Transkription

Encyclopaedia oder Schau-Bühne Curieuser Vorstellungen Von vilerley Art ausgebildeter Kupffer Figuren – Encyclopædia, Oder: Schau-Bühne Curieuser Vorstellungen Von vielerlei Art außgebildeter Kupffer-Figuren : Sehr dienlich Zu allerhand Erfindungen/ Besonders vor Mahler/ Kupffer- Silber- und Siegel-stecher/ Goldschmiede/ Glaßschneider/ Schmöltz- und Stahl-Arbeiter ; Nicht nur allein mit Ovidischen/ sondern auch historisch- und emblematischen Vorstellungen/ vielen veränderlichen Einfassungen/ Laub- und Bandel-Werck/ samt allem nach Vergnügen angefüllet ; Die Sinn-Bilder sind mit Lateinisch- Französisch- Italiänisch und Teutschen Devisen auf das beste versehen / Vorgestellet und verlegt von Gottfried Rogg/ Mahlern
Rogg, Gottfried
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ENCYCLOPAEDIA, Oder: Schau=Buehne Curieuſer Vorſtellungen Von vielerley Art außgebildeter Kupffer=Figuren/ Sehr dienlich Zu allerhand Erfindungen/ Beſonders vor Mahler/ Kupffer=Silber= und Siegel ſtecher/ Goldſchmiede/ Glaßſchneider/ Schmoeltz= und Stahl=Arbeiter; Nicht nur allein mit Ovidiſchen/ ſondern auch hıſtoriſch= und emblematiſchen Vor= ſtellungen/ vielen veraenderlichen Einfaſtungen/ Laub- und Bandel-Werck/ ſamt allem nach Vergnuegen angefuellet Die Sinn=Bilder ſind mit Lateiniſch Franzoeſiſch=Italiaeniſch und Ceutſchen Deviſen auf das beſte verſehen. Vorgeſtellet und verlegt von Gottfried Rogg/ Mahlern. Erſter Theil. Augſpurg/ druckts Andreas Maſchenbauer/ Stadt=Buchdrucker/ An. 1726.
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Kunſt= und Gunſt=geneigter Leſer!
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DAß es an einigen Orten gewiſſe See und Taeuche gibet/ welch auf keinerley Art und Weiſe zu ergruenden/ oder dero Tieffe außzumeſſen/ iſt von ſelbſten bekand; Nicht unbillich verglei= che ich die jetzıge Kunſt=Welt einer ſolchen Tieffe/ worueber ſich die Natur ſelbſten zu bewundern hat/ indeme deß Kuenſtlers Hand und ſtets=geuebte Sinnen das Unbelebt gleichſam als lebend vorſtellet/ ſo/ daß man billich gedencken ſolte/ ohnmoeg- lich zu ſeyn/ die Wiſſenſchaften und Kuenſte hoeher außfinden zu koennen; jedennoch faellet bald alle Tage was neues vor unſere Augen/ und zwar von unterſchiedlich bewunderns=wuerdigen Dingen; Bald erſehen wir was aus dem belobten groſſen Rom/ bald aus Franckreich/ Holland/ Engelland und andern beruehmten Orten/ daß ein Kunſt=begieriges Gemuethe/ gleich als in einem ſchoenen Luſt=Garten/ ſich kaum ſatt ſehen kan; ja es wil immer einer gleichſam Grad=weiß ueber den andern ſteigen/ und in ſeiner Kunſt den Ruhm eines vortreſlichen Mannes behaupten/ welches auch hoechſt=ruehmlich/ und ſolcher Fleiß und Nachſinnen nie= mals genug mag belobet werden. Es hat zwar ſchon zu ſeiner Zeit der hochweiſe Burgermeiſter in Rom/ Cicero, geſprochen/ ad Quirit, poſt Redit. Cap. XI. Tra [4] himur omnes laudis ſtudio, & optimus quiſque maximè gloria ducitur: Wir werden alle durch die Begierde deß Lobs gezogen/ und ein jeder rechtſchaffener Menſch ver= langet beruehmt zu ſeyn. So ſchreibt auch Seneca in Octav. v. 483. Pulchrum eſt, eminere inter illuſtres viros: Es iſt ſchoen/ unter fuertreflichen Maennern mit in An= ſehen ſeyn. Und Val. Maximus Lib. VIII. Cap. 15. §. 6. ſchreibet: Nulla eſtranta hu- militas, quae dulcedine gloriae non tangatur: Es iſt kein Menſch ſo niedrig und ge= ring/ welcher nicht durch die Sueſſigkeit deß Ruhms ſolte gezogen werden. Wann ich bey dieſem allem meine Gedancken zuſammen faſſe/ ſo finde ich/ daß die vor vielen Seculi entſchlaffene Alte/ den Grund zu vielen Wiſſenſchaften jeziger Welt=Zeiten geleget haben/ da dann der beruehmten Heydniſchen Poeten Gedichte theils Kuenſt= lern zu Außzierung ihrer Arbeit biß auf dieſe Stunde noch vieles beytragen; Da= hero ſich auch die niemals ermuedete Dicht=Kunſt jederzeit bemuehet/ nicht nur die aus dem Alterthum ergoetzliche Gedichte zu erhalten/ ſondern mit weit zierlich= und hoch=ſtiliſirtern Redens=Arten zu verbeſſern; Worzu ſich dann die Mahlerey mit ihren Zeichnung= und Außbildungen geſellet/ dieſe beyde ſind einander ſo nahe ver= wand/ daß ſie gleichſam eine Seele moegen genennet werden; dann was jene be= ſchreibet/ kan die andere mit ihren Außbildungen lebend machen/ und ohne der er= ſtern Außlegung/ wurde der andern Arbeit oftmals viel zu dunckel ſeyn/ zuma= len was von der Dicht=Kunſt erſonnenen Erfindungen herruehret; Wie dann ſchon vielmals geſchehen/ daß das zerſtoerte Troja vor das verhoerte Jeruſalem/ oder der von den Heyden erdichtete Goetter=Rath vor eine Verſamlung der Seeligen angeſehen worden.Es iſt bekand/ daß der Schatten ſtets dem Liechte nachfolget/ und an dem groſſen Himmels=Bogen nicht lauter groſſe und hell=ſchimmerende/ ſondern auch kleine Sterne ſich befinden; als habe ich dem Kunſt=begierigen Liebbaber gleich [5] ſam einen Schatten gegen andern hohen Kunſt=Stuecken vor Augen legen wollen; So klein und geringes aber außſihet/ ſo groſſer Nutzen moechte es doch manchen ge= ben koennen/ weilen ſich deſſelben ohne weiteres Kopf=zerbrechen oder Nachſinnen ſo= wol Mahler/ Kupffer=Silber= und Siegelſtecher/ Goldſchmiede/ Schmoeltz=Arbei= ter/ Glaßſchneider und dergleichen/ zu ihrem groeſten Nutzen bedienen koennen/ be= ſonders die/ welche von klemer Galanteri-Arbeit Profeſſion machen/ hoffe/ weil von dergleichen Kleintgkeiten noch wenig an das Liecht kommen/ ſelbes geneigte Lieb= haber finden werde/ weil dıeſes Wercklein zu vielen Erfindungen jedem das Liecht vor die Augen ſtellet. Und weılen dieſe Arbeit oder Außdildungen auch aus Ge= dichten beſtehet/ als iſt zu jeder eine kurtze Erklaerung beygefueget; Als erſtlich aus dem Ovidio bey denen Ornamenten. Andertens/ aus denen beruehmteſten Scriben- ten/ ſo der Menſchen ihre Gemueths=Affecten beſchrieben/ worunter der beruehmte Caeſari Ripa. Und de@n drittens bey den Sinn=Bildern/ da jederzeit auf eine Auß= bildung ein Sinn=Bild gerichtet iſt. Und damit der Kunſt=beglerige Liebhaber um einen ohnvermerckt und geringen Koſten zu einem groſſen Werck mit der Zeit gelangen kan/ als wırd [ſo GOtt wil] alle Monat ein neues Wercklein folgen/ und ſich ſodann ohnvermerckt vermehren/ daß es einen anſehnlıchen Bund abgeben wırd. Solte ein Momus an dieſer meiner Kleinigkeit ſich bemuehen/ ſeinen Tadel= Zahn zu wetzen/ ſo getroeſte mich/ daß ein vernuenftiger Liebhaber das beſte hiervon urtheilen wird.Vale.
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Erklaerung der Kupffer.
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I. Kupffer.
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STellet (1.) vor den Phoebus, oder Apollo, wie er Daphnis, der Tochter deß Fluſſes Pe- nei, nacheilet/ und als er ſie faſt erhaſchet/ wird ſie (2.) nach ihrem Verlangen in einen Lorbeer=Baum verwandelt/ (3.) welches er mit Erſtaunen anſchauen mußte; wie in dem untern Rundell angezeiget. In dem andern aber iſt vorgebildet/ wie Apollo, nachdeme er Phyton, einen groſſen Drachen/ erleget/ ſo nach der Suend=Flutt erwachſen/ mit Cupido in einen Streit ge= rathen/ weſſen Pfeile den Sieg erhielten. Ovid. Metam. Lib. 1.

II. Kupffer.
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(1.) Stellet vor den Raub der Proſerpina, einer Tochter der Ceres, nachdeme Pluto, ſo ein Gott deß unterir diſchen Reiches genen ̅ et wird/ aus unterſchiedlicher Urſachen wegen/ auf ſeinem Wa= gen ſich auf die Welt begeben/ ward er auf Anſtiften der Venus durch Cupido gegen Proſerpina in Liebe entzuendet/ welche er auch mit Gewalt entfuehret/ ohngeachtet Cyane, eine Waſſer=Nym- phe, es verwehren wollen. (2.) Oben zeiget ſich/ wie Ceres, indem ſie ihre verlohrne Tochter ſu= chet/ und ſich eines Truncks bedienet/ von einem Knaben verſpottet wird; worueber ſie er grimmet/ und denſelben in eine Eydexe verwandelt. (3. In dem andern Kupffer aber zeiget ſich/ wie Pro- ſerpina den AEſculaphus in eine Stein=Eule verwandelt/ weil er ſie verrathen/ daß ſie in der Hoehle etliche Koerner von einem Granat=Apffel gegeſſen. Ovid. Metam Lib. 5.

III. Kupffer.
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(1.) Zeiget/ Meleager und Atalanta, wie ſie das Calydoniſche Schwein erlegen/ wobey Ata- lanta das beſte gethan/ (2.) dabero er ihr zu einem Praeſent den Kopf verehret/ welches (3.) ſeiner [ID00011] [ID00012] [ID00013] [ID00014] [ID00015] [ID00016] [ID00017] [ID00018] [ID00019] [ID00020] [ID00021] [ID00022] [7] Mutter Brueder verdroſſen/ daß ſie wider ihn die Waffen ergriffen/ wurden aber beyde von ihme er= leget/ worueber deren Mutter voller Eiffer entbrante/ (4.) daß ſie den jenigen Brand ergriffe/ und in das Feuer legte (welchen die drey Lebens=Goettinnin bey ſeiner Geburts=Stund in das Feur ge= ſtoſſen/ mit dem Anhang/ ſo lang dieſer Brand daure/ auch ſeine Lebens=Friſt ſich erſtrecken ſolle) ſo ſie damals heraus geriſſen/ und verborgen gehalten/ worueber er dann jaemmerlich ſterben muſte. Ovid. Metam. Lib. 8.

IV. Kupffer.
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(1.) Stellet vor Ariatne, wie ſie ſich mit Theſeo in Liebe verbuendet/ und ihme Mittel und We= ge zeiget/ den Minotaurum zu toedten/ auch wie er/ Theſeus, wieder aus dem Labyrinth kommen koenne/ worueber er ſie zwar entfuehret/ (2.) aber ungetreuer Weiſe in einer Inſul verlaeßt/ in der ſie (3.) von Bacho gefunden/ und zu ſeiner Gemahlin aufgenommen worden. Ovid. Metam. Lib. 8.

V. Kupffer.
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(2.) Haelt in ſich die Liebe der Venus gegen Adonis, dann nachdem ſie von Cupido wegen ſeiner Schoenheit viel gehoeret/ hat ſie ſich zu ihme auf der Jagd (2.) geſellet/ ihme alle Gunſt erwieſen/ ja ſo gar auf ſeiner (3.) Schoſe geruhet; Und als er ſich eines Morgens auſ die Jagd begeben/ hat ſie ihn wohlmeinend erinnert/ (4.) kein gewafnetes Thier zu jagen/ weilen ihme aber ohngefehr ein wildes Schwein aufgeſtoſſen/ (5.) iſt er auf ſolches loß gegangen/ ſo ihne aber zu hoechſtem Leydweſen der Venus erwuerget. Ovid. Metam. Lib. 10.

VI. Kupffer.
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(1.) Stellet vor den Cephalus, wie er frueh Morgens auf der Jagd von Aurora um Gegen=Lie= be angeſprochen wird/ da er ihr aber ſelbe verſagt/ entzuendet ſie ihn gegen Procris ſeiner Gemahlin in Eifferſucht/ worueber Procris gegen ihn in Haß geraeth; Als ſie ſich aber wieder miteinander ver= ſoehnet/ (2.) verehret ſie ihme einen Hund und Pfeil/ ſo hernach die Urſache ihres Todes; Dann als ſie ihme aus Eifferſucht in dem Wald heimlich nachgeſchlichen/ und in einem Gebueſch verbor= gen hielte/ erblickte er ſelbige/ vermeynte aber/ daß es ein Wild waere/ als hat er ſeinen Pfeil durch das Gebueſch geworffen/ (3.) (welcher dann die Kunſt hatte/ niemalen zu fehlen) auch ſie/ zu ſeinem groeſten Leydweſen/ in das Hertz getroffen/ welches ihne dann zu immerwehrendem Trauren ange= halten hatte. Ovid. Metam. Lib. 7.
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Zweyte Abtheilung/ Worinnen ſehr ſchoen vorgeſtellet werden Die Bemueths=Affecten.
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Erſtes Kupffer/
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STellet vor/ erſtlich/ den Aufgang in der Geſtalt eines Kindes/ dieſes traeget auf dem Haupt einen hell=leuchtenden Stern/ ſein Gewand iſt roth/ und mit einer Himmel=blauen Guertel/ worauf 4. himmliſche Zeichen ſtehen/ gebunden/ es traegt in der rechten Hand einen Blumen= Strauß/ und in der lincken ein Geſchirr mit angezuendetem Rauch=Werck/ znr Seite gehet die Sonne auf.Zweytens praeſentiret ſich die Ehliche Einigkeit/ durch einen jungen Mann und Weibs=Bild vorgeſtellet/ welche beyde in Purpur bekleidet/ und ein Hertz in Haenden haltend/ mit einer Kette zuſammen gebunden; mithin auf das Goettliche Geſaetz zielend/ daß verpflichtete Perſonen beyein= ander getreu leben ſollen; Wie dann folgender Vers die Erklaerung gibet:
Zwey Hertzen/ die im Ehſtand leben/ Empfinden tauſend Luſtbarkeit/ Sıe wiſſen nichts von Zanck und Streit/ Nur Eintracht mag Vergnuegung geben.Drittens zeiget ſich/ wie oft die Eifferſucht ſolche Einigkeit zertrennen Gefahr und Unglueck an= ſtiften kan/ wie ſolches aus der Fabel von Cephalus zu erſehen; Ja viele traurige Exempel unſe= rer Zeiten koennen ſolches genugſam bezeugen. Wir ſtellen ſolche vor in einer von einer Furie ge= [ID00025] [ID00026] [9] plagten Weibs=Perſon/ welche ihr Feuer und Schlangen in den Buſen wirft/ anzudeuten/ wie die Eiffer=Sucht ein ſtets=wehrendes Feuer und nagende Schlange in dem Hertzen der Eifferſuechtigen zu ſeyn pfleget.Vierdtens/ der Argwohn/ ſo ſich hier praeſentiret/ und der Urſprung oder die Wurtzel von der Eifferſucht iſt/ weilen dieſe oft aus einem boeſen Argwohn ihren Wachsthum hat; Solcher aber wird gebildet oder vorgeſtellet durch ein mageres Weib/ welche gewafnet/ und auf dem Helm einen Hahn/ in der rechten Hand einen Degen/ und unter dem Arm einen Haaſen traegt. Daß ſie ge= wafnet/ und einen Hahnen auf dem Helm hat/ bedeutet die Wachtſamkeit der Argwoehniſchen; daß ſie aber einen Degen in der Hand/ und einen Haaſen unter dem Armtraegt/ iſt/ weilen ſie kuehn und doch dabey forchtſam.Auf dem fuenften ſtellet ſich in Geſtalt eines Weibes vor die friedliche Eintracht/ ſo auf dem Haupt einen Crantz von Oel=Zweigen/ als dem Zeichen deß Friedens traeget/ und in der Hand ein Geſchirr mit Feuer haelt/ ihre brennende Liebe dardurch anzuzeigen; In der andern Hand aber das Horn deß Uberfluſſes faſſet/ weilen die Koenigreiche durch die Eınigkeit bereichert/ und der Seegen deß Himmels durch den edlen Frieden vermehret wird.Sechſtens/ wird vorgeſtellet der Zwang der Liebe durch ein Weibes=Bild/ ſo in einer Hand einen Becher/ in der andern aber einen Zauber-Stock haltend/ abzielend auf die Circe, ſo ihre Lıeb= haber durch einen Zauber=Stock zu ihrer Liebe bezwungen/ hernach ſolche durch bemelden Stock in allerhand Thiere und Beſtien verwandelthat.Siebendens wird vorgeſtellet in einer Weibs=Perſon die Geſchwindigkeit/ ſo in einer Hand einen Donner=Keul fuehret/ weilen nichts geſchwinders und ſchnellers auſſer demſelben zu finden; Auf ihrem Haupt hat ſie einen Sperber/ welcher Vogel den ſchnelleſten Flug fuehret; unter ihren Fueſſen liget ein Delphin oder Meer=Schwein/ ſo unter allen Fiſchen am geſchwindeſten ſchwimmet; welches jener Poet alſo redent einfuehret:
Weg mit der traegen Langſamkeit/ Sie wird Verluſt und Schaden bringen; Seyd eifrig/ eilt geſchwind/ verſaeumet keine Zeit/ So wird euch alles wohl gelingen.
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Achtens/ wird durch ein Weibsbild vorgeſtellet die Einbildung/ ſo mit einem Kleid von aller= hand veraenderlichen Farben gekleidet/ dardurch anzuzeigen/ daß ſie allerhand ihr vorkommende Dinge annehme; Sie traegt eine Crone von allerhand unterſchiedlichen Bildern/ und iſt an dem Haupt gefliegelt/ welches ihre ſchnelle Einfaelle und Veraenderungen bezeichnet.

Zweytes Kupffer/
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Stellet vor die falſche Freundſchaft: Zwey Perſonen geben einander mit lachendem Mund die Haende/ hinterruecks aber haelt eine jede eine Maſque, und bey ihren Fueſſen ſitzet ein Fuchs. Die= ſer aus der Hoelle entſprunge Affect wird jeziger Zeit nur vor eine Galanterie gehalten/ da nichts gemeiners/ als in das Geſicht freundliche Minen, ob gleich das Hertz biß obenan mit Drachen=Gift angefuellet iſt/ und komt der jenige ſehr uebel an/ welcher ihre Practiquen nicht verſtehet/ ſo die hin= ter ſich haltende Maſque und Fuchs bedeuten.Zweytens/ geſellet ſich zu dieſem Laſter noch ein ſchoeners/ nemlich/ die Schmeicheley; Ein Weibsbild/ ſo wohl bekleidet/ und auf einer Floette ſpielet/ nach dem bekanten Sprich=Wort: Ich pfeiffe/ was man gerne hoert. Oder/ wie es dort Terentius in ſeinem Enucho gar artlich in fol= genden Verſen vorgeſtellet:
Quic quid dicunt, laudo, id rurſum, ſinegand, laudo, Id quoꝙ́ negat quis, nego: ait, aio. Ich lobe was man ſagt/ gefaelt es ferner nicht/ So lob ichs wiederum: komt fernerer Bericht/ So gilt mirs eben viel; Sagt einer Ja/ ich auch: Verneint ers; ich mit ihm/ und diß iſt mein Gebrauch.Ferner hat ſie bey ihren Fueſſen einen Hirſchen/ welcher/ wann er von Jugend auf bey denen Menſchen erzogen wird/ wol zu ſchmeichlen weiß/ aber ſo bald ihm die Hoerner wachſen/ dieſem nicht mehr zu trauen iſt; welches auch bey dem Bienen=Stock angezeiget wird/ weilen die Biene voll ſueſſes Hoenigs/ aber auch eınen giftigen Stachel bey ſich fuehret.3. Stellet vor der Liebe Vergeſſenheit: Ein mit Mahen=Haeupter bekroenter Cupido ſchlaeft an dem Ufer einer Brunn=Quell/ Bogen und Pfeile ligen zu ſeinen Fueſſen/ die Mahen=Haeupter [ID00029] [ID00030] [11] ſeynd das Sinn=Bıld der Vergeſſenheit/ weilen deren Saamen das Gedaechtnues ſchwaechet; der Schlaf und die hingeworffene Waffen bedeuten/ daß die Liebe nicht mehr geachtet wird.4. Stellet vor die Untreu/ abgebildet durch eine Weibs=Perſon/ welche Schlangen in beyden Haenden hat/ anzuzeigen/ daß ſie mit beyden Haenden nichts als boeſes geben koenne.5. Stellet vor die errettete Unſchuld. Die gefluegelte Zeit entfuehret eine Jungfer/ ſo einen Palm=Zweig in Haenden hat/ unten aber iſt ein fuerchtiger Mann/ ſo mit einer Fackel nach ihr ſtoſſet; wil ſo viel ſagen/ daß die Zeit die Unſchuld ſalviret/ und allen Laeſterungen entreiſſet.6. Zeiget die Unſchuld/ mit folgenden Verſen:
Ich bin gleich einem Lamm/ von Gall und Gift befrey’t/ Mit Unſchuld waſche ich die Haende/ Die ich aus nach dem Himmel bren@/ Daß er mit ſeiner Hilf und Schutz ſich zu mir wende.7. Stellet vor den Undanck; Eine Weibs=Perſon/ welche in einer Hand einen Spiegel/ in der andern aber eine Viper hat/ neben ihr ſtehet ein Baum/ um welchen ſich das Epheu windet/ anzu= zeigen/ daß man der Gutthat eben ſo bald vergeſſe/ als der Geſtalt/ die man in dem Spiegel geſehen/ und der Undanck die Wohlthaten uebel vergelte/ dann gleich wie die Viper den Bauch durchnaget/ darinnen ſie erzeuget/ und das Epheu dem Baum den Saft nimmet/ um welchen ſich ſelbiges ſchlin= get/ alſo iſt es auch mit dem Undanck beſchaffen.8. Entwirft durch ein vorgefteltes Weibsbild die Beſtaendigkeit; Dieſes Weibsbild iſt deß= wegen in blau gekleidet/ weil man dadurch die Meeres=Wogen/ ſo ein Zeichen der Unbeſtaendigkeit ſind/ anmercken wollen/ ſie traegt in der Hand einen Mond/ weilen ſie ſich nach Art dieſes Geſtirn zu veraendern pfleget.

Drittes Kupffer/
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1. Stellet vor die Forcht; dieſe wird in einem Weibsbild abgeſchildert/ ſo in Weiß gekleidet iſt/ und einen Scepter in der Hand traeget/ womit man auf das Reich der Freyheit deuten wil; der Hund und die Katz/ ſo bey ihr ſtehen/ ſeynd Sinn=Bilder der Freyheit.
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2. Die Erbarkeit; Erklaeret ſich mit folgenden Verſen:
Hier iſt die Schoenheit zugedeckt/ Und unter einem Schleyr verſteckt. Die Weiber ſind nur ſchoen/ die mit der Tugend prangen/ Wiewol nicht jeder ſie von ihnen wil verlangen.3. Die Beſcheidenheit; wird gebildet in eine in Scharlach oder gueldenen Stueck wohlbeklei= dete Weibs=Perſon/ in einer Hand haltend eine Richt= oder Bley=Schnur/ auf ihrem Schos li= get ein Cameel/ als welches Thier keine ſchwerere Laſt/ als ſeine Kraefte ertragen koennen/ ſich auf= buerden laeßt.4. Stellet vor den Eigenſinn; Iſt ein ſeltſam bekleydeter junger Menſch/ auf ſeinem Haupt traegt er Federn von zerſchiedenen Farben/ ſo ein Zeichen der Unbeſtaendigkeit/ in der rechten Hand haelt er einen Blaß=Balg/ und in der lincken einen Sporn/ damit zu lehren/ daß eigenſinmge Leute gemeiniglich an dieſem die Tugenden loben/ und an jenem die Laſter mit Stachel=Worten ſchelten und beſtraffen.5. Die boeſe Luſt/ zeiget ſich unter dem Bild eines bey nahe gantz entbloeßten Weibes/ weilen die Eigenſchaft dieſes Laſters fuernemlich darinnen beſtehet/ daß ſie nicht allein den Leib um ſeine Gluecks=Gueter/ als Ehre/ Freyheit/ Klug= und Weißheit/ ſondern auch die Seele in das Verderben zu bringen pfleget; Sie traegt zierlich aufgebutzte Haar/ und in der Hand ein Reb=Huhn/ dem ſie liebkoſet/ ſitzet auf einem Crocodil/ welches Thier ſie ſamt dem Reb=Huhn wegen beeder ihrer Unbeſtaendigkeit ſonderlich liebet.6. Der Ehr=Verluſt; Iſt ein halb=nackendes Weib/ ſo Raben=Fluegel an den Schultern hat/ und auf einer Trompeten blaſend/ damit zu belehren/ daß ſie unvermerckter Dingen durch das Ge= ruecht ihrer Thaten in Schanden gerathe/ auf ihrem Haupt ſtehet geſchrieben das Wort Turpe, das iſt/ ſchandlich/ weilen nemlich der Ehr=Verluſt viel eher von andern/ als von dem/ der damit befallen/ pflegt gemerckt und geſehen zu werden.7. Der Fuerwitz; Dieſer wird gebildet als ein Weibsbild/ das Kleid iſt mit vielen Ohren und Augen ueberſtreuet/ und ihre Haar ſtehen gegen Berg/ ſie hebt auch ihre Arme in die Hoehe/ und das Haupt nach der Seite/ nicht anderſt als wenn ſie aus unmaeſſiger Begierde auf allen Orten kund= [ID00033] [ID00034] [13] ſchaften und lauren wolte/ zu dem Ende ſie nıcht minder an dem Ruecken mit Flueglen verſehen iſt; Die Froeſche ſeynd deßwegen hier gebraucht worden/ weilen ſie groſſe Augen haben/ dahero ſie die Egyptier fuer ein Zeichen deß Fuerwitzes gehalten/ was aber die Ohren anbelanget/ ſo bedarf man hıerueber keine weitere Erklaerung.8. Macht den Beſchluß die boeſe Nach=Red/ ſo vorgeſtellet wird als ein Weibsbild mit zer= ſtreuten Haaren/ eine Hand ſetzet ſie auf die Huefte/ in der andern haelt ſie eine Ruthe; Dieſe Auß= bildung erklaeret ſich in folgenden Verſen:
Es zeigt diß fliegend Haar und dieſe Ruthe an/ Wie leichtlichen man uns zum Zorn reıtzen kan; Kaum werden wir beſchimpft/ und ſpoettiſch angeſtochen/ Stracks wil man ſeyn voll Rach in vollem Grimm gerochen.
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Dritte Abtheilung. Vorſtellung der Sinn=Bilder Auf die Bemueths=Affecten.
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Erſtes Kupffer/
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ERſtlich/ ein Genius, ſo ſeine Freude bezeuget ab der aufgehenden Sonne. Einige Voegel in der Luft/ mit den Bey=Worten: Sie belebet mich aufs neu. Orientis lumen adoro. Al tuo levar ſoſpiro. Je ſouſpire lepoint diu jour.Kan erklaeret werden auf unterſchiedliche Weiß/ wir nehmen die allein/ wann die Ungluecks=Nacht vorbey/ und der ſo lang gewuenſchte Morgen der ſueſſen Hofnung angebrochen/ und man ſeine Glue= ckes=Sonne ſiehet aufgehen/ da bricht man mit Freuden aus/ und ſpricht:
Sie belebet mich aufs neu/ Macht mich Sorg und Aengſten frey.2. Ein Genius ſitzet vor einem Poſtament, worauf zwey flammende Hertzen/ ſo mit Ketten zu= ſammen gefeſſelt/ mit der Bey=Schrift: Gefangen/ doch vergnuegt. Amoris vincula caſta. Legami più grati d’amore. Ses chaſtes liens de l’amour.Die Erklaerung iſt: Wo zwey ſich miteinander verpflichtet/ hat keines ſeine Freyheit mehr/ ſon= dern die Liebe hat ſie mit den Banden deß Ehe=Standes gefeſſelt; wo nun die Ehliche Einigkeit bey [ID00037] [ID00038] [15] ihnen wohnet/ da beſtrahlet ſie der Seegen deß Hoechften/ daß ſie mit frohem Hertzen und freudigem Gemuethe ſprechen koennen:
Gefangen/ doch vergnuegt/ auch in dem groeſten Leide/ Es ſey ſaur oder ſueß/ ſo iſts uns lauter ???reude.3. Ein Genius fliehet ſeinen Schatten/ hat vor ſich eine tieffe Grube/ und ſcheinet/ daß er ſelbige nicht in acht nimt/ mit der Bey=Schrift: Durch Forcht ohne Noth. Timor hic po- tuiſſet abeſſe. Paura ſenza neceſſità. Peur ſans neceſſité.Wil ſo viel ſagen/ daß es oft nicht noethig/ die Eiffer=Sucht einwurtzlen zu laſſen/ und wo ſolche einmal ueberhand genommen/ und doch nicht noethig iſt/ kan jeder Schatten den Samen deß Ubels einſtreuen/ alſo/ daß man blindlings in den Abgrund alles Ubels fallen kan/ da es dann wol heiſſet:
Durch Forcht ohne Noth/ ohn Urſach/ ohn Bedencken/ Thut mich die Eiffer=Sucht in tieffen Abgrund ſencken.4. Ein Genius haelt eine Tafel/ worauf lauter Nullen/ mit der Bey=Schrift: Eins fehlet hier. Adde unum, tunc iſta valebunt. Senza altro, ſono coſe da niente. Un manque icy. Bedeutet ſo viel/ daß der Argwohn eben iſt wie eine Tafel voller Nullen/ da eine gueltige Zahl feh= let/ dann wann nur 1. 2. oder 3. darzu kommet/ ſo machet es dann eine groſſe Summa/ ſonſt bleiben Nullen Nullen. Alſo fehlet auch bey dem Argwohn die giltige Zahl/ nemlich/ die Gewißheit/ ohne dieſe bleibt Argwohn/ Argwohn/ dabey es immer in ſtetem Zweiffel heiſſet:
Eins fehlet hier/ und dieſes macht mir Peyn/ Obs wahr iſt/ oder nicht/ doch endlich kan es ſeyn.5. Ein Genius, ſo die Schoenheit der Waſſer=Blaſen betrachtet/ die aber alle zerſchnoellen/ mit der Bey=Schrift: Eitles Vergnuegen. Evaneſcit in aura. Piacere ſenza conſolazione. Plaiſir ſans conſolation.Zielet auf dıe hohe Gedancken/ ſo mancher Stoeltzling ohne Urſach zu ſeiner hoechſten Schande machet/ dabey man einem ſolchen Luft=Haendler wol anſchreiben moechte:
Eitles Vergnuegen! doch laßt ihn nach Willen Mit Schatten und Traeume die Narren=Kap fuellen.6. Ein Genius, ſo eine Gunckel abblaſet/ mit der Bey=Schrift: Von ſchlechter Daut. Non durabit in aevum. Di poca durata. Elle ne durera pas long temps.
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Welches wol von einer Liebe/ welche aus Zwang herruehret/ kan geſagt werden/ weil ſolche durch die geringſte Urſach kan wiederum zerriſſen werden/ dahero bleibet es dabey:
Von ſchlechter Daur iſt Liebe/ die gezwungen/ Gar ſelten wird gehoert/ daß ſie iſt wohl gelungen.7. Ein Genius haelt einen Pfeil/ um welchen ſich ein Fiſch/ Remor genant/ wendet/ mit der Bey=Schrift: Eil mit Weil. Lentè properabis, amice! In fretta ad agio. Il ne ſe faut pas trop haſter.Nach Anleitung deß beruehmten Italiaeners Alciatio, weil dieſe Fiſch ſehr langſamer Natur/ der Pfeil aber mit ungemeiner Geſchwindigkeit von der Senne abgehet/ dabey zu mercken:
Eil mit Weil/ und wohlbedacht/ Zu ſchnelle Eil nichs gutes macht.8. Ein Genius hat neben ſich einen Bueſchel zuſammen gebundene Staebe/ einen einzelen bricht er mit leichter Muehe ab/ mit der Beyſchrift: An einem braucht es keine Staercke. Facilis quis victor in uno. Niſſuna forza dell’uno, Dans une ſeule choſe il n’y a point de force. Welches dann ein Sinn=Bild der Einigkeit/ und ſo viel ſagen wil:
An einem braucht es keine Staercke/ Brich alle auf einmal/ das waer ein groſſes Wercke.

Zweytes Kupffer.
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1. Ein Fuchs haelt ein Hertz/ bedeckt mit einer ſchoenen Larven/ ein Genius aber geht davon/ mit der Bey=Schrift: Ambeſten weit von hier. Procul abs te, mentis honeſtas. Il meglio ſtar lontano. Il vaut mieux en étre eloigné.An zuzeigen/ daß ein falſcher Freund/ wo nichts als falſche Schmuencke und Fuchsſchwaenzerey das Hertz beſitzet/ beſſer zu fliehen/ als mit ihme Gemeinſchaft zu machen. Dahero heißt es:
Am beſten weit von hier/ dein Freundſchaft iſt nur Gift/ Die ſters nach Unheil tracht/ und alles Ubel ſtift.2. Ein Cupido locket einem Genius mit einer Pfeiffen/ hat hinter ſich Netze; Der Genius aber bleibet ſitzen/ mit den Bey=Worten: Ich trau dir nicht: Videndum, cui fidere fas ſit. A te non fido. Je ne me fie pas a toy.
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Welches folgende Erklaerung deutlicher gibt:
Ich trau dir nicht; mit deinem ſueſſen pfeiffen/ Wirſt du doch deinen Zweck/ O Schmeichler! nicht erreichen.3. Ein Genius, ſo auf einige Feſſel mit Fueſſen trit/ und ſich luſtig erzeiget/ mit der Bey=Schrift: Ich bin frey. Felix, qui vıncula vaſtat. Sciolto dai legami. Je ſuis libre.Dardurch anzuzeigen/ daß er ſich aus den Feßlen der Liebe loß geriſſen/ und weil er die Freyheit/ alle Liebes=Gedancken vergeſſen/ als wolte er ſagen:
Ich bin frey/ das ſchnoede Lieben/ Macht nur Sorgen und Betrueben.4. Ein Genius hat in der Hand einen Dreyer/ und trit mit einem Fuß ein Hertz zu Boden/ mit dieſen Worten: Dieſe Zahl alleine gilt. Recreat cor numerus iſte. In queſto numero ſi diletta il cuore. Ceſeul nombre vaut.Noch deutlicher zu geben:
Dieſe Zahl alleine gilt/ die iſts/ was ein Hertze ziert/ Darum trette ich mit Fueſſen/ was Untreu und Falſchheit fuehrt.5. Ein Genius ſtehet bey Doerner/ unter welchen eine Lilien in die Hoehe waechſet/ wit den Wor= ten: Sie dringt doch durch. Haec tandem ſurget in altum. Non reſterà nas coſta. Elle penetre enfin.Welches ſo viel ſagen wil/ daß die Unſchuld/ ob ſie gleich durch die Doerner die Verleumdung vie= les leıden muß/ endlich doch gleich der Lilien empor kommen muß/ worauf auch dieſe Worte zielen:
Sie dringt doch durch/ ſie muß noch endlich ſiegen/ Es muß/ was ſie beklemt/ zu ihren Fueſſen ligen.6. Ein Genius hat eine bunte Decke auf ein Lamm gedeckt/ ſo aber ſelbige abwirft/ mit der Bey= Schrift: Ich brauche keine Zierde. Major haud Candore venuſtas. Mi baſta il Candore. Lacandeur me ſuffit.Wıl ſo viel ſagen/ daß die Unſchuld/ welche durch das Lamm vorgeſtellet wird/ keinen Schmuck oder fremder Zierde vonnoethen hat/ laut der Bey=Schrift:
Ich brauche keine Zierd/ die Unſchuld iſt mein Kleid/ Ein reines Hertz und Seel/ iſt meine Herrlichkeit.
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7. Eine Viper/ welcher ihre Jungen den Bauch aufbeiſſen; Ein Genius entſetzt ſich hierueber/ mit der Bey=Schrift: Ein boeſen Lohn. Tali mercede coronat. Mercede cattiva. Mechante recompenſe.Dann bekand iſt es/ wann die Junge in einer Viper zu ihrer Zeitigung gerathen/ ſo beiſſen ſie ſich von ihrer Mutter heraus/ welches dann ſelbiger das Leben koſtet/ dahero dieſe ein Sinn=Bild deß Undancks iſt/ welches ſolgende Erklaerung zeiget:
Ein hoeſen Lohn pflegt Undanck ſtets zu geben/ Er nimt dir was du haſt/ und endlich gar das Leben.8. Ein Genius eilet von einem Hertzen/ ſo von einem Krebs getragen wird/ auf ſelbigem ſteckt ein Wind=Fahnen/ mit der Deviſa: Hier iſt es ſchlecht beſtelt. Ut ventus corde rotatur. Come il vento tira, ſi cambia. Comme le vent change.Anzuzeigen/ daß ein Hertz/ welches unbeſtaendig iſt/ einem Wind=Fahnen/ welcher ſich bald auf dieſe/ bald auf die andere Seite/ nach deme der Wind gehet/ wendet/ zu vergleichen ſeye/ welches auch der Krebs anzeiget/ der eben ſo bald hinter=als vorſich gehet/ da es dann wol heiſſen mag:
Hier iſt es ſchlecht beſtelt/ wer wil auf dich ſich laſſen? Bald vor=bald rueckwaerts gehn/ diß kan ich gar nicht faſſen.

Drittes Kupffer.
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1. Ein Voegelein/ ſo einem Kindlein aus der Hand entfleugt/ mit der Bey=Schrift: Ich liebe frey zu ſeyn. Libertas aurea ridet. Amo la libertà. J’aime ma liberté.Mit fernerer Erlaeuterung:
Ich liebe frey zu ſeyn/ und diß iſt mein Verlangen/ Was hilft mich gute Koſt/ und dabey ſeyn gefangen?2. Ein Genius fliehet ein freches Weibsbild. Die Bey=Schrift iſt dieſe: Veraechtliche Schoenheit. Virtus, non ſorma venuſtat. Forma ſenza virtute è vana. La beauté mé priſeé.Welches zu beſſerer Erklaerung folgende Verſe außdrucken:
Veraechtliche Schoenheit/ wo Frechheit regieret/ Nicht ſchoen iſt ein Schoenheit/ ſo Tugend nicht zieret.
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3. Ein Genius, ſo auf einem Scheid=Weg ſtehet/ da er zwey Wege vor ſich ſiehet/ und zweiffelt/ welches der rechte ſeye/ mit beygeſetzten Worten: Hier fehlt ein guter Rath. Dubio conſilia deſunt. Cimanca buon conſeglio. Ilmanque iey unbon conſeil.Anzuzeigen/ daß der/ ſo immer in ſtetem Zweiffel ſtehet/ gleich ſeye einem/ der zwey Straſſen vor ſich ſiehet/ und ohne einen Weg=Weiſer ſobald die unrechte als rechte betrit/ da es dann heiſſet:
Hier fehlt ein guter Rath/ in Zweiffel muß ich ſtehen/ Ich weiß nicht wo ich bin/ und kan nicht weiter gehen.4. Einer eilet von ferne nach einem groſſen Waſſer/ ein Genius ruffet ihme zu/ ſelben zu warnen/ ſo es aber nicht achtet; Die Bey=Schrift iſt dieſe: Folgt keiner Warnung nicht. Conſilium ſpernendo peribit. Il dis prezzar conſeglioè ’l ſuo interito. Il rebute les exhortations.Ein eigenſinniger Menſch iſt gleich einem ſolchen/ der ohne Bedacht ſich in die groeſte Gefahr gi= bet/ man mag ihme dieſelbe vorſtellen wie man wil/ ſo muß es doch nach ſeinem tollen Kopf gehen/ und ſolte er auch darueber den Halß zerbrechen; Da es dann heiſſet:
Folgt keiner Warnung nicht/ den Eigenſinn beladen/ So trift ihn ſpate Reu/ zu ſeinem groeſten Schaden.5. Ein Genius, ſo einige Aepſſel vor ſich ligen hat/ und einen in der Hand betrachtet/ mit den Bey= Werten: Schoen von auſſen: Fallax externa venuſtas. Bello di Fuori, Beau dans Pexterieur.Bemerckend/ daß oft ein Apffel von auſſen ſchoen außſiehet/ aber inwendig iſt er faul und Wurm= ſtichig; zielet auf die boeſe Luſt/ welche oft ſo uebel nicht außſiehet/ biß ſelbe volbracht/ da ſich dann ſelbige mit hoechſter Unluſt endiget; daß demnach darauf zu ſetzen:
Schoen von auſſen/ innen Leyde/ Langes Quaelen/ kurze Freude.6. Ein Genius trit einen Crantz mit Fueſſen; Worueber folgende Bey=Schrift geſetzt: Zur Schand. Perit omnis honeſtas. Non ſi cura dell’honore. Pour le deshonneur.Wil ſo viel ſagen: Wo die Ehre verlohren/ da iſt auch der Crantz der Ehren zu Boden getret= ten/ alſo/ was zur Ehre gedienet/ hernach zur Schande gereichet; wie ſolches alſo erklaeret wird:
Zur Schand gereicht/ was ſonſt geziert/ Wo keine Eht das Hertz regiert.
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7. Ein Genius an einem Tiſch/ vor ſich ein Liecht habend/ in welchem ſich die Muecken verbren= nen/ mit der Bey=Schrift: Der Vorwitz machts. Temeritate necantur. Queſto fà la te- merità. Latemerité en eſtla cauſe.Welches ſo viel ſagen wil/ daß vorwitzige Leute gleich ſeyn den Muecken/ welche aus Vorwitz dem Liechte nahe fliegen/ und ſich die Fluegel verbrennen/ ſo/ daß man wol ſagen kan:
Der Vorwitz machts/ daß mancher ſich verbrennet/ Und zu dem Untergang/ gleich einem Blinden rennet.8. Ein Genius vor einer Schlange/ ſo mit ihrer gedoppelten Zunge nach ihm ſticht/ mit der Bey= Schrift: Wer klug iſt/ flieht. Prudens metuenda recuſat. Chi è prudente, ſene fugge. Le ſage s’enfuit.Anzuzeigen/ daß die boeſe Nach=Red zu fliehen/ gleich einer zweygeſpitzten Schlangen=Zunge/ da= mit man nicht von ihr geſtochen werde/ nach dem Sinn=Spruch:
Wer klug iſt flieht der Nach=Red boeſen Klang/ Die Ehre wird verletzt/ und machet angſt und bang.Hiermit ſchlieſſen wir den Erſten Theil/ mit freundlichſtem Erſuchen/ der ge= neigte Liebhaber ſtehe ın Gedult/ wann nicht alles/ wie es wol ſeyn ſolte/ demſelben vor dißmal zur Vergnuegung vorgeſtellet worden/ es ſolle aber [ſo GOtt wil] in folgender Continuation aller Fleiß angewendet werden/ ſo viel moeglich/ Satisfaction zu geben.Der Anfang iſt gemacht/ GOTT geb ein gluecklich Ende/ Mit Wunſch/ daß jeder Freund/ nichts als Verguuegung finde.


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