnsern darumb desto fleissiger geschrieben / denn die
Mönche hatten viel vnd gantz schedliche jrrthumb gelehret in der Kirchen. Denn
sie haben dieses ein Euangelisch leben genent / daß man nicht eigens hette / daß
man nicht Straff vnd Rach vbet / daß man nicht Weib vnd Kind hette. Solche Lehre
haben die reine Euangelische Lehre gantz vnterdruckt / daß man gar nicht
verstanden hat / was Christlich oder das Geistlich Reich Christi sey / vnd haben
Weltlich vnd Geistlich Reich in einander gekocht / daraus viel vnrahts vnd
auffrhürischer schedlicher Lehre erfolget / etc. Denn das Euangelium zureisset
nicht Weltlich Regiment / Haußhaltung / keuffen / verkeuffen / vnd ander
Weltlich Policey / sondern bestetigt Obrigkeit vnd Regiment / vnd befihlet
denselbigen gehorsam zu seyn / als Gottes Ordnung / nicht allein vmb der Straff
willen / sondern auch vmb des Gewissens willen.
Iulianus Apostata, Celsus, vnd etliche andere / die haben
den Christen fürgeworffen / daß jhr Euangelium / die Weltregiment vnd Politien
zurisse / vnd zurüttet / dieweil es verböte / man solt sich nicht rechen / vnd
dergleichen. Vnd dieselbigen Fragen haben Origeni vnd
Nazianzeno, vnd etlichen andern / viel zu thun
gemacht / so man doch leichtlich darauff antworten kan / wenn wir allein wissen
/ daß die Euangelische Lehre nicht newe Gesetz macht von Weltregimenten /
Sondern prediget Vergebung der Sünde / vnd daß das Geistlich Reich vnd ewig
Leben in Hertzen der Gleubigen anfehet.
Das Euangelium aber lest nicht allein bleiben dieselbigen eusserlichen Policeyen
/ Weltregiment / vnd Ordnung / sondern wil auch / daß wir solchen sollen
gehorsam seyn / gleich wie wir in diesem zeitliche̅ Leben gehorsam
vnd vnterworffen seyn sollen / vnd müssen / gemei
|| [247]
nem lauff der Natur / als Gottes Ordnung / Wir lassen es Winter vnd
Sommer werden / etc. das hindert nichts am Geistlichen Reich.
Das Euangelium verbeut allein priuatam vindictam, daß
niemand der Obrigkeit in jhr Ampt greiffe. Vnd das zeigt Christus darumb so offt
an / daß die Aposteln nicht dechten / sie solten Weltherrn werden / vnd die
Königreiche vnd Obrigkeit den jenigen nemen / die die zeit in Herrschafften
waren / wie denn die Jüden vom Reich des Meßiae gedachten / Sondern daß sie
wüsten / daß jr Ampt were zu predigen vom Geistlichen Reich / nicht einiges
Weltregiment zuverendern / derhalben ist das Gebot / da Christus verbeut sich
selbs zu rechen / nicht allein ein Raht / sondern ein ernst Gebot / Matthaei am
5. vnd Roman. am 12.
Die Rache aber vnd Straff des argen / so von Obrigkeit geschihet / ist damit
nicht verboten / sondern viel mehr geboten / Denn es ist Gottes Werck / wie
Paulus Roman. 13. sagt. Dieselbige Rache geschihet / wenn man Vbeltheter
straffet / Krieg füret vmb gemeines Friedens willen / des Schwerts / der Pferde
/ vnd Harnisch brauchet / etc. Von den dingen haben etliche Lehrer solche
schedliche Irrthumb gelehret / daß gar nahe alle Fürsten / Herrn / Ritter /
Knechte / jhren Stand für Weltlich / Vngöttlich vnd verdampt gehalten / etc. Vnd
ist nicht wol mit worten außzureden / was vnsegliche Fahr vnd schaden der Seelen
vnd Gewissen daraus geursachet. Denn man hat gelehret / als sey das Euangelium /
vnd die Christliche Lehre eitel Mönche leben / vnd haben nicht gesehen / daß das
Euangelium lehret / wie man für Gott vnd im Gewissen von der Sünde / Helle / dem
Teuffel erlöset wird / vnd lest auswendig der Welt jhr Regiment in eusserlichen
dingen.
So ist das auch ein lauter Lügen / vnd betrug gewesen / daß sie gelehret haben
vnuerschampt / daß die Christliche volkommenheit stehe darinne / daß man nichts
eigens habe. Denn Christliche volkommenheit stehet nicht darinne / daß ich mich
eusserlich from stelle / vnd von dem Weltwesen mich absondere / Sondern der
Glaube / vnd rechte Gottes Furcht im hertzen / ist die volkommenheit / denn
Abraham / Dauid / Daniel sind in Königlichem Stande / grossen Fürsten Rehten vnd
Emptern gewesen / Haben auch grosse Reichthümer gehabt / vnd sind doch heiliger
/ volkomener gewesen / denn je ein Münch oder Cartheuser ist auff Erden kommen.
Aber die Mönche / sonderlch Barfüsser / haben den Leuten ein schein für den Augen
gemacht / darüber hat niemands gewust / worinne die rechte Heiligkeit stünde.
Denn wie hoch Euangelisch /
|| [ID00522]
wie für gros Heiligkeit haben die
Mönche allein dieses gerhümet / daß man nicht eigens haben solt / daß man solt
willig arm seyn. Aber dasselbige sind gar schedliche Lehre / nach dem die
Schrifft nichts danon meldet / sondern stracks dawieder lehret. Die Zehen Gebot
Gottes sagen klar / Du solt nicht stelen. Da lest ja Gott nach / daß ein jeder
das sein habe.
In diesem Stücke hat VViclefus gar gewütet / da er hat
darauff gedrungen / kein Bischoff noch Pfaffe solt eigens haben. So sind
vnzehliche / verworne Disputation von Contracten / da Christliche Gewissen
nimmermehr können gestillet werden / sie sind denn dieses nötigen Stücks
vnterricht / daß ein Christ mit gutem Gewissen sich halten mag / nach Landrecht
vnd Gebrauch. Denn dieser vnterricht errettet viel Gewissen / da wir lehren /
daß die Contract / so fern für Gott ohne Fahr seyn / so fern sie in gemeinen
Rechten / vnd Landgebreuchen / welche den Rechten gleich gelten / angenommen
seyn.
Dieser hohe nötige Artickel / Nemlich / von Obrigkeit / von Weltgesetzen / ist
von den vnsern gantz klar vnd richtig geben / Also / daß viel grosser / hoher /
erbarer Leute / die nach jhrem Stande mit Regimenten müssen vmbgehen / vnd in
grossen Hendeln seyn / bekennen / daß jhr Gewissen mercklichen Trost empfangen
haben / welche zuuor durch solche Irrthumb der Mönche vnsegliche Quaal erlitten
/ vnd in zweiffel stunden / ob jhre Stende auch Christlich weren / vnd ob das
Euangelium solchs nachliesse.
Dieses haben wir darumb erzehlt / daß auch die frembden / Feind vnd Freund
verstehen mügen / daß durch diese Lehre / die Obrigkeit / Landregiment /
Keyserlich Recht / vnd ander nicht nieder gestossen / Sondern viel mehr hoch
gehaben / vnd geschützt wird / daß auch diese Lehre erst recht Vnterricht gibt /
wie ein herrlich gros Ampt / voll Christlicher guter Werck / das Ampt der
Regiment ist / etc. Welches alles zuuor durch die Heuchelische Münchs Lehre /
für Sündliche Weltliche Stende / Leben vnd Wesen zu vnseglicher Fehrligkeit des
Gewissens gehalten ist worden. Denn die Mönche haben solche Heucheley ertichtet
/ jhr Demuth vnd Armuth viel höher gerhümet vnd gehalten / denn Fürsten vnd
Herrn / Vater / Mutter / Haußvaterstand / so doch diese Stende GOttes Worts
Befehl haben / die Möncherey kein Befehl Gottes hat.
DEn XVII. Artickel nehmen die Widersacher an / da wir beken̅en /
daß Christus am Jüngsten tage kom̅en werde / die Todten
aufferwecken / den Frommen das ewig Leben / vnd Frewd geben / die Gottlosen zu
ewiger Pein mit dem Teuffel verdam̅en.
|| [248]
DEn XVIII. Artickel nemen die Widersacher an / vom Freyen Willen / wiewol sie
etliche Sprüche der Schrifft anziehen / die sich zu der Sache nicht reimen /
Auch machen sie ein gros geschrey dauon / daß man den Freyen Willen nicht solle
zu hoch heben / wie die Pelagianer / So sol man jhm nicht zu viel nehmen / mit
den Manicheern / ja alles wol geredt. Was ist aber für vnterscheid zwischen den
Pelagianern / vnd vnsern Wiedersachern? So sie beyde lehren / daß die Menschen
ohne den heiligen Geist können Gott lieben / Gottes Gebot halten / quò ad substantiam actuum, das ist / Die Werck können
sie thun durch Natürlich Vernunfft / ohn den heiligen Geist / dadurch sie die
Gnade Gottes verdienen.
Wie viel vnzehlich Irrthumb erfolgen aus dieser Pelagianischen Lehre / die sie
gleichwol in jhren Schulen gar starck treiben / vnd predigen. Dieselbigen
Irrthumb wiederficht Augustinus aus Paulo auffs
hefftigest / welchs meynung wir oben de Iustificatione
gesetzt. Vnd wir sagen auch / daß die Vernunfft etlicher maß einen Freyen Willen
hat. Den̅ in den dingen / welche mit der Vernunfft zu fassen / zu
begreiffen seyn / haben wir einen Freyen Willen. Es ist etlicher maß in vns ein
vermügen / eusserlich erbar zu leben / von Gott zu reden / ein eusserlichen
Gottesdienst / oder heilig Geberde zu erzeigen / Obrigkeit vnd Eltern zu
gehorchen / nicht stelen / nicht tödten.
Denn dieweil nach Adams Fall / gleichwol bleibet die Natürlich Vernunfft / daß
ich Böses vnd Gutes kenne in den dingen / die mit Sinnen vnd Vernunfft zu
begreiffen seyn / So ist auch etlicher massen vnsers Freyen Willen vermügen /
Erbar oder vnerbar zuleben. Das nennet die heilige Schrifft die Gerechtigkeit
des Gesetzs oder Fleisch / welche die Vernunfft etlicher maß vermag / ohne den
heiligen Geist / wiewol die angeborne böse Lust so gewaltig ist / daß die
Menschen öffter denselben folgen / den̅ der Vernunfft / vnd der
Teuffel / welcher / wie Paulus sagt / krefftiglich wircket / in den Gottlosen /
reitzet ohn vnterlaß die arme / schwache Natur zu allen Sünden.
Vnd das ist die Vrsache / warumb auch wenig der Natürlichen Vernunfft nach / ein
erbar Leben führen / wie wir sehen / daß auch wenig Philosophi, welche doch darnach hefftig sich bemühet / ein Erbar /
eusserlich Leben recht geführt haben. Das ist aber falsch vnd erticht / daß die
jenigen solten ohne Sünde seyn / die solche Werck thun / ausserhalben der Gnaden
/ Oder / daß solche gute Wercke de congruo Vergebung der
Sünde vnd Gnade verdienen solten. Den̅ solche Hertzen / die ohn
den Heiligen Geist seyn / die sind ohne GOttes Furcht / ohn Glauben / Vertrawen
/ gleuben nicht / daß Gott sie erhöre / daß Er
|| [ID00524]
jhr Sünde
vergebe / daß Er jhnen in Nöthen helffe / darumb sind sie Gottlos.
Nun kan ein böser Baum nicht gute Früchte tragen / vnd ohn Glauben kan niemands
GOTT gefallen. Darumb / ob wir gleich nachgeben / daß in vnserm vermügen sey /
solch eusserlich Werck zu thun / so sagen wir doch / daß der Freye Wille vnd
Vernunfft in Geistlichen Sachen nichts vermag / Nemlich / Gott warlich gleuben /
gewiß sich zu verlassen / daß Gott bey vns sey / vns erhöre / vnser Sünde
vergebe / etc. Denn das sind die rechten / hohen / edelsten Guten Wercke / der
ersten Taffel in Zehen Geboten / die vermag kein Menschen Hertz / ohn des
heiligen Geistes Liecht vnd Gnad / wie Paulus sagt zu den Corinthern: Der
Natürlich Mensch vernimpt nichts vom Geist Gottes / das ist / Ein Mensch / der
nicht erleucht ist durch Gottes Geist / vernimpt gar nichts aus Natürlicher
Vernunfft von Gottes willen / oder Göttlichen Sachen.
Vnd das empfinden die Menschen / wenn sie jhr Hertz fragen / wie sie gegen Gottes
Willen gesinnet seyn / Ob sie auch gewiß dafür halten / daß Gott jhrer warnehme
/ vnd sie erhöre. Den̅ solchs gewiß zu gleuben / vnd also auff ein
vnsichtbarn Gott sich gantz wagen vnd verlassen / vnd wie Petrus sagt: Den
Christum / den wir nicht sehen / lieben vnd gros achten / das kömpt auch den
Heiligen schweer an / wie solt es denn in Gottlosen leicht seyn? Denn aber heben
wir an recht zu gleuben / wenn vnser Hertzen erst erschrecket werden / vnd durch
Christum wieder auff gericht / da wir durch den heiligen Geist new geborn werden
/ wie oben gesagt.
Darumb ists gut / daß man dieses klar vnterscheidet / Nemlich / daß die Vernunfft
vnd Freyer Wille vermag etlicher maß eusserlich erbar zu leben / aber new geborn
werden / inwendig ander Hertz / Sin̅ / vnd Muth kriegen / das
wircket allein der Heilig Geist / Also bleibt Weltlich eusserlich Zucht / den̅ Gott wil vngeschickts / wildes / freches Wesen vnd Leben nicht
haben / vnd wird doch ein recht vnterscheid gemacht / vnter eusserlichem
Weltleben / vnd Frömbkeit / vnd der Frömkeit die für Gott gilt / die nicht
Philosophisch eusserlich ist / sondern inwendig im Hertzen.
Vnd diese vnterscheid haben wir nicht erticht / sondern die heilige Schrifft
setzet solchs klar / so handelts auch Augustinus, Vnd
ist newlich von Guilhelmo Parisiensi auch fleissig
geschrieben vnd gehandelt. Aber die jenigen / die jhnen selbst ertichten vnd
ertrewmen / als vermögen die Menschen GOttes Gesetz zu halten / ohne den
Heiligen Geist / vnd als werde der heilige Geist vns Gnade geben / in ansehung
|| [249]
vnsers Verdienstes / haben diese nöthige Lehre
schedlich vnterdruckt.
DEn XIX. Artickel lassen jhnen die Wiedersacher gefallen / da wir lehren / Daß /
wiewol der einig Gott die gantze Welt / vnd gantze Natur geschaffen hat / vnd
alle Stunde / alle Creaturn erheltet / so ist er doch nicht ein vrsach der Sünde
/ sondern der böse Wille in Teuffeln vnd Menschen / der sich von Gott abkehret /
der ist ein vrsach der Sünde / wie Christus sagt von dem Teuffel / wenn er Lügen
redet / so redet er aus seinem eigen.
IM XX. Artickel setzen sie klar diese Wort / Daß sie vnsere Lehre verwerffen vnd
verdammen / da wir sagen / daß die Leute durch gute Wercke nicht verdienen
vergebung der Sünde. Das mercke jederman wol. Eben den Artickel verdammen vnd
verwerffen sie mit klaren worten. Was ist nun noth in dieser öffentlichen Sachen
viel Wort zu machen? Die grossen Doctores vnd Meister
der Confutation / geben da öffentlich an Tag / was für ein Geist aus jhnen
redet. Denn in der Christlichen Kirchen ist das kein geringer Artickel / Sondern
der aller höhest vnd Heuptartickel / daß wir Vergebung der Sünde erlangen / ohn
vnsern verdienst durch Christum / vnd daß nicht vnsere Wercke / Sondern Christus
sey die Versünung für vnsere Sünde / wie Petrus sagt: Dem JEsu geben Zeugniß
alle Propheten / daß wir Vergebung der Sünde erlangen / alle / die an Ihn
gleuben.
Solch starck Zeugniß aller heiligen Propheten / mag billich ein Beschluß heissen
der Catholicae Christlichen Kirchen. Denn auch ein
einiger Prophet gar gros bey GOtt geacht / vnd ein Weltschatz ist derselbigen
heiligen Kirchen / vnd dem eintrechtigen Munde aller Propheten / sollen wir
billicher gleuben / denn den heilosen / Gottlosen Sophisten / so die Confutation
gemacht haben / vnd Christum so vnuerschampt lestern. Denn wiewol etliche Lehrer
also auch dauon geschrieben / daß wir hernach / wenn vns die Sünde vergeben ist
/ nicht durch den Glauben / sondern durch vnser eigen Werck Gnade erlangen / So
haben sie doch das nicht gehalten / daß die Vergebung der Sünde an jhr selbst /
vmb vnser Werck willen / vns wiederfahre / vnd nicht vmb Christus willen.
Darumb ist es ein grewliche Gotteslesterung / die Ehre Christi also vnsern
Menschen Wercken zu geben. Vnd wir vertrösten vnd versehen vns zu Keyserlicher
Majestet / vnd auch andern Fürsten / dieser Keyserlichen Fürstlichen Tugend /
daß sie so öffentliche Vn
|| [ID00526]
warheit / vnd Vngrund /
dadurch für aller Welt / Gott vnd das Euangelium gelestert wird / in keinem weg
würden in der Confutation / wenn sie verwarnet weren / gelassen haben / Denn daß
dieser Artickel gewißlich Göttlich vnd wahr ist / Vnd daß dis die heilige
Göttliche warheit sey / künten wir hie gar nahe vnzeliche Sprüche der Schrifft
fürbringen / auch aus den Vätern. Vnd ist gar nahe kein Syllabe / kein Blat in
der Bibel / in den fürnemsten Büchern der heiligen Schrifft / da das nicht klar
gemeldet were. Wir haben oben auch viel von diesen stücken gesagt / vnd
Gottfürchtige / fromme Hertzen / die da wol wissen / warumb Christus geben ist /
die da nicht für aller Welt Güter vnd Königreiche emperen wolten / daß Christus
nicht vnser Schatz / vnser einiger Mittler vnd Versüner were / die müssen sich
hie entsetzen vnd erschrecken / daß Gottes heilig Wort vnd Warheit / so
öffentlich von armen Menschen verachtet vn̅ verdampt wird.
Esaias der Prophet sagt: Der HERR hat auff Ihn gelegt vnser aller Sünde / Die
Wiedersacher aber lügenstraffen Esaiam vnd die gantze Bibel vnd Schrifft / vnd
sagen / Er habe vnser Sünde auff vns / vnd vnsere Wercke / vnd bettelische
Gnugthuung gelegt. Ich wil den̅och hie schweigen der Kindischen
Wercke / Rosenkrentzen / Wallfarten / etc. vnd dergleichen.
Wir sehen gar wol die ernstliche Mandat / vnd das Keyserliche Edict wieder vns /
vnd vnsere Lehre außgangen / deß solten wir billich erschrecken / wenn wir von
leichten geringen Sachen / oder von Sachen / die in zweiffel stünden / zu
handeln hetten / Nach dem wir aber (Gott Lob) durch Gottes Wort in vnsern
Hertzen vnd Gewissen deß gantz ohn allen zweiffel für Gott gewiß seyn / daß die
Wiedersacher verdam̅en die öffentliche / Göttliche Warheit / vnd
die rechte Christliche / selige / heilige Lehre / ohn welche kein Christliche
Kirche jrgend seyn kan / welche ein jeder Christ / so fern sein Leib vnd Leben
reicht / schüldig ist zu der Ehr Gottes zu bekennen / zu retten / vnd zu
schützen.
So lassen wir vns von solcher heilsamer Lehre nicht abschrecken. Denn wer wolt
jhm doch nicht wüntschen an seinem letzten ende / daß er in Erkentiß des
Artickels sterben möcht / daß wir Vergebung der Sünde durch den Glauben / ohn
vnser Verdienst vnd Wercke / durch das Blut Christi erlangen.
Es gibt die Erfahrung / wie die Mönche selbs bekennen müssen / daß sich die
Gewissen nich lassen stillen noch zu frieden bringen / denn durch den Glauben an
Christum / vnd die Gewissen können keinen rechten bestendigen Trost haben / in
den grossen Engsten an der Todsstunde / vnd in Anfechtung wieder das grosse
schrecken des Tods / der
|| [250]
Sünde / wenn sie nicht an
die Zusage der Gnaden in Christo sich halten. Auch können sie keinen bestendigen
Trost haben / wieder den Teuffel / welcher denn erst starck die Hertzen drenget
/ engstet / vnd zur Verzweiffelung reitzet / vnd alle vnser Wercke in einem
Augenblick / wie den Staub / hinweg bleset / wenn sie nicht an dem Euangelio an
dieser Lehre fest halten / daß wir ohn vnsern Verdienst / durch das thewre Blut
Christi / Vergebung der Sünde erlangen. Denn der Glaub allein erquicket vnd
erhelt vns in dem grossen Todskampff / in den grossen engsten / wenn kein
Creatur helffen kan / ja wenn wir ausserhalb dieser gantzen sichtlichen Creatur
/ von dan̅en in ein ander Wesen vnd Welt sollen abscheiden vnd
sterben.
Darumb ist es ein Sache / die warlich der rede werth ist / vmb welcher willen ein
jeder Christ von Hertzen gern / alles wagen / vnd in Fahr setzen sol. Darumb
alle die jenigen / so dieser vnser Confession anhangen / dürffen sich nicht
schrecken oder jrren lassen / Sondern mögen in aller Freidigkeit auff GOTT vnd
den HERRN Christum es getrost vnd frölich wagen / vnd diese öffentliche Warheit
wieder alle Welt / Tyranney / Zorn / drewen / schrecken / auch wieder alles
Tyrannisch täglich Morden vnd verfolgen / frölich bekennen. Denn wer wolt jhm
doch solchen grossen / ja ewigen Trost / daran der gantzen Christlichen Kirchen
alles Heyl gelegen ist / nehmen lassen.
Wer die Bibel in die Hand nimpt / vnd mit ernst lieset / der mercket bald / daß
allenthalben in der Schrifft diese Lehre gegründet ist. Denn Paulus sagt klar /
Roman. 3. vnd 4. Daß die Sünde ohn Verdienst / vmb Christus willen vergeben
werden / Darumb sagt er / Wir werden gerecht durch den Glauben ohn Verdienst /
daß die Verheissung fest stehe / das ist / So die Verheissung aus vnsern Wercken
were / so were sie nicht fest. Vnd wenn die Gnade oder Vergebung der Sünde geben
würde / vmb vnser Werck willen / wenn würden wir denn gewiß / daß wir Gnade
erlanget hetten? Wenn wolt das Gewissen ein solch Werck finden / das gnug were
Gottes Zorn zu versünen. Wir haben hie oben dauon gnug gesagt / da mag ein jeder
Sprüche der Schrifft / so diese Lehre gründen / suchen. Denn an diesem ort hat
mich bewegt / so hefftig zu klagen / die grewliche vnuerschampt / vbermacht /
fürgefaste Boßheit der Wiedersacher / da sie mit klaren worten setzen / daß sie
diesen Artickel verwerffen / daß wir Vergebung der Sünde erlangen / nicht durch
vnser Werck / Sondern ohn Verdienst / durch den Glauben an Christum.
Die Widersacher führen auch etliche Sprüche der Schrifft ein /
|| [ID00528]
warumb sie diesen Artickel verdammen / Nemlich bringen sie den Spruch Petri
herfür: Fleisset euch ewren Beruff fest zu machen / durch gute Werck / etc. Da
siehet jederman / daß vnser Wiedersacher jhr Geld nicht vbel angelegt / da sie
Dialecticam studiret haben. Den̅ sie
mögen die Sprüche der Schrifft gereimet / vngereimt / schließlich /
vnschließlich / wie sie wollen / vnd wie es jhnen gefellet / einführen. Denn
also schliessen sie / Petrus sagt: Fleisset euch durch gute Wercke / ewern
Beruff fest zu machen / Darumb verdienen wir durch Wercke Vergebung der Sünde.
Es ist warlich ein fein Argumentation / als wenn einer spreche von einem
Beklagten im Halßgericht / welchem das Leben gefristet were / Der Richter hat
geboten / daß der forthin sich solcher Vbelbelthat sol enthalten / Darumb so hat
er verdienet mit solchem enthalten / daß jhm das Leben gefristet ist. Also
argumentiren / das heist non ex causa, causam machen.
Denn Petrus redet von guten Wercken vnd Früchten / die da folgen dem Glauben /
vnd lehret / warumb man sie thun solle / Nemlich / daß wir vnsern Beruff fest
machen / Das ist / daß wir nicht wiederumb vom Euangelio fallen / wen̅ wir wiederumb sündigten / wil sagen / Thut gute Werck / daß jhr
bey dem Euangelio / bey ewerm Himlischen Beruff bleibt / daß jhr nicht wieder
abfallet / kalt werdet / verlieret Geist vnd Gaben / die euch aus Gnaden durch
Christum wiederfahren sind / nicht vmb der folgenden Werck willen. Den̅ in dem Beruff bleibt man fest durch den Glauben / Vnd der Glaube
vnd heilig Geist bleibt in den jenigen nicht / die Sündlich Leben führen.
Der Sprüche vnd Zeugniß setzen sie mehr / die sich eben so wol reimen. Dazu
dürffen sie sagen / daß diese Meynung für Tausent Jahren zu Augustinus Zeiten
verdammet sey / das ist nicht wahr / sondern ein Lügen. Denn die Christliche
Kirche hat allzeit gehalten / daß Vergebung der Sünde ohn Verdienst vns
wiederfahre / vnd die Pelagiani sind darumb verdampt /
die da sagten / Die Gnade würde vns geben vmb vnser Werck willen.
Wir haben oben gnug angezeigt / daß wir auch lehren / daß / wo Glaube ist / da
sollen gute Früchte vnd gute Wercke folgen. Denn wir thun das Gesetz nicht ab /
sondern richten es auff / Wie Paulus sagt / Denn wenn wir durch Glauben den
Heiligen Geist empfangen haben / so folgen gute Früchte / da nehmen wir denn zu
in der Liebe / in Gedult / in Keuschheit / vnd andern Früchten des Geistes.
|| [251]
Von anruffen der Heiligen.
DEn XXI. Artickel verdammen die Wiedersacher gantz / daß wir von anruffen der
Heiligen nichts lehren / vnd sie handeln kein Stück so gar mit weitleufftigem
Geschwetze / vnd richten doch nichts aus / denn daß sie sagen / Man solle die
Heiligen ehren. Item / Sie probieren / Die lebendigen Heiligen beten einer für
den andern / daraus schliessen sie / daß man die todten Heiligen solle vnd müsse
anruffen.
Sie ziehen an Cyprianum, der hab Cornelium, da er noch gelebet / gebeten / daß er / wenn er gestorben
were / für die Brüder bitten wolte. Damit beweisen sie / daß man die Todten
Heiligen müsse anruffen. Auch ziehen sie an Hieronymum
wieder Vigilantium, vnd sagen: In dieser Sache hat vor
Tausent Jahren Hieronymus Vigilantium vberwunden.
Also gehen sie vberhin / meynen sie haben weit gewonnen / vnd sehen die groben
Esel nicht / daß in Hieronymo wieder Vigilantium kein Syllabe stehet / von anruffen der Heiligen. Hieronymus redet nicht von anruffen der Heiligen /
sondern von Heiligen ehren. Auch so haben die alten Lehrer vor Gregorius zeiten
/ des anruffens der Heiligen nicht gedacht. Vnd die Anruffung der Heiligen / wie
auch die Applicatio des Verdiensts der Heiligen / dauon
die Wiedersacher lehren / hat gar kein Grund in der Schrifft.
In vnser Confession leugnen wir nicht / daß man die Heiligen ehren sol. Denn
dreyerley Ehre ist / damit man die Heiligen ehret. Für das erst / daß wir Gott
dancksagen / daß er vns an den Heiligen Exempel seiner Gnaden hat dargestellet /
daß er hat Lehrer in der Kirchen / vnd andere Gaben geben / vnd die gaben / weil
sie gros seyn / sol man sie hoch preisen / auch die Heiligen selbs loben / die
solcher Gaben wol gebraucht haben / wie CHristus im Euangelio lobet die trewen
Knechte.
Die ander Ehre / so wir den Heiligen thun mügen / daß wir an jhrem Exempel vnsern
Glauben stercken / als wen̅ ich sehe / daß Petro
|| [ID00530]
aus so reicher Gnade die Sünde vergeben ist / da er Christum verleugnet /
wird mein Hertz vnd Gewissen gesterckt / daß ich gleube / daß die Gnade
mechtiger sey / denn die Sünde.
Für das dritt / ehren wir die Heiligen / wenn wir jhrem Glauben / jhrer Liebe /
jhrer Gedult Exempeln nachfolgen / ein jeder nach seinem Beruff.
Von dieser rechten Ehre der Heiligen / reden die Wiedersacher gar nichts / allein
von den anruffen der Heiligen / welchs / wenn es auch ohn Fehrligkeit der
Gewissen were / doch nicht noth ist / da zancken sie von.
Darüber so geben wir jhnen nach / daß die Engel für vns bitten. Denn Zachar. 1.
stehet geschrieben / daß der Engel bitt: HERR Zebaoth / wie lange wiltu dich
nicht erbarmen vber Jerusalem? Vnd wiewol wir nachgeben / daß gleich / wie die
lebendigen Heiligen für die gantzen Kirchen bitten in gemein oder in genere, Also mügen für die gantzen Kirchen die
Heiligen im Himmel bitten in gemein / in genere, doch
hat solchs kein Zeugniß in der Schrifft / denn allein den Trawm / der genommen
ist aus dem andern Buch Machabeorum.
Weiter / Ob die Heiligen gleich beten für die Kirchen / so folget doch daraus
nicht / daß man die Heiligen solle anruffen / wiewol vnser Confession allein dis
setzet / In der Schrifft stehe nichts von dem anruffen der Heiligen / oder / daß
man Hülff suchen solle bey den Heiligen. So man nu weder Gebot / noch Zusage /
noch Exempel aus der Schrifft mag fürbringen / so folget / daß kein Hertz noch
Gewissen darauff sich verlassen kan. Denn dieweil ein jeglich Gebet sol aus dem
Glauben geschehen / Woher wil ich denn wissen / daß Gott jhm gefallen lesst /
anruffen der Heiligen / wenn ich nicht Gottes Wort dauon habe? Wodurch werde ich
gewiß / daß die Heiligen mein Gebet / vnd eins jeden besonder hören?
Etliche machen schlechts Götter aus den Heiligen / vnd sagen / Sie können vnser
Gedancken wissen / vnd vns ins Hertz sehen. Dasselbige ertichten sie / nicht daß
sie damit die Heiligen ehren / Sondern daß sie jhr Kretzschmerey vnnd Jahrmarckt
/ welcher jhnen Gelt tregt / vertheidingen. Wir sagen noch wie vor / in GOTTES
Wort / in der Schrifft / stehet nichts / daß die Heiligen vnser anruffen
verstehen / Vnd / ob sie es verstünden / daß Gott jhm solch anruffen gefallen
lasse / So hats je kein grund / dawieder können die Wiedersacher nichts
auffbringen / Darumb solten die Wiedersacher vns zu vngewissen dingen nicht
zwingen oder dringen / Denn ein Gebet ohn Glauben ist nicht ein Gebet. Denn daß
sie sagen / die Kirche
|| [252]
habe es in Gebrauch / so ists
doch gewiß / daß solches ein new Brauch in der Kirchen ist. Denn die alten
Collecten / ob sie wol der Heiligen gedencken / so ruffen sie doch die Heiligen
nicht an.
Darüber reden die Wiedersacher nicht allein von anruffen der Heiligen / sondern
sagen auch / daß Gott der Heiligen Verdienst annehme für vnsere Sünde / vnd
machen also aus den Heiligen nicht allein Fürbitter / sondern Mittler vnd
Versüner. Das ist nun gar nicht zu leiden / denn da geben sie die Ehre / so
Christo allein gebührt / den Heiligen. Denn sie machen aus jhnen Mittler vnd
Versüner.
Vnd wiewol sie wollen vnterscheid machen vnter Mittlern / die für vns bitten /
vnd dem Mittler / der vns erlöset / vnd Gott versünet hat / so machen sie doch
aus den Heiligen Mittler / dadurch die Leute versünet werden. Vnd daß sie sagen
/ die Heiligen sind Mittler für vns zu bitten / das sagen sie auch ohn alle
Schrifft / vnd wenn man schon dauon auffs glimpfflichest reden wil / so wird
doch Christus vnd seine Wolthat / durch solche Lehre vnterdrucket / vnd
vertrawen da auff die Heiligen / da sie auff Christum vertrawen solten. Denn sie
ertichten jhnen selbs einen Wahn / als sey Christus ein strenger Richter / vnd
die Heiligen gnedige / gütige Mittler / fliehen also zu den Heiligen / scheuhen
sich für Christo / wie für einem Tyrannen / Vertrawen mehr auff die Güte der
Heiligen / den̅ auff die Güte Christi / Lauffen von Christo / vnd
suchen der Heiligen Hülffe / Also machen sie im grund doch Mediatores redemptionis aus den Heiligen.
Derhalben wollen wir beweisen / daß sie aus den Heiligen machen / nicht allein
Fürbitter / sondern Versüner vnd Mediatores
redemptionis. Wir reden hie noch nicht von groben Mißbreuchen / wie der
gemein Pöfel / mit den Heiligen vnd Wallfarten öffentlich Abgötterey treibt /
Wir reden / was jhre Gelehrten von diesem stücke predigen / schreiben / vnd in
jhren Schulen lehren. Das ander / als die groben Mißbreuche / können auch
vnerfahrne / grobe Leute vrtheilen vnd richten.
Es gehören zwey Stücke zu einem Mittler oder Versüner / Für das erst / ein gewiß
klar Gottes Wort vnd Verheissung / daß GOtt durch den Mittler erhören wil / all
die jhn anruffen / Ein solch Göttliche Zusage stehet in der Schrifft von
Christo: Was jhr werdet bitten den Vater in meinem Namen / das wird Er euch
geben.
Von den Heiligen stehet nirgend in der Schrifft ein solche Zusage / Darumb kan
keiner bey sich gewiß schliessen / daß er auff anruffen der Heiligen erhört
werde / darumb ist solch anruffen nicht aus dem Glauben. Darüber haben wir
Gottes Wort vnd Gebot / daß
|| [ID00532]
wir sollen Christum anruffen / da
Er sagt: Kompt zu Mir alle / die jhr müheselig vnd beladen seyd / vnd Ich wil
euch erquicken. Psalm 43. Für deinem Angesicht werden anbeten alle Reichen im
Volck. Vnd Psalm. 71. Vnd werden jhn anbeten alle Könige auff Erden. Vnd bald
hernach: Sie werden täglich für jhm knien / etc. Vnd Johan. 5. sagt Christus:
Damit sie alle ehren den Sohn / wie sie ehren den Vater. Item / Thessa. 2. sagt
Paulus / da er betet / Vnser HErr Jesus Christus / vnd Gott vnser Vater /
ermahne ewer Hertzen / vnd stercke euch. Das sind eytel Sprüche von Christo.
Aber von dem anruffen der Heiligen können die Wiedersacher kein Gottes Gebot /
kein Exempel der Schrifft bringen.
Zum andern gehört zu einem Versüner / daß sein Verdienst für ander Leute bezahle
/ daß seines Verdiensts vnd Bezahlung andere teilhafftig werden / als hetten sie
selbs bezahlet. Alß / wenn ein gut Freund für den andern Schuld bezahlet / da
wird der Schüldiger durch eines andern Bezahlung / als durch sein eigen bezahlen
/ der Schuld los. Also wird vns Christi Verdienst geschenckt vnd zugerechnet /
wenn wir an jhn gleuben / gleich als were sein Verdienst vnser / daß vns also
sein Gerechtigkeit / vnd sein Verdienst wird zugerechnet / vnd wird sein
Verdienst vnser eigen.
Auff beyde stücke / Nemlich / auff die Göttliche Zusage / vnd auff Christi
Verdienst / muß ein Christlich Gebet gründen. Ein solcher Glaube an die
Göttliche Zusage / vnd auff den Verdienst Christi / gehöret zum Gebet. Denn wir
sollen gewiß dafür halten / daß wir vmb Christus willen erhöret werden / vnd daß
wir vmb seinet willen ein gnedigen Gott haben.
Da lehren nu die Widersacher / wir sollen die Heiligen anruffen / so wir dazu
weder Gebot noch Verheissung / noch Exempel in der Schrifft haben / vnd machen
doch damit / daß man grösser vertrawen auff die Heiligen setzet / denn auff
Christum / so doch Christus sagt: Kompt zu Mir / nicht zu den Heiligen.
Zum andern sagen sie / daß Gott der Heiligen Verdienst annehme für vnsere Sünde /
vnd lehren also vertrawen auff der Heiligen Verdienst / nicht auff den Verdienst
Christi / Vnd solchs lehren sie klar vom Ablaß / darinne sie der Heiligen
Verdienst außtheilen / als Satisfactiones, für vnsere
Sünde.
Vnd Gabriel, der den Canonem
Missae außlegt / der darff frey sagen / wir sollen nach der Ordnung / die
GOtt eingesetzt hat / fliehen zu den Heiligen / daß wir durch jhr Hülff vnd
Verdienst Selig werden / Diß sind die klaren wort Gabrielis. Vnd hin vnd wieder in
|| [253]
der
Wiedersacher Büchern / findet man noch viel vngeschickters vom verdienst der
Heiligen. Heist das nu die Heiligen nicht zu Versünern gemacht? Denn da werden
sie doch gar Christo gleich / wenn wir vertrawen sollen / daß wir durch jhren
Verdienst selig werden.
Wo ist aber die Ordnung von Gott eingesetzt / da Gabriel von redet / daß wir
sollen zu den Heiligen fliehen? Er bringe doch ein Wort / ein einig Exempel aus
der heiligen Schrifft. Sie machen vieleicht die Ordnung von dem Brauch / der in
Weltlichen Fürsten Höfen ist / da die Rähte des Fürsten armer Leute Sachen
fürtragen / vnd als Mittler fördern. Wie aber / wenn ein Fürst oder ein König
ein einigen Mittler bestellet / vnd wolt durch kein andern die Sachen in gnaden
hören / Oder / alle bitte durch den allein erhören? Darumb so Christus nu allein
zu einem Hohenpriester vnd Mittler gesetzt ist / Warumb suchen wir denn andere?
Was können nu hie die Wiedersacher dawieder sagen?
Es ist ein gemein Form der Absolution bis anher gebraucht / die laut also: Das
Leiden vnsers HERRN Jesu Christi / die Verdienst der Mutter Mariae vnd aller
Heiligen / sollen seyn dir zu Vergebung der Sünde. Da wird öffentlich die Absolutio gesprochen / nicht allein durch den Verdienst
Christi / Sondern auch durch Verdienst der andern Heiligen / daß wir durch
denselbigen sollen Gnad vnd Vergebung der Sünde erlangen.
Etliche aus vns haben gesehen ein Doctor der heiligen Schrifft / in agone oder an seinen letzten Zügen / dem war ein
Mönch beygeben jhn zu trösten / Nu rieff vnd schrey er dem sterbenden Menschen
nicht anders ein / denn allein dieses Gebet: Maria du Mutter der Güte vnd Gnade
/ behüte vns für dem Feinde / Vnd in der Todes Stunde nime vns auff / Maria Mater gratiae, &c.
Ob nu gleich Maria die Mutter Gottes / für die Kirchen bittet / so ist doch das
zu viel / daß sie solt den Tod vberwinden / daß sie für der grossen Gewalt des
Satans vns behüten solt. Den̅ was were Christus noth / wenn Maria
das vermöcht? Denn wiewol sie alles höchsten Lobes werth ist / so wil sie doch
nicht Christo gleich gehalten seyn / Sondern wil viel mehr / daß wir die Exempel
jhres Glaubens / vnd jhrer Demuth folgen sollen. Nu ist dis öffentlich am Tag /
daß durch solche falsche Lehre / Maria an Christus stat ist kom̅en
/ dieselbigen haben sie angeruffen / auff der Güte haben sie vertrawet / durch
die haben sie wolt Christum versünen / gleich als sey Er nicht ein Versüner /
sondern allein ein schrecklicher / rachgiriger Richter.
|| [ID00534]
Wir sagen aber / daß man nicht lehren sol auff die Heiligen vertrawen / als mache
vns jhr Verdienst selig / Sondern allein vmb Christus Verdienst willen /
erlangen wir Vergebung der Sünde / vnd Seligkeit / wenn wir an jhnen gleuben.
Von den andern Heiligen ist gesagt / Ein jeder wird Lohn empfahen nach seiner
Arbeit / etc. Das ist / sie vnter einander können einer dem andern jhr Verdienst
nicht mittheilen / wie die Mönche jhrer Orden Verdienst vns vnuerschampt
verkaufft haben. Vnd Hilarius sagt von den törichten
Jungfrawen: Dieweil die tollen dem Breutigam nicht können entgegen gehen /
dieweil jhr Lampen verloschen sind / so bitten sie die Weisen / daß sie jhnen
wollen Oele leihen. Aber dieselbigen antworten / Sie könnens jhnen nicht leihen
/ denn es möcht beyden fehlen / es sey nicht gnug für alle / etc. Da zeigt er an
/ daß niemands vnter vns durch frembde Wercke oder Verdienst dem andern helffen
kan.
So nu die Wiedersacher lehren / daß wir auff anruffen der Heiligen vertrawen
sollen / so sie doch des kein Gottes Befehl haben / kein Gottes Wort noch
Exempel / Alts vnd Newes Testaments haben / So sie auch den Verdienst der
Heiligen so hoch heben / als den Verdienst Christi / vnd die Ehre / so Christo
gebühret / den Heiligen geben / so können wir jhre meynung vnd Gewonheit / von
anbeten oder anruffen der Heiligen / nicht loben noch annehmen. Den̅ wir wissen / daß wir vnser vertrawen sollen setzen auff Christum / da haben
wir Gottes Zusage / daß Er sol der Mittler seyn / so wissen wir / daß allein
Christi Verdienst ein Versünung für vnser Sünde ist. Vmb Christus willen werden
wir versünet / wenn wir in Ihn gleuben / wie der Text sagt: Alle die an Ihn
gleuben / die sollen nicht zu schanden werden. Vnnd man sol nicht vertrawen /
daß wir von wegen des Verdiensts Mariae für Gott gerecht sind.
Auch so predigen jhre Gelehrten vnuerschampt / daß jeder vntern Heiligen / ein
sonderliche Gabe künne geben / als S. Anna behüt für
Armuth / S. Sebastianus für der Pestilentz / S. Valten
für die Fallende Seuche / Den heiligen Ritter S. Jörgen haben die Reuter
angeruffen / für Stich vnd Schoß / vnd allerley Fahr zu behüten / Vnd das alles
im Grund ist von Heyden herkommen.
Vnd ich wil gleich setzen / daß die Wiedersacher nicht so gar vnuerschampt
Heydnisch Lügen / von anruffen der Heiligen lehreten / dennoch ist das Exempel
fehrlich / so sie auch des keinen GOttes Befehl noch Wort haben / auch aus den
alten Vätern / dauon nichts gewisses können auffbringen. Was ist denn noth / daß
man solchen Vngrund verthedingen wil?
|| [254]
Erstlich aber ists darumb gantz fehrlich / Denn so man ander Mittler suchet denn
Christum / so setzt man vertrawen auff dieselbigen / vnd wird also Christus /
vnd das Erkentniß Christi gantz vnterdruckt / wie wir leider die Erfahrung
haben. Denn es mag seyn / daß erst etliche guter meynung der Heiligen gedacht
haben in jhrem Gebet. Bald hernach ist gefolget das anruffen der Heiligen / bald
nach dem anruffen seyn einzeln eingerissen die wünderliche Heydnische grewel vnd
Mißbreuche / etc. Als daß mans dafür gehalten / daß die Bilder ein eigen
heimliche Krafft hetten / wie die Zeuberer vnd Magi
dafür halten / daß / wenn man etlicher Stern Zeichen zu gewisser zeit / in Gold
oder ander Metal grebet oder bildet / die solten ein sonderliche heimliche
Krafft haben vnd Wirckung.
Vnserer etliche haben etwan in einem Kloster ein Marien Bild gesehen von Holtz
geschnitzt / welchs also inwendig mit Schnürlein kund gezogen werden / daß es
von aussen schiene / als reget sichs von jhm selbs / als winckets mit dem Heupt
den Anbetern die es erhöret / vnd als wendet es das Angesicht weg von Anbetern /
die nicht viel opfferten / die es nicht erhöret.
Vnd ob solcher Grewel / solch Abgötterey / Wallfarten / vnd betrug mit den
Bildern vnzehlich vnd vnseglich nicht weren gewesen / so sind doch noch
grewlicher vnd heßlicher gewesen / die viel Fabeln vnd Lügen der Legenden von
Heiligen / welche man öffentlich geprediget / Als von S.
Barbara haben sie gepredigt / daß sie an jhrem Tode Gott gebeten hat
für jhr Marter / den Lohn zu geben / wer sie anrieff / daß der nicht könte ohn
Sacrament sterben.
S. Christophorum, welcher auff Teutsch heist ein
Christtreger / hat etwan ein weiser Man den Kindern in solcher grossen lenge
malen lassen / vnd hat wollen anzeigen / daß ein grössere stercke / denn
Menschenstercke ist / in den jenigen seyn müsse / die Christum sollen tragen /
die das Euangelium predigen vnd bekennen sollen. Denn sie müssen durch das
grosse Meer bey Nacht waten / etc. Das ist / allerley grosse Anfechtung vnd Fahr
außstehen. Da sind darnach die tollen vngelehrten heilosen Münche zugefahren /
vnd haben das Volck also gelehret / den Christophorum
anruffen / als sey etwan ein solch grosser Riese leiblich vorhanden gewesen /
der Christum durchs Meer getragen hat.
So nun Gott der Allmechtige durch seine Heiligen / als sonderliche Leute viel
grosses dinges gewircket / in beyden Regimenten in der Kirchen vnd in Weltlichen
Hendeln. So sind viel grosse Exempel an der Heiligen Leben / welche Fürsten vnd
Herrn / rechten Pfarr
|| [ID00536]
herrn vnd Seelsorgern / beyde zum
Welt Regiment vnd Kirchen Regierung / fürnemlich zu sterckung des Glaubens gegen
Gott / gantz nütz weren / die haben sie lassen fahren / vnd das geringst von den
Heiligen geprediget / von jhrem harten Lager / von Hären Hembden / etc. welchs
des grössern theils Lügen sind.
Nu were es je nütze / vnd fast tröstlich zu hören / wie etliche grosse heilige
Leute (wie in der heiligen Schrifft von Königen Israel vnd Juda erzehlt wird) in
jhrem Regiment Land vnd Leute regiert hetten / wie sie gelehret vnd geprediget /
was mancherley Fahr vnd Anfechtung sie außgestanden / wie auch viel gelehrter
Leute den Königen / Fürsten vnd Herrn in grossen fehrlichen Leufften / rähtig
vnd tröstlich seyn gewest / wie sie gelehret / vnd das Euangelium geprediget
haben / was mancherley Kempffe sie mit den Ketzern außgestanden. So weren auch
die Exempel / da den Heiligen sonderliche gros Barmhertzigkeit von Gott erzeigt
/ fast nütz vnd tröstlich. Als wenn wir sehen / daß Petrus / so Christum
verleugnet / Gnad erlangt hat / daß Cypriano sein Magia vergeben ist. Item / wir lesen / daß Augustinus, da er Todkranck gewesen / erst die Krafft
des Glaubens erfahren hat / vnd öffentlich Gott bekent mit diesen Worten: Nun
hab ich erst empfunden / daß Gott der Gleubigen seufftzen vnd Gebet erhöre.
Solch Exempel des Glaubens / da man lernet Gott fürchten / GOtt vertrawen /
daraus man recht siehet / wie es Gottfürchtigen Leuten in der Kirchen / auch in
grossen Sachen der hohen Weltlichen Regiment ergangen / Die hette man fleissig
vnd klar von den Heiligen schreiben vnd predigen sollen.
Nu haben etliche müssige Mönch / vnd lose Buben (welche nicht gewust / wie grosse
vnd schweere sorge es ist / Kirchen oder sonst Leute regiren) Fabeln ertichtet /
zum theil aus der Heyden Bücher / da nichts denn Exempel sind / wie die Heiligen
Hären Hembde getragen / wie sie jhr Sieben Zeiten gebetet / wie sie Wasser vnd
Brod gessen / vnd haben das alles gericht auff jhre Kretzschmerey / aus den
Wallfarten Geld zu marcken / wie denn sind die Wunderzeichen / welche sie vom
Rosenkrantz rhümen / vnd wie die Barfüssen Mönche von jhren Hültzern Körnern
rhümen. Vnd hie ist nicht gros noth Exempel anzuzeigen / jhr Lügen Legenden sind
noch vorhanden / daß mans nicht verneinen mag.
Vnd solchen grewel wieder Christum / solche Gotteslesterung / schendliche /
vnuerschampte Lügen vnd Fabeln / solche Lügenprediger können die Bischoffe vnd
Theologen leiden / vnd haben sie lange zeit gelitten / zu grossem schaden der
Gewissen / daß es schrecklich ist zu ge
|| [255]
dencken
/ denn solche Lügen haben Gelt vnd Zinse getragen. Vns aber / die wir das
Euangelium rein predigen / wolten sie gern vertilgen / so wir doch darumb das
anruffen der Heiligen anfechten / damit Christus allein der Mittler bleibe / vnd
der gros Mißbrauch abgethan werde. So auch lang vor dieser zeit / ehe Doctor
Luther geschrieben / jhre Theologen selbs / auch alle fromme Gottfürchtige /
Erbare Leute vber die Bischoffe vnd Prediger geschrien / daß sie die Mißbreuche
vmb des Bauchs vnd Geldes willen zu straffen vbergiengen / So gedencken doch
vnser Wiedersacher in jhrer Confutation / solcher Mißbreuche nicht mit einem
Wort / daß so wir die Confutation annehmen / müsten wir zugleich in alle jhre
öffentliche Mißbreuche gehen.
Also voll hinderlist vnd gefehrlichs betrugs ist jhr gantz Confutatio, nicht allein an diesem ort / sondern allenthalben / Sie
stellen sich / als seyn sie gar Goldrein / als haben sie nie kein Wasser
betrübt. Denn an keinem ort vnterscheiden sie von jhren dogmatibus, oder Lehre / die öffentliche Mißbreuche / vnd doch viel
vnter jhnen sind so Erbar vnd redlich / bekennen selbs / daß viel Irrthumb sind
in der Scholacticorum vnd Canonisten Bücher / daß auch
viel Mißbreuche durch vngelehrte Prediger / vnd durch so grossen schendlichen
Vnfleis der Bischoffe eingerissen seyn in der Kirchen.
Es ist auch Doctor Luther nicht allein / noch der erst gewesen / der vber solche
vnzehliche Mißbreuche geschrien vnd geklagt hat. Es sind viel Gelehrte redliche
Leute für dieser zeit gewesen / welche erbermlich geklaget haben / vber den
grossen Mißbrauch der Messen / vber Mißbrauch der Möncherey. Item / vber solchen
Geitz vnd Geldmarckt der Wallfarten. Vnd sonderlich daß der nöthigst Artickel /
von der Bus / von Christo / ohn welchen kein Christliche Kirche seyn noch
bleiben kan / welcher für allen andern rein vnd richtig solt gelehrt werden / so
jämerlich ward vnterdrückt.
Darumb haben die Wiedersacher darinne nicht trewlich noch Christlich gehandelt /
daß sie in jhr Confutation die öffentliche Mißbreuche stillschweigend
vbergangen. Vnd wenn es jhnen rechter ernst were / der Kirchen vnd den armen
Gewissen zu helffen / vnd nicht viel mehr Pracht vnd Geitz zu erhalten / so
hetten sie hie recht zutrit vnd Vrsach gehabt / vnd solten sonderlich an diesem
ort / die Keyserliche Majestet / vnsern aller gnedigsten Herrn / auffs
vnterthenigst angesucht haben / solche grosse / öffentliche / schendliche
Mißbreuche / welche vns Christen auch bey Türcken / bey Jüden / vnd allen
Vngleubigen zu spott gereichen / abzuschaffen.
|| [ID00538]
Denn wir in vielen Stücken klar gnug vermerckt / daß Keyserliche Majestet / vnser
Allergnedigster Herr / ohn zweiffel / mit allem trewen fleis / die Warheit
forschen vnd nachsuchen / vnd gerne die Christliche Kirche recht bestellet vnd
geordnet sehen. Aber den Wiedersachern ist daran nicht viel gelegen / wie sie
der Keyserlichen Majestet / Keyserlichem Christlichem Gemüt / Willen / vnd
löblichem bedencken gnugthun / oder wie sie den Sachen helffen / Sondern / wie
sie nur die Warheit vnd vns vnterdrücken / Denn sie ligen darumb nicht viel
vngeschlaffen / daß die Christliche Lehre vnd das Euangelium rein gepredigt
werde. Das Predigampt lassen sie gantz wüste stehen / vertheidingen öffentlich
Mißbreuche / vergiessen noch täglich vnschüldig Blut / aus vngehörter Tyranney
vnd Wüterey / allein jhr öffentliche Lügen zu verthedingen.
Auch so wollen sie fromme Christliche Prediger nicht dulden / wo das endlich
hinnaus gehen wil / können verstendige Leute wol abnehmen. Denn mit eytel Gewalt
vnd Tyranney werden sie nicht lang Kirchen regieren. Vnd ob gleich die
Wiedersacher nichts anders / denn allein des Bapsts Reich zuerhalten sucheten /
so wird doch das der Weg nicht dazu seyn / sondern ein eytel Wüstung des Reichs
vnd der Kirchen. Denn wenn sie gleich alle fromme Christliche Prediger also
erwürgt hetten / vnd das Euangelium vnterdruckt were / so werden darnach
Rottengeister vnd Schwermergeister kommen / welche mit der Faust auch
auffrührisch fechten werden / welche die Gemein vnd Kirchen mit falschen Lehren
werden betrüben / alle Kirchenordnung verwüsten / welche wir gern erhalten
wolten.
Derhalben Allergnedigster Herr Keyser / nach dem wir nicht zweiffeln / Ewer Key.
Maj. Gemüth vnd Hertz sey / daß die Göttliche Warheit / die Ehre Christi / vnd
das Euangelium möge erhalten werden / vnd allzeit reichlich zunehmen / bitten
wir auffs vnterthenigst Ewer Key. Maj. wollen dem vnbilligen fürnehmen der
Widersacher nicht stat geben / sondern gnediglich andere wege suchen der
Einigkeit / damit die Christlichen Gewissen nicht also beschweret werden. Damit
auch die Göttliche Warheit nicht so mit Gewalt vnterdrucket / oder vnschüldige
Leute darumb durch eytel Tyranney erwürget / wie bis anher geschehen.
Denn Ewer Keyserliche Majestet wissen sich des ohn zweiffel zu erinnern / daß
solchs sonderlich Ewer Keyserlicher Majestet Ampt ist / die Christliche Lehre /
so viel Menschlich oder müglich / also zu erhalten / daß sie möge auff die
Nachkom̅en reichen / auch from̅e rechte Prediger
schützen vnd handhaben. Denn das foddert GOTT der
|| [256]
HERR von allen Königen vnd Fürsten / da er jhnen seinen Titel mittheilet / vnd
nennet sie Götter / da Er sagt: Ihr seyd Götter. Darumb nennet er sie aber
Götter / daß sie Göttliche Sachen / das ist / das Euangelium Christi / vnd die
reinen Göttlichen Lehre auff Erden / so viel müglich / schützen / retten / vnd
handhaben sollen / auch rechte Christliche Lehrer vnd Prediger an Gottes stat /
wieder vnrechten Gewalt in Schirm vnd Schutz haben.
Von beyderley Gestalt im Abendmahl.
ES hat kein zweiffel / daß es Göttlich ist vnd recht / vnd dem Befehl Christi /
vnd den Worten Pauli gemes / beyderley gestalt im Abendmal brauchen. Den̅ Christus hat beyderley gestalt eingesetzt / nicht allein für ein
theil der Kirchen / sondern für die gantze Kirchen. Denn nicht allein die
Priester / sondern die gantze Kirche brauchet des Sacraments aus Befehl Christi
/ nicht aus Menschen Befehl / vnd das müssen die Wiedersacher bekennen.
So nu Christus für die gantze Kirchen das gantz Sacrament hat eingesetzt / warumb
nehmen sie denn der Kirchen die eine gestalt? Warumb endern sie die Ordnung
Christi / sonderlich so Er es sein Testament nennet? Denn so man eines Menschen
Testament nicht sol brechen / viel weniger sol man das Testament Christi
brechen. Vnd Paulus sagt: Ich hab es vom HERRN empfangen / das ich euch geben
habe. Nun hat er jhnen je beyde gestalt geben / wie der Text klar anzeigt / 1.
Corinth. 11. Das thut / sagt Er / zu meinem Gedechtniß. Da redet er vom Leibe /
darnach erholet er dieselbigen Wort vom Blut Christi / vnd sagt bald hernach: Es
prüfe sich aber der Mensch selbs / vnd esse also von dem Brod / trincke also vom
Kelch / etc. da nennet er sie beyde.
|| [ID00540]
Das sind die klaren Wort des Apostels Pauli / vnd er macht ein Vorrede kurtz
zuuor / daß die jenigen / so das Sacrament brauchen wollen / sollen es in einem
Abendmal zugleich brauchen. Darumb ists gewiß / daß es nicht allein für die
Priester / sondern für die gantze Kirchen ist eingesetzet.
Vnd solcher Brauch wird auch heutiges Tages gehalten in der Griechischen Kirchen
/ so ist er auch in den Lateinischen vnd Römischen Kirchen gewesen / wie Cyprianus vnd Hieronymus zeugen.
Denn also sagt Hieronymus vber den Propheten Sophoniam: Die Priester / so das Sacrament reichen / vnd
das Blut Christi dem Volck außteilen / etc. Dasselbige zeuget auch Synodus Toletana, Vnd es were fast leicht / viel Sprüche
vnd Zeugniß hie einzuführen / wir wollens aber vmb kürtze willen vnterlassen /
denn ein jeglicher Christlicher Leser wird selbs bedencken können / ob sichs
gebühre / Ordnung vnd Einsetzung Christi verbieten vnd endern.
Die Wiedersacher gedencken gar nicht in jhrer Confutation / wie der jenigen
Gewissen zu trösten oder zu entschüldigen seyn / denen vnterm Bapsthumb eine
gestalt entzogen ist. Dieses hette gelehrten vnd Gottfürchtigen Doctoribus wol angestanden / daß sie bestendige vrsach
hetten angezeigt / solche Gewissen zu trösten.
Nu dringen sie darauff / daß es Christlich vnd recht sey / beyderley gestalt zu
verbieten / vnd wollen nicht gestatten / beyderley gestalt zu gebrauchen. Für
das erst ertichten sie aus jhrem Kopffe / daß im anfang der Kirchen ein Gebrauch
gewesen sey / daß man den Leyen allein einerley gestalt gereicht habe / vnd
können doch des Gebrauchs kein gewiß Exempel anzeigen.
Sie ziehen etliche Sprüche aus dem Euangelisten Luca an / von dem brechen des
Brods / da geschrieben stehet / daß die Jünger den HERRN erkent haben im Brod
brechen. Sie ziehen auch mehr Sprüche von dem Brod brechen an / wiewol wir nu
nicht hart dawider seyn / ob etliche vom Sacrament wolten verstanden werden / so
folget doch daraus nicht / daß nur eine gestalt anfenglich gereicht sey. Denn es
ist gemeine / daß man ein Stück nennet / vnd das Gantze meynet.
Sie ziehen auch an / die Laica Communio, gleich als sey
es ein gestalt brauchen / welchs nicht wahr ist / Denn so die Canones aufflegen / den Priestern der Laica
Communio zu gebrauchen / meynen sie / daß sie zu einer straff nicht
selbs consecrieren sollen / sondern von einem andern gleichwol beyderley gestalt
empfahen. Vnd die Wiedersacher wissen das selber wol / aber sie machen also ein
Schein den Vngelehr
|| [257]
ten vnd vnerfahrnen / denn
wenn dieselbigen hören das wort / Communio Laica,
dencken sie von stund an / es sey ein Communio gewesen /
wie zu vnser zeit / daß man den Leyen mit einerley gestalt gespeiset habe.
Aber lasset sehen weiter / wie vnuerschampt ding schreiben doch die Wiedersacher
wieder Christi Einsetzung vnd Ordnung / Gabriel vnter
andern vrsachen / warumb den Leyen nicht beyder gestalt gereicht werde / setzt
auch diese / Es habe müssen ein Vnterscheid seyn / sagt er / vnter den Priestern
vnd Leyen.
Vnd ich halt wol / es sey die gröste vnd fürnemste Vrsach / warumb sie heutiges
tages so fest halten / damit der Pfaffen Stand heiliger scheine gegen dem Leyen
Stand. Das ist nu ein Menschen gedancken / worauff der gehe / ist wol
abzunehmen.
Vnd in der Confutation ziehen sie an die Kinder Heli, 1.
Reg. 2. da der Text sagt: Wer vbrig ist von deinem Hause / der wird kommen / vnd
jhn anbeten vmb ein stück Brods / vnd wird sagen / Lieber las mich zu einem
Priestertheil / daß ich ein bissen Brods esse / etc. Da sagen sie / ist die
einerley gestalt bedeutet / vnd sagen nu / Also sollen auch vnsere Leyen mit
einem Priestertheil / das ist / mit einerley gestalt zu frieden seyn.
Die Meister der Confutation sind rechte vnuerschampte grobe Esel / sie spielen
vnd gauckeln mit der Schrifft / wie sie wollen / So die Historien von den
Kindern Heli auff das Sacrament deuten / denn an dem ort
wird beschrieben die ernstliche Straff vber Heli vnd
seine Kinder / wöllen sie denn auch sagen / daß den Leyen eine gestalt werde
darumb gewehret zu einer straffe? Sie sind gar töricht vnd toll.
Das Sacrament ist von Christo eingesetzt / erschrockene Gewissen zu trösten /
jhren Glauben zu stercken / wen̅ sie gleuben / daß Christi Fleisch
für der Welt Leben geben ist / vnd daß wir durch die Speise mit Christo
vereiniget werden / Gnad vnd Leben haben.
Aber die Wiedersacher schliessen also / daß die jenigen / so solch Sacrament in
einer gestalt empfahen / damit also gestrafft werden / vnd sprechen / Es sollen
vnd müssen die Leyen jhnen genügen lassen / das heist je stoltz gnug daher
getrotzet. Wie jhr Herrn / dürffen wir auch vrsach fragen / Warumb sie jhnen
sollen genügen lassen? Oder sol es eytel Warheit heissen / was jhr wolt / vnd
was jhr sagt.
Sehet aber wunder zu / wie vnuerschampt vnd frech die Wiedersacher seyn / sie
dürffen jhr wort als eytel Herrn Gebot setzen / sagen frey / die Leyen müssen
jhnen genügen lassen / Wie aber / wenn sie nicht müssen? Sind das nu die gründe
vnd vrsachen / dadurch die jenigen entschüldiget sollen seyn für Gottes Vrtheil
/ die bis anher die Leute
|| [ID00542]
von beyderley gestalt abgedrungen /
vnd vnschüldig die Leute darumb erwürget haben / sollen sie sich damit trösten /
daß von Kindern Heli geschrieben? Sie werden betteln.
Das wird ein faule entschüldigung seyn für Gottes Gericht.
Doch ziehen sie noch mehr vrsachen an / Warumb beyde gestalt nicht solle gereicht
werden / Nemlich vmb Fehrligkeit willen / damit nicht etwa ein tröpfflein aus
dem Kelche verschüttet werde. Dergleichen Trewm bringen sie mehr für / vmb
welcher willen Christus Ordnung billich nicht sol geendert werden.
Ich wil aber gleich setzen / daß frey were / einer oder beyderley gestalt
brauchen / Wie wolten sie denn beweisen / daß sie macht hetten / beyderley
gestalt zu verbieten? Wiewol auch den Menschen / oder der Kirchen nicht gebühret
die Freyheit selbs zu machen / Oder / daß sie aus Christi Ordnung wolten res indifferentes, das ist / frey / auff beyden Seiten
machen. Die armen Gewissen / welchen die eine gestalt mit Gewalt entzogen ist /
vnd solch vnrecht haben leiden müssen / die wollen wir hie nicht richten.
Aber die jenigen / so beyderley gestalt verboten haben / vnd noch nicht allein
verbieten / sondern auch also öffentlich lehren / predigen / die Leute darumb
fahen / erwürgen / etc. die laden auff sich Gottes schrecklich Gericht vnd Zorn
/ vnd die wissen wir gar nicht zu entschüldigen / sie mögen sehen / wie sie Gott
wollen Rechenschafft geben jhres fürnehmens. Vnd es ist auch nicht so bald der
Kirchen Beschluß / was die Bischoffe vnd Pfaffen beschliessen / sonderlich so
die Schrifft / vnd der Prophet Ezechiel sagt: Es werden Priester vnd Bischoffe
kom̅en / die kein Gottes Gebot noch Gesetz wissen.
Von der Priester Ehe.
WIewol die grosse vnerhörte Vnzucht / mit Hurerey vnd Ehebruch / vnter Pfaffen
vnd Mönchen / etc. auff hohen Stifften / andern Kirchen vnd Klöstern in aller
Welt also rüchtig ist / daß man dauon singet vnd saget / noch sind die
Wiedersacher / so die Confutation gestellet / so gantz verblend vnd vnuerschampt
/ daß
|| [258]
sie des Bapsts Gesetz / dadurch die Ehe
verboten / verthedingen / vnd dazu mit falschem schein / als sey es Geistligkeit
/ Darüber / wiewol sie billich sich des vberaus schendlichen / vnzüchtige̅ / freyen / losen Bubenlebens auff jhren Stifften / vnd in
Klöstern / in jhr Hertz schemen solten / vnd allein des stücks halben / nicht
künlich die Sonnen ansehen / wiewol auch jhr bös / vnruhig Hertz vnd Gewissen
jhnen billich so bange macht / sich zu entsetzen vnd zu schewen / für so
löblichem / ehrliebenden Keyser / jhre Augen auffzuheben / so sind sie doch
Henckers küne / thun wie der Teuffel selbs / vnd alle verwegene / verruchte
Leute / Gehen in jhrem blinden Trotz dahin / aller Ehr vnd Scham vergessen / vnd
die reinen keuschen Leute dürffen Keyserliche Majestet / die Churfürsten vnd
Fürsten vermahnen / daß sie der Priester Ehe nicht leiden sollen / ad infamiam & ignominiam Imperij, Das ist zu
Teutsch / Dem Römischen Reich zu Schmach vnd Vnehren. Denn dis sind jhre Wort /
gleich als sey jhr schendlich Leben der Kirchen sehr ehrlich vnd rhümlich.
Wie künten doch die Wiedersacher vngeschickter / vnuerschampter vnd öffentlicher
jhr eigene Schande vnd schaden wircken vnd reden? Dergleiche̅
vnuerschampt fürbringen / für einem Römischen Keyser / wird man in keiner
Historien finden. Wenn sie nicht alle Welt kente / wenn nicht viel from̅er redlicher Leute jhr eigen Concanonicken vnter jhnen selbst /
vber so schendlich / vnzüchtig / vnehrlich Wesen vor langer zeit geklagt hetten
/ wenn jhr ehrlos / schendlich / vngöttlich / vnzüchtig / Heydnisch / Epicurisch
Leben / vnd die Grundsuppe aller Vnzucht zu Rom nicht so gar am Tage were / das
sich weder decken noch ferben / noch schmücken wil lassen / so möcht man dencken
/ jhr gros Reinigkeit / vnd jhr vnuerruckt Jungfrewliche Keuscheit / were ein
Vrsach / daß sie ein Weib / oder die Ehe auch nicht mügen hören nennen / daß sie
die heiligen Ehe / welche der Bapst selbs ein Sacrament der heiligen Ehe heist /
infamiam Imperij teuffen.
Wolan jhr Argument vnd Gründe wollen wir hernach erzehlen / Dieses wölle aber ein
jeder Christlicher Leser / alle Erbare / Ehrliebende from̅e Leute
zu Hertzen nehmen / vnd wol bedencken / wie gantz ohn Ehre vnd schew / vnd alle
scham / die Leute seyn müssen / so die heiligen Ehe / welche die heilige
Schrifft auffs höhest preiset vnd lobet / ein Schandflecken / ein Infamien des
Römischen Reichs dürffen nennen / gleich als sey es ein grosse Ehre der Kirchen
vnd des Reichs / jhr lesterlich grewlich Vnzucht / wie man das Römisch vnd der
Pfaffen Wesen kennet.
Vnd Allergnedigster Herr Keyser / bey Ewer Keyserlichen Ma
|| [ID00544]
jestet / welche in alten Schrifften wird ein züchtiger Fürst vnd König
genent / Denn freylich dieser Spruch von Ewer Keyserlichen Majestet gesagt ist:
Pudicus facie regnabit vbique, Ja bey Ewer Majestet
/ vnd den löblichen Reichs Stenden / dürffen solche Leute suchen / vnd
vnuerschampt foddern / daß Ewre Majestet (das Gott verhüte) solche grewliche
Vnzucht sollen handhaben / Ihr Keyserliche Macht / welche der Allmechtig bis
anher Ewer Keyserl. Majestet sieghafftig vnd seliglich zu gebrauchen gnediglich
verliehen hat / darauff wenden solle / schendliche Vnzucht / vnd vngehörte
Laster / welche auch bey den Heyden für grewlich gehalten / zu schützen vnd zu
verthedingen. Vnd wie sie in jhren Blutdürstigen verblendten Hertzen gesinnet
seyn / daß sie gern wolten / vngeacht aller Göttlichen vnd Natürlichen Recht /
vngeacht der Concilien / vnd jhrer eigen Canones, solche
Priester Ehe mit Gewalt auff einmahl zureissen / viel armer / vnschüldiger Leute
/ keiner andern Vrsach / denn allein vmb des Ehestands willen / Tyrannisch mit
Galgen vnd Schwert dahin richten / die Priester selbs / welcher doch in grössern
Fellen auch die Heyden verschonet haben / als die grossen Vbeltheter / vmb der
Ehe willen erwürgen / so viel frommer vnschüldiger Weib vnd Kind ins Elend
vertreiben / zu armen verlassen Widwen vnd Waisen machen / vnd jhren
Teuffelischen Haß an vnschüldigem Blut rechen / Dazu dürffen sie Ewre Keys.
Majestet vermahnen.
Dieweil aber Gott der Allmechtige Ewer Majestet mit sonderlicher angeborner Güte
vnd Zucht begnadet / daß E. Majestet aus hohem Adelichem / Christlichem Gemüth /
so groß Vnzucht zu handhaben / oder so vngehörte Tyranney fürzunehmen / selbst
schew haben / vnd diese Handlung ohn zweiffel / viel Fürstlicher vnd
Christlicher bedencken / denn die losen Leute / so hoffen wir / Ewer Majestet /
werden in diesem gantz Keyserlich vnd gnediglich sich erzeigen / vnd bedencken /
daß wir dieses guten grund vnd vrsach haben aus der heiligen Schrifft / dagegen
die Wiedersacher eytel Lügen vnd Irrthumb fürbringen.
Auch so ist es jhnen gewiß nicht ernst / solchen Celibat vnd Ehelosen Stand zu
verfechten / Denn sie wissen wol / wie rein Jungfrawen sie seyn / wie wenig
vnter jhnen die Keuscheit halten / allein sie bleiben bey jhrem Trostwort / das
sie in jhrer Schrifft finden: Si non castè, tamen cautè.
Vnd wissen / daß keusch sich rhümen oder nennen / vnd doch nicht seyn / in der
Welt ein schein der Keuscheit hat / daß auch jhr Bapstreich vnd Pfaffen Wesen /
dadurch für der Welt desto heiliger scheinet. Denn Petrus der Apostel hat recht
gewarnet / daß
|| [259]
solche falsche Propheten werden die
Leute betriegen mit ertichten Worten.
Die Wiedersacher nehmen sich der Sache der Religion / welchs die Heuptsache ist /
gar nicht mit ernst an / was sie schreiben / reden / handeln / sind eytel wort
ad hominem, da ist kein ernst / kein trew / kein
recht Hertz zu gemeinem Nutz / den armen Gewissen / oder der Kirchen zu helffen
/ im grund ist es jhnen vmb die Herrschafft zu thun / derselbigen haben sie
sorge / vnd vnterstützeln sie fein mit eyteln Gottlosen / Heuchelischen Lügen /
So wird sie auch stehen / wie Butter an der Sonnen.
Wir können das Gesetz vom Ehelosen Stand / darumb nicht annehmen / denn es ist
wieder Göttlich vnd Natürlich Recht / wieder alle heilige Schrifft / wieder die
Concilien vnd Canones selbs. Darüber ists lauter
Heucheley / vnd den Gewissen fehrlich / vnd gantz schedlich / so erfolgen auch
daraus vnzehliche Ergerniß / heßliche / schreckliche Sünde vnd Schande / vnd wie
man siehet in den rechten Pfaffen Stäten vnd Residentzen / wie sie es nennen /
zu verrüttung aller Weltlicher Ehr vnd Zucht.
Die andern Artickel vnser Confession / wiewol sie gewiß gegründet / sind dennoch
so klar nicht / daß sie nicht mit einem schein möchten angefochten werden. Aber
dieser Artickel ist so klar / daß er auff beyden seiten gar nahe keiner rede
darff / allein wer erbar vnd Gottfürchtig ist / der kan hie bald Richter seyn.
Vnd wiewol wir die öffentlichen Warheit hie nun für vns haben / noch suchen die
Wiedersacher Fündlin / vnser Gründe etwas anzufechten.
Erstlich ist geschrieben Genes. 1. Daß Man vnd Weib also geschaffen von GOTT seyn
/ daß sie sollen fruchtbar seyn / Kinder zeugen / etc. das Weib geneigt sey zum
Man / der Man wieder zum Weibe. Vnd wir reden hie nicht von der vnordentlichen
Brunst / die nach Adams Fall gefolget ist / Sondern von Natürlicher Neigung
zwischen Man vnd Weib. Welche auch gewesen were in der Natur / wenn sie rein
geblieben were. Vnd das ist Gottes Geschöpff vnd Ordnung / daß der Man zum Weib
geneigt sey / das Weib zum Man. So nu die Göttliche Ordnung / vnd die
angeschaffene Art / niemands endern mag vnd sol / denn GOtt selbst / so folget /
daß der Ehestand durch kein Menschlich Statut oder Gelübde mag abgethan werden.
Wieder diesen starcken Grund spielen die Widersacher mit Worten / sagen / im
Anfang der Schöpffung habe das Wort noch stat gehabt / Wachset vnd mehrei euch /
vnd erfüllet die Erden. Nu aber so
|| [ID00546]
die Erde erfüllet ist /
sey die Ehe nicht geboten. Sehet aber / wie weise Leute seyn da die Wiedersacher
/ durch dis Göttlich Wort / Wachset / vnd mehret euch / welchs noch jmmer gehet
/ vnd nicht auffhöret / ist Man vnd Weib also geschaffen / daß sie sollen
fruchtbar seyn / nicht allein die zeit des anfangs / sondern so lang diese Natur
weret. Denn gleich wie durch das Wort / Gen. am 1. da Gott sprach: Es lasse die
Erde auffgehen Graß vnd Kraut / etc. die Erde also geschaffen ist / daß sie
nicht allein im anfang Frucht bracht / sondern daß sie alle Jar Graß / Kreuter /
vnd ander Gewechs brecht / so lang diese Natur weret. Also ist auch Man vnd Weib
geschaffen / fruchtbar zu seyn / so lang diese Natur weret. Wie nu das Menschen
Gebot vnd Gesetze nicht endern kan / daß die Erde nicht solt grüne werden / etc.
Also kan auch kein Kloster Gelübde / kein Menschen Gebot / die Menschliche Natur
endern / daß ein Weib nicht solt eins Mans begehren / ein Man eines Weibs / ohn
ein sonderlich Gottes Werck.
Zum Andern / dieweil das Göttliche Geschöpff vnd GOttes Ordnung Natürlich Recht
vnd Gesetz ist / so haben die Iurisconsulti recht gesagt
/ Daß des Mans vnd Weibs beyeinander seyn / vnd zusamen gehören / ist Natürlich
Recht. So aber das Natürlich Recht niemands verendern kan / so muß je einem
jeden die Ehe frey seyn. Denn wo Gott die Natur nicht verendert / da muß auch
die art bleiben / die Gott der Natur eingepflantzt hat / vnd sie kan mit
Menschen Gesetzen nicht verendert werden.
Derhalben ist es gantz Kindisch / daß die Wiedersacher sagen / Im anfang / da der
Mensch geschaffen / sey die Ehe geboten / nu aber nicht. Denn es ist gleich /
als wenn sie sprechen / etwan zu Adams vnd der Patriarchen zeiten / wen̅ ein Man geboren ward / hatte er Mannes art an sich / wenn ein
Weib geboren ward / hatte sie Weibs art an sich / jetzund aber ists anders /
Vorzeiten bracht ein Kind aus Mutter Leib Natürlich art mit sich / nu aber
nicht.
So bleiben wir nun billich bey dem Spruch / wie die Iurisconsulti weißlich vnd recht gesagt haben / daß Man vnd Weib
beyeinander seyn / ist Natürlich Recht. Ists nu Natürlich Recht / so ist es
Gottes Ordnung / also in die Natur gepflantzt / vnd ist also auch Göttlich
Recht. Dieweil aber das Göttlich vnd Natürlich Recht niemands zu endern hat /
den̅ Gott allein / so muß der Ehestand jederman frey seyn /
Den̅ die Natürlich angeborne neigung des Weibs gegen dem Man /
des Mans gegen dem Weib / ist GOttes Geschöpff vnd Ordnung. Darumb ists recht /
vnd hat kein Engel noch Mensch zu endern / GOTT der HERR hat nicht Adam allein
geschaffen / sondern
|| [260]
auch Euam / nicht allein ein Man
/ sondern auch ein Weib / vnd sie gesegnet / daß sie fruchtbar seyen.
Vnd wir reden / wie ich gesagt habe / nicht von der vnördentlichen Brunst / die
da Sündlich ist / sondern von der Natürlichen neigung / die zwischen Man vnd
Weib auch gewesen were / so die Natur rein blieben were / Die böse Lust nach dem
Fall hat solche neigung noch stercker gemacht / daß wir nu des Ehestands viel
mehr bedürffe̅ / nicht allein Kinder zu zeugen / sondern auch
erger Sünd zu verhüten. Diß ist so klarer grund / daß es niemands wird
vmbstossen / Sondern der Teuffel vnd alle Welt wird es müssen bleiben lassen.
Für das Dritte sagt Paulus: Zu vermeiden Hurerey hab ein jeglicher sein eigen
Weib. Das ist ein gemein Befehl vnd Gebot / vnd gehet alle die jenigen an / die
nicht vermögen ohne Ehe zu bleiben / Die Wiedersacher foddern / wir sollen
Gottes Gebot zeigen / da Er gebiete / daß die Priester sollen Weiber nehmen /
gleich als seyn die Priester nicht Menschen. Was die Schrifft in gemein vom
gantzen Menschlichen Geschlecht redet / das gehet warlich die Priester mit an.
Paulus gebeut da / daß die jenigen sollen Weiber nehmen / so nicht haben die
Gabe der Jungfrawschafft / Denn er legt sich bald hernach selbs aus / da er
sagt: Es ist besser Ehelich werden / denn brennen. Vnd Christus sagt klar: Sie
fassen nicht alle das Wort / sondern denen es geben ist.
Dieweil nu nach Adams Fall in vns allen / die beyde bey einander seyn / die
Natürlich neigung / vnd angeborne böse Lust / welche die Natürliche Neigung noch
stercker macht / Also / daß des Ehestands mehr von nöten ist / denn da die Natur
vnuerderbet war. Darumb redet Paulus also von der Ehe / daß damit vnser
Schwacheit geholffen werde / Vnd solch brennen zu vermeiden / gebeut er / daß
die jenigen / so es dürffen / sollen Ehelich werden / vnd dis Wort / Es ist
besser Ehelich zu werden / denn brennen / mag durch kein Menschen Gesetz / durch
kein Kloster Gelübde / weggethan werden. Denn kein Gesetz kan die Natur anders
machen / denn sie geschaffen oder geartet ist. Darumb haben wir Freyheit vnd
Macht Ehelich zu werden / alle / so das brennen fülen. Vnd alle die nicht recht
rein vnd Keusch vermögen zu bleiben / die seyn schüldig diesem Gebot vnd Wort
Pauli zu folgen. Es sol ein jeglicher sein eigen Weib haben / zu vermeiden
Hurerey / darinne hat ein jeder für sich sein Gewissen zu prüfen.
Denn daß die Wiedersacher sagen / man sol Gott vmb Keuschheit bitten vnd anruffen
/ man solle den Leib mit Fasten vnd Arbeit casteyen / solten sie billich das
casteyen anfahen. Aber wie ich hie oben
|| [ID00548]
gesagt / die
Wiedersacher meynen diese Sache nicht mit ernst / sie spielen vnd schertzen
jhres gefallens. Wenn Jungfrawschafft einem jeden müglich were / so dürffts
keiner sondern Gottes Gabe / Nu saget der HERR Christus Matth. 19. Es sey ein
besonder hohe Gottes Gabe / vnd nicht jederman fasse das Wort / Die andern nun /
wil Gott / daß sie sollen brauchen des Ehestands / den Gott hat eingesetzt. Denn
Gott wil nicht / daß man sein Geschöpff vnd Ordination verachten sol / so wil Er
dennoch / daß dieselbigen auch sollen Keusch seyn / Nemlich / daß sie des
Ehestands brauchen / welchen Er / Eheliche Reinigkeit vnd Keuscheit zu erhalten
/ hat eingesetzt / Wie Er auch wil / daß wir sollen der Speise vnd des Trancks
brauchen / die Er vns zu Leibs erhaltung geschaffen hat.
Vnd Gerfon der zeigt an / daß viel from̅er
/ grosser Leute gewesen seyn / die durch Leibs rasteien haben wollen Keuscheit
halten / vnd haben dennoch nichts geschafft. Darumb sagt auch S. Ambrosius recht: Allein die Jungfrawschafft ist ein solch ding /
die man rahten mag / vnd nicht gebieten.
Ob jemands hie nu sagen wolt / der HERR Christus lobet die jenigen / die sich
selbs verschnitten haben / vmb des Himmelreichs willen / der sol auch bedencken
/ daß Christus von den jenigen redet / welche die Gabe der Jungfrawschafft haben
/ denn darumb setzt er dazu / Wer es fassen kan / der fasse es.
Denn dem HERRN Christo gefellt solche vnreine Keuscheit nicht / wie in Stifften
vnd Klöstern ist. Wir lassen auch rechte Keuschheit ein feine / edel Gottes Gabe
seyn / wir reden aber hie dauon / daß solche Gesetz vnd verbot der Ehe vnrecht
ist / vnd von denen / die Gottes Gabe nicht haben. Darumb sol es frey seyn / vnd
sollen nicht solche Stricke den armen Gewissen angeworffen werden.
Zum vierden / so ist auch dasselbige Bapsts Gesetz wieder die Canones, vnd alten Concilien. Denn die alten Canones verbieten nicht die Ehe / sie zureissen auch nicht den
Ehestand / wiewol sie die jenigen / so sich zum Ehestand begeben / jhres
Geistlichen Ampts entsetzen / das war die zeit nach gelegenheit mehr ein Gnade /
denn ein Straffe. Aber die newen Canones, die nicht in
den Concilijs, sondern durch die Bäpste gemacht seyn /
die verbieten die Ehe / vnd zureissen die iam contracta
Matrimonia, &c. So ist nu am Tag / daß solchs wieder die
Schrifft / auch wieder Christi Gebot ist / da er sagt: Die Gott zusammen gefüget
hat / sol der Mensch nicht scheiden.
Die Wiedersacher schreien fast / daß der Celibat oder Keuscheit der Priester
geboten sey in den Concilijs. Wir fechten die Concilia deß
|| [261]
theils nicht an
/ denn sie verbieten die Ehe nicht / Sondern das newe Gesetz fechten wir an /
welchs die Bäpste wieder die Concilia gemacht haben.
Also gar verachten die Bäpste selbs die Concilia, so sie
doch andern bey Gottes Zorn / vnd ewiger Verdamnis dürffen gebieten / die
Concilien zu halten. Darumb ist das Gesetz / dadurch Priester Ehe verboten / ein
recht Bapsts Gesetz der Römischen Tyranney. Denn der Prophet Daniel hat das
Antichristisch Reich also abgemahlet / daß es solle Ehestand vnd Eheweiber / ja
das Weiblich Geschlecht verachten lehren.
Zum Fünfften / Wiewol sie das vngöttlich Gesetz nicht Heiligkeit halben / oder
aus vnwissenheit verthedingen / denn sie wissen wol / daß sie Keuscheit nicht
halten / so geben sie doch vrsach zu vnzehlicher Heucheley / dieweil sie einen
schein der Heiligkeit fürwenden / Sie sagen / daß darumb die Priester sollen
Keuscheit halten / den̅ sie müssen heilig vnd rein seyn / gleich
als sey der Ehestand ein Vnreinigkeit / gleich als werde man ehe Heilig vnd
Gerecht für Gott durch den Celibat / denn durch den Ehestand / Vnd dazu ziehen
sie an die Priester im Gesetz Mosi / denn sie sagen / wenn die Priester haben im
Tempel gedienet / haben sie sich jhrer Weiber müssen enthalten / darumb / so im
Newen Testament die Priester allezeit beten sollen / sollen sie sich auch
allezeit Keusch halten. Solch vngeschickt / närrisch Gleichniß ziehen sie an /
als ein gantz klaren gewissen Grund / dadurch schon erstritten sey / daß die
Priester schüldig seyn / ewige Keuscheit zu halten / so doch / wenn auch das
Gleichniß hie töchte / oder sich reimete / nichts mehr damit erhalten / denn daß
die Priester sich jhrer Weiber allein ein zeitlang enthalten solten / Nemlich /
wenn sie Kirchendienst fürhetten. Auch so ist ein ander ding Beten / ein ander
ding in der Kirchen Priesterlich Ampt thun. Denn viel Heiligen haben wol gebetet
/ wenn sie gleich nicht im Tempel gedienet / vnd hat solche Eheliche Beywonung
daran nichts gehindert.
Wir wollen aber ördentlich nach einander auff solche Trewme antworten. Für das
erst müssen je die Wiedersacher bekennen / vnd können nicht leugnen / daß der
Ehestand an Christgleubigen ein rein heilig Stand sey / denn er ist je
geheiliget durch das Wort Gottes / denn von Gott ist er eingesetzt / durch
Gottes Wort ist er bestetiget / wie da die Schrifft reichlich zeuget. Denn
Christus sagt: Was GOtt hat zusam̅en gefüget / das sol kein Mensch
scheiden. Da sagt Christus / Eheleut vnd Ehestand füge Gott zusammen. So ist es
ein rein / heilig / edel / löblich Gottes Werck.
Vnd Paulus sagt von der Ehe / von Speise / vnd dergleichen / daß
|| [ID00550]
sie geheiliget werden / durch das Wort Gottes / vnd durch das Gebet. Erstlich
durchs Göttliche Wort / dadurch das Hertz gewiß wird / daß Gott dem HERRN der
Ehestand gefellet. Zum andern / durch das Gebet / Das ist / durch Dancksagung /
welche im Glauben geschiehet / da wir des Ehestands / Speis / Tranck mit
Dancksagung brauchen / 1. Corinth. 7. Der vngleubige Man wird geheiliget / durch
das gleubig Weib / das ist / der Ehestand ist rein / gut / Christlich vnd heilig
/ vmb des Glaubens willen in Christum / deß wir brauchen mögen mit Dancksagung /
wie wir Speis / Tranck / etc. brauchen.
Item / 1. Timoth. 2. Das Weib aber wird selig durch Kinder geberen / so sie
bleibt im Glauben / etc. Wenn die Wiedersacher von jhrer Pfaffen Keuscheit ein
solchen Spruch könten fürbringen / wie solten sie Triumphieren? Paulus sagt /
das Weib werde selig durch Kinder geberen. Was hette doch der heilig Apostel
wieder die schendlichen Heucheley der vnfletigen / erlogen Keuscheit /
trefflichers reden können? denn daß er sagt / Sie werden selig durch die
Eheliche werck / durch geberen / durch Kinder seugen vnd ziehen / durch
Haußhalten / etc. Ja wie meynt das Paulus? Er setzet dazu mit klaren worten / So
sie bleibt im Glauben / etc. Denn die Wercke / vnd Arbeit im Ehestand für sich
selbst / ohn den Glauben / werden hie allein nicht gelobet.
So wil er nu für allen dingen / daß sie Gottes Wort haben / vnd gleubig seyn /
durch welchen Glauben (wie er denn allenthalben sagt) sie empfahen Vergebung der
Sünde / vnd GOtt versünet werden. Darnach gedenckt er des Wercks jhres
Weiblichen Ampts vnd Beruffs / gleich wie in allen Christen / aus dem Glauben
sollen gute wercke folgen / daß ein jeder nach seinem Beruff etwas thue / damit
er seinem Nehesten nütz werde / vnd wie dieselbigen gute Werck GOtt gefallen /
Also gefallen auch Gott solche Werck / die ein gleubig Weib thut / jhrem Beruff
nach / Vnd ein solch Weib wird selig / die also jhrem Beruff nach im Ehelichen
Stand jhr Weiblich Ampt thut.
Diese Sprüche zeigen an / daß der Ehestand ein heilig vnd Christlich ding sey. So
nu Reinigkeit auch das heist / das für Gott heilig vnd angenehm ist / So ist der
Ehestand heilig vnd angenehm / den̅ er ist bestetiget durch das
Wort Gottes / Vnd / wie Paulus sagt / Den reinen ist alles rein / das ist /
denen / die da gleuben in Christum. Derhalben / wie die Jungfrawschafft in den
Gottlosen vnrein ist / Also ist der Ehestand heilig in den Gleubigen / vmb des
Göttlichen Worts vnd Glaubens willen.
So aber die Wiedersacher das Reinigkeit heissen / da kein Vn
|| [262]
zucht ist / so heisst Reinigkeit des Hertzens / da die böse
Lust getödtet ist. Denn Gottes Gesetz verbeut nicht die Ehe / Sondern die
Vnzucht / Ehebruch / Hurerey / Darumb eusserlich ohn Weib seyn / ist nicht die
rechte Reinigkeit / sondern es kan ein grösser Reinigkeit des Hertzens seyn in
einem Eheman / als in Abraham vnd Jacob / denn in vielen / die gleich nach
leiblicher Reinigkeit jhr Keuscheit recht halten.
Endlich / so sie die Keuscheit derhalben Reinigkeit nennen / daß man dadurch ehe
solt für Gott gerecht werden / denn durch den Ehestand / so ist es ein Irrthumb.
Denn ohn Verdienst vmb Christus willen allein / erlangen wir Vergebung der Sünde
/ wen̅ wir gleuben / daß wir durch Christus Blut vnd sterben / ein
gnedigen Gott haben. Hie aber werden die Wiedersacher schreien / daß wir / wie
Iouinianus, den Ehestand der Jungfrawschafft gleich
achten. Aber vmb jhres Geschreys willen / werden wir die Göttliche Warheit / vnd
die Lehre von Christo / von Gerechtigkeit des Glaubens / die wir oben angezeigt
/ nicht verleugnen. Doch lassen wir den̅och der Jungfrawschafft
jhr Preis vnd Lob / vnd sagen auch / daß es ein Gabe sey / höher denn die
andern. Denn gleich wie Weißheit zu regieren / ein höher Gabe ist / denn andere
Künste / Also ist die Jungfrawschafft oder Keuscheit ein höher Gabe denn der
Ehestand. Vnd doch wiederumb / Wie der Regent nicht von wegen seiner Gabe vnd
Klugheit für GOtt mehr gerecht ist / den̅ ein ander von wegen
seiner Kunst / Also ist der Keusch nicht mehr gerecht für Gott / von wegen
seiner Gabe / denn die Ehelichen / von wegen jhres Standes / Sondern ein jeder
sol trewlich dienen mit seiner Gabe / vnd dabey wissen / daß er vmb Christus
willen / durch Glauben Vergebung der Sünde habe / vnd gerecht für Gott
geschetzet wird.
Der HERR Christus / vnd Paulus auch / loben die Jungfrawschafft nicht darumb /
daß sie für Gott gerecht mache / Sondern daß die jenigen / so ledig ohn Weib /
ohn Man seyn / desto freyer / vnuerhindert mit Haußhalten / Kinder ziehen / etc.
lesen / beten / schreiben / dienen können. Darumb sagt Paulus zu den Corinthern:
Aus der vrsach wird die Jungfrawschafft gelobt / daß man in dem Stand raum hat /
Gottes Wort zu lernen / vnd andere zu lehren. So lobt auch Christus nicht
schlecht hin die jenigen / so sich verschnitten / vmb des Himmelreichs willen /
Sondern setzt dazu / vmb des Him̅elreichs willen / Das ist / daß
sie desto leichter lernen vnd lehren können das Euangelium. Er sagt nicht / daß
Jungfrawschafft Vergebung der Sünde verdiene.
Auff das Exempel von den Leuitischen Priestern haben wir ge
|| [ID00552]
antwort / daß damit gar nicht beweiset ist / daß die Priester sollen
ohne Ehestand seyn. Auch so gehet vns Christen das Gesetz Mosi mit den
Ceremonien der Reinigkeit oder Vnreinigkeit nichts an. Im Gesetz Mosi / wenn ein
Man sein Weib berhüret / ward er etlich zeit vnrein / jetzund ist ein Christen
Eheman nicht vnrein. Den̅ das New Testament sagt / Den reinen ist
alles rein / Denn durch das Euangelium sind wir gefreyet von allen Mosis
Ceremonien / nicht allein von den Gesetzen der Vnreinigkeit. Wo aber den Celibat
jemands aus dem Grund wolte verfechten / daß er die Gewissen wolt verpflichten
zu solchen Leuitischen Reinigkeiten / dem müssen wir eben so hefftig
wiederstehen / als die Apostel den Jüden wiederstanden haben / Actor. 15. da sie
zu dem Gesetz Mosi / vnd zu der Beschneidung die Christen verpflichten wolten.
Hie aber werden Christliche Gottfürchtige Eheleut wol in Ehelicher Pflicht maß zu
halten wissen. Denn die jenigen / so in Regimenten / oder der Kirchenempter seyn
/ vnd zu schaffen haben / die werden auch im Ehestand wol Keusch müssen seyn.
Denn mit grossen Sachen / vnd Hendeln beladen seyn / da Landen vnd Leuten /
Regimenten vnd Kirchen angelegen ist / ist ein gut Remedium, daß der alte Adam nicht geyl werde. So wissen auch die
Gottfürchtigen / daß Paulus 1. Thessal. 4. sagt: Ein jeglicher vnter euch /
wisse sein Faß zu behalten in Heiligung vnd Ehren / nicht in der Lustseuche.
Dagegen aber / Was kan für ein Keuscheit bey so viel Tausent Mönchen vnd Pfaffen
seyn / die ohn Sorg in allem Lust leben / müssig vnd voll / haben dazu kein
GOttes Wort / lernens nicht / vnd achtens nicht? Da muß alle Vnzucht folgen.
Solche Leute können weder Leuitisch noch ewige Keuscheit halten.
Viel Ketzer / welche das Gesetz Mosi / oder wie es zu brauchen sey / nicht
verstanden / reden schmehlich von dem Ehestand / welche doch vmb solches
Heuchelischen Scheins willen / für Heilig gehalten seyn. Vnd Epiphanius klagt hefftig / daß die Encratiten mit dem Heuchelischen
schein / sonderlich der Keuscheit bey den vnerfahrnen ein ansehen gewonnen
haben. Sie truncken keinen Wein / auch nicht im Abendmahl des HERRN / vnd
enthielten sich gar beyde Fische vnd Fleisch zu essen / waren noch heiliger denn
die Mönche / welche Fische essen. Auch enthielten sie sich des Ehestands / das
hatte erst ein grossen schein. Vnd hielten also / daß sie durch diese Werck vnd
ertichte Heiligkeit Gott versüneten / wie vnser Wiedersacher lehren.
Wieder solche Heucheley vnd Engel Heiligkeit streitet Paulus hefftig zu den
Colossern / Denn dadurch wird Christus gar vnter
|| [263]
druckt / wenn die Leute in solchen Irrthumb kom̅en / daß
sie verhoffen rein vnd heilig zu seyn für Gott / durch solche Heucheley. So
kennen auch solche Heuchler Gottes Gabe noch Gebot nicht / denn Gott wil haben /
daß wir mit Dancksagung seiner Gaben brauchen sollen.
Vnd ich wüst wol Exempel fürzubringen / wie manch from Hertz vnd armes Gewissen
dadurch betrübet worden / vnd in Fahr kom̅en ist / daß es nicht
vnterricht / daß der Ehestand / die Ehepflicht vnd was an der Ehe ist / heilig
vnd Christlich were. Der gros Jammer ist erfolget aus der Mönchen vngeschicktem
predigen / welche ohne maß den Celibat / die Keuscheit lobeten / vnd den
Ehelichen Stand für ein vnrein Leben außschrien / daß er sehr hinderlich were zu
der Seligkeit / vnd voll Sünden.
Aber vnser Wiedersacher halten nicht so hart vber dem Ehelosen Stand / vmb des
scheins willen der Heiligkeit / Denn sie wissen / daß zu Rom / auch in allen
jhren Stifften / ohne Heucheley / ohne schein eytel Vnzucht ist / So ist es auch
jhr ernst nicht / Keusch zu leben / sondern wissentlich machen sie die Heucheley
für den Leuten / Derhalben sie erger / vnd jhr Heucheley ist heßlicher / denn
der Ketzer Encratiten / den war doch mehr ernst. Aber diesen Epicureis ists nicht ernst / sondern sie spotten Gott vnd der Welt /
vnd wenden allein diesen Schein für / damit jhr frey Leben zu erhalten.
Zum Sechsten / So wir so viel vrsache haben / warumb wir des Bapsts Gesetz vom
Celibat nicht können annehmen / so sind doch darüber vnzehliche Fehrligkeiten
der Gewissen / vnseglich viel Ergerniß. Darumb ob solch Bapsts Gesetz gleich
nicht vnrecht were / so solt doch billich alle Erbare Leute abschrecken / solche
Beschwerung der Gewissen / daß so vnzehlich Seelen dadurch verderben.
Es haben lang für dieser zeit viel Erbare Leute auch vnter jhnen jhr eigen
Bischoffe / Canonici, &c. geklaget vber die
grosse / schwere Last des Celibats / vnd befunden / daß sie selbs vnd andere
Leute in grosser Fahr jhrer Gewissen darüber kemen. Aber der klag hat sich
niemand angenom̅en / darüber ist es am Tag / wie an vielen örten /
wo Pfaffen Stiffte seyn / gemeine Zucht dadurch zerrüttet wird / was für
grewlicher Vnzucht / Sünde vnd Schande / was grosser vngehörter Laster / dadurch
geursacht. Es sind der Poeten Schriffte vnd Satyrae
vorhanden / darinne mag sich ROMA spiegeln.
Also rechnet GOtt der Allmechtige die verachtung seiner Gabe vnd seiner Gebot /
in den jenigen / die den Ehestand verbieten. So man nu offt etliche nötige
Gesetz aus vrsach geendert hat / wen̅ es der gemein Nutz erfoddert
/ warumb solt denn dis Gesetz nicht geendert
|| [ID00554]
werden / da so
viel trefflicher vrsachen seyn / so viel vnzehlich beschwerung der Gewissen /
darumb es billich geendert werde.
Wir sehen / daß dis die letzte̅ zeiten seyn / vnd wie ein alter
Mensch schwecher ist / denn ein junger / so ist auch die gantze Welt / vnd gantz
Natur in jhrem letzten Alter / vnd im abnehmen. Der Sünde vnd Laster wird nicht
weniger / sondern täglich mehr. Derhalben solt man wieder die Vnzucht vnd Laster
desto ehe der hülff brauchen / die Gott geben hat / als des Ehestands. Wir sehen
in dem 1. Buch Mosi / daß solche Laster der Hurerey auch hatten vberhand
genom̅en für der Sündfluth. Item / zu Sodoma / zu Sibari / zu
Rom / vnd andern Städten ist grewlich Vnzucht eingerissen / ehe sie verstöret
wurden. In diesen Exempeln ist abgemahlet / wie es zu den letzten Zeiten gehen
werde / kurtz für der Welt ende. Derhalben so es auch die Erfahrung gibt / daß
jetzund in diesen letzten zeiten / Vnzucht / stercker denn je leider eingerissen
/ solten trewe Bischoffe vnd Obrigkeit / viel mehr Gesetz vnd Gebot machen / die
Ehe zu gebieten / denn zu verbieten / auch mit worten / Wercken vnd Exempeln die
Leute zu dem Ehestande vermahnen / das were der Obrigkeit Ampt / Denn dieselbige
sollen fleis haben / daß Ehre vnd Zucht erhalten wird.
Nu hat Gott die Welt also verblendt / daß man Ehebruch vnd Hurerey gar nahe ohn
Straff duldet / dagegen strafft man vmb des Ehestands willen. Ist das nicht
schrecklich zu hören? Dabey solten die Prediger beyderley vnterrichten / Die
jenigen / so die Gabe der Keuscheit haben / vermahnen / daß sie dieselbigen
nicht verachteten / sondern zu Gottes Ehre braucheten / Die andern / welchen der
Ehelich Stand von nöthen ist / dazu auch vermahnen.
Der Bapst dispensiert sonst täglich in vielen nöthigen Gesetzen / daran gemeinem
nutz viel gelegen / da er billich solt fest seyn / allein in diesem Gesetz vom
Celibat erzeiget er sich als hart / als Stein vnd Eisen / so man doch weis / daß
nichts denn ein Menschen Gesetz ist. Sie haben viel from̅er /
redlicher / Gottfürchtiger Leute / welche niemands kein leid gethan / wütrisch
vnd Tyrannisch erwürget / allein vmb des Ehestands willen / daß sie aus
notturfft jhrer Gewissen sind Ehelich worden / Derhalben zu besorgen / daß des
Habels Blut so starck gen Himmel schreiet / daß sie es nimmer werden verwinden /
Sondern wie Cain zittern müssen / vnd dieselbige Cainische Mörderey des
vnschüldigen Bluts zeiget an / daß diese Lehre vom Celibat / Teuffels Lehre sey
/ Denn der HERR Christus nennet den Teuffel einen Mörder / welcher solch
Tyrannisch Gesetz mit eytel Blut vnd Morden auch gerne wolt verthedingen.
|| [264]
Wir wissen fast wol / daß etliche sehr schreien / wir machen Schismata. Aber vnser Gewissen sind gantz sicher / nach dem wir mit
allem trewen fleis / Friede vnd Einigkeit gesucht haben / vnd die Wiedersacher
jhnen nicht wollen gnügen lassen / wir verleugnen den̅ (das Gott
verhüte) die öffentliche / Göttliche Warheit / wir willigen denn mit jhnen / das
heßliche Bapst Gesetz anzunehmen / fromme / vnschüldige Eheleute von einander
zureissen / die Eheliche Priester zu erwürgen / vnschüldige Weib vnd Kind ins
Elend zu treiben / ohne alle Vrsache vnschüldig Blut zu vergiessen / Den̅ nach dem es gewiß ist / daß solchs Gott nicht gefellet / so
sollen wir vns lassen lieb seyn / daß wir kein Einigkeit noch Gemeinschafft /
auch kein Schuld / an so viel vnschüldigem Blute / mit den Wiedersachern haben.
Wir haben vrsach angezeigt / warumb wir es mit gutem Gewissen mit den
Wiedersachern nicht halten können / die den Celibat verthedingen / denn es ist
wieder alle Göttliche vnd Natürliche Recht / wieder die Canones selbs / dazu ists eytel Heucheley vnd Fahr / Denn sie halten
vber derselbigen ertichten Keuscheit nicht so hart / Heiligkeit halben / oder /
daß sie es nicht anders verstünden / Sie wissen wol / daß jederman der hohen
Stiffte Wesen / welche wir wol zu nennen wüsten / kennet / Sondern allein jhre
Tyranney vnd Herrschafft zu erhalten. Vnd es wird kein Erbar Mensch wieder
obangezeigte / starcke / klare Gründe / etwas mögen auffbringen. Das Euangelium
lesst alle den jenigen den Ehestand frey / den er von nöthen ist / So zwinget es
die zum Ehestande nicht / so die Gabe der Keuscheit haben / wenn es allein
rechte Keuscheit / vnnd nicht Heucheley ist. Die Freyheit / halten wir / sey den
Priestern auch zu vergönnen / Vnd wir wollen niemands mit Gewalt zum Celibat
zwingen / wollen auch fromme Eheleute nicht von einander treiben / oder Ehe
zureissen.
WIR haben nun etliche vnser Gründ auff dis mahl kurtz angezeit / Auch haben wir
vermeldet / wie die Wiedersacher so vngeschickten Behelff / vnd Trewme dawieder
auffbringen. Nun wöllen wir anzeigen / mit was starcken Gründen / sie jhr Bapst
Gesetz verthedingen. Erstlich sagen sie / solch Gesetz sey von GOtt offenbahrt.
Da siehet man / wie gantz vnuerschampt die heilosen Leute seyn. Sie dürffen
sagen / daß jhr Ehe verbieten von Gott offenbahrt sey / so es doch öffentlich
ist wieder die Schrifft / wieder Paulum / da er saget: Hurerey zu vermeiden habe
ein jeglicher sein eigen Eheweib. Item / so die Schrifft vnd
Ca
|| [ID00556]
nones
starck verbieten / daß man die Ehe / so schon verzogen / in keinen weg
zureissen sol / was dürffen die Buben sagen / vnd den hohen / allerheiligsten
Nahmen der Göttlichen Majestet / so frech vnd vnuerschampt mißbrauchen. Paulus
der Apostel sagt recht / Wer der Gott sey / der solch Gesetz erst eingeführt /
Nemlich / der leidig Satan / denn er nennets Teuffels Lehre. Vnd warlich die
Frucht lehret vns den Bawm kennen / so wir sehen / daß so viel schrecklicher /
grewlicher Laster dadurch geursacht werden / wie an Rom zu sehen. Item / daß
auch vber diesem Gesetz des würgens vnd Blutuergiessens / der Teuffel kein ende
macht.
Der ander Grund der Wiedersacher ist / daß die Priester sollen rein seyn / wie
die Schrifft sagt: Ihr sollet rein seyn / die jhr traget die Gefeß des HERRN.
Das Argument haben wir hie oben verlegt / denn wir haben gnug angezeiget / daß
Keuscheit ohne Glauben kein Reinigkeit für GOtt sey / vnd der Ehestand ist
Heiligkeit vnd Reinigkeit / vmb des Glaubens willen / wie Paulus sagt: Den
reinen ist alles rein. So haben wir klar gnug gesagt / daß Mosis Ceremonien von
Reinigkeit vn̅ Vnreinigkeit dahin nicht zu ziehen seyn / Denn das
Euangelium wil haben Reinigkeit des Hertzens. Vnd hat kein zweiffel / daß
Abrahams / Isaacs / Jacobs / der Ertzväter Hertzen / welche doch viel Weiber
gehabt / reiner gewest seyn / denn vieler Jungfrawen / die gleich nach
Reinigkeit des Leibs recht rein Jungfrawen gewest.
Daß aber Esaias sagt: Ihr sollet rein seyn / die jhr das Gefeß des HERRN traget /
das ist zu verstehen / von gantzer Christlicher Heiligkeit / vnd nicht von
Jungfrawschafft / Vnd eben dieser Spruch gebeut den vnreinen Ehelosen Priestern
/ daß sie reine Eheliche Priester werden / Denn / wie zuuor gesagt / die Ehe ist
Reinigkeit bey den Christen.
Das dritte ist erstlich ein schrecklich Argument / daß der Priester Ehe solle
Ketzerey seyn / Gnadet vnser armen Seele / lieben Herrn / fahrt schöne / das ist
gar ein newes / daß der heilig Ehestand den Gott im Paradiß geschaffen hat / sol
Ketzerey seyn worden / mit der weis / würde die gantze Welt eytel Ketzer Kinder
seyn.
Es ist ein grosse vnuerschampte Lügen / daß der Priester Ehe solle Iouiniani Ketzerey seyn / Oder / daß solche Priester Ehe
zu der zeit von der Kirchen solle verdampt seyn. Denn zu Jouinianus zeiten / hat
die Kirch von diesem Bapsts Gesetz / dadurch den Priestern die Ehe gantz
verboten ist / noch nicht gewust / Vnd solchs wissen vnser Wiedersacher wol.
Aber sie ziehen offt alte Ketzereyen an / vnd rei
|| [265]
men vnser Lehr dazu / wieder jhr eigen Gewissen / allein den
vngelehrten einzubilden / als sey vnser Lehre vor alters von den Kirchen
verdammet / vnd also menniglich wieder vns zu bewegen. Mit solchen griffen gehen
sie vmb / vnd darumb haben sie vns die Confutation nicht wollen zustellen / sie
haben besorget / man möchte jhr öffentliche Lügen verantworten / welchs jhnen
ein ewige Schande bey allen Nachkommen seyn wird. Was aber Iouiniani Lehre belanget / haben wir hie oben gesaget / was wir von
Keuscheit / was wir vom Ehestande halten. Denn wir sagen nicht / daß der
Ehestand gleich sey der Jungfrawschafft / wiewol weder Jungfrawschafft noch
Ehestand gerecht macht für Gott.
Mit solchen schwachen / losen Gründen schützen vnd verthedingen sie des Bapsts
Gesetz vom Celibat / das so zu grossen Lastern vnd Vnzucht hat vrsach geben. Die
Fürsten vnd Bischoffe / so diesen Lehrern gleuben / werden wol sehen / ob solche
Gründe den Stich halten / wenn es zu der Todsstunde kömpt / daß man für GOtt
solle Rechenschafft geben / warumb sie from̅er Leute Ehe zurissen
haben / warumb sie diese gestöckt vnd geblöckt haben / warumb sie so viel
Priester erwürget / vnd vnschüldig Blut vber alles klagen / heulen vnd weinen /
so vieler Witwen vnd Waisen / vergossen haben / Denn das dürffen sie jhnen nicht
in Sinn nehmen / die Zehern vnd Threnen der armen Witwen / das Blut der
Vnschüldigen / ist im Himmel vnuergessen / es wird zu seiner stund als starck /
als des heiligen / vnschüldigen Habels Blut / vber sie in hohen Him̅el schreien / vnd für Gott dem rechten Richter ruffen. Wenn nu GOtt solche
Tyranney richten wird / werden sie erfahren / daß jhr Argument Strohe vnd Hew
sind / vnd Gott ein verzehrend Fewer / für dem nichts bleiben kan / ausser
Göttlichs Worts / 1. Petr. 1.
Vnsere Fürsten vnd Herrn / es gehe wie es wolle / haben sich des zu trösten / daß
sie mit gutem Gewissen gehandelt haben. Denn ich wil gleich setzen / daß der
Priester Ehe etwa anzufechten sey / als nicht ist / doch ist das stracks wieder
GOttes Wort vnd Willen / daß die Widersacher die vollzogene Ehe also zureissen /
arme vnschüldige Leute ins Elend jagen vnd erwürgen. Es haben vnsere Fürsten vnd
Herrn ja nicht Lust an Newerung vnd zwispalt / dennoch sind sie schüldig / daß
sie das Göttlich Wort vnd Warheit in so gerechter vnd gewisser Sachen mehr
lassen gelten / denn alle andere Sachen / Da verleihe Gott Gnade zu / AMEN.
|| [ID00558]
Von der Messe.
ERstlich müssen wir aber dis hie zum eingange sagen / daß wir die Messe nicht
abthun / denn alle Sontag vnnd Feste werden in vnser Kirchen Messen gehalten /
dabey das Sacrament gereicht wird / den jenigen / die es begehren / Doch also /
daß sie erst verhört vnd absoluiert werden. So werden auch Christliche
Ceremonien gehalten / mit lesen / mit Gesengen / Gebeten / vnd dergleichen /
etc.
Die Wiedersacher machen ein gros Geschwetz / von der Lateinischen Messe / vnd
reden gantz vngeschickt vnd Kindisch dauon / wie auch ein Vngelehrter / der
Latein nicht verstehe / gros verdiene mit Messe hören / im Glauben der Kirchen.
Da ertichten sie jnen selbst / daß das schlecht Werck des Meß hörens ein
Gottesdienst sey / welcher auch denn nütze sey / wenn ich kein Wort höre oder
verstehe. Das wil ich nicht hie dermassen außstreichen / wie es werth were / wir
wollen verstendige Leute hie richten lassen / Wir gedencken des darumb / daß wir
anzeigen / daß bey vns die Lateinische Messe / Lection / vnd Gebet auch gehalten
werden.
So aber die Ceremonien sollen darumb gehalten werden / daß die Leute die Schrifft
vnd GOttes Wort lernen / vnd dadurch zu Gottes Furcht kom̅en / vnd
Trost erlangen / vnd also recht beten / den̅ darumb sind
Ceremonien eingesetzt / So behalten wir das Late in vmb der willen / die
Lateinisch können / vnd lassen daneben Teutsche Christliche Gesenge gehen /
damit das gemein Volck auch etwas lerne / vnd zu GOttes Furcht vnd Erkentniß
vnterricht werde. Der Brauch ist allezeit für löblich gehalten in der Kirchen.
Denn wiewol an etlichen örten mehr / an etlichen örten weniger Teutsche Gesenge
gesungen werden / so hat doch in allen Kirchen je etwas das Volck Teutsch
gesungen / darumb ists so new nicht. Wo stehet aber diese Phariseische Lehre
geschrieben / daß Meß hören / ohn Verstand / ex opere
operato, verdienlich vnd seliglich sey? Schemet euch ins Hertz / jhr
Sophisten / mit solchen Trewmen.
Daß wir aber nicht Priuat Messen / sondern allein ein öffentliche Meß / wenn das
Volck mit communiciert / halten / das ist nichts
|| [266]
wieder die gemeine Christliche Kirchen. Denn in der Griechischen Kirchen werden
auff diesen Tag kein Priuat Messen gehalten / sondern allein ein Messe / vnd
dasselbige auff die Sontage vnd hohe Feste / das ist alles ein anzeigung des
alten Brauchs der Kirchen / Den̅ die Lerer / so vor der zeit S. Gregorij gewest / gedencken an keinem ort der Priuat
Messen. Wie aber die entzeln Messen oder Priuat Messen einen anfang gehabt /
lassen wir jetzund anstehen / Das ist gewiß / da die Bettel Orden vnd Mönch also
vberhand genom̅en / sind die Messen aus den falschen Lehren
derselbigen also täglich mehr vnd mehr gestifft vnd eingerissen / vmb Gelds vnd
Geitzs willen / Also / daß die Theologen selbs darüber allzeit geklagt. Vnd
wiewol S. Franciscus aus rechter guter meynung hat dem
dinge wöllen fürkom̅en / vnd hat geordnet den seinen / daß ein
jeglich Kloster täglich mit einer gemeinen Messe solte zu frieden seyn.
Dasselbige nützlich Statut ist hernach durch Heucheley / oder vmb Gelds willen
geendert. Also verendern sie die Ordnung der alten Väter / wenn vnd wo sie
gelüstet / wenn es jhnen in die Küchen treget / vnd sagen vns darnach / man
müsse der alten Väter Ordnung heiliglich halten. Epiphanius schreibet / Daß in Asia alle Wochen Communio drey mal gehalten sey / vnd man habe nicht
täglich Messe gehalten / vnd sagt / der Brauch sey von den Aposteln also
herkommen.
Wiewol nu die Widersacher an diesem ort viel Wort vnd Sprüche in einander gekocht
haben / da sie mit beweisen wollen / daß die Messe ein Opffer sey / so ist doch
das grosse geschrey mit dieser einigen Antwort bald gestillet / vnd ist jhnen
das Maul bald gestopffet / wen̅ wir sagen / Die Sprüche / die
Argument / Gründe / vnd alles was fürbracht / beweisen nicht / daß die Messe ex opere operato, dem Priester oder andern / für die /
so sie appliciert werden / verdienen Vergebung der Sünde / Verlassung der Pein
vnd Schuld. Diese einige klare Antwort stösst vber einen hauffen zu boden /
alles / was die Wiedersacher fürbringen. Nicht allein in der Confutation /
Sondern in allen jhren Büchern vnd Schrifften / welche sie von der Messe
geschrieben.
Vnd das ist die Heuptfrage in dieser gantzen Sache / dauon wollen wir ein jeden
Christlichen Leser verwarnet haben / daß er den Widersachern gnaw darauff sehe /
ob sie auch bey der Heuptfrage bleiben. Denn sie pflegen aus der Heuptsache viel
vergeblich / vngereimpte vmbschweiff zu machen. Denn wenn man gleich vnd
vngewanckt bey der Heuptfrage bleibet / vnd nichts frembds einmenget / da ist
desto leichter zu vrtheilen auff beyden seiten.
|| [ID00560]
Wir haben in vnser Confession angezeigt / daß wir halten / daß das Abendmal /
oder die Messe / niemand from mache ex opere operato,
Vnd daß die Messe / so für ander gehalten wird / jhnen nicht verdiene Vergebung
der Sünde / Verlassung Pein vnd Schuld / Vnd des Heuptstücks haben wir gantz
starcken gewissen Grund / Nemlich diesen / Es ist vnmüglich / daß wir solten
Vergebung der Sünde erlangen / durch vnser Werck / ex opere
operato, das ist / durch das gethane Werck an jhm selbst / sine bono motu vtentis, wenn schon das Hertz kein guten
gedancken hat / sondern durch den Glauben an Christum muß das schrecken der
Sünde / des Tods / vberwunden werden. Wenn vnsere Hertzen auffgericht vnd
getröstet werden / durch das Erkentniß Christi / wie oben gesagt. Wenn wir
empfinden / daß wir vmb Christus willen ein gnedigen Gott haben / Also / daß vns
sein Verdienst vnd Gerechtigkeit geschenckt wird / Roman. am 5. Capittel: So wir
denn gerecht seyn worden durch den Glauben / so haben wir Friede mit Gott / etc.
Dis ist ein solch starcker gewisser Grund / daß alle Pforten der Helle dawieder
nichts werden können auffbringen / deß sind wir gewiß.
Vnd dieses were eben gnug von der gantzen Sach. Denn kein Vernünfftiger oder
verstendiger wird die Phariseisch vnd Heydnisch Heucheley / vnd den grossen
Mißbrauch / von opere operato, loben mögen. Vnd ist doch
derselb Irrthumb in aller Welt eingerissen / daher hat man so viel vnzehlich
Messen in aller Welt / in allen Stifften / Klöstern / Kirchen / Clausen / in
allen Winckeln gestifftet / Denn dazu werden Messe vmb Geld gehalten / GOttes
Zorn zu versünen / durch das Werck / Vergebung der Sünde / Erlösung von Pein vnd
Schuld / zu erlangen / die Todten aus dem Fegfewr zu erlösen / Gesundheit /
Reichthumb / Glücke vnd Wolfart in Hantierung zu erlangen / etc. Die Heuchlische
Phariseische Opinion haben die Mönche vnd Sophisten in die Kirchen gepflantzt.
Wiewol nun der Irrthumb vom Mißbrauch der Meß gnugsam verleget ist / dadurch /
daß man nicht durch vnsere Werck / Sondern durch den Glauben an Christum /
Vergebung der Sünden erlangt / Doch dieweil die Wiedersacher viel Sprüche der
Schrifft gantz vngeschickt einfüren / jhren Irrthumb zu verthedingen / wollen
wir etwas mehr hie noch dazu setzen.
Die Wiedersacher reden in jhrer Confutation viel vom Opffer / so wir doch in
vnser Confession das Wort Sacrificium mit fleis gemeidet
haben / vmb vngewisses Verstandes willen / sondern haben jhren
|| [267]
höhesten Mißbrauch mit klaren Worten außgedrückt / den sie vnter
dem Namen Sacrificium meynen vnd treiben. Daß wir nu die
Sprüche / so sie vnrecht vnd felschlich eingefüret / verlegen mügen / müssen wir
erst sagen / was das Wort Sacrificium oder Opffer
heisset.
Sie haben zehen gantzer Jahr viel Bücher geschrieben / daß die Messe ein Opffer
sey / vnd jhr keiner hat noch nie definiert / was Opffer sey / oder nicht sey.
Sie suchen allein das Vocabel oder Wort Sacrificium, wo
sie es finden in concordantijs Bibliae, vnd dehnen es
hieher / es reime sich oder nicht / Also thun sie auch in der alten Väter
Büchern / darnach ertichten sie jhre Trewme dazu / gleich als müsse Sacrificium heissen / was sie wollen.
Was Opffer sey / oder nicht sey / vnd wie mancherley Opffer.
VND damit man nicht blind in die Sache falle / müssen wir erstlich vnterscheid
anzeigen / was Opffer / vnd was nicht Opffer sey / vnd dis ist nützlich vnd gut
allen Christen zu wissen. Die Theologen pflegen recht zu vnterscheiden / Sacrificium vnd Sacramentum,
Opffer vnd Sacrament. Nun das Genus wollen wir lassen
seyn / Ceremonia oder heilig Werck. Sacramentum ist ein Ceremonia oder eusserlich
Zeichen / oder ein Werck / dadurch vns GOtt gibt das jenige / so die Göttliche
Verheissung / welche derselbigen Ceremonien angehefft ist / anbeutet. Als die
Tauffe ist ein Ceremonien vnd ein Werck / nicht das wir Gott geben / oder
anbieten / sondern in welchem vns Gott gibet vnd anbeutet / in welchem vns Gott
teuffet / oder der Diener an Gottes stat. Da beut vns GOtt an / vnd gibt vns
Vergebung der Sünde / nach seiner Verheissung / Wer da gleubt vnd getaufft wird
/ der sol selig werden. Wiederumb Sacrificium oder
Opffer ist ein Ceremonia oder ein Werck / das wir Gott
geben / damit wir jhn ehren.
Es ist aber fürnemlich zweyerley Opffer / vnd nicht mehr / darunter alle ander
Opffer begriffen seyn. Für eins / ist ein Versünopffer / dadurch gnug gethan
wird für Pein vnd Schuld / GOttes
|| [ID00562]
Zorn geftillet vnd versünet
/ vnd Vergebung der Sünde für andere erlangt.
Zum andern / ist ein Danckopffer / dadurch nicht Vergebung der Sünde / oder
Versünung erlangt wird / Sondern geschiehet von den jenigen / welche schon
versünet seyn / daß sie für die erlangte vergebung der Sünde / vnd andere Gnaden
vnd Gaben dancksagen.
Dieser zweyerley Opffer muß man mit fleis warnehmen / in diesem Handel / vnd in
vielen andern Disputationen gantz wol darauff sehen / daß man diese zwey nicht
in einander menge. Vnd diese vnterschiedliche Theilung hat wol starcke beweisung
aus der Epistel zu den Ebreern / vnd an vielen örten in der Schrifft. Vnd alle
Opffer im Gesetz Mosi / wie mancherley die seyn / können vnter diese zweyerley
Opffer / als vnter jhre Genera beschlossen vnd begriffen
werden. Den̅ etliche Opffer im Gesetz Mosi / werden genennet
Süneopffer / oder Opffer für die Sünde / vmb der bedeutung willen / nicht daß
Vergebung der Sünde dadurch verdienet wird für Gott / Sondern daß es eusserliche
Versünung waren / vmb der bedeutung willen / Denn die jenigen / für welche sie
geschahen / wurden durch solche Opffer versünet / daß sie nicht aus dem Volck
Israel verstossen wurden. Darumb waren es genent Süneopffere / Die andern Opffer
aber waren Danckopffer.
Also sind im Gesetz wol Bedeutung gewesen / des rechten Opffers / aber es ist
allein ein einigs / warhafftigs Süneopffer / Opffer für die Sünde in der Welt
gewesen / Nemlich / der Tod Christi / wie die Epistel zu den Ebreern sagt / Es
ist vnmüglich gewest / daß der Ochsen vnd Böcke Blut solte Sünde wegnehmen. Vnd
bald hernach stehet von dem Gehorsam vnd Willen Christi / in welchem Willen wir
geheiliget seyn / durch das Opffern des Leibs JEsu Christi ein mal / etc.
Vnd Esaias der Prophet hat auch zuuor das Gesetz Mosi außgelegt / vnd zeigt an /
daß der Tod Christi die Bezalung für die Sünde ist / vnd nicht die Opffer im
Gesetz / da er von Christo sagt: Wenn Er sein Leben zum Schuldopffer gegeben hat
/ so wird er Samen haben / vnd in die lenge leben. Den̅ der
Prophet hat das wort (Schuldopffer) auff Christus Tod gezogen / anzuzeigen / daß
die Schuldopffer im Gesetz nicht das recht Opffer weren / die Sünde zu bezahlen
/ Sondern es müste ein ander Opffer kom̅en / Nemlich / Christus
Tod / dadurch Gottes Zorn solt versünet werden.
Item / Die Schuldopffer im Gesetz musten auffhören / da das Euangelium
geoffenbaret / vnd das recht Opffer außgericht ward.
|| [268]
Darumb sind es nicht rechte Versünung für Gott gewesen / denn sie haben fallen
müssen / vnd hat ein anders müssen kom̅en / Derhalben sind es
allein Bedeutungen / vnd Fürbild der rechten Versünung gewesen. Darmub bleibt
dieses fest stehen / daß nur ein einig Opffer gewesen ist / Nemlich / der Tod
Christi / das für andere solt appliciert werden / Gottes Zorn zu versünen.
Vber dieses einig Süneopffer / Nemlich / den Tod Christi / sind nu andere Opffer
/ die sind alle nur Danckopffer / als alles leiden / predigen / gute Werck der
Heiligen / dasselbige sind nicht solche Opffer / dadurch wir versünet werde̅ / die man für andere thun könne / oder die da verdienen / ex opere operato, Vergebung der Sünde / oder Versünung.
Denn sie geschehen von den jenigen / so schon durch Christum versünet seyn. Vnd
solche Opffer sind vnser Opffer im Newen Testament / wie Petrus der Apostel / 1.
Petr. 2. sagt: Ihr seyd ein heilig Priesterthumb / daß jhr opffert Geistliche
Opffer.
Vnd im Newen Testament gilt kein Opffer / ex opere operato
sine bono motu vtentis, Das ist / das Werck ohn ein guten Gedancken im
Hertzen. Denn Christus spricht Johann. 4. Die rechten Anbeter werden den Vater
anbeten im Geist / vnd in der Warheit / Das ist / mit Hertzen / mit hertzlicher
Furcht / vnd hertzlichem Glauben. Darumb ists eytel Teuffelisch / Phariseisch /
vnd Antichristische Lehre vnd Gottesdienst / daß vnsere Wiedersacher lehren /
Ihr Meß verdiene Vergebung der Schuld vnd Pein / ex opere
operato.
Die Jüden verstunden jhre Ceremonien auch nicht recht / vnd meineten / sie weren
für GOTT from / wenn sie die Werck gethan hetten / ex opere
operato, Dawieder schreien die Propheten auffs aller ernstlichst /
damit sie die Leute von eigen Wercken auff die Zusage GOTTes wiesen / vnd sie
zum Glauben vnd rechten Gottesdienst brechten. Also stehet Jeremiae am 7. Ich
hab nicht mit ewren Vätern von Opffer geredt / oder Brandopffer / da ich sie aus
Egypten Lande führet / sondern dis wort hab ich jhnen geboten: Höret meine
Stimme / vnd ich wil ewer Gott seyn / etc. Was werden wol die Halßstarrigen
Jüden zu dieser Predigt vnd Lehre gesagt haben? Die da gantz öffentlich wieder
das Gesetz vnd Mosen scheinet. Denn es war je öffentlich / daß GOTT den Vätern
von Opffern geboten hatte / das kont Jeremias nicht leugnen. Jeremias aber
verdampt jhren Irrthumb von den Opffern / von welchen kein Gottes Befehl war /
Nemlich / da sie meineten / daß die Opffer ex opere
operato, Gott versüneten vnd gefielen. Darumb setzet Jeremias das dazu /
vom Glauben / daß GOTT geboten hat / Höret
|| [ID00564]
Mich / das ist /
Gleubt Mir / daß Ich ewer Gott bin / daß Ich euch erhalte / Mich ewer erbarme /
euch alle stunde helffe / Vnd darff ewer Opffer nicht / Gleubt daß Ich ewer Gott
bin / der euch gerecht macht vnd heilig / nicht vmb ewers Verdiensts willen /
sondern vmb meiner Zusage willen / Darumb solt jhr von Mir allen Trost vnd Hülff
warten.
Auch so verwirfft die Heydnische Opinion von opere
operato, der 49. Psalm / da er sagt: Meinstu daß ich Ochsen Fleisch essen
wölle / oder Bocks Blut trincken? Ruff Mich an in der zeit der Noth / etc. Da
wird das opus operatum, verworffen / vnd sagt / Ruff
Mich an / da zeigt er den höchsten Gottesdienst an / wenn wir Ihnen von Hertzen
anruffen.
Item im 39. Psalm: Du hast kein Lust am Opffer vnd Speißopffer / Aber die Ohren
hastu mir auffgethan / das ist / Du hast mir ein Wort geben / das ich hören sol
/ vnd fodderst daß ich deinem Wort gleuben sol / vnd deinen Zusagen / daß du mir
helffen wilt. Item / Psalm. 50. Du hast nicht Lust zum Opffer / ich gebe dir es
sonst / etc. Die Opffer Gottes sind ein zubroche̅ Geist / etc.
Item / im 4. Psalm / Opffert Opffer der Gerechtigkeit / vnd hoffet auff den
HERRN. Da befiehlet er / daß wir sollen auff den HERRN hoffen / vnd nennet das
ein recht Opffer / da zeiget er an / daß die andern nicht rechte Opffer seyn /
etc. Item Psalm 115. Dir wil ich Danckopffer opffern / vnd des HERRN Namen
anruffen / etc.
Vnd die gantze Schrifft ist voll solcher Sprüche / die da anzeigen / daß kein
Opffer / kein Werck / ex opere operato, Gott versünet.
Darumb lehret sie / daß im Newen Testament die Opffer des Gesetzes Mosi abgethan
seyn / vnd sind eytel reine Opffer ohne Makel / Nemlich / der Glaub gegen Gott /
Dancksagung / Gottes Lob / Predigt des Euangelij / Creutz vnd Leiden der
Heiligen / vnd dergleichen.
Vnd von diesen Opffern redet Malachias / da er sagt: Von Auffgang der Sonnen bis
zu jhrem Niedergang / ist mein Nahme gros vnter den Heyden / vnd an allen orten
sol meinem Nahmen geopffert werden / ein rein Opffer. Denselbigen Spruch deuten
die Wiedersacher felschlich vnd närrisch von der Messe zu verstehen / vnd ziehen
die alten Väter an. Es ist aber da bald geantwortet / wenn gleich Malachias von
der Messe redet / als er nicht thut / so folget doch daraus nicht / daß die
Messe ex opere operato, vns für Gott from mache / Oder /
daß man Messe könne halten für andere / denselbigen Vergebung der Sünde zu
erlangen / der keins sagt der Prophet /
|| [269]
Sondern die
Sophisten vnd Mönche ertichtens vnuerschampt aus jhrem eigen Hirn.
Die Wort aber des Propheten bringen selbst den rechten Verstand mit / Denn erst
sagt der Prophet / Es solle der Nahme des HERRN gros werden / das geschiehet
durch die Predigt des Euangelij / Denn durch dieselbigen wird der Name Christi
bekent / vnd wird bekant die Gnade in Christo verheissen / durch die Predigt
aber des Euangelij kom̅en die Leute zum Glauben / die ruffen denn
Gott recht an / die dancken Gott / die leiden vmb GOttes willen Verfolgung / die
thun gute Wercke. Darumb nennets der Prophet / das Rein Opffer / nicht die
Ceremonien der Messe allein ex opere operato, Sondern
alle Geistliche Opffer / durch welche Gottes Nahme gros wird / Nemlich / ein
rein / heilig Opffer ist die Predigt des Euangelij / der Glaub / Anruffung /
Gebet / das Euangelium vnd Christum für der Welt bekennen / etc.
Vnd wir fechten nicht gros an / ob es jemands je auch auff die Ceremonien der
Messe deuten wolt / wenn er nur nicht sagt / daß die schlecht Ceremonia ex opere operato, Gott versüne. Denn wie wir die Predigt
heissen ein Lobopffer / so mag die Ceremonia des
Abendmals an jhm selbs ein Lobopffer seyn / Aber nicht ein solch Opffer / das
ex opere operato für Gott gerecht mache / Oder / das
man für andere thun könne / jhnen vergebung der Sünde zu erlangen. Aber bald
hernach wöllen wir auch sagen / wie die Ceremonia ein
Opffer sey. Dieweil aber Malachias redet von allen Gottesdiensten / vnd Opffern
des Newen Testaments / so redet er nicht allein von der Messe oder Abendmahl.
Item / dieweil er klar wieder denselben Phariseischen Irrthumb / vom opere operato, so thut der Spruch nichts wieder vns /
sondern viel mehr für vns / denn er foddert inwendig das Hertz / Gott
Danckopffer zu thun / durch welchs der Name des HERRN recht gros werde.
Es wird auch aus dem Malachia noch ein Spruch angezogen: Vnd er wird seigern die
Söhne Leui, wie Gold vnd wie Silber / vnd sie werden
Gott opffern / Opffer der Gerechtigkeit. Da sagt er von Opffern der
Gerechtigkeit. Darumb ist der Text wieder das opus
operatum. Die Opffer aber der Söhne Leui, das ist /
der jenigen / die da predigen im Newen Testament / ist die Predigt des Euangelij
/ vnd die gute Früchte der Predigt / Wie Paulus Roman. 15. saget: Ich sol seyn
ein Diener Christi / vnter den Heyden zu opffern das Euangelium GOttes / auff
daß die Heyden ein Opffer werden / GOTT angenehm durch den Glauben. Denn das
Ochsen
|| [ID00566]
vnd Schaff schlachten im Gesetz hat bedeut den Tod
Christi / vn̅ das Predigampt des Euangelij / dadurch der alte Adam
täglich getödtet werde / vnd das newe vnd ewig Leben sich anfehet.
Aber die Wiedersacher deuten allenthalben das wort Opffer oder Sacrificium allein auff die Ceremonien der Meß. Von dem Predigampt des
Euangelij / vom Glauben / vom dancken vnd anruffen Göttlichs Nahmens / reden sie
gar nichts / so doch die Ceremonia darumb ist eingesetzt
/ so doch das New Testament eytel Geistlich Opffer hat inwendig des Hertzens /
vnd nicht solch Opffer / wie das Leuitisch Priesterthumb.
Auch so ziehen die Wiedersacher an / das Iuge
Sacrificium, das ist / das tägliche Opffer / vnd sagen / wie im Gesetz Mosi
sey gewesen ein täglich Opffer / also sey die Messe / Iuge
Sacrificium des Newen Testaments / Wenn die Sache mit Allegorien
außzurichten were / so würde jederman Allegorien finden / jhm dienlich. Aber
alle Verstendige wissen / daß man in solchen hochwichtigen Sachen für Gott gewiß
vnd klar Gottes Wort haben muß / vnd nicht tunckel vnd frembde Sprüche herzu
ziehen mit Gewalt / Solche vngewisse deutungen halten den Stich nicht für Gottes
Gericht.
Wiewol wir wolten den Wiedersachern zu gefallen noch die Messe wol Iuge Sacrificium oder täglich Opffer nennen lassen /
wenn sie die gantze Messen / das ist / die Ceremonia mit
der Dancksagung / mit dem Glauben im Hertzen / mit dem Hertzlichen anruffen
Göttlicher Gnade / Iuge Sacrificium nenneten / Denn das
alles zusammen möcht Iuge Sacrificium des Newen
Testaments heissen / Denn die Ceremonia der Meß / oder
des Abendmals / ist vmb des alles willen auffgericht / Denn sie ist vmb des
Predigens willen eingesetzt / Wie Paulus sagt: So offt jhr das Brod esset / vnd
den Kelch trincket / solt jhr den Tod des HERRN verkündigen. Das folget aber gar
nicht aus der Figur des täglichen Opffers / daß die Messe sey ein solch Opffer /
das ex opere operato Gott versüne / Oder / das man für
andere halten / oder thun könne / jhnen Vergebung der Sünde zu erlangen.
Vnd wenn man Iuge Sacrificium, oder das täglich Opffer
recht ansiehet / so malets ab / vnd bedeut nicht allein die Ceremonien / sondern
auch die Predigt des Euangelij. Denn im 4. Buch Mosi am 28. werden gesetzt drey
Stücke / die zu denselbigen täglichen Opffer gehöreten. Erstlich ward geopffert
ein Lamb zu einem Brandopffer / vnd ward Wein darauff gossen. Darnach ward auch
geopffert ein Kuch mit Semmel Mehl vnd Oele gemenget.
|| [270]
Das gantz Gesetz Mosi / ist ein Schatten vnd Figur Christi vnd des Newen
Testaments. Darumb so wird Christus darinn abgemalet / das Lamb bedeutet den Tod
Christi / Wein darauff giessen bedeutet / daß in aller Welt alle Gleubigen von
des Lambs Blut besprenget werden / durch das Euangelium / das ist / daß sie
geheiliget werden / wie Petrus sagt / 1. Petr. 1. Durch Heiligung des Geistes /
im Gehorsam vnd besprengung des Bluts Jesu Christi. Der Kuch bedeutet das
anruffen vnd die Dancksagung in aller Gleubige̅ Hertzen. Wie nu im
Alten Testament der Schatten ist / vnd die Bedeutung Christi oder des Euangelij
/ Also ist im Newen Testament dasselbige Euangelium / vnd die Warheit / welche
durch die Figur bedeut ist / zu suchen / vnd nicht erst ein new Typus oder Figur zu suchen / das sie möchten oder wolten
Sacrificium nennen.
Darumb / wiewol die Messe oder Ceremonia im Abenmahl ein
Gedechtniß ist des Tods Christi / so ist doch nicht die Ceremonia allein das Iuge Sacrificium, oder
täglich Opffer / Sondern das Gedechtniß des Tods Christi / zusampt der Ceremonia, ist das täglich Opffer / das ist / die
Predigt von Glauben vnd Christo / welcher Glaub warlich gleubt / daß Gott durch
den Tod Christi versünet sey. Zu demselbigen Iuge
Sacrificio gehört auch die Frucht der Predigt / daß wir mit dem Blut
Christi besprenget / das ist / geheiliget werden / daß der alte Adam getödtet /
vnd der Geist zunehme / das ist das giessen. Darnach sollen wir auch dancken /
vnd Gott loben / vnd den Glauben mit leiden vnd Guten Wercken bekennen / das ist
durch Mehl vnd Oele bedeutet.
Also wenn der grobe Phariseisch Irrthumb / von dem opere
operato weggethan ist / findet sich / daß durch das Iuge Sacrificium, bedeut ist / das Geistlich Opffer / vnd täglich
Opffer der Hertzen / Denn Paulus sagt: Im Alten Testament ist der Schatten der
künfftigen Güter / der Leib aber vnd die Warheit ist in Christo. Das ist nun das
Erkentniß Christi / vnd der heilig Geist im Hertzen / welcher eytel Dancksagung
/ vnd täglich Geistlich Opffer im Hertzen wircket / Aus dem erscheinet nu gnug /
daß das Gleichniß vom Iuge Sacrificio, oder täglichem
Opffer nichts wieder vns ist / Sondern viel mehr für vns. Denn wir haben klar
angezeigt / daß alles / was zum täglichen Opffer im Gesetz Mosi gehöret hat /
muß ein wahr Hertzlich Opffer nicht opus operatum
bedeuten. Der Wiedersacher Trawm ist falsch / da sie wehnen wollen / es werde
allein das schlecht eusserlich Werck vnd Ceremonia
bedeut / so doch der Glaub im Hertzen / das predigen / bekennen / dancksagen /
vnd Hertzlichs anruffen / die rechten täglichen
|| [ID00568]
Opffer seyn /
vnd das beste an der Messe / sie nennens gleich Opffer oder anders.
Nu können alle Gottfürchtige / Fromme / Erbare / Christliche Leute leichtlich
mercken / daß der Wiedersacher beschüldigung vnrecht ist / da sie sagen / Wir
thun das Iuge Sacrificium ab / Die erfahrung gibts / daß
sie die rechten Antiochi seyn / die als die wütenden
Tyrannen / mit eytel Durft vnd Gewalt sich erzeigen in der Kirchen / die
vntereinem schein der Geistligkeit zu sich ziehen / allen Gewalt der Welt / vnd
fragen doch nichts nach dem Predigampt / nach Christo / oder dem Euangelio /
Darüber vnterstehen sie sich / newe Gottesdienst jhrs gefallens in der Kirchen
anzurichten / vnd mit eitel gewalt zu verfechten. Denn die Wiedersacher behalten
allein die Ceremonien der Messe / Den rechten Brauch aber der Messe lassen sie
fahren / vnd brauchen die Messe allein zum Geitz / vnd schendlichen Jarmarckt /
vnd ertichten darnach / es sey ein Werck / das andern zu gut komme / das andern
Vergebung der Sünden / Pein vnd Schuld verdiene. In jhren Predigten aber lehren
sie nicht das Euangelium / sie trösten auch nicht die Gewissen / sie predigen
auch nicht / daß die Sünde ohne Verdienst vergeben werden / vmb Christus willen
/ sondern predigen von anruffen der Heiligen / von Satisfactionibus, von Gnugthuung / von Menschen Satzungen / vnd sagen
/ daß dadurch die Leute für Gott from werden. Vnd wiewol derselbigen
öffentlichen Gotteslesterlichen Mißbreuch viel seyn / so wollen sie doch
dieselbigen / dieweil sie Geld tragen / mit Gewalt erhalten. Vnd die
gelehrtesten Prediger vnter jhnen predigen verworren Philosophisch Question vnd
Frage / welche weder sie selbst noch das Volck verstehen. Endlich ob etliche
vnter jhnen seyn nicht gar vngelehrt / so lehren sie doch eytel Gesetz / vnd
lehren von Christo / oder vom Glauben gar nichts.
Die Wiedersacher ziehen den Daniel an / der da sagt: Es werden Grewel vnd
Verwüstung in der Kirchen stehen / vnd deuten dieses auff vnser Kirchen /
derhalben / daß die Altar nicht bedeckt seyn / nicht Liechter darinnen brennen /
vnd dergleichen. Wiewol es nicht wahr ist / daß wir solche eusserliche Ornament
alle wegthun / dennoch / so es schon also were / redet Daniel nicht von solchen
dingen / die gar eusserlich sind / vnd zur Christlichen Kirchen nicht gehören /
sondern meynet viel ein andere grewlichere Verwüstung / welche im Bapstthumb
starck gehet / Nemlich / von Verwüstung des nötigsten / grösten Gottesdienstes /
des Predigampts / vnd vnterdrückung des Euangelij. Denn bey den Wiedersachern
predigt man das mehrer
|| [271]
theil von Menschen
Satzungen / dadurch die Gewissen von Christo auff eigene Werck vnd vertrawen
geführet werden / So ists gewiß / daß vnterm Bapsthumb die Predigt von der Bus
oder de Poenitentia, wie die Wiedersacher dauon gelehret
/ niemands verstanden hat / vnd das ist doch das nöthigest Stück der gantzen
Christlichen Lehre.
Die Wiedersacher haben die armen Gewissen gequelet vnd geplaget / mit Sünden
erzehlen / vom Glauben an Christum / dadurch man erlangt Vergebung der Sünde /
von dem rechten Kampff vnd Anfechtung / welche sind vbung des Glaubens / haben
sie gar nichts recht gelehret / dadurch die Gewissen hetten mögen Trost haben.
Alle jhre Bücher / alle jhre Predigt sind in dem Stücke / als nütze gewesen /
als nichts / vnd haben dazu vnseglichen Schaden gethan. Darüber ist bey den
Wiedersachern der schrecklich grewlich Mißbrauch der Messe / deßgleichen kaum je
auff Erden gewest / vnd sonst vnzehlich viel Vnchristlich / Närrisch
Gottesdienst / das ist die rechte Verwüstung / dauon Daniel sagt.
Dagegen in vnsern Kirchen warten die Priester recht jhres Ampts / lehren vnd
predigen das Euangelium / predigen Christum / daß wir nicht vmb vnser Wercke
willen / sondern vmb Christus willen Vergebung der Sünde / vnd ein gnedigen Gott
haben. Diese Lehre gibt den Hertzen ein rechten / gewissen / bestendigen Trost.
Auch so lehren sie die Zehen Gebot / vnd von rechtschaffen guten Wercken /
welche Gott geboten hat. Darüber auch von rechtem Christlichem Brauch der
heiligen Sacrament.
Vnd wenn ja das Abendmahl oder die Messe / solt das täglich Opffer genennet
werden / so möcht billicher die Messe bey vns also heissen / Denn bey jhnen
halten jhr Pfaffen das mehrertheil all / vmb jhrer Prebenden / vnd vmb Gelds
willen Messe / in vnsern Kirchen wird der heiligen Sacrament also nicht
mißbraucht. Denn da wird niemand mit Geld dazu getrieben / sondern man lesset
die Gewissen sich prüfen / Trost da zu suchen / dazu werden die Leute
vnterrichtet / von rechtem Christlichem Brauch des Sacraments / daß es nemlich
dazu eingesetzt ist / daß es sey ein Siegel / vnd gewiß Zeichen der Vergebung
der Sünde / dadurch die Hertzen erinnert / vnd der Glaub gestercket wird / daß
sie gewiß gleuben / daß jhnen die Sünde vergeben sind. So wir nun die Predigt
des Euangelij / vnd den rechten Brauch des Sacraments bey vns behalten / so
haben wir ohne zweiffel das täglich Opffer.
Vnd wenn man gleich von eusserlichem wolstehen sagen solt / so
|| [ID00570]
sind vnser Kirchen besser gezieret / denn des Gegentheils. Denn der recht
eufferlich Kirchen Schmuck / ist auch rechte Predigt / rechter Brauch der
Sacrament / vnd daß das Volck mit ernst dazu gewehnet sey / vnd mit fleis vnd
züchtig zusammen komme / lerne vnd bete. Dieweil man nu durch Gottes Gnade in
vnsern Kirchen / Christlich vnd heilsam ding lehret / von Trost in allem
anfechten / bleiben die Leute gerne bey guter Predigt. Denn es ist kein ding /
das die Leute mehr bey der Kirchen behelt / denn die gute Predigt. Aber vnser
Wiedersacher predigen jhre Leute aus der Kirchen / denn sie lehren nichts von
den nötigsten stücken Christlicher Lehre / sagen Heiligen Legend / vnd ander
Fabeln.
Vber das / wo vnser Wiedersacher jhre Kertzen / Altar Tücher / Bilder / vnd
dergleichen Zier / für nöthige Stück halten / vnd damit Gottesdienst anrichten /
sind sie des Antichrists Gesind / dauon Daniel sagt / daß sie jhren Gott ehren
mit Silber / Gold / vnd dergleichen Schmuck.
Auch so ziehen sie an / aus der Epistel Ebre. 5. Ein jeglicher Hoher Priester /
der aus den Menschen genommen wird / der wird gesetzt für die Menschen gegen
GOtt / auff daß er opffere Gaben / vnd opffere für die Sünde. Da schliessen sie
nach dem im Newen Testament Bischoffe seyn vnd Priester / so folget / daß auch
ein Opffer müsse seyn für die Sünde. Dieses möcht nu am meisten die vngelehrte
vnd vnerfarne bewegen / sonderlich wenn sie ansehen das herrliche geprenge in
Tempeln vnd Kirchen. Item / die Kleidung Aaronis, da im
Alten Testament auch viel Schmuck von Gold / Silber vn̅ Purpur
gewesen / dencken sie / es müsse im Newen Testament gleich also ein Gottesdienst
/ solch Ceremonien vnd Opffer seyn / da man für anderer Leute Sünde opffere /
wie im Alten Testament. Denn der gantze Mißbrauch der Messen / vnd Bäpstlichen
Gottesdienst ist nirgend herkommen / den̅ daß sie haben wollen des
Mosis Ceremonien nachfolgen / vnd haben es nicht verstanden / daß das Newe
Testament mit andern Sachen vmbgehet / vnd daß solche eusserliche Ceremonien /
ob man sie zu Kinder Zucht braucht / sollen jhr maß haben.
Vnd wiewol vnser Sache sonderlich wol gegründ ist in der Epistel zu den Ebreern /
so ziehen doch die Wiedersacher aus derselbigen Epistel etliche Sprüche
verstümpffelt an / als eben an dem ob angezeigtem ort / da der Text sagt: Ein
jeglicher Hoher Priester / etc. wird gesetzt zu opffern / etc. Der Text füret
das bald auff Christum / Die Wort / so vorher gehen / reden vom Leuitischen
Priesterthumb / vnd sagen / das Leuitisch Priesterthumb sey ein Deutung des
Prie
|| [272]
sterthumbs Christi. Denn die
Leuitischen Opffer für die Sünde / die verdienten nicht Vergebung der Sünde für
Gott / Sondern waren allein ein Bild Christi / welcher war das recht einig /
wahre Opffer für die Sünde / wie ich oben gesagt habe / vnd gar nahe die gantz
Epistel zu den Ebreern handelt das mehr theil dauon / daß das Leuitisch
Priesterthumb vnd die Opffer im Gesetz dazu nicht eingesetzt / daß man Vergebung
der Sünde / oder Versünung für Gott damit verdienen solle / sondern allein zu
bedeuten / das künfftige rechte Opffer / Christum / Denn die Patriarchen vnd
Heiligen im Alten Testament sind auch gerecht worden / vnd Gott versünet / durch
den Glauben an die Verheissung / von dem künfftigen Christo / durch welchen Heyl
vnd Gnade verheissen ward / Gleich wie wir im Newen Testament durch den Glauben
an Christum / der da offenbahret ist / Gnad erlangen. Denn alle Gleubigen von
anbegin haben gegleubt / daß ein Opffer vnd Bezalung für die Sünde geschehen
würde / Nemlich / Christus / welcher künfftig vnd verheissen war / wie Esaias am
53. sagt: Wenn Er sein Seel wird geben ein Schuldopffer für die Sünde / etc.
So nun im Alten Testament durch die Opffer niemand hat erlangt Vergebung der
Sünde / denn allein sie haben bedeut / das einig Opffer Christi / so folget /
daß allein ein einigs Opffer ist / Nemlich / Christus / welcher für aller Welt
Sünde bezahlt vnd gnug gethan hat. Derhalben ist im Newen Testament fürder auch
kein ander Opffer zu machen / dadurch die Sünde bezahlet werden / denn allein
der einig Tod Christi / so am Creutz einmal geopffert ist.
Darumb wenn sie so sagen / Es müsse im Newen Testament ein Priester seyn / der da
opffert / so ist das allein von Christo nachzugeben vnd zu verstehen. Vnd
darauff dringet vnd stimmet starck die gantz Epistel zu den Ebreern. Vnd das
hies auch gar andere Mittler darstellen vnd eindringen neben Christo / wenn wir
ein ander Satisfaction für die Sünde zuliessen vnd versünung / denn den Tod
Christi.
Vnd dieweil das Priesterthumb des Newen Testaments ein Ampt ist / dadurch der
heilig Geist wircket / kan kein Opffer seyn / das ex opere
operato andern helff / Denn wo nicht eigener Glaub / vnd Leben durch
den Heiligen Geist gewirckt wird / kan mich eines andern opus
operatum nicht from vnd selig machen. Darumb kan die Meß nicht für
andere gelten / das ist ja klar vnd gewiß.
Wir haben nu vrsach angezeigt / warumb die Messe niemands für Gott gerecht mache
ex opere operato, Warumb auch Messen für
|| [ID]
andere nicht können gehalten werden. Denn beydes ist stracks
wieder den Glauben / vnd die Lehre von Christo. Denn es ist vnmüglich / daß
Sünde solten vergeben werden / Oder / daß die schrecken des Tods / der Helle /
solten durch eines andern Werck vberwunden werden / denn allein durch den
Glauben an Christum / wie der Spruch lautet Roman. 5. So wir gerecht seyn worden
/ so haben wir Friede mit Gott / etc.
Dazu haben wir angezeigt / daß die Sprüche der Schrifft / welche man wieder vns
anzeucht / auch nichts beweisen für die Heydnische / auch Antichristische Lehre
der Wiedersacher / vom opere operato, vnd das können nu
alle Gottfürchtige / Erbare Leute / in aller Welt / in allen Nationen / mercken
vnd vrtheilen. Darumb ist zu verwerffen der Irrthumb Thomae, der da schreibt / daß der Leib des HERREN einmal am Creutz
geopffert sey für die Erbsünde / vnd werde täglich für die täglichen Sünde
geopffert auff dem Altar / Daß also die Kirche habe ein Opffer täglich Gott zu
versünen. Auch sind die andern Irrthumb zu verwerffen / daß die Messe zu gut
komme ex opere operato, dem / der sie helt. Item / wenn
man Meß helt für andere / die nicht obicem setzen / wenn
sie gleich Gottlos seyn / daß dieselbigen Vergebung der Sünde / vnd Erlösung von
Pein vnd Schuld erlangen. Das alles sind eytel Irrthumb vnd falsch / vnd von
eytel vngelehrten heilosen Mönchen ertichtet / die doch vom Euangelio / von
Christo / vnd dem Glauben gar nichts wissen.
Aus diesem Irrthumb / von solchen Mißbreuchen der Messen / sind vnzehliche andere
erwachsen / Nemlich / daß sie disputiern / Ob ein Meß / wenn sie für viel
gehalten wird / auch krefftig sey / als wen̅ ein jede Person ein
eigen Messe für sich halten lesset. Aus dieser Disputation sind die Messen
gewachsen / vnd je höher verkaufft worden.
Weiter so halten sie noch Messe für die Todten / zu erlösen die Seelen aus dem
Fegfewer (welchs ein schendlich Jahrmarckt ist) so doch das Sacrament weder den
Lebendigen noch den Todten nütz ist / ohne den Glauben. Vnd die Wiedersacher
können aus der Schrifft nicht einen Buchstaben / nicht eine Syllaben fürbringen
/ zu bestetigung der Trewme vnd Fabeln / welche sie doch ohne alle schew vnd
scham / mit grossem geschrey / in grossem ansehen predigen / so sie doch darüber
weder der Kirche / noch der Väter Zeugniß haben. Darumb sind es heilose /
verblendte Leute / welche die öffentliche Warheit Gottes wissentlich verachten /
vnd mit Füssen treten.
|| [273]
Was die alten Lehrer oder Väter vom Opffer schreiben.
NAch dem wir die Sprüche / so die Wiedersacher aus der Schrifft angezogen / recht
außgelegt / vnd verantwort haben / so müssen wir auch auff der alten Väter
Sprüche / welche sie anziehen / antworten. Wir wissen wol / daß die Väter die
Messe ein Opffer nennen. Aber der Väter meynung ist nicht / daß man durch Messe
halten ex opere operato, Vergebung der Sünde erlange /
Oder / daß man Messe halten solle / für Lebendige vnd Todte / jhnen Vergebung
der Sünde / Ablaß von Pein vnd Schuld / zu erlangen / Denn sie werden nimmermehr
beweisen / daß von solchem Grewel wieder alle Schrifft die Väter etwas gelehret
/ Sondern der Väter Bücher reden von Dancksagung vnd Danckopffer / Darumb nennen
sie die Messe Eucharistiam. Wir haben aber hie oben
angezeigt / daß die Danckopffer vns nicht Vergebung der Sünde erlangen / Sondern
geschehen von den jenigen / die schon versünet seyn durch den Glauben an
Christum. Gleich wie Creutz vnd Trübsal nicht Versünung gegen Gott verdienen /
Sondern sind Danckopffer / wenn die jenigen / so versünet seyn / solch Trübsal
tragen vnd leiden.
Vnd diese kurtze Wort sind Antwort gnug wieder die Sprüche der Väter / schützen
vns auch gnug wieder vnser Wiedersacher. Den̅ es ist gewiß / daß
die Trewme von opere operato, nirgend in der Väter
Bücher oder Schrifften funden werden. Aber damit diese gantze Sache vnd Handel
von der Messe desto klerer zu verstehen sey / so wollen wir auch vom rechten
Brauch des Sacraments reden / vnd also / wie es in der heiligen Schrifft / vnd
in allen Schrifften der Väter auch zu finden.
|| [ID00574]
Von rechtem Brauch des Sacraments / vnd von dem Opffer.
ETliche fürwitzige Gelehrten / ertichten jhnen selbst / das Abendmal des HERRN
sey vmb zweyerley vrsach willen eingesetzt. Erstlich / daß es sey ein Losung vnd
Zeichen eines Ordens / wie die Mönchs Kappen jrer Orden vnterschied vnd zeichen
seyn. Darnach gedencken sie / Christus habe sonderlich wolgefallen / dieselbige
Losung durch ein Essen oder Abendmahl / zu geben / oder anzurichten / daß er
anzeigt / die Freundschafft Brüderlicher verwandniß / so vntern Christen seyn
sol. Denn mit einander essen vnd trincken ist ein zeichen der Freundschafft.
Aber das ist ein Menschlicher Gedanck / vnd zeigt nicht den rechten Brauch des
Sacraments an. Da wird allein von Liebe vnd Freundschafft geredt / welchs
Weltliche Leute auch verstehen. Da ist aber vom Glauben nichts geredt / oder von
der Verheissung GOttes / welchs das grössest ist / welcher Glaube ein viel höher
grösser ding ist / denn man gedenckt.
Die Sacrament aber sind Zeichen des Göttlichen Willens gegen vns / vnd sind nicht
allein Losungen oder Zeichen / dabey sich die Leute kennen / vnd die jenigen
sagen recht / die da sagen / die Sacramenta sind signa gratiae, das ist / Die Sacrament sind Zeichen der
Gnade. Vnd dieweil im Sacrament zwey ding seyn / das eusserlich Zeichen / vnd
das Wort / So ist im Newen Testament das Wort / die Verheissung der Gnade /
welche dem Zeichen angehefft ist. Vnd dieselbige Verheissung im Newen Testament
/ ist ein Verheissung der Vergebung der Sünde / wie der Text sagt: Das ist mein
Leib / der für euch gegeben wird. Das ist der Kelch des Newen Testaments in
meinem Blut / welchs vergossen wird für viele / zur vergebung der Sünde. Das
Wort beutet vns an / Vergebung der Sünde. Das eusserlich Zeichen ist wie ein
Siegel / vnd Bekrefftigung der Wort vnd Verheissung / wie es Paulus nennet.
Darumb wie die Verheissung vergeblich ist / wen̅ sie nicht durch
den Glauben gefasst wird / Also ist auch die Ceremonia
oder eusserlich Zeichen nicht nütz / es sey denn der
|| [274]
Glaube da / welcher warhafftig dafür helt / daß vns Vergebung der Sünde
wiederferet. Vnd derselbige Glaub tröstet die erschrockenen Gewissen. Vnd wie
Gott die Verheissung gibt / solchen Glauben zu erwecken / Also ist auch das
eusserliche Zeichen daneben geben / vnd für die Augen gestellet / daß es die
Hertzen zu gleuben bewege / vnd den Glauben stercke. Denn durch die zwey /
durchs Wort vnd eusserlich Zeichen wircket der heilig Geist.
Vnd dis ist der rechte Brauch des heiligen Sacraments / wenn durch den Glauben /
an die Göttlichen verheissung / die erschrockenen Gewissen werden wieder
auffgericht. Vnd das ist der rechte Gottesdienst im Newen Testament. Denn im
Newen Testament gehet der höchst Gottesdienst inwendig im Hertzen zu / daß wir
nach dem alten Adam getödtet werden / vnd durch den heiligen Geist new geborn
werden / vnd dazu hat auch Christus das Sacrament eingesetzt / da er sagt /
Solchs thut zu meinem Gedechtnis. Denn solchs zu Christi Gedechtnis thun / ist
nicht ein solch ding / das allein mit Geberden vnd Wercken zu gehet / allein zu
einer erinnerung / vnd zu einem Exempel / wie man in Historien Alexandri, vnd dergleichen gedenckt / etc. Sondern /
heist da Christum recht erkennen / Christi wolthat suchen vnd begeren. Der
Glaube nu / der da erkennet die vberschwengliche Gnade Gottes / der macht
lebendig.
Vnd das ist der fürnemste Brauch des Sacraments / daran wol zu mercken / welche
recht geschickt seyn zu dem Sacrament / Nemlich / die erschrockene Gewissen /
welche jhre Sünde fülen / für Gottes Zorn vnd Vrtheil erschrecken / vnd sich
nach Trost sehnen. Darumb sagt der 111. Psalm: ER hat ein Gedechtniß gemacht
seiner Wunder / der Gnedige vnd Barmhertzige HERR / Er hat Speise geben / denen
/ so Ihn fürchten. Vnd der Glaube / der da erkennet solche Barmhertzigkeit / der
macht lebendig / vnd das ist der rechte Brauch des Sacraments.
Da ist denn auch / vnd findet sich das Danckopffer oder Dancksagung. Denn wenn
das Hertz vnd Gewissen empfindet / aus was grosser Noth / Angst vnd Schrecken es
erlöset ist / so dancket es aus Hertzem grunde / für so grossen vnseglichen
Schatz / vnd brauchet auch der Ceremonien / oder eusserlichen Zeichen zu Gottes
Lobe / vnd erzeiget sich / daß es solch Gottes Gnade mit Danckbarkeit annehme /
gros vnd hoch achte. Also wird die Messe ein Danckopffer / oder Opffer des Lobs.
Vnd also reden die Väter dauon / von zweyerley Effect oder Nutze des Sacraments.
Erstlich / daß dadurch die Gewissen getröstet wer
|| [ID00576]
den.
Zum andern / daß Gott Lob vnd Danck gesagt wird. Das erst gehört eigentlich zum
rechten brauch des Sacraments / das ander zu dem Opffer. Vom Trost sagt Ambrosius: Gehet zu jhm / das ist / zu Christo / vnd
empfahet Gnade / etc. Denn er ist die Vergebung der Sünde. Fraget jhr aber / wer
er sey? Höret jhn selbst reden: Ich bin das Brod des Lebens / wer zu Mir kömpt /
den wird nicht hungern / vnd wer an mich gleubet / den wird nicht dürsten. Da
zeigt er an / daß mit dem Sacrament angeboten wird Vergebung der Sünde / Er sagt
auch / man sol solchs mit dem Glauben fassen. Man find der Sprüche vnzehlich in
der Väter Büchern / welche die Wiedersacher alle auff das opus operatum, vnd auff das Messe halten / so für ander geschiehet /
deuten / so doch die Väter vom Glauben an die Verheissung Gottes / vnd von dem
Trost / den die Gewissen empfangen / reden / vnd de
applicatione gar nichts sagen.
Darüber findet man Sprüche in den Vätern / von Dancksagung / wie denn Cyprianus fast lieblich redet vom Christlichen
communiciern: Ein Christlich Hertz (sagt er) theilet seinen Danck auff einem
theil / für den geschenckten Schatz / auffs ander theil / für die vergebenen
Sünde / vnd dancket für so reiche Gnade / das ist / ein Christlich Hertz / das
siehet an / was jhm geschenckt ist in Christo / vnd was jhm auch für grosse
Schuld aus Gnaden verlassen ist / helt gegen einander / vnsern Jammer vnd die
grosse Barmhertzigkeit Gottes / vnd dancket Gott / etc. Vnd daher ist es Eucharistia genent in der Kirchen. Darumb ist die Messe
nicht ein solche Dancksagung / die man ex opere operato
für andere thun oder halten solle / jhnen Vergebung der Sünde zu erlangen. Denn
solchs were stracks wieder den Glauben / gleich als die Messe / oder die
eusserliche Ceremonie / ohne den Glauben / jemands from vnd selig machet.
Von dem Wort Messe.
HIe ist zu sehen / welche grobe Esel vnser Widersacher sind / sie sagen das Wort
Missa, komme von dem Wort Misbeach, das ein Altar heist / daraus sol folgen / daß die Meß ein
Opffer sey / denn auff dem Altar opffert man. Item / das Wort Liturgia, wie
|| [275]
die Griechen die Meß nennen /
sol auch ein Opffer heissen / Darauff wollen wir kurtz antworten. Alle Welt
siehet / daß aus diesen gründen dieser Heydnisch vnd Antichristisch Irrthumb
nicht folgen müsse / daß die Meß helffen / ex opere operato,
sine bono motu vtentis. Darumb sind sie Esel / daß sie in solcher
großwichtigen Sach / so vngereimet ding fürbringen. Auch so wissen die Esel kein
Grammatica, denn Missa vnd
Liturgia heissen nicht Opffer / Missa heist Hebraisch ein zusam̅en getragen Stewer. Denn
also ist etwa die weis gewesen / daß die Christen Speis vnd Tranck zu gut den
Armen / in die versamlung gebracht haben. Vnd solche weis ist von Jüden
herkommen / die auff jhre Fest musten solche Stewr bringen / die nenneten sie
Missa. So heist Liturgia
Griechisch eigentlich ein Ampt / darinn man der Gemein dienet. Das schickt sich
wol auff vnsere Lehre / daß der Priester da / als ein gemeiner Diener / den
jenigen / so communiciern wollen / dienet / vnd das heilig Sacrament reichet.
Etlich meynen Missa kom nicht aus dem Hebraischen /
sondern sey als viel / als Remißio, Vergebung der Sünde
/ Denn so man communiciert hat / hat man gesprochen / Ite
missa est, Ziehet hin / jhr habt Vergebung der Sünde. Vnd daß dem also
sey / ziehen sie an / daß man bey den Griechen gesprochen hat / Lais aphesis, das ist auch so viel / jhnen ist
verziehen. Wo dem also / were dieses ein feiner Verstand / denn es sol allezeit
bey dieser Ceremonien / Vergebung der Sünden geprediget vnd verkündiget werden /
doch ist diesem handel wenig geholffen / das wort (Missa) heis was es wölle.
Von den Messen für die Todten.
DAß aber die Wiedersacher noch dis wollen verthedingen / daß die Messe den Todten
helffe / dauon sie ein eigen Jahrmarckt / vnd sonderlich vnseglich Kretzschmerey
gemacht / deß haben sie kein Zeugniß / noch Befehl Gottes in der Schrifft. Nu
ist es je ein vnseglicher grosser grewel / vnd nicht ein kleine Sünde / daß sie
dürffen one Gottes Wort / ohn alle Schrifft / ein Gottesdienst in der
|| [ID]
Kirchen anrichten / vnd dürffen das Abendmahl des HERRN /
welchs Christus hat eingesetzt / das Wort zu predigen / dabey seines Tods zu
gedencken / zu stercken den Glauben der jenigen / so die Ceremonien brauchen /
vnuerschampt ziehen auff die Todten / Denn das heist recht Gottes Namen
mißbrauchen / wieder das ander Gebot.
Denn erstlich ist das die höchste Schmach vnd Lesterung des Euangelij vnd Christi
/ daß das schlechte werck der Messen / ex opere operato,
ein Opffer sey / das Gott versüne / vnd für die Sünde gnugthue / Es ist ein
recht schrecklich / heßlich Predigt vnd Lehre / vnd ein grosser vnseglicher
grewel / daß das schlechte gethane Werck eines Priesters als viel gelten solle /
als der Tod Christi. So ist je gewiß / daß die Sünde vnd der Tod nicht können
vberwunden werden / denn allein durch den Glauben an Christum / wie Paulus sagt
Rom. 5. Darumb so können die Messe den Todten in keinen weg ex opere operato helffen.
Wir wollen hie nicht erzehlen / wie schwache gründe die Wiedersacher vom Fegfewer
haben. Item / woher die Lehre von der Gnugthuung vnd Satisfaction erst
auffkom̅en / wie wir denn haben oben angezeigt / daß es eytel
Trewme / vnd ertichter Menschen Tand ist / Allein das wollen wir jhnen sagen /
daß gewiß ist / das Abendmal gehört eigentlich zu Vergebung der Schuld / Denn
was Trosts hetten wir / so vns da solt vergebung angeboten werden / vnd solt
doch nit vergebung der Schuld seyn? So nu die Ceremonia
vergebung der Schuld anbeut / folget / daß vnmüglich ist / daß es ein Satisfactio sey / ex opere
operato, oder den Todten helffe / Denn gehöret sie zur Vergebung der Schuld
/ so muß sie allein dazu dienen / die Gewissen zu trösten / daß sie gleuben /
jhnen sey die Schuld warhafftig vergeben.
Vnd warlich es were nicht wunder / daß alle fromme Christliche Leute / für Angst
vnd Leid Blut weineten / wenn sie recht bedechten / wie vnseglich / grewlich vnd
schrecklich Mißbrauch der Messen vnter dem Bapsthumb ist / Nemlich / daß die
Messe das mehrertheil nirgend zu anders gebraucht wird / denn für die Todten /
vnd die Pein des Fegfewers abzulösen.
Sie schreien / wir thun Iuge Sacrificium, oder das
täglich Opffer ab. Das heist recht Iuge Sacrificium, das
tägliche Opffer abgethan / aus der Kirchen / das ist ein rechte Tyranney vnd
Wüterey des Gottlosen Antiochi, also das gantz
Euangelium / die gantze Lehre vom Glauben / von Christo vnterdrücken / vnd auff
solche Trewme von Satisfactionibus, solche Lügen vom opere operato an die stat predigen. Das heist recht das
Euangelium vnter die Füsse treten / den Brauch
|| [276]
der
Sacrament schendlich verkehren. Das sind die rechten Lesterer / da Paulus von
sagt / daß sie schüldig seyn am Leib vnd Blut des HERRN / welche die Lehre von
Christo / vom Glauben vnterdrücken / vnd mißbrauchen der Messe vnd des Abendmals
/ zu einem schendlichen / vnuerschampten / öffentliche̅ Geitz / zu
einem Jarmarckt vnd Kretzschmerey. Vnd das alles vnter einem Heuchelischen
schein der Satisfaction. Vnd eben vmb dieser grossen vnseglichen Gotteslesterung
willen / werden die Bischoffe schwere Straffe von Gott gewarten müssen / Es wird
ein mal GOtt das ander Gebot warlich wahr machen / vnd ein grossen grimmigen
Zorn vber sie außgiessen. Darumb haben wir vns / vnd alle / wol fürzusehen / daß
wir vns der Wiedersacher Mißbrauch nicht theilhafftig machen.
Wir wollen aber wieder auff die Sache kom̅en / So die Messe nu
nicht ein Gnugthuung ist / weder für Pein noch Schuld / ex
opere operato, so folget / daß die Messe / so man für die Todten heltet
/ vnnütz vnd nichts sey. Vnd es darff nicht langer Disputation / denn das ist
gewiß / daß solche Messe halten für die Todten / in der Schrifft gar kein grund
hat. Nu ist es ein grewel in der Kirchen Gottesdienst anrichten / ohne alle
Gottes Wort / ohn alle Schrifft. Vnd wenn es noth wird seyn / so wollen wir von
diesem Stücke gantz reichlich / mehr vnd nach aller Notturfft weiter reden /
Denn was sollen wir vns jetzund hie viel mit den Wiedersachern zancken / so sie
gar nicht verstehen / was Opffer / was Sacrament / was Vergebung der Sünde / was
Glaube sey.
Vnd der Griechisch Canon appliciert auch nicht die Messe
/ als ein Gnugthuung für die Todten / Denn er appliciert sie zu gleich für alle
Patriarchen / Propheten / Aposteln / daraus erscheinet / daß die Griechen auch
als ein Dancksagung opffern / nicht aber als ein Satisfaction für die Pein des
Fegfewrs / denn es wird freylich nicht jhr Meynung seyn / die Propheten vnd
Aposteln / aus dem Fegfewer zu erlösen / sondern allein Danck zu opffern / neben
vnd mit jhnen für die hohe / ewige Güter / so jhnen vnd vns gegeben sind.
Die Wiedersacher ziehen an / daß etwa für Ketzerey verdampt seyn sol / daß einer
genant Aërius, sol gehalten haben / Die Messe sey nicht
ein Opffer für die Todten. Hie behelffen sie sich aber mit jhren gewönlichen
griffen / daß sie ertichten / vnser Lehre sey von alters her verworffen. Aber
die Esel schemen sich keiner Lügen / So wissen sie nicht / wer Aërius gewesen / oder was er gelehret hat. Epiphanius schreibet / daß Aërius gehalten habe / daß das Gebet für die Todten sey vnnütz / Nu reden
wir nicht vom Gebet / sondern vom Nachtmal Chri
|| [ID00580]
sti / ob
das ex opere operato, ein Opffer sey / den Todten zu
helffen / dieser vnser Handel betrifft Aërium nichts.
Was auch sonst aus den Vätern für die Meß angezogen wird / belangt alles diesen
Handel nicht / Denn die guten frommen Väter / haben diesen grewlichen /
lesterlichen / Antichristischen Irrthumb nicht gelehret / daß die Meß ex opere operato, den Lebendigen vnd Todten / Vergebung
der Pein vnd Schuld verdiene. Denn dieser Irrthumb vom opere
operato, ist ein öffentlich Ketzerey / wieder alle Schrifft / wieder
alle Propheten vnd Aposteln. Vnd alle Christen sollen lernen / daß solche
Papistische Meß eytel erschreckliche Abgötterey seyn.
Es bleibet aber in der Welt solche Abgötterey / so lang der Antichrist regieret
vnd bleibet. Denn wie in Israel ein falscher Gottesdienst ward angericht mit
Baal / auch vnrechte Gottesdienst waren / vnterm schein des Gottesdiensts / den
Gott geordnet hat / Also hat der Antichrist in der Kirchen auch ein falschen
Gottesdienst aus dem Nachtmal Christi gemacht / vnd doch / wie GOtt vnter Israel
vnd Juda dennoch seine Kirche / das ist / etliche Heiligen behalten hat / Also
hat GOTT seine Kirch / das ist / etliche Heiligen vnterm Bapsthumb dennoch
erhalten / daß die Christliche Kirch nicht gantz vntergangen ist. Wiewol nu der
Antichrist mit seinem falschen Gottesdienst zum theil bleiben wird / bis daß
Christus der HERR öffentlich kom̅en vnd richten wird / so sollen
doch alle Christen verwarnet seyn / sich zu hüten für solcher Abgötterey / vnd
sollen lernen / Wie man GOTT recht dienen / vnd Vergebung der Sünde / durch den
Glauben an Christum erlangen sol / daß sie Gott recht ehren / vnd bestendigen
Trost wieder die Sünde / haben können / Denn darumb hat GOtt gnediglich sein
Euangelium scheinen lassen / daß wir verwarnet / vnd selig würden.
Dieses haben wir von der Meß kurtz gesagt / daß alle Gottfürchtige / fromme /
Erbare Leute in allen Nationen verstehen mögen / daß wir mit allem trewen fleis
die rechte Ehre / vnd den rechten Brauch der Messen erhalten haben. Vnd daß wir
deß grosse hochwichtige Vrsachen haben / Warumb wir es mit den Wiedersachern
nicht halten. Vnd wir wollen alle fromme / Erbare Leute verwarnet haben / daß
sie des grossen grewels vnd mißbrauchs der Messen / sich mit den Wiedersachern
nicht theilhafftig machen / damit sie sich nicht mit frembden Sünden beschweren.
Es ist ein grosser Handel / vnd ein gantz wichtige Sache. Denn dieser Mißbrauch
ist nicht geringer / denn zu Helias zeiten die Sach war mit dem falschen
Gottesdienst
|| [277]
Baal. Wir haben auff diß mal mit
gelinden Worten / vnd ohne schmehe wort / diese Sache fürgetragen / Werden aber
die Wiedersacher nicht auffhören zu lestern / so sollen sie innen werden / daß
wir jhnen auch herter zusprechen wollen.
Von den Kloster Gelübden.
IN der Stadt Isenach / im Land zu Düringen / ist etwan gewesen für Dreissig
Jahren / ein Barfüsser Mönch / Johannes Hielten genent / welcher von seinen
Brüdern ist in ein Kercker geworffen / darumb / daß er etlich öffentliche
Mißbreuche im Klosterleben hatte angefochten / Wir haben auch seiner Schrifft
zum theil gesehen / aus welchen wol zu mercken ist / daß er Christlich vnd der
heiligen Schrifft gemes geprediget / vnd die jhnen kant haben / sagen heutigs
Tages / daß es ein from̅er / stiller alter Man gewesen ist / gantz
redlichs / erbars wesens vnd wandels. Derselbig hett viel von diesen Zeiten
prophereyet / vnd zuuor gesagt / das bereit geschehen ist / etlichs auch / das
noch geschehen sol / welchs wir doch hie nicht erzehlen wollen / damit niemands
gedencke / daß wir aus Neid / oder jemands zu gefallen / solchs fürbrechten.
Endlich als er Alters halben / vnd auch / daß jhm das Gefengniß seine Gesundheit
verderbet / in ein Kranckheit gefallen / hat er zu sich lassen bitten den
Gwardian / jhm seine Schwacheit angezeigt / Vnd als der Gwardian aus
Phariseischer Bitterkeit vnd Neid / jhn mit harten worten angefahren / darumb /
daß solche Predigt nicht wolt in der Küchen nütz seyn / hat er seines Leibs
Schwacheit zu klagen vnterlassen / tieff erseufftzet / vnd mit ernsten Geberden
gesagt / Er wolte solche vnrecht vmb Christus willen gern tragen vnd leiden /
wiewol er nichts geschrieben noch gelehret hette / daß der Mönchen Stand
nachtheilig / sondern hette allein grobe Mißbreuche angegriffen. Zu letzt hat er
gesagt / Es wird ein ander Man kom̅en / wenn man schreibt 1516.
der euch Mönche tilgen wird / vnd der wird für euch wol bleiben / dem werdet jhr
nicht wiederstehen können. Dasselbig Wort / wie die Möncherey würde ins fallen
gerahten / vnd dieselbige Jahrzal hat man hernach funden
|| [ID00582]
in
andern seinen Büchern / vnd sonderlich in den Commentarijs vber den Danielem. Was aber von
dieses Mans Rede zu halten sey / lassen wir eim jeden sein Vrtheil. Doch sind
sonst Zeichen / daß der Mönche Wesen nicht lange bestehen könne.
Es ist am Tage / daß der Klöster Wesen nichts denn ein vnuerschampte Heucheley
vnd Betrug ist / vol Geitzes vnd Hoffarts / vnd je vngelehrter Esel die Mönche
sind / je halstarriger / grimmiger vnd bitterer / je gifftiger Ottern sie seyn /
die Warheit vnd Gottes Wort zu verfolgen. So sind jhr Predigt vnd Schrifften
lauter Kindisch / vngereimet / närrisch ding / vnd ist all jhr wesen dahin
gericht / daß sie den Bauch vnd jhren Geitz füllen.
Anfenglich seyn die Klöster nicht solche Kercker oder ewige Gefengniß gewesen /
sondern Schulen / darinne man die Jugend vnd ander in der heiligen Schrifft hat
aufferzogen. Nun ist solch edel Gold zu Kot worden / vnd der Wein Wasser worden
/ fast in den rechten / grösten Stifften vnd Klöstern / seyn eytel faule /
vnnütze müssige Mönche / die vnterm schein der Heiligkeit / von gemeinen
Allmosen in allem Pracht vnd Wollust leben. Christus saget aber / Daß das taube
Saltz nichts nütze sey / denn daß mans hinweg werffe / vnd mit Füssen trete.
Darumb so die Mönche ein solch vngöttlich Wesen führen / so singen sie jhnen mit
der that jhr eigen Requiem, vnd wird bald mit jhnen auß
seyn.
Darüber ist noch ein Zeichen / daß die Mönche werden vntergehen / daß sie
Vrsacher / stiffter / vnd anreger seyn / daß viel gelehrter / redlicher Leute
vnschüldig erwürget / vnd dahin gerichtet werden / das Abels Blut schreyet vber
sie / vnd Gott wird es rechen. Wir sagen nicht von allen / es mügen etliche in
Klöstern seyn / die das heilig Euangelium von Christo wissen / vnd kein
Heiligkeit auff jhre Traditiones setzen / die sich auch
des Bluts nicht schüldig gemacht haben / welches die Heuchler vnter jhnen
vergiessen.
Wir reden hie aber von der Lehre / welche die Meister der Confutation loben vnd
verthedingen. Wir disputieren nicht / Ob man Gelübde Gott halten sol / Denn wir
halten auch / daß man rechte Gelübde zu halten schüldig sey / Sondern dauon
reden wir / Ob man durch die Gelübde vnd solche Möncherey / erlange Vergebung
der Sünde für Gott.
Ob sie Gnugthuung seyn für die Sünde.
Ob sie der Tauffe gleich seyn.
Ob sie die Volkommenheit seyn / dadurch die praecepta vnd
consilia, das ist / nicht allein die Gebot / sondern
auch die Rehte gehalten werden.
|| [278]
Ob sie sind Euangelische Volkommenheit.
Ob die Mönche haben merita supererogationis, das ist / so
viel vbrigs Verdiensts vnd heiliger Wercke / daß sie der auch nicht alle
dürffen.
Ob jhr Verdienste / wenn sie die den andern mittheilen / dieselbigen Selig
machen.
Ob die Klöster Gelübde Christlich seyn / der meynung also gethan.
Item / Ob die Klöster Gelübde / welche erzwungen seyn von Vnwilligen / vnd den
jenigen / welche noch Jugend halben nicht verstanden / was sie thun / welche die
Eltern oder Freunde in die Klöster gestossen / des Bauchs halben / allein jhr
Väterlich Erbe zu sparen / Christlich vnd Göttlich seyn.
Ob die Klöster Gelübde Christlich seyn / die gewißlich zu Sünden vrsach geben /
Nemlich / daß die Ordens Person den heßlichen Mißbrauch der Messe / das anruffen
vnd anbeten der Heiligen / loben vnd annehmen müssen / vnd des vnschüldigen
Bluts / das bis anher vergossen ist / sich müssen theilhafftig machen.
Item / Da die Gelübde Schwacheit halben doch nicht gehalten werden / ob
dieselbigen recht Gelübde vnd Christlich seyn.
Von diesen Fragen ist vnser Streit vnd Disputation / vnd so wir in vnser
Confession / von vielen vntüchtigen Gelübden auch gesagt haben / welche die Canones der Bäpste selbs verwerffen / noch wollen die
Wiedersacher alles / was wir fürbracht / verworffen haben. Den̅
also sagen sie mit klaren worten / das alles / so wir fürbracht haben / sol
verworffen werden.
Es wil aber hie noth seyn anzuzeigen / wie sie doch vnser Gründe anfechten / vnd
was sie fürbringen jhre Sache zu erhalten / darumb wollen wir kurtz verlegen /
was die Wiedersacher fürbringen. Vnd so nu dieser Handel fleissig vnd reichlich
gehandelt ist / in dem Buch Doctoris Martini von Klöster
Gelübden / so wollen wir dasselbig Buch / hie als vor erenewert vnd erholet
achten.
Für das erst / ist das gewiß / daß solche Gelübde nicht Göttlich noch Christlich
seyn. Wenn ich also mein Kloster Gelübde thue / daß ich gedencke dadurch zu
erlangen vergebung der Sünde / gegen Gott / oder für die Sünde gnug zu thun.
Denn das ist ein Irrthumb / der da öffentlich wieder das Euangelium ist / vnd
ist ein Lesterung Christi. Denn das Euangelium lehret / daß wir ohne Verdienst
Vergebung der Sünde erlangen durch Christum / wie wir hieroben gesagt haben.
Darumb haben wir Pauli Sprüche recht eingeführt zu den
|| [ID00584]
Galat.
So jhr durchs Gesetz wolt gerecht werden / so seyd jhr von Christo vnd der Gnade
abgefallen. Denn die da suchen Vergebung der Sünde nicht durch den Glauben in
Christum / sondern durch die Kloster Gelübde vnd Möncherey / die rauben Christo
sein Ehre / vnd creutzigen jhn auffs new. Höret aber lieber höret / wie die
Meister der Confutation hie gern behelff suchen wolten / sagen / Paulus sey
allein vom Gesetz Mosi zu verstehen / Die Mönche aber thun vnd halten alles vmb
Christus willen / vnd fleissigen sich auffs aller nehest dem Euangelio gemes zu
leben / damit sie das ewige Leben verdienen. Vnd setzen ein schrecklich Wort
dazu / darumb ist es (sagen sie) Vnchristlich vn̅ Ketzerisch / was
wieder das Mönch leben wird fürbracht. OHERR Jesu Christe / Wie lang wiltu
leiden vnd dulden solche öffentliche Schmach deines heiligen Euangelij / da
vnser Feinde dein Wort vnd Warheit lestern?
Wir haben in vnser Confession gesagt / daß man Vergebung der Sünde ohne Verdienst
/ durch den Glauben an Christum erlangen muß. Ist das nicht das lauter reine
Euangelium / wie es die Aposteln gepredigt? Ist das nicht die Stimme des
Euangelij des ewigen Vaters / welche du HERR / der du sitzest im Schos des
Vaters / der Welt offenbahret hast / so sollen wir billich gestrafft werden?
Aber dein herber bitter Tod am Creutz / dein heiliger Geist / welchen du
reichlich außgetheilet hast / dein gantze heilige Christliche Kirche / gibt
starck / gewaltig vnd gewiß Gezeugniß / welches so helle vnd offenbahr ist / als
die Sonne / daß dis die Summa / der Kern des Euangelij ist / daß wir Vergebung
der Sünde erlangen / nicht vmb vnsers Verdienstes willen / Sondern durch den
Glauben an Christum.
Wenn Paulus darff sagen / daß wir durch das heilig Göttlich Gesetz Mosi vnd seine
Werck / nicht verdienen vergebung der Sünde / so wil er / daß wir viel weniger
das thun durch Menschliche Satzunge / vnd das zeiget er zu den Colossern klar
gnug an. Denn so die Wercke des Gesetzes Mosi / welchs durch GOtt war offenbahrt
/ nicht verdienen Vergebung der Sünde / Wie viel weniger werdens thun die
näreischen Werck / Möncherey / Rosenkrentze / vnd dergleichen / die auch zu
Weltlichem Leben nicht noth noch nütze seyn / viel weniger geben sie der Seel
ewiges Leben.
Die Wiedersacher ertichten jhnen selbst ein Trawm / daß Christus das Gesetz Mosi
habe abgethan / vnd sey kom̅en also nach Mose / vnd ein new gut
Gesetz gebracht / dadurch man Vergebung der Sünde erlangen müsse. Durch den
Schwermerischen / Närrischen
|| [279]
Gedancken drücken sie
Christum vnter / vnd seine Wolthat. Darnach ertichten sie weiter / daß vnter
denen / welche die newen Gesetze Christi halten / die Mönche Christo vnd den
Aposteln am nehesten ehnlich leben vnd wandeln / durch jhren Gehorsam / Armuth
vnd Keuscheit / so doch die gantze Möncherey eytel vnuerschampt / schendliche
Heucheley ist. Sie sagen von Armuth / so sie doch für grossem vberflus nie haben
erfahren können / wie einem recht Armen zu Hertzen ist. Sie rhümen jhren
Gehorsam / so kein Volck auff Erden freyer ist / denn die Mönche / welche aus
Bischoff vnd Fürsten gehorsam sich meisterlich geschlossen haben. Von jhrer
heiligen / grossen / fehrlichen Keuscheit mag ich nicht sagen / ich wil es Gerson lassen sage̅ / der auch von den
jenigen / so ernstlich sich geflissen keusch zu leben / warlich nicht viel
Reinigkeit vnd Heiligkeit sagt / wiewol das mehrer theil ists Heucheley / vnd
vnter tausent nicht einer / der mit ernst gedenckt rein vnd Keusch zu leben /
daß wir inwendig der Hertzen Gedancken schweigen.
Sol nun das die grosse Heiligkeit seyn? Heist das Christo / vnd dem Euangelio
gemes gelebt? Christus ist nicht also nach Mose kommen / newe Gesetze zu bringen
/ daß er vmb vnser Werck willen die Sünde vergebe / Sondern seinen Verdienst /
seine eigen Wercke setzet er gegen Gottes Zorn für vns / daß wir ohne Verdienst
Gnade erlangen. Wer aber ohne die Versünung Christi / seine eigen Wercke gegen
Gottes Zorn setzet / vnd vmb seines eigen Verdienstes willen / Vergebung der
Sünde erlangen wil / er bringe die Wercke des Gesetzes Mosi / der Zehen Gebot /
der Regeln Benedicti, Augustini, oder anderer Regeln /
so wirfft er hinweg die Verheissung Christi / fellet ab von Christo vnd seiner
Gnade.
Hie wollen aber Keyserliche Majestet alle Fürsten vnd Stende des Reichs mercken /
wie vberaus vnuerschampt die Wiedersacher sind / daß sie trötzlich dürffen sagen
/ Es sey alles Gottlos / was wir wieder die Möncherey haben fürbracht / so wir
doch gantze gewisse vnd klare Sprüch Pauli angezogen haben / vn̅
je nichts klerer / gewisser in der gantzen Bibel ist / den̅ daß
wir vergebung der Sünde erlangen / allein durch den Glaube̅ an
Christum. Vnd diese gewisse Göttliche Warheit / dürffen die Meister der
Confutation / die verzweiffelten Bößwicht / vnd heilosen Buben / Gottlose Lehre
heissen. Wir habe̅ aber keinen zweiffel / wo Keyserliche Majestet
/ vnd die Fürsten / des verwarnet werden / sie werden ein solche öffentliche
Gotteslesterung lassen aus der Confutation tilgen vnd außreissen.
|| [ID00586]
Dieweil wir aber hie oben reichlich angezeigt / daß es ein Irrthumb sey / daß wir
Vergebung der Sünde / vmb vnsers Verdiensts willen erlangen solten / so wollen
wir hie desto kürtzer reden. Denn ein jeder verstendiger Leser kan leichtlich
abnehmen / daß wir durch die elenden Mönchen Wercke nicht können vom Tode / vnd
des Teuffels Gewalt erlöset werden / vnd Vergebung der Sünde verdienen. Darumb
ist auch das Gotteslesterisch / heßlich Wort / welchs Thomas schreibet / in keinen weg zu leiden / daß ins Kloster gehen / solte
ein newe Tauff seyn / Oder / der Tauff gleich seyn. Denn es ist ein Teuffelisch
Wüterey vnd Irrthumb / daß man ein heilose Menschliche Satzunge vnd Gebot /
welchs weder Gottes Gebot noch Zusage hat / der heiligen Tauffe vergleichen solt
/ dabey kein Zusage vnd Verheissung Gottes ist.
Zum andern / so sind diese Stücke / willig Armuth / Gehorsam / Keuscheit / wen̅ sie anders nicht vnrein ist / eytel Adiaphora vnd leibliche vbung / darinn weder Sünd noch Gerechtigkeit zu
suchen ist. Darumb haben die Heiligen derselbigen viel anders gebrauchet / als
Sanct Bernhard / Franciscus, vnd andere / denn jetzund
die Mönche / Denn dieselbigen haben solchsdings gebraucht zu vbung des Leibs /
daß sie desto leichter warten könten / lehrens / predigens / vnd anderer
dergleichen / nicht daß solchewerck Gottesdienst solten seyn / für Gott gerecht
zu machen / oder / das ewig Leben zu verdienen / Sondern die Wercke malet Paulus
recht ab / da er sagt / Leibliche vbung ist wenig nütze. Vnd es ist müglich /
daß in etlichen Klöstern noch etliche from̅e Leute seyn / welche
lesen vnd studiern / die solcher Regeln vnd Satzunge brauchen ohne Heucheley /
vnd mit diesem Bericht / daß sie jhr Möncherey nicht für Heiligkeit halten. Das
aber halten / daß dieselbigen Wercke ein Gottesdienst seyn / dadurch wir für
Gott from werden / vnd das Ewige Leben verdienen / das ist stracks wieder das
Euangelium / vnd wieder Christum / Denn das Euangelium lehret / daß wir durch
den Glauben an Christum gerecht werden / vnd das Ewige Leben erlangen. So ist es
auch stracks wieder das Wort Christi: Sie dienen mir vergeblich mit Menschen
Geboten / So ist es wieder diesen Spruch Pauli: Alles was nicht aus dem Glauben
ist / das ist Sünde. Wie können sie aber sagen / daß es Gottesdienste sind / die
Gott gefallen vnd angenehm seyn für jhm / so sie kein Gottes Wort noch Befehl
haben?
Hie ist aber erst zu mercken / wie gar vnuerschampte Heuchler vnd Buben sie seyn
/ sie dürffen sagen / daß jhr Kloster Gelübde vnd Orden nicht allein
Gottesdienst seyn / die gerecht vnd from für Gott
|| [280]
machen / sondern setzen noch diß dazu / Daß es Stende seyn der Volkommenheit /
das ist / heiliger vnd höher Stende / denn andere / als Ehestand /
Regentenstand. Vnd sind also in solcher jhrer Mönchischen Heucheley / vnd
Phariseischem Wesen / vnzehliche andere grewliche Ketzerische Irrthumb
begriffen. Denn sie rhümen sich für die allerheiligsten Leute / welche nicht
allein die Gebot oder Praecepta, sondern auch die Consilia, das ist / die hohen Rehte / was die Schrifft
von hohen Gaben / nicht ein Gebot / sondern ein Raht gibt / halten. Darnach so
sie jhnen selbs ertichten / sie seyn so reich von verdienst vnd Heiligkeit / daß
jhnen noch vberbleibt / so sind dennoch die from̅en Heiligen so
milde / daß sie jhre merita supererogationis, jhre
vbrige verdienst andern anbieten / vnd vmb einen gleichen Pfenning vmb Geld
lassen zustehen. Dieses alles ist eytel grobe / grewliche / erlogen / erstuncken
Heiligkeit / vnd eytel Phariseische Heucheley vnd Gleißnerey.
Denn nach dem das erste Gebot Gottes (Du solt Gott deinen HERRN lieben von
gantzem Hertzen / von gantzer Seel / etc.) höher ist / denn ein Mensch auff
Erden begreiffen kan / nach dem es die höhest Theologia
ist / daraus alle Propheten / alle Apostolen / jhr beste / höheste Lehre / als
aus dem Brunne geschepfft haben / ja so es ein solch hohe Gebot ist / darnach
allein aller Gottesdienst / alle Gottes Ehre / alle Opffer / alle Dancksagung /
im Himmel vnd auff Erden reguliert / vnd gericht müssen werden / Also daß alle
Gottesdienste / wie hoch / köstlich / vnd heilig sie scheinen / wenn sie ausser
dem Gebot seyn / eytel Schalen vnd Hülsen ohne Kern / ja eytel Vnflat vnd Grewel
für Gott seyn / welches hohe Gebot / so gar kein Heilig volkom̅en
erfüllet hat / daß noch wol Nohe vnd Abraham / Dauid / Petrus vnd Paulus / da
sich für vnuolkommen / für Sünder bekennen / vnd hie vnten bleiben müssen / So
ist es vngehörter Phariseischer / ja recht Teuffelischer stoltz / daß ein
Lausichter Barfüsser Mönch / oder dergleichen heiloser Heuchler sol sagen / ja
predigen vnd lehren / Er habe das heilige hohe Gebot also volkömlich gehalten
vnd erfüllet / vnd nach erfoddern vnd Willen Gottes so viel guter Werck gethan /
daß jhm noch Verdienst vberblieben. Ja lieben Heuchler / wenn sich die heiligen
Zehen Gebot / vnd das hohe Erste Gottes Gebot also erfüllen liessen / wie sich
die Brod vnd die Parteken lassen in Sack stecken. Es sind vnuerschampte Heuchler
/ damit die Welt in diesen letzten Zeiten geplagt ist.
Der Prophet Dauid sagt / Alle Menschen seyn Lügener / das ist / Kein Mensch auff
Erden / auch nicht die Heiligen / achten oder fürchten GOtt so hoch vnd gros als
sie solten / kein Mensch auff Erden
|| [ID00588]
gleubt vnd vertrawet Gott
so gantz volkömlich als er sol / etc. Darumb sind es Lügen / vnd Heuchlische
ertichte Trewme / daß die Mönche rhümen / sie leben nach der volkommenheit des
Euangelij / vnd der Gebot Gottes / Oder thun mehr denn sie schüldig seyn / daß
jhnen gute Wercke / vnd etliche Centner vbriger / vberflüssiger Heiligkeit im
Vorraht bleiben.
Auch so ist das falsch vnd erlogen / Daß das Mönchleben solte seyn ein erfüllung
der Consilien oder Rethe im Euangelio / Denn das Euangelium hat nirgend gerathen
solche vnterscheid der Kleider / der Speise / oder durch solchen Bettelstab der
Leute Güter auszusaugen / Denn es sind eytel Menschen Satzungen / von welchen
Paulus sagt / die Speise macht vns nicht heiliger für Gott / etc. Darumb sind es
auch nicht Gottesdienst / die für Gott from machen / sind auch nicht ein
Euangelische volkommenheit / Sondern wenn man sie mit den prechtigen Titeln
lehret / prediget / vnd ausschreyet so sinds wie sie Paulus nennet / rechte
Teuffels Lehre.
Die Jungfrawschafft lobet Paulus / vnd als ein guten Raht prediget ers denen /
welche dieselb gaben haben / wie ich hieroben gesagt hab / Derhalb ist es ein
schendlicher / Hellischer Irrthum / lehren vnd halten / daß Euangelische
Volkom̅enheit in Menschlichen Satzungen stehe / denn auff die
weis möchten sich auch die Mahometisten vnd Türcken rhümen (denn sie haben auch
Einsidel vnd Mönchen / wie gleubliche Historien verhanden) daß sie Euangelische
Volkommenheit hielten / so ist auch die Euangelische Volkom̅enheit
nicht in den dingen / welche Adiaphora sind / Sondern
dieweil dieses das Reich Gottes ist / daß inwendig der heilige Geist vnsere
Hertzen erleuchte / reinige / stercke / vnd daß er ein new Liecht vnd Leben in
den Hertzen wircke / so ist die rechte Euangelische Christliche Volkom̅enheit / daß wir täglich im Glauben / in Gottes furcht / in
trewlichem fleis des Beruffs vn̅ Ampts / das vns befohlen ist
zunemen / wie auch Paulus die Volkom̅enheit beschreibet / da er
sagt 2. Cor. 3. Wir werden verkleret in dasselbige Bilde / von einer klarheit zu
der andern / als vom Geist des HErrn. Er saget nicht / wir gehen von einem Orden
in den andern / Wir ziehen jetzund diese / denn jene Kappen an / jetzund diesen
Gürtel / denn jenen Strick / etc. Es ist erbermlich / daß in der Christlichen
Kirchen solche Phariseische / ja Türckische vnd Mahometische Lehre vberhand
genom̅en haben / daß sie lehren / die Euangelische Volkom̅enheit / vnd das Reich Christi / durch welchs sich hie die ewige
Güter / vnd das ewige Leben anheben / sollen stehen in Kappen / in Kleidern / in
Speise / vnd dergleichen Kinderwerck /
|| [281]
Hie höre man aber weiter die trefflichen Lehrer / wie sie in jhrer Confutation /
so ein öffentliche Gotteslesterung / vnd heßlich Wort gesetzt haben / Sie
dürffen vnuerschampt sagen / es sey in der heiligen Schrifft geschrieben / daß
das Mönchleben vnd die heiligen Orden das Ewig Leben verdienen / vnd Christus
hab dasselbige sonderlich den Mönche̅ vberschwenglich zugesaget /
welche also verlassen Haus / Hoff / Brüder / Schwester / Das sind die klaren
Wort der Wiedersacher. Ist aber das nicht ein gantz vnuerschampte / heßliche
Lügen? Es sey in der heiligen Schrifft geschrieben / daß mann durch das
Mönchleben könt das ewige Leben verdienen. Wie seyd jhr doch so küne / wo redet
doch die Schrifft von Möncherey? Also handeln diese grosse trefflichen Sachen
die Wiedersacher / also führen sie die Schrifft ein. Die gantze Welt weis / die
Historien sind für Augen / daß die Orden vnd Möncherey ein gantz new ding ist /
noch dürffen sie rhümen / die heilige Schrifft rede von jhrer Möncherey.
Darüber so lestern sie / vnd schmehen Christum / da sie sagen / Man könne durch
Klosterleben das Ewige Leben verdienen. Gott thut seinem eigen Gesetz nicht die
Ehre / daß man durch die werck des Gesetzes solt das Ewig Leben verdienen / wie
Er klar sagt Ezechielis am 20. Ich hab jhnen gegeben Gesetz / dadurch sie das
Leben nicht haben können. Denn für das erst ist das gewiß / daß durch Möncherey
niemands kan das ewig Leben verdienen / Sondern vmb Christus Verdienstes willen
/ Durch lauter Barmhertzigkeit wird das Ewige Leben geben den jenigen / so durch
den Glauben Vergebung der Sünde erlangen / vnd halten denselbigen gegen GOttes
Vrtheil / nicht jhren armen Verdienst. Wie auch S. Bernhard ein fein wort geredt
hat / daß wir vergebung der Sünde nicht haben können / denn allein durch GOttes
Gnade vnd Güte. Item / daß wir gar nichts von guten Wercken haben können / wenn
er es nicht gibet. Item / daß wir das ewige Leben nicht verdienen können mit
wercken / sondern es werde vns auch aus Gnaden gegeben. Vnd dergleichen redet
Sanct Bernhard viel auff dieselbige meynung / wie wir oben erzehlt. Vnd am ende
setzt noch S. Bernhard dazu: Darumb wölle niemands darinnen sich selbs betriegen
/ noch verführen / Denn wird er es selbs recht bedencken / so wird er gewiß
finden / daß er mit Zehen Tausent / dem nicht kan entgegen kom̅en
(nemlich Gott) der mit Zwentzig tausent auff jhn zudringet / So wir denn auch
nicht durch die Werck des Göttlichen Gesetzes Vergebung der Sünde / oder das
Ewige Leben verdienen / Sondern müssen die Barmhertzigkeit suchen / welche in
|| [ID00590]
Christo verheissen ist / so verdienen wir es viel weniger
durch Klosterleben / Möncherey / das eytel Menschen Satzungen sind / vnd sol die
Ehre viel weniger den bettelischen Satzungen geben werden.
Die jenigen / die da lehren / daß wir durch Möncherey können vergebung der Sünde
verdienen / vnd setzen also das vertrawen / welches Christo allein gebühret /
auff die elenden Satzungen / die tretten schlecht das heilige Euangelion / vnd
die Verheissung von Christo mit Füssen. Vnd für den Heiland Christum ehren sie
jhre schebichte Kappen / jhr Mönchische tolle werck / Vnd so es jhnen noch selbs
fehlet an gnade / so thun sie als die Gottlosen / heilosen Leute / daß sie noch
jhre merita supererogationis ertichten / vnd andern
Leuten das vbrig theil am Himmel verkeuffen.
Wir reden hie desto kürtzer von dieser Sache / denn aus dem / so droben geredt /
von der Busse / de Iustificatione, von Menschen
Satzungen / etc. ist gnug zu mercken / Daß die Kloster Gelübde nicht der Schatz
seyn / dadurch wir erlöset / vnd erlangen ein ewiges Leben / etc. Vnd so
Christus dieselbigen Satzungen nennet / vergebliche Gottesdienste / so sind sie
in keinen weg Euangelische Volkommenheit.
Doch haben etliche vernünfftige Mönche ein schew gehabt / jhr Möncherey so hoch
zu rhümen / daß es solt Christliche volkom̅enheit heissen / die
haben diesen hohen rhum gemessiget / haben gesagt / Es sey nicht Christliche
volkommenheit / Sondern es sey ein Stand / der dazu dienen sol / Christliche
volkom̅enheit zu suchen. Solcher messigung gedenckt auch Gerson, vnd verwirfft die Vnchristliche rede / daß
Möncherey Christliche volkommenheit sey.
Wo nu Möncherey nur ein Stand ist / volkom̅enheit zu suchen / so
ists nicht mehr ein Stand der volkommenheit / denn der Bawren / vnd Ackerleut /
der Schneider vnd Becker leben / etc. Denn das alles sind auch Stende /
Christliche volkommenheit zu suchen / Denn alle Menschen / sie seyn in was
Stande sie wollen / ein jeder nach seinem Beruff / so sollen sie nach der
volkommenheit / so lang dis leben weret / streben / vnd allzeit zunehmen in
Gottes furcht / im Glauben / in Liebe gegen dem Nehesten / vnd dergleichen
Geistlichen gaben.
Man lieset in vitis Patrum von S
Antonio, vnd etlichen andern grossen heiligen Einsideln / welche durch
erfahrung dahin sind entlich kom̅en / daß sie gemerckt / daß sie
jhre Werck für Gott nicht mehr from machen / denn anderer Stende Werck. Denn S. Antonius hat auff ein zeit Gott gebeten / daß Er jhm
doch zeigen wolt / wie weit er kommen were ins leben der Volkommenheit. Da ward
jm angezeigt
|| [282]
ein Schuster zu Alexandria, vnd ward jhm gesagt / dem Handwercks Man were er in
Heiligkeit gleich / Bald den andern Tag macht sich Antonius auff / zoch gen Alexandria, sprach
denselbigen Schuster an / vnd fragt mit fleis / was er für ein heiligen Wandel /
Leben vnd Wesen führet / Da antwort jhm der Schuster / Ich thu nichts besonders
/ denn Morgens spreche ich mein Gebet für die gantze Stadt / vnd arbeit darnach
mein Handwerck / warte meines Hauses / etc. Da verstund Antonius bald / was Gott durch die Offenbarung gemeint hette / Den̅ man wird nicht durch dis oder jenes Leben für Gott gerecht /
sondern allein durch den Glauben an Christum.
Die Wiedersacher aber / wiewol sie sich jetzund auch schemen / der Möncherey
Volkom̅enheit zu nennen / so halten sie es doch im grund dafür
/ denn sie verkeuffen jhre Werck vnd Verdienste / vnd geben für / sie halten
nicht allein die Gebot / sondern die Consilia vnd Rehte
/ vnd wehnen / sie behalten Verdienst noch vbrig. Heist das nun nicht mit der
that Volkommenheit vnd Heiligkeit rhümen / wenn sie gleich mit Worten ein wenig
die Sache messigen? Auch ist klar gesetzt in der Confutation / daß die Mönche
neher vnd genawer nach dem Euangelio leben den̅ andere Weltlichen.
Wo nu jhr meynung ist / daß man dadurch dem Euangelio neher lebet / wen̅ man nicht eigens hat / ausserhalb der Ehe lebet / ein sonderlich
Kleidung / oder Kappen tregt / also fastet / also betet / so ist ja jhr meynung
/ daß jr Möncherey Christliche Volkommenheit sey / dieweil sie dem Euangelio
neher seyn sol / denn gemein Leben.
Item / in der Confutation stehet geschrieben / Daß die Mönche das Ewige Leben
reichlicher erlangen / denn andere / vnd ziehen an die Schrifft / Wer Haus vnd
Hoff verlest / etc. Da rhümen sie auch ein Volkom̅enheit / welche
sol an der Möncherey seyn / aber der Spruch redet nichts von der Möncherey. Denn
Christus wil da nicht / daß Vater / Mutter / Weib / Kind / Haus vnd Hoff
verlassen / ein solch Werck sey / damit man Vergebung der Sünde / vnd das ewige
Leben verdiene / Sondern auff die weise Vater vnd Mutter verlassen / gefelt Gott
gar nichts / vnd ist in die Helle vermaledeyet. Denn wenn jemands darumb Eltern
/ Haus / Hoff verlest / daß er dadurch wil Vergebung der Sünde / vnd das ewige
Leben verdienen / da lestert er Christum.
Es ist aber zweyerley verlassen / Eins geschihet aus Beruff / vnd Gottes Gebot /
das verlassen / welchs one Beruff vnd Gottes Gebot geschihet / das lest jhm der
HErr Christus gar nicht gefallen. Denn die Werck / so wir selbs erwelen / nennet
der HErr Christus vnnütze /
|| [ID00592]
vergebliche Gottesdienst.
Mansiehet aber daraus noch klerer / daß Christus nicht meynet ein solches
fliehen von Weib vnd Kind / Er sagt: Wer da verlest Weib / Kind / Haus / Hoff /
etc. Nu wissen wir / daß Gott verboten hat / Weib / Kind nicht zu verlassen. Es
ist aber ein ander verlassen / wenn wir aus Gottes Gebot verlassen Eltern / Weib
/ Kind / etc. vnd wenn wir es selb fürnehmen. Denn wenn Tyrannen mich wolten
zwingen / das Euangelium zu verleugnen / oder verjagen / da haben wir Gottes
Befehl / daß wir sollen ehe vnrechts leiden / als daß wir nicht allein von Weib
vnd Kindern / Haus vnd Hoff vertrieben werden / sondern auch / daß man vns vnser
Leib vnd Leben nimpt. Von dem verlassen redet Christus / darumb setzt er auch
dazu / Vmb des Euangelions willen / vnd zeigt gnug an / daß er von denen rede /
die vmb des Euangelions willen leiden / nicht Weib vnd Kind aus eigenem
fürnehmen verlassen. Denn wir sind auch schüldig vnser eigen Leben zu lassen vmb
des Euangelions willen. Da were es nu närrisch / vnd gantz wiedersinns
verstanden / wenn ich mich selbs tödten wolt / ohne Gottes Befehl. Also ist es
auch närrisch / das für Heiligkeit vnd Gottesdienst halten / daß ich aus eigenem
fürnehmen verliesse Weib vnd Kind / ohne Gottes Befehl.
Derhalb wird der Spruch Christi vbel auff die Möncherey gedeut. Es möcht sich
aber das auff die Mönchen reimen / daß sie hundertfeltiges in diesem Leben
empfahen. Denn viel werden Mönche vmb des Bauchs willen / vnd daß sie Müssigang
/ vnd feiste Küchen haben / da sie als Bettler dennoch in reiche Klöster kommen.
Wie aber die gantze Möncherey vol Heucheley ist vnd Betrugs / also ziehen sie
auch die Schrifft felschlich an / thun also zweyerley schreckliche Sünde / Für
eins / daß sie die Welt mit Abgötterey betriegen / Zum andern / daß sie Gottes
Nahmen vnd Wort felschlich anziehen / jhre Abgötterey zu schmücken.
Auch so wird ein Spruch angezogen: So du wilt volkom̅en seyn / so
gehe / verkauff alles was du hast / vnd gibs den Armen / vnd folge Mir nach. Der
Spruch hat vielen zu schaffen gemacht / daß sie haben wollen wehnen / das sey
die höheste Heiligkeit vnd volkom̅enheit / nicht eigens haben /
nicht Haus / Hoff / Güter haben. Es mügen aber die Cynici, als Diogenes, der kein Haus haben wolt /
Sondern lage in einem Faß / solche Heydnische Heiligkeit rhümen / Christliche
Heiligkeit stehet viel auff höhern Sachen / denn auff solcher Heucheley. Denn
Güter haben / Haus vnd Hoff / sind Weltlicher Regiment Ordnunge / welche durch
Gott bestetiget sind / als im Siebenden Gebot / Du solt nicht stelen / etc.
Darumb Güter / Haus vnd Hoff ver
|| [283]
lassen / ist in
der Schrifft nicht geboten noch gerahten. Denn Euangelische Christliche Armuth
stehet nicht darinne / daß ich die Güter verlasse / sondern daß ich nicht
darauff vertrawe / gleich wie Dauid / gleichwol arm war / bey einem grossen
Gewalt vnd Königreich.
Darumb dieweil solch verlassen der Güter nichts ist / denn ein Menschliche
Satzunge / so ist es ein vnnütz Gottesdienst. Vnd des Bapsts Extrauagant rhümet
/ vnnd lobet auch viel zu hohe solche Mönchische Heuchlische Armut / da sie sagt
/ nicht eigens haben vmb Gottes willen sey ein verdienstlich heilig ding / vnd
ein weg der Volkom̅enheit. Wenn vnerfahrne Leute solch rhümen
hören / fallen sie darauff / es sey vnchristlich in Gütern sitzen / daraus
folgen denn viel Irrthumb vnd Auffrhuren / Durch solch rhümen ist Müntzer
betrogen worden / vnd werden dadurch viel Anabaptisten verführt.
Sie sprechen aber / Hats doch Christus selbs Volkommenheit genennet / da sag ich
Nein zu / denn sie thun dem Text Gewalt / daß sie jhn nicht gantz anziehen.
Volkommenheit stehet in diesem Stück / da Christus spricht: Folge Mir nach / Vnd
darin stehet eins jeden Christen Volkom̅enheit / daß er Christo
folge / ein jeder nach seinem Beruff / Vnd sind doch die Beruff vngleich / einer
wird beruffen zu eim Regenten / der ander zu eim Haußvater / der dritte zu eim
Prediger. Darumb ob schon jener Jüngling beruffen ist / daß er verkauffen solt /
betrifft sein Beruff / nicht andere / wie Dauids Beruff / daß er König werden
solt / nicht alle betrifft / Abrahams Beruff / daß er sein Sohn opffern solt /
betrifft nicht andere. Also sind die Beruff vngleich / aber der Gehorsam sol
gleich seyn / vnd darinn stehet Volkom̅enheit / so ich in meinem
Beruff gehorsam bin / nicht so ich mich eins frembden Beruffs annim / da ich
nicht Befehl oder Gottes Gebot von habe.
Für das dritte / eins von den Substantial Kloster Gelübden / ist die Keuscheit.
Nu haben wir oben von der Priester Ehe gesagt / daß man durch kein Gesetz oder
Kloster Gelübde Natürlich oder Göttlich Recht endern kan / Vnd so nicht alle
Leute die Gabe der Keuscheit haben / so halten sie auch dieselbigen / daß GOtt
geklagt sey / so können auch keine Kloster Gelübde / noch Gesetz dem heiligen
Geist sein Gebot endern / da Paulus sagt: Hurerey zu vermeiden / habe ein
jeglicher sein eigen Eheweib. Darumb sind die Kloster Gelübde nicht Christlich
in denen / welche nicht haben die Gabe der Keuscheit / sondern fallen vnd
machens erger aus schwacheit. Von dem Artickel haben wir hieroben gesagt / vnd
ist warlich wunder / so die Wiedersacher für Augen sehen / so viel vnzehliche
Fehrligkeit der Gewissen / vnd Ergerniß /
|| [ID00594]
daß sie nicht desto
weniger / als die törichten / rasenden Leute / dringen auff solche Menschen
Satzunge / wieder das öffentliche Gottes Gebot / vnd sehen nicht / daß der HERR
Christus so ernstlich straffet die Phariseer / welche Satzungen wieder Gottes
Gebot lehreten.
Zum vierden / so solt doch jederman vom Klosterleben abschrecken der grewlich
schrecklich mißbrauch der Messen / welche gehalten werden für Lebendige / vnd
für die Todten. Item / das anruffen der Heiligen / das alles auff Geitz / auff
eytel Teuffels Grewel gericht ist / Denn am anruffen der Heiligen ist zweyerley
Grewel / Der ein / daß der Heiligen Dienst auff Geitz gericht ist / Der ander /
daß die Heiligen werden gesetzt an Christus stat / vnd daß sie werden Abgöttisch
angebetet / vnd für Mittler gegen Gott gehalten / wie allein die Prediger Mönche
(schweigt vnzehlich tolle Trewme der ander Mönche) mit der Brüderschafft des
Rosenkrantzes / ein rechte vnuerschampte Abgötterey haben angericht / welchs
jetzund Feind vnd Freund selbs spotten. Item das Euangelion / welchs da prediget
Vergebung der Sünde vmb Christus willen / von rechter Bus / von rechten guten
Wercken / die Gottes Befehl haben / hören sie nicht / sie lehrens auch nicht /
sondern lehren aus jhren Predigen Fabeln von Heiligen / vnd eigene ertichte
Werck / dadurch Christus wird vnterdrücket. Das alles haben die Bischoffe leiden
können.
Wir wöllen hie geschweigen / der vnzehlichen Kindischen Ceremonien / vnd
närrichten Gottesdienst / mit Lection / mit Gesengen / vnd dergleichen / welche
zum theil möchten zu dulden seyn / wenn sie ein maß hetten / vnd zu guter vbunge
gebraucht würden. Wie man der Lection in der Schule vnd der Predigt dazu
gebrauchet / daß die Zuhörer dauon sich bessern. Aber nu ertichten sie jhnen
selbs / daß solch mancherley Ceremonien sollen Gottesdienst seyn / Vergebung der
Sünde dadurch zu verdienen / jhnen selbs vnd andern / darumb machen sie auch
ohne vnterlaß newe Ceremonien. Denn wenn sie solche Kirchendienst vnd Ceremonien
dahin richten / daß die Jugend vnd der gemein Man möcht geübt werden in GOttes
Wort / so weren kurtze vnd fleissige Lection viel nützer / denn jhr geplerre im
Chor / das weder maß noch ende hat. Also ist das gantze Klosterleben gar voll
Abgötterey / vnd vol Heuchelischer Irrthumb / wieder das Erst vnd Ander Gebot /
wieder Christum. Darüber ist noch die Fehrligkeit dabey / daß die jenigen / die
also in Stifften vnd Klöstern sind / müssen wissentlich helffen die Warheit
verfolgen. Derhalb sind viel grosser vrsach / darumb from̅e
redliche Leute Klosterleben fliehen / oder auch verlassen mögen.
|| [284]
Darüber so sprechen die Canones selbs die jenigen los /
die vberredt sind mit guten Worten / ehe sie zu jhrem rechten Alter kommen sind
/ oder welche die Freunde wieder jhren willen in ein Kloster verstossen haben.
Aus dem allen erscheinet / daß viel Vrsachen sind / welche da anzeigen / daß die
Kloster Gelübde / welche bißher geschehen sind / nicht recht Christlich bündige
Gelübde sind / Darumb mag man Klosterleben mit gutem Gewissen verlassen / nach
dem es voll Heucheley vnd allerley Grewel ist.
Hie werffen vns die Wiedersacher für / die Nazareer im Gesetz Mosi. Aber die
theten jhre Gelübde nicht der meynung / dadurch Vergebung der Sünde zu erlangen
/ wie wir oben von den Mönchen Gelübden geklagt haben. Der Nazareer Orden war
ein leibliche vbung mit Fasten / mit gewisser Speis / dadurch sie jhren Glauben
bekenneten / nicht daß sie dadurch Vergebung der Sünde erlangeten / oder dadurch
vom ewigen Tod erlöset würden / Denn das suchten sie anderswo / nemlich / in der
Verheissung von dem gebenedeyten Samen. Item / wie die Beschneidung im Gesetz
Mosi / oder das Opffer schlachten / jetzund nicht sol für ein Gottesdienst
auffgericht werden / Also sol man das Fasten / oder Ceremonien der Nazareer
nicht auffrichten oder anziehen / als ein Gottesdienst / sondern sol gehalten
werden für ein Mittelding / vnd leibliche vbung. Derhalben können noch sollen
sie jhren Mönchstand / welcher ohne Gottes Wort ertichtet ist / als ein
Gottesdienst / dadurch Gott versönet werde / vergleichen mit der Nazareer Stand
/ welchen Gott befohlen hatte / vnd war nicht dazu erdacht / daß die Nazareer
dadurch solten erlangen ein gnedigen Gott / Sondern daß es ein eusserliche Zucht
/ vnd vbung were des Leibs / wie andere Ceremonien im Gesetz Mosi. Item / gleich
dasselbige ist auch von ander mancherley Gelübden / die im Gesetz Mosi gesetzt
werden / zu antworten.
Auch so ziehen die Wiedersacher an das Exempel der Rechabiten / welche keine
Güter hatten / auch keinen Wein truncken / wie Jeremias sagt Cap. 35. Ja warlich
es reimet sich wol der Rechabiten Exempel zu vnsern Mönchen / so jhre Klöster
prechtiger / denn der Könige Pallast gebawet sind / so sie in allem vberfluß
leben. Auch so sind die Rechabiten bey jhrem Armut doch Eheleut gewesen / vnser
Mönche / so sie allen Pracht / allen vberfluß haben / geben in jhrer Heucheley
Keuscheit für.
Nun die Verstendigen vnd Gelehrten wissen wol / daß man alle Exempel nach der
Regeln / das ist / nach der klaren Schrifft / vnd nicht wieder die Regel oder
Schrifft sol außlegen / oder einführen. Dar
|| [ID00596]
umb so die
Rechabitae in der Schrifft gelobet werden / so ist
es gewiß / daß sie jhre Weis vnd Ceremonien nicht darumb gehalten haben /
dadurch Vergebung der Sünde / oder Ewiges Leben zu verdienen / oder daß jhre
Wercke an jhnen selbs sie für GOtt versünen könten / sondern sie haben als
from̅e Gottfürchtige Kinder gegleubt / an den gesegneten /
gebenedeyten Samen / an den zukünfftigen Christum / vnd dieweil sie haben Gebot
vnd Befehl gehabt / jhrer Eltern / wird in der Schrifft gelobet jhr Gehorsam /
von welchem das Vierde Gebot redet / Du solt dein Vater vnd dein Mutter ehren.
Item / So hat der Rechabiter weis noch ein vrsach / Sie waren vnter den Heyden
gewesen / da hat sie jhr Vater vnterscheiden wollen / von den Heyden mit
etlichen Zeichen / daß sie nicht wieder fielen in Gottlos wesen vnd Abgötterey.
Darumb hat sie jhr Vater dadurch wollen erinnern der Gottes Furcht / des
Glaubens / der Aufferstehung der Todten / Vnd das ist ein gute vrsache. Aber die
Möncherey hat viel andere vrsach / Sie ertichte̅ / daß die
Möncherey sey ein Gottesdienst / dadurch man verdiene Vergebung der Sünde / vnd
Gott versünet werde. Darumb ist es gar kein vergleichung mit der Rechabiten
Exempel / daß ich geschweige ander vnzehlich vnrath vnd Ergerniß / welche
darüber noch am Klosterleben sind.
Auch so bringen sie für / aus der andern Epistel zu Timotheo am 5. von den Witwen
/ welche den Kirchen dieneten / vnd von dem gemeinen Kirchengut ernehret wurden
/ da Paulus sagt: Denn wenn sie geyl worden sind wieder Christum / so wollen sie
freyen / vnd haben jhr Vrtheil daß sie den ersten Glauben verbrochen haben. Ich
wil gleich setzen / daß da der Apostel von den Gelübden rede (wie doch nicht
ist) so thut doch der Spruch gar nichts dazu / daß die Kloster Gelübde solten
Christlich seyn. Denn die Kloster Gelübde geschehen darumb / daß sie sollen ein
Gottesdienst seyn / dadurch man Vergebung der Sünde verdiente. Paulus aber
verwirfft alle Gesetz / alle Wercke / alle Gottesdienst / welche also gehalten /
vnd angenom̅en werden / dadurch Vergebung der Sünde / vnd das
Ewige Leben zu verdienen / welchs wir allein durch Christum erlangen. Darumb ist
es gewiß / ob die Witwen etliche Gelübde gethan hetten / daß sie doch vngleich
den jetzigen Kloster Gelübden gewesen sind.
Darüber wenn die Wiedersacher je den Spruch Pauli wolten auff die Kloster Gelübde
ziehen / vnd dehnen / so müssen sie das auch annehmen / daß Paulus verbeut / Es
solle kein Witwe eingenommen werden / die jünger were denn Sechtzig Jahr. Also
werden denn alle Kloster Gelübde / welche vor der Zeit des Alters geschehen sind
/
|| [285]
von jüngern Leuten / vnbindig vnd nichts seyn. Aber
die Kirche hat von den Kloster Gelübden die zeit nichts gewust. So verwirfft nu
Paulus die Witwen nicht darumb / daß sie Ehelich werden / (denn er heist die
Jungen Ehelich werden) sondern daß sie aus dem gemeinen Kirchen Kasten sich
nehren liessen / desselbigen zu jhrer Lust vnd mutwillen mißbrauchten / vnd also
den ersten Glauben brechen. Das heist er den ersten Glauben fahren lassen /
nicht der Kloster Gelübde / sondern jhrer Tauffe / jhr Christlichen pflicht /
jhres Christenthumbs. Vnd also redet er auch vom Glauben im selbigen Capittel:
So jemands sein Haußgenossen nicht versorget / der hat sein Glauben verleugnet.
Denn er redet anders vom Glauben / denn die Sophisten / Darumb sagt er / daß die
jenigen den Glauben verleugnen / die jhre Haußgenossen nicht versorgen. Also
saget er auch von den fürwitzigen Weibern / daß sie den Glauben fahren lassen.
WIr haben etliche vrsachen angezeigt / vnd verlegt / was die Wiedersacher
fürbracht / Dieses haben wir nicht allein vmb der Wiedersacher willen erzehlet /
sondern viel mehr vmb etlicher Christlicher Hertzen vnd Gewissen willen / daß
sie mögen klar für Augen haben / warumb die Kloster Gelübde / vnd die mancherley
Möncherey / nicht recht oder Christlich sind / welche auch alle mit ein / das
einige Wort Christi möcht zu boden stossen / da Er sagt: Sie dienen Mir
vergeblich mit Menschen Geboten. Denn aus dem Wort allein hat man kurtz / daß
die gantze Möncherey / Kappen / Strick / Gürtel / vnd alle eigene ertichte
Heiligkeit für Gott vnnütz / vergebliche Gottesdienst seyn / vnd alle
Christliche fromme Hertzen sollen das gantz für gewiß halten / daß dis gewiß ein
Pharisaisch / verdampt heßlicher Irrthumb ist / daß wir solten durch solche
Möncherey Vergebung der Sünde / oder das Ewig Leben verdienen / vnd nicht viel
mehr erlangen / durch den Glauben an Christum.
Darumb fromme Leut / so in Klosterleben selig worden / vnd erhalten sind / die
haben endlich müssen dahin kommen / daß sie an allen jhren Klosterleben verzagt
/ alle jhre Werck / wie Kot / veracht / alle jhre heuchlische Gottesdienst
verdampt / vnd sich an die Zusage der Gnade in Christo fest gehalten haben / wie
man deß denn von S. Bernhard ein Exempel hat / daß er gesagt / Perditè vixi, Ich habe Sündlich gelebt. Denn Gott wil
kein andere Gottesdienste haben / denn welche Er hat selbs auffgericht durch
sein Wort.
|| [ID00598]
Von der POTESTATE Ecclesiastica.
DIE Wiedersacher machen hie ein gros Geschrey / von den Freyheiten vnd
Priuilegien der Geistlichen (wie sie es nennen) vnd setzen darnach ein solchen
Beschluß. Es ist (sagen sie) alles nichts vnd vntüchtig / was in diesem Artickel
wieder die Freyheit vnd Priuilegien der Kirchen vnd Priester wird fürbracht. Hie
handeln die Meister der Confutation aber als Buben / vns zu verunglimpffen. Denn
in vnser Confessio ist nichts geredt wieder der Kirchen / oder Priester
Freyheiten / damit sie von Weltlicher Obrigkeit / Keysern / Königen / vnd
Fürsten begnadet sind / Denn wir lehren ja / man sol Weltlich Ordnung vnd Recht
halten.
Aber wolt Gott / daß die Wiedersacher doch auch ein mal höreten / die vnseglich
erbermlich grosse Klag aller Kirchen / das gros schreyen vnd seufftzen / so viel
frommer Hertzen vnd Gewissen. Der Kirchen Freyheit / vnd was Geld vnd Gut
belanget / vergessen die Wiedersacher nicht / Aber wie die nötigsten /
nützlichsten Ampt in der Kirchen bestellet sind / da sorgen sie nichts / sie
fragen gar nichts darnach / wie man lehre oder predige / Sie fragen nichts
darnach / wie Christlicher Brauch der Sacrament erhalten werde / Sie ordinieren
grobe Esel / damit ist Christliche Lehre vntergangen / daß die Kirchen nicht mit
tüchtigen Predigern bestelt sind. Sie machen Traditiones, vnd vntregliche Bürden / die Seelen zu verderben. Vnd ob
solchen jhren Tradition halten sie viel fester / denn Gottes Geboten. Viel armer
Seelen stecken jetzund in zweiffel / wissen nicht / was sie halten sollen. Da
gebürt den Prelaten zu hören / was recht / was vnrecht were / vnd die Mißbreuch
zu endern / den armen Leuten aus dem zweiffel zu helffen / vnd die Last von den
beschwerten Gewissen zu nehmen. Was sie aber thun ist am tage / sie machen Edict
wieder öffentliche Warheit / erzeigen vnerhörte Tyranney wieder fromme Leute /
zu erhaltung etlicher jhrer Tradition / die öffentlich wieder Gott sind. So sie
nun jhre Priuilegia rhümen / solten sie billich jhr Ampt
bedencken / vnd vieler from̅er Christen seufftzen vnd klagen hören
/ die ohne zweiffel Gott höret / vnd wird ein mal Rechenschafft von den Prelaten
foddern.
|| [286]
Auch antwort die Confutatio nicht auff vnser Gründe /
sondern stellet sich recht Bäpstlich / sagt von grosser Gewalt der Bischoffe /
vnd beweiset sie nicht / spricht also / Daß die Bischoffe Gewalt haben zu
herrschen / zn richten / zu straffen / zu zwingen / Gesetz zu machen / dienlich
zum Ewigen Leben. Also rhümet die Confutatio der
Bischoffe Gewalt / vnd beweiset sie doch nicht. Von diesem Artickel ist nu der
Streit / Ob die Bischoffe Macht haben / Gesetz zu machen ausser dem Euangelio /
vnd zu gebieten / dieselbigen zu halten / als Gottesdienst / dadurch Ewig Leben
zu verdienen.
Darauff thun wir diesen bericht / man muß in der Kirchen diese Lehre behalten /
daß wir ohne Verdienst vmb Christus willen / durch den Glauben Vergebung der
Sünde erlangen / So muß man auch die Lehre behalten / daß alle Menschen Satzunge
nicht nütze sind / Gott zu versünen. Darumb in Speis / Tranck / Kleidern / vnd
dergleichen / ist weder Sünde noch Gerechtigkeit zu setzen. Denn Paulus spricht:
Das Reich Gottes ist nicht Essen vnd Trincken. Darumb haben die Bischoffe nicht
Macht / Satzunge zu machen ausser des Euangelij / Also / daß man dadurch
Vergebung der Sünde erlangen wolt / Oder / daß es solten Gottesdienste seyn /
vmb welcher willen vns Gott gerecht schetze / vnd zu welchen sie die Gewissen
verpflichten bey einer Todsünde. Das alles lehret der einige Spruch in
Geschichten der Apostel am 15. Capit. Da Petrus sagt / Daß die Hertzen werden
durch den Glauben gereiniget. Vnd darnach verbieten sie ein Joch oder Bürde auff
die Jünger zu legen / vnd sagen / wie fehrlich das sey. Auch geben sie zu
verstehen / daß die schrecklich sündigen / vnd wieder Gott handeln / vnd Gott
versuchen / die also die Kirchen beschweren / Denn sie sagen / Was versucht jhr
Gott? Dis hart ernste Wort der Aposteln / welchs sie billich / als ein
Donnerschlag schrecken solt / lassen jhnen die Wiedersacher gar nicht zu Hertzen
gehen / Sondern wollen noch mit aller Tyranney vnd Gewalt jhre ertichte
Gottesdienst verthedingen.
DEnn den XV. Artickel / darinn wir gesetzt haben / Daß wir durch Menschen
Satzunge nicht verdienen Vergebung der Sünde / verdam̅en sie / vnd
sagen hie / die Menschen Satzung sind nütz vnd dienstlich / das Ewige Leben zu
verdienen. Dagegen ist ja öffentlich / daß sie das Hertz inwendig nicht trösten
/ so bringe̅ sie auch kein new Liecht oder Leben ins Hertz / wie
den̅ Paulus zu den Colossern sagt / Daß darumb die Satzungen
nichts helffen / ewige Gerechtigkeit / oder ewigs Leben zu erlangen / Denn die
Sa
|| [ID00600]
tzunge lehren von vnterscheid der Speis /
Kleider / vnd der dinge / welche sich vntern Henden verzehren. Das Ewig Leben
aber / welchs inwendig durch den Glauben in diesem Leben anfehet / wirckt der
heilige Geist im Hertzen durch das Euangelium. Darumb werden die Wiedersacher
nim̅ermehr nicht beweisen / daß man durch Menschen Satzung das
Ewige Leben verdiene.
So nu das Euangelium klar verbeut / daß mit solchen Satzungen die Kirchen vnd
Gewissen nicht sollen beschweret werden / Also / daß man dadurch vergebung der
Sünde erlangen müsse / oder müsse sie halten / als nötige Gottesdienst / ohn
welche Christliche Heiligkeit nicht seyn könne / oder / daßman sie bey einer
Todsünde zu halten sol schüldig seyn / so werden die Wiedersacher nim̅ermehr beweisen / daß die Bischoffe solche Gottesdienst
anzurichten Macht haben.
Was aber die Bischoffe für ein Ampt oder Gewalt haben in der Kirche̅ / haben wir in der Confession gesagt. Die Bischoffe / so jetzund den
Bischoffs Namen tragen in der Kirchen / thun gar nicht jhr Bischofflich Ampt
nach dem Euangelio. Aber lasse sie gleich Bischoffe seyn / der Canonica politia nach / welche wir in jrem werht lassen
/ wir rede̅ aber von rechten Christlichen Bischoffen / Vnd es
gefelt mir die alte Diuision oder Teilung nicht vbel / die da gesagt haben /
Bischoffliche Gewalt stehe in diesen zweyen / Potestate
Ordinis vnd Potestate Iurisdictionis, das ist /
in reichung der Sacrament / vnd Geistliche̅ Gerichtszwang. So hat
ein jeder Christlicher Bischoff Potestate̅
Ordinis, das ist / das Euangelium zu predigen / Sacrament zu reichen.
Auch hat er gewalt eines Geistlichen Gerichtszwangs in der Kirchen / das ist /
Macht vnd Gewalt aus der Christlichen Gemein zu schliessen / die jenigen / so in
öffentlichen Lastern funden werden / vnd dieselbigen / wen̅ sie
sich bekeren / wider anzunemen / vnd jnen Absolution mitzutheilen. Sie haben
aber nicht ein Tyrannischen Gewalt / das ist / ohn gewiß Gesetz zu vrteilen / so
haben sie auch keinen Königlichen Gewalt / das ist / vber die gegeben Gesetz zu
schaffen / sondern haben ein gewiß Gottes Gebot / vnd gemessen Befehl / vnter
welchem sie sind / nach welchem sie jhres Geistlichen Gewalts / vnd
Gerichtszwangs brauchen sollen. Ob sie schon solche Jurisdirtio vber öffentliche
Laster haben / so folget doch nicht / daß sie darumb Macht haben / newe
Gottesdienst anzurichten. Denn Jurisdictio vnd newe Gottesdienst machen / sind
weit von einander. Item / es streckt sich auch die Iurisdictio nicht auff Sünde / wieder jhre newe Gesetze / Sondern
allein auff solche Sünde / die wieder Gottes Gebot sind / Denn das Euangelium
richt jhn nicht ein Regiment an ausser dem Euangelio / das ist ja klar vnd
gewiß.
|| [287]
Wiewol wir nun in der Confession dazu gesetzt haben / wie fern die Bischoffe
mögen Satzungen machen / Nemlich / daß sie die nicht als nötige Gottesdienst
auffrichten / vnd lehren / Sondern daß stille vnd ördentlich in der Kirchen zu
gehe. Aber damit sollen die Gewissen nicht gefangen seyn / als seyens nötige
Gottesdienst / Denn Paulus zun Galatern sagt am 4. Cap. So stehet nu in der
Freyheit / wie euch Christus hat frey gemacht / vnd lasst euch nicht wieder
vnter das Joch der Knechtschafft bringen. So muß man nu frey lassen solcher
eusserlicher Satzung zu brauchen / oder nicht zu brauchen / daß es nicht für
solche Gottesdienst geacht oder gehalten werden / welche nöthig solten seyn zur
Seligkeit. Doch ist man schüldig / Ergerniß zu meiden. Also haben die Apostel
viel dings vmb guter Zucht willen / in der Kirchen geordnet / das mit der zeit
geendert ist. Vnd haben nicht Satzung also gemacht / daß sie solten nötig seyn /
oder ewig bleiben / denn sie haben wieder jhr eigen Schrifft vnd Lehre nicht
gehandelt / darin sie das gar hefftig streiten / daß man die Kirche nicht solle
mit Satzungen also beschweren / oder verpflichten / als sind sie nöthig zur
Seligkeit.
Das ist ein einfeltige klare vnterricht von Menschen Satzungen / Nemlich / Daß
wir wissen / daß es nicht nöthige Gottesdienst sind / vnd daß man sie dennoch
nach gelegenheit / Ergerniß zu meiden / halten sol. Vnd also haben viel gelehrte
grosse Leute in der Kirchen gehalten / vnd gelehret / vnd ist gewiß / daß die
Wiedersacher dawieder nichts können auffbringen / So ist es auch gewiß / daß
dieses Wort des HERRN Christi: Wer euch höret / der höret Mich / nicht von
Menschen Satzungen redet / sondern ist stracks dawieder / denn die Apostel
empfahen da nicht ein Mandatum cum libera, Das ist / ein
gantzen freyen vngemessen Befehl vnd Gewalt / Sondern haben ein gemessen Befehl
/ Nemlich / nicht jhr eigen Wort / Sondern Gottes Wort / vnd das Euangelium zu
predigen. Vnd der HERR Christus wil in den worten: Wer euch höret / der höret
Mich / alle Welt stercken / wie auch von nöten war / daß wir solten gantz gewiß
seyn / daß das leiblich wort Gottes Krafft were / vnd daß niemands von Him̅el ein ander Wort dürfft suchen / oder gewarten. Darumb kan dis
Wort / Wer euch höret / der höret mich / von Satzungen nicht verstanden werden.
Denn Christus wil da / daß sie also lehren sollen / daß man durch jhren Mund
Christum selbs höre. So müssen sie ja nicht jhr eigen Wort predigen / sondern
sein Wort / seine Stimme vnd Euangelium / sol man Christum höre̅.
Dis tröstlich Wort / welchs auffs aller sterckest vnsere Lehre bestetiget / vnd
|| [ID00602]
viel nöthiger Lehre vnd Trostes für die Christliche
Gewissen in sich hat / das deuten die groben Esel auff jhre närrische Satzunge /
auff jhr Speis / Tranck / Kleider / vnd dergleichen Kinderwerck.
Auch ziehen sie diesen Spruch an zu den Ebreern am 13. Gehorchet denen / die euch
fürgehen / etc. Der Spruch foddert / daß man sol gehorsam seyn dem Euangelio /
denn er gibt den Bischoffen nicht ein eigen Herrschafft / vnd Herrn Gewalt /
ausser dem Euangelio. So sollen auch die Bischoffe nicht wieder das Euangelium
Satzunge machen / noch jhr Satzunge wieder das Euangelium außlegen / denn wenn
sie das thun / so verbeut vns das Euangelium / jhnen gehorsam zu seyn / wie
Paulus zu den Galatern sagt / am 1. Capittel: So euch jemands würde ein ander
Euangelium predigen / der sey verflucht.
Gleich dasselbige antworten wir auch auff den Spruch Matth. am 23. Auff Moses
Stuel sitzen die Schrifftgelehrten / etc. Alles nu was sie euch sagen / das jhr
halten sollet / das haltet vnd thuts / Das ist gewiß / daß damit nicht geboten
wird vniuersaliter, in gemein / daß wir alles sollen
halten / was sie gebieten / auch wieder Gottes Gebot vnd Wort. Denn an einem
andern ort saget die Schrifft / man muß Gott mehr gehorchen / denn den Menschen.
Darumb wenn sie Vnchristlich / vnd wieder die Schrifft lehren / sol man sie
nicht hören. So richt dieser Spruch auch nicht ein Regiment an / ausser dem
Euangelio / darumb können sie jhre Gewalt / die sie ausser dem Euangelio
auffgericht haben / nicht durchs Euangelium beweisen / Denn das Euangelium redet
nicht de Traditionibus, Sondern von Gottes Wort zu
lehren.
Daß aber die Wiedersacher zu ende der Confutation / vns verunglimpffen vnd
beschweren / daß diese Lehre zu Vngehorsam / vnd ander mehr Ergerniß vrsach gebe
/ solchs wird dieser vnser Lehre vnbillich auffgelegt / Denn es ist öffentlich /
daß Obrigkeit auffs höhest durch diese Lehre gepreiset ist / So weis man / daß
an denen örten / da diese Lehre gepredigt ist / durch Gottes Gnade bis anher die
Obrigkeit in allen Ehren von Vnterthanen gehalten ist.
Daß aber Vneinigkeit vnd Spaltung in der Kirchen ist / weis man / wie sich diese
Hendel erstlich zugetragen haben / vnd wer vrsach zu Trennung gegeben / Nemlich
/ die Indulgentzkrämer / die vnleidliche Lügen / vnuerschampt predigten / vnd
nachmals den Luther verdampten / daß er dieselbige Lügen nicht billicht / Dazu
erregten für vnd für mehr Hendel / daß Luther ander mehr Irrthumb anzufechten
verursacht ward. Dieweil aber vnser Gegentheil die Warheit
|| [288]
nicht hat dulden wollen / vnd sich vnterstehet öffentliche
Irrthumb noch mit Gewalt zu handhaben / ist leichtlich zu richten / wer an der
Trennung schüldig ist / Es solt ja billich alle Welt / alle Weißheit / aller
Gewalt / Christo vnd seinem heiligen Wort weichen. Aber der Teuffel ist Gottes
Feind / darumb erregt er alle seine Macht / wieder Christum / Gottes Wort zu
dempffen / vnd vnterzudrücken. Also ist der Teuffel mit seinen Gliedern / so
sich wieder GOttes Wort legt / Vrsach der Spaltung vnd Vneinigkeit / Denn wir
zum höchsten Frieden gesucht haben / des wir noch zum höchsten begehrn / so fern
/ daß wir nicht gedrungen werden / Christum zu lestern / vnd zu verleugnen /
Denn Gott weis / der aller Hertzen Richter ist / daß wir an dieser schrecklichen
Vneinigkeit nicht Lust oder Frewd haben / so hat der Gegentheil bis anher kein
Frieden machen wollen / darinn nicht gesucht sey / daß wir die heilsame Lehre
von Vergebung der Sünde durch Christum / ohn vnser Verdienst / solten fallen
lassen / dadurch doch Christus zum höchsten gelestert würde.
Vnd wiewol nicht ohn ist / daß / wie die Welt pflegt / in dieser Spaltung dennoch
Ergerniß / durch Freuel vnd vngeschickte Leute etwa fürgefallen / Denn der
Teuffel richt solch Ergerniß an / zu Schmach dem Euangelio / so sind sie doch
alle nicht zu achten gegen dem hohen Trost / den diese Lehre mit sich bracht hat
/ die lehret / daß wir vmb Christus willen / ohn vnser Verdienst / vergebung der
Sünde / vnd ein gnedigen GOtt haben. Item / daß sie vnterricht / daß
Gottesdienst nicht sey / verlassen Weltliche Stende vnd Obrigkeit / Sondern daß
solche Stende vnd Obrigkeit Gott gefallen / vnd rechte heilige Werck vnd
Gottesdienst seyn.
So wir auch des Gegentheils Ergerniß erzehlen solten / dazu wir warlich nicht
Lust haben / würde es gar ein schrecklich Register werden / wie die Messe zu eim
schendlichen / lesterlichen Jahrmarckt / durch den Gegentheil gemacht / wie ein
vnzüchtig Leben durch jhren Celibat angerichtet ist / wie die Bäpst nun lenger
denn Vierhundert Jahr mit den Keysern gekrieget haben / vnd des Euangelij
vergessen / vnd allein darnach getracht / daß sie selbs Keyser weren / vnd gantz
Italia vnter sich brechten / wie sie mit den
Kirchengütern gespielet haben / wie durch jhren vnfleis viel falscher Lehre /
vnd falsche Gottesdienst / durch die Mönch auffgericht sind. Ist doch jhr
Heiligendienst ein öffentliche Heydnische Abgötterey. Alle jre Scribenten sagen
nicht ein Wort von diesem Glauben an Christum / dadurch man Vergebung der Sünde
erlangt / Die höhest Heiligkeit setzen sie in Menschen Satzungen / dauon
schreiben vnd predigen sie fürnemlich.
|| [ID00604]
So ist das billich
auch vnter jhre Ergerniß zu zehlen / daß sie sich öffentlich erzeigen / was
Geist sie haben / daß sie so viel vnschüldiger from̅er Leute
jetzund vmb Christlicher Lehre willen ermorden. Doch wollen wir hieuon jetzund
nicht reden / Denn diese Sachen sol man nach Gottes Wort richten / vnd Ergerniß
beyder seiten dieweil nicht ansehen.
Wir hoffen / es sollen alle Gottsfürchtigen in dieser vnser Schrifft gnugsam
sehen / daß vnser Lehre Christlich / vnd allen from̅en / tröstlich
vnd heilsam sey. Darumb bitten wir GOtt / daß Er Gnade verleihe / Daß sein
heiliges Euangelium bey allen erkant / vnd geehret werde / zu seinem Lobe / vnd
zu Friede / Einigkeit vnd Seligkeit vnser allen. Vnd erbieten vns hiemit / wo es
noth ist / von allen Artickeln weiter Bericht zu thun.
|| [ID00605]
|| [ID00606]
|| [ID00607]
Artickel Christlicher Lehre / so da hetten sollen auffs Concilium zu Mantua /
oder wo es sonst worden were / vberantwort werden / von vnsers Theils wegen /
vnd was wir annehmen / oder nachgeben kündten / oder nicht / etc.
Vorrede D. Martini Luther.
DA der Bapst Paulus / des Nahmens der Dritte / ein Concilium ausschrieb im
vergangenen Jahr / auff die Pfingsten / zu Mantua zu halten / vnnd hernach von
Mantua wegrückt / daß man noch nicht weis wohin ers legen wil oder kan. Vnd wir
vns auff vnserm theil versehen solten / daß wir entweder auch zum Concilio
beruffen / oder vnberuffen verdampt würden / ward mir befohlen / Artickel vnser
Lehre zu stellen / vnd zusammen bringen / obs zur handlung keme / was / vnd wie
ferne / wir wolten oder künten den Papisten weichen / vn̅ auff
welchen wir gedechten endlich zu beharren vnd zu bleiben.
Demnach habe ich diese Artickel zusamen bracht / vnd vnserm teil vberantwortet.
Die sind auch von den vnsern angenomen / vnd eintrechtiglich bekennet / vnd
beschlossen / Daß man sie solle (wo der Bapst mit den seinen ein mahl so küne
wolt werden / ohne liegen vnd triegen / mit ernst vnd warhafftig / ein recht
frey Christlich Concilium zu halten / wie er wol schüldig were) öffentlich
vberantworten / vnd vnsers Glaubens Bekentnis fürbringen.
Aber weil sich der Römisch Hoff so grewlich für einem freyen Christliche̅ Concilio fürcht / vnd das Liecht so schendlich fleucht / daß er
auch denen / die seines teils sind / die Hoffnung genomen hat / als werde er
nimer
|| [ID00610]
mehr ein frey Christlich Concilium leiden
/ viel weniger selbs halten. Daran sie sich den̅ / wie billich /
fast ergern / vnd nicht geringe Beschwerung drüber haben / als die daran mercken
/ Daß der Bapst lieber wolt die gantze Christenheit verloren / vnd alle Seelen
verdampt sehe̅ / ehe er sich oder die seinen wolt ein wenig
Reformieren / vnd seiner Tyranney ein maß setzen lassen. So hab ich gleichwol
diese Artickel in des wollen durch öffentlichen Druck an den tag geben / Ob ich
ja ehe sterben solt / denn ein Concilium würde (wie ich mich gantz versehe vnd
verhoffe) weil die Liechtflüchtigen vnd Tagschewende Schelm / so jämerlich mühe
haben / das Concilium zu verziehen vnd zu verhindern. Damit die so nach mir
leben vnd bleiben werden / mein Zeugnis vnd bekentnis haben fürzuwenden / vber
das Bekentnis / das ich zuuor hab lassen ausgehen / darauff ich auch noch bisher
blieben bin / vnd bleiben wil / mit Gottes Gnaden.
Denn was sol ich sagen? Wie sol ich klagen? Ich bin noch im leben / schreibe /
predige vnd lese täglich / noch finden sich solche gifftige Leute / nicht allein
vnter den Widersachern / sondern auch falsche Brüder / die vnsers Theils seyn
wollen / die sich vnterstehen mein Schrifft vnd Lehre stracks wider mich zu
führen / Lassen mich zusehen / vnd zuhören / Ob sie wol wissen / daß ich anders
lere / vnd wollen jre Gifft mit meiner arbeit schmücken / vnd die armen Leute
vnter meinem Namen verfüren / Was wil doch jmermehr nach meinem Tode werden?
Ja ich solte billich alles verantworten / weil ich noch lebe? Ja wiederumb / Wie
kan ich allein alle Meuler des Teuffels stopffen? Sonderlich denen (wie sie alle
vergifftet sind) die nit hören noch mercken wollen / was wir schreiben / sondern
allein an dem sich vben
|| [291]
mit allem fleis / wie sie
vnsere Wort in allen Buchstaben auffs schendlichst verkehren vnd verderben
mögen. Solchen lasse ich den Teuffel antworten / oder zu letzt Gottes Zorn wie
sie verdienen. Ich dencke offt an den guten Gerson / der zweiffelt / ob man
etwas guts solt öffentlich schreiben. Thut mans nicht / so werden viel Seelen
verseumet / die man könte erretten. Thut mans aber / so ist der Teuffel da / mit
vnzehlichen gifftigen bösen Meulern / die alles vergifften vnd verkehren / daß
doch die Frucht verhindert wird. Doch was sie daran gewinnen / siehet man am
Tage / Denn sintemal sie so schendlich wieder vns gelogen / vnd die Leute mit
liegen haben wöllen behalten / hat Gott sein Werck jmer fort getrieben / jhren
Hauffen jmer kleiner / vnd vnsern jmer grösser gemacht / vnd sie mit jhren Lügen
zu schanden lassen werden / vnd noch jmmer fort.
Ich muß eine Historia sagen: Es ist hie zu Wittemberg gewest aus Franckreich ein
Doctor gesand / der für vns öffentlich sagt / daß sein König gewiß vnd vber
gewiß were / daß bey vns kein Kirche / kein Obrigkeit / kein Ehestand sey /
Sondern gienge alles vntereinander wie das Viehe / vnd thet jederman was er
wolt. Nu raht / wie werde̅ vns an jenem tage für dem Richtstuel
Christi ansehen die / so solche grobe Lügen dem Könige vnd andern Landen durch
jhre Schrifft eingebildet haben für eytel Warheit? Christus vnser aller HErr
vn̅ Richter / weis ja wol / daß sie liegen / vnd gelogen haben
/ des Vrteil werden sie wiederumb müssen hören / das weis ich fürwar. Gott
bekehre / die zu bekeren sind / zur Busse / den andern wirds heissen / Weh vnd
Ach ewiglich.
Vnd daß ich wieder komme zur Sache / möchte ich fürwar wol gern ein recht
Christlich Concilium sehen /
|| [ID00612]
damit doch viel Sachen vnd
Leuten geholffen würde. Nicht daß wirs bedürffen / Denn vnser Kirchen sind nu
durch Gottes Gnaden mit dem reinen Wort / vnd rechtem Brauch der Sacrament / mit
Erkentniß allerley Stenden vnd rechten Wercken also erleucht vnd beschickt / daß
wir vnsert halben nach keinem Concilio fragen / vnd in solchen stücken vom
Concilio nichts bessers zu hoffen noch zu gewarten wissen. Sondern da sehen wir
in den Bisthumen allenthalben viel Pfarren ledig vnd wüst / daß einem das Hertz
möcht brechen. Vnd frage̅ doch weder Bischoffe noch Thumherrn
darnach / wie die armen Leute leben oder sterben / für welche doch Christus ist
gestorben / vnd sollen denselben nicht hören mit jhnen reden / als den rechten
Hirten mit seinen Schaffen. Daß mir grawet vnd bange ist / Er möchte einmal ein
Engel Concilium lassen gehen vber Teutschland / das vns alle in Grund verderbet
/ wie Sodom vnd Gomorra / weil wir sein so freuenlich mit dem Concilio spotten.
Vber solche nötige Kirchensache weren auch in Weltlichem Stande vnzehliche grosse
stücke zu bessern / Da ist Vneinigkeit der Fürsten vnd Stende / Wucher vnd Geitz
/ sind wie eine Sündfluth eingerissen / vnd eytel Recht worden / Muthwill /
Vnzucht / Vbermuth mit kleiden / fressen / spielen / prangen / mit allerley
vntugend vnd Boßheit / Vngehorsam der Vnterthanen / Gesinde vnd Arbeiter / aller
Handwerck / auch der Bawren vbersetzung / (vnd wer kans alles erzehlen?) haben
also vberhand genommen / daß mans mit zehen Concilijs, vnd zwantzig Reichstagen
nit wider wird zu recht bringen. Wen̅ man solche Heuptstück des
Geistlichen vnd Weltlichen Standes / die wieder Gott sind / im Concilio
wür
|| [292]
de handeln / so würde man wol zu
thun krigen alle hende vol / daß man dieweil wol würde vergessen des
Kinderspiels vnd Narrenwercks / von langen Röcken / grossen Platten / breiten
Gürteln / Bischoffs vnd Cardinals Hüten oder Steben / vnd dergleichen Geuckeley.
Wenn wir zuuor hetten Gottes Gebot vnd befehl außgericht im Geistlichen vnd
Weltlichen Stande / so wolten wir zeit gnug finden / die Speise / Kleider /
Platten vnd Casel zu reformieren. Wenn wir aber solche Camelen verschlingen /
vnd dafür Mücken seigen / die Balcken lassen stehen / vnd die Splitter richten
wollen / so möchten wir wol auch mit dem Concilio zu frieden seyn.
Darumb hab ich wenig Artickel gestellet / denn wir on das von Gott so viel befehl
haben / in der Kirchen / in der Obrigkeit / im Hause zu thun / daß wir sie
nimermehr außrichten können. Was sols denn? oder wozu hilffts? daß man darüber
viel Decret vnd Satzungen im Concilio machet. Sonderlich / so man diese
Heuptstück von Gott geboten / nicht achtet noch helt. Gerade als müste Er vnser
Gauckelspiel feyren / dafür / daß wir seine ernste Gebot mit Füssen tretten.
Aber vnser Sünde drücken vns / vnd lassen Gott nicht gnedig vber vns seyn / Denn
wir büssen auch nicht / wollen dazu noch allen Grewel verthedingen. Ach lieber
HErr Jesu Christe / halt du selber Concilium, vnd erlöse die deinen / durch
deine herrliche Zukunfft / es ist mit dem Bapst vnd den seinen verlorn. Sie
wollen dein nicht. So hilff du vns Armen vnd Elenden / die wir zu dir seufftzen
/ vnd dich suchen mit ernst / nach der Gnade / die du vns gegeben hast / durch
deinen heiligen Geist / Der mit dir vnd dem Vater lebet vnd regieret ewiglich
gelobet / Amen.
|| [ID00614]
I.
DAß Vater / Sohn / vnd heiliger Geist / in einem Göttlichen Wesen vnd Natur /
drey vnterschiedliche Personen / ein einiger Gott ist / der Himmel vnd Erden
geschaffen hat.
II.
Daß der Vater von niemand / der Sohn vom Vater geborn / der Heilige Geist vom
Vater vnd Sohn außgehend.
IIII.
Daß der Sohn sey also Mensch worden / daß Er vom heiligen Geist / ohn Menschlich
zuthun / empfangen / vnd von der reinen heiligen Jungfrawen Maria geboren sey.
Darnach gelitten / gestorben / begraben / zur Helle gefahren / aufferstanden von
den Todten / auffgefahren gen Himmel / sitzend zur Rechten GOttes / künfftig zu
richten die Lebendigen vnd die Todten / etc. wie der Aposteln / Item S.
Athanasij Symbolum, vnd der gemeine Kinder Catechismus lehret.
Diese Artickel sind in keinem Zanck / noch Streit / weil wir zu beyden Theilen
dieselbige bekennen. Darumb nicht von nöthen / jetzt dauon weiter zu handeln.
|| [293]
Der Ander Theil ist von den Artickeln / so das Ampt vnd Werck Jesu Christi /
oder vnser Erlösung betreffen.
Hie ist der Erste / vnd Heuptartickel.
DAß Jesus Christus vnser GOTT vnd HERR / sey vmb vnser Sünde willen gestorben /
vnd vmb vnser Gerechtigkeit willen aufferstanden / Roman. 4.
Vnd Er allein das Lamb Gottes ist / das der Welt Sünde tregt / Johan. 1. Vnd Gott
vnser aller Sünde auff Ihn gelegt hat / Jesai. 53.
Item / Sie sind allzumal Sünder / vnd werden ohn Verdienst gerecht / aus seiner
Gnade / durch die Erlösung JEsu Christi in seinem Blut / etc. Roman. 3.
Dieweil nun solchs muß gegleubt werden / vnd sonst mit keinem Werck / Gesetz noch
Verdienst / mag erlanget oder gefasset werden / so ist es klar vnd gewiß / daß
allein solcher Glaube vns gerecht mache. Wie Roman. 3. S. Paulus spricht: Wir
halten / daß der Mensch gerecht werde ohn Werck des Gesetzes / durch den
Glauben. Item / Auff daß Er allein gerecht sey / vnd gerecht mache / den / der
da ist des Glaubens an Jesu.
Von diesem Artickel kan man nichts weichen oder nachgeben / Es falle Himmel vnd
Erden / oder was nicht bleiben wil. Denn es ist kein ander Nahme den Menschen
gegeben / dadurch wir können selig werden / spricht Petrus Act. 4. Vnd durch
seine Wunden sind wir geheilet / Esa. 53. Vnd auff diesem Artickel stehet alles
/ das wir wieder den Bapst / Teuffel vnd Welt / lehren vnd leben. Darumb müssen
wir des gar gewiß seyn / vnd nicht zweiffeln / sonst ists alles verloren / vnd
behelt Bapst vnd Teuffel / vnd alles wieder vns den Sieg vnd Recht.
|| [ID00616]
Der Ander Artickel von der Messe.
DAß die Messe im Bapsthumb muß der grösseste vnd schrecklichste grewel seyn / als
die stracks vnd gewaltiglich wieder diesen Heuptartickel strebt / vnd doch vber
vnd für allen andern Bäpstlichen Abgöttereyen / die höhest vnd schönest gewest
ist. Denn es ist gehalten / daß solch Opffer oder Werck der Messe (auch durch
einen bösen Buben gethan) helffe dem Menschen von Sünden / beyde / hie im leben
/ vnd dort im Fegfewr / welchs doch allein sol vnd muß thun das Lamb Gottes /
wie droben gesagt. Von diesem Artickel ist auch nicht zu weichen oder
nachzulassen / denn der Erste Artickel leidets nicht.
Vnd wo etwa vernünfftige Papisten weren / möchte man der massen vnd freundlicher
weise mit jhnen reden / Nemlich / Warumb sie doch so hart an der Messe hielten?
Ists doch ein lauter Menschen Fündlin / von Gott nicht geboten. Vnd alle
Menschen Fündlin mögen wir fallen lassen / Wie Christus spricht Matth. 15. Sie
dienen Mir vergeblich mit Menschen Geboten.
Zum andern / ists ein vnnötig ding / daß man ohn Sünde vnd Fahr wol lassen kan.
Zum dritten / kan man das Sacrament viel besser vnd seliger weise (ja allein
seliger weise) nach Christus Einsetzung kriegen. Was ists denn / daß man vmb
einer ertichten / vnnötigen Sachen willen / da mans sonst wol vnd seliger haben
kan / die Welt in Jam̅er vnd Noth wolt zwingen?
Man lasse den Leuten öffentlich predigen / wie die Messe / als ein Menschen Tand
möge ohn Sünde nachbleiben / vnd niemand verdampt werde / wer sie nicht acht /
sondern möge wol ohn Messe durch bessere weise selig werden / Was gilts / ob die
Messe alßdenn nicht von jhr selbs fallen wird? Nicht allein bey dem tollen Pöbel
/ sondern auch bey allen frommen / Christlichen / vernünfftigen /
Gottsfürchtigen Hertzen. Viel mehr wo sie hören würden / daß es ein fehrlich
ding / ohn Gottes Wort vnd Willen / erticht vnd erfunden ist.
|| [294]
Zum vierden / weil solche vnzehliche / vnaußsprechliche mißbreuche in aller Welt
/ mit keuffen vnd verkeuffen der Messen / entstanden / solt man sie billich
lassen fahren / auch allein solchen mißbreuchen zu wehren / wenn sie gleich an
jhr selbs etwas nützlichs vnd gutes hette. Wie viel mehr sol man sie fahren
lassen / solche Mißbreuche ewiglich zu verhüten / weil sie doch gar vnnötig /
vnnütze / vnd fehrlich ist / vnd man alles nötiger / nützlicher vnd gewisser /
ohn die Messe haben kan.
Zum fünfften / nu aber die Messe nichts anders ist / noch seyn kan (wie die Canon
vnd alle Bücher sagen) denn ein Werck der Menschen / (auch böser Buben) damit
einer sich selbs / vnd andere mit sich / gegen Gott versünen / Vergebung der
Sünden vnd Gnade / erwerben vnd verdienen wil / (denn also wird sie gehalten /
wenn sie auffs allerbeste wird gehalten / was solt sie sonst?) so sol vnd muß
man sie verdammen vnd verwerffen. Den̅ das ist stracks wieder den
Heuptartickel / der da sagt / Daß nicht ein böser oder frommer Messeknecht mit
seinem Werck / Sondern das Lamb Gottes vnd Sohn Gottes vnsere Sünde tregt.
Vnd ob einer zum guten schein wolt fürgeben / Er wolt zur Andacht sich selbs
berichten / oder Communicieren / das ist nicht ernst / Denn wo er mit ernst wil
Communicieren / so hat ers gewiß / vnd auffs beste im Sacrament / nach der
einsetzung Christi gereicht. Aber sich selbs Communicieren / ist ein Menschen
dünckel / vngewiß vnd vnnötig / dazu verboten. Vnd er weis auch nicht / was er
macht / weil er ohn GOttes Wort falschem Menschen dünckel vnd Fündlin folget. So
ists auch nicht recht / (wenn alles sonst schlecht were) daß einer das gemein
Sacrament der Kirchen nach seiner eigen Andacht wil brauchen / vnd damit seines
gefallens / ohn Gottes Wort / ausser der Kirchen Gemeinschafft spielen.
Dieser Artickel von der Messe wirds gantz vnd gar seyn im Concilio. Den̅ wo es müglich were / daß sie vns alle
andere Artickel nachgeben / so können sie doch diesen Artickel nicht nachgeben.
Wie der Campegius zu Augspurg gesagt / Er wolt sich ehe
auff stücken zureissen lassen / ehe er wolte die Messe fahren lassen. So werde
ich mich auch mit Gottes hülffe / ehe lassen zu Aschen machen / ehe ich einen
Messeknecht mit seinem Werck / er sey gut oder böse / lasse meinem HErrn vnd
Heyland Jesu Christo gleich oder höher seyn. Also sind vnd bleiben wir ewiglich
gescheiden / vnd wieder einander. Sie fülens wol / wo die Messe fellet / so ligt
das Bapsthumb / ehe sie das lassen geschehen / so tödten sie vns alle / wo sie
es vermögen.
|| [ID00618]
Vber das alles hat der Trachenschwantz / die Messe / viel Vnzieffers vnd
Geschmeiß mancherley Abgötterey gezeuget.
Erstlich das Fegfewer / daß man hat mit Seelmessen / Vigilien / dem Siebenden /
dem Dreyssigsten / vnd Jährlichen Begengnissen / zu letzt mit der Gemeind Wochen
/ vnd aller Seelen Tag vnd Seelbad ins Fegfewr gehandelt / daß die Messe schier
allein für die Todten gebraucht ist / so doch Christus das Sacrament allein für
die Lebendigen gestifftet hat. Darumb ist das Fegfewer / mit allem seinem
geprenge / Gottsdienst vnd Gewerbe / für ein lauter Teuffelsgespenste zu achten.
Denn es ist auch wieder den Heuptartickel / daß allein Christus / vnd nicht
Menschen Werck / den Seelen helffen sol. Ohn daß sonst auch vns nichts von den
Todten befohlen / noch geboten ist. Derhalben mag man es wol lassen / wenn es
schon kein Irrthumb noch Abgötterey were.
Die Papisten führen hie Augustinum vnd etliche Väter /
die vom Fegfewer sollen geschrieben haben / vnd meynen / wir sehen nicht / wozu
vnd wohin sie solche Sprüche führen. S. Augustinus
schreibet nicht / daß ein Fegfewer sey / hat auch keine Schrifft / die jhn dazu
zwinge / Sondern lesst es im zweiffel hangen / ob eins sey / vnd saget / Seine
Mutter habe begehrt / daß man jhr solt gedencken bey dem Altar / oder Sacrament.
Nu / solchs alles ist ja nichts denn Menschen Andacht gewest / entzeler Personen
/ die keine Artickel des Glaubens (welchs allein Gott zugehöret) stifften.
Aber vnser Papisten führen solch Menschen Wort dahin / daß man solle gleuben
jhrem schendlichen / lesterlichen / verfluchten Jahrmarckt / von Seelmessen ins
Fegfewr zu opffern / etc. Solchs werden sie noch lange nicht aus S. Augustino beweisen. Wenn sie nu den Fegfewrischen
Messen Jahrmarckt abgethan haben / dauon S. Augustino
nie getrewmet hat / alßdenn wollen wir mit jhnen reden / ob S. Augustini Wort / ohn Schrifft / möge zu dulden seyn / vnd der
Todten gedacht werden bey dem Sacrament. Es gilt nicht / daß man aus der
heiligen Väter Werck oder Wort Artickel des Glaubens machet / sonst müste auch
ein Artickel des Glaubens werde̅ / was sie für Speise / Kleider /
Heuser / etc. gehabt hetten / wie man mit dem Heiligthumb gethan hat. Es heist /
Gottes Wort sol Artickel des Glaubens stellen / vnd sonst niemand / auch kein
Engel.
Zum andern / ist das daraus gefolget / daß die bösen Geister haben viel Büberey
angericht / daß sie als Menschen Seelen erschienen sind / Messen / Vigilien /
Wallfarten / vnd andere
|| [295]
Allmosen geheischt / mit
vnseglichen Lügen vnd Schalckheit. Welches wir alle haben für Artickel des
Glaubens halten / vnd darnach leben müssen. Vnd der Bapst solches bestetiget /
wie auch die Messe vnd alle andere grewel. Hie ist auch kein weichen oder
nachlassen.
Zum dritten / die Wallfarten / Da hat man auch gesucht / Messen / Vergebung der
Sünden / vnd Gottes Gnaden / denn die Messe hats alles regiert. Nun ist das ja
gewiß / daß solche Wallfarten ohn GOttes Wort / vns nicht geboten / auch nicht
von nöthen / weil wirs wol besser haben mögen / vnd sie ohn alle Sünde vnd Fahr
lassen mögen. Warumb lest man denn daheimen eigen Pfarr / Gottes Wort / Weib /
vnd Kind / etc. die nötig vnd geboten sind / vnd leufft den vnnötigen /
vngewissen / schedlichen Teuffels Irrwischen nach / ohn daß der Teuffel den
Bapst geritten hat / solchs zu preisen / vnd zu bestetigen / damit die Leute ja
heuffig von Christo auff jhre eigen Werck fielen / vnd Abgöttisch wurden /
welchs das ergste daran ist. Vber das / daß es vnnötig / vngeboten / vngeraten
vnd vngewiß / dazu schedlich ding ist / Darumb ist hie auch kein weichen / oder
nachgeben / etc. Vnd man lasse solchs predigen / daß es vnnötig / dazu fehrlich
sey / darnach sehen / wo Wallfarten bleiben.
Zum vierden / die Brüderschafften / da sich die Klöster / Stifften / auch
Vicaristen haben verschrieben / vnd mitgetheilet (recht vnd redlichs kauffs)
alle Messen / gute Werck / etc. beyde / für Lebendigen vnd Todten / welchs nicht
allein eytel Menschen Tand / ohn GOttes Wort / gantz vnnötig vnd vngeboten /
Sondern auch wieder den Ersten Artickel der Erlösung ist / Darumb keines weges
zu leiden.
Zum fünfften / das Heiligthumb / darin so manche öffentliche Lügen vnd
Narrenwerck erfunden / von Hunds vnd Roßknochen / daß auch vmb solcher Büberey
willen / des der Teuffel gelacht hat / lengst solt verdampt worden seyn / wenn
gleich etwas guts daran were. Dazu auch ohn Gottes Wort / weder geboten noch
gerahten / gantz vnnötig vnd vnnötz ding ist. Aber das ergest daß es auch hat
müssen Ablaß vnd Vergebung der Sünden wircken / als ein gut Werck vnd
Gottesdienst / wie die Messe / etc.
Zum sechsten / Hie gehöret her das liebe Ablaß / so beyde den Lebendigen vnd
Todten ist gegeben / (doch vmb Geld) vnd der leidige Judas oder Bapst die
Verdienst Christi / sampt den vbrigen Verdiensten aller Heiligen / vnd der
gantzen Kirchen / darinn verkaufft / etc. Welches alles nicht zu leiden ist /
vnd auch nicht allein
|| [ID00620]
ohn GOttes Wort / ohn Noth / vngeboten
/ Sondern zuwieder ist dem Ersten Artickel / Denn Christus Verdienst nicht durch
vnser Werck oder Pfenning / sondern durch den Glauben aus Gnade / erlanget wird
/ ohn alles Gelt vnd Verdienst. Nicht durchs Bapsts Gewalt / sondern durch die
Predigt oder Gottes Wort fürgetragen.
Von Anruffung der Heiligen.
ANruffung der Heiligen / ist auch der Endechristischen Mißbreuche einer / vnd
streitet wider den ersten Heuptartickel / vnd tilget die Erkentniß Christi. Ist
auch nicht geboten noch gerahten / hat auch kein Exempel der Schrifft / vnd
habens alle tausent mal besser an Christo / wenn jenes gleich köstlich gut were
/ als doch nicht ist.
Vnd wiewol die Engel im Himmel für vns bitten / (wie Christus selber auch thut)
also auch die Heiligen auff Erden / oder vieleicht auch im Him̅el
/ so folget daraus nicht / daß wir die Engel vnd Heiligen anruffen / anbeten /
jhnen Fasten / Feyren / Messe halten / opffern / Kirchen / Altar / Gottesdienst
stifften / vnd andere weise mehr dienen / vnd sie für Nothelffer halten / vnd
allerley Hülff vnter sie theilen / vnd jeglichem ein sonderliche zueigen solten
/ wie die Papisten lehren vnd thun / Den̅ das ist Abgötterey / vnd
solche Ehre gehöret Gott allein zu. Denn du kanst als ein Christ vnd Heilige
auff Erden / für mich bitten / nicht in einerley / sondern in allen Nöten. Aber
darumb sol ich dich nicht anbeten / anruffen / feyren / fasten / opffern / Messe
halten / dir zu ehren / vnd auff dich meinen Glauben zur Seligkeit setzen. Ich
kan dich sonst wol ehren / lieben vnd dancken in Christo. Wenn nu solche
Abgöttische Ehre von den Engeln vnd todten Heiligen weggethan wird / so wird die
ander Ehre ohn schaden seyn / ja balde vergessen werden. Denn wo der Nutz vnd
Hülffe / beyde Leiblich vnd Geistlich nicht mehr zu hoffen ist / werden sie die
Heiligen wol mit frieden lassen / beyde im Grabe vnd im Himmel / denn vmb sonst
/ oder aus Liebe wird jhr niemand viel gedencken / achten noch ehren.
|| [296]
Vnd in Summa / was die Messe ist / was daraus kommen ist / was daran hanget / das
kön̅en wir nicht leiden / vnd müssens verdammen / damit wir
das heilige Sacrament rein vnd gewiß nach der einsetzung Christi durch den
Glauben gebraucht vnd empfangen / behalten mögen.
Der Dritte Artickel / von den Stifften vnd Klöstern.
DAß die Stiffte vnd Klöster vor zeiten guter meynung gestifft / zu erziehen
gelehrte Leute / vnd züchtige Weibsbilder / solten wiederumb in solchem Brauch
geordnet werden / damit man Pfarrherrn / Prediger vnnd andere Kirchendiener
haben möge. Auch sonst nöthige Personen zu Weltlichem Regiment / in Städten vnd
Lendern / auch wolgezogene Jungfrawen zu Haußmüttern vnd Haußhalterin / etc.
Wo sie dazu nicht dienen wollen / ists besser / man lasse sie wüste ligen / oder
reisse sie ein / denn daß sie solten mit jhrem lesterlichen Gottesdienst / durch
Menschen ertichtet / als etwas bessers / denn der gemein Christenstand / vnd von
Gott gestiffte Empter vnd Orden gehalten werden. Denn das ist alles auch wieder
den Ersten Heuptartickel von der Erlösung Jesu Christi. Zu dem / daß sie auch
(wie alle andere Menschen Fündlin) nicht geboten / nicht von nöten / nicht nütze
/ Da zu fehrliche vnd vergebliche Mühe machen / wie die Propheten solche
Gottesdienst / Auen / das ist / Mühe heissen.
Der Vierde Artickel vom Bapsthumb.
DAß der Bapst nicht sey Iure diuino, oder aus Gottes Wort / das Heupt der gantzen
Christenheit / (den̅ das gehöret einem allein zu / der heist JEsus
Christus) Sondern allein Bischoff oder Pfarrherr der Kirchen zu
|| [ID00622]
Rom / vnd der jenigen / so sich williglich / oder durch Menschliche Creatur
(das ist / Weltliche Obrigkeit) zu jhm begeben haben / nicht vnter jhm / als
einem Herrn / Sondern neben jhm / als Brüder vnd Gesellen / Christen zu seyn /
wie solchs auch die alten Concilia, vnd die zeit S. Cypriani weisen.
Jetzt aber thar kein Bischoff den Bapst Bruder heissen / wie zu der zeit /
sondern muß jhn seinen allergnedigsten Herrn heissen / wenns auch ein König oder
Keyser were. Das wollen / sollen / vnd können wir nicht auff vnser Gewissen
nehmen / Wer es aber thun wil / der thue es ohn vns.
Hieraus folget / daß alle das jenige / so der Bapst aus solcher falscher /
freueler / lesterlicher / angemasseter Gewalt gethan vnd fürgenommen hat / eytel
Teuffelisch Geschicht vnd Gescheffte gewest / vnd noch sey / (ohn was das
Leibliche Regiment belanget / darinn Gott auch wol durch einen Tyrannen vnd
Buben lest einem Volck viel guts geschehen) zu verderbung der gantzen heiligen
Christlichen Kirchen (so viel an jhm gelegen) vnd zu verstören den Ersten
Heuptartickel / von der Erlösung Jesu Christi.
Denn da stehen alle seine Bullen vnd Bücher / darinn er brüllet wie ein Lew (als
der Engel Apoc. 12. bildet) daß kein Christ könne selig werden / Er sey den̅ jhm gehorsam vnd vnterthan in allen dingen / was er wil / was er
sagt / was er thut. Welchs alles nichts anders ist / denn also viel gesagt /
Wenn du gleich an Christum gleubest / vnd alles an jhm hast / was zur Seligkeit
noth ist / so ists doch nichts / vnd alles vmbsonst / wo du mich nicht für
deinen Gott heltest / mir vnterthan vnd gehorsam bist. So es doch offenberlich
ist / daß die heilige Kirche ohn Bapst gewest / zum wenigsten vber fünff hundert
Jaren. Vnd bis auff diesen Tag die Griechisch vnd viel anderer Sprachen Kirchen
/ noch nie vnter dem Bapst gewest / vnd noch nicht sind. So ist / wie offt
gesagt / ein Menschen Gedicht / das nicht geboten / ohn noth vnd vergeblich /
Denn die heilige Christliche Kirche ohn solchs Heupt wol bleiben kan / vnd wol
besser blieben were / wo solch Heupt durch den Teuffel nicht auffgeworffen were.
Vnd ist auch das Bapstthumb kein nütz in der Kirchen / denn es vbet kein
Christlich Ampt / Vnd muß also die Kirche bleiben vnd bestehen ohn den Bapst.
Vnd ich setze / daß der Bapst wolte sich des begeben / daß er nicht Iure diuino, oder aus GOttes Gebot / der Oberst were /
Sondern / damit die Einigkeit der Christen wieder die Rotten vnd Ketzerey desto
bas erhalten würde / müste man ein Heupt haben / daran sich die andern alle
hielten. Solchs Heupt würde nun durch
|| [297]
Menschen
erwehlet / vnd stünde in Menschlicher Wahl vnd Gewalt dasselbige Heupt zu endern
/ zu entsetzen / wie zu Constentz das Concilium fast die
weise hielt mit den Bäpsten / setzten der Drey ab / vnd weleten den Vierdten /
Ich setze nu (sag ich) daß sich der Bapst / vnd der Stuel zu Rom / solchs
begeben vnd annehmen wolt / welchs doch vnmüglich ist / Denn er müste sein gantz
Regiment vnd Stand lassen vmbkehren vnd zerstören / mit alle seinen Rechten vnd
Büchern / Summa / er kans nicht thun / dennoch were damit der Christenheit
nichts geholffen / vnd würden viel mehr Rotten werden denn zuuor. Denn weil man
solchem Heupt nicht müste vnterthan seyn aus Gottes Befehl / sondern aus
Menschlichem guten willen / würde es gar leichtlich vnd balde veracht / zu letzt
kein Glied behalten. Müst auch nicht jmmerdar zu Rom / oder anderm Ort seyn /
sondern wo vnd in welcher Kirchen Gott einen solchen Man hette gegeben / der
tüchtig dazu were / O das wolt ein weitleufftig wesen werden.
Darumb kan die Kirche nimmermehr bas regieret vnd erhalten werden / denn daß wir
alle vnter einem Heupt Christo leben / vnd die Bischoffe alle gleich nach dem
Ampt (ob sie wol vngleich nach den Gaben) fleissig zusammen halten in
eintrechtiger Lehre / Glauben / Sacramenten / Gebeten vnd Wercken der Liebe /
etc. wie S. Hieronymus schreibet / Daß die Priester zu
Alexandria semptlich vnd in gemein die Kirchen
regierten. Vnd die Aposteln auch gethan / vnd hernach alle Bischoffe in der
gantzen Christenheit / bis der Bapst seinen Kopff vber alle erhub.
Dis Stück zeiget gewaltiglich / daß er der rechte Endechrist oder Wiederchrist
sey / der sich vber vnd wieder Christum gesetzt vnd erhöhet hat / weil er wil
die Christen nicht lassen Selig seyn ohn seine Gewalt / welche doch nichts ist /
von GOTT nicht geordnet noch geboten. Das heisst eigentlich vber Gott vnd wieder
Gott sich setzen / wie S. Paulus sagt 2. Thessal. 2. Solchs thut dennoch der
Türck vnd Tatter nicht / wie grosse Feinde sie der Christen sind / sondern
lassen gleuben an Christum / wer da wil / vnd nehmen leiblichen Zins vnd
Gehorsam von den Christen.
Aber der Bapst wil nicht lassen gleuben an Christum / sondern spricht / man solle
jhm gehorsam seyn / so werde man selig. Das wollen wir nicht thun oder drüber
sterben / in GOttes Nahmen. Das kömpt alles daher / daß er Iure diuino der Oberst hat sollen heissen vber die Christliche Kirche.
Darumb hat er sich müssen Christo gleich vnd vber Christum setzen / sich das
Heupt / hernach einen Herrn der
|| [ID00624]
Kirchen / zu letzt auch der
gantzen Welt / vnd schlecht einen Irdischen Gott rhümen lassen / bis er auch den
Engeln im Himmelreich zu gebieten sich vnterstund. Vnd wenn man vnterscheidet /
des Bapsts Lehre von der heiligen Schrifft / oder sie dagegen stellet vnd helt /
So findet sichs / daß des Bapsts Lehre / wo sie am aller besten ist / so ist sie
aus dem Keyserlichen / Heydnischem Recht genommen / vnd lehret Weltliche Hendel
vnd Gericht / wie seine Decretales zeugen. Darnach
lehret sie Ceremonien von Kirchen / Kleidern / Speisen / Personen / vnd des
Kinderspiels / Laruen vnd Narrenwercks ohn masse / aber in diesem allen gar
nichts von Christo / Glauben vnd Gottes Geboten.
Zu letzt ists nichts denn eytel Teuffel / da er seine Lügen von Messen / Fegfewer
/ Klosterey / eigen Werck vnd Gottesdienst (welchs denn das rechte Bapsthumb
ist) treibet / vber vnd wieder Gott / verdammet / tödtet vnd plaget alle
Christen / so solchen seinen Grewel nicht vber alles heben vnd ehren. Darumb so
wenig wir den Teuffel selbst für einen Herrn oder Gott anbeten können / so wenig
wir auch seinen Apostel den Bapst oder Endechrist in seinem Regiment zum Heupt
oder Herrn leiden. Denn Lügen vnd Mord / Leib vnd Seel zu verderben ewiglich /
das ist sein Bäpstlich Regiment eigentlich / wie ich dasselbe in vielen Büchern
beweiset habe.
An diesen vier Artickeln werden sie gnugsam zu verdammen haben im Concilio, denn sie nicht das geringste Gliedlin von der
Artickel einem vns lassen können noch wöllen / des müssen wir gewiß seyn / vnd
vns erwegen / der Hoffnung / Christus vnser HERR habe seinen Wiedersacher
angegriffen / vnd werde nachdrücken / beyde / mit seinem Geist vnd Zukunfft /
Amen.
Denn im Concilio werden wir nicht für dem Keyser oder
Weltlicher Obrigkeit (wie zu Augspurg) der gantz ein gnediges außschreiben thet
/ vnd in der güte lies die Sachen verhören / Sondern / für dem Bapst vnd dem
Teuffel selbs werden wir da stehen / der nichts gedenckt zu hören / Sondern
schlechts verdammen / morden / vnd zur Abgötterey zu zwingen. Darumb müssen wir
hie nicht seine Füsse küssen / oder sagen / Ihr seyd mein gnediger Herr /
Sondern wie in Zacharia der Engel zum Teuffel sprach / Straffe dich Gott Satan.
|| [298]
Das dritte Teil der Artickel. Folgende stücke oder Artickel / mögen wir mit
gelehrten / Vernünfftigen / oder vnter vns selbs handeln / Der Bapst vnd sein
Reich achten derselben nicht viel / Denn Conscientia ist
bey jhnen nichts / Sondern Gelt / Ehr / vnd Gewalt ists gar.
Von der Sünde. I.
HIe müssen wir bekennen / wie S. Paulus Roman. 5. sagt / Daß die Sünde sey von
Adam dem einigen Menschen herkommen / durch welches Vngehorsam alle Menschen
sind Sünder worden / dem Tode vnd dem Teuffel vnterworffen. Dis heist die
Erbsünde oder Heuptsünde.
Solcher Sünden Früchte sind darnach die bösen Werck / so in den Zehen Geboten
verboten sind / als Vnglaube / falscher Glaube / Abgötterey / ohn Gottes Furcht
seyn / Vermessenheit / verzweiffeln / Blindheit / Vnd Summa / Gott nicht kennen
oder achten. Darnach liegen / bey Gottes Namen schweren / nicht beten / nicht
anruffen / Gottes Wort nicht achten / Eltern vngehorsam seyn / morden /
Vnkeuscheit / stelen / triegen / etc.
Solche Erbsünde ist so gar ein tieff böse verderbung der Natur / daß sie kein
Vernunfft nicht kennet / Sondern muß aus der Schrifft Offenbarung gegleubt
werden / Psalm. 51. Romanor. 5. Exod. 33. Genes. 3. Darumb sind das eytel
Irrthumb vnd Blindheit / wieder diesen Artickel / daß die Schultheologen gelehrt
haben:
Nemlich /
Daß nach dem Erbfal Adae des Menschen natürliche̅ kreffte sind
gantz vnd vnuerderbt blieben. Vnd der Mensch habe von Natur eine rechte
Vernunfft vnd guten Willen / wie die Philosophi solches
lehren.
Item / Daß der Mensch habe einen Freyen willen / gutes zu thun / vnd böses zu
lassen / vnd widerumb gutes zu lassen / vnd böses zu thun.
Item / Daß der Mensch möge aus Natürlichen krefften alle Gebot Gottes thun vnd
halten.
|| [ID00626]
Item / Er möge aus natürlichen Krefften Gott lieben vber alles / vnd seinen
Nehesten als sich selbs.
Item / Wenn ein Mensch thut / so viel an jhm ist / so gibt jhm Gott gewißlich
seine Gnade.
Item / Wenn er zum Sacrament wil gehen / ist nicht noth ein guter Fürsatz gutes
zu thun / sondern sey gnug / daß er nicht einen bösen Fürsatz Sünde zu thun habe
/ so gar gut ist die Natur / vnd das Sacrament so krefftig.
Es sey nicht in der Schrifft gegründet / daß zum guten Werck von nöten sey / der
heilige Geist mit seiner Gnaden.
Solche vnd dergleichen viel stücke sind aus vnuerstand vnd vnwissenheit / beyde
der Sünden vnd Christi vnsers Heylands kommen / rechte Heydnische Lehre / die
wir nicht leiden können. Denn wo diese Lehre recht solt seyn / so ist Christus
vergeblich gestorben / weil kein schade noch Sünde im Menschen ist / dafür er
sterben müste. Oder were allein für den Leib / nicht für die Seele auch
gestorben / weil die Seele gesund / vnd allein der Leib des Todes ist.
Vom Gesetze. II.
HIE halten wir / Daß das Gesetze gegeben sey von GOtt / Erstlich der Sünden zu
stewren / mit drewen / vnd schrecken der Straffe / vnd mit verheissen vnd
anbieten der Gnaden vnd Wolthat. Aber solchs alles ist der Boßheit halben / so
die Sünde im Menschen gewircket / vbel gerahten. Denn eines theils sind dauon
erger worden / als die dem Gesetze feind sind / darumb / daß es verbeut was sie
gern thun / vnd gebeut / was sie vngern thun. Derhalben wo sie für der Straffe
können / thun sie nun mehr wieder das Gesetz / denn zuuor. Das sind denn die
rohen / bösen Leute / die böses thun / wo sie stet vnd raum haben.
Die andern werden blind vnd vermessen / lassen sich düncken / sie halten / vnd
können das Gesetz halten / aus jhren Krefften / wie jetzt droben gesagt ist /
von den Schultheologen / daher kom̅en die Heuchler vnd falsche
Heiligen.
|| [299]
Aber das fürnemste Ampt oder Krafft des Gesetzes ist / daß es die Erbsünde mit
Früchten vnd allem offenbare / vnd dem Menschen zeige / wie gar tieff seine
Natur gefallen / vnd grundlos verderbet ist / alßdenn das Gesetz sagen muß / daß
er keinen Gott hab noch achte / vnd bete frembde Götter an / welchs er zuuor vnd
on das Gesetz nicht gegleubt hette. Damit wird er erschreckt / gedemütiget /
verzaget / verzweiffelt / wolte gern daß jhm geholffen würde / vnd weis nicht wo
aus / fehet an / Gotte feind zu werden vnd murren / etc. Das heist denn Romano.
3. Das Gesetz erregt Zorn. Vnd Roman. 5. Die Sünde wird grösser durchs
Gesetze.
Von der Busse. III.
SOlch Ampt behelt das Newe Testament / vnd treibts auch / wie S. Paulus Rom. 1.
thut vnd spricht: Gottes Zorn wird vom Himmel offenbahrt vber alle Menschen.
Item 3. Alle Welt ist für Gott schüldig. Vnd kein Mensch ist für jhm gerecht.
Vnd Christus Johan. 16. Der heilige Geist wird die Welt straffen vmb die Sünde /
etc.
Das ist nu die Donneraxt Gottes / damit er beyde die offenberlichen Sünder vnd
falsche Heiligen in einen hauffen schlegt / vnd lest keinen recht haben /
treibet sie allesampt in das schrecken vnd verzagen. Das ist der Ham̅er (wie Jeremias spricht) Mein Wort ist ein Hammer / der die
Felsen zerschmettert. Das ist nicht actiua contritio,
eine gemachte Rew / Sondern paßiua contritio, das rechte
Hertzleid / leiden vnd fülen des Todes.
Vnd das heist denn die rechte Busse anfahen / vnd muß der Mensch hie hören solch
Vrtheil / Es ist nichts mit euch allen / jhr seyd öffentliche Sünder oder
Heiligen / Ihr müst alle anders werden / vnd anders thun / weder jhr jetzt seyd
vnd thut. Ihr seyd / wer / wie gros / weise / mechtig vnd heilig / als jhr wolt
/ hie ist niemand fromb.
Aber zu solchem Ampt thut das Newe Testament flugs die tröstliche Verheissung der
Gnaden durchs Euangelium / der man gleuben solle. Wie Christus spricht / Marc.
1. Thut Busse /
|| [ID00628]
vnd gleubt dem Euangelio / das ist / werdet
vnd machets anders / vnd gleubet meiner Verheissung. Vnd für jhm her Johannes
wird genant / ein Prediger der Busse / doch zur Vergebung der Sünde / das ist /
Er solt sie alle straffen / vnd zu Sündern machen / auff daß sie wüsten / was
sie für GOtt weren / vnd sich erkenneten / als verlorne Menschen / vnd also dem
HERRN bereit würden die Gnade zu empfahen / vnd der Sünden Vergebung von Ihm
gewarten vnd annehmen. Also sagt auch Christus / Lucae 24. selbs: Man muß in
meinem Nahmen in aller Welt predigen Bus vnd Vergebung der Sünden.
Wo aber das Gesetz solch sein Ampt allein treibet / ohne zuthun des Euangelij /
da ist der Tod vnd die Helle / vnd muß der Mensch verzweiffeln / wie Saul vnd
Judas / wie S. Paulus sagt: Das Gesetz tödtet durch die Sünde. Wiederumb gibt
das Euangelium nicht einerley weise / Trost vnd Vergebung / Sondern durchs Wort
/ Sacrament / vnd dergleichen / wie wir hören / auff daß die Erlösung ja
reichlich sey bey Gott / wie der 130. Psalm sagt / wieder die grosse Gefengniß
der Sünden.
Aber jetzt müssen wir die falsche Busse der Sophisten gegen die rechte Busse
halten / damit sie beyde desto baß verstanden werden.
Von der falschen Busse der Papisten.
VNmüglich ists gewest / daß sie solten recht von der Busse lehren / weil sie die
rechten Sünde nicht erkenneten. Denn (wie droben gesagt) sie halten von der
Erbsünde nicht recht / sondern sagen / Die Natürlichen Kreffte der Menschen
seyen gantz vnd vnuerderbt blieben / die Vernunfft könne recht lehren / vnd der
Wille könne recht darnach thun / daß Gott gewißlich seine Gnade gibt / wenn ein
Mensch thut / so viel an jhm ist / nach seinem freyen Willen.
Hieraus muste nu folgen / daß sie allein die wircklichen Sünde büsseten / als
böse bewilligte Gedancken (denn böse bewegung / Lust / reitzung / war nicht
Sünde) böse Wort / böse Wercke / die der Freye Wille wol hette kunt lassen.
|| [300]
Vnd zu solcher Busse setzen sie drey Theil / Rew / Beicht / Gnugthun / mit
solcher Vertröstung vnd Zusage / Wo der Mensch recht rewet / beichtet / gnugthet
/ so hette er damit vergebung verdienet / vnd die Sünde für Gott bezalet.
Weiseten also die Leute in der Busse auff Zuuersicht eigener Werck. Daher kam
das Wort auff der Cantzel / wen̅ man die gemeine Beicht dem Volck
fürsprach / Friste mir HERR Gott mein Leben / bis ich meine Sünde büsse / vnd
mein Leben bessere.
Hie war kein Christus / vnd nichts vom Glauben gedacht / sondern man hoffete mit
eigen Wercken / die Sünde für GOtt zu vberwinden vnd zu tilgen. Der meynung
würden wir auch Pfaffen vnd Mönche / daß wir vns selbs wieder die Sünde legen
wolten.
Mit der Rew war es also gethan / Weil niemand alle seine Sünde kundte bedencken
(sonderlich das gantz Jahr begangen) flickten sie den Peltz also / Wenn die
verborgen Sünde hernach ins Gedechtniß kemen / müste man sie auch berewen vnd
beichten / etc. In deß waren sie Gottes Gnaden befohlen.
Zu dem / weil auch niemand wuste / wie gros die Rew seyn solt / damit sie ja
gnugsam were für Gott / gaben sie solchen Trost: Wer nicht kundte Contritionem, das ist / Rew haben / der solte Attritionem haben / welchs ich mag eine halbe / oder
anfang der Rew nennen / Den̅ sie haben selbs alles beydes nicht
verstanden / Wissen auch noch nicht / was es gesagt sey / so wenig als ich.
Solche Attritio ward denn Contritio gerechnet / wenn man zur Beicht gieng.
Vnd wenn sichs begab / daß etwa einer sprach / Er kündte nicht rewen / noch leide
haben für seine Sünde / als möcht geschehen seyn in der Hurenliebe / oder
Rachgier / etc. fragten sie / Ob er denn nicht wüntschete / oder gern wolte /
daß er Rew möcht haben? Sprach er denn / Ja / (denn wer wolt hie Nein sagen /
ohn der Teuffel selbs?) so nahmen sie es für Rewe an / vnd vergaben jhm seine
Sünde / auff solch sein gut Werck. Hie zogen sie Sanct Bernhard zum Exempel an /
etc.
Hie siehet man / wie die blinde Vernunfft tappet in Gottes Sachen / vnd Trost
suchet in eigen Wercken / nach jhrem dünckel / vnd an Christum / oder den
Glauben nicht dencken kan. Wenn mans nun beym Liecht besiehet / ist solche Rewe
ein gemachter vnd ertichter Gedancke aus eigen krefften / ohn Glaube / ohn
Erkentniß Christi / darin̅ zu weilen der arme Sünder / wenn er an
die Lust oder Rache gedacht lieber gelachet denn geweinet hette / außgenommen /
die entweder mit
|| [ID00630]
dem Gesetze recht troffen / oder von dem
Teuffel vergeblich sind mit trawrigem Geist geplaget gewest / sonst ist gewiß
solche Rew lauter Heuchley gewest / vnd hat der Sünden Lust nicht getödtet. Denn
sie musten rewen / hetten lieber mehr gesündiget / wenn es frey were.
Mit der Beicht stundt es also: Ein jeglicher muste alle seine Sünde erzehlen
(welchs ein vnmüglich ding ist) das war eine grosse Marter. Welche er aber
vergessen hatte / wurden jhm so fern vergeben / wenn sie jhm würden einfallen /
daß er sie noch must beichten. Damit kundte er nim̅er wissen /
wenn er rein gnug gebeicht / oder wenn das beichten ein mal ein ende haben solt.
Ward gleichwol auff sein Werck geweiset / vnd so getröstet / Je reiner einer
beichtet / vnd je mehr er sich schemet / vnd sich selbs also für dem Priester
schendet / je ehe vnd besser er gnug thet für die Sünde / denn solche Demuth
erwürbe gewißlich Gnade bey Gott.
Hie war auch kein Glaube / noch Christus / vnd die Krafft der Absolution ward jhm
nicht gesagt / sondern auff Sünde zehlen / vnd schemen / stunde sein Trost. Es
ist aber nicht zu erzehlen / was Marter / Büberey vnd Abgötterey solch beichten
angerichtet hat.
Die Gnugthuung ist noch das allerweitleufftigst. Denn kein Mensch kund wissen /
wie viel er thun solt für ein einige Sünde / schweige denn für alle. Hie funden
sie nu einen Raht / Nemlich / daß sie wenig gnugthuns auffsetzen / die man wol
halten kündte / als fünff Pater noster, einen Tag fasten
/ etc. Mit der vbrigen Busse weiset man sie ins Fegfewer.
Hie war nu auch ein eytel Jammer vnd Noth / Etliche meyneten / sie würden nimmer
aus dem Fegfewer kommen / dieweil nach den alten Canonen / Sieben Jahr Busse
auff eine Todsünde gehöret. Noch stund die Zuuersicht auch auff vnserm werck der
Gnugthuung. Vnd wo die Gnugthuung hette mögen vollkommen seyn / so hette die
Zuuersicht gar darauff gestanden / vnd were weder Glaube noch Christus nütz
gewest / aber sie war vnmüglich. Wenn nu einer Hundert Jahr also gebüsset hette
/ so hette er doch nicht gewust / wenn er außgebüsset hette / Das hies jmmerdar
gebüsset / vnd nimmermehr zur Busse kommen.
Hie kam nu der heilige Stuel zu Rom / der armen Kirchen zu hülffe / vnd erfand
das Ablaß / damit vergab vnd hub er auff die Gnugthuung. Erstlich eintzeln /
Sieben Jahr / Hundert Jahr / etc. vnd theilet es aus vnter die Cardinäl vnd
Bischoffe / daß
|| [301]
einer kund Hundert Jahr / einer
Hundert Tage Ablaß geben. Aber die gantze Gnugthuung auffzuhehen / behielt er
jhm allein zuuor.
Da nun solchs begunt Geld zu tragen / vnd der Bullenmarckt gut ward / erdacht er
das Gülden Jahr / vnd legts gen Rom / das hies er Vergebung aller Pein vnd
Schuld. Da lieffen die Leute zu / Denn es were jederman gern der schweren
vntreglichen Last los gemacht. Das hies die Schätze der Erden finden / vnd
erheben. Flugs eylet der Bapst weiter / vnd machet viel Gülden Jar auff einander
/ aber je mehr er Gelt verschlang / je weiter jhm der Schlund ward. Darumb
schicket ers darnach durch Legaten heraus in die Länder / bis alle Kirchen vnd
Heuser vol Gülden Jahr wurden. Zu letzt rumpelt er auch ins Fegfewer vnter die
Todten / Erstlich mit Messen / vnd Vigilien stifften / darnach mit dem Ablaß vnd
dem Gülden Jahr / vnd wurden endlich die Seelen so wolfeil / daß er eine vmb
einen Schwerdgroschen los gab.
Noch halff das auch alles nicht / Denn der Bapst wiewol er die Leute auff solch
Ablaß lehret sich verlassen / vnd vertrawen / so macht ers doch alles selbs
wiederumb auch vngewiß / Den̅ er setzt in seine Bullen / wer des
Ablaß oder Gülden jahrs wolt theilhafftig seyn / der sol berewet vnd gebeicht
seyn / vnd Geld geben / Nu haben wir droben gehört / daß solche Rew vnd Beicht
bey jhnen vngewiß / vnd Heucheley ist. Deßgleichen wuste auch niemand / welche
Seele im Fegfewer were / vnd so etlich drin̅en weren / wuste
niemand / welche recht gerewet vnd gebeicht hetten. Also nam er das liebe Gelt /
vnd vertröstet sie dieweil auff sein Gewalt vnd Ablaß / vnd weiset sie doch
wiederumb auff jhr vngewiß Werck.
Wo nu etliche waren / die nicht solcher Wircklicher Sünden / mit Gedancken /
Worten / vnd Wercken sich schüldig dauchten / wie ich vnd meines gleichen in
Klöstern vnd Stifften / Mönche vnd Pfaffen seyn wolten / die wir mit Fasten /
Wachen / Beten / Messe halten / harten Kleidern vnd Lager / etc. vns wehreten
wieder böse gedancken / vnd mit ernst vnd Gewalt wolten heilig seyn / vnd doch
das Erblich angeborn Vbel / etwa im Schlaff thet (wie auch S.
Augustinus vnd Hieronymus mit andern bekennen)
was sein Arth ist / so hielt doch ein jeglicher vom andern / daß etliche so
heilig weren / wie wir lehreten / die ohn Sünde / vol guter Werck weren / Also /
daß wir darauff vnser gute Werck andern / als vns vberflüssig zum Himmel /
mittheileten vnd verkaufften. Das ist ja wahr / vnd sind Siegel / Brieffe / vnd
Exempel fürhanden.
|| [ID00632]
Diese dürfften der Busse nicht / Denn was wolten sie berewen / weil sie in böse
Gedancken nicht bewilligten? Was wolten sie beichten / weil sie böse Wort
vermidden? Wo für wolten sie gnug thun / weil sie der That vnschüldig waren /
Also / daß sie auch andern armen Sündern jhre vbrige Gerechtigkeit verkeuffen
kundten. Solche Heiligen waren auch die Phariseer vnd Schrifftgelehrten zur zeit
Christi.
Hie kompt der fewrige Engel S. Johannes / der rechte Busseprediger / vnd schlegt
mit einem Donner alle beyde in einen hauffen / spricht: Thut Busse. So dencken
jene / haben wir doch gebüsst / Diese dencken / wir dürffen keiner Busse.
Spricht Johannes / Thut alle beyde Busse / denn jhr seyd falsche Büsser / so
sind diese falsche Heiligen / vnd dürfft alle beyde Vergebung der Sünden / weil
jhr alle beyde noch nicht wisset / was die rechte Sünde sey / schweige / daß jhr
sie büssen / oder meiden soltet. Es ist ewer keiner gut / seyd voller Vnglaubens
/ Vnuerstandes / vnd Vnwissenheit Gottes / vnd seines Willens. Denn da ist Er
fürhanden / von des Fülle wir alle müssen nehmen / Gnade vmb Gnade. Vnd kein
Mensch ohn Ihn für Gott kan gerecht seyn. Darumb wolt jhr büssen / so büsset
recht / ewer Busse thuts nicht. Vnd jhr Heuchler / die jhr keiner Busse bedürfft
/ jhr Schlangenzieffer / wer hat euch versichert / daß jhr dem künfftigen Zorn
entrinnen werdet / etc.
Also prediget auch S. Paulus Rom. 3. vnd spricht: Es ist keiner verstendig /
keiner gerecht / keiner achtet Gottes / keiner thut gut / auch nicht einer /
allzumal sind sie vntüchtig vnd abtrünnig. Vnd Actor. 17. Nun aber gebeut Gott
allen Menschen / an allen Enden / Busse zu thun. Allen Menschen (spricht er)
niemand außgenommen / der ein Mensch ist. Diese Busse lehret vns die Sünd
erkennen / Nemlich / daß mit vns allen verloren / Haut vnd Haar nicht gut ist /
vnd müssen schlechts newe vnd andere Menschen werden.
Diese Busse ist nicht stücklich vnd bettelisch / wie jene / so die wircklichen
Sünde büsset. Vnd ist auch nicht vngewiß / wie jene / Denn sie disputiert nicht
/ welchs Sünde oder nicht Sünde sey / Sondern stösset alles in hauffen / spricht
/ Es sey alles / vnd eytel Sünde mit vns. Was wollen wir lange suchen / theilen
/ vnd vnterscheiden. Darumb so ist auch hie die Rewe nicht vngewiß / denn es
bleiber nichts da / damit wir möchten etwas guts gedencken / die Sünde zu
bezalen / Sondern ein blos / gewiß verzagen an allem / das wir sind / gedencken
/ reden oder thun / etc.
|| [302]
Deßgleichen kan die Beicht auch nicht falsch / vngewiß / oder stücklich seyn /
Denn wer bekennet / daß alles mit jhm eytel Sünde sey / der begreifft alle Sünde
/ lest keine aussen / vnd vergisset auch keine. Also kan die Gnugthuung auch
nicht vngewiß seyn / Denn sie ist nicht vnser vngewisse / Sündliche Werck /
Sondern das Leiden vnd Blut des vnschüldigen Lemblin Gottes / das der Welt Sünde
tregt.
Von dieser Busse prediget Johannes / vnd hernach Christus im Euangelio / vnd wir
auch. Mit dieser Busse stossen wir / Bapst / vnd alles / was auff vnser gute
Werck gebawet ist / zu boden. Denn es ist alles auff einen faulen nichtigen
Grund gebawet / welcher heist Gute Werck oder Gesetz / so doch kein Gut Werck da
ist / Sondern eytel böse Werck. Vnd niemand das Gesetz thut / (wie Christus
Johannis 6. saget) Sondern allzumal vbertreten. Darumb ist das Gebew eytel Lügen
vnd Heuchley / wo es am allerheiligsten / vnd allerschönsten ist.
Vnd diese Busse weret bey den Christen / bis in den Tod / denn sie beisst sich
mit der vbrigen Sünde im Fleisch / durchs gantze Leben / wie S. Paulus Roman. 7.
zeuget / Daß er kempffe mit dem Gesetz seiner Glieder / etc. Vnd das nicht durch
eigen Kreffte / Sondern durch die Gabe des Heiligen Geistes / welche folget auff
die Vergebung der Sünden. Dieselbige Gabe reiniget vnd feget täglich die vbrigen
Sünden aus / vnd arbeitet den Menschen recht / rein / vnd heilig zu machen.
Hieuon weis Bapst / Theologen / Juristen / noch kein Mensch nichts / Sondern ist
eine Lehre vom Himmel durchs Euangelium offenbahret / vnd muß Ketzerey heissen
bey den Gottlosen Heiligen.
Wiederumb ob etliche Rottengeister kommen würden / wie vieleicht etliche bereit
da fürhanden sind / vnd zur Zeit der Auffrhur mir selbs für Augen kamen / die da
halten / daß alle die / so einmal den Geist oder Vergebung der Sünden empfangen
hetten / oder gleubig worden weren / Wenn dieselbigen hernach sündigten / so
blieben sie gleichwol im Glauben / vnd schadet jhnen solche Sünde nicht / vnd
schrien also / Thue was du wilt / gleubestu / so ists alles nichts / der Glaube
vertilget alle Sünde / etc. Sagen dazu / Wo jemand nach dem Glauben vnd Geist
sündiget / so habe er den Geist vnd Glauben nie recht gehabt. Solcher vnsinnigen
Menschen habe ich viel für mir gehabt / vnnd sorge / daß noch in etlichen
solcher Teuffel stecke.
|| [ID00634]
Darumb so ist von nöten zu wissen / vnd zu lehren / daß / wo die heiligen Leute /
vber das / so sie die Erbsünde noch haben / vnd fülen / dawieder auch täglich
büssen vnd streiten / etwa in öffentliche Sünde fallen / als Dauid in Ehebruch /
Mord / vnd Gotteslesterung / daß alßdenn der Glaube vnd Geist weg ist gewest.
Denn der heilige Geist lest die Sünde nicht walten / vnd vberhand gewinnen / daß
sie vollnbracht werde / Sondern stewret vnd wehret / daß sie nicht muß thun /
was sie wil. Thut sie aber was sie wil / so ist der Heilige Geist vnd Glaube
nicht dabey / Denn es heist / wie S. Johannes sagt: Wer aus Gott geboren ist /
der sündiget nicht / vnd kan nicht sündigen. Vnd ist doch auch die Warheit (wie
derselbige S. Johannes schreibt) so wir sagen / daß wir nicht Sünde haben / so
liegen wir / vnd Gottes Warheit ist nicht in vns.
Vom Euangelio. IIII.
WIR wöllen nun wieder zum Euangelio kommen / welchs gibt nicht einerley Weise /
Raht / vnd Hülffe wieder die Sünde / Denn GOTT ist vberschwenglich reich in
seiner Gnade. Erstlich durchs Mündlich Wort / darinn gepredigt wird Vergebung
der Sünde in aller Welt / welches ist das eigentliche Ampt des Euangelij. Zum
Andern / durch die Tauffe. Zum Dritten / durch das heilige Sacrament des Altars.
Zum Vierden / durch die Krafft der Schlüssel / Vnd auch per
mutuum colloquium & consolationem fratrum, Matth. 18. Vbi duo
fuerint congregati, &c.
|| [303]
Von der Tauffe. V.
DIe Tauffe ist nichts anders / denn Gottes Wort im Wasser / durch sein
Einsetzunge befohlen / Oder / wie S. Paulus sagt / Lauacrum
in verbo, Wie auch Augustinus sagt: Accedat verbum ad elementum, & fit Sacramentum.
Vnd darumb halten wirs nicht mit Thoma, vnd den Prediger
Mönchen / die des Worts (Gottes Einsetzung) vergessen / vnd sagen / Gott habe
eine Geistliche Krafft ins Wasser gelegt / welche die Sünde durchs Wasser
abwasche. Auch nicht mit Scoto, vnd den Barfüssern
Mönchen / die da lehren / Daß die Tauffe die Sünde abwasche / aus beystehen
Göttlichs Willens / Also / daß diese Abwaschung geschicht / allein durch Gottes
Willen / gar nicht durchs Wort oder Wasser.
Von der Kindertauffe halten wir / Daß man die Kinder teuffen solle / Denn sie
gehören auch zu der verheissenen Erlösung / durch Christum geschehen / vnd die
Kirche sol sie jhnen reichen.
Vom Sacrament des Altars. VI.
VOm Sacrament des Altars halten wir / Das Brod vnd Wein im Abendmahl / sey der
warhafftige Leib vnd Blut Christi. Vnd werde nicht allein gereicht / vnd
empfangen von frommen / sondern auch von bösen Christen.
Vnd daß man nicht sol einerley Gestalt allein geben. Vnd wir bedürffen der hohen
Kunst nicht / die vns lehre / daß vnter einer Gestalt so viel sey / als vnter
beyden / wie vns die Sophisten vnd das Concilium zu
Costentz lehren. Denn obs gleich wahr were / daß vnter
|| [ID00636]
einer
so viel sey / als vnter beyden / so ist doch die einige gestalt nicht die gantze
Ordnung vnd Einsetzung / durch Christum gestifft vnd befohlen. Vnd sonderlich
verdammen vnd verfluchen wir in GOttes Nahmen die jenigen / so nicht allein
beyde Gestalt lassen anstehen / Sondern auch gar herrlich daher verbieten /
verdammen / lestern / als Ketzerey / vnd setzen sich damit wieder vnd vber
Christum vnsern HERRN vnd GOTT / etc.
Von der Transsubstantiatione achten wir der spitzigen
Sophisterey gar nichts / da sie lehren / Das Brod vnd Wein verlassen / oder
verlieren jhr Natürlich Wesen / vnd bleibe allein die Gestalt vnd Farbe des
Brods / vnd nicht recht Brod. Denn es reimet sich mit der Schrifft auffs beste /
daß Brod da sey / vnd bleibe / wie es Sanct Paulus selbs nennet: Das Brod das
wir brechen. Vnd / Also esse er von dem Brod.
Von Schlüsseln. VII.
DIe Schlüssel sind ein Ampt vnd Gewalt der Kirchen / von Christo gegeben / zu
binden vnd zu lösen die Sünde / nicht alle in die groben vnd wolbekanten Sünde /
Sondern auch die Subtilen heimlichen / die GOtt allein erkennet. Wie geschrieben
stehet im 19. Psalm: Wer kennet / wie viel er fehlet? Vnd Sanct Paulus Roman. 7.
klagt selbs / Daß er mit dem Fleisch diene dem Gesetze der Sünde. Denn es stehet
nicht bey vns / sondern bey Gott allein / zu vrtheilen / welche / wie gros / vnd
wie viel die Sünde sind / wie geschrieben stehet im 143. Psalm: Gehe nicht ins
Gericht mit deinem Knecht / Denn für Dir ist kein lebendig Mensch gerecht. Vnd
Paulus 1. Corinth. 4. auch saget: Ich bin mir wol nichts bewust / Aber darumb
bin ich nicht Gerecht.
|| [304]
Von der Beicht. VIII.
WEil die Absolution oder Krafft der Schlüsseln auch ein Hülffe vnd Trost ist
wieder die Sünde / vnd böse Gewissen / im Euangelio durch Christum gestifft / So
sol man die Beicht oder Absolution bey leib nicht lassen abkommen in der Kirchen
/ sonderlich vmb der blöden Gewissen willen / auch vmb des Jungen vnd rohen
Volcks willen / Damit es verhöret / vnd vnterrichtet werde in der Christlichen
Lehre.
Die Erzehlung aber der Sünde sol frey seyn eim jeden / was er erzehlen / oder
nicht erzehlen wil / Denn so lange wir im Fleisch sind / werden wir nicht liegen
/ wenn wir sagen / Ich bin ein armer Mensche voller Sünde / Roman. 7. Ich füle
ein ander Gesetz in meinen Gliedern / etc. Denn dieweil die priuata Absolutio von dem Ampt herkompt der Schlüssel / sol man sie
nicht verachten / Sondern hoch vnd werth halten / wie alle andere Empter der
Christlichen Kirchen.
Vnd in diesen Stücken / so das Mündlich / eusserlich Wort betreffen / ist fest
darauff zu bleiben / daß Gott niemand seinen Geist / oder Gnade gibt / Ohn durch
oder mit dem vorgehend eusserlichem Wort. Damit wir vns bewahren für den
Enthusiasten / das ist / Geistern so sich rhümen / ohn vnd vor dem Wort den
Geist zu haben / vnd darnach die Schrifft oder Mündlich Wort richten / deuten /
vnd dehnen jhres gefallens / wie der Müntzer thet / vnd noch viel thun heutigs
Tags / die zwischen dem Geist vnnd Buchstaben scharffe Richter seyn wollen / vnd
wissen nicht / was sie sagen oder setzen. Denn das Bapsthumb auch eytel Enthusiasmus ist / darinn der Bapst rhümet / Alle Rechte
sind im schrein seines Hertzen / vnd was er mit seiner Kirchen vrtheilet vnd
heist / Das sol Geist vnd Recht seyn / wenns gleich vber vnd wieder die Schrifft
/ oder Mündlich Wort ist.
Das ist alles der alte Teuffel / vnd alte Schlange / der Adam vnd Heua auch zu
Enthusiasten machte / vom eusserlichen Wort Gottes / auff Geisterey / vnd eigen
Dünckel führet / vnd thets doch
|| [ID00638]
auch durch andere eusserliche
Wort. Gleich / wie auch vnsere Enthusiasten das eusserliche Wort verdammen / vnd
doch sie selbs nicht schweigen / Sondern die Welt vol plaudern vnd schreiben /
gerade / als kundte der Geist durch die Schrifft oder Mündlich Wort der Apostel
nicht kommen / Aber durch jhre Schrifft vnd Wort müste er kommen. Warumb lassen
sie auch jhre Predigt vnd Schrifft nicht anstehen / bis der Geist selber in die
Leute / ohn vn̅ vor jhrer Schrifft / kompt / wie sie rhümen / Daß
er in sie kommen sey / ohn Predigt der Schrifft? Dauon hie weiter nicht zeit ist
zu disputieren / wir habens sonst gnugsam getrieben.
Denn auch die / so vor der Tauffe gleuben oder in der Tauffe gleubig werden /
habens durchs eusserliche vorgehende Wort / als die Alten / so zu Vernunfft
kom̅en sind / müssen zuuor gehört haben / daß Wer da gleubt /
vnd getaufft wird / der ist selig / ob sie gleich vngleubig / nach zehen Jaren
den Geist vnd Tauffe kriegen. Vnd Cornelius Actor. am
10. hatte lange zuuor gehöretbey den Jüden / vom künfftigen Messia / dadurch er
gerecht für Gott / vnd sein Gebet vnd Allmosen angenehm waren / in solchem
Glauben (wie Lucas jhn gerecht vnd Gottfürchtig nennet) vnd nicht ohn solch
vorgehend Wort / oder Gehör kundte gleuben noch gerecht seyn. Aber S. Petrus
muste jhm offenbaren / daß der Messias (an welchen zukünfftigen / er bis daher
gegleubet hatte) nun kommen were / vnd sein Glaube vom zukünfftigen Messia / jhn
nicht bey den verstockten vngleubigen Jüden gefangen hielte / Sondern wuste /
daß er nu must Selig werden / durch den gegenwertigen Messiam / vnd denselben
nicht mit den Jüden verleugnen / noch verfolgen / etc.
Summa / der Enthusiasmus steckt in Adam vnd seinen
Kindern / von Anfang bis zum ende der Welt / von dem alten Drachen in sie
gestifftet vnd gegifftet / Vnd ist aller Ketzerey / auch des Bapsthumbs vnd
Mahomets Vrsprung / Krafft vnd Macht. Darumb sollen vnd müssen wir darauff
beharren / daß Gott nicht wil mit vns Menschen handeln / denn durch sein
eusserlich Wort vnd Sacrament / Alles aber / was ohn solch Wort vnd Sacrament
vom Geist gerhümet wird / das ist der Teuffel. Denn Gott wolt auch Mosi erst
durch den Fewrigen Pusch / vnd Mündlich Wort erscheinen. Vnd kein Prophet /
weder Elias / noch Eliseus / ausser oder ohn die Zehen Gebot / den Geist kriegt
haben. Vnd Johannes der Teuffer / nicht ohn Gabriels vorgehend Wort empfangen /
Noch ohn Mariae Stimm in seiner Mutter Leib sprang. Vnd S. Petrus spricht / Die
Propheten haben nicht aus Menschlichem willen / sondern aus dem heiligen
|| [305]
Geist geweissaget / doch als die heiligen Menschen
Gottes. Aber ohn eusserlich Wort waren sie nicht heilig / viel weniger hette sie
/ als noch vnheilig / der Heilige Geist zu reden getrieben / Denn sie waren
heilig / spricht er / Da der heilige Geist durch sie redet.
Vom Bann. IX
DEn grossen Bann / wie es der Bapst nennet / halten wir für eine lauter Weltliche
Straffe / vnd gehet vns Kirchendiener nichts an. Aber der kleine / das ist / der
rechte Christliche Bann / ist / daß man offenberliche / halßstarrige Sünder
nicht sol lassen zum Sacrament / oder ander Gemeinschafft der Kirchen / kommen /
bis sie sich bessern / vnd die Sünde meiden. Vnd die Prediger sollen in diese
Geistliche Straffe oder Bann / nicht mengen die Weltliche Straffe.
Von der Weihe vnd Vocation. X.
WEnn die Bischoffe wolten rechte Bischoffe seyn / vnd sich der Kirchen vnd des
Euangelij annehmen / so möchte man jhnen das vmb der Liebe vnd Einigkeit willen
/ doch nicht aus noth / lassen gegeben seyn / daß sie vns / vnd vnsere Prediger
Ordinierten vnd Confirmierten. Doch hindan gesetzet alle Laruen vnd Gespenste /
vnchristlichs Wesens / vnd Geprenges. Nu sie aber nicht rechte Bischoffe sind /
oder auch nicht seyn wollen / sondern Weltliche Herrn vnd Fürsten / die weder
Predigen / noch Lehren / noch Teuffen / noch Communiciren / noch einiges Werck
oder Ampt der Kirchen treiben / Dazu die jenigen / die solch Ampt beruffen /
treiben / verfolgen vnd verdammen / so muß dennoch vmb jhren willen / die Kirche
nicht ohn Diener bleiben.
|| [ID00640]
Darumb / wie die alten Exempel der Kirchen / vnd der Väter / vns lehren / wollen
vnd sollen wir selbs Ordinieren tüchtige Person zu solchem Ampt. Vnd das haben
sie vns nicht zu verbieten / noch zu wehren / auch nach jhrem eigen Rechte /
Denn jhre Rechte sagen / daß die jenigen / so auch von Ketzern Ordiniert sind /
sollen geordiniert heissen / vnd bleiben. Gleich wie S.
Hieronymus schreibet / von der Kirchen zu Alexandria, Daß sie erstlich von Bischoffen / durch die Priester vnd
Prediger in gemein regiert sind worden.
Von der Priester Ehe. XI
DAß sie die Ehe verboten / vnd den Göttlichen Stand der Priester mit Ewiger
Keuscheit beschweret haben / das haben sie weder fug noch recht gehabt / sondern
haben gehandelt als die Endechristischen / Tyrannischen / verzweiffelten Buben.
Vnd damit vrsach gegeben / allerley erschrecklicher / grewlicher / vnzehlicher
Sünde der Vnkeuscheit / darinne sie denn noch stecken. Als wenig nu vns oder
jhnen Macht gegeben ist / aus einem Menlin ein Frewlin / oder aus einem Frewlin
ein Menlin zu machen / oder beydes nichts zu machen / So wenig haben sie auch
Macht gehabt / solche Creatur Gottes zu scheiden / Oder verbieten / daß sie
nicht Ehrlich vnd Ehelich bey einander solten wohnen. Darumb wollen wir in jhren
leidigen Celibat nicht willigen / auch nicht leiden / Sondern die Ehe frey haben
/ wie sie Gott geordnet vnd gestifftet hat. Vnd wollen seine Werck nicht
zureissen / noch hindern / denn S. Paulus sagt 1. Timoth. 4. Es sey ein
Teuffelische Lehre.
|| [306]
Von der Kirchen. XII.
WIR gestehen jhnen nicht / daß sie die Kirche seyen / vnd sinds auch nicht / vnd
wollens auch nicht hören / was sie vnter dem Nahmen der Kirchen gebieten / oder
verbieten. Denn es weis (Gott lob) ein Kind von Sieben Jaren / Was die Kirche
sey / Nemlich / die heiligen Gleubigen / vnd die Schäfflin / die jhres Hirten
Stim̅ hören / Denn also beten die Kinder: Ich gleube eine
heilige Christliche Kirche. Diese Heiligkeit stehet nicht in Chorhembden /
Platten / langen Röcken / vnd andern jhren Ceremonien / durch sie / vber die
heilige Schrifft / ertichtet / Sondern im Wort Gottes vnd rechtem Glauben.
Wie man für Gott Berecht wird / Vnd von Guten Wercken. XIII.
WAs ich dauon bißher vnd stetiglich gelehret habe / das weis ich gar nicht zu
endern / Nemlich / daß wir durch den Glauben (wie S. Petrus sagt) ein ander new
rein Hertz kriegen / vnd GOtt vmb Christus willen / vnsers Mittlers / vns für
gantz gerecht / vnd heilig halten wil / vnd helt / Ob wol die Sünde im Fleisch
noch nicht gar weg oder Tod ist / so wil er sie doch nicht rechen noch wissen.
Vnd auff solchen Glauben / Vernewerung / vnd Vergebung der Sünde / folgen denn
gute Werck. Vnd was an demselben auch noch Sündlich oder mangel ist / sol nicht
für Sünde oder mangel gerechnet werden / eben vmb desselben Christi willen /
Sondern der Mensch sol gantz / beyde nach der Person vnd seinen Wercken /
Ge
|| [ID00642]
recht vnd heilig heissen vnd seyn / aus
lauter Gnade vnd Barmhertzigkeit in Christo / vber vns außgeschüt vnd
außgebreit. Darumb können wir nicht rhümen viel Verdienst vnser Werck / wo sie
ohn Gnad vnd Barmhertzigkeit angesehen werden / Sondern wie geschrieben stehet /
1. Corinth. 1. Wer sich rhümet / der rhüme sich des HERRN / das ist / Daß er
einen gnedigen Gott hat / so ists alles gut. Sagen auch weiter / Daß / wo Gute
Werck nicht folgen / so ist der Glaube falsch / vnd nicht recht.
Von Klostergelübden. XIIII.
WEil die Klostergelübde stracks wieder den ersten Heuptartickel streiten / so
sollen sie schlecht abe seyn. Den̅ sie sinds / da Christus von
saget / Matth. am 24. Egosum Christus, &c. Denn
wer da gelobet ein Klosterleben / der gleubet / daß er ein besser Leben führe /
denn der gemein Christen Man / vnd wil durch seine Werck nicht allein jhm selber
/ Sondern auch andern / zum Himmel helffen / Das heist Christum verleugnen. Vnd
sie rhümen aus jhrem S. Thoma, daß Klostergelübde der
Tauffe gleich sey / Das ist eine Gotteslesterung.
Von Menschen Satzungen. XV.
DAß die Papisten sagen / Menschen Satzungen dienen zu Vergebung der Sünden / oder
verdienen die Seligkeit / Das ist vnchristlich / vnd verdampt / wie Christus
spricht: Vergeblich dienen sie Mir / weil sie lehren solche Lehre / die nichts
sind /
|| [307]
denn Menschen Gebot. Item / ad Titum 1. Auersantium veritatem, welche sich
abwenden von der Warheit. Item / daß sie sagen / Es sey Todsünde / solche
Satzungen brechen / Ist auch nicht recht.
Dis sind die Artickel / darauff wir stehen müssen / vnd stehen wöllen / bis in
vnsern Tod / ob Gott wil. Vnd wissen darinne nichts zu endern / noch
nachzugeben. Wil aber jemand etwas nachgeben / das thue er auff sein Gewissen.
Zu letzt ist noch der Geuckelsack des Bapsts dahinden / von Närrischen vnd
Kindischen Artickeln / als von Kirchweihe / von Glocken teuffen / Altarstein
teuffen / vnd Gefattern dazu bitten / die dazu gaben / etc. welchs teuffen ein
Spott vnd Hohn der heiligen Tauffe ist / daß mans nicht leiden sol.
Darnach von Liecht / Palmen / Fladen / Würtz / Hafern / weihen / etc. welchs doch
nicht kan geweihet heissen / noch seyn / sondern eytel Spott vnd betrug ist. Vnd
des Geuckelwercks vnzehlich viel / welche wir befehlen jhrem Gott / vnd jhnen
selbs anzubeten / bis sie es müde werden / wir wollen damit vnuerworren seyn.
MArtinus Luther D. subscripsit. Iustus Ionas D. Rector, subscripsit manu propria. Ioannes Bugenhagen Pomer. D. subscripsit. Caspar Creutziger D. subscripsit. Niclas Amsdorff subscripsit Magdeburgensis. Georgius Spalatinus subscripsit Aldenburgensis. Ich Philippus Melanchthon / halte diese obgestalte Artickel auch für recht vnd Christlich. Vom Bapst aber halte ich / so er das Euangelium wolte zulassen / daß jhm / vmb Friedens vnd gemeiner Einigkeit willen / der jenigen Christen / so auch vnter jhm sind / vnd künfftig seyn möchten / sein Superioritet vber die Bischoffe / die er sonst hat Iure humano, auch von vns zugelassen sey.
Iohannes Agricola Eisleben subscripsit. Gabriel Didymus subscripsit. Ego Vrbanus Regius D. Ecclesiarum in Ducatu Luneburgensi Superintendens, subscribo meo & fratrum meorum nomine: & Ecclesiae Hannopheranae. Ego Stephanus Agricola Ecclesiastes Curiensis subscribo. Et ego Iohannes Draconites subscribo, Professor & Ecclesiastes Marpurgensis.
|| [ID00644]
Ego
Chunradus Figenbotz pro gloria DEI subscribo me ita credidisse, & adhuc
praedico, & credo firmiter, vti suprà. Andreas Osiander Ecclesiastes
Nurembergensis subscribo. M. Vitus Dieterich Ecclesiastes Nurembergensis
subscribo. Erhardus Schnepffius concionator Studgardiensis subscribo. Conradus
Otingerus Phorcensis Vlrici Ducis concionator. Simon Schneevveis Parochus
Ecclesiae in Crailsheim. Iohanes Schlaginhauffen Pastor Ecclesiae Cotensis
subscribo. M. Georgius Heltus Forchemius. M. Adamus à Fulda. M. Antonius
Coruinus concionatores Hessaici. Rursum ego Iohannes Bugenhagius Pomeranus D.
subscribo nomine Magistri Iohannis Brentij, quemadmodum à Schmalkaldia recedens
mihi mandauit ore, & literis, quas his fratribus, qui subscripserunt,
ostendi. Ego Dionysius Melander subscribo Confessioni, Apologiae, &
Concordiae in re Eucharistiae. Paulus Rhodius Superintendens Stetinensis.
Gerardus OEniken Superintendens Ecclesiae Mindensis. Ego Brixius Northanus
Ecclesiae Christi, quae est Susati, minister, subscribo articulis Reuerendi
Patris M. Lutheri, & fateor me hactenus ita credidisse, &
docuisse, & porrò per Spiritum Christi ita crediturum &
docturum. Michaël Coelius concionator Mansfeldensis subscribit. M. Petrus
Geltnerus concionator Frankenfurdensis subscripsit. VVendalinus Faber Parochus
Seeburgae in Mansfeldia Ego Iohannes AEpinus subscribo. Similiter & ego
Iohannes Amsterdamus Bremensis. Ego Fridericus Myconius Gothanae Ecclesiae apud
Thuringos Pastor, meo & Iusti Menij Isenacensis nomine subscribo. Ego
Iohannes Langus Doctor, & Erphurdiensis Ecclesiae concionator, meo
& aliorum meorum in Euangelio cooperariorum nomine, nempe Domini
Licentiati Ludouici Platzij Melosingi. Domini Magistri Sigismundi Kirchneri.
Domini VVolffgangi Kismetter. Domini Melchioris VVeitman. Domini Iohannis Thall.
Domini Iohannis Kiliani. Domini Nicolai Fabri. Domini Andreae Menseri, mea manu
subscribo. Et ego Egidius Mechlerus mea manu subscripsi.
|| [308]
Zu Schmalkalden / Anno M. D. XXXVII. Vnd in Druck gegeben Anno M. D. XXXIIX.
DEr Bapstrhümet sich zum ersten / Daß er aus Göttlichen Rechten der Oberst sey /
vber alle andere Bischoffe / vnd Pfarrherrn / in der gantzen Christenheit.
Zum andern / Daß er aus Göttlichen Rechten habe beyde Schwert / das ist / Daß er
möge Könige setzen vnd entsetzen / Weltliche Reich ordnen / etc.
Zum dritten / sagt er / Daß man solchs bey verlust der Ewigen Seligkeit zu
gleuben schüldig sey / Vnd dis sind die Vrsachen / daß der Bapst sich nennet vnd
rhümet / Er sey der Stadthalter Christi auff Erden.
Diese drey Artickel halten vnd erkennen wir / daß sie falsch / vngöttlich /
Tyrannisch / vnd der Christlichen Kirchen gantz schedlich sind. Auff daß nun
vnser Grund vnd Meynung desto bas möge verstanden werden / wollen wir zum ersten
anzeigen / was es heisse / daß er rhümet / Er sey aus Göttlichen Rechten / der
Oberste / Denn also meynen sie es / daß der Bapst vber die gantze Christliche
Kirche gemeiner Bischoff / vnd / wie sie es nennen / OEcumenicus Episcopus sey / das ist / von welchem alle Bischoffe vnd
Pfarrherrn / durch die gantze Welt sollen ordiniert / vnd bestetigt werden / daß
er allein Recht vnd Macht habe / alle Bischoffe vnd Pfarrherrn zu wehlen /
ordnen / bestetigen / vnd einsetzen.
|| [ID00646]
Neben dem masset er sich auch diß an / daß er Macht habe / allerley Gesetz zu
machen / von Gottesdienst / enderung der Sacrament / vnd der Lehre / vnd wil /
daß man seine Statuta vnd Satzungen andern Artickeln des
Christlichen Glaubens / vnd der heiligen Schrifft sol gleich halten / als die
ohne Sünde nicht mögen nachgelassen werden. Denn er wil solche Gewalt auff das
Göttliche Recht / vnd heilige Schrifft gründen / Ja er wil / daß man es der
heiligen Schrifft vnd den Geboten Gottes sol fürziehen / vnd das noch erger ist
/ setzt er noch das hinzu / Solches alles sol vnd muß man gleuben / bey verlust
der Ewigen Seligkeit.
Darumb wollen wir zum ersten aus dem heiligen Euangelio anzeigen / daß der Bapst
gar keiner Obrigkeit vber andere Bischoffe / vnd Seelsorger aus Göttlichem Recht
sich müge anmassen.
I. Lucae 22. verbeut Christus mit klaren hellen Worten / Daß kein Apostel einige
Obrigkeit vber die andern haben sol / Denn eben bis war die Frag vnter den
Jüngern / als Christus von seinem Leiden schon gesagt hatte / daß sie
disputierten vntereinander / Wer vnter jhnen Herr seyn / vnd Christum nach
seinem Absterben verwesen solt? Aber Christus straffet solchen Irrthumb der
Apostel / vnd lehret sie / Es werde die weise nicht haben / daß sie wolten Herrn
seyn / vnd Obrigkeit haben / Sondern sie solten zugleich Apostel seyn / vnd in
gleichem Ampt / das Euangelium predigen / Darumb saget Er auch / Die Weltlichen
Könige herrschen / vnd die Gewaltigen heisset man gnedige Herrn. Ihr aber nicht
also / Sondern der Grössest vnter euch sol seyn wie der Geringest / vnd der
Fürnemest / wie ein Diener. Hie siehet man / wenn mans gegen einander helt / daß
Er kein Herrschafft vnter den Aposteln haben wil.
II. Wie solches auch wol scheinet aus der andern
Gleichniß / da Christus in gleicher Disputation von der Herrschafft / ein junges
Kind mitten vnter die Apostel stellet / auff daß er anzeige / daß gleich / wie
ein Kind keiner Herrschafft begehret / noch sich vnterfehet / Also auch die
Apostel / vnd alle / so das Wort führen sollen / nicht Obrigkeit sollen suchen
noch brauchen.
III. Johan. 20. Sendet Christus seine Jünger zu gleich
zum Predigampt / ohn alle vnterscheid / daß einer weder mehr noch weniger Gewalt
sol haben / denn der ander. Denn so sagt Er: Gleich wie Mich mein Vater gesand
hat / so sende ich euch. Die Wort sind hell vnd klar / daß er ein jeden also
sende / wie Er ist gesendet worden /
|| [309]
Da kan je keiner
kein sonder Obrigkeit oder Gewalt für vnd vber die andern rhümen.
IIII. Galat. 2. zeiget der heilige Paulus klar an / daß
er von Petro weder ordiniert / noch confirmiert vnd bestetiget sey / Erkennet
auch Petrum in keinem weg dafür / als hette er von jhm müssen bestetiget werden
/ vnd in sonderheit streitet er dieses / daß sein Beruff auff S. Peters Gewalt /
gar nicht stehe / noch gegründet sey / Nu solt er je Petrum als ein Obersten
erkennet haben / wo Petrus anders solch Obrigkeit von Christo hette empfangen /
Wie der Bapst ohn allen Grund rhümet.
Darumb spricht auch Paulus / Er hab das Euangelium ein lange zeit frey gepredigt
/ ehe er sich mit Petro vnd den andern drüber besprochen habe. Item / er spricht
/ Es lige jhm nichts an denen / die das ansehen haben / welcherley sie gewesen
sind. Denn Gott achtet das ansehen der Person vnd Menschen nicht / Mir aber
haben die / so das ansehen hatten kein Befehl gethan.
Weil nu Paulus klar zeuget / Er hab bey Petrs nicht wollen ansuchen / daß er jhm
zu predigen erleubte / auch dazumal / da er am letzten sey zu jhm kommen / haben
wir ein gewisse Lehre / daß das Predigampt vom gemeinen Beruff der Apostel
herkompt / vnd ist nicht noth / daß alle dieser einigen Person Petri Beruff /
oder Bestetigung haben.
V. 1. Corinth. 3. Machet Paulus alle Kirchendiener gleich
/ vnd lehret / Daß die Kirche mehr sey / denn die Diener. Darumb kan man mit
keiner Warheit sagen / daß Petrus einige Obrigkeit oder Gewalt für andern
Aposteln / vber die Kirchen / vnd alle andere Kirchendiener gehabt habe. Denn so
spricht er: Es ist alles ewer / es sey Paulus oder Apollo, oder Cephas, das ist / Es darff weder
Peter noch ander Diener des Worts / jhnen zumessen einigen Gewalt oder Obrigkeit
/ vber die Kirchen.
Niemand sol die Kirchen beschweeren mit eignen Satzungen / Sondern hie sol es so
heissen / Daß keines Gewalt noch Ansehen mehr gelte / den̅ das
Wort Gottes / Man darff nicht Cephas Gewalt höher machen
/ denn der andern Aposteln / wie sie denn zu der Zeit pflegten zu sagen / Cephas helt dis also / der doch der fürnemste Apostel
ist / darumb sol es Paulus / vnd ander auch so halten. Nein / spricht Paulus /
vnd zeucht Petro dis Hütlein ab / daß sein Ansehen vnd Gewalt solt höher seyn /
denn der andern Aposteln oder Kirchen.
|| [ID00648]
Aus den Historien. VI.
DAs Concilium zu Nicea hat beschlossen / Daß der Bischoff zu Alexandrien / solte
bestellen die Kirchen in Orient / vnd der Bischoff zu Rom / die Suburbanos, das ist / die / so zu Rom gehörten in
Occident. Hie ist des Römischen Bischoffs Macht zum ersten gewachsen / nicht aus
Göttlichen / sondern Menschlichen Rechten / wie es im Concilio Niceno ist beschlossen worden. So nu der Römische Bischoff /
nach Göttlichem Rechte / were der Oberst gewesen / hette das Concilium zu Nicea nicht Macht gebabt / jhm solche Gewalt zu nehmen /
vnd auff den Bischoff zu Alexandria zu wenden / ja alle
Bischoffe in Orient solten je vnd je vom Bischoffe zu Rom begehre haben / daß er
sie ordinieret vnd bestetiget hette.
VII. Item / im Concilio Niceno
ist beschlossen worden / Daß ein jegliche Kirche einen Bischoff für sich selbst
/ in beywesen eines oder mehr Bischoffen / so in der nehe woneten / wehlen
solte. Solchs ist nicht allein in Orient ein lange zeit / sondern auch in andern
/ vnd Lateinischen Kirchen gehalten worden / wie solchs klar im Cypriano vnd Augustino ist
außgedruckt. Denn so spricht Cyprianus Epist. 4. ad Cornelium: Darumb sol man es fleissig nach dem Befehl
Gottes / vnd der Apostel brauch halten / wie es denn bey vns / vnd fast in allen
Landen gehalten wird / daß zu der Gemeine / da ein Bischoff zu wehlen ist /
andere des Orts nahend gelegene Bischoffe zusammen sollen kom̅en /
vnd in gegenwart der gantzen Gemein / die eines jeden Wandel vnd Leben weis /
Der Bischoff sol gewehlet werden / wie wir denn sehen / daß es in der Wahl Sabini, vnsers Mitgesellen auch geschehen ist / daß er
nach Wahl der gantzen Gemeine / vnd Raht etlicher Bischoffe / so fürhanden
gewest / zum Bischoffe erwehlet / vnd die Hend jhm auffgeleget sind / etc.
Diese weise heisset Cyprianus ewer Göttliche weise / vnd
Apostolischen Gebrauch / vnd zeuget / daß es fast in allen Landen dazumal so
gehalten sey.
|| [310]
Weil nu weder die Ordinatio noch Confirmatio dazumal durch das grosse theil der Welt / in allen Kirchen
der Griechen vnd Lateinischen / beym Bischoffe zu Rom ist gesucht worden / ist
es klar / daß die Kirchen dazumal solche Obrigkeit vnd Herrschafft dem Bischoffe
zu Rom nicht geben hat.
IIX. Solche Obrigkeit vnd Herrschafft ist auch gantz vnd
gar vnmüglich / Denn wie könte es müglich seyn / daß ein Bischoff solte alle
Kirchen der gantzen Christenheit versorgen / Oder / daß die Kirchen so fern von
Rom gelegen / allein von einem / alle jhre Kirchendiener könten ordinieren
lassen.
Denn das ist je gewiß / Daß das Reich Christi durch die gantze Welt ist
außgetheilet. So sind auch noch heutiges tags viel Christliche Versamlung der
Kirchen in Orient / welche Kirchendiener haben / so weder vom Bapst / noch den
seinen / ordiniert noch confirmirt sind. Weil nun solche Obrigkeit / der sich
der Bapst wieder alle Schrifft anmasset / auch gantz vnd gar vnmüglich ist / vnd
die Kirchen in der Welt hin vnd wieder den Bapst / für ein solchen Herrn weder
erkennet / noch brauchet haben / Siehet man wol / daß solche Obrigkeit / nicht
von Christo eingesetzt / vnd nicht aus Göttlichen Rechten kommet.
IX. Es sind vor alters viel Concilia außgeschrieben / vnd gehalten worden / in welchen der Bischoff zu
Rom / nicht als der Oberste gesessen ist / als zu Nicea / vnnd an andern örten
mehr / Dasselb ist je auch ein anzeigen / daß die Kirche dazumal den Bapst für
einen Oberherrn vber alle Kirchen vnd Bischoffe nicht erkennet habe.
X. S. Hieronymus spricht: Wenn man wil von Gewalt vnd
Herrschafft reden / so ist je Orbis mehr / denn Vrbs, das ist / Welt ist mehr / denn die Stadt Rom.
Darumb / es sey der Bischoff zu Rom / oder Eugubien / zu Constantinopel / oder
Regio / oder Alexandrien / so ist Wirde vnd Ampt gleich / etc.
XI. Item / Gregorius schreibt zum
Patriarchen zu Alexandria, vnd verbeut jhm / Er sol jhn
nicht heissen den höchsten Bischoff / Vnd in den Regesten sagt / Es sey im Concilio zu Chalcedon dem Bischoff zu Rom angeboten
worden / Er sol der oberst Bischoff seyn / Aber er habe es nicht angenommen.
XII. Zum letzten / Wie kan der Bapst nach Göttlichen
Rechten vber die Kirche seyn / weil doch die Wahl bey der Kirchen stehet / vnd
diß gar mit der Zeit in die gewonheit kommen ist / daß die Römischen Bischoffe
von den Keysern sind bestetiget worden.
|| [ID00650]
Hie werden etliche Sprüche wieder vns geführet / Als Matth. 16. Du bist Petrus /
vnd auff diesen Fels wil ich bawen meine Gemeine / oder Kirchen. Item / Dir wil
ich die Schlüssel geben. Item / Weide meine Schaffe. Vnd dergleichen mehr. Weil
aber dieser gantze Handel fleissig / vnd gnugsam von den Vnsern zuuor ist
tractiert / wollen wir dieselben Schrifften hie erholet haben / vnd auff dis mal
kurtz antworten / wie bemelte Sprüche im Grund zu verstehen sind.
In allen diesen Sprüchen ist Petrus ein gemeine Person / vnd redet nicht für sich
allein / Sondern für alle Apostel. Dieses beweisen die Text klar. Denn Christus
fragt je Petrum allein nicht / sondern spricht: Wer sagt Ihr / das ich sey? Vnd
daß Christus hie zu Petro allein redet / Als / Dir wil ich die Schlüssel geben.
Item / Was du binden wirst / etc. Dasselb redet Er an andern örten zu dem
gantzen Hauffen / Alles was jhr binden werdet auff Erden / etc. Item im Johanne
/ Welchen jhr die Sünde vergebet / etc. Diese Wort zeugen / daß die Schlüssel
allen in gemein geben / vnd sie alle zugleich zu predigen gesand worden sind.
Vber das muß man je bekennen / daß die Schlüssel nicht einem Menschen allein /
sondern der gantzen Kirchen gehören / vnd gegeben sind / wie denn solchs mit
hellen vnd gewissen Vrsachen gnugsam kan erwiesen werden. Denn gleich wie die
Verheissung des Euangelij gewiß / vnd ohn mittel der gantzen Kirchen zugehöret /
also gehören die Schlüssel ohn mittel der gantzen Kirchen / Dieweil die
Schlüssel nichts anders sind / denn das Ampt / dadurch solche Verheissung
jederman / wer es begehret / wird mitgetheilet / wie es denn im Werck für Augen
ist / daß die Kirche Macht hat / Kirchendiener zu ordinieren. Vnd Christus
spricht bey diesen worten / Was jhr binden werdet / etc. vnd deutet / wem er die
Schlüssel geben / Nemlich / der Kirchen / Wo zween oder drey versamlet sind in
meinem Nahmen / etc. Item / Christus gibt das höhest vnd letzte Gericht der
Kirchen / da Er spricht: Sags der Kirchen.
Daraus folget nu / daß in solchen Sprüchen nicht allein Petrus / sondern der
gantze Hauffe der Aposteln gemeinet wird / darumb kan man in keinen weg / aus
solchen Sprüchen ein sonder Gewalt der Obrigkeit gründen / wie Petrus für andern
Aposteln gehabt hab / oder haben hat sollen. Daß aber stehet / Vnd auff diesen
Fels / wil ich meine Kirchen bawen / Da muß man je bekennen / daß die Kirche
nicht auff einiges Menschen Gewalt gebawet sey / Sondern sie ist
|| [311]
gebawet auff das Ampt / welchs die Bekentniß führet /
die Petrus thut / Nemlich / daß Jesus sey der Christ / vn̅ Sohn
Gottes. Darumb redet Er jhn auch an / als ein Diener solchs Ampts / da diese
Bekentniß vnd Lehre innen gehen sol / vnd spricht: Auff diesen Felsen / das ist
/ auff diese Predigt vnd Predigampt.
Nun ist je das Predigampt an kein gewiß Ort / noch Person gebunden / wie der
Leuiten Ampt im Gesetz gebunden war / Sondern es ist durch die gantze Welt
außgestrewet / vnd ist an dem Ort / da Gott seine Gaben gibt / Aposteln /
Propheten / Hirten / Lehrer / etc. Vnd thut die Person gar nichts zu solchem
Wort vnd Ampt / von Christo befohlen. Es predige vnd lehre es / wer da wolle /
wo Hertzen sind / die es gleuben / vnd sich daran halten / den wiederfehret /
wie sie es hören / vnd gleuben.
Auff diese weise legen solchen Spruch viel alter Lehrer aus / nicht von der
Person Petri / Sondern vom Ampt vnd Bekentniß / Als Origenes,
Ambrosius, Cyprianus, Hilarius, Beda. Daß nu an andern örten stehet /
Weide meine Schaffe. Item / Peter / hastu mich auch lieber / denn diese? Folget
noch nicht / daß Petrus mehr Gewalt solt haben / denn andere Apostel / Sondern
er heisset jhn weiden / das ist / das Euangelium predigen / oder die Kirchen
durchs Euangelium regieren / Das gehet je eben so wol auff andere Apostel / als
auff Petrum.
Der ander Artickel ist noch klerer / denn der erste / Denn Christus hat seinen
Jüngern allein Geistliche Gewalt gegeben / Das ist / Er hat jhnen befohlen das
Euangelium zu predigen / Vergebung der Sünden zu verkündigen / die Sacrament zu
reichen / vnd die Gottlosen zu bannen / ohn Leiblichen Gewalt / durchs Wort. Vnd
hat jhnen gar nicht befohlen / das Schwert zu führen / noch Weltlich Regiment zu
bestellen / einzunehmen / König zu setzen / oder zu entsetzen. Denn so spricht
Christus: Gehet hin vnd lehret / daß man das halte / was Ich euch geboten hab.
Item / Wie mich mein Vater gesand hat / so sende ich euch.
Nu ist es je am Tag / daß Christus nicht dazu gesand ist / daß Er das Schwert
solt führen / oder auff Weltliche weis regieren / wie Er denn selbs sagt: Mein
Reich ist nicht von dieser Welt. Vnd Paulus spricht: Wir herrschen nicht vber
ewern Glauben. Item / Vnser Kriegsrüstung vnd Waffen sind nicht Fleischlich /
etc. Daß nun Christus in seinem Leiden mit Dörnen gekrönet / vnd in Purpur Kleid
herfür geführt / vnd so verspottet ist worden / ist alles ein Deu
|| [ID]
tung gewesen / daß mit der zeit das recht Geistlich
Reich Christi solt verachtet / vnd sein Euangelium vnterdrückt / vnd ein ander
eusserlich Reich an stat desselben / vnter dem schein Geistlicher Gewalt /
auffgerichtet werden. Darumb ist die Constitutio
Bonifacij 8. vnd das cap. Omnes. Dist. 22. vnd
dergleichen andere Sprüch mehr / gantz vnd gar falsch / vnd Gottlos / damit sie
erhalten wollen / daß der Bapst vermöge Göttlichs Rechts / ein Herr sey vber die
Königreich der Welt / Wie denn aus solchem falschen Wahn / zum ersten
schreckliche Finsterniß in der Kirchen / vnd darnach grewliche Zerrüttung vnd
Rumor in Europa erfolget sind. Denn da hat mann das
Predigampt lassen fallen / vnd ist die Lehre vom Glauben / vnd Geistlichem Reich
Christi gar verloschen / vnd man hat des Bapsts eusserlichs Wesen vnd Satzungen
für Christliche Gerechtigkeit gehalten.
Darnach sind die Bäpste auch zugefahren / haben Fürstenthumbvnd Königreich zu
sich gerissen / König gesetzt vnd entsetzt / vnd mit vnbillichem Ban̅ vnd Kriegen fast alle König in Europa
geplagt / Sonderlich aber die Teutschen Keyser / bißweilen darumb / daß sie die
Städt in Welschland an sich brechten / bißweilen daß sie die Bischoffe in
Teutschland jnen vnterthan machten / vnd die Bisthum̅ selbs
verleihen möchten / die der Keyser allein zu verleihen hat / Ja das mehr ist /
in der Clementina stehet also / Wenn das Keyserthumb
ledig stehe / so sey der Bapst der rechte Erbe dazu.
Also hat sich der Bapst nicht allein Weltlicher Herrschafft wieder Gottes klaren
Befehl / vnbillig vnterfangen / Sondern hat wie ein Tyrann vber alle Könige seyn
wöllen. Wiewol nun solchs Thun der Bäpste / an jhm selbs gantz vnd gar
strefflich ist / so ist doch dis das ergste daran / daß er solchen Muthwillen
vnd Freuel mit dem Befehl Christi decket / vnd die Schlüssel deutet auff
Weltliche Herrschafft / vnd henget an solche vngöttliche vnd schendliche Opinion
der Seelen Seligkeit / da er sagt: Es sollen es die Leute bey jhrer Seelen
Seligkeit also gleuben / daß der Bapst solche Macht habe / aus Göttlichen
Rechten.
Weil nun solche grewliche Irrthumb die Lehre vom Glauben vnd Reich Christi gantz
verfinstert haben / wil es sich in keinen weg leiden / daß man dazu solte still
schweigen / Denn man siehets im Werck für Augen / was grosser Schade der Kirchen
daraus erwachsen ist.
Zum dritten / muß man auch dis wissen / ob schon
|| [312]
der
Bapst den Primat vnd Obrigkeit aus Göttlichem Recht hette / daß man den jenigen
Bäpsten / so falsche Gottesdienst / Abgötterey / vnd falsche Lehre / wieder das
Euangelium fürgeben / keinen Gehorsam schüldig ist. Ja das mehr ist / Man solle
auch solche Bäpste / vnd solch Reich für ein Anathema,
vnd verfluchtes Wesen halten / wie Paulus klar sagt: Wenn ein Engel von Himmel
keme / vnd ein anders Euangelium prediget / anders denn wir euch gepredigt haben
/ der sey verflucht. Vnd in Actis stehet / man solle
GOtt mehr gehorchen / denn den Menschen / wie die Geistlichen Recht selbs sagen
/ Eim Bapst / der ein Ketzer ist / sol man nicht gehorsam seyn.
Der Hohepriester im Gesetze Mose / hatte das Ampt aus den Göttlichen Rechten /
gleichwol war niemand verpflicht zum Gehorsam / wenn sie wider Gottes Wort
handelten / wie man sihet / daß Jeremias vnd andere Propheten / sich von den
Priestern sonderten. Also sonderten sich die Apostel von Caipha / vnd waren jhm
kein gehorsam schüldig. Nu ist es je am tage / daß die Bäpste sampt jrem anhang
/ Gottlose Lehre / vnd falsche Gottesdienst erhalten wöllen / vnd handhaben. So
reimen sich auch alle Vntugend / so in der H. Schrifft vom Antichrist sind
weißgesagt / mit des Bapsts Reich / vnd seinen Gliedern.
Denn Paulus / da er den Antichrist malet / 2. Thess. 2. nennet er jhn einen
Wiedersacher Christi / der sich vber alles erhebe / das Gott oder Gottesdienst
heist / Also / daß er sich setzet in den Tempel Gottes / als ein Gott / vnd gibt
für / er sey ein Gott / etc.
Hie redet Paulus von einem / der in der Kirchen regieret / vnd nicht von
Weltlichen Königen / vnd nennet jhn einen Wiederwertigen Christi / weil er ein
andere Lehre werde erdencken / vnd daß er sich solchs alles werde anmassen / als
thet ers aus Göttlichen Rechten.
Nu ist am ersten dis wahr / daß der Bapst in der Kirchen regirt / vnd vnter dem
schein Geistlicher Gewalt / solche Herrschafft hat an sich bracht / Denn er
gründet sich auff diese Wort: Ich wil dir die Schlüssel des Himmelreichs geben.
Zum andern / ist je des Bapsts Lehre in alle weg wieder das Euangelium.
Zum dritten / daß er fürgibt / Er sey Gott / ist in dreyen stücken zu mercken.
Zum ersten / daß er sich das anmasset / er möge die Lehre Christi / vnd rechte
Gottesdienst / von Gott selbs eingesetzt / endern / vnd wil seine Lehre / vnd
eigen ertichte Gottesdienst gehalten haben / als hette sie Gott selbs geboten.
|| [ID00654]
Zum andern / daß er sich der Gewalt anmasset / zu binden / vnd entbinden / nicht
allein in diesem zeitlichen Leben hie / Sondern auch in jenem Leben.
Zum dritten / Daß der Bapst nicht leiden wil / daß die Kirche oder sonst jemands
jhn richte / sondern sein Gewalt sol vber alle Concilia,
vnd die gantze Kirchen gehen / Das heist aber sich selbs zum GOtt machen / wenn
man weder Kirchen / noch jemands Vrtheil leiden wil.
Zum letzten / hat der Bapst solche Irrthumb / vnd Gottlos Wesen / auch mit
vnrechter Gewalt / vnd Morden verthedingt / daß er alle / so es nicht aller maß
mit jhm gehalten / hat vmbbringen lassen.
Weil nu dem also ist / sollen alle Christen auff das fleissigst sich hüten / daß
sie solcher Gottlosen Lehre / Gotteslesterung / vnd vnbillichen Wüterey sich
nicht theilhafftig machen / Sondern sollen vom Bapst vnd seinen Gliedern oder
Anhang / als von des Antichrists Reich weichen / vnd es verfluchen / wie
Christus befohlen hat: Hütet euch für den falschen Propheten. Vnd Paulus gebeut
/ Daß man falsche Prediger meiden / vnd als ein Grewel verfluchen sol. Vnd 2.
Corinth. 6. spricht er: Ziehet nicht am frembden Joch / mit den Vngleubigen.
Denn was hat das Liecht für Gemeinschafft mit der Finsterniß / etc. Schweer ist
es / daß man von so viel Landen vnd Leuten sich trennen / vnd ein sondere Lehre
führen wil / Aber hie stehet Gottes Befehl / daß jederman sich sol hüten / vnd
nicht mit denen einhellig seyn / so vnrechte Lehre führen / oder mit Wüterey zu
erhalten gedencken.
Darumb sind vnsere Gewissen deßhalb wol entschüldigt / vnd versichert. Denn man
siehet je für Augen die grossen Irrthumb / so ins Bapsts Reich gehen / vnd die
Schrifft schreiet mit aller Macht / daß solche Irrthumb des Teuffels vnd
Antichrists Lehre sey. Die Abgötterey im Mißbrauch der Messen ist offenbahr /
welche neben dem / daß sie sonst nichts tügen / zum schendlichen Genieß vnd
Krämerey mißbrauchet sind. Die Lehre von der Busse ist vom Bapst vnd den seinen
gantz gefelscht / vnd verderbt worden / denn so lehren sie / Sünde werde
vergeben / vmb vnser eigen Werck willen / vnd hengen dis dran / Man solte
dennoch zweiffeln / ob die Sünde vergeben sind. Dazu lehren sie nicht / daß vmb
Christus willen die Sünde ohn Verdienst vergeben / vnd solche Vergebung der
Sünden / durch den Glauben an Christum erlanget werde.
Mit solcher Lehre nehmen sie Christo seine Ehre / vnd berauben die Gewissen / des
rechten vnd gewissen Trosts / vnd thun ab die rech
|| [313]
ten Gottesdienst / Nemlich / die vbung des Glaubens / welcher mit dem
Vnglauben vnd Verzweiffelung / vber der Verheissung des Euangelij kempffet.
Dergleichen haben sie auch die Lehre verdunckelt von der Sünde / vnd eigene
Satzungen ertichtet / wie man alle Sünde erzehlen / vnd beichten müsse / daraus
mancherley Irrthumb / auch endlich verzweiffelung gefolget ist.
Darnach haben sie eigene Gnugthuung erdacht / dadurch die Wolthat / vnd das
Verdienst Christi auch verfinstert ist.
Aus diesem ist das Ablaß gefolget / welchs lauter Lügen / vnd allein vmb Geldes
willen erdacht ist.
Was ist denn darnach für Mißbrauch vnd grewliche Abgötterey aus dem anruffen der
Heiligen gefolget?
Was für Schand vnd Laster sind kommen aus dem Verbot der Ehe?
Wie ist nur das Euangelium durch die Lehre von Gelübden / so verdunckelt worden?
Da hat man gelehret / daß solche Gelübde sind für Gott ein Gerechtigkeit / vnd
verdienen Vergebung der Sünden / Daß also das Verdienst Christi auff Menschen
Satzungen gezogen / vnd die Lehre vom Glauben gantz vertilget ist.
Vnd haben jhre närrische vnd leichtfertige Satzungen / für den rechten
Gottesdienst / vnd Volkommenheit gerhümet / vnd den Wercken / welche Gott von
einem jeden in seinem Beruff foddert / vnd geordnet hat / fürgezogen. Nun darff
mans nicht dafür achten / daß solches geringe Irrthumb sind / Den̅
sie nehmen Christo seine Ehre / vnd verdammen die Seelen / Darumb sol man sie
nicht vngestrafft lassen hingehen.
Zu diesen Irrthumen kommen nu zwo grosse / grewliche Sünde. Die eine / daß der
Bapst solche Irrthumb mit vnbillicher Wüterey / vnd grawsamer Tyranney / mit
Gewalt verthedingt / vnd erhalten wil.
Die ander / daß er der Kirchen das Vrtheil nimpt / vnd wil solche Religionsachen
/ ördentlicher weise nicht richten lassen / Ja / er wil mehr denn alle Concilia seyn / vnd die Macht haben / daß er alles / so
in Concilien beschlossen / möge zerreissen vnd auffheben / wie zu weilen die Canones solchs vnuerschampt heraus sagen / Vnd haben
solchs die Bäpste noch vnuerschempter getrieben / wie viel Exempel bezeugen.
9. Quaest. 3. spricht der Canon:
Niemand sol den höchsten Stul richten / Denn der Richter richtet weder Keyser
noch die Priester / weder König / noch das Volck.
|| [ID00656]
Also handelt der Bapst auff beyden seiten / wie ein Tyrann / daß er solche
Irrthumb mit Gewalt vnd Wüterey verthedingt / vnd wil keine Richter leiden. Vnd
dis ander stück thut mehr Schadens / denn alle Wüterey / Denn alßbald der
Kirchen das rechte Vrtheil vnd Erkentniß genommen ist / kan nicht müglich seyn /
daß man falscher Lehre / oder vnrechtem Gottesdienst könte stewren / Vnd müssen
derhalb viel Seelen verlohren werden.
Darumb sollen Gottfürchtige Leute solche grewliche Irrthumb des Bapsts / vnd sein
Tyranney wol bedencken / Vnd zum ersten wissen / daß solche Irrthumb zu fliehen
/ vnd die rechte Lehre der Ehre Gottes / vnd der Seelen Seligkeit halben
anzunehmen sey. Darnach daß man doch bedencke / wie ein grewliche grosse Sünde
es sey / solche vnbilliche Wüterey des Bapsts helffen fördern / da so viel
frommer Christen so jäm̅erlich ermordet werden / welcher Blut ohn
zweiffel Gott nicht wird vngerochen lassen.
Fürnemlich aber sollen Könige vnd Fürsten / als fürnemste Glieder der Kirchen /
helffen vnd schawen / daß allerley Irrthumb weggethan / vnd die Gewissen recht
vnterrichtet werden / wie denn Gott zu solchem Ampt die König vnd Fürsten
sonderlich vermanet im 2. Psal. Ihr Könige lasset euch weisen / vnd jhr Richter
auff Erden lasset euch züchtigen / Denn dis sol bey den Königen vnd grossen
Herrn die fürnemste Sorge seyn / daß sie Gottes Ehre fleissig fördern.
Darumb were es je vnbillich / wenn sie jhre Macht vnd Gewalt dahin wolten wenden
/ daß solch grewliche Abgötterey / vnd ander vnzehliche Laster erhalten / vnd
die frommen Christen so jämmerlich ermordet würden.
VNd im Fall / daß der Bapst gleich ein Concilium halten wolt / wie kan der
Kirchen wieder solche stücke geholffen werden / so der Bapst nicht leiden wil /
daß man etwas wieder jhn schliesse? Oder andere / denn so jhm zuuor durch
schreckliche Eydespflicht / auch Gottes Wort vnaußgenommen / zugethan / in
Kirchen Sachen richten sollen?
Weil aber die Vrtheil in Concilien / der Kirchen / vnd nicht des Bapsts Vrtheil
sind / wil es je den Königen vnd Fürsten gebüren / daß sie dem Bapst solchen
Muthwillen nicht einreumen / Sondern schaffen / daß der Kirchen die Macht
zurichten nicht genommen / vnd alles nach der heiligen Schrifft vnd Wort Gottes
vrtheilet werde. Vnd gleich wie die Christen alle andere Irrthumb des Bapsts zu
straffen schüldig seyn / also sind sie auch schüldig / den Bapst selbst zu
|| [314]
straffen / wenn er fliehen oder wehren wil / das
rechte Vrtheil / vnd wahre Erkentniß der Kirchen.
Darumb / ob schon der Bapst aus Göttlichen Rechten den Primat oder Obrigkeit
hette / sol man jhm dennoch keinen Gehorsam leisten / weil er falsche
Gottesdienst / vnd ein ander Lehre / wieder das Euangelium erhalten wil / Ja man
sol sich aus noth wieder jhn / als den rechten Antichrist / setzen. Man siehets
je am Tag / was des Bapsts Irrthumb / vnd wie gros sie sind.
So siehet man auch die Wüterey / welche er wieder die frommen Christen fürnimpt.
So stehet Gottes Befehl vnd Wort da / Daß wir Abgötterey / falsche Lehre / vnd
vnbilliche Wüterey fliehen sollen. Darumb hat ein jeder frommer Christ wichtige
/ nöthige / vnd helle Vrsachen gnug / daß er dem Bapst nicht gehorsam leiste /
Vnd sind solche nötige Vrsachen allen Christen ein grosser Trost / wieder
allerley Schmach vnd Schand / die sie vns aufflegen / daß wir Ergerniß geben /
Zertrennung vnd Vneinigkeit anrichten.
Die es aber mit dem Bapst halten / vnd seine Lehre vnd falsche Gottesdienst
verthedingen / die beflecken sich mit Abgötterey / vnd Gotteslesterlicher Lehre
/ Vnd laden auff sich alles Blut der from̅en Christen / die der
Bapst vnd die seinen verfolgen / die verhindern auch Gottes Ehre / vnd der
Kirchen Seligkeit / weil sie solch Irrthumb vnd Laster für aller Welt / vnd
allen Nachkommen zu schaden / verthedingen.
Von der Bischoffen Gewalt vnd Jurisdiction.
IN vnser Confession vnd A pologia haben wir in gemein erzehlet / was von Kirchen
Gewalt zu sagen gewest ist. Denn das Euangelium gebeut denen / so den Kirchen
sollen fürstehen / daß sie das Euangelium predigen / Sünde vergeben / vnd Sacramenta reichen sollen / Vnd vber das gibt es jhnen
die Iurisdictio, daß man die / so in öffentlichen
Lastern ligen / bannen / vnd die sich bessern wöllen / entbinnen vnd absoluieren
sol.
|| [ID00658]
Nu muß es jederman / auch vnsere Wiedersacher bekennen / daß diesen Befehl
zugleich alle haben / die den Kirchen fürstehen / sie heissen gleich Pastores, oder Presbyteri, oder
Bischoffe. Darumb spricht auch Hieronymus mit hellen
worten / daß Episcopi und Presbyteri nicht vnterscheiden sind / sondern daß alle Pfarrherrn zu
gleich / Bischoffe vnd Priester sind / vnd allegiert den Text Pauli ad Titum 1. da er zu Tito schreibet: Ich lies dich
derhalb zu Creta / daß du bestelletest die Städte / hin vnd her mit Priestern /
vnd nennet solche hernach Bischoffe. Es sol ein Bischoff eines Weibes Man seyn /
So nennen sich selbst Petrus vnd Johannes / Presbyteros,
oder Priester.
Darnach sagt Hieronymus weiter / Daß aber einer allein
erwehlet wird / der andere vnter jhm habe / ist geschehen / daß man damit die
Zertrennung wehret / daß nicht einer hie / der ander dort / ein Kirchen an sich
zöge / vnd die Gemeine also zerrissen würde. Denn zu Alexandria (sagt er) von Marco dem Euangelisten an / bis auff Esdram vnd Dionysium, haben
allezeit die Presbyteri, einen aus jhnen erwehlet / vnd
höher gehalten / vnnd Episcopum (einen Bischoff)
genennet / gleich wie ein Kriegsvolck einen zum Heuptman erwehlet / wie auch die
Diaconi einen aus jhnen / der geschickt dazu ist /
wehlen / vnd Archidiacon nennen. Denn sage mir / Was
thut ein Bischoff mehr / denn ein jeglicher Presbyter,
ohn daß er andere zum Kirchenampt ordnet / etc.
Hie lehret Hieronymus, daß solche vnterscheid der
Bischoffen / vnd Pfarrherrn allein aus Menschlicher Ordnung kom̅en
sey / wie man denn auch im Werck siehet / Denn das Ampt vnd Befehl ist gar
einerley / vnd hat hernach allein die Ordinatio den
Vnterscheid zwischen Bischoffen vnd Pfarrherrn gemacht / Denn so hat mans
darnach geordnet / daß ein Bischoff auch in andern Kirchen Leute zum Predigampt
ordnete.
Weil aber nach Göttlichem Recht kein vnterscheid ist zwischen Bischoffen vnd
Pastorn / oder Pfarrherrn / ists ohn zweiffel / Wenn ein Pfarrherr in seiner
Kirchen / etliche tüchtige Personen zu Kirchenampten ordnet / daß solche Ordinatio nach Göttlichen Rechten / krefftig vnd recht
ist.
Darumb / weil doch die verordneten Bischoffe das Euangelium verfolgen / vnd
tüchtige Personen zu ordinieren sich weigern / hat ein jegliche Kirche in diesem
Fall gute fug vnd recht / jhr selbst Kirchendiener zu ordinieren.
Denn wo die Kirche ist / da ist je der Befehl / das Euangelium zu predigen /
Darumb müssen die Kirchen die Gewalt behalten / daß
|| [315]
sie Kirchendiener fordern / wehlen vnd ordinieren / Vnd solche Gewalt ist ein
Geschenck / welchs der Kirchen eigentlich von GOTT gegeben / vnd von keiner
Menschlichen Gewalt der Kirchen kan genommen werden / wie Sanct Paulus zeuget /
Ephes. 4. da er sagt: Er ist in die Höhe gefahren / vnd hat Gaben geben den
Menschen / vnd vnter solchen Gaben / die der Kirchen eigen sind / zehlet er
Pfarrherrn / vnd Lehrer / vnd henget daran / daß solche geben werden / zu
Erbawung des Leibs Christi. Darumb folget / Wo ein rechte Kirche ist / daß da
auch die Macht sey / Kirchendiener zu wehlen / vnd ordinieren / Wie denn in der
Noth auch ein schlechter Leye / einen andern absoluieren / vnd sein Pfarrherr
werden kan / Wie S. Augustin ein Historien schreibet / Daß zween Christen in
einem Schiffe beysammen gewesen / der einer den andern getaufft / vnd darnach
von jhm absoluiert sey.
Hieher gehören die Sprüche Christi / welche zeugen / Daß die Schlüssel der
gantzen Kirchen / vnd nicht etlichen sondern Personen geben sind / wieder Text
saget: Wo zween oder drey in meinem Namen versamlet sind / bin ich mitten vnter
jhnen / etc.
Zum letzten / wird solchs auch durch den Spruch Petri bekrefftiget / da er
spricht: Ihr seyd das Königliche Priesterthumb. Diese Wort betreffen eigentlich
die rechte Kirchen / welche / weil sie allein das Priesterthumb hat / muß sie
auch die Macht haben / Kirchendiener zu wehlen vnd ordinieren.
Solchs zeuget auch der gemeine brauch der Kirchen / Denn vor zeiten wehlet das
Volck Pfarrherrn vnd Bischoffe / dazu kam der Bischoff am selben Ort / oder in
der nehe gesessen / vnd bestetiget den gewehlten Bischoff / durch aufflegen der
Hende / Vnd ist dazumal die Ordinatio nichts anders
gewest / denn solche bestetigung.
Darnach sind andere Ceremonien mehr dazu kommen / wie Dionysius deren etliche erzehlt / Aber dasselb Buch Dionysij ist ein new Gedicht vnter falschem Titel / Wie auch das Buch
Clementis ein falschen Titel hat / vnd lange nach
Clemente von einem bösen Buben gemacht ist.
Darnach ist auff die letzt auch dis hinan gehenckt worden / daß der Bischoff
gesagt hat / zu denen / die er weihet: Ich gebe dir Macht zu opffern für die
Lebendigen vnd die Todten / aber das stehet auch im Dionysio nicht.
Hieraus siehet man / daß die Kirche Macht hat / Kirchendiener zu wehlen vnd
ordinieren. Darumb wenn die Bischoffe entweder Ketzer sind / oder tüchtige
Personen nicht wollen ordinieren / sind die
|| [ID00660]
Kirchen für GOTT
/ nach Göttlichem Recht schüldig / jhnen selbs Pfarrherrn vnd Kirchendiener zu
ordinieren.
Ob man nu dis wolte ein vnordnung oder zertrennung heissen / sol man wissen / daß
die Gottlose Lehre vnd Tyranney der Bischoffe daran schüldig ist / Denn so
gebeut Paulus / daß alle Bischoffe / so entweder selbst vnrecht lehren / oder
vnrechte Lehre vnd falschen Gottesdienst verthedingen / für streffliche Leute
sollen gehalten werden.
Bis anher haben wir von der Ordinatio gesagt / welche allein etwa vnterscheid
gemacht hat / zwischen Bischoffen vnd den Priestern / wie Hieronymus spricht. Darumb ist nicht noth von vbrigen Bischofflichen
Emptern viel zu disputieren / man wolte denn von der Firmelung / Glocken teuffen
/ vnd anderm solchem Gauckelspiel reden / welchs fast allein die Bischoffe
sonderlich gebraucht / Aber von der Jurisdiction ist noch zu handeln.
Dis ist gewiß / daß die gemeine Iurisdictio die / so in
öffentlichen Lastern ligen / zu bannen / alle Pfarrherrn haben sollen / vnd daß
die Bischoffe / als Tyrannen / sie zu sich gezogen / vnd zu jhrem Genies
schendlich mißbraucht haben. Denn die Official haben vnleidlichen Muthwillen
damit getrieben / vnd die Leut entweder aus Geitz oder andern muthwillen wol
geplagt / vnd ohn alle vorgehende Rechtliche Erkentniß geban̅et.
Was ist aber dis für ein Tyranney / daß ein Official in einer Stadt / die Macht
sol haben / allein seinem muthwillen nach / ohn Rechtliche Erkentniß / die Leut
mit dem Bann so plagen / vnd zwingen / etc.
Nu haben sie solchen zwang / in allerley Sachen gebrauchet / vnd nicht allein die
rechten Laster damit nicht gestrafft / da der Ban̅ auff folgen
solte / sondern auch in andern geringen stücken / wo man nicht recht gefastet /
oder gefeyret hat / ohn daß sie zu weilen den Ehebruch gestraffet / vnd denn
auch offt vnschüldige Leut geschmehet / vnd infamiert haben / Denn weil solch
beschüldigung sehr wichtig vnd schweer ist / sol je ohn rechtliche vnd
ördentliche Erkentniß / in dem Fall / niemand verdampt werden.
Weil nu die Bischoffe solche Jurisdictio / als Tyrannen / an sich bracht / vnd
schendlich mißbrauchet haben / dazu sonst gute Vrsach sind / jhnen nicht zu
gehorchen / So ists recht / daß man diese geraubte Jurisdictio auch wieder von
jhnen nehme / vnd sie den Pfarrherrn / welchen sie aus Christi Befehl gehört /
zustelle / vnd trachte / daß sie ördentlicher weise den Leuten zur besserung des
Lebens / vnd zu mehrung der Ehre Gottes gebrauchet werde.
|| [316]
Darnach ist ein Iurisdictio in den Sachen / welche nach
Bäpstlichem Recht in das Forum Ecclesiasticum, oder
Kirchen Gericht gehören / wie sonderlich die Ehesachen sind / Solche Jurisdictio
haben die Bischoffe / auch nur aus Menschlicher Ordnung an sich bracht / die
dennoch nicht sehr alt ist / wie man ex Codice vnd Nouellis Iustiniani, siehet / Daß die Ehesachen dazumal
gar von Weltlicher Obrigkeit gehandelt sind / Vnd ist Weltliche Obrigkeit
schüldig / die Ehesachen zu richten / besondern / wo die Bischoffe vnrecht
richten / oder nachlessig sind / wie auch die Canones
zeugen.
Darumb ist man auch solcher Jurisdictio halb den Bischoffen keinen Gehorsam
schüldig / vnd dieweil sie etliche vnbilliche Satzung von Ehesachen gemacht /
vnd in Gerichten / die sie besitzen brauchen / ist Weltliche Obrigkeit auch
dieser Vrsach halb schüldig / solche Gericht anders zu bestellen.
Denn je das Verbot von der Ehe zwischen Gefattern vnrecht ist / so ist dis auch
vnrecht / daß / wo zwey gescheiden werden / der vnschüldig Theil nicht wiederumb
heyraten sol. Item / daß in gemein alle Heyrat / so heimlich / vnd mit betrug /
ohn der Eltern vorwissen vnd bewilligung geschehen / gelten vnd krefftig seyn
sollen. Item / So ist das Verbot von der Priester Ehe auch vnrecht.
Dergleichen sind in jhren Satzungen andere stück mehr / damit die Gewissen
verwirret vnd beschweret sind worden / die ohn noth ist hie alle zu erzehlen /
vnd ist an dem gnug / daß man weis / daß in Ehesachen viel vnrechts vnd
vnbillichs ding vom Bapst ist geboten worden / daraus Weltliche Obrigkeit Vrsach
gnug hat / solche Gericht für sich selbst anders zu bestellen.
Weil denn nun die Bischoffe / so dem Bapst sind zugethan / Gottlose Lehre vnd
falsche Gottesdienst mit Gewalt verthedingen / vnd fromme Prediger nicht
ordinieren wöllen / Sondern helffen dem Bapst dieselben ermorden / vnd darüber
den Pfarrherrn die Jurisdictio entzogen / vnd allein / wie Tyrannen / zu jhrem
Nutz / sie gebrauchet haben.
Zum letzten / Weil sie auch in Ehesachen so vnbillich vnd vnrecht handeln / haben
die Kirchen grosser vnd nothwendiger Vrsach gnug / daß sie solche / nicht als
Bischoffe erkennen sollen / sie aber die Bischoffe sollen dencken / Daß jhre
Güter vnd Einkommen gestifft sind / als Allmosen / daß sie der Kirchen dienen /
vnd jhr Ampt desto stadtlicher außrichten mögen / wie die Regula heisst / Beneficium datur propter
officium.
|| [ID00662]
Darumb können sie solch Allmosen mit gutem Gewissen nicht gebrauchen / vnd
berauben damit die Kirche / welche solche Güter darff zu vnterhaltung der
Kirchendiener / vnd gelehrte Leute auffzuziehen / vnd etliche Arme zu versorgen
/ vnd sonderlich zu bestellung der Ehe gericht. Denn da tragen sich so
mancherley vnd seltzame Fell zu / daß es wol eines eigen Gerichts dörffte.
Solchs aber kan ohn Hülff derselben Güter nicht bestelt werden. S. Peter
spricht: Es werden die falschen Bischoffe der Kirchen Güter vnd Allmosen zu
jhrem Wollust brauchen / vnd das Ampt verlassen. Dieweil nu der heilige Geist
denselben dabey schrecklich drewet / sollen die Bischoffe wissen / daß sie auch
für diesen Raub / GOTT müssen Rechenschafft geben.
|| [317]
ANNO M. D. XXXVII.
DE mandato Illustrissimorum Principum, & Ordinum, ac ciuitatum Euangelij
doctrinam profitentium, relegimus articulos Confessionis exhibitae Imperatori in
conuentu Augustano, & DEI beneficio omnes concionatores, qui in hoc
Smalcaldensi conuentu interfuerunt, consentientes profitentur, se iuxta
articulos Confessionis & Apologiae sentire, & docere in suis
Ecclesijs. Profitentur etia̅, se articulum de primatu Papae,
& eius potestate, & de potestate & Iurisdictione
Episcoporum, qui hîc Principibus in hoc conuentu exhibitus est Smalcaldiae,
approbare. Ideo nomina sua subscribunt.
Ego Iohannes Bugenhagius Pomeranus D. subscribo articulis Confessionis Augustanae, Apologiae, & articulo de Papatu Smalcaldiae Principibus oblato. Et ego Vrbanus Regius D. Ecclesiarum in Ducatu Luneburgensi Superintendens, subscribo. Nicolaus Amsdorff Magdeburgensis subscripsit. Georgius Spalatinus Aldenburgensis subscripsit. Andreas Osiander subscribo. M. Vitus Dieterich Noribergensis subscripsit. Stephanus Agricola Ecclesiastes Curiensis manu propria subscripsit. Iohannes Draconites Marburgensis subscripsit. Chunradus Figenbotz se subscripsit per omnia. Martinus Bucerus. Erhardus Schnepffius subscribo. Paulus Rhodius Concionator in Stettin. Gerardus OEniken Ecclesiae Mindensis Minister. Brixius Northanus Susatiensis Concionator. Simon Schneevveis Parochus in Crailsheim. Rursum ego Pomeranus subscribo nomine Magistri Iohannis Brentij, quemadmodum mihi mandauit. Philippus Melanthon subscripsit manu propria. Antonius Coruinus subscribit tam suo, quam Adami à Fulda nomine manu propria. Iohanes Schlaginhauffen subscripsit manu propria. Georgius Heltus Forchemius. Michaël Coelius Concionator Mansfeldensis.
|| [ID]
Petrus Geltnerus concionator Ecclesiae Frankenfurdensis.
Dionysius Melander subscripsit. Paulus Fagius Argentinensis. VVendalinus Faber
Parochus Seeburgae in Mansfeldia Conradus Otingerus Phorcensis Vdalrici Ducis
VVirt. concionator. Bonifacius VVolfart, Verbi minister Ecclesiae Augustanae.
Iohannes AEpinus Hamburgensis Superintendens subscripsit manu propria. Idipsum
facit Iohannes Amsterdamus Bremensis. Iohannes Fontanus inferioris Hessiae
Superintendens subscripsit. Fridericus Myconius, pro se & Iusto Menio
subscripsit. Ambrosius Blaurerus.
Legi, & iterum atque iterum relegi Confessionem & Apologiam ab
Illustrissimo Principe Electore Saxoniae, & alijs Principibus ac
Statibus Romani Imperij Caesareae Maiestati Augustae oblatam. Legi item Formulam
Concordiae in re Sacramentaria VVittenbergae cum D. Bucero, & alijs
institutam. Legi etiam articulos à D. Martino Luthero, Praeceptore nostro
obseruandissimo, in Smalcaldensi conuentu Germanica lingua conscriptos,
& libellum de Papatu, & de potestate ac Iurisdictione
Episcoporum. Ac pro mediocritate mea iudico haec omnia conuenire cum sacra
Scriptura, & cum sententia verae Catholicae
Ecclesiae. Quanquam autem in tanto numero doctissimorum virorum, qui nunc
Smalcaldiae conuenerunt, minimum omnium me agnoscam, tamen quia mihi non licet
exitum huius Conuentus expectare, obsecro te, clarissime vir, D. Iohannes
Bugenhagi, Pater in Christo obseruande, vt humanitas tua, nomen meum, si opus
fuerit, omnibus illis, quae suprà commemoraui, adscribat. Me enim ita sentire,
confiteri, & perpetuò docturum esse per Iesum Christum Dominum nostrum,
hoc meo chirographo testor. Actum Smalcaldiae. 23. Februarij. Anno 1537.
Iohannes Brentius
Ecclesiastes Hallensis.
|| [ID00665]
|| [ID00666]
|| [ID00667]
Wie man fürsichtiglich / vnd ohn Ergerniß reden sol von den fürnemsten
Artickeln Christlicher Lehre / Für die jungen einfeltigen Prediger.
Hierauff folget auch wolgegründter Bericht von den fürnemsten Artickeln
Christlicher Lehre / so zu vnsern Zeiten streitig worden seyn / was eines jedern
Artickels rechter Verstand sey / vnd wie man in Gottes Furcht / ohne abbruch der
Warheit / von einem jedern Artickel / aus der rechten Grundfest des Göttlichen
Worts / mit bescheidenheit reden möge vnd solle.
An die Jungen Prediger des Euangelij im Fürstenthumb Lüneburg / D. Vrbani
Rhegij Vorrede.
WIewol nicht allein ein Christen / Sondern ein jeglicher vernünfftiger Mensche
sol mit grossem fleis warnehmen vnd acht haben / was er redet / daß es nicht ehe
aus dem Munde / denn aus dem Hertzen gehe / vnd nichts reden / daß er nicht
zuuor bedacht habe / noch ohn alle Ordnung daher wasche / was jm einfellet /
Doch sollen viel mehr die Prediger des Euangelij / was sie für der gantzen
Christlichen Gemein reden wöllen / zuuor mit allem fleis betrachten / vnd auffs
ördentlichste außreden / damit sie den Einfeltigen vnd Vnuerstendigen kein
Ergerniß geben.
Denn es ist (wie die gantze Schrifft zeuget) gar ein schweer Ampt / voller sorgen
vnd fahr / öffentlich reden vnd lehren in der Kirchen oder Gemeine Gottes /
darin̅ ohne zweiffel Gottes Kinder sitzen vnd zuhören /
welchen die lieben Engel dienen / vnd Gott selbs als in seinem Tabernakel / alda
gegenwertig ist / vnd allenthalben auffschawet sampt seinen Engeln / vnd Gottes
Wort von allen Creaturen mit grosser Ehrerbietung gehöret wird. Den̅ also helt der Christliche Glaube / daß alle ding Gottes Wort (dadurch sie
geschaffen sind) ehren vnd für Augen haben / ohn allein der Mensch vnd der
Teuffel / welche durch grewliche Vndanckbarkeit die Ohren dagegen zustopffen /
vnd nichts dauon hören wollen.
Darumb hat auch S. Hieronymus recht vnd wol gesagt: Es
hat gar grosse Fahr / in der Christlichen Kirchen reden oder predigen / daß
nicht etwan durch falsche Außlegung aus dem Euangelio Christi werde ein
Menschlich Euangelium / oder das noch erger ist / des Teuffels Euangelium.
Das wil auch der heilige Apostel S. Paulus mit so ernstlichen
|| [2]
Vermanungen / als 1. Corinth. 14. Wenn jhr zusammen kompt / so
lassets alles zur besserung geschehen. Vnd Coloss. 4. Ewer Rede sey allezeit
lieblich / vnd mit Saltz gewürtzet. Item / 2. Timoth. 2. Befleissige dich selbst
GOtt zu erzeigen einen rechtschaffenen vnstrefflichen Arbeiter / der das Wort
der Warheit recht theile. Denn hie wil S. Paulus nichts anders lehren / denn daß
man bedechtiglich / vnd mit grossen sorgen vnd fleis das erschreckliche
Geheimniß des Worts Gottes handeln sol / Oder wie S.
Ambrosius saget / Daß man zu rechter Stet vnd Zeit vnd mit
bescheidenheit von dem Glauben rede / Denn wo durch vnsern vnfleis die Lehre
vnsers Glaubens nicht lauter vnd rein gehandelt / oder nicht gantz vnd völlig
dem Volck fürgetragen / vnd nicht recht getheilet wird / so werden wir gar
schweere Straff dafür leiden müssen / an jenem Tage des HERRN / wenn wir
Rechenschafft geben sollen von vnser Haußhaltung / für dem Richterstuel Gottes.
Derhalben auff daß die jungen Prediger / vnd so noch nicht gnug in der Schrifft
geübet sind / desto leichter sich hüten mögen / daß sie in der Lehre niemand
Ergerniß geben / wil ich hiemit eine kurtze Form vnd Weise stellen / wie mann
fürsichtiglich reden sol von den fürnemsten Artickeln der Christlichen Lehre /
welche ich auch selbst im predigen halte / Weil ich nu viel Jahr mit grosser
Beschwerung an vielen Orten gesehen vnd gehört habe / wie die Einfeltigen offt
schwerlich sind geergert worden / durch vngeschickte / vnordentliche / grobe vnd
vnbesonnen Predigten etlicher vnfürsichtigen vnzeitigen Klüglinge / die sich
selbs für gelehrt halten / vnd nicht achten / was / oder wie / oder für welchen
sie reden.
Ich muß aber etlicher solcher vngeschickter ergerlicher Reden zum Exempel setzen
/ damit man sehe / wie durch dieselben der Einfeltigen Sinn verrückt / vnd viel
vom Euangelio abgeschreckt werden. Etliche sagen gar selten etwas von der Busse
/ wenn sie reden von dem Glauben vnd vergebung der Sünden / Gleich als könten
die / so nicht Busse thun / dem Euangelio gleuben / vnd Vergebung der Sünden
empfahen / so doch das Euangelium beydes zu gleich innhelt / als in einer Summa
/ Nemlich / Busse vnd Vergebung der Sünden / wie Lucae
vltimo stehet / Also ists geschrieben / vnd also muste Christus leiden /
vnd aufferstehen von den Todten / vnd predigen lassen in seinem Namen Busse vnd
vergebung der Sünden vnter allen Völckern / etc. Da siehestu die Ordnung / so
Christus selbs stellet / daß man sol zum ersten von der Busse predigen / darauff
sol denn folgen die Predigt von Vergebung der Sünden.
|| [3]
Etliche treiben wol die Busse / vnd schrecken die Leute feindlich mit dem Gesetze
/ können sie aber nicht wieder trösten mit dem Euangelio / Solche lehren nur ein
Stück von der Busse / vnd verstümmeln sie / daß ich aus eigener Erfahrung dafür
halte / Wer den Artickel von der Busse nicht recht verstehet / daß der der
Christenheit so nütz ist / als ein Wolff vnter den Schaffen.
Wiederumb sind etliche / Wenn sie das Volck richtig vnd klar vnterrichten sollen
vom Glauben vnd Guten Wercken / so fahren sie daher mit solchen worten: Es ist
nichts mit vnsern Wercken / sie sollen nichts / sie stincken für Gott / Er wil
jhr nicht / sie machen eytel Gleißner / es thut allein der Glaube / Wenn du
gleubest / so wirstu from / vnd selig. Solches reden sie so stumpff vnd
vnbesonnen dahin / thun gar kein Saltz dazu / damit die Wort erkleret würden /
wie sichs gebühret / Darumb ist nicht wunder / daß die Einfeltigen sich daran
ergern / sonderlich die / so zuuor nicht viel das Euangelion predigen gehört
haben / Denn sie meynen / man rede also vom Glauben / als solten die Werck gar
verworffen vnd kein nütz seyn / Darumb dencken sie bald / Solcher Prediger muß
ein loser verzweiffelter Bube seyn / als der gute Werck verdammet / welche doch
Christus selbs gethan hat / vnd von vns foddert / vnd halten also vnser gantze
Lehre für vnchristlich vnd verführisch.
Also reden auch etliche vnfürsichtiglich von der Messe / ohn alle Erklerung / so
in solchem wichtigen Artickel von nöthen ist / plaudern schlecht also dahin /
Die Messe ist ein Grewel für Gott / man sol vnd muß sie fliehen / bey verlierung
ewiger Seligkeit / Die Pfaffen creutzigen Christum noch ein mal in der Messe /
Die Messe ist kein Opffer vberall / Es ist des Bapsts Lehre vnd Fündlin. Bey
diesen worten lassen sie es bleiben vnd stecken / ohn alle weitere erklerung.
Wenn nu ein Einfeltiger nichts weiter höret / denn diese wort / so alleine
zubrechen / vnd nicht bawen / was kan er anders dencken / denn daß alles / was
in der Messe gehandelt wird / nichts vnd vergeblich sey? Daraus denn folget /
daß er auch das heilige Abendmahl des HERRN verachtet / als ein vnnötig ding. Zu
solcher vnchristlichen Verachtung geben diese vngeschickte tolle Prediger
vrsache / die nicht wissen / wie man sol weit vnterscheide̅ den
Mißbrauch von dem wesen / Sondern vmb des Mißbrauchs willen auch das Wesen / so
an jhm selbs gut ist / hinweg werffen / vnd thun gerad / als wenn jemand ein
köstlich Edelstein im Roth gefunden / wieder hinweg würffe / als were es kein
nütz mehr / vmb des Koths willen / so daran klebte / vnd könte nicht solch
Edelstein von dem Koth fegen / vnd rein behalten.
|| [4]
Darumb solt mann hierinn fürsichtiglich handeln / vnd des HERRN Abendmal wol
vnterscheiden von dem Menschentandt / so durch der Papisten Aberglauben vnd
Geitz daran geschmieret ist / Damit das Volck klerlich vernehme / daß wir allein
verdammen den Zusatz / durch Menschen daran gehenget / zuwieder dem Glauben /
vnd nicht die heilige Messe Christi vnd der Apostel / welche wir nennen das
Abendmal des HERRN / oder das hochwirdige Sacrament des Altars.
Etliche / wenn sie sollen die Lehre S. Pauli von dem Gesetz Gottes vnd seinem
Ampt dem Volck fürlegen / lehren sie vnuerschampt also: Die Zehen Gebot sind vns
nicht gegeben / daß wir sie halten sollen / brechen flugs hiemit abe / vnd
fallen auff ein anders / da man solte wol vnd reichlich außstreichen / Wozu das
Gesetz gegeben sey / weil es nicht kan den Sünder from vnd gerecht machen. Wer
nun solches höret / vnd S. Paulum nicht wol verstehet / der muß durch solche
rede geergert werden / Denn er fasset so bald solche Gedancken daraus / daß man
nicht dürffe sich vben im Gesetze vnd Guten Wercken / vnd möge hinfort Stelen /
Ehebrechen / vnd Morden / etc. Den̅ solche Wort höret man
öffentlich von etlichen / die solche vngeschickte Prediger gehört haben.
Vom Freyen Willen plaudern etliche auch grob / vnd vngeschickt gnug für dem Pöbel
/ so da sagen / Wir haben keinen Freyen Willen vberall / was wir thun / das
müssen wir thun / etc. Vnd sagen nichts weiter dazu / daß man solche Rede könte
leiden / sondern fladdern dauon / vnd lassen solche stifft in der Einfeltigen
Hertzen stecken / daß sie müssen dencken / Ist das wahr / daß ich alles / was
ich thue / aus noth thun muß / Was bin ich denn besser / denn ein Viehe? Vnd wie
kan ich mich für Sünden hüten? So ich sündigen muß / warumb straffet mich Gott?
etc. Also geben solche vnfürsichtige Wescher dem Pöbel vrsache / daß sie halten
/ Gott sey ein vrsache der Sünde / welches ist eine Gotteslesterung / Denn Gott
ist gar nicht ein vrsache der Sünden / Sondern hat vns dagegen seinen Willen
offenbahret im Gesetze / daß Er die Sünde hasset / weil er sie so ernstlich vnd
streng verbeut / vnd dazu straffet / beyde zeitlich vnd ewiglich.
Eben desselben gleichen reden etliche auch von dem hohen Artickel der Göttlichen
Versehung / vber die massen vngeschickt vnd ergerlich / da sie solten bey den
Worten vnd Lehre Sanct Pauli bleiben. Denn also reden sie vnterweilen / Bistu
von Gott zur Seligkeit versehen / so kanstu nicht verdampt werden / du thust was
du wollest / böses oder guts. Dauon werden die Zuhörer entweder gar wild vnd
|| [5]
ruchlos / verachten allen Gehorsam / oder fallen in
Verzweiffelung / vnnd lestern also: Was wolte ich mich viel mit Fasten / Beten /
Allmosen geben / meinem Nechsten verzeihen / vnd dergleichen Guten Wercken
beladen vnd martern / Vnser Pfarrherr spricht / Es helffe mich nichts / Ich wil
ein gut Gesell seyn / vnd nichts sorgen / bin ich versehen / so werde ich selig
/ bin ich nicht versehen / so fahre ich hin mit dem grossen Hauffen / ich thue
gleich / was ich wolle / so gilts gleich viel. Also muß Menschliche Vernunfft
gewißlich allezeit lestern / wenn sie höret einen solchen Plauderer / der so mit
vngewaschenem Munde / vnd so vnsaubern Worten von dem hohen heiligen Geheimniß
der Versehung geiffert vnd speyet. Nein / Es gilt nicht gleich so viel / was du
thust / Denn wir wissen / daß Christus Matthei 25. spricht: Kompt her jhr
Gebenedeyten meines Vaters / besitzet das Reich / welchs euch von anbegin der
Welt bereit ist / Mich hat gehungert / vnd jhr habt Mir zu essen geben / etc.
Hie hörestu / Wer guts thut / der wird selig / Wer böses thut / vnd darinn
verharret / der wird verdampt.
Solches geschicht auch in dem Artickel / von der Christlichen Freyheit / welchen
die vngelehrten Prediger so vnweißlich vnd vnchristlich handeln / daß der grobe
Pöbel wehnet / die Christen seyn / niemand nichts verpflicht / vnd Herren frey
von allen Geboten / keiner Obrigkeit Gehorsam schüldig / Item / daß alle Wälde /
Ecker / Weinberge / See / Güter / vnd Gründe / vnd alle ding / jederman gemein
seyn sollen / Man̅ dürffe auch keine Zehenden noch Zinß bezahlen /
etc. Vnd in Summa / daß ein jeglicher frey möge thun / was jhn gelüstet. Aus
solchem Vnuerstande dieses Artickels ist erwecket der Bawren Auffrhur / im 1525.
Jahr / darinn bis in die Hundert tausent Man / in Schwaben / Francken /
Thüringen / Elsas / etc. erschlagen sind. Ich habe selbs einen Magister von Pariß gekant / der einen Bawren
verthedingen wolte / für der Ebtissin zu Lindaw / welcher Bawr jhr armer Man war
/ vnd muste jhr fronen / Ey / gnedige Fraw (sprach er) es ist nicht recht / daß
jhr die armen Leute so beschweret / vnd solchen Dienst von jhnen fordert / Denn
Christus hat vns erlöset / vnd frey gemachet durch sein Blut.
Siehe / dieser alter Magister, vnd 40. Jahr ein Prediger
gewest / verstund noch nicht / was die Freyheit sey / so wir haben in Christo /
vnd menget vntereinander Weltlicher Obrigkeit Regiment / vnd das Geistlich Reich
Christi / etc. Als were Christo damit grosse Ehre gegebe̅ / daß er
vns hette von eusserliche̅ bürgerlichen diensten vnd pflicht
gefreyet / vnd allein eine Fleischliche Freyheit erworben / Darumb
|| [6]
hat dieser nichts vber all verstanden noch gelehret von
Sünde oder Gerechtigkeit / eben so wenig / als seine Meister / die Hochgelahrten
in der hohen Schul zu Pariß / die noch heutiges tages des Endchrists Diener
seyn.
Ich rede wie ichs erfahren habe / daß solche törichte / Gottlose vnd auff
rhürische Predigten von Christlicher Freyheit / viel feiner geschickter vnd
gelerter Leute vom Euangelio abgeschreckt haben / wenn sie gehöret haben solche
Klüglinge das Euangelium rhümen / zum Deckel solcher grewlicher Irrthumb / daß
sie darnach von der gantzen Lehre des Euangelij nichts gehalten haben / So doch
solche tolle Schwermer nicht das Euangelion Christi / sondern jhr eigene Trewme
predigen / Denn das Euangelion hebet nicht auff Weltliche Obrigkeit vnd Ordnung
/ sondern bestetigt sie. Derhalben haben sie auch von Weltlicher Obrigkeit vbel
gelehret / daß sie solch Ampt nicht gepreiset haben / als ein gut vnd nötig
Werck / sondern getadelt / als ein vnbillichen zwang oder Tyranney.
Etliche / so sie gehöret haben / daß die Christen alle von GOTT müssen gelehret
werden / wollen sie damit jhre Faulheit vnd Vnwissenheit beschützen / vnd fahen
an alle gute Lehre vnd Kunst / als ein vntüchtig ding / zu verachten / blehen
vnd brüsten sich / als können vnd wissen sie alles. Vnd je vngelehrter ein
solcher ist / je herrlicher rhümet er von seinem Geist / gerad als habe der
Heilig Geist an seinen eigenen Gaben / nemlich / Kunst vnd Weißheit / miß
fallen. Aus solchem Irrthumb köm̅ets / daß auch gemeine Handwercks
Leute vnd Bawren vom Dorff in das Predigampt fallen / Vnd geben für / Mann
dürffe keines studierens dazu / denn wir werden alle von Gott gelehret. Darumb
weil sie sich vnterstehen die Schrifft zu handeln / ohn die Gaben der Weissagung
/ stifften sie vnzehlich viel Irrthumb. Sie verachten die alten Christlichen
Lehrer / als wüstens jetzt allein die Vngelehrten alles / Vnd der meiste hauffe
vnter jnen verachten auch die Kinderschulen / daß jetzt alle Schulen wüst werden
/ welche Verachtung siehet der Teuffel sehr gerne / aber Gott wird dadurch auffs
höchste erzürnet.
Lieber GOTT / Woher sollen doch die Kirchen vber zwantzig Jahr Prediger wehlen
vnd beruffen? Woher sollen Fürsten vnd Städte Juristen vnd Cantzler nehmen? Es
werden zuletzt die Leute gar wild / als eytel vnuernünfftige Thier werden / vnd
wird aus Teutschland wieder ein lauter Barbarey / wie es vor zeiten gewesen ist
/ Vnd werden darnach sich wieder müssen lassen schinden / vnd berauben durch
allerley Verführer. Denn daß wir den Ende
|| [7]
christ
vnd die Römische Triegerey / vnd vnser Freyheit in Christo erkant haben / das
hat Gott alles durch Erkentniß der Sprachen vnd heiliger Schrifft außgericht.
Von der Satisfaction oder Gnugthuung (so man bißhero ein Stück der Busse
genennet) reden auch etliche sehr vnbescheiden / daß der vnuerstendige Pöbel
daraus einen Wahn fasset / mann sey nicht schüldig sich in Guten Wercken zu vben
/ vnd das Creutz zu tragen.
Von der Jungfrawschafft / welche in der Schrifft fast gelobet wird / reden
etliche so schimpfflich vnd vnzüchtig / daß viel vnschüldiger Hertzen durch jhre
vnzüchtige Wort verletzt werden. Also fahren sie zu beyden Seiten den Holtzweg
aus / können auff der rechten mittel Strassen nicht bleiben / Denn der Ehestand
ist ohne zweiffel hoch vnd gros zu loben / Doch daß damit die Jungfrewliche
Keuscheit nicht geschmehet werde.
Ich höre auch / daß etliche von der Beicht wenig halten / vnd jhre Schäfflein
nicht fleissig verhören / noch den Catechismum von jhnen
fordern / Vnd einen gantzen Hauffen / die da beichten / zugleich vnd auff einmal
vnterrichten vnd absoluieren / Welchs alles nicht taug / die Christenheit zu
bawen / sondern mehr zu verstören.
Dergleichen reden auch viel gar vnweißlich für dem Pöbel / von Menschen
Satzungen: Man muß alle Menschen Satzungen fliehen / sie sind aus dem Teuffel /
man ist jhnen keinen Gehorsam schüldig. Das ist ergerlich / vnd vbel von der
Sach geredt.
Darumb solte man hie fleissig lehren / was Menschen Lehre heissen / vnd wie sie
zu vnterscheiden / welche man halten oder verwerffen solte / So wollen sie in
Hauffen / vnd in gemein dahin / ohn allen Vnterscheid / alles verdammen / Daher
denn der grobe Pöbel meynet / man sey niemand keinen Gehorsam schüldig / vnd
dürffe gar nichts mehr halten / was Menschen ordnen oder gebieten.
Von dem Fasten narren sie auch also / Mann darff der Fasten nicht / man kan keine
Sünde damit büssen / oder gnugthun / Die Fasten ist des Bapsts Fündlin / etc.
vnd brechen gemeiniglich hiemit ab. Weil aber ohne das vnser Fleisch von Natur
das Creutz vnd Casteyung fleucht / vnd suchet Wollust / vnd was jhm sanfft thut
/ So muß aus solchen tollen Predigten viel Vbels folgen / wie man siehet / daß
die Leute das Fasten so herrlich verachten / als sey es gar kein nütz / vnd frey
dahin / ohn alle Zucht vnd Masse / schwelgen / vnd in vollem sause leben. Darumb
wird warlich GOTT / der öberste
|| [8]
Richter das Blut dere /
so durch solche törichte Predigte verführet werden / von der Prediger Henden
fordern / wie Er drewet / Ezech. 33.
Was sol ich weiter sagen? Vom Gebet wissen etliche nichts zu reden / den̅ solche törichte wort: Viel beten vnd plappern ist ein
Heydnischer Irrthum̅ / vnd Gleißnerey / Gott hat gar keinen
gefallen daran. Da brechen sie aber die rede zu kurtz abe / da sie solten raum
nehmen / vnd ördentlich handeln vnd außstreichen / was zum Gebet gehöret / damit
die Leute nicht von so nöthiger Christlicher Vbung des Gebets durch solch
töricht Geschrey gezogen würden.
Von der Heiligen anruffen reden etliche so frech vnd freuel / daß from̅e Hertzen sehr geergert werden an solchen vnchristlichen reden /
So man doch von den lieben Heiligen billich sol auffs aller ehrlichste reden.
Aber der Satan wolt gerne durch solche lose vnchristliche gewesche diesen
Artickel / Ich gleube ein heilige Christliche Kirche / die Gemeine der Heiligen
/ veracht machen / daß man wenig oder nichts vberall von der Gemeine der
Heiligen hielte.
Von den Bilden höret man auch dergleichen alfantzen / von vielen / so von der
Christlichen Freyheit nichts verstehen.
Item / Von gemeiner Sontags Feyer vnd ander Fest reden sie auch den
Schwermgeistern gleich / dadurch der Pöbel von GOttes Wort zu hören / vnd das
hochwirdige Sacrament zu empfahen gezogen wird.
Also von Ceremonien oder Kirchenordnungen predigen sie auch nicht wie sichs
gebühret / Denn von vielen höret man nichts anders / denn solche wort: Es ist
ein vergeblich ding mit den Ceremonien / sie sollen nichts / Was bedarff man in
der Kirchen besonderer Kleider? Es ist eytel vnnütz Menschentandt / etc. Gleich
als könte das Leben ohne Ceremonien seyn. Darumb solt man wol vnterscheiden /
zwischen vnchristlichen Ceremonien / vnd andern / die da frey sind / Vnd welche
Ceremonien dazu dienen / daß es ördentlich in der Kirchen zu gehe / die solte
man züchtiglich halten / vnd nicht so frech abthun vnd verwerffen / Denn solche
vnzeitige Enderung der alten Ceremonien hat allzeit viel Zweytracht vnd Vnruhe
in der Christenheit gemacht.
Bey etlichen reget sich auch noch der alte Satan der Origenisten vnd Saduceern /
daß sie sehr vnehrlich reden von der Christen Begrebniß vnd Kirchhöfen / oder
Gotteseckern / schwechen dadurch den Glauben dieses Artickels / Ich gleube eine
Aufferstehung der Todten. So doch ein Christ sol vnd muß von der Begrebniß
ehrlich reden / vnd was dazu gehöret / mit Zucht vnd Ehren handeln / von wegen
der gewissen Hoffnung der herrlichen Aufferstehung / welche
|| [9]
ist vnser einiger höchster Trost / vnd kan nicht leiden / daß man
die Leichnam so schendlich dahin werffe / ohn alle Ehre / dere sie dem Leichnam
des HErrn Christi am Jüngsten tage gleich werden sollen / wie vns Gottes Wort
lehret.
Aber wer wil oder kan alle dergleichen ertichte Lehren erzehlen? Daß man aber
hierinn meinen Fleiß spüre / habe ich etliche kurtze Form vnd Weise stellen
wollen / welche ich auch selbst brauche / wenn ich von solchen Stücken predigen
muß / Vnd halte dafür / meine liebsten Brüder / sie sollen euch auch dienen /
daß jhr sie stets für euch habet / damit durch vns Prediger den Einfeltigen kein
Ergerniß gegeben werde.
|| [10]
Wie man recht lehren sol von der Busse. I.
ETliche lehren wol etwas von der Busse / sagen aber nicht gnug dauon / wie sichs
gebühret / Denn sie treiben nicht mehr / denn den gemeinen Spruch / aus Magistro Sententiarum, daß Busse sey / begangene Sünde
beweinen / vnd dieselbigen nicht mehr begehen: Aber daraus verstehet man nicht /
Woher rechte Busse kom̅e oder entspringe / noch worin̅ sie eigentlich stehe / vnd was dazu gehöre. Denn Judas Iscarioth / Matt. 26.
hat seine Sünde auch ernstlich beweinet oder berewet / vnd dazu öffentlich
bekant / daß er das vnschüldige Blut verrhaten hette / vnd hatte so grosse Rew
vnd Leid / daß er sich so bald selbs erhengt / Hat auch solche Sünde nicht mehr
gethan / vnd war doch eine vergebliche nichtige Busse.
Aber das Euangelium lehret also von der Busse / Daß es sey / Hertzliche Rew vnd
Leid haben / für begangene Sünde / vnd ernstlich erschrecken für GOttes Gericht
/ damit das Hertz zuschlagen vnd gedemütiget werde / Vnd daneben vngezweiffelt
gleuben / daß alle Sünde (wie viel vnd wie gros die auch sind) vns von Gott
vergeben werden / durch Christus Verdienst / welcher vnser Sünde selbs auff sich
genom̅en vnd getragen hat an seinem Leibe / auff dem Stamme
des Creutzes.
Darumb ist dis die Ordnung in der Lehre von der Busse. Zum Ersten / So das
Gesetze recht geprediget wird / erwechset in vns / durch den heiligen Geist /
warhafftige Erkentniß der Sünden / Das heissen wir Rew vnd Leid. Zum Andern /
wird vns gegeben / durch rechtschaffene Predigt des Euangelij / Erkentniß der
Gnaden Gottes in Christo / Das heissen wir gleuben oder vertrawen auff Gottes
Gnade.
Als zum Exempel / Fürs erste hörestu die Zehen Gebot / aus welchen du lernest /
wie gröblich du Gottes Gesetz vbertretten habest / vnd nach gerechtem Vrtheil
Gottes der Ewigen Verdamniß werth bist. Darnach hörestu weiter solche oder
dergleichen Sprüch des
|| [11]
Euangelij / Jesus Christus ist
in diese Welt kommen / nicht daß Er die Welt verdamme / Sondern daß er die
Sünder selig mache / Johan. 3. 1. Timoth. 1. So du nun Christum mit dem Glauben
ergreiffest / als deinen einigen Gerecht vnd Seligmacher / der nicht alleine S.
Petri oder S. Pauli / Sondern auch deine Sünde tilget / So wirstu alßdenn
getröstet / vnd erkennest die Gnade Gottes recht / vnd hast also rechte Busse /
aus welcher ohne zweiffel hernach folgen werden rechtschaffene Früchte der Busse
/ das ist / Besserung des Lebens / vnd gute Werck.
Diese Ordnung in der rechten Busse lehren die Euangelisten selbs Marci 1. Thut
Busse / vnd gleubet dem Euangelio. Dis ist die Predigt des grossen Vorlauffers
Christi S. Johannis / als solt er hiemit sagen / Für allen dingen erkennet ewre
Sünde / hasset vnd fliehet dieselbigen / vnd kehret euch von ewrem bösen wesen /
vnd denn gleubet / daß euch die Sünde vergeben werden / vmb Christi JEsu willen
/ wie euch das Euangelium Vergebung der Sünden im Nahmen Jesu Christi
verkündiget.
Also hastu hie zum ersten die Rewe / vnd Furcht oder schrecken für Gott / welches
ist das erste Stück der Busse. Zum andern / hastu den Glauben des Euangelij /
welchs ist das andere Stück / das Judas der Verrheter nicht gehabt hat / darumb
er auch verzweiffelt / als der der rechten Busse gefehlet hat.
Hie siehestu auch / daß kein rechter Glaube in einem Menschen seyn kan / wo nicht
zuuor Busse oder Rew vnd Leid da ist. Denn wie kan der Mensch an Christum
gleuben (als der jhn Gerecht machen sol) oder sein begehren / der seine
Vngerechtigkeit noch nicht erkennet / oder je nicht achtet.
Des nim ein Exempel / Wo einer tödlich kranck ligt / vnd doch seine Kranckheit
nicht kennet / noch achten wolte / der muß gewißlich auch beyde den Artzt vnd
alle Artzney verachten. Also ist die Sünde eine tödliche Seuche / der Krancke
ist der Sünder / der Artzt ist Christus / die Artzney ist die Gnade Christi /
Darumb können solche verheissene vnd angebotene Gnade nicht begeren / die
verstockte oder vnbußfertige Sünder sind / das ist / die kein Rew noch Leid von
wegen jrer Sünde haben / sondern sich derselbigen noch frewen vnd rhümen.
Dergleichen begehren jhr auch nicht die Heuchler / die sich für gerecht halten
ohne die Gnade Christi. Aber solche Sünder / so jhre Sünde erkennen / vnd
zittern für dem schrecklichen Gerichte Gottes / vnd in jhrem Gewissen Gottes
Zorn fühlen / daß sie den ewigen Tod verdienet haben / dieselbigen seufftzen mit
grossem sehnen vnd verlangen
|| [12]
nach der Gnade Christi /
denselbigen ist ein einige Absolutio aus dem Euangelio /
vber jhre Sünde gesprochen / thewrer vnd lieber / denn alles Geld vnd Gut der
gantzen Welt. Daher spricht Christus Matth. 11. Den Armen wird das Euangelium
verkündiget / das ist / Denen / die erschrockene vnd blöde Gewissen haben / von
wegen der Sünde / vnd sind zerschlagene vnd gedemütigte Hertzen. Das sind die
rechten Schüler vnd Zuhörer des Euangelij / Denn jnen das Euangelium verkündiget
vergebung der Sünden durch Christum. So begehren sie nichts hertzlicher / denn
Vergebung der Sünden / auff daß sie mögen gerecht werden. Also spricht Er auch
Matth. 9. Ich bin kommen zu ruffen den Sündern / vnd nicht den Gerechten.
Dis alles magstu kürtzer fassen / auff diese weise:
Erkenne / berewe vnd bekenne deine Sünde von Hertzen / gleube aber auch dabey /
daß JEsus Christus Gottes vnbeflecktes Lamb / auch diese deine Sünde getragen
vnd gebüsset habe / bezeuge auch deine inwendige Busse mit besserung deines
Lebens. Das ist die rechte Euangelische Busse. Rew vnd Leid ohne Glauben hilfft
nicht / Glaube ohne rew vnd leid ist kein rechter Christlicher Glaube / Rew vnd
Glaube müssen beyeinander seyn. Darumb merck fleissig frommer Christ / Welcher
Mensch nicht zum ersten seine eigene manchfeltige Sünde / vnd daneben auch die
lautere Gnade Gottes in Christo vnserm HERRN warhafftiglich / ohne Gleißnerey
kennet vnd gleubet / der steckt warlich noch in seinen Sünden vnd
Vnbußfertigkeit / vnd ist kein Christ / wenn er schon sonst viel vom Euangelio
reden vnd schreiben kan.
Die Einfeltigen hören jetzt zu dieser zeit viel Predigt vom Glauben / aber an
etlichen örten allzu wenig von der Busse / vnd lassen sich also düncken / sie
gleuben recht / so doch in der Warheit niemand recht gleubet / er habe denn auch
zuuor Rewe vber seine Sünde.
II. Wie man recht reden sol vom Glauben / Wercken vnd Verdienst.
ES treget sich offt zu / ob gleich ein Pfarrherr oder Prediger etwas anders aus
der Schrifft zu handeln hat / daß er dennoch zufeilig vom Glauben vnd guten
Wercken etwas sagen muß. Da solt er allezeit sich fürsehen / daß er nicht kurtz
vnd stumpff ab
|| [13]
breche / vnd nichts mehr sage /
denn der Glaube macht allein gerecht / Vnser Werck sind nichts / vnd also flugs
auff ein anders falle / Sondern daß er jhm raum nehme / vnd auff solche weise
dauon rede:
Wol ists wahr / daß allein der Glaube (das ist / Hertzlich vertrawen auff Gottes
Gnad vnd Barmhertzigkeit / vns vmb Christi willen verheissen) oder allein Gottes
Gnade vnd Barmhertzigkeit / machet den Sünder gerecht / Aber doch bleibet der
Glaube nimmermehr allein / Denn der rechtschaffene Glaube ist thetig durch die
Liebe / Galat. 5. Vnd gleich wie ein guter Baum gewißlich Früchte bringet / Also
bringet auch der Glaube gute Werck / welche gewißlich dem Glauben folgen.
Darumb / Wo man keine Besserung des Lebens / keine Furcht Gottes / oder Busse /
vnd keine Gute Werck spüret / da ist gewißlich kein Glaube / oder nur ein
falscher geferbter Glaube / vnd welcher noch fleischlich lebet / in Fressen vnd
sauffen / Hurerey vnd Ehebruch / Diebstal / vnd dergleichen bösen stücken / der
sol sich nicht rhümen / daß er den Glauben habe / vnd ein Christ sey / Sondern
wende sich vom bösen / vnd thue gutes.
Des rechten Glaubens Exempel hastu in Abraham / der gleubte warhafftig Göttlicher
Verheissung / vnd derselbige Glaube that viel vnd grosse Wunderwerck / Denn er
war Gottes Befehl gehorsam / verlies sein Vaterland / vnd zog vmb im Elend / war
auch bereit seinen eigenen Sohn zu opffern. Dagegen hastu auch ein Exempel des
geferbten oder falschen Glaubens in Cain vnd Juda / Denn Cain that Gotte ein
Opffer / aber sein Hertz stund nicht recht gegen jhm / Judas war ein Apostel
Christi / vnd für Christgleubig gehalten / aber sein Werck war / daß er Christum
verrhiet.
Das ist nu die Ordnung zwischen dem Glauben vnd Wercken. Erstlich empfehet das
Hertz den Glauben aus dem Euangelio / derselbige machet mich gerecht / das ist /
aus einem Sünder machet er mich from für Gott / Darnach wenn ich also bin
gerecht worden / so thue ich gute Werck. Der Baum muß zuuor gut seyn / sol er
gute Früchte bringen. Des hastu ein Exempel in S. Paulo / S. Paulus ehe er
bekehrt oder gerecht ward / war er ein Sünder vnd böser Mensch / Darumb waren
alle seine Werck böse / Wie der Baum war / so waren auch die früchte / Hernach
aber / da er bekehret ward / da war er gerecht / Darumb so bald er from worden
war / thet er auch gute Werck / predigte Christum / vnd vmb seines Nahmens
willen leid er Verfolgung vnd allerley Vbel / zu letzt auch den Tod.
Zweyerley Werck werden in der Schrifft gelehret / Nemlich / zum
|| [14]
ersten Christi / darnach vnsere Werck / Aber zwischen denen beyden
ist grösser vnd weiter vnterscheid / denn zwischen Himmel vnd Erden / Denn des
HErrn Christi Werck haben vns erlanget vnd verdienet ewige Gerechtigkeit / Leben
vnd Seligkeit / vnd machen vns gerecht / so wir sie mit dem Glauben fassen /
Denn Er ist allein vnser Erlöser / Versöner / Mittler / Gerechtmacher vnd
Heyland / vnd kein ander / auch kein Engel / wie die gantze Schrifft bezeuget.
Aber vnsere Werck verdienen vns nicht solche vnbegreiffliche Ewige ding / machen
auch nicht Gerecht / Doch sind sie auch von nöten / vnd haben jhren Nutz / als
nemlich:
Zum Ersten / sind sie ein gebotener schüldiger Gehorsam / den wir Gott / als
vnserm Schöpffer / schüldig sind. So sind sie auch eine Dancksagung für allerley
Wolthat Gottes. Dazu sind sie das rechte Opffer oder Gottesdienst / die jhm
gefallen vmb der Person willen / so an Christum gleubet.
Zum andern / Vnser Himlischer Vater wird dadurch in vns gepreiset / wie Christus
Matth. 5. saget.
Zum dritten / Vnser Glaube wird durch gute Werck geübet vnd gestercket / daß er
zunehme vnd wachse.
Zum vierden / Gute Werck sind ein Zeugniß gegen vnserm Nehesten / dadurch er
gebessert wird / vnd ein Exempel / dadurch er gereitzet wird / denselben
nachzufolgen / Dazu wird jhm auch Leiblich in seiner Noth geholffen.
Zum fünfften / Durch gute Werck wird mir meine Beruffung gewiß / Denn so ich
meinen Nehesten liebe / vnd guts thue / so erfahre ich / daß mein Glaub nicht
falsch / vnd daß ich ein rechter Christ sey.
Zum sechsten / Vnser gute Werck / ob sie wol die grossen vnaußsprechlichen
Schätze nicht verdienen / Nemlich / Vergebung der Sünde / Gerechtigkeit /
Erlösung vom Tod vnd Teuffel / (denn das alles thut allein JEsus Christus) So
haben sie doch (aus Gottes Verheissung / aus lauter Gnaden gethan) beyde
Leibliche vnd Geistliche Belonung / zugleich in diesem Leben / vnd nach diesem
Leben / Nicht daß vns Gott etwas dafür schüldig oder pflichtig sey / Sondern
darumb / daß Ers verheissen vnd zugesagt hat aus Gnaden / vnd warhafftig ist /
Darumb wird Er solche Werck belohnen / vmb seines herrlichen Namens willen / wie
Jeremiae 17. geschrieben ist: Ich bin der HERR / der Hertz vnd Nieren prüfet /
vnd gebe einem jeglichen nach seinen Wercken.
Also auch Matt. 16. Es wird geschehen / daß des Menschen Sohn kommen wird in der
Herrligkeit seines Vaters / mit seinen Engeln /
|| [15]
vnd
alßdenn wird Er vergelten einem jeglichen nach seinen Wercken. Deßgleichen saget
S. Paulus Roman. 2. Item Matth. am 25. Capittel zeuget Christus gnugsam / wie
angenehm vnd gefellig jhm seyen Gute Wercke / so aus dem Glauben geschehen /
weil Er spricht: Ich bin hungerig gewesen / vnd jhr habt Mich gespeiset.
Vnd Summa / daß ichs noch klerer auffs einfeltigste sage: Die Schrifft redet
allenthalben herrlich vnd löblich von guten Wercken / vnd gedenckt jhrer nim̅er vbel. Darumb wenn man spricht / Alleine der Glaube machet from
/ so verwirfft man nicht die Guten Werck / Denn es ist nur so viel geredt / als
ich spreche / Allein Gottes Gnade in Christo machet vns from vnd selig / vnser
Wirdigkeit thuts nicht / Denn keine Creatur weder im Him̅el noch
auff Erden vermag solch gros vberschwenglich ding / Als / verdienen Ablaß der
Sünden / from vnd Selig machen / Sünde vnd Tod vertilgen / Allein vnser einiger
Mittler Jesus Christus kan vnd sol solches thun / Denn der Vater hat jhn allein
/ vnd fonst niemand / weder Engel noch Menschen / zur Erlösung vnd Frommachung
des Menschlichen Geschlechts / verordnet vnd gesandt / Derhalben wenn man den
Glauben rhümet / so schmehet man die Werck nicht / Sondern man rhümet den
rechten Brunnen / daraus alle gute Werck quellen / Es ist vnmüglich / ohne den
Glauben gute Werck thun.
Daß man aber so mit fleissigem vnterscheid vom Glauben vnd guten Wercken redet /
vnd einem jedern sein Ampt zulegt / das thut man darumb / daß man klar sehen mag
/ was Christus sey / vnd wie wir alles gutes von Gott allein vmb Christus willen
haben vnd empfahen / vnd was wir von vns selbs haben vnd thun. Solche Erkentniß
machet allein aus einem verdampten Sünder einen seligen Christen. Darumb ist
viel mehr daran gelege̅ / daß man recht vnterschiedlich vom
Glauben vnd guten Wercken rede / denn die Welt meynet.
Der Glaube machet vns from für Gott / die Guten Werck bezeugen aber solche
inwendige Frömmigkeit von aussen / für vnserm Nechsten / welchem sie dienen
sollen / zur besserung in allen Nöten.
Glaube ohne gute Werck ist kein Glaube / Werck ohne Glauben sind nicht gute Werck
/ Darumb müssen diese zwey ding / gleuben vnd gute Werck thun / beyeinander seyn
/ dieweil wir leben / Wer sein Leben nicht bessert / vnd Gute Werck thut / der
sol wissen / daß er kein Christ ist / Wer aber kein Christ ist / der wird
verdampt / Darnach mag sich jederman richten / GOTT hats also beschlossen / also
wird Ers auch endlich volnstrecken / das ist gewiß.
|| [16]
III. Wie man recht reden sol von der Messe.
DIe Messe / wie sie im Bapsthumb gehalten / ist gewesen eine rechte Abominatio, vmb vieler grewlicher Mißbreuche vnd
Irrthumb willen / so durch Menschen sind angehenget der Messe Christi vnd der
Apostel. Wir aber haben was nicht gut war / hinweg geworffen / das gute aber
haben wir behalten. Denn Gottes Wort vnd Ordnung sollen nicht von Menschen
geendert werden. Viel weniger sol man etwas wieder Gottes Wort vnd Einsetzung
für einen Gottesdienst in der Christenheit auffwerffen.
Das ist aber der Grewel / den sie an die Messe gehengt haben.
Zum Ersten / Daß die Messe sey ein solch Opffer / darinn Gottes Sohn täglich
Gotte seinem Vater geopffert werde / für die Sünde der Lebendigen vnd der
Todten.
Nu lehret die Schrifft / daß Christus sey nur einmal gestorben / vnd wieder
aufferstanden / vnd hinfurt nicht sterbe / Denn er hat sich einmal Gotte dem
Vater selbs geopffert für vns / ein Opff er zum süssen Geruch / Wie der Apostel
S. Paulus lehret / Eph. 5. Ebr. 7. 9. 10. Dis Opffer kan vnd sol nicht wieder
vernewert werden / Sondern so es einmal geschehen ist / gilt es jmmerdar vnd
ewiglich.
Das hat aber Christus befohlen / daß wir sollen ein Gedechtniß halten solches
einigen Opffers / biß an den Jüngsten tag / Vnd welche dem Euangelio gleuben /
von Christus Tod vnd Aufferstehung / vnd die Sacrament desselben vnsers HErrn
Christi empfahen / werden solches Opffers theilhafftig / Denn sie empfahen
Vergebung der Sünden / vnd ewiges Leben. Darnach sollen diese alle zumal täglich
Gotte jhre Opffer thun / welche sind / Ein zerschlagen vnd gedemütigt Hertz /
Lob vnd Preiß Göttlichs Namens / Dancksagung / anruffen oder beten / Creutz vnd
leiden vmb Christus Namen / vnd die Früchte des Glaubens / allerley gute Werck.
Zum Andern / Aus diesem Irrthumb von dem Meßopffer für die Sünde / sind kommen
die Winckelmessen / so man ohne zahl gehalten hat in der Welt / ohne
Communiranten / wieder Christus Wort vnd Brauch der ersten Kirchen. Denn was
könt des HErrn Nachtmal mehr zuwieder geschehen / den̅ daß man mit
einem andern newen Opffer oder Werck wil verdienen Vergebung der Sünden? so doch
des HERRN Nachtmal nichts anders ist / denn ein Ge
|| [17]
dechtniß seines Todes / welcher ist das einige Opffer / dadurch alle
Sünde könte vnd muste versönet werden.
Auch haben sie gelehret / daß jhre zusetze / als nötig / musten bey der Messe
gehalten werden. Das ist auch ein Irrthumb / Aber vmb der Einfeltigen willen /
vnd auff daß nach S. Pauli Regel / 1. Corin. 14. alles fein ördentlich zu gehe
in der Gemeine / (nicht aus Papistischer Superstition / vnd falschem
Aberglauben) behalten wir den gewönlichen Kirchen Ornat / vnd anders / so nicht
wieder GOttes Wort ist.
Aber die rechte Messe Christi vnd der Apostel / ist des HErrn Nachtmal halten in
der Gemeine / so wir nach der Einsetzung Christi / vnd nach der Apostel Brauch /
den Leib des HERRN essen / vnd sein Blut trincken / zu seinem Gedechtniß / vnd
verkündigen den heilsamen Tod des HERRN / bis Er kömpt / das ist / bis an den
Tag des Jüngsten Gerichts. Dis ist das Gedechtniß seiner Wunder / wie es der
111. Psalm nennet / Daß Er allein für vns alle gestorben ist / darumb daß wir
alle gestorben sind / Vnd in der andern zun Corinthern am 5. Vnd ist wieder
aufferstanden von den Todten / nach der Schrifft / vnd hat vnser Feinde / die
Sünde / den Tod vnd Teuffel / vberwunden / vnd nu zur Rechten Hand des
Vatersregieret in Ewigkeit / daß wir auch mit jhm herrschen werden. Wie können
alle Creaturen jmmermehr diese vberaus herrliche Werck vnsers einigen Erlösers
Christi gnug verwundern vnd preisen? Daß Er vnser Sünde durch sein eigen Blut
getilget hat / vnsern Tod durch seinen Tod verschlungen / vnd den Teuffel
vberwunden durch sich selbs / Coloss. 2. Also wird jetzt erfüllet / das der 111.
Psalm weissaget: Er sendet seinem Volck Erlösung / Er verheisset / daß sein Bund
ewiglich bleiben sol. Denn solchen vberaus herrlichen Sieg an vnsern Feinden hat
Gott vns gegeben / durch JEsum Christum vnsern HERRN.
Solches möchtestu kürtzer fassen auff diese Weise:
Die heilige Schrifft saget allein von einem einigen Sündopffer / das ist das
besonder grosse Opffer / daß Gottes Sohn JEsus Christus sich selbs am Creutze
einmal dem Vater für vns auffgeopffert / vnd den bittern Tod gelidden hat / vnd
damit alle vnsere Sünde auff einmal bezahlet / vnd vns Gott dem Vater wiederumb
versönet hat / Wer das gleubet / der wird from vnd Selig / Denn er wird
gewißlich sein Leben bessern / vnd hinfurt Christlich leben / Die
|| [18]
weil er gleubet / daß eine solche ernstliche /
vbertewre Bezahlung vnd Busse hat für seine Sünde geschehen müssen / daß GOttes
Sohn selbest in eigener Person / sich vmb vnser Sünde willen hat tödten lassen.
Darumb ists ein Grewel für Gott / daß sich die sündigen Menschen vnterstanden mit
täglichem Meßopffer erst jetzt vnser Sünde zu bezahlen / vnd vns GOtt zu
versünen. Die Christenheit hat ja auch jhre Opffer / als wol als vor zeiten die
Synagoga der Jüden / vnd viel besser / Aber vnser
einig Sünd vnd Schuldopffer ist niemand denn Christus selbst / der von keiner
Sünde wuste / Aber der Vater hat Ihn vns zu einem Sündopffer gemacht / spricht
S. Paulus / 2. Corinth. 5. Auff daß wir in Ihm würden die Gerechtigkeit / die
für Gott gilt / das ist / Daß wir durch Ihn geheiliget vnd Gerecht würden /
nicht durch vnsere Werck.
Vber das Sündopffer opffert die Christenheit auch jetzt / bis an Jüngsten tag /
Danckopffer für die Erlösung in Christo / vnd für alle Güter Gottes. Also
opffern wir täglich ein zerknirscht demütig Hertz / Lob vnd Danck / vnd alles /
was wir gutes wircken / vnser Lebenlang / aus reinem Glauben. Daneben aber hat
vns Christus eingesetzt / mit ernst zu begehen die tröstliche Gedechtniß seines
Todes / oder einigen Opffers am Creutz / einmal vollnbracht / das ist / sein
heiliges Nachtmal / das hochwirdige Sacrament seines Leibs vnd Bluts.
IIII. Wie man recht reden sol / von dem Gesetz oder Zehen Geboten.
ZVm Ersten / Gottes Gesetz sind wir schüldig auffs volkommenste zu halten / also
/ daß auch kein Buchstaben noch Tüttel dauon nachbleiben solte / Denn das ist
der allerheiligste Gottes Wille / vnd das rechte Gottselige Leben. Vnd wo das
Gesetz nicht gehalten wird / ist die ewige Seligkeit nicht zu hoffen.
Zum Andern / Aber vnser Natur ist durch die Erbsünde (welche durch die
fleischliche Geburt von Adam in vns alle gepflantzt ist) also verderbt /
geschwechet / vnd verblendet / daß sie auch Gottes Gebot aus jhr selbst / oder
aus eigenen Krefften / nicht verstehet / vnd von Natur mit vnördentlicher Lust
vnd begirde dawieder geneigt ist / vnd also von jhr selbs dieselbigen nimmermehr
erfüllet. Denn also beschreibet Moses vnsere Natur (ehe vnd zuuor denn wir durch
Wasser vnd Geist wiedergeborn werden) Gen. 8. Alles tichten des Mensch
|| [19]
lichen Hertzen ist böse von der Jugend auff.
Was solt es denn guts thun vnd wircken?
Darumb ist das Gesetz vnd Gottes Gebot wol heilig / gerecht vnd gut / Roman. 7.
Aber wir sind böse von Mutterleibe an / vnd werden dazu mit solcher Geistlicher
Blindheit geborn / daß wir vnser eigen Boßheit nicht verstehen / vnd derwegen
keine Artzney noch hülffe dawieder suchen / Vnd müsten also vnsert halben
ewiglich verderben vnd verlohren seyn.
Zum dritten / Darumb hat auch der Barmhertzige GOtt sein Gesetz Schrifftlich
gegeben / daß es vns von wegen vnser Sünden straffe / vnd erschrecke mit drewen
der straffe / vnd Gottes Gerichts / vnd also vns zu Erkentniß vnser selbst
bringe / auff daß / so wir vnser Boßheit vnd Jammer erkennen / Gnade vnd Hülffe
suchen. Also spricht S. Paulus Rom. 3. Durchs Gesetze wird die Sünde erkant. Er
spricht nicht / Durchs Gesetz wird die Sünde abgethan. Denn es offenbahret
allein vnser Sünde vnd Gottes Zorn / nimpt aber die Sünde nicht weg. Darumb ist
das Gesetz dazu gegeben / daß es den Hoffertigen Menschen demütige / auff daß /
wenn er gedemütiget ist / Gnade vnd Hülffe suche.
Zum vierden / Es ist aber kein Hülffe noch Raht / keine Gnade bey Gott / ohn
allein in Christo JEsu / welcher ist vnser Mittler zwischen GOtt vnd dem
Menschen. Darumb treibet das Gesetz die Sünder zu Christo / als zu jhrem Artzt
zu flichen / welcher das Gesetz erfüllet hat / vnd dieselbige seine erfüllung
vns schencket / wie Paulus 1. Corinth. 1. saget: Christus ist vnser
Gerechtigkeit / etc. Vnd Rom. 10. Christus ist die Erfüllung des Gesetzes / zur
Gerechtigkeit allen / die da gleuben.
Darnach hat Er auch vns verdienet den heiligen Geist / welcher vns gegehen wird
in der Tauffe / Vnd so wir das Euangelium von der Gnade Gottes hören / durch
welchen wir anfahen / auch selbst das Gesetz zu erfüllen / Wir haben aber einen
gar grossen vortheil in dem HErrn Christo / Den̅ wir sind noch zum
theil Fleischlich / dieweil das Fleisch allezeit wieder den Geist strebt / vnd
hindert / daß wir das Gesetz nicht erfüllen / zun Römern am 7. zum Galatern am
5. Capittel / Aber vmb Christus willen / an den wir gleuben / vergibt vnd
schenckt vns Gott die vbrigen Sünde im Fleisch / vnd rechnet sie vns nicht zur
ewigen Verdamniß. So haben wir auch selbst mißfallen an derselbigen vbrigen
Sünde / vnd wolten gerne / daß der Sawrteig der alten Boßheit gar in vns
außgefeget were / welchs endlich geschehen wird in der Wiedergeburt am Jüngsten
tag.
|| [20]
Oder also auff kürtzer weise:
Die Gebot Gottes sind vns Adamskindern zu hoch / Wir sind empfangen in der
Erbsünde / vnd derhalb arme geborne Sünder / von jugend auff böse. Wir sollens
halten / aber wir könnens ohn die Gnade Christi nicht halten / Was vns vnmüglich
ist / das ist Gott müglich / Darumb hat vns Gott die Gebot aus gnedigem Willen
gegeben / daß wir darinn / als in einem klaren Spiegel / vnser sündige verstörte
Natur / vnser Gebrechen / Sünde vnd Göttlich Vrtheil lernen erkennen / demütig
werden / vnd Christum suchen / Der allein vnd sonst niemand hat die Gebot auffs
aller vollenkom̅enste erfüllet. Solcher Erfüllung geniessen wir
für Gott / wenn wir an Christum gleuben / Vnnd Christus allein gibt vns seinen
Geist / durch sein Wort / daß wir auch Verstand / Willen vnd Krafft kriegen /
Gottes Gebot zu halten. Aber die Erfüllung gehet noch schwach zu / dieweil wir
leben / Denn das Fleisch hat keine Lust zu Gottes Geboten. Aber den vortheil
haben wir / so wir im Christlichen Glauben bleiben / die Sünde hassen / Daß vns
Gott jmmerdar die vbrigen Sünde vmb Christus willen verzeihet. Darumb ob schon
das Gesetz den Sünder nicht from̅ machet / (Denn solch gros ding
gehöret allein Christo zu) so bereit es jhn aber zur Fröm̅igkeit /
Denn er erschrickt / wenn er seine Sünde vnd Gottes Gericht durch das Gesetz
erkennet / vnd kreucht zum Creutz Christi / ruffet den Namen des HERRN an /
begehret Gnade / vnd kriegt Ablaß der Sünden / vnd Gottes Geist. Darumb lieben
Freunde / lernet die Zehen Gebot mit grossem fleis / vnd bittet Gott vmb Gnade /
daß jhr sie halten möget / vnd vmb Verzeihung / wo jhr sie vbertretten habt.
V. Wie man recht reden sol vom Freyen Willen.
DEr Mensch hat einen Freyen willen in denen dingen / so dis vergengliche Leben
betreffen / Da mag er wollen oder nicht wollen essen / trincken / gehen / stehen
/ dis oder das thun / oder lassen / Denn er hat das natürliche Liecht der Natur
/ vnd etlicher maß Freyheit / Erbarlich vnd frömmiglich zu leben für der Welt /
Wie denn viel vnter den Heyden erbarlich gelebt haben. Wir haben aber droben
gesaget / daß durch die Erbsünde alle Kreffte des Menschen verderbt sind / daß
er von wegender verderbten Natur nicht kan Gottes Gesetz erfüllen / Denn das
Gesetz ist Geistlich / zum Römern
|| [21]
am 7. vnd fordert
viel mehr / denn allein eusserliche Werck / Der Natürliche Mensche hat weder
verstand noch lust dazu. Darumb haben wir von Natur vnd vnser ersten Geburt
keinen Freyen Willen / Gottseliglich zu leben für Gott / vnd gute Werck zu thun
/ Sondern allein durch die Gnade Christi / Wie Christus Johan. am 8. spricht /
Wo euch der Sohn frey machet / so seyd jhr recht frey / Das ist / Wo euch
Christus die Sünde vergibet / vnd also aus deß Teuffels gewalt erlöset / vnd
euch seinen Geist schencket / so seyd jhr nicht mehr Knechte / Sondern Freye
Kinder / vnd könnet gerecht vnd Gottseliglich leben / Das ist / an Christum
gleuben / vnd den Glauben durch gute Werck bezeugen.
Oder kürtzlich also:
WIr sind von Natur Kinder des Zorns / vnd Knechte der Sünde / vnd können nichts
guts thun / von vns selbst / Aber wenn vns Christus wiedergebieret / vnd den
Glauben vnd Geist gibet / denn sind wir frey / vnd können gutes thun / durch den
heiligen Geist / Aber ohne die Gnade vnd den Geist Christi gedencken / begehren
vnd thun wir eytel böses / wie es der böse Geist haben wil. Vnd wir selbs thun
das böse aus vns selbst / GOtt hat keine schuld daran / Er verbeut das böse /
vnd straffets zeitlich vnd ewiglich / Der Teuffel vnd vnser verkehrter böser
Wille sind aller Sünden vrsach vnd theter.
Vnd solches ist vns von nöten / wol zuuerstehen / auff daß wir erkennen den
jam̅er vnser ersten Geburt / durch welche wir sind Knechte der
Sünden vnd des Teuffels eigen worden / welcher vns gefangen helt von wegen der
Sünde / nach seinem willen / vnd können aus seinen Henden nicht entrinnen / es
kom̅e denn vnser starcker Held Christus / der den starcken
gewapneten / der sein Pallast bewaret / vberwinde / Vnd durch Gottes Finger /
das ist / durch den heiligen Geist / den vnsaubern bösen Geist außtreibe / 2.
Timoth. 2. Luc. 11.
WEnn wir solchs wol erkennen / so werden wir auch desto bas verstehen den grossen
vnausforschlichen Schatz der Gnaden GOttes / die wir in Christo haben. Denn
allein Christus vberwindet den Teuffel / vnd treibet jhn aus / erlöset vnd
erleuchtet vns durch seinen Geist / daß wir lust kriegen zu leben nach Gottes
willen. Darumb ob wol des Teuffels Reich starck vnd gros ist (Denn wenn er
seinen Hoff oder Pallast / das ist / die Gottlosen / bewahret / so bleibet
|| [22]
das seine mit Frieden / das ist / Es kan jhm niemand
entrinnen) So ist doch Christus Reich noch stercker vnd mechtiger / Denn Er
treibet den Teuffel aus / nimpt jhm allen seinen Harnisch / vnd theilet den Raub
aus / vnd schaffet in seinem Reich ewigen Friede vnd Sicherheit.
VI. Wie man recht reden sol von der heimlichen Versehung Gottes.
DAß eine ewige Versehung Gottes sey / ist gewiß aus Sanct Paulo / Ephes. 1. Er
hat vns erwehlet durch Christum / ehe denn der Welt Grund gelegt war. Item /
Romano. 9. Ehe denn die Kinder geboren waren / vnd weder gutes noch böses gethan
hatten / auff daß der Fürsatz Gottes bestünde nach der Wahl / ward gesaget zu
Rebecca: Der Grosse sol dienstbar werden dem Kleinesten / wie geschrieben stehet
/ Malach. 1. Jacob hab ich geliebet / aber Esau habe ich gehasset.
Aber dieser hoher heimlicher Artickel von der Versehung / ist nicht eine
Milchspeise für die schwachen jungen Kinder / sondern eine starcke Speise für
die starcken. Darumb ist hoch von nöthen / daß man fürsichtiglich diesen
Artickel handele / vnd nicht für jederman ohn vnterscheid dauon schwetze / Denn
S. Paulus lehret / daß vnter den Christen alles zur Besserung geschehen sol. Vnd
wir sehen / wie mit grosser Furcht vnd Ehrerbietung gegen GOtt S. Paulus diesen
Artickel handelt / Roman. 9. 10. vnd 11.
Darumb reden etliche vbel vnd ergerlich dauon / mit solchen worten: Bistu
versehen / so thue was du wilt / es sey gutes oder böses / so wirstu selig /
etc. Das ist ein Gotteslesterlicher Irrthumb / Sondern also soltestu sagen: Wer
zu dem ewigen Leben versehen ist / der gleubet dem Euangelio / vnd bessert sein
Leben / Denn Gott berufft jhn zu seiner zeit / einen in der Jugend / den andern
im Alter / nach seinem Willen. Es bleibet kein erwehlter im Vnglauben vnd
Sündlichem Leben endlich / Welcher aber jmmer hin böses thut / vnd darauff
verharret / der wird verdampt / Denn er hat keinen Christlichen Glauben / Wo er
gleubte / so lebte er Christlich / vnd besserte sein Leben. Darumb wer endlich
keine Busse thut / der ist gewißlich der Verdampten einer.
Darumb ists gewiß / welcher versehen ist / der thut nicht jmmerdar / was er wil /
Sondern wird bekeret / vnd thut darnach auch was
|| [23]
Gott
wil. Wer böses thut / der kan vnd sol verdampt werden / wenn er im bösen
verharret. Gleich wie Gott Petrum / Paulum / vnd vns andere Christen / zur
Seligkeit versehen hat / Also hat Er auch zuuor verordnet vnd versehen jhre
Bekehrung / jhren Christlichen Wandel vnd gute Werck / darinnen sie wandeln /
vnd jhren Beruff vnd Glauben bezeugen musten / Ephes. 2.
Wir sollen den tieffen Abgrund Göttlicher Versehung nicht mit Menschlichem
Fürwitz handeln / Sondern thun was vns Gott heist vnd befiehlet / Nemlich / dem
Euangelio gleuben / Wer jhm gleubet / der ist der Erwehlten einer / Rom. 8.
Johan. 8. Wer jhm noch nicht gleubet / der ist entweder nicht aus der Zahl der
Außerwehlten / oder aber es ist die Stunde seines Beruffs noch nicht kommen. Wer
hie nicht grewlich fallen wil / wie Lucifer / der sol mit den heimlichen
Gerichten Gottes vnuerworren bleiben.
Darumb gefellet mir / daß S. Augustinus lib. de bono
perseuerantiae, cap. 22. die Prediger warnet / so von der heimlichen
Versehung vnd bedachten Raht Göttliches Willens für dem Volck reden wöllen / vnd
spricht also: Wenn wir zu der Gemeine Christi oder den Christgleubigen rede̅ / sollen wir nicht sprechen / Das ist durch bedachten Raht
Göttliches Willens endlich beschlossen von der Versehung / Daß etliche aus euch
aus dem Vnglauben zum Glauben kommen sind / da jhr habt angefangen zu wöllen
gehorsam seyn / Denn wenn wir sagen / Etliche aus euch / so scheinets / als thun
wir andern vnrecht / vnd schliessen sie aus von der Seligkeit / Sondern also
sollen wir für der Christenheit reden / Das ist durch bedachten Raht Göttliches
Willens beschlossen von der Versehung / daß jhr aus dem Vnglauben seyd zum
Glauben kommen / da jhr den Willen gehorsam zu seyn von GOtt empfangen habet /
Vnd daß jhr auch empfahet die Gnade zu beharren / vnd im Glauben bleibet / (das
ist) Gott hat euch den Glauben an Christum / vnd guten Willen gegeben / vnd gibt
euch auch die Gnade / daß jhr bis ans Ende im Glauben verharret.
Desselbigen gleichen sol man auch nicht also reden für dem hauffen / Daß die
andern / so in Sündlichen Lüsten verharren / darumb noch nicht sind auff
gestanden / weil sich GOTT durch die hülffe der Gnade noch nicht vber sie
erbarmet hat / sie auffzurichten / Denn aus solchen worten möcht man meynen /
daß wir etlichen vnter dem hauffen die Gnade der Busse versagten. Sondern also
sol man für dem Volck reden: Welche noch in Lüsten der verdamlichen Sünde
beharren / die sollen die heilsame Straffe oder Züchtigung Gottes ergreiffen /
Welche aber nicht also sind / sollen nicht sich erheben vnd ver
|| [24]
messen / als von jhren eigen Wercken / oder
rhümen / als hetten sie es nicht empfangen / Denn Gott ists / der da in euch
wircket / beyde das wollen vnd thun / nach seinem wolgefallen.
VII. Von der Christlichen Freyheit.
CHristus hat vns erlöset / vnd frey gemacht von der Sünde vnd Straff der Sünden /
von dem ewigen Fluch oder Tode / vnd von des Teuffels Gewalt / vnd schencket vns
den Heiligen Geist / der vnsere Hertzen vernewert / daß wir Lust haben / zu
wandeln in GOttes Geboten / vnd schützet vns wieder des Teuffels List vnd
Gewalt. Deßgleichen hat Er vns frey gemacht von den zweyen stücken des Gesetzes
Mosi / die man heist Legem Ceremonialem vnd Iudicialem, vnd von allen Menschlichen auffsetzen in der
Christenheit. Darumb alle Satzungen der Kirchen / die da dienen zu eusserlichen
ordnungen / halten wir frey vnd vngenötiget / damit es in der Gemeine alles
ördentlich zu gehe / Wir setzen aber keine Heiligkeit oder Gottesdienst darein /
wo man sie helt / auch keine Sünde / wo man sie ohne Ergerniß nachlest.
Dis ist die vber aus hohe herrliche Freyheit / die wir in Christo haben / Aber
eine Geistliche / nicht eine Fleischliche Freyheit. Darumb sol man zusehen / daß
man durch solche Freyheit nicht dem Fleisch raum gebe / Sondern durch die Liebe
einer dem andern diene / Vnd daß wir die Einfeltigen vnsere Brüder nicht ergern
/ wie S. Paulus lehret Galat. 5. Roman. 1. 4. 1. Corinth. 8.
Man sol aus der Geistlichen Freyheit keine fleischliche Sicherheit vnd Muthwillen
machen / daß man wolte Vogelfrey / vnd niemand vnterworffen seyn.
Nach dem Fleisch können wir wol jedermans Knechte vnd Vnterthan seyn / vnd doch
im Geist frey seyn vnd bleiben / Nicht von Weltlicher oder Bürgerlicher pflicht
/ vnd Dienstbarkeit / Sondern von der Sünde / Tod vnd Helle / Daß jetzt die
Sünde vnd der Teuffel nicht vber vns herrschen / wie zuuor / da wir vnter des
Teuffels gewalt / vnd noch nicht in die Gnade vnd Reich Christi genom̅en waren. Also saget S. Paulus Rom. 6. Die Sünde wird nicht vber
euch herrschen / sintemal jhr nicht seyd vnter dem Gesetz / Sondern vnter der
Gnade. Vnd Johan. 8. Wo euch der Sohn frey machet / so werdet jhr recht frey
seyn.
|| [25]
VIII. Wie man recht reden sol von der Weltlichen Obrigkeit.
WEltlicher Obrigkeit Ampt ist nicht eine Tyranney oder freuele Gewalt / Sondern
eine ördentliche Gewalt / von GOtt vns zu nutz gegeben.
Die Christen sollen allerley Gesetz vnd Ordnungen jhrer Weltlichen Obrigkeit mit
fleis halten / wo sie nicht wieder Gott sind / vnd zu Sünden zwingen wollen /
Denn in solchem Fall muß man GOtt mehr gehorchen / weder den Menschen.
Vnd solche Ordnungen der Obrigkeit sol man nicht halten für lauter Menschliche
Traditiones, Denn sie haben die Krafft / daß man
jhnen Gehorsam schüldig ist / ohn Mittel / aus Gottes Wort / 1. Petr. 2. Seyd
vnterthan aller Menschlichen Ordnung / vmb des HERRN willen / Es sey dem König /
als dem Obersten / oder den Heuptleuten / als den Gesandten von Ihm / zur Rache
der Vbeltheter / vnd zu Lobe den Frommen / Denn das ist der Wille Gottes / daß
jhr mit wolthun verstopffet die Vnwissenheit der törichten Menschen / als die
Freyen / vnd nicht als hettet jhr die Freyheit zum deckel der Boßheit / sondern
als die Knechte Gottes.
Der gemeine Pöbel hat von den Papisten gelernet / die Weltliche Obrigkeit
verachten / Darumb mus man jhnen mit fleis vnd offt solche Wort des heiligen
Apostels einblewen / Rom. 13. Jederman sey vnterthan der Obrigkeit / die Gewalt
vber jhn hat / Denn es ist keine Obrigkeit ohne von GOtt / Wo aber Obrigkeit ist
/ die ist von GOtt verordnet / Wer sich nun wieder die Obrigkeit setzet / der
wiederstrebet Gottes Ordnung / Die aber wiederstreben / werden vber sich ein
Vrtheil empfahen. Item / Die Obrigkeit ist Gottes Dienerin / eine Racherin zur
straffe / vber den der böses thut. So seyd nu aus noth vnterthan / nicht alleine
vmb der straffe willen / Sondern auch vmb des Gewissens willen.
Also sol man offt vermahnen / wie köstlich gut Werck es sey / vnd Gott
wolgefellig / beyde / daß die Obrigkeit Göttlich regiere / vnd daß die
Vnterthanen jhrer Obrigkeit willig vnd gerne Gehorsam leisten.
|| [26]
IX. Wie man den Spruch des Propheten recht handeln sol / Isaiae am 54. Es
werden alle deine Kinder von Gott gelehret seyn.
DIesen Spruch ziehe ich nicht vergeblich an / denn er von vielen Vngelehrten
gerhümet wird / als werden darinn gelobet die / so keine Schrifft lernen noch
wissen / vnd meynen / sie haben hie für sich Gottes Wort / dadurch alle löbliche
Künste / dazu die heilige Schrifft verworffen werden. Weil Christus Johan. 6.
spricht: Es kan niemand zu Mir kommen / es sey denn / daß jhn ziehe der Vater /
der Mich gesand hat / vnd Ich werde jhn auff erwecken am Jüngsten tage. Es
stehet geschrieben in den Propheten: Sie werden alle von Gott gelehret seyn. Wer
es nu höret vom Vater / vnd lernets / der kömpt zu Mir.
Hie redet Christus von der gemeinen Lehre des Euangelij / so jederman zur
Seligkeit von nöthen ist / dadurch wir Christum lernen vnd erkennen / daß Er sey
vmb vnsert willen Mensch worden / vnd an jhn / als vnsern einigen Heyland /
gleuben. Durch diese Lehre werden gewißlich alle Außerwehlten erleuchtet / vnd
wer dieselbigen nicht hat / der muß verloren werden.
Aber vber diese gemeine Lehre vnd Erkentniß ist eine andere Kunst / vnd
sonderlicher Verstand in der Christenheit / welchs heisset die Gabe der
Weissagung / damit nicht ohne vnterscheid alle Christen begnadet werden /
Sondern etliche / so der Christenheit fürstehen sollen in der Lehre / daß sie
die heilige Schrifft außlegen zur Besserung / zur Vermahnung / zu Tröstung / 1.
Corinth. 14. Die Gabe hat nicht ein jeglicher Schuster oder Schneider / den
Aposteln gleich / Vnd welche die nicht haben / die sollen nicht lehren in der
Christenheit / Sondern sollen die andern / so da lehren können / mit
Ehrerbietung hören / wie Sanct Paulus daselbst saget: Wer nicht ist ein Außleger
/ der schweige in der Gemeine / Er rede aber jhm selber vnd GOTTE.
X. Wie man recht lehren sol / von der Gnugthuung.
EIgentlich zu reden ist ja keine Gnugthuung für die Sünde der Welt / Denn der
thewre Tod Christi / der hat allein für
|| [27]
vns gnug
gethan der Gerechtigkeit Gottes / vnd vns Gotte versönet / Aber derselbigen
Gnugthuung wird niemand theilhafftig / denn die da gleuben dem Euangelio
Christi. Niemand aber wird für gleubig gehalten / wo er sein Leben nicht bessert
/ vnd seinen Glauben durch Gute Werck bezeuget / Oder / wie Sanct Paulus redet /
der da verleugnet das Gottlose Wesen / vnd die Weltlichen Lüste / vnd züchtig /
Gerecht / vnd Gottselig lebet in dieser gegenwertigen Welt.
Darumb werden die fehrlich von jhnen selbst betrogen / die also lestern / Was
ists von nöten / daß ich faste / Bete / meinen Leib casteye / vnd Gute Werck
vbe? Hat nicht Christus für mich dem Gesetze gnug gethan? Weil denn Er es gethan
hat / was darff es meiner Werck?
Ja / lieben Brüder / das ist wol wahr / daß Christus hat der strengen
Gerechtigkeit GOttes / vnd dem Gesetze auffs aller volkömlichste gnug gethan /
vnd einen vnmeßlichen Schatz gegeben / zur Bezahlung / vnser Sünde zu tilgen /
Aber der vberreichen Bezahlung vnd Gnugthuung wird niemand theilhafftig / er
gleube denn an Christum. Die aber an Christum gleuben / die sind ohn zweiffel
der Sünden feind / weil für dieselbige zu versünen ein solch thewer Opffer hat
müssen geopffert werden / vnd fahen nun an Sünde zu meiden / vnd vnstrefflich zu
leben. Welche aber in Sünden verharren / vnd nicht Busse thun / die gleuben auch
nicht / daß GOttes Sohn für vnser Sünde gestorben sey / Darumb sind sie den
Heyden gleich zu halten / vnd sollen noch können von der Gnugthuung Christi
nicht rhümen. Denn Er hat dich nicht dazu von Sünden erlöset / daß du forthin
jmmerdar in Sünden solt ligen bleiben / Sondern daß du / nach dem deine Sünde
getilget sind / solt Göttlich vnd Heiliglich leben. Gleich wie ein Wundartzt
einen tödlich Verwundten heilet / nicht dazu / daß er wieder sol wund werden /
Sondern daß er forthin möge gesund seyn vnd bleiben. Also saget Sanct Paulus 1.
Thessalon. 4. GOTT hat vns nicht beruffen zur Vnreinigkeit / sondern zur
Heiligung. Vnd Roman. 6. Wir sind mit Christo begraben / durch die Tauffe / in
den Tod / daß gleich wie Christus aufferwecket ist von den Todten / durch die
Herrligkeit GOttes des Vaters / Also sollen auch wir in einem Newen Leben
wandeln.
Darumb sol ein Christen also dencken / vnd sagen: Christus mein HERR vnd mein
GOTT / ist von wegen meiner Sünde zu tilgen / gestorben / vnd hat da für
bezahlet vnd gnug gethan / Dar
|| [28]
nmb wil ich
hinfurt die Sünde fliehen / als ein Tödliche Hellische Gifft vnd Pestilentz /
welche durch keine Artzney hat getilget werden mögen / denn durch den
vnschüldigen Tod des Sohns Gottes. Hat die Bezahlung meiner Sünde / vnd die
Versönung so viel gekostet / Nemlich / den bittern Tod meines Gottes / so behüt
mich GOtt für Sünden.
XI. Wie man recht reden sol von der Jungfrawschafft.
DIe Jungfrawschafft ist ein solcher Stand / den S. Paulus gerhaten hat denen / so
die Gabe haben ausser der Ehe Keusch zu leben / Denn solche können ohne
Hinderniß das Euangelium lehren vnd predigen / wie Sanct Paulus saget: Welche
nicht freyet / die sorget was den HERRN angehöret / daß sie heilig sey / beyde
am Leibe vnd auch am Geist / etc. Darumb sol man also lehren / Wer die hohe
Gnade hat / also keusch zu leben / der brauche derselbigen / Denn die Zeit ist
kurtz (spricht der Apostel) vnd das Wesen dieser Welt vergehet / Wer aber brunst
leidet / vnd dieselbige Gabe nicht hat / der gebe sich in den heiligen Ehestand.
Leibliche Trübsal müssen zwar die Eheleut haben / Sie sind aber in solchem
Stande / der GOtt gefellet / vnd daraus Bürgerliche Erbarkeit in der Welt
entspringet / Denn die Ehe ist bey jederman ehrlich zu halten / vnd das Ehebette
vnbefleckt / Ebr. 13. Die Hurer vnd Ehebrecher wird Gott richten.
XII. Wie man recht reden sol von der Beicht.
DIe Beicht ist allezeit in der Christenheit gewesen / Es sind aber etliche
vnnötige / ja auch fehrliche Zusetze durch Menschen daran gehengt.
Zum Ersten haben sie gesagt / Mann müsse alle Sünde in der Beicht erzehlen /
welchs doch nicht müglich ist.
Zum Andern / Mann müsse seinem eigenen Priester beichten / es sey denn / daß man
von demselben Erleubniß hab / anderstwo zu beichten. Wol ists gut vnd nützlich /
daß einer bey seinem eigenen Pfarrherr raht hole / Aber darin sol man das
Gewissen mit keinem Gebot beschweren.
|| [29]
Zum Dritten / Wo man williglich eine Sünde nicht erzehlet hette / so müsse man
wieder auffs newe beichten.
Zum Vierden / Ist das Volck in den Wahn geführet / daß die Sünde vergeben werde /
von wegen desselben Wercks / Nemlich der Beichte / vnd von wegen eigener Rew /
vnd ist Christus Verdienst gar geschwiegen. Solchs haben die Papisten als nötig
getrieben / mit grosser Fahr vnd schaden der Gewissen.
Darumb sol ja ein Christ gerne beichten / Gott täglich vnd allezeit / dazu auch
offt dem Priester oder Diener des Worts / zum wenigsten / wenn er zu GOttes
Tisch wil gehen / auff daß er aus des Dieners Mund das Wort Christi höre /
welcher durch desselbigen Mund vns los spricht von vnsern Sünden / Denn Christus
hat seiner Christenheit gegeben / die Schlüssel des Himmelreichs / Dieselbige
befiehlt sie den Dienern des Worts / Welchen nun dieselbigen Sünde vergeben /
denen sind sie vergeben / Vnd welchen sie die Sünde behalten / denen sind sie
behalten. Darumb sollen wir festiglich der Absolution gleuben / nicht weniger /
denn ob Christus selbst sichtiglich vns absoluieret / wie er Magdalenam vnd den Gichtbrüchigen absoluiert hat.
Die das hochwirdige Sacrament empfahen wollen / die sollen zuuor in der Beicht
fleissig verhöret werden / Nicht alle / oder jhr viel zugleich vnd auff ein
Hauffen / sondern einer nach dem andern / daß ein Pfarrherr könne hören / ob sie
den Catechismum können verstehen / Vnd ob sie wissen /
warumb sie zum Sacrament gehen / vnd was sie im Sacrament suchen sollen.
XIII. Wie man recht reden sol von Menschen Satzungen.
MAn sol nicht ohne Vnterscheid allerley Menschliche Satzungen verwerffen. Vnd
sonderlich muß ich vermahnen / Daß niemand der Weltlichen Obrigkeit Ordnung vnd
Gebot für Traditiones oder Menschen Lehre halte / Denn
dieses worts (Menschen Lehre oder Traditiones) brauchen
wir allein von den Satzungen / so die Bischoffe in der Kirchen pflegen zu
machen. Vnd wir verwerffen allein solche Traditiones,
welche entweder öffentlich wieder Gottes Wort streben / als die Lehre von dem
Opffer der Messe / daß dadurch Vergebung der Sünde verdienet werde / für die
Todten vnd Lebendigen. Item / die Lehre von dem Ehelosen leben / daß Priester /
|| [30]
Mönche oder Nonnen sündigen / so sie Ehelich
werden / Oder wenn Bischoffe oder Priester Gesetz oder Traditiones machen / damit man Gott sonderlich dienen sol / vnd
dadurch die Sünder gerecht werden sollen / Welcherley Menschen Gesetze sind in
der Möncherey / von Speisen vnd mancherley Kleidungen / damit sie gemeinet haben
/ daß sie Gott dieneten / vnd für grosse Sünde gehalten haben / wo jemand solche
Regel oder Lehre vbertrete / vnd dagegen Gerechtigkeit darinn gesetzt / so man
dieselbigen hielte.
Solche Lehre hat Christus Matth. 15. öffentlich verworffen vnd verdampt / als Er
spricht / Ihr Heuchler / Es hat Esaias wol von euch gefagt / Diß Volck nahet
sich zu mir mit seinem Munde / aber jhr Hertze ist ferne von mir / Vergeblich
aber dienen sie mir / dieweil sie lehren solche Lehre / die nichts denn Menschen
Gebot sind / Das ist / Es ist eytel vergeblicher vnnützer dienst.
Aber etliche Satzungen werden gestellet in der Christenheit / zu gutem brauch /
Nemlich / daß eusserlich eine gute Ordnung gehalten werde / Denn S. Paulus hat
nicht ohne vrsach die Corinther vermanet / Daß in der Gemeine sol alles
züchtiglich vnd ördentlich zugehen / 1. Corinth. 14. In solchen suchen wir keine
Frömmigkeit für Gott / Sondern die einfeltigen werden dadurch als in einer
Kinderzucht gehalten / daß sie sich lernen mit zucht vnd schew gegen GOttes Wort
vnd Sacramenten erzeigen. Also halten wir die gemeine Sontags Feyer. Also mag
ein Bischoff zur zeit eine Fasten setzen / daß die Leute desto geschickter seyn
zu beten. Item / man setzet einen Tag / daran das Volck zusammen komme / Gottes
Wort zu hören / vnd die Sacrament empfahen / als da sind etliche fürnemliche
Feste im Jahr / Von der Geburt vnd Beschneidung / von dem Leiden / Aufferstehung
vnd Himmelfart des HERRN / von der Sendung des heiligen Geistes / von der
Englischen Botschafft / von S. Johanne dem Teuffer / Auff das die fürnemlichen
Artickel des Euangelij / so an solchen tagen gehandelt werden / in gedechtnis
der Leute hafften vnd bleiben mögen.
Wieder solche Satzungen / so von eusserlichen dingen / die da indifferentes vnd frey sind / vmb guter ordnung willen eingesetzt
werden / sol niemand predigen / Sondern die Prediger sollen dieselbigen loben /
damit die einfeltigen vnd vnuerstendigen nicht von solchen Ceremonien vnd
Ordnungen abgeschewet werden / vnd also anfahen alle vbung des Christlichen
Lebens zu verachten / wie es pfleget zu geschehen / wo die Prediger ohne
vnterscheid alle Traditiones verwerffen / als man an
vielen örthen sihet / daß das Volck nicht mehr
|| [31]
in die
Kirchen gehet / Oder ob sie gleich hinein gehen / doch keines Christlichen Ampts
/ so darinn gehalten wird / nicht achten. Zu solchem Irrthumb geben Vrsach
vngelehrte vnd freche Prediger / die ohne maß vnd ohne auffhören wieder alle
Ceremonien vnd Ordnungen schreyen / bis der Pöbel zu letzt auch die Predigt vnd
den Brauch der Sacrament hat lernen verachten.
Aus diesem ist leicht zu verstehen / wie man von Ceremonien vnd Festen recht
halten / vnd reden sol. Die Christenheit / so hie noch streitet im Fleisch / kan
der Ceremonien nicht gerahten / Darumb / wo sie nicht öffentlich wieder Gottes
Wort streben / sondern vmb guter Ordnung willen bißher gehalten sind / ohne den
vnchristlichen Wahn / daß man dadurch Frömmigkeit für GOtt erlangen solt / So
sol man sie trawn nicht verwerffen / Sondern vmb Friedes vnd Einigkeit willen
behalten / auff daß den Einfeltigen kein Ergerniß gegeben werde. Denn es pflegen
offt grosse Empörung / vnd vnzehliche Ergerniß zu folgen / aus Zustörung vnd
Enderung solcher Ceremonien / wie man in der Kirchen Historien Eusebij, vnnd andern klerlich lieset. Darumb sol ein
frommer vnd kluger Hirte mit fleis zusehen / daß nicht durch plötzliche Enderung
solcher dinge Ergerniß erwachsen.
Daher ist auch vnsers Landsfürsten Gebot vnd Befehl / daß man eintrechtige vnd
gleiche Ceremonien halte / vnd die gewönlichen Ornat der Kirchen / so man
brauchet in handlung der Sacrament / nicht verwerffe / Sondern behalte / vnd vmb
Zucht vnd wolstehens willen / doch in Christlicher Freyheit.
Dergleichen sol man auch andere Fest oder Feyertage nicht bald abthun / damit das
Volck sich gewehne ja auff etliche bestimpte Tage Gottes Wort zu hören / vnd
Gottesdienst zu halten / damit sie gereitzet werden zu Christlicher vbung.
XIIII. Vom Fasten.
ES ist zweyerley Fasten / Zum Ersten / Ein gemein täglich Fasten / Zum Andern /
Ein sonderlich Geistlich Fasten. Das erste ist / Tägliche Nüchterkeit vnd
Messigkeit der Christen / Denn sie sollen sich allezeit hüten für Fressen vnd
Sauffen / nach der Vermanung Christi / Luc. 21. auff daß sie allezeit bey
Vernunfft vnd geschickt seyn / Gottes Namen zu preisen. Solchs wird allenthalben
in der Schrifft geboten / Ephes. 5. Sauffet euch nicht voll Weins /
|| [32]
dar aus ein wüst vnordig wesen folget / Sondern werdet
voll des heiligen Geistes / vnd redet vntereinander mit Psalmen vnd Lobsengen /
vnd Geistlichen lieblichen Liedern / singet vnd spielet dem HERRN in ewern
Hertzen / vnd saget danck allezeit für alles Gott vnd dem Vater / in dem Namen
vnsers HErrn Jesu Christi / Romanor. 13. Lasset vns ablegen die Werck der
Finsterniß / vnd anlegen die Waffen des Liechts / Lasset vns erbarlich wandeln /
als am Tage / nicht in Fressen vnd Sauffen / etc. 1. Thessal. 5. Lasset vns
wachen vnd nüchtern seyn / Denn die da schlaffen / die schlaffen des Nachts /
vnd die da truncken sind / die sind des Nachts truncken / Wir aber / die wir des
tages sind / sollen nüchtern seyn. Tit. 2. Es ist erschienen die heilsame Gnade
Gottes allen Menschen / vnd züchtiget vns / daß wir sollen nüchtern oder züchtig
/ gerecht vnd Gottselig leben.
Das ander sonderliche Fasten ist / so jemand in grossem anligen / oder von wegen
des Gebets einen oder mehr Tage jhm selbst zu fasten aufflegt / Oder / so ein
Bischoff oder Obrigkeit eine Fasten auffsetzet / wie Josaphat der König Juda /
2. Paralipom. 20. Vnd der Apostel S. Paulus 1. Corinth. 7. den Christlichen
Cheleuten solche Fasten angibt / da er spricht: Entziehe sich nicht eins dem
andern / es sey denn aus beyder bewilligung / eine zeitlang / daß jhr zum Fasten
vnd Beten musse habt / Vnd ich halte dafür / daß die Fasten der viertzig Tage
vor dem Osterfest / aus dieser vrsachen vor zeiten in der ersten Kirchen (doch
mit Christlicher Freyheit) gehalten seyn / daß das Volck durch die Fasten
geschickt würde / desto hefftiger vnd fleissiger zu beten / vnd Gotte zu dancken
/ bey des HERRN Abendmahl / beyde für das bittere Leiden / vnd Tod Christi /
dadurch wir von allem vbel in Ewigkeit erlöset sind / Vnnd für die fröliche
sieghaffte Aufferstehung desselben / daher vnser Gerechtigkeit vnd Aufferstehung
kömpt.
Also schreibet S. Ignatius des heiligen Euangelisten
Johannis Jünger in Asia, vnd ein heiliger Märterer
Christi / in der Epistel an die Philipper: Ihr solt die Fasten der Viertzig tage
nicht verachten / Denn damit folget man dem Exempel dere / die mit Gotte
Gemeinschafft gehabt haben / etc. Er hat aber / als ein heiliger Man / die
Gewissen nicht beschweret mit solcher Last / wie vns der Bapst geplaget hat /
welcher solch Fasten geboten hat bey einer Todsünde / dazu Fleisch / Eyer /
Butter / zu essen verboten / von welcher S. Ignatius
kein Wort gesagt hat.
Deßgleichen schreibt auch S. Hieronymus wieder den Ketzer
Montanum: Wir halten die Fasten der Viertzig tage
des gantzen Jahrs /
|| [33]
nach Ordnung der Apostel. Dieser
Fasten wird auch von S. Ambrosio gedacht.
Oder kürtzlich also:
Welcher ein Christ ist / der wird gewißlich vom Geist GOttes beweget / nüchtern
vnnd messiglich zu leben alle Tage / damit das muthwillige Fleisch den Geist
nicht vberpoltere. Auch wenn er etwas ernstlich von GOTT bitten wil / oder sich
zu einer Dancksagung in des HERRN Nachtmahl schicken wil / So wird er auch zuuor
/ durch anregung des Geistes / fasten / oder messiglich / vnd nüchtern leben. Wo
ers nicht thut / so ist er noch gar Fleischlich / vnd nur ein Titelchrist.
Die erste fromme Christenheit vor Tausent Jahren / hielten die Viertzig tage
Fasten / ein jeder nach seiner gelegenheit / Was sind wir für Christen / daß wir
im Jahr nicht ein oder zwey mal wollen fasten / wenn wir zu Gottes Tisch gehen
sollen? Doch dis alles / von der besondern Fasten / sol eine Lehre vnd
Vermahnung seyn / nicht ein Gebot / daß man dem Gewissen keinen Strick legt.
XV. Wie man recht reden sol / von dem Gebet.
WEr da wil recht beten / der sol beten im Geist vnd in der Warheit / nicht daß er
allein viel mit dem Maul plappere. Das Gebet / so von Hertzen vnd aus dem
Glauben gehet / dasselb wird erhöret / Denn Gott hat selbst beyde geboten zu
beten / Luc. 8. vnd auch verheissen zu erhören / Matth. 7. Darumb mustu im Gebet
/ Nemlich etwas bitten von Gott dem Himlischen Vater / durch Christum / es sey
Geistlich oder Leiblich. Vor allen dingen aber soltu bitten vmb einen rechten
vnd festen Glauben an Christum. Was du aber bitten wilt in den sachen / so dis
zeitlich Leben belangen / Als da ist gesunder Leib / zeitliche Narung / vnd
dergleichen / so setze allezeit daneben dis stück / HERR / dein Wille geschehe /
denn Er weis / was vns nütz oder schedlich ist.
Mann sol aber jmmerdar anhalten mit Beten / wie vns Christus selbst ein Exempel
stellet / da Er betet auff dem Berge / vnd des Nachts im Gebet verharret / Luc.
6. Vnd die selige Jungfraw vnd Mutter Gottes / sampt den Aposteln einmütiglich
beyeinander blie
|| [34]
ben im Gebet / Actor. 1. Vnd
Paulus 1. Thessal. 5. spricht: Betet ohn vnterlas / etc. Vnd Christus Luc. 18.
in der Gleichniß von der Witwen vnd dem vngerechten Richter / lehret vns / Daß
wir sollen allezeit beten / vnd nicht laß werden.
Daß aber Christus Matth. 7. der Phariseer Gebete verwirfft / das machet jhr
jrrige meynung vnd Mißbrauch in dem Gebete. Beten ist gut vnd noth / es muß aber
geschehen nach GOttes Wort / Der Phariseer Gebete war lauter Heucheley wieder
Gottes Wort / Denn sie suchten damit jhren Rhum bey den Leuten / weil sie
öffentlich auff den Gassen stunden / vnd beteten / vnd war nur ein geschwetz
ohne Glauben vnd Andacht des Hertzens / gleich wie der Papisten gemurre / wenn
sie jhre Horas Canonicas hinweg schnurren / ohne alles
auffmercken vnd andacht / Darumb spricht er: Wenn jhr betet / solt jhr nicht
viel plappern / wie die Heyden thun / denn sie wehnen / sie werden erhöret /
wenn sie viel Wort machen / Darumb solt jhr euch nicht gleichen.
Darumb verwirfft Christus nicht stetig vnd lang Gebet / so es geschicht aus
gleubigem vnd andechtigem Hertzen / Sondern / das vnnütze geplepper / da das
Hertz nichts ernstlich begeret / noch darauff mercket / Sondern allein die
Lippen plappern / ohne Verstand.
Summa / Welcher recht beten wil / der sol aus rechtem vertrawen in Christum / von
Hertzen etwas von Gott begeren / wie ein Kind von seinem lieben Vater / Vnd sol
lang oder kurtz beten / nach dem jhn die noth vnd andacht dringet. Wolte Gott /
daß wir auch eine gantze Nacht beten könten / von grund vnsers Hertzens / wie
Christus thet / Luc. 6. Aber wen̅ man allein viel wort mit dem
Munde machet / vnd das Hertz kein auffmercken / noch ernstlich Begierd hat /
etwas von Gott zu erwerben / das ist ein eytel Gleißnerey vnd Pharisaisch
Geschwetz / welchs Gott nicht haben noch erhören wil / Denn Christus spricht
Johan. 4. Die rechten Anbeter / das sind die Christen / werden den Vater anbeten
im Geist vnd in der Warheit.
Ein Prediger sol auch das Volck stetigsvermanen / ernstlich vnd ohn vnterlaß zu
beten / vnd offt einbilden / wie krefftig ein Christgleubig Gebet sey / durch
solche oder dergleichen Exempel.
Moses betet für das Volck / vnd der HERR halff jhnen durch die ehrne Schlange /
Num. 21.
Aharon stund zwischen den Todten vnd Lebendigen / vnd betet für das Volck / vnd
die Plage höret auff / Num. 16.
Ezechias betet / da er Todkranck lage / vnd erbetet noch 15. Jahr seines Lebens /
Esai. 38.
|| [35]
Die erste Christliche Gemeine betet für Petrum / da er gefangen lag / vnd die
Ketten fielen von jhm / vnd er ward ledig / Actor. 11.
S. Paulus betet in dem grossen Vngewitter im Meer / vnd er fristet 276. Menschen
das Leben.
Cornelius betet hefftig / vnd ward zum ersten zu jhm
geschicket ein Engel / der sprach: Dein Gebet vnd Allmosen sind für Gott kom̅en / vnd gedacht worden / Vnd bald ward zu jhm geschickt Petrus /
daß er jhn im Glauben Christi vnterrichtet / vnd teuffete / Act. 10.
Solcher Exempel ist die gantze Schrifft voll. Darumb solt jhr in aller ewer Noth
zu vnserm Himlischen Vater beten / durch Christum / im rechten Glauben / so wird
Er euch geben / was ewer Hertz begehret.
XVI. Wie man recht reden sol von der Heiligen Ehre.
DIe gemeine heilige Christliche Kirche ist je des gewiß / daß wir alle Sünder
geboren sind / vnd aus lauterer Gnade GOttes durch Christum gerecht vnd selig
werden. Darnach weis vnd bekennet sie auch / daß JEsus Christus ist allein vnser
Priester für GOtt im Himmel / vnser Mittler vnd Gnadenstuel / welcher allein hat
sollen vnd können vns erlösen von Sünden / Tod vnd des Teuffels Gewalt / vnd
Gotte dem Vater versönen / Vnd dieweil GOtt allein vmb des HErrn Christi
verdienst vns gnedig wird / vnd Sünde vergibt / Vnd die Christenheit weis / daß
Anruffen ist ein Werck des Andern Gebots / welches Gotte allein gebüret / vnd
keiner blossen Creatur / So sol man niemand anruffen / one den allein / an
welchen wir schüldig seyn zu gleuben / daß Er vns könne vnd wölle selig mache̅. Nun sollen wir allein an Gott gleuben / Darumb sol man Ihn auch
allein anruffen / daß Er vns von allem vbel erlöse / Psalm. 50. Ruffe Mich an in
der Noth / so wil Ich dich erretten / vnd du wirst Mich preisen. Vnd Christus
Matth. 11. Kompt alle zu Mir / etc.
Also lehret vns der heilige Geist durch sein Werckzeug Sanct Paulum / Romanor. 3.
Wir werden gerecht aus desselben Gnade / durch die Erlösung / so durch Christum
Jesum geschehen ist / welchen Gott hat fürgestellet zu einem Gnadenstuel / durch
den Glauben in seinem Blut / etc.
Daraus lernen wir / zum Ersten / Daß wir vmbsonst durch lauter Gottes Gnade
gerecht werden / nicht durch vnser Verdienst.
|| [36]
Zum Andern / So hat dennoch müssen sein eine Köst oder Bezahlung solcher
herrlicher Erlösung / vnd ein Mittler / durch welchen Gott vns versönet würde /
Vnd ein solcher Schatz / welcher / so Er für vns gegeben würde / vns verdienete
Vergebung der Sünde / vnd Ewiges Leben. Diese Bezahlung / oder dieser Schatz /
ist vnser HErr Jesus Christus selbst / welcher vns durch sein eigen Blut erlöset
/ vnd Gottes Zorn gestillet hat / Das hette keines andern Menschen Blut oder Tod
vermocht / Sondern allein das Blut Christi hat vns solche ewige Güter erworben.
Zum Dritten / Durch den Glauben werden wir solcher Bezahlung theilhafftig / daß
Er ist die Versönung für vnsere Sünde / 1. Johan. 2.
Daraus folget vnwiedersprechlich / daß kein Heiliger vns erlöset hat / sondern
allein Christus / Darumb wil vns GOtt durch keines Heiligen Verdienst gnedig
seyn / vnd Selig machen / Sondern allein von wegen des Verdiensts Christi /
welcher ist der Heilige aller Heiligen. Derhalben sol man die Heiligen nicht
anruffen / noch auff jhre verdienst vertrawen / Denn sie sind ja nicht Gott /
sondern Gottes Creaturen / vnd haben vns gegen Gott nicht versönet / sondern
allein Christus.
Dazu ist von anruffen der Heiligen in der gantzen Schrifft kein Gebot / kein Raht
/ keine Verheissung / vnd kein Exempel.
Die Lebendigen bitten wir wol / daß sie für vns beten. Wir ruffen sie aber nicht
an / vertrawen auch nicht auff jhre Verdienst / als weren sie / die vns köndten
erlösen / oder durch welcher Verdienst vns geholffen würde / Sondern wir
vertrawen allein auff Christus Verdienst. Vnd solch Gebet / so einer für den
andern betet / fordert die Schrifft / vnd hat desselben beyde Exempel vnd
Verheissung / daß es erhöret werde.
Aber daß man die anruffen solle / so in dem HErrn entschlaffen sind / dauon
gebeut die Schrifft nicht / gibt auch keinen Raht / verheisset auch nichts in
jhrem Nahmen / Hat dazu kein Exempel / da jemand vnter den Christen die
Verstorben angeruffen habe / vnd sey erhöret worden.
Sind wir Christen / Warumb bleiben wir nicht bey dem klaren Wort Gottes? Warumb
halten wir nicht an Christo / dem rechten einigen Mittler / vnd Fürsprecher bey
dem Vater / welchen auch der Vater selbst allein zu vnserm Gnadenstuel gestellet
hat / vnd keinen andern / Denn allein in dem Nahmen Christi wird vns verheissen
Gerechtigkeit vnd Seligkeit / vnd in keines andern Namen.
|| [37]
Nun ist der Heiligen Wille vnd Hertz gleich vnd einig mit Gottes Willen / Darumb
begehren sie nicht von vns solche Ehre / die Gott allein gebühret / zu
empfahen.
Wie sol man denn die Heiligen ehren?
Meine lieben Brüder / So jemand Geistlich ist / der erkenne / was ich euch
schreibe / Mann sol auffs aller ehrlichste / nach der Schrifft / von den
Heiligen gedencken vnd reden / Denn die / so Gott selbst also ehret / die wil er
ohn zweiffel auch von vns geehret haben. Denn also stehet im 72. Psalm / nach
der Griechischen Dolmetschung / von den Christen: Ihr Name ist ehrlich oder
herrlich für Ihm / Denn Gott der Vater erkennet sie für seine Kinder / Der Sohn
nennet sie seine Brüder / vnd Mitterben / Der heilige Geist seinen Tempel.
Darumb werden vns allenthalben in der Schrifft der Heiligen Exempel fürgehalten
/ daß wir dieselbigen betrachten.
Die Heiligen / so in Christo entschlaffen sind / sind ohne zweiffel mit Christo /
Darumb wer sie nicht ehret / der vnehret auch Christum in jhnen / vnd verachtet
GOttes Gnade / durch welche sie zu solcher Herrligkeit kom̅en
sind. Lieber / was kan der von der heiligen Christlichen Kirchen halten / der
vnser Mittglieder / die jetzt mit Christo im Frieden sind / vnd des Ewigen
Lebens gewiß / nicht ehret. Christus spricht / Daß auch die Engel im Him̅el sich frewen vber einen Sünder / der Busse thut / Luc. 15.
Darumb / lieben Brüder / begehren die Heiligen vnsere Brüder ohne zweiffel mit
grossem sehnen vnd verlangen / daß wir förderlich zur Busse vnd Seligkeit
kommen. Vnd weil die Engel für vns beten / Zachar. 1. So ist wol zu gleuben /
daß auch die Heiligen für vns bitten / Denn jhre Liebe gegen vns ist ja nicht
geringer / sondern grösser worden. Aber daraus folget nicht / daß man die
Heiligen anruffen solle / Wie wir auch die Engel nicht anruffen / (ob sie wol
für vns beten) sondern allein Christum vnsern Gott vnd HERRN.
Doch sollen wir die Heiligen ehren / wie sie die alte Christliche Kirche geehret
hat / welche der Heiligen Gedechtniß ehrlich gehalten hat / vnd Gotte
Dancksagung gethan / dafür / daß Er die Heiligen erlöset / vnd für die Gnade /
die jhnen gegeben ist / vnd für jhre Seligkeit / vnd für die grossen Gaben / so
GOtt in der Christenheit durch sie hat außgegossen. Denn hat nicht Gott durch
S. Augustinum (ich wil der andern schweigen) die
Christenheit erwecket / daß sie Sanct
|| [38]
Paulus Episteln
desto bas verstehe? Dieweil derselbige heilige Man Christum in der Schrifft so
fleissig suchet / vnd die Pelagianer Ketzer durch die Lehre Sanct Pauli so
gewaltiglich verlegt / vnd zu schanden macht.
Es sind ja die lieben Heiligen schöne helle Spiegel Göttlicher Gnaden / darinne
wir sehen / was Gottes Gnade vermag / Denn wo wir lesen oder hören / daß die /
so vns aller dinge gleich gewesen seyn / so wunderbarlich vnd mechtiglich haben
die Sünde / die Welt / vnd den Tod vberwunden / werden wir alßbald dadurch
erwecket / ein vertrawen zu schöpffen / zu solcher grossen Barmhertzigkeit
Gottes / in Christo verheissen vnd dargegeben.
Darüber reitzen vnd entzünden vns jhre Exempel / jhnen nachzufolgen / daß wir
Gott vmb solchen Glauben bitten / vnd der liebe̅ Heiligen gute
Werck / so viel vnser Beruff erfordert / nachfolgen / Also wird in vns der
Glaube an Christum gestercket / die Liebe angezündet / die Hoffnung der ewigen
Seligkeit bestetiget / Vnd gedencken / daß sie nicht verlohren sind / sondern
vorhin geschickt zum ewigen Leben. Vnd können diesen Artickel / Ich gleube eine
heilige Christliche Kirchen / mit ernst betrachten / Denn es ist einem frommen
Hertzen nicht ein kleiner Trost / wenn es gedencket an die / so zuuor gleich wie
wir in diesem sterblichen Fleisch wieder die Sünde gestritten / nu aber erlöset
/ vnd zu sicherer Ruhe bracht sind / Vnd daß wir jhnen gewißlich werden folgen.
Denn wir sind ja jhre Brüder / Bürger mit den Heiligen / vnd Haußgenossen Gottes
(wie S. Paulus Ephes. 2. saget) erbawet auff den festen Grund der Propheten vnd
Aposteln / da Jesus Christus der Eckstein ist. O ein selige Stadt Gottes / in
welcher so viel Kindlein / Jungfrawen vnd Märterer sind eingenommen / darinnen
wir ewiglich werden sehen die heiligen Aposteln / Propheten / Patriarchen / vnd
alle Gerechten / so von Adam an / bis auff den letzten Christen auff Erden / an
Christum gegleubet haben / Da wir auch werden schawen die Chor der heiligen
Engel / die hochgelobte Mutter Christi / das edelste Glied des heiligen
Geistlichen Leibes / Vnd in Summa / Die höheste einige Frewde / beyde der Engel
vnd Menschen / Jesum Christum selbst / den König der Ehren / vnd Gott / der
alles in allem ist. Solt nu nicht durch solch Christlich betrachten dieser
grossen dinge / der Glaube vnser herrlichen Aufferstehung / vnd des zukünfftigen
Lebens / in vns erweckt / wachsen vnd gestercket werden?
Darumb hat auch der Apostel vns einen schönen Catalogum
oder
|| [39]
Register der Heiligen (von welchen man weis aus
der Schrifft daß sie bey Christo sind) für Augen gemalet / Ebreor. 11. da er
beschreibet den Glauben Habel / Henoch / Noah / Abraham / Isaac / Jacob / Sara /
Joseph / Mosi / Rahab / Gedeon / Samson / Dauid / Samuelis / etc. Daß wir darinn
sehen sollen / jhre Ritterschafft vnd Sieg wieder die Welt / Sünde vnd Tod /
vnnd im Glauben vnd Hoffnung gestercket werden. Vnd Ebreor. 13. spricht er:
Gedencket an die / die euch das Wort Gottes gesaget haben / welcher Ende schawet
an / vnd folget jhrem Glauben nach. Vnd 1. Timoth. 1. Christus Jesus ist in
diese Welt kommen / die Sünder Selig zu machen / vnter welchen ich der fürnemste
bin / Aber darumb ist mir Barmhertzigkeit wieder fahren / auff daß an mir
fürnemlich Jesus Christus erzeigte alle Gedult / zum Exempel denen / die an Ihn
gleuben solten zum ewigen Leben.
Item / Da die Thessalonicher gleich wie die Heyden / zu viel trawreten vber jhre
Todten / wil der Apostel Sanct Paulus solch bekümmerniß vnd sorge für die Todten
/ Vnd die Christliche gedechtniß dere / so in Christo entschlaffen sind / nicht
gantz verwerffen / Sondern bestetiget dieselbigen / vnd straffet allein den
Mißbrauch / Denn der Christgleubigen / so entschlaffen sind / gedencken / ist
ein Werck der Christlichen Liebe / Aber die verzweiffelte Blindheit der Saduceer
verwirfft die Todten beyde zum Hause vnd Hertzen hinaus / als würden sie
nimmermehr wieder leben / sondern gar mit jhnen aus seyn / gleich wie das Vieh
stirbet vnd verdirbet / an welchem nach dem leiblichen Tode nichts mehr zu
hoffen ist.
Aber lasst vns die schönen tröstlichen Wort des Apostels hören: So wir gleuben
(spricht er) daß Jesus gestorben vnd aufferstanden ist / so wird Gott auch die
da entschlaffen sind durch Jesum / mit Ihm führen. Durch diese Wort bestetiget
er den Glauben vnser Aufferstehung auffs aller gewaltigste / Als solt der
Apostel sagen / Ewer Freunde vnd Brüder sind wol aus ewern Augen hinweg gerückt
/ Aber sie sind darumb nicht verlohren / Denn so gewiß Christus von Todten
aufferstanden ist / so gewiß werden dieselbigen auch aufferstehen. Vnd am ende
desselben Capittels in der 1. zun Thessalonichern spricht er: So tröstet euch
nun mit diesen Worten vntereinander / Was waren dis für Wort? ohn zweiffel diese
(so kurtz zuuor stehen) Christus ist aufferstanden / Die an Christum gleuben /
werden auch aufferstehen / Vnnd wir werden allezeit bey dem HERRN seyn / Das ist
/ Ob vns der leibliche Tod ein kleine Zeit von einander scheidet / Doch werden
wir wiederumb zugleich mit einander leben / vnd
|| [40]
sampt
Christo ewiglich herrschen / Was dürffen wir vns denn fast bekümmern der
Verstorbenen halben? Müssen wir doch wieder alle zusammen kommen / vnd darnach
hinfort ewiglich bey einander seyn / in Frewden vnd Glory bleiben.
Also tröstet S. Paulus die Christenheit / vnd sie selbst tröstet sich nach des
Apostels Vermahnung / durch die gewissen Wort / von der gewissen sichern Ruhe /
Friede vnd Seligkeit vnserer Brüder / so in dem HERRN entschlaffen.
Ich fasse mit fleis zusammen beyde die Heiligen / von welcher Seligkeit die
Schrifft Zeugniß gibt / vnd die andern / welche wir hoffen / daß sie im Glauben
Christi entschlaffen sind / Denn dieselbigen / so sie in Christo entschlaffen /
sind auch gewißlich Heiligen. Derselbigen Gedechtniß ist allezeit in der
Christenheit Ehrlich gehalten worden.
D. Augustinus contra Faustum Manichaeum, lib. 20. cap. 21. Siehe / Also ehren wir die heiligen Märterer /
welches ist eine Ehre der Christlichen Liebe vn̅ Geselschafft /
gleich wie man die heiligen Menschen Gottes in diesem Leben ehret / Aber mit
solcher Ehre erzeigen / (die man Griechisch nennet Latria) welche eigentlich alleine der Göttlichen Majestat gebüret / ehren
wir niemand / lehren auch niemand solche Ehre erzeigen / ohne GOtt alleine /
Denn auch sie / die Heiligen selbst / es seyn Engel oder Menschen / wollen jhnen
nichts gethan haben / das Gott allein gebüret.
Also spricht S. Augustinus libro 3. contra duas Epistolas Pelagianorum ad Bonifacium cap. 8. Alle Heiligen
(sie seyn von dem ersten Abel / bis auff Iohannem den
Teuffer / oder von den Aposteln bis auff diese zeit / vnd hinfort bis an der
Welt Ende) sol mann preisen vnd loben / in dem HERRN / nicht in jhnen selbst /
Denn das ist jhr aller eigen Wort / Durch GOttes Gnade bin ich / das ich bin /
1. Corinth. 15. Vnd ist in gemein zu allen gesagt / Wer sich rhümet / der rhüme
sich des HERRN.
Item / lib. Confes. 10. cap. 13.
HERR / wo solt ich jemand finden / der mich gegen Dir versünete? Solt ich zun
Engeln gehen? Welcherley Gebet / oder was für Sacrament solt ich für sie
bringen?
Dergleichen mehr / wie man die lieben Engel ehren sol / findet man in S. Augustino, De vera religione, cap. 55. Die Engel
haben wir lieb vnd werth / vnd frolocken mit jhnen / vnd ehren sie durch die
Liebe / nicht aus pflicht / vnd bawen jnen keine Tempel / Denn damit wollen sie
nicht von vns geehret werden.
Vnd lib. 22. de Ciuitate DEI,
cap. 10. lehret er / Daß man den heili
|| [41]
gen
Märterern nicht sol solche Ehre oder Gottesdienst thun / so Gott alleine gebüret
/ oder Tempel vnd Kirchen bawen. Deßgleichen handelt er auch in libr. contra Maximinum Arianorum Episcopum.
S. Hieronymus in cap. 3. Sophoniae: Der Apostel Namen wird täglich genennet in der Christlichen
Kirchen / vnd täglich hoch gepreiset / Nicht daß jhnen damit geholffen werde /
daß sie von vns in der Gemeine genennet werden / Sondern daß wir / so wir jhren
Nahmen preisen / vnd jhre Schriffte rhümen / dadurch zur Seligkeit kommen.
Das magstu kürtzer also fassen:
Wir sollen Christum / vnsern einigen Erlöser / Bischoff / Mittler vnd Fürsprecher
im Himmel bey dem Vater / anruffen / zu Ihm vertrawlich in aller Noth fliehen /
als zum Gnadenstuel / da sich Gott allein wil in Gnaden finden lassen / Denn er
spricht selbst Matth. 11. Kompt her alle zu Mir / die jhr müheselig vnd beladen
seyd / Ich wil euch erquicken. Vnd die gantze Schrifft weiset vns zu Christo /
der vns allein zum Vater bringet. Er ist allein vnser Barmhertziger vnd trewer
Hoherpriester für Gott / in den dingen / die wir für Gott zu handeln haben /
Ebr. 2.
Aber die Schrifft lehret nirgend / daß wir zu denen / so im HErren entschlaffen
sind / in vnsern Nöthen fliehen / sie anruffen vnd Hülffe bey jhnen suchen
sollen. Die Schrifft lehret aber / daß man die Heiligen / als die außerwehlten
Glieder Christi / vnsere trewe Brüder / solle sonst ehren / Das ist / Ehrlich
von jhnen halten vnd reden / GOtt in jhnen preisen / vnd sie in GOtt loben / der
jhnen solche vberschwengliche Gnade bewiesen / vnd zu solcher Herrligkeit
erhöhet hat. Vnd lasset vns solche Gnade täglich verkünden / auff daß wir durch
die Exempel lernen / vns gleicher Gnade vnd hülffe zu vnserm trewen Gott zu
versehen / vnd daß wir dadurch gereitzet werden / Gott mit ernst zu bitten / daß
Er vns armen Sündern / die wir noch mit dem Fleisch kempffen / auch wolle einen
solchen festen Glauben / Liebe vnd Hoffnung geben / wie die lieben Heiligen hie
zeitlich gehabt haben / auff daß wir auch also mögen durch Christum vnser eigen
sündlichs Fleisch / die Welt / vnd den bösen Geist vberwinden / vnd zu den
lieben Heiligen kommen. Das ist auch gewißlich jhr hertzlich sehnen / denn sie
haben vns lieb / vnd frewen sich vnser Frömmigkeit vnd Seligkeit.
|| [42]
XVII. Von den Bildern.
BEuitici am 26. verbeut die Schrifft Bilder zu machen /
Sie redet aber deutlich von solchen Bildern / so dazu gemachet werden / daß man
sie anbete. Darumb sol man in der Christenheit keine solche Bilder haben / die
man anbetet. Aber des HErrn Christi / der heiligen Jungfrawen Maria / der
Patriarchen / Aposteln Bilder / zu einem Gedechtniß gemacht / mag man wol haben
/ Denn sie dienen ja dazu / daß sie vns vermahnen oder erinnern / Als / wenn ich
sehe ein Bilde des HERRN am Creutz / oder der Aufferstehung Christi / so werde
ich erinnert des heilsamen Tods Christi / vnd seiner herrlichen Aufferstehung /
welch Gedechtniß ist ohne zweiffel nützlich vnd noth / Denn also schreibet S. Gregorius an den Bischoff zu Massilien / Was die
Schrifft denen nützet / die da lesen können / Das nützen die Bilder den
Vngelehrten.
Darumb ist im Newen Testament kein Gebot / daß man die Bilder solle abthun /
Sondern mögen jhr wol brauchen / aus Christlicher Freyheit / doch so ferne / daß
kein Mißbrauch daraus werde / Denn wo jrgend ein Bilde were / da der
vnuerstendige Pöbel vnd tolle Heiligen zulieffen / vnd dasselbige ehreten / oder
hülffe bey jhm suchten / Solch Bild sol die Obrigkeit desselben orts abthun /
auff daß keine Abgötterey damit getrieben werde / nach dem Exempel des Königes
Ezechiae / welcher die Ehrne Schlange / so Moses gemacht hatte / zubrach / vmb
des Mißbrauchs willen / weil jhr der tolle Pöbel anfieng Göttliche Ehre zu
erzeigen / vnd diselbige anzubeten / 4. Regum 18.
XVIII. Von der Christen Begrebniß.
DEr fürnemste Artickel vnsers Glaubens / lehret vns / daß dieses Fleisch /
welches wir jetzt tragen / am Jüngsten tage werde wieder verkleret werden / vnd
aufferstehen zum ewigen Leben / Denn gleich wie Christus aufferstanden ist / vnd
nicht mehr sterben wird / Also sollen alle Christen wieder aufferstehen mit
jhrem Leibe / spricht S. Athanasius in seinem Symbolo. Derhalben sol das Begrebniß bey den Christen
Ehrlich gehalten werden / von wegen der gewissen Hoffnung der künfftigen
Aufferstehung / Also / daß man der Todten Leiche nachfolge bis zum Grabe / Vnd
weil dieselbige begraben
|| [43]
wird / mag der Pfarrherr oder
Prediger mit einer kurtzen vermanung das Volck trösten / daß sie erstlich
bedencken / wie wir alle in Adam gestorben vnd verdampt sind / Darnach daß wir
wiederumb in Christo alle lebendig gemacht werde̅ / Welcher alles
hat wider zu recht bracht / was zuuor Adam verderbt vnd verloren hat / Denn Er
ist gestorben vmb vnser Sünde willen / welche Er alle durch seinen Tod versönet
/ vnd damit vnsern Tod vertilget hat / vnd ist nu allen Christgleubigen worden
die Aufferstehung vnd das Leben / Daß wer an jhn gleubet / der sol leben / ob er
auch stirbet / Vnd ein jeglicher / der da lebet / vnd an Ihn gleubt / der sol
ewiglich nicht sterben / Johan. 11. Vnsere Leibe sind Glieder Christi / Darumb
wie Gott Christum vnsern HErrn / vnd vnser Heupt hat aufferweckt / Also wird Er
vns auch aufferwecken durch seine Krafft / 1. Corinth. 6. Vnd mag der Prediger
auch hie handeln den Text S. Pauli Thessalon. 4. Wir wollen euch / lieben Brüder
/ nicht verhalten von denen die da schlaffen / etc. Oder ein stück aus dem 15.
der ersten zun Corinthern / von der herrlichen Aufferstehung Christi vnd der
Christen / damit der Artickel / Ich gleube die Aufferstehung dieses Fleisches /
den Hertzen der Menschen fest eingedruckt / vnd der Glaube der Aufferstehung
gesterckt vnd geübt werde / Denn S. Ambrosius hat recht
vnd wol gesagt supra 15. cap. 1.
ad Corinth. Alle Hoffnung vnd Trost der Gleubigen
stehet darin / daß die Todten wieder aufferstehen sollen.
Solche weise / die Todten ehrlich zu begraben / ist allezeit gewesen / beyde in
der Synagoga vnd in der Christenheit / Vnd ist ein
Zeugniß / beyde vnsers Glaubens / von der Aufferstehung des Fleisches / Vnd auch
vnser Liebe gegen vnser Nehesten / so verstorben sind / welche wir gleuben / daß
sie nicht verloren / Sondern allein zuuorhin geschickt seyn / vnd nicht daran
zweiffeln / daß wir dieselbigen vnsere Freunde werden wieder sehen am Tage des
HERRN / vnd zugleich bey Christo bleiben ewiglich.
Es ist auch im Alten Testament ein grewliche Straffe gewesen / so jemand nicht
begraben / vnd der Leib ohne alle Ehre hingeworffen ward / Wie man sihet / 3.
Regum 13. 4. Reg. 9. Jerem. 8. 14. 16. 19. 34. 37. Ezechiel. 39. Hat nicht vnser
Vater Abraham seine Sara ehrlich begraben zu Hebron / Vnd ist derselbige Acker
hernach also blieben zum Begrebniß der heiligen Patriarchen / Gen. 23.
Dergleichen liesestu von andern Vätern / Gen. 35. 37.
Also ward der Witwen Sohn zu Naim ehrlich hinaus getragen / Luc. 7. Deßgleichen
auch Lazarus ehrlich begraben zu Bethania, Johan. 11.
|| [44]
Mann sol auch dem Volck offt fürhalten diese oder dergleichen tröstliche Wort vnd
Sprüche.
Psalm. 72. Ihr Blut wird thewer geachtet werden für Ihm.
Denn er redet von den Christen / für welcher Blut Gott sorge treget.
Vnd Psalm. 126. Der Tod seiner Heiligen ist thewer für Ihm. Es were aber kein
thewrer Tod / wenn das ander Theil des Menschens / Nemlich der Leib / nicht
aufferstehen solte.
1. Corinth. 15. Es wird geseet (das ist / in die Erden begraben / gleich wie der
Samen in den Acker) der sterbliche Leib / Es wird geseet in Vnehre / Es wird
geseet in Schwacheit / Aber es wird aufferstehen ein vnsterblicher Leib / Es
wird aufferstehen in Krafft vnd Herrligkeit.
Vnd ich vermahne euch / lieben Brüder in Christo / Daß jhr auch von wort zu wort
außwendig lernet das 15. Capittel der 1. Epistel zu den Corinthern / Daß jhr bey
den Sterbenden / vnd in den Begrebnissen allezeit daraus Tröstung fürhanden
habet. Der HERR aber gebe euch Verstand in allen stücken. AMEN.
|| [45]
Hierauff folget auch ein Wolgegründter Bericht / von den fürnemsten Artickeln
Christlicher Lehre / so zu vnsern Zeiten streitig worden seyn / Was eines jeden
Artickels rechter Verstand sey / vnd wie man in GOttes Furcht / ohne Abbruch der
Warheit / von einem jeden Artickel / aus der rechten Grundfest des Göttlichen
Worts / mit bescheidenheit reden möge oder solle.
NAch dem zu vnsern Zeiten hefftige Zwiespalt vnd Disputation / von vielen
Artickeln vnserer wahren Christlichen Religion fürgefallen seyn / darein sich
junge Theologen vnd einfeltige Prediger nicht leichtlich richten können / vnd zu
zeiten vnbedechtlich vnd vnbescheiden dauon reden / darüber auch offt viel
frommer Gottseliger Hertzen betrübt werden. So hat der Durchleuchtige
Hochgeborne Fürst vnd Herr / Herr Wilhelm der Jünger / Hertzog zu Braunschweig
vnd Lüneburg / etc. aus Christlichem hohem Verstande vnd Eyffer / mit
vorgehabtem zeitigem Raht / Seiner F. G. Theologen / zu erhaltung der Warheit
vnd Einigkeit der reinen Lehre / nützlich vnd nötig erachtet zu seyn / daß zu
ende des nützen Buches des seligen Mannes Gottes / D. Vrbani
Rhegij De formulis cautè loquendi, ein wolgegründter Bericht aus GOTTes
Wort für die Kirchen dieses löblichen Fürstenthumbs Lüneburg / durch etliche
dazu deputierte vnd verordnete Personen / von den fürnemsten jetziger Zeit
streitigen Artickeln / gestellet vnd gesetzt werden solte / Auff daß dauon
einfeltige Prediger selbst richtigen Verstand haben / vnd auch wissen möchten /
alle falsche jrrige Meynung zu meiden / zu verwerffen / vnd jhre Zuhörer / nach
Erheischung der Notturfft / vnd zu Erbawung jhrer von Gott jhnen befohlenen
Kirchen / dafür zu warnen.
Denn wie der Prophet Jeremias zeuget / Cap. 15. So erfordert
|| [46]
GOtt von einem jedern getrewen Diener des Worts / daß er wisse /
das schnöde von dem köstlichen zu scheiden. Vnd Christus wil / daß seine
Schäfflein nicht allein mit gesunder reiner Lehre geweidet / vnd versorget /
Sondern auch für der frembden Stimme gewarnet vnd verwahret werden sollen /
damit sie dieselbige meiden vnd fliehen können / Johan. 10.
Weil aber viel einfeltiger aus vnbedacht zum offtermal / wenn solche zwiespalt
fürfallen / allerley opinion vnd meynung annehmen / vnd zwar nicht allezeit der
besten beyfallen / vnd auch offt jrer viel aus lauterm Freuel vnd Fürwitz vnter
dem schein der nötigen Streite / die Kirchen Gottes mit vergeblichem / vnnützem
vnd schedlichem Gezencke betrüben / vnruhig machen / verirren vnd verwirren / So
ist eine solche Erinnerung vnd Bericht in alle wege nütz vnd hochnötig erachtet
worden / dadurch die jetzige / vnd auch die junge auffwachsende Kirche /
fürnemlich die einfeltigen Prediger / zugleich vnterrichtet vnd erinnert würden
/ welche Lehre sie in so mannigfaltigen vnd vielen zwiespalten bey einem jeden
Artickel für recht vnd nütz erkennen / halten vnd annehmen / vnd dagegen /
welche falsche / gefehrliche vnd schedliche Reden sie mit grossem ernst / als
lautern mördliche̅ Seelengifft / meiden / fliehen vnd verwerffen /
vnd sich gleichwol auch daneben der vnnöthigen vnnützen Disputationen vnd
Gezencke gentzlich enthalten / eussern vnd entschlahen / Dagegen aber vber dem
Fürbilde der gesunden heilsamen Wort vnd Reden der reinen Kirchenlehre / was
belanget / beyde rechte Lehre zu behalten / vnd jrrige Gegenlehre zu verwerffen
/ festiglich halten sollen / Denn also kan durch GOttes Gnade vnd Segen die
Einigkeit des Geistes / vnd das feste Band des Friedes / dazu vns S. Paulus
Ephes. 4. gantz trewlich vermahnet / erhalten werden / wenn wir in einerley Sinn
vnd meynung auch einerley reden führen / 1. Corinth. 1.
Wie wir aber billich ein ernstes mißfallen haben an solchen vntrewen Hirten / die
gentzlich zu den erregten schedlichen Zwiespalten stillschweigen / welche der
Prophet blinde Wechter / vnd stumme Hunde nennet / Isai. 56. als die den Wolff
nicht melden wollen oder können / Also billichen wir im gegentheile auch mit
nichte den Freuel oder Fürwitz der vnruhigen Köpffe / die aus verfluchtem
Ehrgeitz jmmer einen vnnötigen Zanck vber den andern erregen / dadurch sie die
Kirchen Gottes nicht allein nicht bawen / Sondern viel mehr jämmerlich vnd
kläglich zubrechen / verwüsten vnd verstören / Auch viel Leute trefflich damit
für die Stirn stossen / vnd Heuptschew machen / daß sie letzlich ob der reinen
Religion ein Abschew tragen.
|| [47]
Da aber der Satan / welcher aller Ketzereyen Werckmeister ist / durch
eigensinnige Ehrgeitzige Köpffe in der Religion Streit vnd Zwiespalt erregt /
damit er den Grund des Glaubens / vnd die Einigkeit vnd Reinigkeit der Lehre
vmbzustossen / vnd zu betrübenvor hat / So erfordert warlich aller trewen
Prediger vnd Seelsorger Ampt / daß sie gedachte Religions Streit aus Gottes Wort
allein deeidiren / vnd örtern / bescheidentlich mit reinen / heilsamen /
gebreuchlichen / vnd der heiligen Göttlichen Schrifft gemessen Worten / zu
Erbawung der Kirchen Gottes / vnd also / daß es der gemeine Man verstehen kan /
dauon reden / Vnd in fürfallenden streitigen Artickeln alle vnbescheidene
ergerliche Reden verwerffen vnd meiden / damit die reine Lehre erhalten / vnd
die falsche jrrige Nebenlehre außgesatzt werden möchte.
Wir wollen aber auff diß mal nicht gentzliche außführliche Erklerung vnd
Wiederlegung der streitigen Artickel zu handeln fürnehmen / Sondern nur allein
die Fundamenta, oder den Heuptgrund der reinen heilsamen
Lehre / aus den reinen Brunnen Israelis kürtzlich weisen vnd zeigen / vnd
daneben vermelden / oder vielmehr wiederholen / die einfeltige Form vnd Weise /
der wir vns bißher in diesen Kirchen mit Christlichen / bescheidenen /
fürsichtigen / heilsamen Worten vnd Reden / in Erklerung der jetzigen streitigen
Artickel / zu Erbawung der Kirchen Christi / geflissen vnd gebraucht haben /
auff daß auch die jenigen / so in folgenden Zeiten zu Schuel vnd Kirchendiensten
dieses Fürstenthumbs bestellet / an vnd auffgenom̅en werden solten
/ solchem vnserm Exempel / welchs Gott angenehm / der Kirchen nützlich / vnd den
Conscientien heilsam ist / zu erhaltung Christlicher Einigkeit / nachzufolgen
sich gewehnen vnd befleissigen mögen.
In welchen (wie auch in allen andern Heuptartickeln der Christlichen Lehre) wir
vns auff die allgemeinen bewehrten Religions Heuptschrifften referiren vnd
beruffen / als nemlich / erstlich vnd für allen dingen / auff die heiligen
Biblischen Schrifft der Propheten vnd Aposteln / Altes vnd newen Testaments /
welches die einige wahre Regel vnd Richtschnur der reinen Lehre ist.
Darnach auff die vhralten bewehrten Symbola oder Glaubens
Notel / nemlich / auff das Apostolische / Nicenische / vnd des heiligen Athanasij, welche nichts anders sind / denn ein kurtzer
ördentlicher Excerpt / Außzug vnd inhalt der fürnemsten Heuptartickel / so in
der heiligen Schrifft offenbahret sind.
Wir bekennen vnd beruffen vns auch hiemit auff vnsere Christliche / vnd in GOttes
Wort gegründte Augspurgische Confession /
|| [48]
vnd die
darauff erfolgete Apologia / wie dieselbigen im Jahr des HERRN 1530. auff dem
Reichstage zu Augspurg von dem Euangelischen Stenden Röm. Key. Maj.
vberantwortet / vnd im folgenden 1531. Jahr in öffentlichen Druck publicirt
sind.
Auch auff die Schmalkaldische Artickeln / so Anno 37. von D.
Martino Luthero gestellet / vnd von den fürnemsten Theologis approbirt / gebillichet vnd vnterschrieben worden seyn / Vnd
alßdenn auch auff den grossen vnd kleinen Catechismum
Lutheri. Welche Schrifften durch gemeinen einhelligen Conseus der
Reformierten Kirchen angenommen sind / wie ein Symbolum,
Corpus oder Summa der Lehre / welche aus vnd
nach Gottes Wort von dem Papistischen grewel vnd andern verworffenen Secten vnd
vnflat durch den getrewen Dienst des Mannes Gottes D. Luthers seliger /
geleutert vnd gereiniget ist.
I. Von Persönlicher Vereinigung der wahren Göttlichen vnd wahren Menschlichen
Natur in der einigen Person Christi / Vnd wie man von seiner Person / von beyden
Naturen / vnd von den Eigenschafften beyder Naturen / in der Kirchen Gottes
gewönliche / Gottselige / vnd in der heiligen Göttlichen Schrifft gegründte
Reden führen sol.
BElangende die Heuptlehre von Gott / sind in vnser Kirchen / aus verleihung
Göttlicher Gnaden / keine zwiespalt bißher fürgefallen / Derhalben wir die wahre
allgemeine Lehre von dem einigen / ewigen / vnzertrenlichen / Göttlichen Wesen /
vnd den Dreyen Göttlichen / vnterschiedenen / selbstendigen Personen in der
einigen Gottheit (so Vrbanus Rhegius seliger die Drey
Einigkeit / vnd wir gewönlichem Gebrauch nach die heilige Dreyfaltigkeit nennen)
in rechtem Verstande / mit gebreuchlichen / vnd der heiligen Schrifft gemessen
worten / aus Gottes Wort / vnd aus den alten bewehrten Symbolen herrhürend /
wieder alle alte vnd newe Ketzereyen rein behalten / vnd hiemit also wiederholet
haben wollen.
|| [49]
Belangend aber die Person Christi / sind leider zu vnsern zeiten viel streit vnd
zwiespalt erregt / vnd auff die bahn gebracht worden.
Denn Schwenckfelds Trawm ist dieser / Daß der Sohn Gottes wol die Menschliche
Natur an sich genom̅en habe / Aber in solcher vereinigung sey die
angenom̅ene Menschliche Natur also in die Götliche Natur
verwandelt / vnd (wie ers nennet) vergöttet worden / daß durch solche
Vereinigung entweder / eine Vermischung / oder Verwandlung / oder Exaequation /
oder vergleichung beyder vnterschiedlichen Naturen in Christo worden / vnd daß
dasselbige entweder in jhrem wesen / oder in jhren wesentlichen Eigenschafften
geschehen sey.
Etliche aber vnter den Wiederteuffern zu vnser zeit haben getichtet / Christus
habe viel ein ander Menschliche Natur dem wesen nach an sich genommen / denn
vnser Menschliche natur ist / die Er entweder vom Himmel herab mit sich gebracht
/ oder die aus etwas anders erschaffen / vnd nicht von der Jungfrawen Mariae
Fleisch vnd Blut angenommen worden sey / mit welcher angenom̅enen
Menschlichen Natur die Gottheit nicht persönlich vereiniget sey / Sondern
derselbigen alleine als ein Beystand beywohne / gleich wie GOtt in seinen
Heiligen wohnet vnd wircket / ohn allein daß in Christi Menschlicher Natur durch
solche beywonung die Gottheit mit viel herrlichern Gaben / vnd mit völligerm maß
mehr den̅ in andern Heiligen wircklich vnd thetig sich erzeige vnd
erweise.
Es haben auch jhrer etliche zu vnsern zeiten die Gnadenwercke Christi / als der
Erlösung / der Versönung mit Gott / der Rechtfertigung / allein der Menschlichen
Natur / Ihrer etliche aber allein der Göttlichen Natur in Christo zugeschrieben
vnd zugelegt.
Fürnemlich aber haben die Sacramentierer dieselbige Lehre von der persönlichen
Vereinigung beyder Naturen in Christo hefftig angefochten / Denn / auff daß sie
die wahre wesentliche Gegenwertigkeit des Leibes vnd Bluts Christi aus dem
Abendmal des HErrn / so hie auff Erden gehandelt wird / verleugneten vnd
auffhüben / haben sie gestritten / daß Christi angenom̅ene
Menschliche Natur vns andern Menschen / seinen Brüdern / in allem (außgenommen
die Sünde) also gleich sey / daß seine angenommene Menschliche Natur vber vnd
wieder jhre natürliche vnd wesentliche Eigenschafften nichts mehr / grösser /
höher / oder weiter aus der persönlichen Vereinigung mit der Göttlichen Natur
empfangen habe vnd vermöge / Denn was sonst ein blosser Mensch seiner arth / vnd
natürlichen Eigenschafften nach vermöge / thun vnd wircken könne.
Vnd demnach / Ob schon Christus in seinem Testament mit hel
|| [50]
len / verstendlichen / deutlichen / klaren vnd wahren Worten
/ die wesentliche Gegenwertigkeit seines Leibs vnd Bluts im Abendmal / so hie
auff Erden an so vielen örten nach seiner Einsetzung gehalten wird / versprochen
vnd zugesagt hat / daß sie gleichwol des vngeacht dieselbige verleugnen / allein
aus diesem jhrem Sacramentierischen Fundament vnd Grundfest / weil es weit vber
vnd wieder die natürlichen vnd wesentlichen Eigenschafften eines wahren
Menschlichen Leibes sey. Gleich als ob die Menschliche Natur in Christo nichts
mehr / denn allein eines pur lautern Menschen Eigenschafft / vnd nicht auch
zugleich vmb der persönlichen Vereinigung mit der Göttlichen Natur / vnd darauff
erfolgten Erhöhung zur Rechten der Majestet willen / Auch andere vbernatürliche
Kreffte / vnd vnbegreiffliche Praerogatiuen oder Vorzügen für andern allen
Heiligen empfangen vnd vberkommen hette.
Vnd diese Streite sind zwar nicht vnnötige Schulgezenck / denn sie gehören zu dem
Fundament vnnd Grunde vnsers Christlichen Glaubens / weil an der wahren
Erkentniß der Person / vnd des Gnadenreichen Ampts Christi all vnser Heyl /
Gerechtigkeit / Seligkeit / vnd das ewige Leben / Isai. 53. Johan. 17. gelegen
ist.
So ist auch der Streit nicht von geringschetzigen Sachen / sondern fürnemlich von
dem Testament des Sohns Gottes. Vnd weil in so hohen wichtigen Geheimnissen bald
geirret werden kan / So ist derwegen hochnötig / daß man in aller Gottesfurcht /
mit besonderer Fürsichtigkeit des Geistes / die rechte Mittelstrasse gehe / vnd
dauon weder zur Lincken / noch zur Rechten sich lencke.
Denn etliche dringen so gewaltig auff die natürlichen wesentlichen Eigenschafften
der angenom̅enen Menschlichen Natur in Christo / daß sie darüber
das jenige verleugnen / dauon doch die heilige Schrifft zeuget / das der
angenommenen Menschlichen Natur in Christo durch die Persönliche Vereinigung mit
der Göttlichen Natur gegeben worden sey.
Etliche aber dringen dermassen auff die empfangene Praerogatiuen vnd Vorzüge der
Menschlichen Natur in Christo / daß sich fast ansehe̅ lest / als
wolten sie die natürliche vnd wesentliche Eigenschafften der Menschlichen Natur
gentzlich verleugnen vnd auffheben / vnd entweder eine Vermischung oder
Verwandlung oder Vergleichung der Menschlichen Natur mit der Göttlichen
einführen.
Wie auch gleichßfals mit der Lehre de Communicatione
Idiomatum, entweder auff die lincke oder auff die rechte Seite zu weit
gangen wird.
|| [51]
Derwegen denn die Art vnd weise hieuon zu reden wol verwahret vnd fürsichtiglich
reguliert werden muß / Auff daß nicht etwa vnuersehens in Christo die Naturen
vermischet / oder die Person getrennet werde / Wie solchs nach der lenge in der
wiederholeten gemeinen Confession / so kurtz verruckter zeit von den
Niedersechsischen Theologen in Druck verordnet (darauff wir vns hiemit
referieren / vnd beruffen) weitleufftiger erkleret worden ist. Wollen derhalben
hie allein eine kurtze Erinnerung thun / wie man diesem hohen Geheimnisse in
aller Gottesfurcht bescheidentlich / ohne Abbruch vnd begebung der Warheit / vnd
ohne Ergernisse reden solle / Vnd dasselbige nach anweisung der heiligen
Schrifft / vnd der alten Kirchen Symbolen.
So ist nu vnwiedersprechlich wahr / daß der Sohn Gottes aus dem von vnd durch den
heiligen Geist geheiligtem Fleisch vnd Blut der hochgelobten Jungfrawen Maria
eine wahre volkommene oder gantze Menschliche Natur / Nemlich / das Wesen des
Leibes vnd der Seelen eines wahren Menschen / mit allen natürlichen vnd
wesentlichen Eigenschafften an sich genom̅en habe / Also / daß Er
/ allein die Sünde außgenommen / in allem vns andern Menschen seinen Brüdern
gleich worden ist. Vnd ob Er wol auch alle vnser Schwacheit / doch ohn Sünde /
auff sich geladen hat / auff daß Er also das Opffer für vns würde / hat Er doch
solche Schwacheit hernach in seiner Glorification vnd Erhöhung wieder von sich
abgelegt / Aber das wesen der wahren Menschlichen Natur / sampt jhren
wesentlichen Eigenschafften hat Er behalten / behelt sie auch für vnd für / nach
dem Spruch Damasceni:
quod semel adsumpsit nunquam deposuit.
Es ist aber in der Menschwerdung Christi ein persönliche Vereinigung beyder
Naturen / nemlich der Göttlichen vnd Menschlichen Natur in der einigen Person
Christi geschehen / Nicht daß ein jede Natur in Christo für sich selbst eine
besondere selbstendige Person machete / Sondern daß der HErr Christus in beyden
Naturen nicht zweene Christi / oder zwo Personen / oder zweene Söne / einer
Gottes / vnd der ander Marien Sohn / Sondern nur ein einiger Christus / ein
einiger Sohn / ein einige Person / Gott vnd Mensch sey.
Vnd solche persönliche Vereinigung ist geschehen ohne einige vermischung oder
verwandelung / wie auch one einige Exaequation oder vergleichung der
Menschlichen Natur mit der Göttlichen / also / daß die Naturen in jhrem wesen /
auch in der persönlichen vereinbarung / vnterschieden geblieben seyn / auch
jedere Natur jhre eigene / natürliche vnd wesentliche Eigenschafften
vnterschiedlich behalten hat.
Vnd aus diesem Grunde / daß in Christo nur ein einige Person
|| [52]
ist / vnd in derselbigen zwo vnterschiedliche Naturen / sind aus
anweisung der heiligen Schrifft / vnd der alten Kirchen Symbolen die besondere
in der reinen Kirchen gebreuchliche reden erfolget / die man in Schulen Communicationem Idiomatum nennet.
Aber von solchen Schulworten darff mann für dem gemeinen Volcke nicht viel wesens
machen / Daran aber ist mehr gelegen / daß die Lehre von diesem Artickel / so
die heilige Schrifft vnd die alten Symbola führen /
recht / einfeltig / deutlich / verstendlich vnd vnterschieden erkleret werde.
Es ist aber am Tage vnd klar / daß solche reden / wenn man von der Person / vnd
von den Naturen in Christo redet / nicht einerley art seyn / Derwegen man sie
auch nicht ohn vnterscheid geben / verstehen oder erklehren kan / Sie mögen aber
auffs einfeltigste zur richtigen Lehre in folgende dreyerley arth vnd weise
getheilet / vnd vnterschieden werden.
Denn erstlich / weil die beyden Naturen in Christo in eine einige Person
vereiniget sind / so werden die Eigenschafften jeglicher Natur der gantzen
Person Christi zugelegt vnd zugeschrieben / das man in
concreto nennet.
Vnd weil auch in dieser persönlichen Vereinigung die Naturen vnterschieden seyn
vnd bleiben / setzet man in dieser ersten art der Reden gemeiniglich hinzu die
particulas distinctiuas, zu vermelden / welcher
Natur Eigenschafft das jenige sey / das also der gantzen Person zugeschrieben
wird / vnd nach welcher Natur dasselbe der Person zugelegt werde. Denn in hoc genere praedicationis, das ist / in dieser art zu
reden / wird die wesentliche Eigenschafft der einen Natur nicht der andern Natur
zugelegt / denn also würden hierüber die Naturen confundiert vnd vermischet /
Sondern wird allein der Person gegeben / in welcher die Naturen vereiniget sind
/ Wie solche arth zu reden vns die heilige Schrifft weiset / wenn sie spricht /
Daß des Menschen Sohn vom Himmel kom̅en sey / daß der HERR der
Ehren sey gecreutziget worden / daß der Sohn GOttes sey geborn aus dem Samen
Dauids / nach dem Fleisch. Item / Christus habe gelitten im Fleisch.
Zum Andern ist es viel ein ander arth vnd weise zu reden / wenn man von
Verrichtung des Ampts Christi redet / Denn solches wird der Person zugeschrieben
/ nicht nach einer Natur allein / Sondern nach beyden Naturen zugleich / Denn
inn solchen Wercken des Ampts Christi hat eine jedere Natur jhre eigene wirckung
nicht von der andern abgesondert / Sondern beyde Naturen wircken zugleich in
Christo / eine mit der andern / doch was einer jedern Natur Eigen
|| [53]
schafft ist / wie denn eine gemeine Regel ist /
daß die Wirckung nicht den Naturen in sonderheit / sondern der gantzen Person
zugelegt werden.
Zum Dritten / ist es noch weit eine andere arth / wenn man von der Erhöhung der
Menschlichen Natur in Christo redet / was sie aus vnd durch die Persönliche
Vereinigung mit der Gottheit für Kreffte vnd Gewalt vberkommen habe. Vnd zwar
der Göttlichen Natur an jhr selbst ist durch die persönliche Vereinigung mit der
angenommenen Menschlichen Natur nichts weder abe oder zu gangen / Denn sie ist
vnwandelbahr.
So hat vnd behelt auch die Menschliche Natur / in Christo / beyde in vnd nach
geschehener persönlichen Vereinigung / jhre wesentliche natürliche
Eigenschafften / nach welchen Er seinen Brüdern in allem / außgenommen die Sünde
/ gleich ist / Aber hieüber hat sie aus vnd durch solche persönliche Vereinigung
mit der Göttlichen Natur / vnd darnach auch durch die geheime verborgene
Exaltation vnd Erhöhung / vnzehliche / vnendliche viel Praerogatiuen / Vorzüge /
Krafft vnd Gewalt empfangen / weit vber alles / was genent mag werden / nicht
allein in dieser / sondern auch in der zukünfftigen Welt / Derowegen sie denn in
dem Ampt vnd Wolthaten Messiae des Heylands jhre thetige krefftige Wirckung hat
vnd erweiset / nicht allein nach jren wesentlichen oder natürlichen
Eigenschafften / Sondern fürnemlich aus vnd nach den Krefften / die sie aus vnd
durch die persönliche Vereinigung vnd Exaltation oder Erhöhung empfangen hat.
Es hat aber diese Menschliche Natur in Christo nicht allein erschaffene Gaben vnd
Finitas, endlich oder gemessene Qualiteten empfangen
/ sondern wie die heilige Schrifft zeuget / die gantze Fülle der Gottheit wohnet
leibhafftig in Christo. Vnd daher ist sein Fleisch Caro
viuifica, ein lebendigmachendes Fleisch / welches gibet das Leben / vnd
machet lebendig / Denn der Vater hat dem Sohne gegeben das Leben zu haben in jhm
selber / vnd hat jhm auch Macht gegeben / das Gericht zu halten / darumb daß Er
des Menschen Sohn ist / Joh. 5. Daher reiniget vns sein Blut von vnsern Sünden.
Vnd nach seiner angenommenen Menschlichen Natur / spricht Christus: Mir ist
gegeben alle Gewalt im Himmel vnd auff Erden / etc. Der Vater hat dem Sohn alles
in seine Hand gegeben / vnd auch jhm alles vnter seine Füsse gethan vnd
vnterworffen.
Nu haben wir eine gewisse Regel / derer sich die gantze alte Kirche einhelliglich
gebrauchet hat / Was die Schrifft zeuget / das Christo gegeben sey in der Zeit /
daß Er dasselbige nicht nach seiner Gott
|| [54]
heit /
(in welcher Er alles von ewigkeit gehabt) Sondern nach seiner Menscheit
empfangen habe.
Vnd solche mittheilung oder Geschenck ist nicht allein mit blossen Worten /
Sondern auch mit der That / vnd der Warheit geschehen. Nu ist auch wol das wahr
/ daß die erschaffene Qualitates (so in allwege von den
Eigenschafften der Göttlichen Natur für sich vnterschieden seyn vnd bleiben) in
der Menschlichen Natur Christi formaliter sind / Aber
wen̅ die Schrifft zeuget / daß lebendig machen / von Sünden
reinigen / alle Gewalt im Him̅el vnd auff Erden haben / welches
der Göttlichen Natur Eigenschafften seyn / auch der Menschlichen Natur in
Christo geschencket / vnd mitgetheilet worden seyn / so sol mann nicht verstehen
/ daß solchs geschehen sey durch eine wesentliche oder natürliche Außgiessung
der Göttlichen Eigenschafften in die angenom̅ene Menscheit / als
die numehr von der Gottheit abgesondert in der Menscheit Christi formaliter, wie die Schulen reden / weren / Sondern wie
die alte Kirche redet / Per dispensationem vnionis, Das
ist / nach Arth vnd weise der persönlichen Vereinigung / daß nemlich die gantze
Fülle der Gottheit numehr Leibhafftig oder Persönlich in derselbigen
angenommenen Menschlichen Natur in Christo wohne / Also / daß sie in / mit / vnd
durch die angenom̅ene Menschliche Natur jhre selbst eigene
Göttliche Wirckungen freywillig nach gnedigem gefallen verrichte / vnd
dasselbige dennoch ohne vermischung / ohne verwandelung / oder ohne Exaequation
/ oder vergleichung der Naturen / wie dasselbige die alte Kirche mit der
Gleichnisse eines glüenden Eisens erklehret hat. Denn das bleibet je ewiglich
wahr / das Athanasius saget: Christus ist Gott dem Vater
gleich nach seiner Gottheit / Nach seiner Menscheit aber ist er minor Patre, das ist / vnter dem Vater / oder kleiner
denn der Vater.
Dieweil aber dis Geheimniß gros ist / ermanen wir die Pastorn / daß sie hierinnen
nicht jhren Gedancken folgen / Sondern in aller Gottesfurcht sich an das
offenbahrte Wort Gottes halten / vnd derhalben nicht mehr / auch nicht weniger
von diesem Geheimnisse reden oder lehren / denn was Gott in seinem Wort hieuon
offenbaret hat / Als daß Christo nach seiner Menschlichen Natur aller Gewalt
gegeben sey im Himmel vnd auff Erden / daran ist nach aussage der Schrifft gar
kein zweiffel.
Weil aber die Erhöhung seiner angenommenen Menschlichen Natur weit alles
vbertrifft / das man nennen mag / So sagen wir / daß man allein solche Praerogatiuas, von welchen wir in der heiligen Schrifft
außdrückliche klare Zeugnisse haben / gleuben vnd lehren
|| [55]
solle. Wauon wir aber solche klare Zeugnisse in der Schrifft nicht haben /
wollen vnd sollen wir zwar nicht sagen / daß es Christo vnmüglich sey / Sondern
wir wollen vnd sollen dasselbige in die rechte hohe Himlische Schule sparen /
wenn wir im Ewigen Leben vnsern HERRN vnd liebsten Bruder Christum in seiner
Herrligkeit mit Lust vnd Frewden sehen werden wie Er ist.
Also sagen vnd bekennen wir außdrücklich / daß im heiligen Abendmal Christi / so
hie auff Erden nach seinem Befehl an vielen örten gehalten wird / der wahre
wesentliche Leib / vnd das wesentliche Blut Christi gegenwertig sey / vnd daß
der gantze Christus / Gott vnd Mensch / in Göttlicher vnd Menschlicher Natur bey
dem Ampte des Worts / vnd seiner heiligen Sacrament in seiner Kirchen allhie
auff Erden zugegen sey / Denn hieuon haben wir außdrückliche / helle vnd klare
Zeugnisse in dem Testament des Sohns Gottes. Vnd ob schon dis nicht ein
natürliche oder wesentliche Eigenschafft eines Menschlichen Cörperssey / Doch
weil wir aus Gottes Wort wissen / daß Christo nach seiner angenommenen
Menschlichen Natur aller Gewalt im Himmel vnd auff Erden gegeben / vnd jhm alles
vnter seine Füsse gelegt sey / so gleuben wir festiglich / daß Christus mit
seinem Leibe vnd Blute dasselbige vermöge / was Er in den Worten seines
Testaments versprochen hat / Vnd solches können vnd sollen wir ohne einigen
zweiffel für recht / wahr vnd gewiß halten / weil wir hieuon außdrückliche /
helle vnd klare Zeugniß in der heiligen Schrifft haben.
Was aber die Disputation belanget / De Vbiquitate, Ob der
Leib Christi auch sonst allenthalben / vnd an allen örten seyn möge / setzen wir
dieselbige nach Lutheri Raht beyseits / vnd das aus
hochwichtigen bedencklichen Vrsachen / bis wir ein mal im ewigen Leben Christum
von Angesicht zu Angesicht / in seiner Herrligkeit sehen werden / wie Er ist /
Wie solches alles in der wiederholten gemeinen Confession der Sächsischen
Kirchen von diesem Artickel weitleufftiger erklehret ist / dahin wir die Pastores weisen.
II. Von der Himmelfarth Christi / vnd seinem sitzen zur Rechten Gottes des
Vaters.
VOn diesem Artickel vnsers Christlichen Glaubens sind auch im Sacramentierischen
handel grosse Zwiespalt fürgefallen / Auff daß nu derselben wahrer / rechter /
eigentlicher Verstand
|| [56]
aus Zeugniß der heiligen
Schrifft in der Kirchen Gottes erhalten / vnd dauon auch Gottselige vnergerliche
Reden geführet werden mögen / wollen wir aus einhelliger nechst wiederholten
Bekentniß der Niedersächsischen Kirchen hieher die fürnemsten Heuptpunct auffs
kürtzeste setzen.
Vnd erstlich vermahnen wir die Pastores, daß sie die
Historien der Himmelfarth Christi nicht verstehen sollen von einer solchen
verschwindung / als Christus Luc. 24. für den zweyen Jüngern zu Emaus
verschwindet / Sondern auffs einfeltigste / wie sie nach dem Buchstaben lautet /
daß er zusehens / in öffentlicher / sichtlicher / vmbschriebener gestalt / mit
entziehung seines Leibs / in die Höhe gefahren sey / vnd daß Ihn eine Wolcke für
der Apostel Augen habe weg vnd auffgenom̅en / vnd sey also vber
sich gen Himmel gefahren / wie die Wort der Historien lauten / Actor. 1. Luc.
24. Marc. 16.
Zum Andern / Daß Christus durch solche seine Himmelfarth seine sichtliche vnd
greiffliche Gegenwart vnd beywonung / auff dieser Welt arth vnd weise / nach
welcher Er zuuor mit seinen Aposteln eine zeitlang vmbgangen / vnd gelebet hatte
/ vns / die wir in dieser Welt seyn / entzogen vnd verruckt habe. Denn nach
solcher sichtlicher weise ist Er jetzt im Himmel / vnd in solcher weise wird er
auch wieder vom Himmel kommen / ein Richter der Lebendigen vnd der Todten / Wie
die Engel Actor. 1. zeugen / Also wird er kommen / als jhr Ihn gesehen habt.
Von welcher arth seiner Gegenwertigkeit folgende Sprüche zu verstehen seyn /
Johan. 16. Ich verlasse die Welt. Johan. 17. Mich werdet jhr nicht allezeit bey
euch haben / etc.
Zum Dritten sol dieser Artickel nicht gedeutet oder außgelegt werden allein von
der natürlichen versetzung des Leibes Christi / von einem ort in das andere /
als ob er nichts mehr in sich begriffe. Viel weniger aber sol dieser Artickel
außgelegt werden von natürlicher vnd reimlicher Einschliessung / Als ob Christus
mit seinem Leibe also im Himmel beschlossen were / daß Er bey seiner Kirchen
auff Erden / vnd in seinem Abendmal / so hie auff Erden an vielen örten gehalten
wird / mit seinem wesentlichen Leibe gegenwertig nicht seyn möge oder könne.
Denn S. Paulus Ephes. 4. beweiset aus dem 68. Psalm / daß der Artickel der
Him̅elfart Christi in sich begreiffe die allerhöchste /
vnerforschlichste / vnd vnaußsprechlichste Erhöhung der Menschlichen Natur in
Christo / wie er dieselbige zuuor im 1. Cap. beschrieben hatte. Vnd daß nicht
jemand den Artickel von der Himmelfarth Christi verstünde von der reimlichen
einschliessung des Leibes Chri
|| [57]
sti / bezeuget
Paulus / Er sey vber alle Himmel auffgefahren / auff daß Er alles erfülle /
Ephes. 4. Vnd Hebreor. 7. Er ist höher geworden / denn der Himmel ist. Mit
welcher weise zu reden die Schrifft die allerhöchste Göttliche Majestet / Krafft
vnd Gewalt beschreibet / Psalm. 56. 68. vnd 110.
Zum Vierden / Wiewol dieser Artickel von der Him̅elfart Christi /
vnd sitzen zur rechten Hand Gottes / zwey Stück oder Theil hat / Doch sollen sie
in keinem wege von einander gerissen werden / Sondern man sol sie also auff
einander erfolgen lassen / daß der folgende Theil den nechst vorgehenden erklere
/ Denn Christus ist gen Him̅el gefahren / nicht allein darumb /
daß Er im Himmel sey / wie Enoch / vnd andere Heiligen / Sondern fürnemlich
darumb / auff daß er sich setzet zur Rechten Gottes. Wie denn auch Petrus Acto.
2. bemeldte zweene Punct oder Theil in demselbigen Artickel auffeinander
einführet / daß der erste durch den andern nechstfolgenden erkleret werde. Daher
auch die Augspurgische Confession diese zweene Artickel zusammen setzet /
Auffgefahren gen Himmel / auff daß Er sich setze zur Rechten des Vaters.
Zum Fünfften / Sol man solches sitzen zur Rechten Gottes auch nicht verstehen
allein von der Göttlichen Natur in Christo / Denn nach derselbigen ist Er von
Ewigkeit her daselbs gesessen / ja nach der Göttlichen Natur ist Er selbst die
Rechte GOttes / Sondern dieser Artickel sol fürnemlich von der Menschlichen
Natur in Christo verstanden werden / wie also die heilige Schrifft vnd die
lieben Patres jhn verstehen vnd außlegen.
Es kan aber auch die Rechte Gottes nicht verstanden werden / für eine natürliche
vnd reimliche einschliessung an einem gewissen orte des Himmels / Denn es ist
die Rechte der Majestet vnd Krafft Gottes / Ebreor. 1. Luc. 22. welche von
keinem reimlichen Orte kan vmbfangen oder vmbschrencket werden.
So ist es auch nicht gnug geredt / daß etliche sagen / Christus sey numehr zur
Rechten Gottes / welchs sie nennen / das ort der Seligkeit vnd der Ruhe / Denn
auff diese weise würden auch aller Heiligen Gottes Seelen zur Rechten Gottes
sitzen / welchs doch die Schrifft allein Christo zueignet vnd gibet / vnd
dasselbige mit solcher Außlegung / daß die Rechte Gottes sey eigentlich die
Göttliche Majestet / vnd alle Krafft vnd Gewalt GOttes / Auff welche Arth
Christus Matth. 28. nach seiner Menschlichen Natur saget: Mir ist gegeben aller
Gewalt im Himmel vnd Erden.
So heist auch in der Schrifft dassitzen / der Thron / oder der
|| [58]
Stuel / eigentlich das Reich / das Regiment / vnd die Herrschafft
Gottes / wie S. Paulus den Spruch ausdem 110. Psalm vom sitzen zur Rechten Hand
/ durch das Wort herrschen vnd regieren / erkleret vnd außlegt / 1. Corinth. 15.
vnd Ebreor. 8. wird benennet der Thron der Majestet.
So ist nun das der Summarische Heuptgrund / daß die heilige Schrifft durch das
sitzen Christi zur Rechten des Vaters / zu verstehen gibt / daß die Menschliche
Natur in Christo zur höchsten Majestet / Krafft vnd Gewalt vber alles / was
genennet werden mag / erhöhet sey worden / Ephes. 1. 1. Petr. 3. Als nemlich /
zu seinem ewigen Reich / vnd stetwerendem Priesterthumb / Ebreo. 4. Daß Christus
nunmehr nach / in vnd durch seine beyden Naturen sein Reich vnd Priesterthumb
verwalte vnd verrichte / Vnd gleichwol sind vnd bleiben die Göttliche vnd
Menschliche Natur in Christo in alle Ewigkeit vnterschieden / Denn solches
sitzen zur Rechten Gottes / verursachet oder machet keine vermischung / wie auch
keine vergleichung der Naturen in Christo.
Vnd dem allem nach wird die wesentliche Gegenwertigkeit des Leibes vnd Bluts
Christi im Abendmal / in den Worten des Testaments des Sohns GOttes vns
bescheiden / durch die Himmelfarth Christi / vnd seinem sitzen zur Rechten
GOttes weder auffgehaben noch genom̅en / Sondern viel mehr dadurch
bestetiget / Denn durch die Wort der Einsetzung wird vns Christi Wille
offenbahret / daß Er nemlich im Abendmahl mit seinem Leibe vnd Blute gegenwertig
seyn wolle. Daß Er aber dasselbige (ob es schon nicht ein eigenschafft ist eines
natürlichen Menschlichen Cörpers) auch vermöge zu thun / bezeuget der Artickel
von der Him̅elfart Christi / vnd daß Er nu sitze zur Rechten der
Krafft GOttes / Wie solche Heuptgründe etwas völliger sind erkleret in der
einhelligen wiederholten Bekentniß dieser Kirchen / dahin wir vns auch
referiren.
III. Vom Gesetze vnd Euangelio.
DIe Apologia der Augspurgischen Confession / im Vierden
Artickel von der Rechtfertigung des armen Sünders / spricht / Daß die gantze
heilige Schrifft beyde Altes vnd Newes Testaments werde in zwey Heuptstücke
getheilet / Nemlich / in das Gesetze vnd in die Verheissung von Christo /
welches das Euangelium genennet wird. Weil aber im Newen Testament die
Leuitische Kir
|| [59]
chen Ceremonien vnd die Mosaische
Policeyordnung auffgehaben sind / verstehen wir mit Christo vnd Paulo Matth. 5.
19. Luc. 10. Roman. 7. 13. durchs Gesetze die heiligen Zehen Gebot Gottes / vnd
sagen / Daß mann beyde Lehre / das Gesetz vnd Euangelium von Christo / in der
Kirchen Gottes sol behalten / vnd auch eine jedere in rechtem Verstande an
seinem ort / vnd in richtiger Ordnung den Leuten fürtragen / wie Johannes der
Teuffer / Christus / vnd die Apostel gethan haben.
Auff daß aber das geschehe mit Nutz vnd frommen der Kirchen / sollen die Pastores in aller Gottesfurcht fleis anwenden / daß
beyde die Lehre vnd das Fürbild der gesunden Wort also geführet werden mögen /
daß nicht das Gesetz vnd Euangelium in einander gemenget / oder zu weit von
einander gerissen werde.
Die Papisten haben aus dem Euangelio eine Gesetzlehre gemacht / dadurch sie denn
den Trostreichen Artickel von der Gerechtigkeit des allein Seligmachenden
Glaubens an Christum gentzlich verfelschet vnd verkehret.
Dagegen haben die Antinomi vnd Gesetzstürmer durch das
Euangelium das Gesetz rein auffgehaben / vnd geben für / das Gesetz sey nicht
nötig zur Bußpredigt / Denn man könne aus dem Euangelio wol beyde Busse vnd
Vergebung der Sünde lehren vnd predigen.
Also wenn man allein das Gesetz treibet / vnd nicht auch das Euangelium in seiner
Ordnung prediget / werden dadurch die Leute entweder in die Heucheley oder
Verzweiffelung getrieben.
Wie denn dagegen die jenigen / so allein vnd allezeit eytel Euangelium also
predigen / daß sie die Leute nicht zuuor durch das Gesetze zur Erkentniß jhrer
Sünden bringen / noch jhnen den billichen gerechten Zorn Gottes fürhalten /
nichts anders / denn eytel grewliche Epicurische Sicherheit anrichten.
Sol derwegen derer beyden Heuptlehren keine ohne die andere gelehret / Sondern
beyde das Gesetz vnd Euangelium GOttes in rechtem Verstande an jhrem gebürenden
Ort / vnd in richtiger Ordnung in der Kichen Gottes fleissig getrieben werden.
Vnd ob wol diese beyde Heuptlehren an vnd für sich vnterschieden sind vnd bleiben
/ müssen sie doch nicht gar von einander gerissen werden. Vnd widerumb / ob sie
wol semptlich in rechter Ordnung getrieben müssen werden / dennoch sol man sie
nicht in oder durch einander mengen. Vnd zu dem ende sollen die Pastores beyde die Lehre vnd das Fürbilde der gesunden
wort vnd reden richten / vnd wie das auffs einfeltigste geschehen möge / dauon
wollen wir kürtzlich bericht thun.
|| [60]
Vnd Erstlich / Auff daß nicht die Prediger selbst / vnd darnach auch die Zuhörer
mit zweiffelhafftigen worten vnd reden vmbgeführet vnd verwirret mögen werde̅ / sol darauff acht gegeben werden / daß gleich wie zu zeiten das
wort (Gesetz) in genere, das ist / in gemein gebrauchet
wird / für die gantze Lehre der heiligen Göttlichen Schrifft / Damit denn auch
begriffen vnd eingeschlossen wird die Heuptlehre des Euangelij / von
Trostreicher Verheissung der Gnaden GOttes vmb des HErrn Christi willen / in
welchem Verstande es gebrauchet wird / Psalm. 19. 119. Isai. 2. Mich. 4. Roman.
3. vnd 8.
Also wird auch an etlichen örten der Schrifft das wort (Euangelium) in genere, das ist / in gemein gebraucht / für die
gantze Lehre / so im Newen Testament den Leuten sol fürgetragen werden / wie
folgende Exempel beweisen / Da Johannes der Teuffer / der erste Prediger im
Newen Testament / predigte die Busse vnd den Glauben an Christum / zur Vergebung
der Sünden / vnd daß sie auch rechte Früchte der Busse brechten. Dauon saget
Marcus: Dis ist der anfang des Euangelij. Also da die Apostel predigten / Thut
Busse / denn das Himmelreich ist nahend herbey kommen. Dauon zeuget Lucas Cap.
9. Sie predigten das Euangelium.
Da auch Paulus die Busse zu GOtt / den Glauben an Christum / vnd die Wercke der
wahren Busse lehrete. Dauon zeuget Lucas Actor. 20. Er predigte das Euangelium
des Reichs.
Vnd auff diese meynung / auch in solchem Verstande / wird die gewönliche gemeine
Beschreibung recht gebrauchet vnd verstanden / daß das Euangelium sey eine
Predigt der Busse / vnd der Vergebung der Sünden / wie denn auch also die Apologia redet / vnter dem Titel / Daß allein der Glaube
gerecht mache / vnd hernach im zwölfften Artickel / Vnd also fasset auch
Christus die Summa des Euangelij zusammen / da Er saget: Es sol in meinem Nahmen
gepredigt werden / Busse vnd Vergebung der Sünden. Wie denn der thewre Man
Gottes Vrbanus Rhegius seliger im vorgehenden Buch auch
setzet: Das Euangelium lehret die warhafftige Busse / da der arme Sünder jhm
seine Sünde lesset von Hertzen leid seyn / auch von Hertzen vber GOttes Gericht
erschricket / vnd alßdenn auch lehret es den Glauben / daß der arme Sünder
festiglich gleubet / daß jhm seine Sünde vergeben werden / vmb CHristi
Verdienstes willen. Vnd bald darauff erkleret es Vrbanus
weiter / vnd schreibet: Erkenne / berewe / vnd bekenne deine Sünde von Hertzen /
gleube auch dabey / daß Jesus Christus Gottes vnschüldiges Lamb / auch diese
deine Sünde getragen vnd gebüsset habe / bezeuge auch deine inwendige
|| [61]
Busse mit besserung deines gantzen Lebens / das ist
die rechte Euangelische Busse.
Aber aus solchen gemeinen Beschreibungen des Euangelij sol man in keinem wege ein
gemenge oder Verkehrung des Gesetzes vnd Euangelij mache̅ / wie
die Antinomer vnd Gesetzstürmer tichten / man̅ solle die Busse /
Das ist / Erkentnisse der Sünden vnd schrecken des Zorns Gottes / nicht aus dem
Gesetz / sondern aus dem Euangelio predigen / Sondern solche gemeine Reden sol
man also verstehen vnd erkleren / wie die Schmalkaldischen Artickel sagen: Das
Newe Testament behelt vnd treibet das Ampt des Gesetzes / die Sünde zu straffen.
Vnd wie auch Vrbanus im vorgesatzten Büchlein schreibet:
In solcher Folge sollen die Theil der Busse vnd Bekehrung zu Gott gelehret vnd
getrieben werden / Erstlich / wenn das Gesetz recht geprediget wird / dadurch
erregt der heilig Geist in vns wahre Erkentnisse der Sünden / das ist / Rew vnd
Leid. Darauff wird alßdenn zum andern durch die Predigt des Euangelij vns
fürgetragen vnd geschencket / die tröstliche Gnade Gottes in Christo.
Eben also sol auch das Wort Busse erkleret werden / Denn zu zeiten verstehet man
damit die gantze Bekehrung zu GOtt / als Jerem. 18. Ezechiel. 18. Luc. 13. 15.
vnd 16. Acto. 11. welcher eigentliche vnd fürnemste Theil oder stück sind / wie
die Apologia saget / Contritio,
Rew vnd Leid / vnd Fides, der Glaube. Es setzet aber die
Apologia weiter dazu / Ob jemand vber diese erzehlte
zwey Theil der Busse noch den dritten Theil setzen wolte / Nemlich die Früchte
der wahren Busse / oder den newen Gehorsam / so auff die Vergebung der Sünden
ohne Heucheley folget / mit dem sol man nicht streiten.
Wenn aber gefraget wird / Woraus solche zwey oder drey Theil der Busse gelehret
sollen werden / so ist klar / daß es nicht geschehen könne allein aus dem
Gesetze / wie auch nicht alleine aus dem Euangelio / Sondern aus dem Gesetz vnd
Euangelio / Doch nach Eigenschafft einer jeden Heuptlehre / vnd nach erheischung
eines jeden stücks der Bekehrung.
Zu zeiten aber wird durch das wort Busse allein der erste Wille der bekehrung
verstanden / Nemlich / die Contritio, Rew vnd Leid vber
erkante vnd begangene Sünde / als in denen Sprüchen / da zu gleich zwey oder
drey Theil der bekehrung zu rhur bey vnd nacheinander vnterschiedlich gesetzet
werden / Nemlich / Busse vnd Vergebung der Sünden / Item / Busse / Glaube / vnd
rechtschaffene Früchte der wahren Busse / Marc. 1. Luc. 24. Actor. 5. 20. vnd
26.
Da alßdenn gefraget wird / Woraus sol man dieses Verstan
|| [62]
des die Busse lehren? Ist das die richtige Antwort: Aus dem
Gesetze. Denn durchs Gesetz kommen wir zur Erkentniß der Sünden / des Zorns
Gottes / vnd des verschüldeten Todes / Rom. 3. 4. vnd 7. 2. Corinth. 3.
Zum Andern / Wenn eigentlich vnd vnterschiedlich vom Gesetz vnd Euangelio geredt
wird / so muß auff diese Vnterschiede zwischen dem Gesetz vnd Euangelio fleissig
acht gegeben werden / vnd da dieselbe nicht vermenget / sondern vnterschiedlich
in rechtem Verstande erhalten vnd fürgetragen sollen werden / muß nach dem
Exempel S. Pauli deutlich vnd vnterschiedlich erkleret werden / was des Gesetzes
/ vnd was des Euangelij eigentliches / sonderliches vnd vnterschiedenes Ampt
sey.
Es ist aber aus Paulo klar vnd gewiß / Romanor. 3. 4. vnd 7. Galat. 3. 2.
Corinth. 3. daß des Gesetzes eigenes / sonderliches vnd vnterschiedenes Ampt sey
/ die Sünde weisen vnd offenbahren / Gottes Zorn ankündigen / den Fluch vnd
ewigen Tod auff die Sünder legen. Vnd dieses Amptes brauchet der heilige Geist /
dadurch Contritionem, Busse / Rew vnd Leid / Furcht /
zittern vnd schrecken in vns zu wircken.
Dagegen aber ist das einige / sondere vnd vnterschiedliche Ampt des Euangelij /
vns in Christo verkündigen vnd offenbahren die Gerechtigkeit des Glaubens / die
Gnade vnd Barmhertzigkeit Gottes / Vergebung der Sünden / Heyl / Seligkeit / vnd
ewiges Leben / Roman. 1. 3. vnd 10. Gal. 3. 2. Corint. 3. welches Ampt der
heilige Geist brauchet / dadurch die Gewissen zu trösten / vnd wieder
auffzurichten / wahren seligmachenden Glauben in jhnen anzuzünden / fürzutragen
/ zu schencken vnd zu geben den Gleubigen Gerechtigkeit / Gnad / Heyl /
Seligkeit / vnd ewiges Leben / vmb des HErrn Christi willen. Daher es in der
heiligen Schrifft genennet wird ein Wort des Glaubens / des Lebens / des Heyls /
vnd Trostes / Rom. 10. Actor. 13. vnd 14. Isai. 61.
Vnd eben auff diese Weise redet auch die Apologia der
Augspurgischen Confession / wenn sie außdrücklich erkleret / was eigentlich das
Euangelium sey / Item / welches des Euangelij / welches des Gesetzes sondere
Lehre vnd eigen Ampt sey / als im Titel von der Gerechtigkeit des Glaubens: Die
Schrifft leget vns für an etlichen orten das Gesetz / an etlichen orten aber
weiset sie vns die Trostreiche Verheissung von Christo. Vnd weiter / das
Euangelium ist eigentlich die Verheissung der Vergebung der Sünden / vnd der
Rechtfertigung des Glaubens / vmb Christi willen. Im Titel von der Wie
|| [63]
dersacher Argument vnd Gegenreden setzet sie:
Wir bekennen / daß die Schrifft an etlichen orten das Gesetz lehret / an
etlichen orten aber das Euangelium / die gnedige Vergebung der Sünden vmb
Christi willen. Vnd weiter: Das ist des Euangelij eigene Lehre / daß wir nicht
vmb vnserer Wercke vnd Verdienst willen / sondern allein vmb des HErrn Christi
willen durch den Glauben bekom̅en Vergebung der Sünden. Vnd
weiter: Das Euangelium ist eben die Lehre / so den Glauben erfoddert / daß vns
Gott wolle die Sünde vergeben / vnd selig machen allein vmb Christi willen.
Im Artickel / De Poenitentia, Das wort / das allein die
Sünde weiset / offenbahret vnd straffet / das ist eigentlich die Lehre des
Gesetzes / vnd nicht des Euangelij. Item / Das Gesetz ist das Wort / das die
Sünde straffet / vnd verdammet. Vnd bald darauff: Das sind die zwey fürnemsten
Werck Gottes im Menschen / Schrecken / vnd die Erschrockenen wieder erquicken /
vnd lebendig machen. Von diesen zweyen Wercken GOttes redet vnd handelt die
gantze heilige Schrifft / Eines geschicht durchs Gesetze / welches weiset /
offenbaret / straffet / vnd verdammet die Sünde / Das ander geschicht durch das
Euangelium / welches verheisset vnd schencket die Gnade in Christo.
Vnd hieraus ist klar vnd offenbahr / wie man solchen vnterscheid zwischen dem
Gesetz vnd Euangelio nach Notturfft nützlich gebrauchen möge vnd solle / Als
nemlich / Daß die Pastores hieraus Bericht haben / was
sie für eine Lehre den Gottlosen / sichern / vnd vnbußfertigen Sündern sollen
fürhalten / dadurch GOtt in jhnen Rew vnd Leid vber jhre Sünde / Furcht vnd
schrecken für Gottes Zorn / vnd seinem schrecklichen Gericht wircken möge /
nemlich / die scharffe ernste Gesetzpredigt.
Aus welchem Gesetz die Pastores auch hernach den
Bekehrten vnd Heiligen weisen vnd offenbahren sollen die inwonende Sünde / so in
jhrem Fleisch noch wonet / Rom. 7.
Item / Aus gegebenem Bericht haben sich die Pastores auch
zu erinnern / aus welcher Heuptlehre sie die erschrockene / zerschlagene / blöde
vnd furchtsame Hertzen vnd Gewissen wieder trösten vnd auffrichten sollen / vnd
jhnen weisen / wo sie die Gnade Gottes / Gerechtigkeit / Versönung mit Gott /
Vergebung der Sünden / Heyl / Seligkeit vnd ewiges Leben / suchen / finden vnd
bekommen mögen. Denn in diesem Fall sol man die Hertzen vnd Gewissen nicht an
das Gesetze / vnd desselben Wercke vnd verdienste weisen / Sondern zu der Lehre
des Trostreichen Euangelij / Galat. 3. Roman. 3. 2. Corinth. 3. Isai. 61. Matth.
9. 11.
|| [64]
Item / wen̅ die Pastores die Bekehrten vnd
Gleubigen lehren wollen / wie vnd woher sie die Kreffte vnd vermögen GOtt
wolgefellige gute Werck zu thun vnd zu leisten / vberkommen mögen / Da müssen
sie jhnen aus dem Euangelio Bericht thun / Daß zuuor die Person müsse durch den
Glauben gerechtfertiget seyn / Vnd daß mann also durch den Glauben den Geist der
Ernewerung empfahe / welches Früchte alßdenn die rechten vnd Gott wolgefellige
Werck sind / Galat. 3. vnd 5. Tit. 3.
Wenn sie aber jhnen eine gewisse Regula zeigen vnd weisen wollen / welchs denn
dieselbigen Wercke seyn / die Gott von den Bekehrten erfordert / in welchen
Wercken sie leben / vnd GOtt jhren schüldigen newen Gehorsam erzeigen sollen /
müssen sie die Leute zu den Zehen Geboten weisen / welches Paulus nennet / das
Gesetze der Wercke / Roman. 3. Wie auch geschrieben stehet: Es sol nicht ein
jeder thun / was jhn recht düncket / Ihr solt auch Gott nicht nach Menschen
Lehre dienen / Sondern in meinen Geboten solt jhr wandeln / spricht ewer Gott /
Deut. 12. Matth. 15. Ezechiel. 20.
Derwegen die jenigen vnrecht thun / die diesen brauch des Gesetzes / welchen man
den dritten nennet / auffheben / verwerffen vnd verleugnen. Wenn aber gefraget
wird / Wie denn vnsere gute Wercke / weil sie in diesem Leben noch vnuolkom̅en vnd vnrein seyn / Gott gefallen mögen / Da lehret das
Euangelium / Daß wir das heilige Priesierthumb seyn / zu opffern Geistliche
Opffer / die GOtt angenehm seyn durch Jesum Christum / 1. Petr. 2.
Aus solchem vnterscheid zwischen dem Gesetz vnd Euangeliokönnen vnd sollen auch
die Pastores lernen / was sie für eine Ordnung in der
Lehre von rechtschaffener wahrer Bekehrung halten sollen / Denn erstlich sollen
sie durchs Gesetz die Hertzen bringen zur Erkentniß jhrer Sünden / des gerechten
Zorns vnd Gerichts Gottes vber die Sünde. Zum andern / sollen sie die
zerschlagenen Gewissen wieder trösten vnd auffrichten durch das Trostreiche
Euangelium / zur gnedigen Vergebung der Sünden. Vnd alßdenn zum dritten solchen
Bekehrten vnd Gleubigen aus dem Gesetze weisen / welche vnd was für Wercke Gott
von jhnen erfordere / vnd in solchem newen Gehorsam jhnen auch aus dem Gesetze
weisen / daß jhre gute Wercke in diesem Leben / von wegen des Fleisches / noch
vnuolkommen vnd vnrein seyn vnd bleiben / Vnd demnach sie aus dem Euangelio
lehren vnd trösten / daß gleichwol vmb des HErrn Christi willen solcher
angefangener / vnuolkommener / schwacher / vnreiner Gehorsam Gott in seinen
Gleubigen gefalle vnd angenehm sey.
|| [65]
Diß haben wir also etwas weitleufftiger vom rechten nützlichen Gebrauch des
Vnterscheids zwischen dem Gesetz vnd Euangelio erkleren wollen / auff daß
jederman sehen möge / daß dieser Streit nicht ein vnnütz Gezenck sey / Vnd daß
wir den Pastoribus hiemit einfeltige Anleitung haben
geben wollen / daß sie in den streitigen Artickeln nicht blosse ledige Disputationes suchen / Sondern darauff dencken sollen /
wie alles zu Gottseligem Gebrauch vnd nützlicher Erbawung angewendet werden
möge.
Zum Dritten / Viel Fragen vnd viel Disputationes, so in
diesem Streit fürfallen / können einfeltig vnd richtig beantwortet / recht
erörtert vnd verstanden werden aus folgenden zweyen Gründen / die da klar / fest
vnd gewiß seyn.
Der Erste Grund ist dieser / daß man in den Bußpredigten nicht nur alleine das
Gesetz treiben sollen / Sondern / so die Busse sol heilsam seyn / so muß noth
vnd Trostes halben dabey verkündiget werden die Vergebung der Sünden / aus dem
Euangelio / Denn also setzet es Paulus beydes zusammen / Roma. 11. Galat. 3.
Gott hat alles beschlossen vnter die Sünde oder Vnglauben / auff daß Er sich
aller erbarme / vnd daß die Verheissung kehme durch den Glauben an JEsum
Christum / gegeben denen / die da gleuben.
Aber daraus / wenn solche beyde Heuptlehren neben einander geführet werden /
folget mit nichte eine vermengung beyder Heuptlehren / Sondern es bleibet
gleichwol / vnd sol auch gehalten werden / der gewiesene Vnterschied des
Gesetzes vnd Euangelij. Vnd eben auff diese weise redet auch die Apologia, im Titel von der Wiedersacher Argument vnd
Einreden. Christus setzet neben einander / das Gesetz vnd Euangelium. Vnd im
Lateinischen Exemplar noch klerer. Es ist nicht gnug / daß man zur Bussepredigt
allein das Gesetz treibe / als das Wort / dadurch die Sünde gestraffet wird /
denn das Gesetz richtet Zorn an / Darumb ist von nöten / daß man bald darauff /
dabey vnd daneben das Euangelium predige / zur vergebung der Sünden / vmb
Christi willen. Item / die Papisten schliessen das Euangelium von Christo aus in
der Bußpredigt. (Vnd weiter) Das ist ja gewiß / welches auch die Pforten der
Hellen nicht vmbstossen können / daß zur Bußpredigt nicht allein gehöre die
Gesetzlehre / Denn das Gesetz richtet nur Zorn an / drawet vnd straffet jmmerdar
/ Sondern es muß auch die Lehre des Euangelij dazu kommen.
Wie denn auch vnrecht were / wo allein das Euangelium ohne das Gesetz gelehret
würde / Alßdenn der selige Man Gottes Vrbanus in seinem
vorgehenden Büchlein recht schreibet / Daß kein rechter
|| [66]
Glaube im Menschen sey / wo nicht zuuor wahre Busse / Rew / vnd Leid in jhm
vorhanden / Denn Gott wil durchs Euangelium keinen gerecht vnd lebendig machen /
den Er nicht zuuor / als einen verdampten Sünder / beklaget / vberzeuget /
gedemütiget vnd getödtet habe / Rom. 3. vnd 4. 1. Samuel. 2. Isai. 61.
Vnd hieaus ist das wol klar / daß Gesetz vnd Euangelium nicht sollen von einander
gerissen werden / Aber dadurch wird gleichwol der vnterscheid des Gesetzes vnd
Euangelij nicht auffgehaben / sondern viel mehr bestetiget vnd gestercket.
Der ander Grund ist dieser / daß die beyden Heuptlehren / das Gesetz vnd
Euangelium / jmmer eine der andern die Hand beut / vnd eine die andere außlegt
vnd erkleret / Also / was Christus im Euangelio für eine Bezahlung vnd
Gnugthuung für vnsere Sünde geleistet / das erkleret Paulus aus dem Gesetz: Gott
/ spricht er / hat seinen Sohn vnter das Gesetz gethan / auff daß Er die / so
vnter dem Gesetz waren / erlösete / Gala. 4. So schencket vns auch das
Euangelium in Christo durch die gnedige Zurechnung des Glaubens / die
Gerechtigkeit / so das Gesetz erforderte / Rom. 8.
Item / Da das Euangelium die Historien vom Leiden Christi beschreibet / wie Gott
der Vater seinen Sohn geschlagen habe vmb vnser Sünde willen / damit weiset er
vns die schwere Last der Sünden / vnd des Zorns Gottes vber die Sünde / Denn
Christus ist vnter das Gesetz gethan: Aber damit werden die zwo Lehren des
Gesetzes vnd Euangelij nicht in einander gemenget / Sondern es bleibet gleichwol
der vnterscheid beyder Lehre. Wie denn Lutherus in der
4. Disputation wieder die Antinomer vnd Gesetzstürmer / Propositione 24. sich also erkleret: Paulus / eben in dem / da er
lehret / daß wir alle in Christo müssen gerecht werden / weiset vnd straffet er
/ daß wir alle Sünder seyn / welche Straffe eigentlich des Gesetzes Werck vnd
Ampt ist.
Solche seine Erklerung wiederholet Lutherus zum offtermal
in seiner Außlegung vber die Epistel an die Galater / Daß nemlich das Euangelium
dem Gesetze viel nützliche vnd nötige Erklehrung gebe / Als da er im 3. Capit.
den Spruch Pauli außlegt: Das Gesetze ist vnser Zuchtmeister gewesen auff
Christum / daß wir durch den Glauben gerecht würden / schreibet er: Des Gesetzes
Ampt vnd rechter Brauch ist nicht alleine die Sünde / vnd den Zorn GOttes zeigen
/ Sondern auch zu Christo nöthigen. Diesen Brauch des Gesetzes suchet allein der
heilige Geist / vnd das Euangelium weiset vnd lehret solches / Denn allein das
Euangelium lehret / daß GOtt
|| [67]
in den zerschlagenen
Hertzen / vnd geengsten Gewissen wohnen wolle.
Vnd vber das 4. Capittel schreibet er: Das Gesetz saget wol / Wer das thut / der
wird darinne leben / Das Euangelium aber zeuget / Du thust das nicht / darumb
kanstu auch nit darin oder dadurch leben. Also auch / wenn das Euangelium lehret
/ Ohne den Glauben kan Gott niemand gefallen / Ebr. 11. Item / Was nicht aus dem
Glauben kömpt / das ist Sünde: Wird damit des Gesetzes Lehre erkleret / Nemlich
/ Daß Gott durch sein Gesetze in den Vnbekehrten / die ohne Glauben / vnd ausser
Christo sind / nicht allein jhre grobe Laster straffet / sondern auch allen
jhren ehrlichen wandel vnd redliche thaten für Sünde in seinem Gerichte
beschüldiget vnd außruffet.
Vnd also straffet auch der heilige Geist die Welt vmb die Sünde / daß sie nicht
gleubet an Christum / Denn das Gesetz spricht das Vrteil in gemein / daß Sünde
sey / wer nicht gleubet allem vnd jedem Wort / das Gott offenbahret vnd geben
hat / Das Wort aber / welches lehret von der gnedigen Barmhertzigkeit Gottes /
allein vmb des HERRN Christi willen / vnd von solchem Glauben an Christum / das
ist je die eigene besondere Lehre des Euangelij / vnd nicht ein Gesetzlehre /
Denn das Gesetz ist nicht des Glaubens / Sondern der Mensch / der es thut / wird
dadurch leben / Galat 3. Wenn derhalben das Euangelium seiner eigenen besondern
Lehre entgegen setzet diese Antithesin, Wer nicht
gleubet / der wird verdampt / Item / Der nicht an den Sohn gleubet / vber dem
bleibet der Zorn Gottes: Damit erkleret das Euangelium die gemeine Lehre des
Gesetzes / welchs in gemein den Vnglauben gegen allem vnd jedem Wort Gottes / es
sey im Gesetz oder Euangelio / offenbahret / für Sünde straffet / Aber diese Speciem oder Arth des Vnglaubens / daß man nicht gleubet
an den fürgestelten Mittler vnd Gnadenstuel Christum / weiset die Antithesis des Euangelij / welcher Vnglaube doch sonst
in allen Euangelischen Kirchen / wenn die Catechismus Lehre verhandelt wird / im
ersten Gebot mit begriffen wird / Darumb denn das Erste Gebot im Gesetz Gottes
straffet in gemein den Vnglauben gegen allem vnd jedem Wort Gottes.
Dis ist richtig / einfeltig / verstendig / vnd an jhm selbs wahr / daß man also
dieses Spruchs halben / Johann. 16. den Vnterschied des Gesetzes vnd Euangelij
nicht zerrütten darff / Denn ob wol aus dem Euangelio viel Außlegung genommen
werden / dadurch die Lehre des Gesetzes erkleret wird / so sol vnd muß doch
darumb Gesetz vnd Euangelium nicht in einander gemenget werden / Sondern / es
muß bleiben vnd erhalten werden die eigentliche nothwendige Vnterschied
|| [68]
zwischen dem Gesetz vnd Euangelio / welche / wie Lutherus schreibet / in der andern Disputation wieder
die Antinomos vnd Gesetzstürmer / in der 18. Proposition
/ darinn vnd darauff stehet / was die Sünde / den Zorn Gottes / vnd den Tod
weiset oder offenbahret / das führet das Ampt oder Werck des Gesetzes / es
geschehe im Alten oder Newen Testament / Hinwiederumb auch / was da lehret von
der Person / von dem Verdienst / vnd von den Wolthaten Christi / von gnediger
vnuerdienter Barmhertzigkeit Gottes / vnd Vergebung der Sünden / allein vmb des
HErrn Christi willen / vnd von dem Seligmachenden Glauben an Christum / Das ist
vnd heisset eigentlich Euangelium / es geschehe im Alten oder Newen Testament.
Also vnd auff diese weise kan der rechte / wahre / vnd nötige vnterscheid des
Gesetzes vnd Euangelij beyderseits in rechtem Verstande / auch mit bequemen
vngefehrlichen Reden / in der Gemeine Gottes fürgetragen vnd erhalten werden /
daß diese nützliche / nötige Lehre nicht durch vnmüssige Disputationes zerrüttet / sondern in rechtem nützlichem Gebrauch / in
ernstlicher Busse / in rechtem Glauben / vnd in willigem newem Gehorsam / den
Leuten geweiset möge werden.
IIII. Von der Erbsünde.
WEil von diesem Artickel jetziger zeit mancherley Zwiespalt erreget / ist es in
allwege nütz vnd nötig / die Pastores des Heuptgrundes
dieser Lehre zu erinnern / wie sie von diesem Artickel recht halten / vnd mit
Christlicher bescheidenheit dauon reden mögen / die Kirchen für dem Irrthumb
beyde der Pelagianer vnd Manicheer zu verwarnen.
Vnd dis ist abermal nicht ein vnnützes Gezenck / sondern ein gar nötiger Streit /
Denn wie die Apologia saget: Es können die
vberschwengliche grosse Gnadenwerck vnd Wolthaten Christi nicht recht erkant
werden / wo nicht zuuor der grosse gefehrliche schaden der Erbsünde betrachtet
vnd erkant werde.
Anfenglich aber ist in vnsern Kirchen bekant vnd ohne Streit / daß zweyerley
Sünde sind / die Erbsünde vnd die wirckliche Sünde / Vnd / wie die
Schmalkaldische Artickel sagen / Daß solche Erbsünde keine Vernunfft kenne /
sondern aus der Schrifft Offenbahrung gegleubet werden müsse.
Es weiset aber die Apologia auffs einfeltigste / daß die
beschreibung der Erbsünde diese drey Stücke in sich begreiffe / I. Defectum & carentiam, den mangel oder
gentzliche darbung der Erbgerechtig
|| [69]
keit / welche
/ wie Paulus zeuget / Ephes. 4. gewesen ist / Warheit / Heiligkeit / vnd
rechtschaffene Gerechtigkeit in des Menschen Sinn / Hertzen / Willen / vnd in
allen seinen Krefften / das ist / wie es die Lateinische Apologia weiter erkleret / Die Beschreibung der Erbsünde benimpt vnd
entzeucht der Menschlichen vnbekehrten Natur gentzlich alle Geistliche Gaben /
vnd auch das vermögen vnd kreffte in Geistlichen Sachen etwas anzufahen / vnd zu
wircken.
II. Concupiscentiam prauam, seu vitiosum habitum, Die
böse gifftige Vnarth / vnd schendliche zuneigung zu allem bösem / so an stat des
mangels in die verderbte Natur eingesessen ist / vnd ist eine tieffe böse
verderbung der Natur vn̅ aller kreffte des Mensche̅
/ wie die Schmalkaldische Artickel dauon reden / da der Mensch von Gott vnd
seinem Willen gentzlich abgewandt / vnd stracks verkehret ist / zu vnd nach
allem dem / so dem Göttlichen Willen zuwieder ist / neben einem wiederspenstigen
widerwillen wieder Gott / in allen seinen öbern vnd vntern krefften / im
Verstande / Hertzen vnd Willen / Also / daß numehr nach dem Fall alles tichten
vnd trachten des Menschlichen Hertzens / vor der Wiedergeburt des heiligen
Geistes / nur böse ist jmmerdar / vnd fleischlich gesinnet seyn / eine
Feindschafft ist wieder Gott / fürnemlich in Geistlichen Sachen / vnd was beyde
Gott vnd vnsere Bekehrung vnd Seligkeit belangend ist / Denn in eusserlichen
Weltlichen sachen vnd hendeln / so der Vernunfft vnterworffen / seyn noch
etlicher masse etliche Kreffte / wiewol sehr schwechlich im Menschen vbrig / wie
gesagt sol werden in dem nechstfolgenden loco de Libero
arbitrio.
III. Bringet vnd hat die Erbsünde auch mit sich die
straffe / als den Zorn Gottes / den Tod / vnd andere leibliche Vnfälle / sampt
des Teuffels Tyranney vnd wüten / wie denn leider die Menschliche Natur in die
dienstbarkeit vmb der Erbsünde willen dem Teuffel vbergeben ist / der sie mit
jrrigem Wahn verführet / vnd darinnen verwirret / Sie auch in allerley grewliche
Sünde vnd Schande stürtzet.
Diese Lehre muß in rechtem Verstande / vnd mit richtigen bescheidenen Worten also
fürgetragen / verwahret vnd erhalten werden / daß dauon außgesetzet werden /
alle Pelagianische Irrthumb / dadurch die Erbsünde extenuiert vnd geringschetzig
geachtet wird / Als da man tichtet / Die Erbsünd sey allein ein solcher blosser
Reatus oder Schuld / da wir allein des frembden
Falles / ohne einige vnserer eigenen Natur Verderbung / entgelten müssen / oder
daß sie nicht so eine grosse Sünde sey / derwegen der Mensch ausser Christo sey
/ vnd stecke im Reich vnd vnter der Gewalt des Teuffels / als ein Kind des Zorns
vnd Verdamniß / Denn das ist einmal wahr / daß vnsere
|| [70]
Menschliche Natur / wie sie ist ohne vernewerung des heiligen Geistes / beyde
vmb der auff vnd angeerbten verderbung / vnd auch vmb des Falls der ersten
Eltern willen durchs Gesetze Gottes angeklaget wird / daß sie schüldig sey des
Zorns Gottes / vnd ewiger Verdamniß / wo sie nicht vmb Christi des HERRN willen
Vergebung der Sünden erlanget / Denn sie ist nicht wie ein angesprengter
vnreiner Fleck an einem Kleide / welcher leichtlich kan abgethan werden /
sondern sie ist für Gott so grewlich vnd gros / daß sie nur allein vmb des HErrn
Christi hohen Verdienstes willen vergeben kan werden. Es kan auch vnsere Natur /
so durch die Erbsünde verderbet / nicht geheilet werden / ohn allein durch die
Wiedergeburt vnd Ernewerung des heiligen Geistes / welchs in diesem Leben allein
angefangen / aber allererst im folgendem ewigem Leben vollnbracht wird.
Ist derwegen die Erbsünde nicht eine solche Verderbung / daß dadurch allein die
Accidentia vnd Qualitates
verendert / vnd in einen andern zustand gebracht weren / dabey die Natur für
sich in Geistlichen Sachen noch gut vnd vnuerderbt geblieben were.
Ist auch nicht nur allein eine eusserliche Verhinderung zum guten in Geistlichen
Sachen / als wenn sonst ein Magnet mit Knoblauch bestrichen wird / vnd jhm
dadurch seine Eigenschafft / das Eisen an sich zu ziehen / eine zeitlang
auffgehalten / aber nicht gentzlich / noch völlig benommen wird.
So lehren auch von der Erbsünde vnrecht / die da fürgeben / daß wol die
Menschliche Natur durch Adams Fall vber die masse sehr geschwechet sey / aber
dennoch habe sie nicht gentzlich das vermögen vnd alle gute Kreffe zu
Geistlichen Sachen verlohren. Solcher falscher Wahn aber streitet mit den
Gründen der Schrifft / so vorher aus der Apologia
angezogen.
Wie nu von dem Pelagianischen Irrthumb / dieselben außzusetzen / gesagt ist /
also sol auch weiter fleis angewendet werden / die Leute für der Manicheer
Schwermerey zu verwarnen / Denn es hat der Teuffel die Menschliche Natur in den
ersten Eltern durch den Fall nicht auff die weise verderbet / daß er eine newe
eigene Substantz vnd wesen in dem Menschen erschaffen vnd gemacht / vnd also mit
seinem newen Geschöpff die Natur vergifftet vnd verderbet hette / wie Augustinus der Manicheer wahnsinniges fürgeben
beschreibet / Sondern da der Mensch durch Verführung des Teuffels Gottes Gebot
vbertretten / ist von wegen seines Vngehorsams auff jhn das Göttliche
beschlossene Vrtheil zur Straffe ergangen / daß er alßbald die vrsprüngliche
Erbgerechtigkeit verlohren / Vnd eben durch solche verlust
|| [71]
vnd mangel ist die Menschliche Natur in Adam so erbermlich / wie
jetzt gesaget / vom Teuffel zerrüttet vnd verderbet worden / Denn mit solchem
mangel vnd verderbung wird die Natur nach dem Fall auff alle Menschen / so von
Vater vnd Mutter natürlicher weise empfangen vnd geboren werden /
fortgepflantzet / an vnd auffgeerbet / wie es denn nach dem Fall mit der
Menschlichen Natur in Mutterleibe nit diese meynung hat / als würde sie numehr
anfenglich von Gott gut / rein / vollkommen erschaffen / darnach aber keme der
Teuffel vnd gösse ein andere gifftige Substantz hinein / dadurch sie verderbet
würde / Sondern bald in demselben Augenblick der empfengnis ist der Same /
daraus die Natur formieret vnd bereitet wird / zuuor schon durch die Erbsünde
vergifftet vnd verderbet / Daß also / was aus Fleisch geboren wird / Fleisch
ist. So ist auch die Erbsünde an jhr selbst weder in noch ausser der
Menschlichen Natur etwas Substantiale / oder ein
selbstendig wesen / wie sie auch die Substantz oder Natur des Menschen selbst
nicht seyn kan / Denn ja der Teuffel keiner Creatur Schöpffer ist / sondern eine
jede Substantz oder Natur / so ferne sie eine Substantz oder Natur ist sie von
GOTT / als Augustinus wieder die Manicheer dasselbige
gewaltig aus der Schrifft erhalten hat.
Ob denn nun wol die gantze Substantz vnd Natur des Menschen / sampt allen jhren
krefften / durch die Erbsünde / wie oben vermeldet / zu grunde verderbet ist /
So ist doch gleichwol nicht ein ding / die Menschliche Substantz vnd Natur /
darinn die Sünde wonet / vnd die Erbsünde selbst / die in der Menschlichen Natur
wonet / sondern man muß notwendig ein vnterschied setzen vnd halten zwischen dem
wesen oder Natur des Menschen / darinn die Sünde wonet / vnd zwischen der
Erbsünde / so im Fleisch wonet / auff daß das jenige / was Gottes Geschöpff vnd
Werck an dem Menschen ist / vnterschieden werde von der Sünde / welche ein Werck
des Teuffels ist.
Dieser Vnterschied aber sol nicht dahin gezogen vnd verstanden werden / als ob
die Natur für Gott an jr selbst in Geistlichen sachen noch heilig / gut vnnd
vnuerderbet were / Allein aber die Sünde / so darinnen wonet / bös were / Oder
daß Gott allein die Sünde in der Natur wonend / durch sein Gesetz beschüldige
vnd verdamme / nicht aber die Natur selbst / so durch die Sünde verderbet ist /
Denn wir haben oben vermeldet / daß der gantze Mensche von wegen der Sünde
beschüldiget vnd verdampt werde / nicht aber darumb vnd daher / weil seine
Substantz ein Werck vnd Geschöpff Gottes ist / sondern darumb vnd daher / weil
seine Substantz / wesen vnd Natur durch
|| [72]
die Sünde zu
grund durch vnd durch verderbet vnnd vergifftet ist.
Dieser Vnterschied aber kan nicht augenscheinlich mit Fingern geweiset werden /
daß ein jedes Theil für sich allein dargestellet werde / als die Natur allein /
vnd die Sünde auch allein / Denn die Sünde ist wie ein Geistlicher Aussatz /
durch die gantze Natur gedrungen / vnd hat dieselbige durch vnd durch vergifftet
vnd verderbet / Dennoch muß gleichwol ein vnterschied zwischen beyden theilen
seyn vnd gehalten werden / wenn ein jedes für sich vnterschiedlich betrachtet
wird. So ist auch solcher vnterschied nicht nur ein vermeinetes / nichtiges /
vnnützes Geticht / Sondern die fürnemsten Artickel vnsers Christlichen Glaubens
erfordern es / dringen vnd zwingen / daß solcher Vnterschied muß gesetzt /
gelehret / vnd gehalten werden.
Denn Erstlich / im Artickel von der Schöpffung zeuget die heilige Schrifft / Daß
Gott nicht allein vor dem Fall / Sondern auch nach dem Fall in dieser verderbten
Natur noch der Schöpffer vnd Werckmeister sey vnserer Substantz / Wesen oder
Natur / dieses vnsers Leibes / vnd vnserer Seelen / Also / daß auch nun nach dem
Fall der Mensch mit seiner Substantz / Wesen oder Natur / Leib vnd Seele / ein
Geschöpff vnd Werck GOttes ist / Wiewol dieselbige Creatur GOTTes durch die
Sünde leider erbermlich verderbet ist. Da nun gar kein vnterschied solte seyn
zwischen des Menschen Substantz / Wesen / Natur / Leib vnd Seele / vnd zwischen
der Sünde / dadurch des Menschen Substantz / Wesen / Natur / Leib vnd Seele
zerrüttet / vnd verderbet ist / So würde vnwiedersprechlich folgen / daß
entweder Gott / weil Er ein Schöpffer ist des Menschen / auch ein vrsach vnd
Schöpffer der Sünden were. Oder daß der Teuffel / weil er ein vrsach der Sünden
ist / auch des Menschen Schöpffer were / welches beydes streitet wieder den
Ersten Artickel des Glaubens / von der Schöpffung. Derhalben auff daß GOttes
Werck vnd Geschöpff an dem Menschen von dem Wercke des Teuffels / welches die
Sünde ist / vnterschieden werde / sagen wir / Daß der Mensch Leib vnd Seele hat
/ das ist Gottes Werck / Daß aber des Menschen Leib vnd Seele durch die Sünde
verderbet ist / das ist des Teuffels Werck.
Zum Andern / von der Erlösung im Andern Artickel des Glaubens bezeuget die
Schrifft / Daß der liebe Sohn GOttes die Substantz oder wesen vnser Natur / aber
doch one Sünde / an sich genommen habe / vnd demnach vns seinen Brüdern
allenthalben Consubstantialis vnd gleich worden sey /
außgenommen die Sünde / Ebre. 2. Da aber ohne allen vnterschied die Sünde solte
vnser Substantz /
|| [73]
Wesen / Natur / Leib / Seele selbst
seyn / so würde erfolgen / daß Christus entweder die Sünde auch zu gleich an
sich genommen hette / weil er vnsere Natur an sich genom̅en hat /
Oder daß Er mit nichte vnsere Menschliche Substantz / Wesen / Natur / Leib vnd
Seele / Sondern viel ein andere frembde Natur an sich genommen hette / weil Er
die Sünde nicht angenommen hat. Weil er aber ein Artickel vnsers Christlichen
Glaubens ist / daß der Sohn Gottes das Wesen vnserer Natur / aber ohne Sünde an
sich genommen / so ist gewiß / vnd klar / daß in allwege offt ermelter
vnterscheid zwischen des Menschen Substantz oder Wesen / oder zwischen der Sünde
gesetzt vnd gehalten werden müsse.
Zum Dritten / Von der Heiligung im Dritten Artickel vnsers Glaubens / bezeuget
die heilige Schrifft / daß Christus reinige / heilige / vnd Selig mache sein
Volck von jhren Sünden / Daraus sichs denn schleust / daß mit nichte der Mensch
die Sünde selbst sey / Denn nicht die Sünde / Sondern der Mensch wird in die
Gnade Gottes wieder an vnd auffgenom̅en / vmb des HErrn Christi
willen. Dagegen aber ist vnd bleibet die Sünde zu ewigen zeiten ein Grewel für
Gott / welcher Gott spinnen feind ist vnd bleibet.
Zum Vierden / im Artickel von der Aufferstehung des Fleisches bezeuget die
heilige Schrifft nicht allein die gemeine Aufferstehung der Todten / beyde der
Gleubigen vnd Vngleubigen / sondern auch außdrücklich / daß dis vnser Fleisch /
die wir durch den Glauben die Vergebung der Sünden empfangen / werde wieder
aufferstehen / Aber werde ohne Sünde seyn / vnd daß wir im ewigen Leben keine
andere / sondern eben diese vnsere eigene Seele behalten vnd haben werden / Daß
aber dieselbige ohne Sünde im ewigen Leben seyn werde.
Wenn nu gentzlich kein vnterscheid zwischen vnserm Fleisch vnd vnserer Seelen /
vnd zwischen der Sünde seyn solte / würde zwar folgen / daß entweder dis vnser
Fleisch nicht würde aufferstehen / oder daß wir alßdenn im ewigen Leben ein
ander Fleisch / vnd eine andere Seele würden bekommen / oder daß auch die Sünde
in vnd mit den Außerwehlten müste wieder aufferstehen / vnd auch ins ewige Leben
kommen / darinne seyn vnd bleiben / wenn des Menschen Fleisch vnd Seele die
Sünde selbst were.
Aus diesen vnwiedersprechlichen gründen der heiligen Schrifft vnd vnsers
Christlichen Glaubens ist nu klar / daß aus noth der wieder erregte Manicheische
Schwarm solie vnd müsse verworffen vnd verdampt werden / da man fürgibt / daß
die Erbsünde des Menschen Substantz / Wesen / Natur / Leib vnd Seele selbst sey
/ also / daß man
|| [74]
gar kein vnterscheid zulassen solle /
zwischen des Menschen Wesen oder Natur / vnd zwischen der Sünde.
Belangend aber die modos loquendi, mit was Worten vnd
reden dieser Artickel der Gemeine Gottes bequem ohne Ergerniß vnd verstendig
möge vnd solle fürgetragen werden / Sollen sich die Pastores an das Corpus Doctrinae halten / darinnen
jhnen das Fürbilde der gesunden vnd heilsamen Wort aus der Schrifft fürgelegt
ist. Auff daß aber auch hierüber allerley Wortgezenck vermieden werde / sollen
die gebreuchlichen Wörter in gewissem Verstande deutlich erkleret werden / Als
wenn man saget / Gott schaffet die Natur des Menschen / wird durch dis wort
Natur verstanden des Menschen Substantz / Wesen / Leib vnd Seele. Wenn man aber
saget / Der Schlangen Natur ist / daß sie sticht vnd vergifftet / wird durch das
wort Natur die Eigenschafft / Arth oder Vnarth eines dinges verstanden.
Also auch ist vnd heisset die Sünde eigentlich die tieffe verderbung vnserer
Natur / wie die Schmalkaldischen Artickel sagen. Zu zeiten aber wird in einer
Rede zugleich begriffen die Sünde / vnd die Natur / darinne die Sünde wohnet /
Aber in solchen reden / wenn die Natur der Sünde genennet wird / muß mit fleis
der vnterschied gehalte̅ werden / welchen vns vnsers Glaubens
Artickel zeigen / daß nemlich die Natur was anders sey als die Sünde / die in
der Natur wohnet.
Vnd aus solcher erinnerung können des Mans Gottes Luthers
seligern sonderliche Reden (die jetzt so gefehrlich von vielen mißbrauchet
werden) auffs einfeltigste erkleret werden / wie sie auch Lutherus selbst gemeinet / verstanden vnd erkleret hat.
Was aber die Schulwörter aus der Dialectica zu diesem
Zwiespalt gezogen belanget / Ob die Erbsünde sey eine Substantia vnd selbstendig Wesen / oder ob es ein Accidens sey / Diese Frage sol man den Gelehrten befehlen / vnd die
einfeltige Kirche mit solchen Schulworten verschonen.
Wenn aber die Gelehrten vnter sich solcher Schulwörter gebrauchen wollen / So
haben auch die alten Theologi, als Cyrillus vnd Basilius, alle ding ohne mittel
also getheilet: Alles / sagen sie / was da ist / das muß entweder eine Substantz
/ oder ein Accidens seyn. Nu ist dis in Theologia vndisputierlich / daß alles / was da ist / vnd ein eigen
wesen hat / das müsse entweder Gott selbst / oder des lieben GOttes sein eigen
Werck vnd Geschöpff seyn / Aus welchem Grunde Augustinus
mit der gantzen alten wahren Kirchen der Manicheer Proposition verworffen vnd
verdampt hat / da sie sagten / Daß die Erbsünde sey eine Substantz oder Natur.
|| [75]
Weil denn auch von allen Gelahrten in den Schulen allwege das für recht gehalten
ist / Alles was nicht für sich selbst bestehet / noch eines andern stück vnd
theil ist / Sondern in einem andern ist / vnd befunden wird / Doch mutabiliter, das seiner Arth nach kan verendert werden /
das sey nicht eine Substantz / sondern ein Accidens.
Derwegen auch Augustinus aus diesem Grunde diese Rede
führet: Die Erbsünde / spricht er / ist nicht die Natur selbst / sondern accidens vitium, ein Schade oder verderbung / so zu der
Natur / oder in die Natur kom̅en ist / vnd dauon wieder kan
abgethan werden / Wie man vor dieser zeit in allen Euangelischen Schulen auch
also geredt hat.
Auff daß aber auch nicht durch Mißbrauch des worts Accidens, weil es heist ein zufellig ding / die Erbsünde als
geringschetzig geachtet werde / sol mit fleis die erinnerung geschehen / daß die
Erbsünde nicht so ein leicht / schlecht / gering zufellig ding sey / wie die Dialectica von andern gemeinen Accidentibus redet / Sondern daß die Erbsünde sey eine solche tieffe
böse Verderbung der gantzen Natur / viel tieffer vnd böser / denn wir dauon
dencken oder reden können.
Auff diese weise verwirfft Lutherus nicht das wort Qualitatis, sondern erkleret es im 90. Psalm / Denn man
muß sich in allwege wol fürsehen / daß nicht durch die substilen spitzigen reden
der Philosophen vnd Dialecticorum de formis substantialibus,
de accidentibus & qualitatibus, die einfalt der reinen Lehre
von der Erbsünde / so in Gottes Wort offenbahret ist / verwirret vnd verfelschet
werde.
V. Vom Freyen Willen des Menschen / oder seinem vermögen vnd Krefften.
DAß die Disputationes, so von diesem Artickel erreget /
einfeltig vnd gründlich erkleret werden / sol für kein vnnötigs Wort Gezenck
erachtet werden / Denn in diesem Artickel können leichtlich allerley
Mißuerstende für fallen / fürnemlich / wo man one gebürlichen nothwendigen
Vnterschied hieuon disputieret / Oder wenn der Status
vnd die Heuptfrage des Handels verrücket / vnd verfenglich verdrehet vnd
versetzet wird. Wollen derwegen auffs einfeltigste anleitung geben / wie die
fürnemsten Heuptstücke / so zur Lehre dieses Artickels gehören / vnterschiedlich
vnd ördentlich / mit bescheidenen / richtigen / gesunden worten vnd reden / also
mögen erkleret vnd fürgetragen werden / daß die jrrige Opiniones allerseits / da sie entweder zur rechten oder zur lincken
seiten außschlagen / außgesetzet / vnd die reine Lehre wieder die Pelagianer vnd
Enthusiasten also verwahret möge
|| [76]
werden / daß bey
vnsern Pastorn einhelliger vnd rechter Verstand von dieser Lehre erhalten / vnd
die Zuhörer diesen Artickel einfeltig vnd richtig zu jhrer erbawung / einnehmen
vnd verstehen mögen.
Wenn nu gefraget wird / Ob der Mensch einen Freyen Willen habe? kan auff solche
Frage ehe nicht richtige Antwort gegeben werden / es sey denn / daß man zuuor
vnterschiedlich frage / Wie weit sich der Freye Wille in eusserlichen oder
Geistlichen Sachen erstrecke.
Denn ob wol die Menschliche Natur in vns durch den Fall vnd Erbschaden weit mehr
vnd tieffer denn wir dencken / verstehen / vnd außreden können / verderbet ist /
So ist sie doch nicht zu einem Stein / Stock oder Block / ist auch nicht dadurch
in ein vnuernünfftige Bestien verendert worden / Sondern sie hat vnd behelt noch
auch nach dem Fall Leib vnd Seele / Verstand / Hertz vnd Willen / daß die
Vernunfft in eusserlichen / Bürgerlichen / Weltlichen Sachen / dis zeitlich
Leben belangend / etlicher massen einen Freyen Willen hat / eusserlich erbar zu
leben / (welchs die Schrifft eine Gerechtigkeit des Fleisches nennet) vnd vnter
denen dingen / so mit der Vernunfft zu fassen vnd zu begreiffen sind / zu wehlen
/ wie der Achtzehende Artickel in der Augspurgischen Confession dauon meldet /
Aber solche Freyheit ist auch in eusserlichen / Weltlichen vnd Bürgerlichen
sachen für sich selbst gering / klein vnd schwach / wird auch vber die massen
offt durch vnsere angeborne Schwacheit / vnd durch des Teuffels Werck verhindert
vnd verkehret.
Also auch was die Sünde / Vntugend / vnd böses zu thun belanget / ist vnsere
verderbte Natur allzu frey von aller Gerechtigkeit / allzu dienstbar zur Sünden
/ Rom. 6. Denn sie sündiget freywillig / mit Hertzen Lust vnd Frewde / saget Augustinus, wie auch die Augspurgische Confession im
Neunzehenden Artickel zeuget / daß der eigene Freye Wille in den Gottlosen sey
die Causa vnd vrsach der Sünden / Aber / als Augustinus klaget / ist das ein gar elender Freyer Wille
/ welcher der Sünden Knecht ist / welches all sein tichten vnd trachten nur
jmmerdar böse ist / Gen. 6. 8. Daher denn auch D.
Vrbanus seliger in seinem vorgehenden Buch recht verwirffet diese
vnbescheidene Reden / Was der Mensch gutes oder böses thue / das thue er coactè, genötiget vnd gezwungen.
Es ist aber der Streit an diesem ort eigentlich vnd fürnemlich nicht dauon / noch
darüber / was des Menschen Freyer Wille vermöge / entweder in Sünden / oder in
Bürgerlichen eusserlichen Hendeln / Sondern die Frage ist von Geistlichen
Göttlichen sachen vnd Hendeln / Gottes Ehre / vnser Bekehrung vnd Seligkeit
belangend.
|| [77]
Vnd reden hie nicht dauon / was
eusserlicher / Pharisaischer / Heuchlischer weise / mit ertichter Gottseligkeit
von etlichen zum schein möge fürgenommen werden / Sondern wir reden von den
wahren Geistlichen regungen vnd wirckungen / als da sind / wahre Furcht Gottes /
rechter seligmachender Glaube / vnd wahre Liebe in newem Gehorsam / etc. wie
nemlich solche Geistliche bewegung vnd wirckung in vns mögen oder können
angefangen / zu wegen gebracht / verrichtet vnd vollzogen werden.
Ja auff daß der Status, vnd die rechte Heuptfrage in
diesem Streit nicht mit zweiffelhafftigen Worten / Sondern richtig vnd klar
gesetzet werde / sagen wir außdrücklich / die frage sey nicht dauon / Ob in
wahrer Bekehrung des sündigen Menschen newe bewegungen / vnd Geistliche
wirckungen im Verstande / Hertzen vnd Willen des Menschen geschehen vnd seyn
sollen? Denn der were ein rechter Enthusiast vnd Schwermer / wer hieuon jhm
diese gedancken tichten vnd einbilden wolte / Sol ich bekehret werden / so wird
mich GOtt wol mit Gewalt bey den Haaren dazu ziehen vnd nötigen / Oder ich kan
wol bekehret werden vnd seyn / wenn gleich keine enderung / keine gute Gedancken
/ oder Geistliche newe Wirckungen im Verstande / Hertzen vnd Willen geschehen
oder erfolgen. Denn wo im Hertzen gar keine Enderung geschicht / da sich der
Mensch nicht von seinen Sünden abwendet / da kein Gottesfurcht ist / da er
GOttes Wort nicht höret noch annimpt / da kein verlangen nach der Gnade Gottes /
da kein guter Fürsatz ist / da kein wircklicher fleis fürgenommen / vnd angewand
wird / das Leben zu bessern / da nicht der Geist wieder das Fleisch streitet /
etc. Da geschicht vnd ist ohne allen zweiffel auch keine rechte wahre Bekehrung.
Ist derwegen das die Frage nicht / Ob solches / wie gemeldet / in wahrer
Bekehrung geschehen vnd seyn solle / Denn das ist vndisputierlich vnd wahr /
Sondern das ist die Heuptfrage vnd der Status, Quae sit causa
efficiens, Wer solches im Menschen anrichte / schaffe vnd wircke? Woher
der Mensch solche Verenderung seines Hertzens / newe gedancken / guten Vorsatz
vnd Willen / vnd was zur Bekerung gehöret / empfange vnd habe / Oder woher der
Mensch solchen guten Sinn / solche Kreffte vnd vermögen bekomme vnd habe / sich
zu der Gnade Gottes zu begeben / das gute zu wollen / vnd zu thun / anzufahen /
vnd zu verrichten / wie denn solchs in wahrer Busse / in rechtem Glauben / vnd
in bestendiger Vernewerung des Lebens erfordert wird / vnd geschehen muß.
Vnd das ja desto gründlicher alle vnd jede Pelagianische Irr
|| [78]
thumb mögen vermieden / wiederlegt vnd verworffen werden /
wollen wir diese Fragen setzen / dadurch der gantze Handel einfeltig erkleret
wird.
I. Ob der Mensch solches alles / wie benant / vermöge vnd habe pur / lauter / vnd
allein aus den natürlichen Krefften vnd vermögen seines Freyen Willens?
II. Ob der Mensch seine Bekehrung von sich selbst / vnd aus seinen eigenen
Krefften vermöge anzufangen / Vnd daß alßdenn allererst der heilige Geist jhm zu
hülff komme / nach Pelagij fürgeben?
III. Oder wenn der heilige Geist sein Werck der Bekehrung im Menschen hat
angefangen / ob alßdenn der Mensch aus den eigenen Krefften seines angebornen
natürlichen Freyen Willens vermöge etwas zu thun / oder zu helffen / vnd also
sein selbst Bekehrung zugleich mit zu wircken?
IIII. Oder ob man den natürlichen Krefften des alten Adams die wirckliche Vrsach
/ das jenige / wie benant / rechtschaffen anzufangen vnd zu verrichten /
gentzlich benehmen solle / vnd nur pur lauter allein alle solche Gaben vnd
Wirckung dem heiligen Geiste / solchs alles durchs Wort in vns anzufangen / zu
wircken vnd zu verrichten / zulegen oder zueignen solle.
Nu ist das wol wahr vnd gewiß / daß die jenigen / in welchen der heilige Geist
sein Werck angefangen hat / aus Gabe vnd Wirckung des heiligen Geistes / auch
newe Geistliche Kreffte vnd vermögen / etwas guts zu gedencken / zu wollen / vnd
zu wircken / empfangen vnd haben. Es ist aber hie noch nicht die Frage / Was das
sey / das der heilige Geist in denen / so Er bekehret / wircke vnd außrichte /
vnd was die Bekehrten aus solcher wirckung des heiligen Geistes empfangen vnd
haben? Sondern es ist die Frage / von dem Natürlichen Freyen Willen / vnd
angebornen Krefften des vnbekehrten Menschen / Was der heilige Geist in der
vnbekehrten Natur des Menschen / oder in den natürlichen Krefften seines Freyen
Willens finde / ehe denn er die Bekehrung anfenget? Wenn also der Status vnd die Heuptfrage dieses Handels vnterschiedlich
vnd richtig gesetzt wird / kan alßdenn ein jeder sich desto leichtlicher in die
Sache schicken / vnd die rechte Erklerung zur richtigen Antwort finden / Denn
jhrer viel verwirren sich / vnd ander Leute in diesem Zwiespalt / wenn sie frey
ins Feld hinein disputiren / vnd die Heuptfrage nicht richtig vnd
vnterschiedlich setzen. Etliche nehmen allein ein stück für / vnd treiben
dasselbige gewaltig / also / daß sie die andern stücke vbergehen / vnd wenig
berhüren / welche doch zur Erklerung der Sache nothwendig mit gehören. Wollen
|| [79]
derwegen vnsern Pastoren hie folgends anleitung
geben / wie sie die fürnemsten Fragen vnd Stücke dieser wichtigen Sachen
ördentlich / vnd mit nothwendiger einfeltiger Erklerung selbst verstehen / wol
fassen / vnd andern deutlich vnd klar fürtragen sollen.
Vnd Erstlich was belanget die natürlichen Kreffte des Freyen Willens in
Geistlichen Sachen vnd Wirckungen / setzet die Apologia
der Augspurgischen Confession im Andern Artickel außdrücklich / daß die Schrifft
den natürlichen Krefften des Menschen nicht allein keine wirckung oder
mitwirckung in Geistlichen Sachen zuschreibe / Sondern alle Tügligkeit /
Geschickligkeit / Kreffte vnd vermögen / Geistliche Sachen anzufangen / vnd zu
verrichten / dem natürlichen angebornen Freyen Willen gentzlich benehme.
Es saget auch die Apologia weiter / daß nicht allein
solche mängel in der vnbekehrten Natur stecken / Sondern auch an stat dieser
mängel in die Natur eingesessen sey / Mala concupiscentia seu
vitiosus habitus, die böse gifftige Vnarth / vnd schedliche Zuneigung
zu allem bösen / welcher Grewel auff die beraubung der Erbgerechtigkeit er
folget ist / daß nunmehr die verderbte Natur jmmer fleischlich gesinnet ist /
von Gott vnd seinem Willen abgewandt / vnd stracks vmbgewandt / zu vnd nach alle
dem / das dem Göttlichen Willen zuwieder ist / vnd demnach Gott wiederspenstig
in alle seinen öbern vnd vntern Krefften / im Verstande / Hertzen vnd Willen /
Denn die Schrifft zeuget / Daß das tichten vnd trachten des Menschlichen Hertzen
jm̅erdar böse sey / Gene. 6. vnd 8. Vnd daß auch in den
Bekehrten die Sapientia carnis, alle höchste Vernunfft /
eine stete Feindschafft sey wieder Gott / Roma. 7. vnd 8. Zu letzt zeuget die
Apologia aus der Schrifft auch das / daß des
Menschen Natur in Dienstbarkeit des Teuffels gerahten sey / der sie nach seinem
Willen gefangen helt / auch sie in allerley verführische Irrthumb führe / sie
auch zu allerley Sünden / vnd Schanden anhetzet / treibet / vnd darein stürtzet.
Darumb auch Christus saget: Ohne Mich köndt jhr nichts thun. Vnd die Kirche
singet: Sine tuo numine, nihil est in homine, Ohne die
Göttliche Macht / Hülff vnd beystand / ist nichts guts im Menschen.
Auff diese angeregte weise redet die Confeßio vnd Apologia, von des Menschen Natur durch den Fall mit der
Erbsünde verderbet / Wie auch eben also Vrbanus Seliger
in seinem vorgehenden nützen Buch dauon schreibet.
Aus welchem allem nun offenbahr ist / daß Erstlich die jenigen gröblich jrren /
welche die gantze Bekehrung / vnd was zu Geistlichen regungen vnd Wercken
gehöret / allein den pur lautern natürlichen Krefften des Freyen Willens
zuschreiben.
|| [80]
Zum Andern jrren auch die jenigen / die da tichten / Ob wol die natürlichen
Kreffte des Freyen willens für sich allein zu schwach seyn / alles was zur
Bekehrung gehöret außzurichten / so vermögen sie dennoch etwas / wie wenig oder
schwach es auch sey / zu Geistlichen Sachen vnd Wercken / Als nemlich / von sich
selbst die Bekehrung vnd Geistliche Wercke zu wehlen vnd anzufangen / Weil sie
aber zu schwach allein dazu seyn / solches zu vollenden / daß alßdenn der
heilige Geist diesen anfang / aus den natürlichen Krefften vnsers eigenen Freyen
Willens herrhürend / zu hülff komme.
Zum Dritten ist aus obgesetztem Grunde klar / daß auch die jenigen jrren / die es
dafür halten / Wenn der heilige Geist seine Wirckung in vns angefangen hat / daß
alßdenn / nach diesem ersten anregen des heiligen Geistes der Mensch dennoch
etwas aus seinen noch vbrigen / eigenen / natürlichen Krefften des Freyen
willens / in Geistlichen Wirckungen dazu thue vnd helffe / vnd sagen
außdrücklich von den natürlichen Krefften / Denn was belanget den nu bekehrten
willen des Menschen / hat es eine andere gelegenheit / Denn weil solcher
bekehrter Wille nun andere vnd newe Kreffte vom heiligen Geist in der Bekehrung
bekommen hat / ist es gewiß wahr / daß er also vnd dadurch in den guten
Geistlichen Wercken mitwircke / Hie aber reden wir allein von den natürlichen
Krefften des Freyen Willens / für sich. Vnd das ist der Erste Punct in dieser
Heuptsache.
Fürs Andere / Die heilige Schrifft schreibet die gantze Bekehrung mit allen jhren
zugehörigen stücken gentzlich vnd allein den Gaben vnd krefftigen Wirckungen des
heiligen Geistes zu / Denn Gott der Vater vmb seines lieben Sohns willen durch
den heiligen Geist gibet die Busse / Act. 5. 2. Timoth. 2. Nimpt hinweg das
Steinern / vnd gibt ein Fleischern Hertz / Ezech. 16. Gibet wahre Furcht Gottes
/ Malach. 2. Deu. 30. Erleuchtete Augen / Eph. 1. Wircket den Glauben / Eph. 2.
Coloss. 2. Machet vns tüchtig / 2. Corin. 3. Wircket beydes / daß wir wollen vnd
auch thun / was Gott gefellig ist / Philip. 2. Denn die Frucht des Geistes ist
die Liebe / Eph. 5. Gott ist ein Gott aller Gedult / vnd alles Trostes / Rom.
15. Daß wir also in Summa in vnser gantzen Bekehrung / vnd in allen Geistlichen
Sachen vnd Wirckungen nichts eigens haben / ohn allein / was wir in der
Wiedergeburt vnd Ernewerung des Geistes von GOtt empfangen haben / 1. Corinth.
14. Denn alle gute Gaben sind allein von Gott / Jacob. 1. Ist demnach die facultas applicandi se ad gratiam, das vermögen zu
Gottes Gnade sich zu begeben / nicht ein eigen Werck des Freyen Willens / oder
der Menschlichen natürlichen Kreffte / Sondern ein
|| [81]
pur
lauter Gabe Gottes vnd Gnadenwerck / so der heilige Geist in der Wiedergeburt /
vnd ernewerung wircket.
Fürs Dritte / Diß alles bißher vermeldet / ist für sich war / vnd sol notwendig
gelehret werden / daß wir nemlich nicht aus eigenen krefften zu Christo kommen
können / Sondern daß der heilige Geist solches in vns wircken müsse / Aber wenn
man die Rede also bald abschneidet / vnd nicht auch zugleich weiset / durch was
Mtttel / wie vnd auff welche weise der heilige Geist solches in vns wircken
wolle / so fallen alßbald die Leute auff diese Enthusiastische gedancken / So
ich denn in Sachen meine bekerung belangend gar nichts vermag / sondern alles
das wircket nur allein der heilige Geist / so wil ich im sauß / ohne sorg / vnd
sicher in Sünden leben vnd bleiben / weder wort noch Sacrament achten / Sondern
so lang warten / biß mich Gott entweder durch sonderliche Offenbarung vnd
eingeben / oder mit gewalt dazu ziehe / vnd mir vom Himmel herab die Busse / den
Glauben / vnd alle frömigkeit ohne mittel eingiesse.
Solchen Enthusiastischen gedancken zu wehren / sol man mit fleis auff die vorigen
Lehren diese erinnerung thun / daß der heilige Geist solches / was zur Bekehrung
vnd zu Geistlichen Sachen nothwendig gehöret / nicht one Mittel wircken wolle /
sondern Gott habe dazu ein gewisses ördentliches Mittel bestellet vnd gegeben /
Nemlich sein Wort / dasselbige sol geprediget / gelesen / gehöret / vnd
betrachtet werden / wie denn die heilige Schrifft zeuget / daß das liebe Wort
sey das Ampt des Geistes / vnd die Krafft Gottes / 2. Corint. 3. Rom. 1. Durch
welches Mittel Gott wolle krefftig seyn / vnd in vns anfangen / wircken /
stercken / mehren / vnd erhalten den Glauben / vnd alle andere Geistliche Gaben.
Sollen derhalben die Leute an dis Mittel geweiset / vnd dazu mit fleis vermahnet
werden / daß sie das Wort lesen / hören / betrachten / vnd nicht zweiffeln /
Gott wolle durch solche Mittel in jhnen krefftiglich wircken / Den̅ dis sind die Waffen vnser Ritterschafft / mechtig für Gott / 2. Corint. 10.
Vnd dis ist der vnuergengliche lebendige Samen / dadurch wir wiederumb new
geboren werden / 1. Petr. 1.
Hie aber sol auch diese Erinnerung nicht vergessen werden / daß die Menschen offt
dem Heiligen Geist wiederstreben / seine Wirckung / so Er durchs Wort bey jhnen
außrichten wil / außschlagen / von sich weisen vnd stossen / vnd also das Werck
Gottes in jhnen selbst hindern.
Da sollen denn die Leute vnterrichtet werden / welche vnd was für eine grewliche
Sünde das sey. Vnd zwar die Menschliche Na
|| [82]
tur
ist durch die Erbsünde also verderbet / daß sie numehr von sich selbst nichts
anders vermag / denn dem Gesetze des Geistes zuwiederstreben / Rom. 7. Denn
fleischlich gesinnet seyn ist eine Feindschafft wieder Gott / Rom. 8.
Daß aber des Menschen Verstandt / Hertz vnd wille / dem heiligen Geist / oder dem
Wort nicht wiederstrebe / Sondern folge / vnd darein willige / solches vermögen
vnd so viel krafft hat der natürliche Freye wille des Menschen nicht / sondern
das ist ein geschenck vnd Gabe Gottes / vnd eine wirckung des heiligen Geistes /
durchs wort / Wie denn den Spruch Christi / Niemand kömpt zu mir / es sey denn /
daß jn der Vater zu Mir ziehe / der liebe Augustinus ad
Bonifacium lib. 1. cap. 19. Also außlegt:
Christus spricht nicht / (nisi Pater duxerit) es sey
denn / daß jhn der Vater leite vnd füre / auff daß nicht etwan verstanden würde
/ daß in diesem handel vnser natürlicher wille als gut vorher gehe / Sondern er
sagt: (traxerit) Es sey denn / daß er jhn zu Mir ziehe.
Wer solte aber den / der vorhin willig dazu ist / ziehen wollen? Vnd dennoch ist
es war / daß niemand zu Christo kömpt / wieder vnd ohne seinen willen / sondern
der das wollen habe / wird derhalben der Mensch wünderlicher weise / daß er das
wollen bekomme / durchs Wort gezogen / von dem / der da weis vnd kan jnnerlich
in den hertzen der Menschen zu wircken / nicht daß die Menschen (welchs nicht
seyn kan) wieder / ohne vnd ausser jhren willen gleuben solten / Sondern daß er
aus denen / so von Natur vnwillig vnd wiederspenstig seyn / willige Leute mache.
Denn wie Agustinus sagt: in
Enchiridio cap. 32. Nolentem praeuenit, vt velit,
volentem subsequitur, ne frustra velit. Der von Natur das gute wollen
nicht hat / dem kömpt Gott mit seiner Gnaden wirckung durchs wort zuuor / daß er
jhn wollend machet / Der aber nu aus seiner Göttlichen wirckung das gute wollen
hat / dem folget Gott nach / ist / bleibet / vnd wircket bey jm / daß sein
wollen nit vergebens sey. Vnd also ohn Gottes eigene wirckung / der vns wollend
machet / vnd ohne seine gnedige mitwirckung / wenn er vns dazu gebracht / daß
wir wollen / tügen vnnd vermögen wir zu Gottseligen Wercken nichts spricht Augustinus.
Zum Vierden / wenn der heilige Geist nu angefangen durch das Wort in vns zu
wircken / vnd den anfang seiner Gaben gegeben / so ist es alßdenn gewis / daß
wir aus solcher Wirckung des heiligen Geistes / wiewol in grosser schwacheit /
empfangen vnd haben newe Gaben / newe Kreffte / vnd Geistliche vermögen / guts
zu thun.
Es wil auch der liebe Gott / daß wir solche seine Gaben in vns sollen erkennen /
dieselbige nicht müssig lassen ligen / Sondern nütz
|| [83]
lich vnd heilsam gebrauchen / wie Augustinus
schreibet de Gratia, & Lib. Arb. cap. 18. Das
ist gewißlich war / wenn wir etwas gutes wollen / daß wir einen guten Willen
haben / Aber Gott der das Wollen wircket / Phil. 1. der schaffet in vns / daß
wir was gutes wollen.
So ist auch das gewiß / daß wir es thun / wenn wir was gutes thun / Aber der
schaffets / das wir thun / Der in vns das vollbringen wircket / Phil. 2. Dadurch
daß er dem Wollen krefftiges vermögen darreichet / wie er im Propheten sagt /
Ich wils schaffen / daß jrs thun möget faciam vt
faciatis. Vnd wie auch Augustinus de Bono perseuerantiae
cap. 6. & 15. saget / Wir zwar sind es / die da wollen vnd thun
/ Aber Gott wircket in vns beyde das Wollen vnd das Thun / daß wirs vollbringen.
Solches zu gleuben vnd zu sagen ist vns nütz vnd gut / auff daß vnsere Beicht
demütig sey / vnd wir alles / was guts in vns ist / gentzlich dem frommen Gott
zuschreiben. Denn so leben wir am allersichersten / wenn wir alles gute
gentzlich GOtt geben / vnd mit nichten solche theilung machen / daß wir etwas
zum theil Gott / zum theil vnsern eigenen Krefften befehlen vnd vertrawen.
Zum Fünfften / diesen Artickel gründlich zu erkleren / ist auch diese erinnerung
nütz vnd nötig / daß der heilige Geist / wenn er seine Gaben vnd wirckung / so
zu des Menschen Bekerung vnd ernewerung gehören / fürnimpt zu wircken / daß er
solchs nicht auff ein mal gleich in einem Augenblick verrichte vnd vollende /
oder vollkommen mache / sondern solche Gaben haben in diesem Leben in den
Heiligen in grosser schwacheit jren anfang / fortgang / sterckung / vnd
vermehrung / biß sie endlich im ewigen Leben vollendet vnd vollkommen seyn
werden.
Wir sollen vns aber auch nicht diese Gedancken einbilden / daß der bekehrten
Menschen Wille / welchen der heilige Geist angefangen hat zu ernewerung / so
lange sol müssig seyn vnd bleiben / biß er die gantze vnd volle ernewerung
empfindlich verneme / vnd die Gaben vn̅ wirckung des Geistes fülen
/ vnd gleich greiffen möge / Den̅ weil Gottes Krafft in vnser
schwacheit starck ist vnd wird / vnd die sachen sind des Geistes vnd des
Glaubens / sollen wir nicht vrteilen nach vnsern sinnen vnd fülen / sondern laut
der Schrifft es vertrawlich da für halten / daß Gott seine heilsame Krafft vnd
wirckung erweisen wolle / wo sein Wort geprediget / gelesen / gehöret vnd
betrachtet wird. Es wil auch Gott solche seine dargereichten Gaben mit seiner
krafft zur vermehrung segnen vn̅ begnaden / in denen so sie vben
vn̅ gebrauchen.
Vnd Gott wil / daß wir den anfang seiner Gaben durch die kreffte / so er hat
angefangen darzureichen / fleissig sollen vben vnd gebrauchen / hat auch
verheissen / daß er solche seine angefangene Ga
|| [84]
ben jmmer vermehren / stercken vnd erhalten wolle / durch diese Mittel /
wenn wir das Wort jmmer fleissig hören vnd betrachten / vnd dabey die gegebene
Gaben stets vnd mit höchstem fleis im streit wieder das Fleisch vben / auch
hertzlich bitten / HErr bestetige dein gutes Werck das du in vns angefangen
hast. Item / HErr vermehre vns den Glauben / auff daß wir nicht die empfangene
Gaben durch vnsere sicherheit vnd Mutwillen dempffen / außschütten / vnd
verlieren. Denn ob wol in den bekehrten angefangen ist / daß jr Fleisch mit
allen seinen Lüsten vnd Wercken durch des Gesetzes gescheffte geereutziget vnd
getödtet wird / so bleibet dennoch in diesem Leben in jhnen das Gesetz der
Sünden / welches wiederstrebet dem Gesetz jhres gemüts. Darumb auch Paulus
seinen Timotheum ermanet / Erwecke die Gabe Gottes / die in dir ist / 2. Timo.
1. Item / Las nicht aus der acht die Gabe / die dir gegeben ist / solches warte
/ damit gehe vmb / auff daß dein zunehmen in allen dingen offenbar sey. Vnd
Christus spricht zu seinen Jüngern / So sehet nu darauff / wie jhr höret / denn
wer da hat / dem wird gegeben / Wer aber nicht hat / von dem wird genommen /
auch das er meinet zu haben. Wie eben dasselbige auch Christus lehret in der Parabola von den fünff Pfunden / Matt. 25.
Vnd auff diese meynung hat Augustinus viel schöner
Sprüche / Als de Correptione & Gratia, cap. 2.
spricht er / So lernet vnd wisset nu / weil jhr Kinder Gottes seyd / vnd jhr
auch vom Geist Gottes getrieben / auff daß jhr thun sollet / was euch zu thun
gebüret / vnd wenn jrs thut / so dancket da für dem / der euch dazu getrieben /
nicht daß jhr gar nichts thun sollet / sondern daß jhr was gutes thun sollet vnd
möget.
De Dogmatibus Ecclesiast. c. 123. spricht er: Gott
wircket in vns das Wollen vnd thun / vnd wil nicht / daß seine geschenckte Gaben
in vns sollen müssig ligen / die er vns darumb vnd dazu gegeben hat / daß wir
sie nicht vergraben / Sondern vben vnd brauchen sollen.
Vnd in solchen Vbungen der Busse / des Glaubens vnd newen Gehorsams / wenn wir
schon dazu die Gnade vnd Gabe des heiligen Geistes empfangen haben / Doch / weil
wir noch das elende Fleisch der Sünden an vns tragen / sollen wir wissen vnd
gedencken / Daß wir in allwege jmmer vnd stets bedürffen der beystehenden Gnade
Gottes / die vns leite / regiere / helffe vnd stercke / Welche Augustinus nennet Gratiam
subsequentem & cooperantem, Die folgende vnd mitwirckende Gnade
/ Wie er spricht: praecedens gratia operatur vt velimus,
subsequens gratia adiuuat ne frustra velimus. Die vorgehende Gnade
Gottes wircket in vns das Wollen / die folgende Gnade GOttes aber hilfft vns /
daß das Wollen nicht vmbsonst sey.
|| [85]
De Gratia & Lib. arb. cap. 17. spricht er: Gott
fenget selbst in vns an das wollen / welches Er alßdenn in seinen Gehorsam durch
mitwirckung vollendet / Phil. 1. Vnd demnach das erste wollen wircket er ohn vns
/ Wenn aber Gott dasselbige wollen vns gegeben hat / alßdenn wenn wir also
wollen / daß wirs auch thun / cooperatur nobiscum, dazu
hilfft Er vns. Doch sol das jederzeit betrachtet werden / daß wir ohne jhn weder
im wollen / thun oder verrichten / zu solchen Geistlichen Wercken von vns selbst
gar nichts tüchtig seyn / oder vermögen.
Vnd in solcher fürgeschriebener Form vnd Weise kan vnd sol die gantze Lehre
dieses Artickels / so viel die Sache selbst / vnd die heilsamen Wort der
gesunden Lehre belanget / auffs einfeltigste vnd bequemeste zur Erbawung der
Kirchen fürgetragen vnd erkleret werden / Denn man sol in dieser Disputation
nicht spielen mit zweiffelhafftigen / verstümmelten vnd verwirreten Propositionibus, Ob der heilige Geist den
wiederstrebenden / oder die Gott gehorsam seyn / gegeben werde? Item / ob der
Mensch in der Bekerung sich verhalte purè paßiuè, daß er
allein stille halte? Oder / ob sich der Mensch gar repugnatiuè vnd wiederstrebende verhalte? Denn solche reden / wenn sie
also blos gesetzet vnd verführet werden / können von einem sonst vom andern so
verstanden werden. Derhalben ist der einfeltigste beste Raht / daß man solche
Propositiones nicht anders / denn mit zugethaner /
wahrer / richtiger / deutlicher erklerung brauche.
Wie aber die rechte meynung dieses Artickels in gesundem Verstande eingentlich /
bequem / einfeltig vnd richtig ohne einerley Verletzung der Warheit / vnd ohne
Ergernisse frommer Gottseliger Zuhörer / möge vnd solle erkleret vnd fürgetragen
werden / das ist aus ermelten erinnerungen / hieroben berhüret / klar. Daraus
vnd darnach auch leichtlich zu vrtheilen seyn alle andere opiniones, so von der Mittelstrasse der Warheit abweichen.
Vnd Summa / dis ist die gantze Warheit / wie Augustinus
schreibet / De Natura & Gratia, cap. 53. Was wil
man doch viel vermessentlich von Krefften vnd vermögen vnserer armen Natur
disputieren / sie ist beraubet / verwundet / zerrüttet / vnd zu grunde verderbet
/ es ist jhr damit nicht gedienet / wenn man sie felschlich verthedigen vnd
entschüldigen wil / Sondern das ist jhr von nöthen / daß wir jhre elende tieffe
Verderbung erkennen vnd bekennen / vnd den recht erkennen lernen / der sie
allein wiederumb heilen kan.
|| [86]
VI. Von der Gerechtigkeit des Glaubens für GOtt.
IN diesem Artickel wird der fürnemste Punct Christlicher Lehre verhandelt / durch
welches rechten verstandt dem HErrn Christo seine / vnd jhm allein gebürende
Ehre / zu nötigem vnd richtigem Trost den Armen erschrockenen Gewissen
Gottfürchtiger Leute / gegeben wird. Derhalben die Pastores besondern fleiß anwenden sollen / daß sie aus Gottes wort von
diesem höchsten Artickel rechten / reinen vnd gewissen Verstandt haben / vnd
dauon auch nach dem Fürbilde der gesunden Wort Gottselig reden mögen / Also /
daß sie die frembden Lehre vnd Stimmen fliehen / Denn von diesem Artickel
fürnemlich saget Paulus Gal. 5. Daß ein wenig Sawrteig den gantzen Teig
versewre.
Das wort Rechtfertigen in diesem Artickel / heisset nicht eigentlich inwonende
Habitus, die Gerechtigkeit oder ernewerung
eingiessen / Sondern wie die Apologia saget / In der
heiligen Schrifft wird das Wort von Gerichts hendeln gebrauchet. Vnd in diesem
Artickel heists / daß ein armer Sünder / der da schüldig ist / von Gott los
gesprochen / vnnd für Gerecht angenommen wird / von wegen frembder Gerechtigkeit
des Gehorsams / Leidens / Sterbens / vnd Aufferstehung Christi / welche den
Sündern mitgetheilet vnd zugerechnet wird durch den Glauben. Daß also Vergebung
der Sünden erlangen vnd haben heisse rechtfertigen / oder für GOtt gerecht vnd
from werden / wie diese Lehre in der Apologia aus GOTtes
Wort außführlich gehandelt vnd erkleret wird.
Vnd in diesem Spruch weiset vnd Lehret die Apologia aus
der Schrifft den Grund / wie man von diesem Artickel recht gleuben / vnd recht
reden solle / Denn wenn GOtt den Sünder zu Gnaden an vnd auffnimmet / geschicht
das nicht aus leichtfertigkeit / Als ob Gott die Sünde nicht achte / oder
dieselbige billichte / vnd daran ein gefallen hette / Denn das Gesetz GOTTES /
die heiligen Zehen Gebot / sind eigentlich die rechte Regel / vnd einige
Richtschnur der Gerechtigkeit in GOtt selbst. Vnd wenn vnsere Natur vnd Leben
diesem Fürbilde in allem rein vnd völlig gleichförmig were / wie vor dem Fall in
Adam gewesen ist / so würden ohne zweiffel die Theter des Gesetzes für Gott
gerecht / Romano. 2. Weil aber nun die Sünde durch den einen Menschen Adam allen
Menschen auff vnd angeerbet ist / daher auch / als aus dem Heuptquell / allerley
|| [87]
wirckliche Sünde wieder GOttes Gesetz mit grossem
hauffen / ohne zahl entspringen / So findet je das Gesetz in vnser Natur vnd
Leben nicht dieselbige Gleichförmigkeit des ersten Bildes / sondern nur das
Wiederspiel / Nemlich ein gar grewliches / verkehrtes vnd verderbtes Bilde in
der gantzen Natur / vnd in allem Leben des Menschen.
Das Gesetz aber lehret mit nichte / daß Gott die Sünde approbiere vnd billiche /
Oder solche Wiederspennigkeit wieder sein Gesetze nicht achte / Sondern das
Gesetz Gottes beklaget die Sünde auffs hartest / spricht darüber das strenge
Vrtheil des gerechten Zorns Gottes / zum ewigen Tode vnd ewiger Verdamnis /
Vngnad / vnd Zorn / Trübsal vnd Angst / vber alle Seelen der Menschen / die da
böses thun / Rom. 2.
So hebet auch das Euangelium oder der Glaube das Gesetze nicht auff / das sey
ferne / Sondern dadurch wird das Gesetz recht auffgericht / Rom. 3. Wie auch
Christus zeuget Matth. 5. Ich bin nicht kommen / das Gesetz auffzulösen /
sondern zu erfüllen. Bis daß Himmel vnd Erden zergehen / wird nicht zergehen der
kleineste Buchstabe / noch ein Tüttel vom Gesetz / bis es alles geschehe.
Derhalben hat die Gerechtigkeit / so von dem Gesetz erfordert / notwegen
gentzlich vnd vollkömlich müssen geleistet vnd erfüllet werden / sonst were das
gantze Menschliche Geschlecht in ewigkeit verloren worden / Aber eine solche
Gnugthuung vnd erfüllung des Gesetzes war allen Menschen in jrer verderbten
Natur vnmüglich zuleisten / Derwegen das dem Gesetze vnmüglich war (Sintemal es
durch das Fleisch geschwechet ward) das thate GOtt / aus vnermeßlicher gnaden /
vnd sante seinen Son in der gestalt des Sündlichen Fleisches / Rom. 8. Denn
dieser sein Son / als der Mittler / ist an vnser stadt getreten / vnd ist vmb
vnsert willen vnter das Gesetz gethan / Gal. 3. vnd ist mit seinem gehorsam /
Leiden vnd Sterben / das Opffer für vnsere Sünde worden / vnd hat damit an vnser
stedte dem Gesetz gnug gethan / vnd also die Gerechtigkeit / so das Gesetze von
vns erforderte / für vns vnd an vnsere stedte erfüllet / Rom. 8. Vnd weil diese
Person GOtt vnd Mensch ist / so ist auch seine Gnugthuung vnd bezalung / dem
Gesetz für vns geleistet / gantz vollkommen vnnd gnugsam / zur bezalung für die
Sünde der gantzen Welt / 1. Johan. 1.
Diese Gerechtigkeit aber vnd solch Verdienst Christi lest vns Gott im Wort des
Euangelij / vnd in den lieben Satramenten fürtragen / anbieten / vnd wil daß wir
sie durch den Glauben / welchen der heilige Geist durchs Wort in vns anzündet
vnd wircket / ergreiffen vnd annemen sollen / Rom. 3. Vnd also werden wir für
GOtt ge
|| [88]
recht nicht ohne Gerechtigkeit / sondern
vermittelst vnd durch die allerhöchste vnd vollkommenste Gerechtigkeit / die
vnser Mittler der Son Gottes / da er vnter das Gesetz gethan war / mit seinem
gehorsam / Leiden sterben / vnd Aufferstehung vns erworben hat. Denn diese
frembde Gerechtigkeit Christi rechnet GOTT aus gnediger Barmhertzigkeit denen
Sündern zu / welche in wahrer Buß durch rechten Glauben Christum im Wort vnd
Sacramenten ergreiffen / vnd annemen / als der jhnen zur Gerechtigkeit von GOtt
gemacht vnd gegeben ist / vnd stellet dieselbige Gerechtigkeit Christi zwischen
Gottes Zorn vnd jhren Sünden. Vmb dieser Gerechtigkeit Christi / vnd vmb
desselben Verdienst willen / machet Gott die gleubigen gerecht / das ist / Er
spricht sie gerecht / absoluiert vnd spricht sie los von jren Sünden / vom
Vrteil der Verdamnis / vnd des ewigen Todes / nimpt sie zu gnaden auff / helt
sie für seine Kinder / vnd machet sie Erben der Seligkeit / vnnd des ewigen
Lebens. Daher denn die jenigen / so durch den Glauben gerecht worden seyn /
friede mit Gott haben / vnd einen frewdigen Zugang zu GOTT vnd seiner Gnade /
durch den Glauben / in hoffnung der zukünfftigen Herrligkeit / die Gott geben
sol / Rom. 5.
Das sind die Fundamenta vnd Heuptgründe dieser Lehre /
von der Gerechtigkeit des Glaubens / für Gott / daraus klar zu sehen / wie die
Lehre dieses Artickels beyde in der meynung vnd im reden könne vnd solle
allerseits für falscher Lehre verwahret werden / es sey wieder die Phariseer vnd
Werckheiligen / welche die ernewerung / eigene Werck / vnd derselbigen Verdienst
/ für GOttes Gerichte bringen / vnd darauff die Gerechtigkeit zur Versönung mit
GOTT stellen vnd setzen / Oder wieder die sichern wilden Epicurer / welche
tichten / daß Gott durchs Euangelium gentzlich das Gesetz habe auffgehaben / daß
es nicht mehr gelte / also daß nunmehr Gott den Sünder gerecht mache / vnd zu
Gnaden auffneme / Darumb vnd daher / weil er nach der Sünde nichts mehr frage.
Muß derhalben diese Lehre von der Gerechtigkeit / die für Gott gilt / also
gefüret werden / daß dieselbige wieder alle Phariseische opiniones allein zugeschrieben vnd gegeben werde der pur lautern Gnade
vnd Barmhertzigkeit Gottes / allein dem einigen Gehorsam vnd Verdienst Christi /
welche durch die Verheissung des Euangelij vns fürgetragen / vnd allein durch
den Glauben ergriffen vnd angenommen werde / vnd stehe allein in gnediger
acceptation vnd annemung Gottes / oder versönung mit Gott / vnd in gnediger
vergebung jhrer Sünden / vnd das darumb / auff daß die Verheissung den Armen
|| [89]
Sündern fest sey / Rom. 3. vnd 4. Aber wieder die
sichern Epicurischen gedancken muß der Proceß / welchen Gott fürnimpt vnd helt /
wenn er einen armen Sünder gerecht machen wil / fleissig erkleret werden / nach
dem Exempel Pauli / Rom. 3. vnd 5. Nemlich daß dieser Handel / einen armen
Sünder nach Euangelischer weise zu rechtfertigen / nicht liederlich oder
leichtfertig zugehe / als wenn einer solche leichtfertige gedancken fasset /
Gott frage nach der Sünde nichts / sey wol damit zu frieden (Sondern daß es mit
solchem ernst zugehe / daß vns erstlich das Gesetz Gottes für Gottes Gericht
citiert vnd ledet / daselbst vns der Sünde halben beklaget / beschüldiget / vnd
vberzeuget / fellet auch vber vns das Vrteil Gottes / das Gott mit seinen eignen
Fingern geschrieben / Deuteron. 27. Rom. 2. mit folgender Execution / daß wir
der vberfürten Sünde wegen schüldig seyn des Zorns Gottes / des Todes / vnd
ewigen Verdamnis / auff daß aller Mundt verstopffet / vnd die gantze Welt Gott
schüldig werde / Rom. 3.
Wenn nu also das Hertz ernstlich durchs Gesetz erschrecket wird / vnd Gottes Zorn
fület / so sichet es sich vmb / vnd gedenckt / ob vn̅ wie es
solchem vorstehenden jam̅er entgehen möcht. Esvernimpt aber aus
Gottes Wort / daß kein Mensch für Gottes Gericht mit den Wercken des Gesetzes
bestehen kan / weil aller Menschen Gerechtigkeit vnuolkommen vnd vnrein ist.
Isai. 64. Vnd weis / daß solch Gesetz nicht kan auffgelöset noch auffgehaben
werden. Wenn denn der arme Sünder in solchen fürchten vn̅ zittern
nach der Seligkeit trachtet / Phil. 2. als denn weiset vns Gott durchs
Euangelium auff Christum / der sich vmb vnsert willen vnter das Gesetz gethan /
vnd an vnser stadt die Gerechtigkeit / vom Gesetz erfordert / erfüllet hat /
welche Gerechtigkeit Christi Gott im wort vnd Sacramente̅ den
erschrockenen Gewissen fürtragen vnd anbieten lest. Vnd in solcher Busse / rew
vnd leid vber die Sünde / oder in solcher furcht vnd zittern ergreifft der
Glaube in der Euangelischen Verheissung Christum / nimpt an / vnd applicirt vns
die Gerechtigkeit / vnd das Verdienst Christi / helt sich mit festem vertrawen
daran / Vnd vmb solcher Gerechtigkeit Christi willen / die wir ergreiffen /
annemen / vnd vns zueignen / vnd daran halten / rechtfertiget Gott den armen
Sünder / vber welchen bereit das Vrteil der verdamnis ergangen ist / das ist /
Er spricht jhn wieder los von dem Vrteil der Verdamnis des Gesetzes / Nimpt jhn
vmb des HErrn Christi willen zu gnaden auff / vnd verspricht jm in Christo das
ewige Leben.
Es wiederholet auch Paulus zum öffternmal / vnd treibet mit allem fleis vnd ernst
in diesem Artickel von der Gerechtigkeit des
|| [90]
Glaubens
für Gott / die particulas exclusiuas (aus gnaden / ohne
verdienst / ohn Gesetze / nicht aus den Wercken / Sola
Fide, allein durch den Glauben) zur erinnerung / daß es nicht gnug sey / in
diesem Artickel allein zuweisen / was recht ist / sondern daß auch die hohe
vnuermeidliche not erfordere / daß alle vnd jede neben vnd gegenlehre
außdrücklich außgesetzt / außgeschlossen / verworffen vnd vermieden sollen
werden / vnd demnach mit nichte gestatten / daß ichtes auch nicht das geringste
in diesem Artickel der Rechtfertigung für GOtt zum ewigen Leben eingeschoben
oder eingemenget werde / ausser dem / das notwendig darein gehöret / als da ist
die pur lautere Gnade vnd Barmhertzigkeit GOttes / allein Christi des HErrn
einiges Verdienst / der allein seligmachende Glaube / der die gnade Gottes / vnd
das Verdienst Christi / im Wort fürgetragen vnd angeboten / ergreiffet / annimpt
/ jm applicieret / vnd zueignet / Item allein die gnedige Acceptation /
vergebung der Sünde / vnd die versönung mit Gott / welches alles die Schrifft
zusammen fasset vnd verstehet / wenn sie saget / Allein durch den Glauben / aus
Gnaden / vmb des HErrn Christi willen.
Derhalben was neben der lautern Gnade Gottes vnd neben dem einigen verdienst
Christi / mit was schein / tittel oder namen es geschehen möge / in diesem
Artickel / als ein vrsach vnd verdienst der Rechtfertigung / entweder zum
gantzen oder zum halben / oder zum wenigsten teil eingeschoben wird / das sol
alles vnd jedes ausgeschlossen / verworffen / vnd als falsch erkant / vnd
vermieden werden. Also auch was neben dem einigen Glauben / der allein die
Verheissung des Euangelij ergreiffet / in diesem Artickel eingemenget wird / als
ein Mittel / dadurch wir die Gerechtigkeit vnd Seligkeit vns appliciren / vnd
derselbigen theilhafftig werden mögen. Item was neben vnd ausser der gnedigen
Imputation vnd zurechnung der Gerechtigkeit Christi / die wir allein durch den
Glauben ergreiffen / Oder neben vnd ausser der gnedigen acceptation vnd
versönung mit Gott / oder vergebung der Sünden / als eine Forma oder zugehöriges
theil / oder das nötig were zu der Gerechtigkeit des Glaubens / die für Gott
gilt / wolte in diesem Artickel eingeschoben vnd eingemenget werden / das alles
vnd jedes / ja auch das geringste sol notwegen als frembd vnd falsch
ausgeschlossen vnd verworffen werden.
Vnd aus diesem grunde kan auffs einfeltigste vnd richtig ein jeder bey sich
selbst leicht finden / was er von allem vnd jedem zwiespalt / so wieder diesen
Artickel erreget vnd entstanden / vrteilen möge vnd solle / Als wenn die
Papisten disputieren / daß auch vber vnd ne
|| [91]
ben
dem Verdienst Christi notwendig vnser Liebe vnd vnsere gute Wercke vrsach vnd
Verdienste seyn der Rechtfertigung / Solcher Wahn sol billich vnd stracks
verworffen werden.
Also auch da gelehret wird / daß die jnnerliche eingegossene Ernewerung in vns
sey vnsere eigentliche Gerechtigkeit für Gott. Oder daß die Gerechtigkeit des
Glaubens für Gott habe zwey theil / darin sie stehe / vnd die dazu gehören /
Nemlich die Versönung oder vergebung der Sünden / vnd alßdenn auch die
Ernewerung vnd Heiligung / oder wie etliche reden / die Einwonung vnd wirckliche
Krafft der wesentlichen Gerechtigkeit Gottes in seinen Heiligen.
So kan man dauon aus vorgelegtem Grund leichtlich vrteilen. Denn das ist wol war
/ daß beyde benente theile / die Versönung vnd Ernewrung oder Heiligung /
Wolthaten des HErrn Christi seyn / stehen auch bey einander / also / daß wir
erstlich gerecht / vnd darnach auch ernewret vnd geheiliget werden / Daraus denn
die Ernewerung der Liebe / newer gehorsam / vnd gute Wercke erfolgen. So ist
auch das war / daß Gott in seinen gleubigen wonet / vnd in jhnen wircket / daß
sie anfangen / was recht ist zu wollen vnd zuthun / Weil aber in der schwacheit
vnsers Fleisches solche ernewerung in vns noch vnuolkommen / vnd vber die massen
sehr vnrein / vnd von vnserm Sündlichen Fleisch beflecket ist / Auff daß
derwegen alle die Ehre vnserer Rechtfertigung nur allein vnd gentzlich der Gnade
GOttes / vnd dem Verdienst CHristi gegeben / zugelegt vnd zugeschrieben würde /
Daß auch die armen Gewissen einen wahren vnd bestendigen Trost haben köndten /
zeuget die Schrifft / daß die Gerechtigkeit des Glaubens für Gott allein stehe /
inn der Versönung mit GOTT / durch Christum / oder in der Vergebung der Sünden.
Vnd schliesset derhalben von diesem Artickel außdrücklich die Ernewerung vnd
Heiligung aus / nicht zwar der meynung / daß dieselbe in denen so mit Gott durch
Christum Versönet sind / vnd Vergebung der Sünden empfangen haben / nicht solte
folgen / Sondern allein darumb / daß solche vnuollkommene vnreine Ernewrung
nicht zugleich in den Artickel der gerechtigkeit / so für Gott gilt mit
eingeschoben werden solle.
Also wird recht gesagt / daß zweyerley Gerechtigkeit sey / eine des Glaubens /
die andere der guten Wercke / vnd daß die Heiligen in diesem Leben erstlich
bekommen vnd haben die Gerechtigkeit des Glaubens / welcher Glaube jnen zur
Gerechtigkeit wird zugerechnet / welche auch allein für Gott gilt vnd bestehet /
Darnach daß sie auch haben die Gerechtigkeit des newen gehorsams / oder der
guten Werck / welche Gott nur allein in jhnen angefangen hat / aber noch
vnuoll
|| [92]
kommen vnd vnrein an jhnen ist vnd
bleibt in diesem Leben / darumb sie auch GOtt solche jhre vnuolkommene vnreine
Gerechtigkeit der Wercke in seinem Gerichte nicht dürffen / mögen noch sollen
fürbringen oder fürhalten.
Daß aber etliche solchs also deprauieren vnd gefehrlich glosiren / als daß wir in
diesem Leben für Gott gerecht seyn / zugleich durch die zugerechnete
Gerechtigkeit Christi / vnd durch die angefangene Ernewerung / imputatione & inchoatione simul, oder daß die
Gerechtigkeit des Glaubens für Gott stehe in beyden Stücken zugleich / das ist
vnrecht vnd falsch / vnd sol in keinem wege geduldet werden.
Es sollen aber auch hie die beweglichen vnd nöthigen Vrsachen betrachtet werden /
warumb die Kirche die particulas exclusiuas (allein
durch den Glauben / one Wercke / werden wir gerecht) behalten muß / mit
angehangter nützer vnd nötiger erklerung / daß die guten Wercke nicht der
meynung werde̅ außgeschlossen / als dürfften oder solten
dieselbigen als vngescheidene Früchte vnd wirckung des Glaubens nicht folgen /
noch bey den Versönten vnd Gerechtfertigten befunden werden / Sondern die Wercke
werden also außgeschlossen / daß sie in den Artickel der Rechtfertigung nicht
eingeschoben oder eingemenget sollen werden / entweder als vrsach vnd verdienst
der Gerechtigkeit / oder als das Mittel / die Gerechtigkeit / damit vnd dadurch
zu erlangen / oder als die Forma selbst vnd zugehörige
Theil der Rechtfertigung / oder vnter was schein / vnd mit was Titel es sonst
geschehen möchte. Wie denn Vrbanus seliger in seinem
offtbenanten Buch recht saget / Allein der Glaube machet gerecht / aber er
bleibet nicht allein. Denn wie ein guter Baum gute Früchte bringet / also
wircket auch ein rechtschaffener Glaube gute Wercke / welche dem Glauben
gewißlich folgen. Denn wo keine Busse ist / wo keine gute Wercke folgen / da ist
entweder kein Glaube / oder nur allein ein getichter Glaube. Das aber ist die
Ordnung zwischen dem Glauben / vnd den Wercken / Erstlich durchs Gehör des
Euangelij bekomme ich den Glauben / der mich gerecht machet / Wenn ich aber
durch den Glauben bin gerecht worden / so thue ich alßdenn gute Wercke / Ein
guter Baum ist von noth wegen ehe / denn seine gute Früchte. Haec Vrbanus.
Eben dieser meynung lesen wir einen gar schönen Spruch Lutheri des Mannes Gottes / vber das 15. Cap. Gene. Ich weis / spricht er
/ daß die andere Tugenden gar herrliche Gaben Gottes seyn / Ich weis auch / daß
der Glaube ohne dieselbige nicht ist. Es ist aber die Frage dauon / was eines
jeden Eigenschafft / eigen Ampt vnd Werck sey? Wenn du in einer Hand mancherley
Samen zugleich hast / so frage
|| [93]
ich nicht dauon / was
für Samen beyeinander seyn / sondern was eines jeden sein eigene Krafft sey? So
sage nu hie / was allein der Glaube thue / vnd plauder nicht dauon / mit welchen
Tugenden der Glaube sich versamle. Allein aber der Glaube ergreiffet die
Verheissung / das ist allein des Glaubens eigen Ampt oder Werck. Die andern
Tugenden aber gehen mit andern Sachen vmb. Haec
Lutherus.
Ist derwegen ein andere Frage / Wobey vnd durch was Merckzeichen der ertichte vnd
todte Glaube möge vnd solle erkant vnd vnterschieden werden / von dem wahren vnd
lebendigen Glauben / welcher bey wahrer Busse ist / vnd durch die Liebe wircket
/ vn̅ gute Werck bringet / dabey man jhn als war vnd lebendig
erkennet. Der Glaube aber / der ohne Busse ist / vnd keine gute früchte bringet
/ sondern erzeiget sich nur mit bösen Wercken / der ist ohn allen zweiffel ein
ertichter vnd todter Glaube. Auff die meynung saget auch die Apologia, Jacobi meynung sey / daß wir nicht durch einen solchen
Glauben gerecht werden / der ohne gute Werck oder ein todter Glaube ist / Denn
die sichern Leut zu seiner zeit machten jhnen diese Gedancken / Sie hetten einen
Glauben / so sie doch ohne wahren Glauben waren.
Aber viel ein ander Frage ist diß / Aus was Krafft / wie / warumb vnd woher der
Glaube gerecht mache / Lebendig sey oder das Leben habe / vnd lebendig mache /
nemlich nicht darumb / noch daher / daß er so ein grosse Tugend sey / oder
darumb / weil er gute Wercke thue / oder neben sich die Liebe habe / Sondern
darumb vnd daher / Weil er im Wort vnd Sacramenten Christum / der da vnser
Gerechtigkeit vnd Leben ist / ergreiffet vnd annimpt. So muß auch die Person
zuuor durch den Glauben gerecht seyn / ehe denn sie einige gute vnd Gott
wolgefellige Werck thun kan / Ist derhalben falsch / was die Papisten sagen /
Der Glaube / so ferne er bey sich hat die Liebe / damit er für Gott gezieret
stehet / der mache gerecht. So werden wir nu allein durch den Glauben gerecht /
Aber nit allein im anfang der bekerung / oder allein vorher / ehe denn die
Ernewerung erfolget / Sondern auch als denn / Da wir schon beyde wiedergeboren
vnd Ernewert sind / vnd gute Werck haben / stehet doch vnsere Gerechtigkeit für
Gott / dadurch wir jm gefallen vnd angenem seyn zum ewigen Leben / allein in
gnediger acceptation oder Vergebung der Sünden / aus lauter Gnaden / allein
durch den Glauben / vnd nur allein vmb des HErrn Christi willen. Vnd auff diese
weis Practicieren auch alle Heiligen diesen Artickel der Rechtfertigung / wenn
sie bitten vnd beten HErr vergib vns vnser Schuld. Wie denn auch Paulus Romano.
4. aus dem 15. Cap. Gen. Abraham für sich nimpt / als er schon bekehret /
|| [94]
vnd mit viel herrlichen guten Wercken vnd Tugenden
gezieret war / vnd setzet die frage / Worauff Abraham seine Gerechtigkeit für
Gott alßdenn gesetzt habe? Er antwortet aber / Dem der da nicht mit Wercken
vmbgehet / sondern / der da gleubet / dem wird sein Glaube zur Gerechtigkeit
zugerechnet ohne Werck / Nicht daß Abraham dazumahl nichts gutes gethan hett /
oder daß dazumahl in dem bekehrten Abraham keine gute Wercke gewesen weren /
Sondern daß die guten Wercke / wo sie schon in dem bekehrten vnd
gerechtfertigten vorhanden seyn / dennoch nicht mögen noch sollen in dem
Artickel der Gerechtigkeit für Gott gezogen oder eingenommen werden / Vnd das
darumb / auff daß wir jmmer für Gott gerecht seyn durch den Glauben / aus Gnaden
/ auff daß die Verheissung fest bleibe.
Solches ist nu alles richtig vnd klar / wenn mans vnterschiedlich erkleret.
Das aber were falsch / wo jemand hieraus wolte dis folgern vnd schliessen / daß
der Glaube / wo er solle gerecht vnd selig machen / notwendig müsse bey vnd mit
sich haben die guten Wercke / Oder daß die gegenwertigkeit der guten Wercke für
Gott oder dazu von nöten seyn / daß der Glaube vns möge für Gott gerecht machen
/ als könte er solches ohne die Werck nicht verrichten.
Item / daß wir vns die verheissene Gnade Gottes applicieren müssen / beyde durch
den Glauben / vnd mit des Mundes Bekentnis / sampt andern Tugenden.
Denn daß solches falsch sey / bezeuget Paulus / in dem er die Rechtfertigung für
GOtt zuschreibet vnd gibet allein der Gnaden Gottes / allein dem Verdienst
Christi / allein dem Glauben / vnd setzet sie allein in der Versönung mit Gott /
vnd seiner annemung zu Gnaden / ohne einige vorgehende / mitlauffende oder
folgende gute Wercke / Tit. 3. Ephe. 2. Phil. 3. 1. Cor. 4. Rom. 4.
Es sol auch in der Kirchen Gottes diese theilung vnd sonderung im Artickel der
Rechtfertigung mit nichte gelidden oder gestattet werden / daß wir auff eine
andere weise gerecht gemachet werden / vnd abermal auff eine andere weise selig
werden / Als daß wir wol durch den Glauben gerecht würden / ohne gute Wercke /
Vnd daß also die guten Werck in den Artickel der Rechtfertigung nicht gehören /
auch dazu nicht von nöten seyn / Aber ohne Wercke würden wir nicht selig /
Sondern zur Seligkeit weren auch die guten Wercke nötig / vnd daß die guten
Wercke solten vnd müsten in den Artickel der Seligkeit mit eingeschlossen
werden.
Daß solchs falsch vnd vnrecht sey / weiset vns Paulus Rom. 4.
|| [95]
Da er außdrücklich lehret / streitet vnd erhelt / daß wir nur auff
einerley art vnd weise beyde gerecht vnd Selig werden / Den̅ die
da haben die Gerechtigkeit des Glaubens / die seyn ja nicht ausser oder one die
Seligkeit / sondern in dem sie durch den Glauben gerecht werden / werden sie zu
gleich auch Kinder Gottes / bekommen damit die Seligkeit vnd Erbschafft des
ewigen Lebens. Denn die Seligkeit ist des Menschen / dem Gott die Gerechtigkeit
zurechnet ohne Werck / Roman. 4.
So brauchet vnd treibet auch die Schrifft die Particulas
exclusiuas, (ohne Werck) ja so gewaltig bey dem Artickel der Seligkeit
/ als in vnd bey dem Artickel der Rechtfertigung / Rom. 4. vnd 11. Eph. 2. Tit.
3. 1. Tim. 1.
Vnd die Apologia saget in dem Tittel von der Wiedersacher
Argumenten / Gleich wie zur Rechtfertigung der Glaube gehöret / Also gehöret
auch der Glaube zum ewigen Leben.
Weil denn dis das Fürbilde der reinen Lehre / vnd Heilsamen Wort ist / das Paulus
saget / Rom. 4. Die Seligkeit ist des Menschen / dem Gott zurechnet die
Gerechtigkeit ohne Werck.
Vnd die Augspurgische Confession zeucht an vnd rhümet den Spruch Ambrosij, da er saget / Also ist es bey Gott beschlossen
/ daß / wer da gleubet an Christum selig werde ohne Wercke / als der da allein
durch den Glauben aus Gnaden die Vergebung der Sünden empfehet. Daraus denn
offenbahr ist / daß es mit dem bemelten Fürbilde der reinen Lehre / vnd
heilsamen Worte streite / da jemand lehret / daß vnsere gute Werck zur Seligkeit
nötig seyn / als daß es vnmüglich sey / daß jemand ohne gute Wercke köndte selig
werden. Dem Glauben / so er rechtschaffen ist / folgen wol gewis die guten Werck
/ Aber in dem Artickel der Rechtfertigung / oder der Seligkeit vnd Erbschafft
des ewigen Lebens sollen sie nicht eingeschoben werden.
Mann sol auch straffen vnd verwerffen des Bapsts Trostlose Lehre / daß ein
rechter wahrer Glaube an seiner Gerechtigkeit für Gott vnd Seligkeit zweiffeln
solle / so doch Christus vnd Paulus den Zweiffel im Glauben straffen / Matth.
14. Ebre. 10. Roman. 4. Ja / auff daß allem Zweiffel gewehret würde / hat Gott
an seine gnedige Verheissung / seinen trewen Eid / vnd die Sacramenta, als gewisse Siegel der Warheit gehenget / auff daß der
Glaube auffs allergewisseste seyn möge / wie geschrieben stehet / Romano. 4.
Ebre. 6. Vnd wer nicht gleubet / der machet Gott zum Lügner / 1. Johan. 5.
Daß aber der Glaube mit zweiffel angefochten wird / das ist zwar keine Tugend des
Glaubens / sondern die anhangende schwa
|| [96]
cheit /
die gar nicht zu loben / sondern viel mehr zu beklagen ist. So sollen auch die
gleubigen vnterrichtet werden / wenn vnd so offt sich solche zweiffel erregen /
vnd sie dieselbigen fülen / daß sie desto fleissiger vnd ernster dawieder
streiten / sich zum Wort Gottes halten / der Sacrament gebrauchen / vnd daneben
beten sollen / HERR / vermehre vnd sterck vns den Glauben.
Wir reden aber hie nicht von dem Epicurischen ertichten Wahn eines Glaubens / der
nur ein falscher vnd Todter Glaube ist / sondern von dem wahren vnd lebendigen
Glauben / der beyde gerecht vnd selig machet / der weder auff sein zunehmen /
wachsen vnd stercke / noch auff seine schwacheit siehet / Sondern allein auff
Christum / vnd auff die verheissene Gnade in Christo / die ergreifft er / daran
helt er sich / darauff verlest er sich / vnd setzet fest sein vertrawen darauff.
Vnd daher beköm̅et vnd hat auch der Glaube diese Krafft / daß er
lebendig vn̅ gerecht machet. Vnd wenn ich auch so Christnm / der
meine Gerechtigkeit vnd Seligkeit ist / durch meinen Glauben / ob er gleich
schwach / aber doch gleichwol ein wahrer Glaube ist / ergriffen habe / als denn
kan ich mit Paulo sage̅: Ich jage jhm ja nach / ob ichs ergreiffen
möchte / Aber ich bin viel mehr / besser vnd stercker von meinem lieben HErrn
Christo ergriffen / Phil. 3.
VII. Von guten Wercken.
IN der Lehre von guten Wercken sind viel Punct / darüber vnd dauon in vnsern
Kirchen kein streit ist / Als nemlich / daß man gute Wercke thun solle / welchs
denn rechtschaffene gute Wercke seyn / wie sie geschehen / vnd wie sie auch GOTt
gefallen mögen. Wöllen derwegen dieses orts von jetzt bemelten Puncten nicht
reden / die aus andern Büchern der vnsern möge̅ nachgelesen
werden. Was aber sonst bey diesem Artickel disputierlich von etlichen erregt ist
/ dauon wollen wir auffs kürtzeste vnd einfeltigste weisen / was man danon
wissen vnd halten / auch wie man dauon bequem ohn ergernis reden möge.
Vnd erstlich wird von etlichen gedisputiert / ob in den Reformirten Euangelischen
Kirchen gebilliget vnd gebrauchet sollen werden folgende Propositiones vnd reden / Daß gute Werck nötig seyn / Vnd daß die
Wiedergebornen nothwendig schüldig seyn / die von Gott gebotene gute Wercke zu
thun. Weil aber die heilige Schrifft selbst in der Lehre von guten Wercken
bemelte Propositiones vnd Reden führet / vnd darinn auch
gebrauchet die Wort (Noth / Nötig / sollen /
|| [97]
müssen /
schüldig) als Rom. 13. Seyd nu aus noth vnterthan. 1. Corinth. 19. Ich mus
nothwendig das Euangelium predigen / Actor. 5. Man mus Gott mehr gehorchen /
denn den Menschen / Johan. 15. 1. Joh. 4. Wir sollen lieben. Rom. 8. Wir sind
schüldener / etc. Derwegen den̅ mit keinem fug solche
gebreuchliche / vnd in der Schrifft selbst gegründte Propositiones, Wort vnd Reden / können oder sollen verworffen werden /
Wie sie auch darumb in der Augspurgischen Confession vnd derselben Apologia, gebrauchet / vnd zum offtermahl wiederholet
werden / Als daß die guten Wercke nötig seyn / daß es nötig sey gute Wercke zu
thun / daß die guten Wercke nothwendig folgen sollen auff die Versönung mit Gott
/ vnd daß wir aus noth schüldig seyn gute Werck zu thun / die Gott von vns in
seinen Zehen Geboten erfordert.
Wollen derhalben / daß vnsere Pastores, wenn sie lehren
von guten Wercken / diesem Fürbilde der Heilsamen Wort folgen / Vnd demnach die
Christen / die sonst für sich selbst nach art vnd anmutung jhres verderbten
Fleisches durch die böse Sündliche Lüste zur Epicurischen sicherheit vnd
freyheit all zu geneigt vnd bereit seyn / zu lehren vnd zu vermanen durch solche
bemelte Reden / daß es nicht ein frey Mittelding sey / daß es in eines jeden
freyer macht vnd Wilkühr stehe / oder gleich viel gelte / er thue böse oder gute
Wercke / Sondern / daß es der wille vnd ernste Befehl Gottes sey / daß seine
Kinder in guten Wercken wandeln sollen / 1. Thessal. 4. Johan. 15. 1. Johan. 4.
Mann sol aber auch nach dem Exempel Pauli in gebrauch solcher Reden / bald
darauff diese erinnerung thun / daß diese Wort / Nötig / vnd Noth / nicht
verstanden sollen werden / de neceßitate coactionis,
wenn aus noth ohn vnd wieder eines willen von jemand etwas erzwungen wird / als
2. Cor. 9. Ein jeder reiche das Allmosen dar nach seiner wilkühr / nit mit
vnwillen / oder aus zwang. Vnd an Philemonem schreibet
er / Das thue / auff daß dein gutes nicht sey genötiget / sondern freywillig.
Vnd Petrus spricht / 1. Petr. 5. So weidet nu die Herde Christi / nicht
gezwungen / sondern williglich. Sol derhalben / wen̅ in diesem
Artickel von nothwendigkeit der guten Wercke geredt wird / alle zeit diese
Erklerung dabey gesetzt werden / Daß der newe gehorsam / oder die guten Werck
der gleubigen nicht darinne stehen / wenn sie gedrungen / ohne guten willen /
zum schein / nur eusserlich etwas nach dem Gesetz thun / vnd doch das Hertz dazu
vnwillig / vnd fern dauon ist / Denn die Kinder Gottes sollen ein willig Volck
seyn / Psal. 110. Das williglich Gott opffere / Ps. 54. Das ist / daß von
Hertzen / mit Lust vnd frewde / Gott gehorsam sey / Roman. 6. Denn
|| [98]
einen frölichen Geber liebet Gott / 2. Corinth. 9.
Auff daß des Gesetzes Finis vnd Heuptsumma sey die Liebe
von reinem Hertzen / von gutem Gewissen / vnd von vngeferbtem Glauben / 1.
Timoth. 1.
Aus welchem Grunde dis sich außfündig machet / Ob schon Menschliche Vernunfft
etlicher massen Weltliche Bürgerliche Tugenden leisten kan / So sind doch das
allein rechte gute Wercke / welche des heiligen Geistes früchte seyn / Eph. 5.
Der den Menschen new schaffet / vnd jhm seinen Verstand ernewret / daß er Lust
vnd Liebe zu Gottes Gesetz bekömmet vnd hat / Ephes. 2. vnd 4. Roma. 7. vnd 12.
Verstehen demnach die nothwendigkeit gutes zu thun nicht de
coactione, vom Zwang / ohne Hertz vnd willen / Sondern daß es der Wille
/ die verordnung / vnnd der ernste Befehl Gottes sey / dem wir billich schüldig
seyn zu gehorsamen.
Ferner ist in dieser Lehre fürnemlich von nöten / daß man klar vnd
vnterschiedlich aus Gottes Wort die Vrsachen anzeige / Warumb gute Werck zu thun
von nöten seyn. Vnd weil solche vrsachen in der Augsp. Confeß. vnd derselbigen
Apologia, Wie auch in dem vorgehendem nützen
Büchlein Vrbani richtig / vnd mit bequemen Worten
fürgeschrieben seyn / wollen wir / daß die Pastores bey
solchem fürgestalten Fürbilde der heilsamen Wort in dieser Lehre bleiben / vnd
dem auch folgen. Auff daß aber vnter dem schein solcher Vrsachen die guten
Wercke nicht zugleich auch in die beyde Heuptartickel der Gerechtigkeit vnd
Seligkeit mit eingeschoben oder eingemenget würden / sol vermieden vnd
verworffen werden diese Proposition vnd Rede / Daß gute Wercke zur Seligkeit
nötig seyn / Also / daß es vnmüglich sey ohne gute Wercke Selig zu werden. Denn
wie solche Proposition vnd Rede beyde wieder die Apostolische Lehre von der
Seligkeit / vnd wieder das Fürbilde der heilsamen Wort streite / haben wir im
vorgehenden Artickel von der Gerechtigkeit des Glaubens für Gott angezeiget. So
ist auch wissentlich / daß Lutherus dieselbige
Proposition verworffen vnd verdammet hat / Erstlich an den falschen Aposteln /
bey den Galatern / darnach an den Papisten / die also fölgern / Wir werden nicht
allein durch den Glauben gerecht / Denn die guten Wercke sind auch nötig zur
Seligkeit. Gleichsfals hat ers hart verworffen an den Wiederteuffern / da er
schreibet Tomo 2. VVittenberg. Fol.
325. Die Rottengeister gehen auff schlipffericher Bahn / da sie sagen /
Ey man sol ja den Glauben auff die Wercke nicht setzen / Aber man sol vnd mus
sie dennoch gleichwol haben / als nötige ding zur Seligkeit. Vnd in seiner
letzten Arbeit vber das 22. Cap. Gen. Da etliche fürgaben / Ob wir wol die guten
Wercke
|| [99]
als nötig zur Seligkeit erfordern / so lehren
wir doch nicht / daß man den Glauben vnd das Vertrawen darauff setzen sol /
schreibet Lutherus, Der Teuffel ist listig gnug / Aber
er wird nichts erhalten / ob er schon den vnerfahrnen / wie auch dem
Menschlichen Verstande / eine Nase / oder guten schein machet. Haec Lutherus.
Es ist auch dis vnrecht / daß etliche sagen / Die Gerechtigkeit vnd Seligkeit /
die man durch den Glauben ergreiffet / wird darnach durch folgende Werck
erhalten / Denn die Gerechtigkeit vnd Seligkeit beyde zu ergreiffen vnd zu
erhalten / ist allein des Glaubens eigen Werck vnd Ampt / wie Paulus Rom. 5.
saget / Daß wir durch den Glauben nicht allein den Zugang zur Gnaden haben /
sondern auch darinnen stehen / vnd vns rhümen mögen der Hoffnung der
zukünfftigen Herrligkeit / die GOTT geben sol. Vnd Petrus zeuget klar / 1. Pet.
1. Wir werden aus Gottes Macht durch den Glauben bewaret zur Seligkeit / welche
zubereitet ist / daß sie offenbar werde zu der letzten Zeit.
Vnd die Vrsach / warumb die erhaltung der Gerechtigkeit vnd Seligkeit allein der
Krafft Gottes durch den Glauben zugeschrieben wird / stehet in dem Spruch Pauli
/ Rom. 4. Darumb aus Gnaden / vnd durch den Glauben / auff daß die Verheissung
der Erbschafft der Seligkeit nicht allein zu ergreiffen / sondern auch zu haben
vnd zu erhalten / fest möge seyn vnd bleiben. Also spricht Paulus Col. 1. Wo jhr
im Glauben bleibt. Ebr. 3 So wir den Glauben vnd den Rhum der Hoffnung bis ans
ende fest behalten / etc.
Weil auch allerley gedisputiret wird / von dem Spruch Pauli Rom. 10. So man von
Hertzen gleubet / so wird man gerecht / vnd so man mit dem Munde bekennet / so
wird man Selig. Ist das die einfeltigste erklerung / welche die Apologia setzet de Argumentis
aduersariorum, Nicht daß wir auff ein andere weise gerecht würden /
Nemlich / durch den Glauben / Vnnd aber auff ein andere weise Selig würden /
Nemlich / durch die Bekentnisse / als durch ein Werck / Sondern Paulus redet
also / spricht die Apologia auff daß er bezeuge / was es
für ein Glaube sey / der das ewige Leben erlanget / Nemlich / ein fester /
bestendiger vnd thetiger Glaube. Der Glaube aber ist nicht fest vnd bestendig /
der sich nicht beweiset in der Bekentnis.
Auff die Frage aber / Ob die guten Wercke hinderlich oder schedlich seyn zur
Seligkeit / ist das eine richtige erklerung / Wenn jemand seine Gerechtigkeit /
Oder das Vertrawen auff seine gute Wercke vnd Verdienste derselben setzte / vnd
dieselbige in dem Artickel der Rechtfertigung oder der Seligkeit einmengen oder
einflechten wolte. Darauff antwortet Paulus / vn̅ wiederholets
auch dreymal Phil. 3.
|| [100]
Da er redet von vorgehenden
Wercken / vnd spricht: Was mir Gewinn war / das habe ich vmb Christus willen für
schaden gerechnet / vnd halt es für Dreck / auff daß ich Christum gewinne / vnd
in jhm erfunden werde / etc.
Aber hieraus folget nicht / daß man à dicto secundum
quid, vnd blos ohne nothwendige erklerung sagen wolte / Die guten Werck in
den Gleubigen vnd bekehrten sind jhnen hinderlich vnd schedlich zur Seligkeit /
Denn in den Rechtgleubigen sind gute Wercke anzeigung jhrer Seligkeit / Phil. 1.
Gott erfordert solche gute Wercke / lest sie jhm vmb Christi willen gefallen /
vnd wil sie mit grossen Gnaden belohnen.
Sol derhalben solche Proposition vnd Rede / Gute Werck sind schedlich zur
Seligkeit / wo sie also blos vnd ohne fernere erklerung fürgegeben wird /
verworffen vnd verdampt werden / Denn da wir die Gleubigen aus beweglichen
wichtigen Vrsachen zu guten Wercken ermanen wollen / sollen vnd können wir je ja
nicht sagen / daß jhnen gute Wercke zur Seligkeit schedlich seyn sollen / Denn
sonst müsten sie sich für guten Wercken hüten.
Daß aber die guten Wercke nicht in die beyden Artickel der Gerechtigkeit vnd
Seligkeit sollen eingezogen vnd gemenget vnd eingeflochten werden / als dazu
nötig vnd gehörig / kan auff andere weise erkleret vnd verwahret werden / wie
oben vermeldet ist.
Solches alles sol nothwendig vnterschiedlich vnd trewlich gelehret werden / auff
daß die beyden Artickel von der Gerechtigkeit vnd Seligkeit / mögen rein vnd
vnuerfelschet bleiben / damit auch die armen Gewissen einen bestendigen Trost
haben mögen.
Man mus aber mit höchstem fleis diese Lehre auch wol verwahren für dem vnsinnigen
Wahn der Gesetzstürmer / welche tichten / ob schon jemand von sich legte die
Busse / ohne alle Gottes furcht seinen bösen Lüsten zu folgen / vnd auch
allerley Sünde vnd schande wieder sein Gewissen begienge / vnd also dem Geist
der Ernewerung zu wieder lebete / daß er gleichwol möge gerecht vnd Selig seyn
vnd bleiben / Vnd demnach auch die Gerechtigkeit vnd Seligkeit einmahl durch den
Glauben erlanget / durch keinerley Sünde / vnbußfertigkeit / vnd Gottloses wesen
/ wie grob auch das jmmer seyn möchte / nicht wiederumb verlieren möchte.
Solchen schedlichen Wahn / so zu allerley rohem / frechem / Muthwillen der
sichern Welt vrsach giebet / zu stewren / sol mit fleis ernstlich vnd offt den
gleubigen die drawung Pauli fürgehalten werden / wie er sie etliche mahl
widerholet / wen̅ er an die jenigen schreibet / die schon
|| [101]
durch den Glauben beyde Gerechtigkeit vnd Seligkeit
bekommen hatten / 1. Corinth. 16. Gal. 5. Eph. 5. Die solches thun / werden das
Reich Gottes nicht ererben / Rom. 8. Wo jhr nach dem Fleisch lebet / werdet jhr
sterben müssen.
Es sol aber auch darauff diese erklerung folgen / Wie vnd warumb die / so solches
thun / weder Gerechtigkeit noch Seligkeit haben oder behalten / Nicht daß vber
das oder neben dem / daß der Glaube Christum ergriffen vnd angenommen / auch
vnsere Wercke zur Gerechtigkeit oder Seligkeit nötig weren / Sondern also vnd
darumb / weil solche die Busse von sich werffen / den Glauben verlieren / vnd
den heiligen Geist von sich stossen / Denn der Glaube ist nicht ohne Busse / kan
auch da nicht seyn / wo man in Todtsünden stecket vnd lebet / Wenn aber der
Glaube verloren / vnd der heilige Geist außgestossen / ist schon zugleich
Gerechtigkeit vnd Seligkeit verloren / welche allein durch den Glauben ergriffen
vnd erhalten werden. Vnd also redet die Schrifft / 1. Timoth. 1. Die das gute
Gewissen von sich gestossen / haben am Glauben Schiffbruch erlitten / 1. Timoth.
5. So jemand die seinen nicht versorget / der hat den Glauben verleugnet / vnd
ist erger denn ein Heyde. Wie denn auch die Apologia im
Tittel de Argumentis aduersariorum lehret vnd redet /
Wer die Liebe von sich wirffet / ob er schon einen grossen Glauben gehabt /
behelt er doch denselbigen nicht / weil er den heiligen Geist nicht behelt. Item
/ Die jenigen behalten weder Glauben noch Gerechtigkeit / Die nach dem Fleisch
leben. Denn darumb werden wir gerechtfertiget / Auff daß / wenn wir nun gerecht
seyn / auch anfangen gutes zu thun. Vnd solcher Glaube / dauon wir reden / ist
bey der Busse / vnd sol neben guten Wercken jmmer wachsen vnd stercker werden.
Haec Apologia.
Vnd im 20. Artickel / da jetzt gedachte Apologia den
Spruch Petri außleget / 2. Petr. 1. Petrus redet hie von guten Wercken vnd
früchten die dem Glauben folgen / vnd lehret / warumb man dieselbige thun solle
/ Nemlich / daß wir vnsern Beruff fest machen / das ist / daß wir nicht
wiederumb vom Euangelio fallen / wenn wir wieder sündigen / wil sagen / Thut
gute Wercke / daß jhr bey dem Euangelio / bey ewrem Himlischen Beruff bleibet /
daß jhr nicht wieder abfallet / kalt werdet / verlieret Geist vnd Gaben / die
euch aus gnaden durch Christum wiederfahren sind / nicht vmb der folgenden Werck
willen / Denn in dem Beruff bleibet man fest durch den Glauben / vnd der Glaube
vnnd heilige Geist bleibet in den jenigen nicht / die Sündlich Leben führen. So
fern die Teutsche Apologia.
|| [102]
Derhalben ist das bedachtsam vnd bescheiden geredt / wenn man sagt / Man sol
darumb gute Werck thun / auff daß nicht durch Sünde wieder das Gewissen der
heilige Geist / die Busse / vnd der Glaube verloren werde / Vnd daß nicht durch
verlierung des Glaubens beyde Gerechtigkeit vnd Seligkeit auch verloren werden /
Den̅ wo wahrer Glaub nit mehr ist / da ist auch weder
Gerechtigkeit noch seligkeit.
Vnd dis ist gesagt von den guten Wercken / die Gott selbst in seinem Wort geboten
/ vnd befohlen hat. Was aber belanget Adiaphora oder
mitteldinge / in solchen Kirchenordnungen / die in Gottes Wort außdrücklich
weder geboten noch verboten sind / wenn sie gebrauchet werden / vnd nützlich
seyn zu guter Ordnung / zu Christlicher Zucht / erinnerung / zierd vnd wolstandt
in den Kirchen / So hat die Kirche jhre Christliche Freyheit zur Erbawung zu
ordnen / oder zu endern.
Vnd wiewol hierinnen fromme Christen vmb Friedes vnd Einigkeit willen / Ergernis
vnd vnordnung zu verhüten / sich denen reinen Kirchen darinnen sie sind / in
Christlicher Freyheit gerne gleichförmig halten / So ist doch zu wahrer
Einigkeit der allgemeynen Christlichen Kirchen nicht nothwendig / daß
allenthalben gleichförmige Ceremonien / von Menschen eingesetzt / gehalten
müssen werden. Vnd wenn in solchen Menschen Satzungen noth vnd zwang auff die
Gewissen gedrungen wil werden / als were es grosse Sünde / wenn ohn öffentlich
Ergernisdarin ewas vnterlassen oder geendert wird / Item / wenn falsche
Abergleubische meynung daran gehefftet wird / als stünde darinnen der wahre
Gottesdienst / vnd die Gerechtigkeit. Oder wenn man daraus machen wil Verdienst
der Gnaden Gottes / So gebeut Paulus außdrücklich / Bestehet in der Freyheit /
damit vns Christus befreyet hat / vnd lasset euch nicht in das Knechtische Joch
fangen / Gal. 5.
Also auch wenn zur zeit der Verfolgung / vnd im Fall der Bekentnisse / oder sonst
die Feinde vnd Widersacher der Warheit solche Mitteldinge zu bestetigung
falscher Lehre / Aberglaubens / Abgötterey / vnd zu vnterdrückung oder
verfelschung reiner Lehre / vnd Christlicher Freyheit / entweder öffentlich
erfordern / oder hinderlistig es dahin deuten vnd ziehen / So sol vnd kan man
mit gutem Gewissen auch in solchen Mitteldingen den Wiedersachern zu gefallen
nicht weichen vnd nachgeben / nicht willfahren / Denn es in solchem Fall nicht
zuthun ist vmb die Eusserliche freye Mitteldinge / Sondern vmb die Warheit des
Euangelij zu erhalten / welches verfelschung vnd vnterdrückung dadurch gesuchet
wird / Auch vmb den Artickel der Christlichen Freyheit / Item / vmb das schwere
Ergernisse / daß da
|| [103]
durch die Wiedersacher in
jhrem Irrthumb gestercket / die schwache Christen in jhrem Gewissen betrübet /
vnd in jhrem Glauben verwirret werden / als geschehe dadurch wiederumb ein
Zutrit zum Bapsthumb / vnd eine vergleichung mit denselbigen / Galat. 2. vnd 5.
2. Corinth. 6. Wie man aber den schwachen im Glauben in solchen Mitteldingen
willfahren könne vnd möge / handelt Paulus Rom. 14. vnd 1. Cor. 9. Mann mus aber
mit fleis darauff acht geben / daß nicht vnter dem Namen vnd schein der
Mitteldinge etwas mit eingeschoben werde / das im grunde wieder Gottes Wort sey
/ oder solches mit sich bringe / oder sonst einen bösen schein habe. 1. Thes.
5.
Von Todtsünden vnd täglichen Sünden.
DEs vörigen jetzt ermelten Artickels nütze vnd nötige Lehre haben die Alten
erkleret durch erweisung des vnterscheids zwischen den Todtsünden vnd täglichen
Sünden / Darumb auch die Pastores sonderlich fleis
anwenden sollen / solche erklerung recht zu handeln / vnd den Leuten
einzubilden. Denn wenn dieser vnterscheid nicht mit höchstem Eyfer getrieben
wird / kan ermelte vorige Lehre zu erbawung der Kirchen nicht wol verhandelt
werden. Denn sichere Leute / wenn sie hören / daß wir alle Sünder seyn / vnd
doch nichts Verdamliches sey an denen / die in Christo seyn / das verstehen sie
also / daß ein jeder frey / ohne nachtheil vnd schaden seines Glaubens vnd
seiner Seligkeit / wol könne vnd möge allen seinen bösen Lüsten folgen.
Dagegen aber werden auch erschrockene Gewissen leichtlich betrübet / wenn sie
ohne weitere erklerung hören die drawung / Wer das thut / der hat keinen Theil
am Himmelreich. Auff daß nu beyde sichern vnd erschrockenen Gewissen gerahten
würde / haben die lieben Väter mit fleis vnterscheid gemacht zwischen den
Todtsünden / vnd den täglichen Sünden so Venialia werden
genennet.
Es ist aber nicht die meynung dieses vnterscheids / als weren etliche Sünde
wieder Gottes Gesetz für sich so gering vnd leicht / darüber Gott nicht wolte
noch zöndte zürnen / Darumb sie auch Venialia,
vergebliche Sünden geheissen würden.
|| [104]
Dagegen aber weren etliche Sünde so gros vnd schwer / daß sie durch den Glauben
vmb des HErrn Christi willen nicht könten vergeben werden / Daher sie auch Mortalia oder Todsünde genennet würden. Denn nach laut
des Gesetzes ist keine Sünde für sich Veniale, der
Vergebung der Sünden werth / sondern vber jede vnd alle Sünde spricht Gott in
seinem Gericht dis Vrteil / Verflucht sey jederman / der nicht bleibet in allem
/ was das Gesetz saget. Item / So jemand das gantze Gesetze helt / vnd sündiget
an einem / der ists gantz schüldig. Das Euangelium aber lehret / daß keine Sünde
so gros sey / die nicht denen / so Busse thun / vnd an Christum gleuben / vmb
des HErrn Christi willen vergeben werden könne.
So ist nu das der rechte Verstandt angeregtes vnterscheides / daß in den
vnbekerten oder vngleubigen alle vnd jede Sünde tödtlich seyn / Denn wer nicht
an den Sohn Gottes gleubet / vber dem bleibet der Zorn Gottes / Johan. 3. Aber
in den bekehrten oder gleubigen (nach dem sie entweder in der Busse vnd im
Glauben bleiben oder nicht) die Sünde also vnterschieden werden / daß etliche
sind Venialia, tegliche / Etliche aber Mortalia, tödliche. Denn in den bekehrten oder gleubigen
sind etliche Sünde / bey welchen Busse vnd Glauben stehen / vnd der H. Geist
bleiben kan / Als nemlich / Wenn Concupiscentia, die
bösen Lüste der Erbsünde / in vnserm sterblichen Leibe sich regen / Vnd aber die
gleubigen solche Vnreinigkeit erkennen vnd beklagen / wieder dieselben auch
durch den heiligen Geist streiten / solche gescheffte des Fleisches tödten /
lassen auch dieselbigen nicht in jhrem sterblichen Leibe herrschen / vnd ins
Werck kommen / in wahrer Busse bleiben / vnd dabey ernstlich beten / daß Gott
jhnen dieselbigen nicht wolte zurechnen / sondern durch Christum zudecken. So
haben vnd behalten dieselben Leute trawen auch den Glauben / Wo in wahrer Busse
der Glaube Christum suchet vnd ergreiffet / da ist vnd bleibet auch die Gnade
Gottes / Gerechtigkeit vnd Seligkeit. Vnd darumb werden solche Sünde Venialia genennet / welche den gleubigen nicht
zugerechnet werden / Sondern bey denselbigen GOttes Gnade behalten / Nicht aber
daher / daß solche Sünde für sich vnd jhrer art nach so gering / oder der Gnaden
werth weren / Sondern darumb / daß die Person in wahrer Busse den Glauben an
CHristum hat vnd behelt / wie Paulus spricht / Roma. 8. Es ist nichts
Verdamliches an denen / die in Christo Jesu sind.
Es sind aber auch etliche Sünde / wenn die gleubige Personen darein fallen / so
verlieren sie darüber vnd dadurch die Gnade Gottes / Gerechtigkeit vnd Seligkeit
/ vnd machen sich der ewigen Ver
|| [105]
damnis / vnd
ewigen Todes schüldig / wo sie nicht wieder vmbkeren / vnd Busse thun. Vnd daher
sind vnd werden in den Bekehrten solche Sünde Mortalia,
Verdamliche Sünde oder Todtsünde / Denn weil sie den bösen Lüsten nicht
wiederstreben / sondern gefallen daran haben / denen auch folgen vnd anhangen /
befleissigen sich nicht / wünschen / begeren vnd bitten auch nicht / daß die
Gescheffte des Fleisches in jhnen getödtet würden / Sondern suchen allerley
gelegenheit wie sie dieselbigen verbringen / vnd ins Werck stellen möchten / Das
ist / wie Paulus saget / Rom. 6. Sie lassen die Sünde herrschen / jhr gehorsam
zu leisten in jhren Lüsten.
So ist daraus gewis vnd offenbar / daß solche keine rechte wahre Busse haben oder
behalten / Wo aber keine ernste Busse ist / da kan auch kein rechter Glaube seyn
/ Denn des wahren Glaubens eigenschafft ist nicht / daß er bey Christo dis wolle
suchen / wie er frey vnd ohne schew die Sünde möge heuffen / vnd darinnen sicher
verharren vnd fortfahren / Nein / Sondern ein wahrer rechter Glaube suchet in
Christo / wie er von der Sünden möge erlöset vnd gefreyet werden. Wo nun die
Busse hinweg / vnd der Glaube verloschen ist / da wird auch der heilige Geist
verloren / Wo alßdenn weder heiliger Geist / noch Busse / noch Glaube ist / da
ist auch keine Gnade / keine Gerechtigkeit / keine Seligkeit / Sondern der
ernste Zorn Gottes / Todt vnd ewige Verdamnis / es sey denn / daß sich ein
solcher wieder vmbkehre / vnd Busse thue / vnd durch den Glauben vmb Christi
willen / wieder Vergebung der Sünden bekomme. Also vnd daher sind vnd werden
etliche Sünde den bekehrten tödtlich oder verdamlich.
Auff solche weise mögen vnd sollen die Pastores auffs
einfeltigste jhren Zuhörern weisen viel bemelte vnterscheid zwischen den
Todtsünden vnd denen Sünden / so den Gleubigen nicht verdamlich / sondern
vergeben vnd zugedeckt werden / Vnd daneben auch lehren / wie ein jeder in den
Zehen Geboten solche vnterscheid möge erkennen / bey einem jeden Gebot sich
selbst zu erforschen / daß er nicht etwan in solchen Sünden stecke / von welchen
der heilige Geist zeuget / Die solches thun / werden keinen Theil am Reich
Gottes haben. Daraus werden sie auch lernen / daß vnd wie sie auch im besten
Leben vnd Gottseligem Wandel erkennen vnd beklagen sollen die vbrige im Fleisch
noch wonende Sünde / vmb welche Vergebung sie täglich bitten müssen / daß sie
jhnen vmb Christi willen nicht zugerechnet / sondern zugedeckt werden mögen.
Aus dieser erinnerung werden die Pastores wahrnemen / wie
sie denen die Busse predigen sollen / die in solchen Todtsünden ligen vnd
|| [106]
stecken / Item / wie sie auch denen / so bey aller
jhrer Gottseligkeit / da sie in Gottes Furcht / vnd auff dem Wege des HERRN
gefliessen wandeln / Demnach jhre Venialia peccata, vnd
vbrige Sünde / vnuolkommenheit vnd vnreinigkeit fülen / bescheidentlich die
Busse predigen sollen vnd mögen.
Vnd wer also diese Vnterscheid / beyde der Todtsünden vnd der täglichen vbrigen
Sünden recht vnd wol den Leuten fürtragen / vnd in täglicher Gottseliger vbung
recht brauchen kan / der hat in der Theologia nicht vbel
studieret.
IX. Von den Sacramenten in gemein.
DIe Pastores sollen sonderlichen fleis anwenden / daß sie
in rechtem verstande / bedechtig / vnd mit aller Reuerentz / von den lieben
Sacramenten reden / auff daß beyde des Bapsts Aberglaube oder mißbrauch / vnd
auch der Sacramentschender Vernichtigung verhütet möge werden. Weil aber zu
einem Sacrament im Newen Testament zwey Stück gehören / Erstlich der
außdrückliche Befehl Gottes / an die gantze Kirche des Newen Testaments bis an
der Welt ende / von einem eusserlichen / sichtlichem / gewissem Element oder
Zeichen / mit benennung / wie man dasselbe handeln vnd brauchen sol. Zum andern
/ die gnedige Verheissung des Euangelij / von Gottes Gnade / vnd vergebung der
Sünden vmb des HERRN Christi willen / so durch Gottes Stimme dem Sacrament also
angehenget / daß dadurch einem jeden in sonderheit für sich / So er mit wahrem
Glauben dasselbige Sacrament gebrauchet / dieselbe gnade fürgetragen / gereichet
/ zugeeignet / vnd versiegelt werde. So ist aus solcher erinnerung klar vnd
gewis / wenn man eigentlich dauon reden wil / daß im Newen Testament derselbigen
Sacrament nur zwey seyn / Als die heilige Tauffe / vnd das hochwirdige Abendmahl
des HErrn Christi. Es erscheinet auch hieraus offenbahr / warumb die andern des
Bapsts Sacrament in diese Zahl nicht gehören.
Wie denn auch die Absolution / weil kein gewis Element oder eusserliche Ceremonia, durch sonderlichen / außdrücklichen /
Göttlichen Befehl dazu verordnet / Eigentlich zu reden solch Sacrament nicht ist
/ wie die Tauffe vnd des HErrn Abendmahl seyn. Weil aber dennoch die Absolution
das andere nötige stück hat / so zu einem Sacrament des newen Testaments gehöret
/ Nemlich / daß dadurch
|| [107]
die gemeine Verheissung des
Euangelij einem jede̅ Gleubigen in sonderheit dargereichet /
zugeeignet vnd versiegelt wird / Derwegen achtet die Apologia, daß man also in gemein in seiner maß die Absolution vnter die
Zahl der Sacrament im Newen Testament rechnen möge / Auff daß also jhre Wirde
vnd Nutz der Kirchen desto ansehenlicher möge commendirt werden. Vnd dis muß
also vnterschiedlich erkleret werden / auff daß nicht newe Wortgezenck daraus
erwachsen.
Es muß aber auch in Erklerung dieser Lehre / wenn man redet von Krafft vnd
Wirckung der Sacrament / beyde mit bescheidenen Worten / vnd in richtiger
meynung auff beyden seiten verhütet vnd verwahret werden.
Erstlich / daß man nicht mit den Papisten die Krafft vnd Wirckung der Sacrament
den sichtlichen Elementen vnd der eusserlichen Handlung / wieder die Schrifft /
1. Pet. 3. zuschreibe vnd gebe. Oder auch daß die Krafft vnd Wirckung der
Sacrament nicht gesetzt werde auff die Wirdigkeit der Diener / so die Sacrament
handeln oder reichen / Denn beyde der da pflantzet / vnd der da begeusset / ist
nichts / Sondern Gott ist es allein / der das gedeyen dazu gibet / 1. Corint. 3.
Auch sol man nicht tichten / wie die Scholastici, daß
die Sacramenta ex opere operato, vmb verrichtung des
Wercks willen / ohne Glauben / gerecht machen / oder Gnade geben. Vnd sol
nothwendig vermeldet werden / daß es weit ein anders ist / wenn man dauon redet
/ was zu der Substantz vnd Volkommenheit eines Sacraments gehöre / welches
allein in der Göttlichen stifftung vnd Einsetzung bestehet. Vnd ist aber ein
anders / wenn man dauon redet / Wie die Sacramenta vns
nütz vnd heilsam mögen seyn / Denn da muß beydes zusammen gefasset werden / das
Sacrament vnd der Glaube / Vnd sind die Sacramenta
gleich als Gottes Hand / damit er einem jeden Gleubigen in sonderheit seine
Gnade anbeut vnd darreichet. Der Glaube aber ist als vnser Hand / damit wir
solche angebotene vnd dargereichte Gnade ergreiffen / an vns nehmen vnd
empfangen / wie geschrieben stehet: Wer da gleubet vnd getaufft wird / sol selig
werden / Wer aber nicht gleubet / das ist / der solche Gnade in den Sacramenten
angetragen / nicht annimpt / sol verdampt werden.
Zum Andern / muß man auch darauff achtung geben / daß nicht nach der
Sacramentschender Meynung die Krafft der Sacrament vernichtet vnd verleugnet
werde / als weren sie nicht mehr denn eusserliche ledige Zeichen / die nur
alleine eusserliche Andeutung / Erinnerung oder Zeugniß für der Kirchen weren /
von GOttes Gnaden / Sondern nach außweisung der Schrifft sol man hieuon gleuben
vnd
|| [108]
reden / Daß nemlich die Sacrament sind Gottes
eigene Handlung vnd Wirckung / der durch solches eusserliches Ministerium oder Dienst mit seiner selbst Göttlichen Krafft / in dem
Er die Verheissung des Euangelij einem jeden Gleubigen in sonderheit vberreichet
/ zueignet vnd versiegelt / das jenige verrichtet vnd wircket / dauon die
Verheissung / so den Sacramenten angehefftet / reden / wie die Schrifft von der
Tauffe außdrücklich redet / Daß Gott seine Kirche selig mache / reinige /
wiedergebere / vnd ernewre / durch das Wasserbad im Wort / Tit. 3. Eph. 5. Joh.
3. Darumb sollen die Leute berichtet werden / daß sie im Gebrauch der Sacrament
nicht nur auff die eusserliche Ceremonien / oder auff die Person des Dieners /
vnd auff die eusserliche Handlung allein sehen sollen / sondern durch den
Glauben im Wort sollen sie auff Gott selbst sehe̅ / der in seinen
Sacramenten gegenwertig / vnd durch dieselbe nach seiner Verheissung krefftig
vnd thetig ist.
Vnd ob wol im Gebrauch der Sacrament vnterschieden sind die eusserliche
Handreichung des Dieners / vnd die innerliche krefftige Wirckunge Gottes / Doch
sol solche Göttliche Krafft vnd Wirckung von der eusserlichen / in Gottes Wort
eingesetzter / verordneter vnd befohlener Handlung / nicht geschieden werden /
Denn GOTT selbst ists / der da selig machet / reiniget vnd wiedergebieret / Aber
doch durch das Wasserbad im Wort. Vnd daher ist die Tauffe / nicht den
eusserlichen Vnflat am Fleisch abzuthun / 1. Petr. 3. Sondern ein Bad der
Widergeburt vnd Ernewerung des heiligen Geistes / Tit. 3. Wie denn die heilige
Schrifft in solchem Verstande diese aequipollentiam,
oder Abwechßlung der reden gebraucht / Gott macht vns selig durch die Tauffe /
Tit. 3. Vnd die Tauffe / oder das Wasserbad im Wort machet vns selig. Denn GOtt
machet seinen Gnadenbund mit vns in der Tauffe durch die Aufferstehung Jesu
Christi / 1. Pet. 3. Wie denn auch die Augspurgische Confession vnd derselbigen
Apologia eben also redet.
Bey diesem Fürbilde der heilsamen Wort sollen auch die Pastores bleiben / vnd sich befleissigen / solche grosse Gnade GOttes
jhren Kirchen vnd Pfarrkindern mit gnugsamer Erklerung einzubilden / daß Gott
mit vns hat wollen handeln / nicht allein durch sein Göttlichs Wort / Sondern
auch durch seine eusserliche sichtliche Sacrament / dadurch er die Verheissung
des Euangelij gleich als bekleidet / vnd sichtlich gemacht hat / (wie Augustinus vnd Lutherus dauon
reden) vnsern schwachen Glauben damit zu stercken vnd zu versiegeln / weil Er
durch die eusserliche sichtliche Handlung der Sacrament einem jeden / so diese
Sacrament nach bestimpter Einsetzung in wahrem
|| [109]
Glauben niesset / die verheissung der Gnade darreichet / zueignet / vnd
versiegelt. Den̅ der schwache Glaube kan sich nicht leichtlich an
dem blossen Worte begnügen lassen / sondern disputieret jmmer dauon / ob auch
ich vnd du in sonderheit der gemeinen Verheissung des Euangelij / vns gewiß
anzunehmen vnd zu trösten haben. Solchen Zweiffel zu stewren / fasset Gott seine
gemeine Verheissung in diese eusserliche sichtliche verhandlung der Sacrament /
damit er einem jeden / der sie in rechtem Glauben brauchet / dieselbige Gnade in
sonderheit darreichet / zueignet vnd versiegelt. Sollen derwegen die Leute
gelehret vnd ermahnet werden / daß sie im Wort vnd Sacramenten Gott selbst / der
durch dieselbige Mittel mit vns handelt / suchen vnd ergreiffen sollen / Also /
wie Er in seinem Wort dasselbige vns fürschreibet.
X. Von der Tauffe.
WIe die gantze Lehre von der heiligen Tauffe zu vnterricht der Gleubigen
einfeltig vnd nützlich wieder allerley Bäpstische Aberglauben vnd Mißbreuche /
Auch gegen das wüten der Wiederteuffer / der Kirchen Gottes fürzutragen sey /
sollen die Pastores ausdem Catechismo vnd andern Lehrschrifften der vnsern nehmen vnd behalten.
Weil aber leider zu vnsern zeiten die Sacramentierer Zwiespalt erreget haben /
von den Kindern der Gleubigen / von dem Exorcismo oder
beschwerung des Teuffels / vnd von der krafft der heilige̅ Tauffe
/ Auff daß hieuon der einfeltige rechte Verstand / mit der H. Schrifft gemessen
/ heilsamen / gesunden Worten / ohn Ergernisse der Kirchen / zur Erbawung
fürgetragen werden möge / wollen wir den Pastoribus hie
die Heuptgründe weisen / damit sie nicht durch frembde meynung / vnd durch
vngleiche Reden sich selbst vnd andere verwirren.
Die Sacramentierer schreiben vnd lehren / Daß die Kinder der Gleubigen darumb vnd
daher / daß sie von Gleubigen Eltern geboren seyn / auch ohne die Tauffe / vnd
zuuor schon bereit / ehe denn sie getauffet werden / Kinder Gottes / vnd Erben
des Ewigen Lebens seyn. Die Tauffe aber sey allein ein eusserlich Zeugniß / daß
sie vorhin Kinder GOttes / vnd Erben des Ewigen Lebens gewesen seyn / Vnd
derhalben verwerffen vnd verdammen sie den Exorcismum,
welcher doch in den ersten vnd eltesten Kirchen im Gebrauch gewesen ist. Weil
aber durch solche Disputation beyde die Erbsünde verkleinert / vnd die heilsame
Krafft der heiligen Tauffe gar gefehrlich vernich
|| [110]
tet wird / sollen gewisse vnd klare Sprüche der heiligen Schrifft
dagegen gesetzt werden.
Ob wol Dauid von beschnittenen vnd gleubigen Eltern geboren war / so bekennet er
doch / er sey in Sünden empfangen vnd geboren / Psalm. 51. Vnd Paulus zun Ephes.
2. schreibet: Auch wir (ob wir wol von beschnittenen Eltern geborn) waren gleich
so wol als die andern von Natur Kinder des Zorns. Denn weil die gleubigen Eltern
jhre leibliche Kinder nicht aus dem Geist / sondern aus dem Fleisch zeugen / so
werden auch der Gleubigen Kinder in diesem Heuptspruch mit begriffen / Was vom
Fleisch geboren ist / das ist Fleisch / Vnd wo es nicht wiedergeborn wird durch
das Wasser vnd durch den Geist / so kan es nicht in das Reich Gottes kommen. Vnd
ist ein gemein Vrtheil / welches stehet vber alle Menschen / daß Paulus spricht
/ Rom. 5. Durch eines Menschen Sünde ist der Fluch zum Tode vber vnd auff alle
Menschen kommen.
Es ist zwar Christus auch für die Kinder gestorben / vnd die Verheissung der
Gnaden gehöret nicht allein den gleubigen Eltern / sondern auch jhren Kindern /
Gen. 17. Actor. 2. Sol aber diese Verheissung jemand nütz werden / so muß sie
appliciert / zugeeignet vnd angenommen werden / Ebr. 4. Wie auch Christus saget:
Was aus dem Fleisch geboren ist / das muß anderweit wiedergeboren werden. Vnd
setzet alßbald das verordente Mittel dabey / Aus dem Wasser vnd Geist. Denn
solche Application vnd zueigung der Verheissung vnd Widergeburt geschicht nicht
ohne mittel. So geschicht auch die Wiedergeburt nicht aus dem Fleisch / darüber
schon das gemeine Vrtheil gefellet ist / Durch eines Menschen Sünde ist der
Fluch des Todes vber vnd auff alle Menschen kommen / Denn was aus dem Fleisch
geboren ist / das ist Fleisch. Die Tauffe aber ist dasselbige ördentliche Mittel
/ Nemlich / das Bad der Wiedergeburt / Tit. 3. Auff daß die jenigen / so aus dem
Fleisch geborn sind / vnd nicht im Him̅elreich waren / sondern
waren vnter der Gewalt der Finsterniß / Col. 1. durchs Wasser vnd den Geist
wiedergeborn würden / vnd also in das Reich Gottes eingehen möchten / Denn sie
werden getaufft zur Vergebung der Sünden / Actor. 2. Auff daß jhnen die Sünde /
darin sie geboren waren / abgewaschen / Act. 22. Vnd von Gott durch das Bad der
Widergeburt selig gemacht / gereiniget vnd widergeboren würden / Tit. 3. Ephe.
5. Joh. 3. Vnd Christus wil / daß die Kinder / auff daß sie nicht verloren
werden / Ihm sollen zugetragen werden / Matth. 18. Vnd das geschicht durch die
heilige Tauffe / Denn wie viel getaufft werden / ziehen den HErrn Christum an /
Gal. 3.
|| [111]
Eshat auch vor langen zeiten Augustinus lib. 2. de Baptismo
paruulorum, cap. 25. & 26. bemelten Wahn der Sacramentirer /
von der gleubigen Kindern an den Pelagianern aus der Schrifft recht gestraffet
vnd verworffen / da er den Spruch Pauli 1. Corinth. 7. Ewre Kinder sind heilig /
außleget durch den vorgehenden Spruch / Ein Vngleubiger Man wird geheiliget
durch ein gleubiges Weib. Vnd saget / daß dieser Spruch weder von der Erbsünde /
noch von vergebung der Sünden rede / Sondern sey alleine die meynung / wie ein
gleubiges Weib einem vngleubigen Ehemanne ohne verletzung jhres Gewissens wol
beywonen könne / also könne sie auch wol mit gutem Gewissen von einem solchen
Manne Kinder zeugen.
Wie aber die Gottseligen Eltern mögen vnd sollen getröstet werden / in
sonderlichen Fellen / da jhre Kinder / etliche in Mutterleibe / etliche in der
Geburt / etliche aber vnuersehens / vor der Tauffe versterben / das sollen die
Pastores aus dem Büchlein Lutheri vnd Pomerani hieuon beschrieben / lernen.
Zum Andern / belangend den Exorcismum, wie derselbige von
alters her bey der heiligen Tauffe gebrauchet ist / Als wir lesen bey dem Tertulliano, Cypriano, Nazianzeno vnd Augustino, so ist die Sache klar. Denn weil die Sacramentirer den
gebrauch des Exorcismi eben darumb vnterlassen vnd
verwerffen / daß sie tichten / daß der gleubigen Kinder / auch ehe sie getaufft
werden / vnd ohn die Tauffe / mit nichte sollen seyn Kinder des Zorns / vnd
ausser dem Himmelreich / vnter der gewalt der Finsternis zur Verdamnis / Sol man
eben darumb den Sacramentirern zu wieder in vnsern Kirchen den Exorcismum behalten vnd gebrauchen / zu einer
öffentlichen Bekentnis / daß wir nicht bemelten Sacramentirischen Wahn
approbieren oder billichen / welcher / wie gewiesen / mit der gantzen Schrifft
streitet / Psa. 51. Eph. 2. Johan. 3. Rom. 5. Col. 1.
Es sind aber etliche andere / die vermeynen / man solle den gar alten Gebrauch
des Exorcismi in der verhandelung der Tauffe darumb
vnterlassen / weil die Wort etwas gar zu hart lauten / als ob der Teuffel
leibhafftig in den Kindern wonete vnd sie leiblich besessen hette. Item / daß
der Tauffe kein Abbruch geschehe / ob schon der Exorcismus würde außgelassen. Weil aber benanter Exorcismus bey alten zeiten in der verhandelung der Tauffe im gebrauch
gewesen / hat jhn Lutherus seliger ohne zweiffel aus
hochwichtigen Vrsachen vnd bedencken bey der Tauffe behalten. Derwegen denn auch
die Pastores solche Nütze / angenom̅ene /
horgebrachte vnd gebreuchliche Ceremonien nicht leichtfertig / aus eigenem
bedencken / verwerffen vnd zerrüt
|| [112]
ten sollen /
sondern die Leute mit bescheidenheit vnterrichten / daß der Tauffe rechtes
gantzes wesen stehe allein darin̅en / daß man nach dem Befehl
Christi in der Action der der heiligen Tauffe mit Wasser im Nahmen des Vaters /
des Sohns / vnd des heiligen Geistes teuffe / Was darüber geschicht / gebetet /
oder gesprochen wird / das gehöre nicht zu dem eigentlichen Wesen der Tauffe /
Sondern die Tauffe ist vnd bleibet gantz vnd volkommen / auch ohn dieselben. Es
sol aber gleichwol darumb das jenige / so in vnsern Kirchen gewönlich bey der
Tauffe gehandelt / gebetet / vnd geredt wird / weder verworffen noch verdampt
werden / damit der arme gemeine Man durch vngleicheit der Ceremonien nicht
geergert werde / Denn es gibt feine kurtze einfeltige erklerung / vnd nütze
erinnerung / dadurch die gantze Lehre der heiligen Tauffe vnd derselben
heilsamer Brauch den einfeltigen deutlich vnd klar kan für vnd eingebildet
werden.
Vnd weil die heilige Tauffe gar ein ernstliche verhandlung ist / Gottes des
Vaters / des Sohns / vnd des heiligen Geistes / auff daß das Kind / so in Sünden
geboren / vnd von Natur ein Kind des zorns ist / das vmb der Sünde willen ausser
dem Reich Gottes / vnter dem schrecklichen Vrteil der verdamnis / vnd vnter der
Gewalt des Teuffels erlöset / vnd ins Reich Gottes versetzt werden möge / Vnd
aber der Teuffel der starcke gewapnete ist / der seinen Pallast fest bewahret /
daß jhm dasselbige / so er besitzt / durch keiner Creaturen Macht vnd Gewalt kan
genommen werden / es thue es denn allein Gott der Vater vmb seines Sohns willen
/ durch den heiligen Geist / welches denn warhafftig vnd durch Göttliche
Allmacht geschicht in der heiligen Tauffe. Derwegen auff daß die jenigen / so
vmb die Tauffe herumb stehen vnd dabey seyn / solches ernsten handels erinnert /
vnd zu Gottseliger betrachtung der dinge / so in der Tauff / wie der Glaube aus
dem Wort Gottes weis vnd verstehet / verhandelt werden / erwecket werden mögen /
So hat die gar alte Kirche den Exorcismum, die
Beschwerung des Teuffels / bey der Tauffe brauchen wollen. Vnd wenn der Exercismus also / wie gesagt / recht erkleret vnd
verstanden wird / so wird solche Beschwerung des Teuffels mit so harten ernsten
worten nit allein nit abschewlich seyn / sondern damit wird vns gleich wie für
die Augen gestellet / zu betrachten den grossen elenden Jammer des Kindes / so
vnter der gewalt des Teuffels der Erbsünde wegen steckt / vnd dagegen auch die
grosse vnermeßliche Gnade Gottes / so das Kind mit Göttlicher Krafft durch die
Tauffe aus dem Reich vnd gewalt der Finsternis reist / vnd in sein Gnadenreich
versetzt / wie solche erklerung Lutherus seliger in der
Vorrede seines Tauffbüch
|| [113]
leins gesetzt hat. Wir
wissen Gott lob ja wol / daß die Kinder nicht leiblich vom Teuffel besessen seyn
/ Wir wissen aber auch aus Gottes Wort / daß es viel gefehrlicher vnd
schrecklicher ist / daß solche Kinder / so in Sünden empfangen vnd geboren sind
/ ausser dem Reich Gottes / Geistlicher weise / in vnd vnter dem Reich vnd
gewalt der Finsternis verstrickt vnd gefangen sind. Weil denn solcher höchster
jammer weder mit worten kan außgeredt / noch mit Verstandt gnugsam gefast werden
mag / verstehen daraus Gottfürchtige Hertzen gar wol / daß der Exorcismus vnd die ernste Beschwerung des Teuffels bey
der Tauffe nicht ohne wichtige Vrsachen von alters her verordnet vnd gebrauchet
/ auch von Luthero behalten worden sey / Nach welchem
Exempel / in solcher meynung vnd erklerung derselbige auch in vnsern Kirchen /
zu Gottseliger Erbawung / billich / doch vnser Christlichen Freyheit vnschedlich
/ behalten wird.
Zum Dritten / Weil die Sacramentirer tichten / daß die heilige Tauffe allein sey
ein eusserliche sichtliche erinnerung vnd bezeugung / nicht aber ein solche
verhandlung / da Gott Vater / Sohn vnd heiliger Geist / selbs durch dieses
eusserlich Ministerium außtheile / darreiche / zueigne /
bestettige / vnd versiegle die Verheissung seiner Gnaden / Haben etliche die
Wort Lutheri in seinem Catechismo angefochten / als solte Lutherus nicht
recht gesaget haben / Die Tauffe wircket Vergebung der Sünden / erlöset vom Tod
vnd Teuffel / vnd giebet die ewige Seligkeit allen die es gleuben / wie die Wort
vnd Verheissung Gottes lauten. Derhalben auff daß die Pastores hieuon den rechten Verstandt mit Christlicher bescheidenheit
dem Volck fürtragen mögen / sollen sie deutlich vnd vnterschiedlich diese
erklerung thun / daß die Krafft vnd wirckung der Tauffe nicht gegeben vnd
zugeschrieben solle werden / weder dem Wasser / als dem verordneten Element /
noch der wirdigkeit oder dem Werck des Dieners / Sondern weil die heilige Tauffe
ein solche action oder handlung ist / in welcher durchs Wasserbad im Wort Gott
der Vater vns selig machet / Gott der Sohn vns reiniget / vnd der heilige Geist
vns anderweit wiedergebieret / auff daß wir aus der Gnade Christi / auff welches
Todt vnd Aufferstehung wir getaufft werden / vnd den HErrn Christum in der
Tauffe anziehen / also gerechtfertiget / Kinder GOttes vnd Erben würden des
ewigen Lebens / Tit. 3. Eph. 5. Joh. 3. Rom. 6. 1. Pet. 3.
Ist derhalben alle Krafft vnd wirckung der Tauffe nur pur lauter allein des
lieben Gottes selbs / der solches nicht immediatè, ohne
Mittel / Sondern durchs Wasserbad im Wort wircket / schencket / vnd außrichtet.
|| [114]
Wenn derwegen gefraget wird / Was gibet / wircket vnd nützet die Tauffe? Ist die
frage dauon / Was Gott der Vater / Sohn vnd heiliger Geist / in welches Nahmen
wir getaufft werden / bey / in vnd durch die Tauffe wircke / schencke vnd gebe?
Wie denn die Schrifft die reden also abwechselt / GOtt machet vns selig durch
die Tauffe / Tit. 3. Vnd / die Tauffe machet vns selig / nicht vmb des Wassers
willen / nicht auch vmb eusserlicher abwaschung willen des vnflats am Fleisch /
Sondern weil die Tauffe ist der Gnadenbund eines guten Gewissens mit GOtt /
durch die Aufferstehung Jesu Christi / 1. Pet. 3. Denn vnsere Tauffe ist nicht
ohn Christo / Sondern wir werden also getaufft im Nahmen Gottes des Vaters /
Sons / vnd heiligen Geistes / auff daß vns Gott der Vater selig mache / der Sohn
reinige / vnd der heilige Geist anderweit wiedergebere vnd vernewre / vnd
dasselbe zwar nicht ohne Mittel / sondern durch das Wasserbad im Wort.
So bezeuget auch Christus / Marc. 10. daß die Kinder / so durch die Tauffe zu jhm
gebracht werden / das Reich GOttes auch annehmen / Denn der Geist der
Wiedergeburt vnd ernewerung ist in jhnen krefftig / daß sie das jenige / so jnen
in der heiligen Tauffe gereicht vnd geschencket wird / annemen mögen / ob wir es
schon nicht wissen noch verstehen / wie dasselbige geschehe. Vnd das meynen wir
/ wenn wir lehren / daß die Kinder einen eigenen Glauben haben. Wie denn auch im
alten Testament die Beschneidung an den Kindern war das Siegel der Gerechtigkeit
des Glaubens / Rom. 4.
Auff solche weise kan man bey dem rechten Verstande bleiben / vnd auch fein
vnterschiedlich mit den worten der Schrifft / von der Sache reden / auff daß man
auff dem rechten Wege bleibe / vnd weder zur Lincken noch zur Rechten Seiten
außschlage vnd weiche.
XI. Vom Abendmahl des HErrn.
WEil dis Büchlein allein dahin gerichtet ist / daß den Pastoribus gewisse Formulen / art vnd weise / von den streitigen
Artickeln bedechtig / bescheidentlich / Gottselig vnd fürsichtig zu reden /
gestelt vnd fürgeschrieben werden / so wollen wir alhie nicht die gantze Lehre
vom Abendmahl des HERRn handeln vnd wiederholen / Sondern allein dauon meldung
thun / mit was heilsamen Worten vnd reden die Pastores
die Lehre dieses Artickels der Kirchen also fürtragen sollen / auff daß beyde
des Bapsts vnd der Sacramentschen
|| [115]
der Irrhumen
verhütet würden / vnd daß in einhelligem Verstand die Pastores mit gleichförmigen vnd der heiligen Schrifft gemessen reden
jhre Kirchen wol vnterrichten können / was sie von diesen grossen Geheimnissen
halten / gleuben / vnd wie sie dauon reden sollen.
Also sol wieder die Bäpstische Transubstantiatio vnd Verwandlung der Element /
Brods vnd Weins / in den Leib vnd in das Blut Christi / aus den worten der
Einsetzung / vnd nach Pauli völliger Erklerung / außdrücklich vud deutlich
gelehret werden / daß in dem Sacrament des Altars zwey stück oder zwey ding seyn
/ Nemlich ein Irrdisch vnd ein Himlisch ding (wie Irenaeus redet) das ist / daß zugleich in diesem Sacrament zugegen seyn /
außgetheilet vnd empfangen werden / wahres wesentliches Brod vnd Wein / vnd auch
der wesentliche Leib vnd das wesentliche Blut Jesu Christi. Vnd eben darumb /
auff daß wir öffentlich bezeugen / daß wir nicht billichen / noch für recht
halten die bemelte Bäpstische Transubstantiation / behalten vnd brauchen wir
solche Reden / so in der gar alten Kirchen gebreuchlich gewesen seyn / daß
nemlich im Brod / mit dem Brod / vnd vnter dem Brod vnd Wein / zugegen oder
gegenwertig sey / gereicht vnd empfangen werde der wahre Leib vnd das wahre Blut
Christi.
Es sol aber auch zugleich an den Papisten gestrafft werden die gar grewliche
Rauberey / da sie den Leyen nicht das gantze Sacrament / sondern nur allein die
eine gestalt (wie sie es nen̅en) reichen / mit angehengtem Geticht
/ daß die Leyen vnter der eine̅ gestalt des Brods zugleich vnd zu
einem mal mit einander beyde den Leib Christi vnd sein Blut essen / weil kein
lebendiger Leib ohn Blut seyn könne / Wir aber vrtheilen von diesem grossen
Geheimnisse nicht darnach / was man hierin fölgern / oder eins aus dem andern
schliessen möge / Sondern wie vns Christus selbs dauon lehret vnd berichtet / in
seiner stifftung vnd Einsetzung / Den̅ Christus hat nicht befohlen
/ daß wir sein Blut sollen essen / sondern trincken / vnd dasselbige nicht im
Brod / sondern im Wein. Also auch / da im Bapstumb das gesegnete Brod vom Altar
hinweg getragen / beygelegt / ins Sacramentheußlein eingesperret / in der
Monstrantz vmbgetragen vnd gewiesen wird.
Dagegen haben vnd behalten wir die Regel / welche recht vnd nützlich ist / Daß
nemlich Brod vnd Wein nicht ein Sacrament machen noch seyn / ausser vnd ohn den
brauch der niessung / welchen Christus selbs eingesetzt vnd befohlen hat.
Wir verstehen aber dis den Brauch oder die niessung / wie es in den worten der
Einsetzung fürgeschrieben vnd befohlen ist / Nemlich / daß dasselbe Brod des
HErrn / vnd derselbe gesegnete Kelch denen
|| [116]
so zum
Sacrament gehen wollen / sol dargereicht werden / daß sie es nehmen / essen vnd
trincken.
Es ist auch vnser Handlung / oder vnser thun / da das Sacrament vom Diener
gehandelt / oder von vns genossen wird / an jhm selbs ex
opere operato, vmb des gethanen Wercks willen / kein verdienst des
ewigen Lebens (wie die Papisten von jhrer Auffopfferung in der Messe tichten)
Sondern Christus selbs in diesem seinem Abendmal tregt vns für / reichet vnd
gibet vns seinen Leib vnd Blut / mit allem seinem Verdienst vnd Wolthaten. Daß
aber solch Geschenck vns möge nütz vnd heilsam seyn / muß nothwegen der Glaube
dazu kommen / Das ist / daß wir nicht allein Sacramentaliter, Das ist / Sacramentlich / sondern auch Geistlicher weis /
im wahren Glauben / essen vnd trincken den Leib Christi vnd sein Blut / vnd also
durch denselben Glauben seiner Wolthaten theilhafftig werden.
Also sol auch auff der andern seiten wieder die Sacramentierer von den Pastoribus fleis angewand werden / daß die reine Lehre
dieses Artickels lauter erhalten vnd verwahret werde / vnd dasselbe fürnemlich
zu diesen vnsern zeiten / da wol die Sacramentierer mit vns gleiche Wort führen
vnd brauchen / aber doch nicht mit vns eines einhelligen Verstands seyn /
Sondern darumb brauchen sie mit vns fast einerley Wort / auff daß sie vnter
solchem schein die Vnerfahrnen desto leichter verführen / vnd jhren vorhabenden
Gifft verbergen möchten / Denn sie sagen jetzt mit vns / daß im Abendmal des
HERRN der wahre Leib vnd Blut Christi dargereicht / genom̅en / vnd
empfangen werde / Vnter des aber verstehen sie / daß der Leib Christi von diesem
seinem Abendmal / so laut seiner Einsetzung hienieden auff Erden gehalten /
ferner vnd weiter dauon abwesend sey / denn der Himmel von der Erden ist / vnd
verstehen demnach solche darreichung vnd empfahung allein Geistlicher weise / da
der Glaube abwesende dinge fasset / vnd sich der tröstet.
Also reden auch die Sacramentierer offt vnd viel von der Gegenwertigkeit des
Leibs vnd Bluts Christi im Abendmahl / wollen aber damit allein verstanden haben
die Gegenwertigkeit des Glaubens / welcher jm ferne abwesende ding gleich als
gegenwertig ein vnd fürbildet / Oder daß solcher Glaube mit seinen Gedancken
vber alle Himmel sich hinauff schwinge / vnd daselbst Christi Leib ergreiffe.
Vmb solcher verfenglicher Liste willen der Sacramentierer sollen die Pastores die Formulas, Arth vnd
weis hieuon zu reden also anstellen / daß es nicht ein jeder verstehen vnd
deuten möchte / wie er selbs wolte / Sondern daß wir vns beyde in der Meynung
vnd im reden / wie
|| [117]
von den Papisten / also auch von
den Sacramentierern absonderten.
Es setzet aber Lutherus vier sonderliche Heuptstücke /
dadurch er seine vnd die rechte Meynung von allem Sacramentirischen Wahn
absondert / vnd jhre verfengliche Liste entdecket.
Der Erste Grund ist dieser / daß man darauff fleissig acht gebe / ob die Wort der
Einsetzung einfeltiger weise / schlecht / wie sie lauten / von der wahren vnd
wesentlichen Gegenwertigkeit / darreichung vnd empfahung des Leibes Christi im
Abendmahl verstanden sollen werden / Oder ob man den Worten per tropum, Figürlicher weise / ein andern Verstand / denn wie sie
lauten / auffdringen wolle.
Der Ander Heuptgrund ist dieser / daß man die Sacramentirer frage / was sie für
eine Gegenwertigkeit meynen / ob sie auch gleuben / daß Christus mit seinem
wahren vnd wesentlichen Leib nicht allein im Him̅el sey / sondern
auch in seinem Abendmahl / welchs nach seiner verordenter Einsetzung hienieden
auff Erden gehalten wird.
Der Dritte / Was denn im Gebrauch des Abendmahls der Mund empfahe / ob es allein
schlecht Brod sey / oder auch zugleich der Leib Christi.
Der Vierde / was die Vnwirdigen empfahen. Vnd von diesen Heuptgründen wollen wir
auffs kürtzt vnterricht geben.
Ist demnach gewiß / daß die Wort der Einsetzung müssen seyn vnd bleiben der Grund
/ die gewisse Richtschnur vnd Regel der Lehre vom Abendmahl des HErrn / Denn was
man dauon wissen / halten vnd gleuben / auch wie man dauon reden sol / darff man
nicht anderswo suchen / noch anders woher in die Wort der Einsetzung einnötigen
vnd eindringen / sondern solches alles sol aus den Worten der Einsetzung
genom̅en werden / welche Wort in jhrem rechten einfeltigen vnd
eigenem Natürlichen Verstande das vermögen vnd geben / daß das jenige / so im
Abendmahl gegenwertig ist / das vns durch den eusserlichen Dienst des Dieners
dargereicht wird / das wir auch mit vnserm Munde empfangen / nicht allein Brod
vnd Wein / sondern zugleich auch der wahre Leib / vnd das wahre Blut Christi
sey.
Hie dürffen wir kein andere frembde Zeugnisse oder Gründe der Gegenwertigkeit des
Leibs Christi im Abendmahl des HERRN suchen / sondern sollen vns genügen lassen
an diesem einigen Grunde / Christus / der die Warheit selbs / vnd dem aller
Gewalt im Himmel vnd auff Erden gegeben ist / hat es also eingesetzt / vnd
gesagt: Das ist mein Leib / Das ist mein Blut.
Weil aber die Sacramentierer solchen einfeltigen Verstand der stifftung Christi
sich vnterstehen zu verfelschen / durch verkehrung der
|| [118]
Artickel des Glaubens / von beyden Naturen in Christo / von der Himel fahrt
Christi / von seinem sitzen zur Rechten Gottes / also vnd daher kömpt es / daß
in diesem Sacramentsstreit auch von bemelten Artickeln des Glaubens gedisputiert
wird / nicht daß wir den Grund fürnemlich auff diese Artickel setzen / sondern
daß wir daraus erweisen mögen / daß das jenige / so Christus in den Worten
seines Testaments saget vnd verheist / Nemlich / daß Er vns seinen wesentlichen
gegenwertigen Leib vnd Blut im Abendmal reiche / also / daß wir mit vnserm Munde
/ mit Brod vnd Wein warhafftig denselben empfangen / Das sage ich / daß dasselbe
durch solche bemelte Artickel nicht vmbgestossen / sondern viel mehr zur Warheit
bestetigt werde / Denn weil die gantze Fülle der Gottheit in Christo leibhafftig
wohnet / vnd weil durch seine Himmelfahrt seine angenom̅ene
Menschliche Natur erhöhet ist zur Rechten der Majestet vnd Krafft Gottes /
Derhalben was Er in den Worten seines Testamentes saget / das weis vnd vermag er
auch zu thun / ob schon solchs wieder vnd vber alle Natur ist / vnd wir nicht
verstehen können / wie es geschehen möge.
Weil denn die Wort der Einsetzung Wort sind des Testaments des Sohns GOttes /
sollen die Pastores in grosser Furcht Gottes dauon
dencken vnd reden. Denn es verkündigt auch Paulusdenen / so den Leib Christi /
der im Abendmahl gereichet vnd empfangen wird / nicht recht vnterscheiden / daß
sie sich schüldig machen des gestrengen Gerichtes GOttes. Sol derwegen niemand
hiemit schertzen / oder an den Worten der Einsetzung sich vergreiffen /
dieselbige seines gefallens auff diese oder jene Meynung zu drehen / zu ziehen
oder zu dehnen / Denn den Worten des Testaments Christi sol man keinen andern
vnd frembden Verstand auffdringen / sondern man sol sie in einfeltigem Verstande
/ wie sie lauten / vnd jre Eigenschafft mitbringet / annehmen vnd behalten / Daß
nemlich in der Handlung des Abendmahls Christi / so hienieden auff Erden nach
seiner Einsetzung gehalten wird / gegenwertig sey / dargereicht vnd empfangen
werde / nicht allein Brod vnd Wein / sondern daß auch zugleich sein wahrer vnd
wesentlicher Leib / vnd sein wahres wesentliches Blut zu gegen sey / gereicht
vnd empfangen werde / Vnd solches nicht allein wie es der Glaube betrachtet vnd
fasset / noch allein nach der Krafft vnd Wirckung / sondern warhafftig vnd
wesentlich / doch vnsichtlicher weise. Denn Christus saget von dem / das in der
niessung des Abendmahls Christi gegenwertig ist / dargereicht vnd empfangen wird
/ Das ist mein Leib / der für euch gegeben wird / Das ist mein Blut / das für
euch vergossen wird. Solderwegen die gegenlehre gentzlich verworf
|| [119]
fen werden / dere / die den worten der
Einsetzung durch jhre Tropos vnd deuteley ein andern
Verstand auffdringen / als ob Christus mit dem wesen seines wahren Leibes numehr
allein im Himmel sey / vnd nicht zugleich auch hienieden in seiner Kirchen / wo
sein Abendmahl nach seiner Einsetzung auff Erden gehalten wird / Derwegen sie
auch die Wort der Einsetzung außlegen entweder von dem abwesenden Leibe Christi
/ von desselben zeichen / krefftiger wirckung / vnd was des mehr ist / oder
tichten viel ein ander Gegenwertigkeit / denn wie die wort an jhnen selbst
lauten / daß nemlich das jenige / so im Abendmahl gegenwertig ist / dargereicht
/ vnd mit dem Munde empfangen wird / das sey der Leib Christi / der für vns
gegeben ist. Denn ob wol das nicht eine wesentliche oder Natürliche Eigenschafft
eines Menschlichen Cörpers / zugleich an vielen örten zu gegen seyn / doch weil
Christus das gesagt / vnd nicht allein gesagt / sondern auch in den worten
seines Testaments verordnet hat / gleuben wir festiglich / er wölle vnd vermöge
auch dasselbige zu thun / weil er zugleich Gott vnd Mensch ist / vnd seinen Leib
erhöhet hat zur Rechten der Krafft Gottes.
Hie sollen auch die Leute erinnert werden des lieblichen Trostes / weil wir in
vnser Schwacheit mit vnserm Sündlichen Fleisch also beschweret vnd beladen sind
/ daß wir vns nicht vermögen vber alle Himmel zu erheben / daß Christus derwegen
zu vns kömpt / vnd sich mit vns vereiniget / vnd also vns zu sich erhebe / vnd
demnach vnsern Glaube̅ mit dem herrlichen thewren Pfande seines
Leibes vnd Bluts bestetige / daß er vns warhafftig vnd gewiß schencke / zueigne
vnd versiegele alles das jenige / das Er mit Auffopfferung seines Leibes / vnd
mit vergiessung seines Bluts erworben hat / vnd daß er gewiß in vns wolle wohnen
/ vnd vns zu seinen Gliedmassen machen / vnd alles in vns wircket / was zu vnser
Seligkeit nötig ist / weil er sich mit seinem thewren Leib vnd Blut mit vns
auffs nechste vereiniget / vnd spricht: Nim / Iß vnd Trinck / Das ist mein Leib
/ Das ist mein Blut.
Also auch / da Christus nimmet das Brod vnd den Kelch / vnd spricht: Nemet hin /
esset / trincket / wil er trawn ein solch essen vnd trincken verstanden haben /
so mit dem leiblichen Munde geschicht. Weil Er aber auch saget / das jenige /
das jhr mit dem leiblichen Munde empfahet / esset vnd trincket / das ist mein
Leib / das ist mein Blut / so gleuben wir auch festiglich / vnd lernen auch /
daß wir der niessung des HERRN Abendmals mit vnserm Munde nicht schlecht oder
nur allein Brod vnd Wein / sondern auch zugleich den wahren Leib vnd das wahre
Blut Christi empfahen. Solch Brod vnd Wein empfahen wir Natürlicher weise / weil
es eusserliche empfindliche Ele
|| [120]
ment dieser Welt
sind. Daß aber also auff Natürliche weise der Leib Christi mit vnserm Munde
solte gegessen werden / sagen wir in keinem wege / Sondern weil der Leib vnd
Blut Christi nunmehr nicht dem Natürlichen lauff / Art vnd weise dieser Welt
vnterworffen sind / sondern in das Himlische Leben vnd zu Göttlicher Ehre /
welche vnbegreifflich ist / erhöhet seyn / (Denn eben dasselbig verstehet
Christus / wenn er saget: Ich verlasse die Welt / vnd gehe zum Vater) So lehren
vnd halten wir / daß im Abendmahl der Leib vnd Blut Christi dargereicht vnd
empfangen werden auff Himlische / vbernatürliche vnd vnerforschliche weise / die
allein dem bekant vnd müglich ist / der es gestifftet hat / Vnd doch empfangen
wir warhafftig mit vnserm Munde / Denn die Wort dieser Stifftung bezeugen das
jenige / das wir mit vnserm Munde empfahen / Dauon sagt Christus: Das ist mein
Leib / Das ist mein Blut.
Sollen derwegen die Pastores von diesem Geheimniß mit
sonderer bescheidenheit also reden / auff daß sie den wahren Verstand der
Stifftung beyde von dem groben Capernaitischen Fleischfressen / vnd auch von der
Sacramentierer Wahn absondern. Denn die Sacramentierer wollen das erhalten / daß
wir im Abendmahl des HErrn mit vnserm leiblichen Munde nur schlecht Brod vnd
Wein / den Leib aber vnd das Blut Christi nicht mit dem leiblichen Munde /
sondern allein mit dem Munde des Glaubens empfangen / so doch die Wort der
einsetzung von zweyerley niessung des Leibs Christi reden / die eine heist man
die Sacramentliche niessung / da wir nach den wahren vnd krefftigen worten
Christi (Nemet / esset / trincket / Das ist mein Leib / Das ist mein Blut) wenn
wir mit vnserm leiblichen Munde im Abendmal Brod vnd Wein essen vnd trincken /
zugleich auch den Leib vnd das Blut Christi empfangen / Welches einfeltig daraus
kan verstanden werden / Gleich wie im brausen des Windes vnd mit der gestalt der
Tauben der heilige Geist gegenwertig herab fuhr / gegeben ward / vnd sich auff
die Apostel setzet. Die andere niessung geschicht Geistlicher weise / wenn der
Glaube diß feste vertrawen fasset / daß jhm Christus durch vnd mit solcher
darreichung vnd empfahung zueigne / vbergebe vnd versiegele seine Gnade vnd
Wolthaten / so er mit Auffopfferung seines Leibes vnd vergiessung seines Bluts
erworben vnd verdienet hat. Welche Geistliche niessung in diesen Worten der
Einsetzung gefasset ist / Für euch gegeben vnd vergossen. Item / Das thut zu
meinem Gedechtniß.
Weil aber weder der Glaube noch der Vnglaube / weder die Wirdigkeit noch die
Vnwirdigkeit des Dieners / oder derer / so das Sa
|| [121]
crament empfangen / etwas zu dem wesen dieses Sacraments geben oder
nemen können (den̅ das wesen dieses Sacraments besteht allein auff
den Worten vnd Verordnung der Stifftung Christi / Christus aber saget ohn
Vnterscheid zu allen die es empfahen / so wol zu Juda als Petro / Nehmet hin vnd
esset / das ist mein Leib / etc.) Derhalben sol mit Paulo gelehret werde̅ / Daß nicht allein die wirdigen / sondern auch die Vnwirdigen /
im Abendmal des HErrn mit jhrem Munde / Sacramentlicher weise / nicht allein
schlecht Brod vnd Wein / sondern auch zugleich den Leib vnd das Blut Christi
empfangen / doch mit vnterscheid / Daß es die Gleubigen empfangen zur Seligkeit
/ die Vngl eubigen aber zum Gerichte / Von welchen Paulus zeuget / daß sie
darumb vnd daher sich des Gerichts schüldig machen / nicht daß sie es von sich
stossen / sondern weil sie vnwirdig von diesem Brod essen / welches die
benennung Gottes bekommen hat / saget Irenaeus, daß es
sey der Leib Christi / der für vns gegeben ist.
Vnd demnach sol die wahre Regel Augustini gehalte̅ werden / wen̅ gefraget wird vom wesen oder von der
Volkom̅enheit vnd Heiligkeit der Sacrament / ist nicht daran
gelegen / was der gleubet / der sie empfenget / Wenn aber die Frage hieuon
angestellt wird / wie man den Nutz / die frucht vnd die krafft des Sacraments
empfangen möge / ist zwar am Glauben am meisten gelegen / Denn solchs Nutzes /
solcher Frucht / krafft vnd wirckung / allein die jenigen theilhafftig werde̅ / die es mit dem Glauben empfahen / vnd die vngleubig seyn / es
vnwirdig empfange̅. Sol derwegen beydes gelehret werden / Erstlich
/ was das senige sey / das die Vnwirdigen in der Niessung des Abendmahls
empfahen / durch welchs vnwirdig essen sie jhnen das Gericht essen / Den̅ sie werden schüldig an dem Leibe Christi / weil sie sich mit
vnwirdigem essen an demselbigen versündigen. Darnach sol auch geleret werden /
wie sich die Leute sollen zuuor prüfen / auff daß sie es nicht zum Gerichte /
sondern zum Leben empfangen möge̅. Den̅ beyde Lehren
hoch nötig seyn / vom Sacramentlichen essen / vnd auch von dem Geistlichen essen
/ welches geschicht in ernstlicher Busse durch wahren Glauben. Es sollen aber
auch hierauff erfolgen nötige Erklerungen / vom Nutz / Frucht / krafft vnd
wirckung / der sich die Wirdigen oder Gleubigen bey solcher Sacramentlichen vnd
Geistlichen niessung zu tröste̅ haben / dauon in andern Büchern
der vnsern geschrieben ist.
Haben also auff dißmal von denen Puncten / welche von den Papisten vnd
Sacramentirern in streit gezogen / vnsern Pastorn wenige vnd kurtze Erinnerung
thun wollen / wie sie in rechtem Verstande / vnd auch mit füglichen reden /
diese Heuptlehre möchten also verwahren /
|| [122]
daß beyde
der Papisten vnd der Sacramentierer Irrthumb durch Gottes Gnade verhütet / vnd
von diesen Kirchen abgehtlten möchte werden.
Belangend aber die Einredung vnd Gegenworff der Sacramentierer aus den Artickeln
/ von den zweyen Naturen in Christo / von der Himmelfahrt Christi vnd seinem
sitzen zur Rechten Gottes / dauon haben wir oben meldung gethan / vnd Erklerung
gesetzt.
ALso haben wir einfeltig vnd deutlich / vermittelst Göttlicher Verleihung (aus
der alten bewehrten Grundfest des vnfchlbaren / vnbetrieglichen Worts / die Gott
selbst mit mancherley vbernatürlichen Mirakeln vnd Wunderwercken confirmirt vnd
bestetigt) die einfeltigen Pastores vnd Kirchendiener
dieses löblichen Fürstenthumbs / vnd wer sich sonst dieser vnser Arbeit
gebrauche̅ wil / gelehret vnd vnterrichtet / wie sie die
streitigen Religions Artickel einfeltig vnd richtig verstehen / mit Gottes Wort
bescheinen vnd bewehren / auch ohne Ergerniß / mit grosser bescheidenheit dauon
reden / vnd sich aller Fürwitzigen vnd zur Erbawung vndienlichen Disputation vnd
mutwilligen Gezencks enthalten vnd entschlagen / vnd doch allen Obiectionibus, die sie von der Warheit abwenden wollen
füglich aus Gottes Wort begegnen / vnd dieselbige ableinen können.
Vermahnen hierauff ernstlich alle Pastores vnd Seelsorger
/ bitten sie auch durch die Lindigkeit vnd Barmhertzigkeit Gottes / sie wollen
diese Schrifft in der Furcht des HErrn fleissig lesen / vnd jnen dieselbige
neben dem gar nützen notwendigen Büchlein D. Vrbani
Rheg??? seligen fein gemein vnd bekant machen / vnd wollen ja bey jhrem
lieben Catechismo, bey der lieben Einfalt bleiben / sich
aller hoher / subtiler / in heiliger Schrifft vngegründter / vnd in der heiligen
Christlichen Kirchen vngewöhnlicher vnd vngebreuchlicher Reden / Deßgleichen
aller vnnothwendigen / vnfruchtbaren / hochschedlichen Disputation vnd Gezencks
enthalte̅ / vnd dieselbige nicht für den armen gemeine̅ Man auff die Cantzel bringen / vnd jhn damit verirren vnd
verwirren / sondern bey der liebe̅ Einfalt bleiben / Vnd da etwas
frembdes vnd newes von andern auff die Bahn gebracht würde / daß sie solchs ja
nicht auff die Cantzel tragen / sondern sich zuuor vnterrichts vnd bescheids bey
dem Consistorio darauff erholen / vnd nichts lehren /
das Gottes Wort nicht ehnlich vnd gemeß sey / damit die Ehre vnsers lieben gantz
getrewen frommen Gottes befürdert vnd außgebreitet werde / sein Gnadenreich zu
vns komme / vnd wir der mal eins aus dem Gnadenreich Christi in sein
großmechtiges Ehrenreich transferirt vnd versetze
|| [123]
werden / Mitler weil aber sein guter gnediger Wille / wie im Him̅el also auch bey vnd von vns hie auff Erden / Ihm zu Lob / Ehr vnd Preis / vns
aber zu ewigem Heyl vnd Seligkeit / geschehe / Amen.
GOtt der Vater vnsers lieben HErrn Jesu Christi / der Gott der Herrligkeit /
wölle vnsern gnedigen Landsfürsten vnd Herrn / S. F. G. Gemahel / Junge Herrlein
vnd Frewlein / sampt dem gantzen Fürstenthumb Lüneburg / gnediglich wie bis
anher also auch fortbaß / bey der reinen / heylwertigen / vnd allein
seligmachenden Lehre des Göttlichen Worts bestendig bis ans Ende erhalten / vns
für alle̅ hochschedlichen verdampten Rotten / Secten vnd
Verfelschungen / allergnedigst bewahren / Auch seinen Donner krafft / das ist /
zu vnserm pflantzen vnd begiessen seinen reichen milden Segen / Gnade vnd
gedeyen verleihen / daß vnser Arbeit im HErrn nicht vergeblich sey / Sondern daß
wir semptlich vnd sonderlich ein bußfertiges Leben führen / vns auff die
herrliche Ehrentreiche Zukunfft vnsers lieben HErrn Christi / die gewiß nahe für
der Thür ist / gefast machen / auff daß wir vnbefleckt vnd vnstrefflich im
Friede für Ihm erfunden werden / mit heiligem Wandel / vnd Gottseligem Wesen der
Zukunfft warten / vnd endlich mit vnsern lieben vns in vnser Gewissen
eingebundenen Schäfflein zur Rechten Hand des HErrn Christi gestellet werden /
vnd die frewdenreiche Stimme anhören: Kommet her jhr Gesegneten meines Vaters /
ererbet das Reich / das euch von Anbegin bereitet ist / vnd also wesentlich Gott
beywohnen / Ihn von Angesicht zu Angesicht sehen / das vnuergengliche vnd
vnbefleckte / vnd vnuerweßliche Erbe / welchs vns im Him̅el
behalten wird / besitzen / frewdenreiche Gemeinschafft mit der gantzen hohen
heiligen Dreyfaltigkeit / allen Außerwehlten Engeln vnd Christgleubigen haben /
vnd recht satt werden / Frewde die fülle / vnd ein liebliches Wesen zu seiner
Rechten ewiglich haben mögen. Dazu helffe vns allen semptlich vnd sonderlich der
Vater aller Gnaden vnd Barmhertzigkeit / der der rechte Vater ist vber alles /
das da Vater heist im Himmel vnd auff Erden / vmb des tewren werthen Verdienstes
/ vnd krefftige Fürbitte Jesu Christi willen / durch hülffe vnd Krafft des
heiligen Geistes. Welchem einigen Gott in dreyen vnterschiedlichen Personen sey
Lob / Ehr vnd Preis / von nu an biß in Ewigkeit / AMEN.