Transkription

Encyclopædia, Oder: Schau-Bühne Curieuser Vorstellungen Von vielerlei Art außgebildeter Kupffer-Figuren : Sehr dienlich Zu allerhand Erfindungen/ Besonders vor Mahler/ Kupffer- Silber- und Siegel-stecher/ Goldschmiede/ Glaßschneider/ Schmöltz- und Stahl-Arbeiter ; Nicht nur allein mit Ovidischen/ sondern auch historisch- und emblematischen Vorstellungen/ vielen veränderlichen Einfassungen/ Laub- und Bandel-Werck/ samt allem nach Vergnügen angefüllet ; Die Sinn-Bilder sind mit Lateinisch- Französisch- Italiänisch und Teutschen Devisen auf das beste versehen / Vorgestellet und verlegt von Gottfried Rogg/ Mahlern
Rogg, Gottfried
[Inhaltsverzeichnis]
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ENCYCLOPAEDIA, Oder: Schau=Buehne Curieuſer Vorſtellungen Von vielerley Art außgebildeter Kupffer=Figuren/ Sehr dienlich Zu allerhand Erfindungen; Mit deutlichen Erklaerungen und ſchoenen Moralien/ nicht nur allein zu Ergoezung deß Gemueths/ ſondern auch zu eines jeden ſonderbaren Nutzen. Verlegt von Gottfried Rogg/ Mahlern. Zweyter Theil.Augſpurg/ druckts Andreas Maſchenbauer/ Stadt=Buchdrucker/ An. 1726.
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Erklaerung der Kupffer.
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I. Kupffer.
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BEy Eroefnung deß andern Theils unſerer Schau=Buehne praeſentirt ſich Perſe- us, welcher ein Sohn deß Jupiters, erzeuget aus Danae, ſo von ihrem Vatter Acriſio in einen Thurn von Ertz verſchloſſen worden/ weil demſelben durch das Oracul war verkuendiget worden/ er ſolte von einem aus ihr erzeugten Sohn um= kommen. Jupiter aber/ der ſich in ſie verliebet/ kame gleichwol zu ihr/ und zwar unter der Geſtalt eines gueldenen Regens, (1.) Wozu auch Venus unter der Perſon eines alten Weibes gluecklich geholffen/ worueber Danaae dann den Perſeus zur Welt ge= bohren. Nachdeme er nun erwachſen/ iſt er unterſchiedlichen Abendtheuren nachgezogen/ da ihme dann Mercurius ſeine gefluegelte Stieffel und Schwerd/ Minerva ihren Schild/ und Orcus der Hoellen=Gott ſeine Kappe zugeſtellet/ womit er groſſe Dinge außgerichtet; Als er nun durch die Luefte die Welt durchreiſete/ kame er in die Landſchaft AEtiopien, alwo der Koenig Cepheus regier= te/ daſelbſten hatte ſich zugetragen/ daß die unſchuldige Andromeda (2.) nach dem Außſpruch deß Oraculi, welches Jupiter Hamon gegeben/ die unzeitige Ruhmredigkeit ihrer Mutter bueſſen mußte/ ſie ſtunde angefeſſelt an einem Felſen/ und erwartete alle Augenblick von einem grauſamen Meer=Wunder verſchlungen zu werden; Dieſes erbaermliche Spectacul nun erſahe Perſeus, und weilen er ſich in ihre ſchoene Geſtalt verliebet/ entſchloſſe er ſich dieſe ungeheure Beſtiae, welche eben auf Andromeda loßgienge/ zu erlegen/ welches ihme auch gegluecket/ und Andromeda hernach/ weil er ſie erloeſet hatte/ zur Gemahlin bekam. Ovid. Metam-Lib 4.

II. Kupffer.
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(1.) Als der Krieges=Gott Mars ſich in die Liebes=Goettin Vonus verliebet hatte/ und ſie ihm [24] auch ihre Gunſt erzeiget/ kamen ſie oefters heimlich zuſammen/ ohne daß der Venus Ehe=Mann/ der Vulcanus, etwas darvon erfuhre; Dieſer Ehebruch aber ward am erſten wahrgenommen von dem Sonnen=Gott Phoebus, hierueber faßte er einen Unwillen/ und zeigte dem Vulcanus ſolches an/ (2.) und entdeckte ihm den Ort/ wo ſie pflegten zuſammen zu kommen; Vulcanus, welcher wol Anfangs erſchrocken/ erholte er ſich doch bald wieder/ und machte aus einem eiſernen Drat ſo zarte Ketten und Netze/ daß man ſie nicht ſehen noch fuehlen kunte/ und ſtellete ſie um das Bett herum|; wie nun beyde nach ihrer Gewohnheit ſich wiederum zu Bette begeben/ da wurden ſie durch das kuenſtli= che Netz alſo miteinander verſtrickt/ daß ſie nicht mehr voneinander loßkommen konten; Phoebus dieſes erſehend/ fuehrte alle Goetter (3.) durch die von ihm eroefnete Fenſter=Laeden hinein/ da dann dieſes ſchoene Paar alſo zuſammen gebunden von ihnen geſehen wurde; die Goetter lachten hierueber/ und dienete dieſe Geſchicht lange Zeit ihnen zu einer Zeit=vertreib/ Venus aber empfande dieſen von Phoebus ihr angethanen Spott garuebel. Ovid. Metam. Lib. 4.Homerus ſchreibet ueber dieſes Gedicht ſolgendes Morale:
Wann du leichtfertig lebſt/ und wider die Geſaetze/ Du ſeyſt ſo groß und ſtarck als du magſt immer ſeyn/ So zıeht der Hımmel dich gleichwol zur Straf und Peyn/ Wie dort Vulcan verſtrickt den Mars mit ſeinem Netze.

III. Kupffer.
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(1.) Jupiter erblicket unter andern Nympffen Eyropa, die Tochter deß Koenigs Agenors, in welche er ſich verliebet/ er befihlet derowegen Mercurio (2.) ſich auf die Erden zu begeben/ und deß Koenigs von Tyro Agenors ſeine Herden an das Uffer deß Meeres zu treiben; Mercurius verrich= tete ſchleunig deſſen Befehl/ und machte/ daß die Herden ſich nach dem Geſtad deß Meers hinzogen/ an welchem die Tochter deß Koenigs insgemein ihren Spazier=Gang mit den Jungfrauen von Ty- ro zu nehmen pflegte; hierauf legte Jupiter ſeine Gewalt und Herrlichkeit ab/ und nahm die Ge= ſtalt eines Ochſen an/ begab ſich unter die Herde/ und ſpazierte in friſchem Gras auf und nieder/ er hatte aber von einem Ochſen die allerſchoenſte Geſtalt/ er war weiß wie der Schnee/ ſein Halß ſtunde ihm gerad zwiſchen den Schultern hervor/ und hieng ihm eine fette und zierliche Wammen herab/ die Hoerner waren ſo durchſichtig als Edelgeſteine/ in Summa/ ſeine Geſtalt war annehmlich [ID00009] [ID00010] [ID00011] [ID00012] [25] und lieblich; Eyropa ihn erſehend/ lieſſe ihr ſeine ſchoene Geſtalt ſo wohl gefallen/ daß ſie ihn mit Blumen bezierte/ und ihm allerley Gunſt=Bezeugungen erwieſe/ (3.) bıß ſie ſich gar auf ihn hinauf ſetzte/ da er dann mit ſeiner geliebten Braut das Reißaus genommen/ und ſich durch das Meer be= gabe/ biß er in der Inſul Creta anlangte/ (4.) da er ſich ihr zu erkennen gab. Ovid. Metam. Lib. 2.

IV. Kupffer.
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(1.) Epaphus, ein Sohn Jupiters und der Jo, und Phaeton, ein Sohn der Sonnen und der Clymene, geriethen miteinander in Streit/ der erſte warf dem Phaeton fuer/ er waere aus einem beſſeren Hauß/ weil dieſer etwann ſich zur Unzeit ſeiner Geburt wird geruehmet haben/ dardurch ward dieſer bewogen zu ſeiner Mutter Clymene zu gehen/ dieſe aber (2.) wieſe ihn zu ſeinem Vat= ter dem Apollo; als er nun zu ihm gelangte/ und die Verſicherung erhielte/ war es ihm nicht ge= nug/ ſondern begehrte/ ihm eine Bitte nicht abzuſchlagen/ welches ihm Phoebus, als der Gott der Sonnen/ mit einem hohen Eyde verſprach/ da begehrete er aus Hochmuth und Unverſtand ſeiner Jugend/ einen Tag den Sonnen=Wagen zu regieren/ welches er ihm auch/ ungeachtet aller Ermah= nungen nicht mehr aus dem Kopf bringen ließ/ ſo ihm auch endlich Phoebus/ laut ſeines Ey= des/ geſtattete. (3.) Da er aber denſelbigen/ als unerfahren/ ungeſchickt regierte/ wordurch faſt die gantze Welt in Brand geriethe/ wurde er von Jupiter mit einem Donner=Strahl zur Erden geſchmiſſen/ worueber er zu Grunde gegangen. Ovid. Metam. Lib. 2.Hier dienen zum Morale folgende Vers.
Wilt du ein freches Hertz hochmuethiglich ſtolzierend Und alſo gleich auch fallend ſeh’n/ So ſieh den Phaeton, den Sonnen=Wagen fuehrend/ Sein Vatter wuenſcht es ungeſcheh’n. Allein ſo groß er iſt/ kan er doch nicht verhindern/ Und zwar in ſeinem eignen Reich/ Daß der vermeßne Knab/ das liebſt von ſeinen Kindern/ Nicht ſteig und falle alzugleich.
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Diß iſt der Hoffart Art: Ihr alzuſchwer’s Gewichte Ziecht ſelbſten in den Staub zuletzt/ Was ſie anfaenglich hat mit trozendem Geſichte Den Koenigen faſt vorgeſetzt.

V. und VI. Kupffer.
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Weilen dieſe zwey Kupffer in Jagden und Schaefereyen beſtehen/ haben ſie weiter keine Erklae= rung vonnoethen; Beſchlieſſe alſo dieſe erſte Abtheilung mit einem poetiſchen Geſpraech einer Schae= ferin und eines Schaefers/ von dem Lob deß Feld=Lebens; aus dem beruehmten Opiz.

Alcides.
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Indem zu Mittag jetzt die Sonne mit den Flam= men/ Die hohe Bahn durchrint/ Und gantz den ſtarcken Schein der Strahlen ruft zuſammen/ Und Wald und Huegel brint/ So geht das keuſche Volck der Nymphen zu den Waeldern Und klaren Brunnen hin/ Die Feld=Heuſchrecken auch/ die ſingen auf den Feldern/ Und kuehlen Muth und Sinn. Du Zierd der Schoenen du/ O Amarillis ſingeft In Lieb und Freud ergoetzt/ Daß du der Wolcken Gott zum friſchen Regen zwingeſt/ Der Saat und Wieſen netzt.

Amarillis.
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Weil in deß Himmels=Bau der Fuerſte der Planeten Gleich in der Mitte ſteht/ Wo er zu Morgens=Zeit die Welt pflegt zu erroethen/ Und wieder untergeht/ Weil er den Ackermann ſich in das Gras zu breiten Mit ſeiner Hitze zwingt/ Hoert man wie Theſtelis ſpielt auf den ſueſſen Seyten/ Und alſo lieblich fingt Daß ſich befriedigen die ungeſtuehme Winde/ Und gar in ſtiller Ruh/ Der ſchoenen Saengerin ſehr lieblich und ge= linde/ Luft wehen ab und zu.
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Alcides.
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Du ſchneller Lauf der Quell und glaeſſernen Ge= waeſſer/ So rauſchen fuer und fuer/ Der du ſo ſchoenes Kraut traegſt um die reinen Floeſſer Und Blumen voller Zier/ Daß deine klare Baech dir ja nicht durch die Her= de Noch durch der Sonnen Macht/ Noch fremder Stroeme Schlam und Mengung irgend werde Verderbt und hingebracht/ Noch einer welcher ſich am Ufer hier beſchweren Der Liebe wegen muß/ Mit ſeiner Augen Baech und den gefaltznen Zaeh= ren Dir truebe deinen Fluß.

Amarillis.
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Ihr Mahl=Werck der Natur/ ihr Blumen in den Gruenden/ Ihr ſtiller Aufenthalt/ Ihr ſtrengen Fichten ihr/ ihr Straeuch/ ihr hohen Linden/ Du Schatten=reicher Wald/ Daß ja kein ſtarcker Wind die Zier an deinen Zweigen/ Die Blaetter dir verſehr/ Und du in voller Luſt dich moegeſt ſchoen er goetzen/ Und gruenen mehr und mehr/ Daß ja du fuer dem Froſt/ wann Reif und Schnee wird kommen/ Verſichert moegeſt ſeyn/ Daß deine Bluehte dir nicht werde hingenom= men Durch grimmen Sonnen=Schein.

Alcides.
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Indem ein weiſſer Sinn deß Hofes glatten Worten Und Laſt entgangen iſt/ So weicht er in ſich ſelbſt/ und hat an ſolchen Or= ten Ihm Muß und Ruh erkießt; Hier kan er wie er wil/ ſo lang er iſt/ ſich ſtre= cken Bey einem kuehlen Bach Der ſanfte rauſcht vorbey/ kein Streit pflegt ihn zu wecken/ Ihm lauft kein Kummer nach. Die Blumen riechen wohl/ das himmliſche Ge= fluegel Stimt an den ſueſſen Chor; Es freuet ſich das Feld/ die Thaeler/ Saat und Huegel/ Und ſpringt fuer Luſt emper.
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Amarillis.
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Der Weſt=Wind/ den man hier hoert durch die Blaetter rauſchen Und um die Baeume her/ Iſt weit nicht mit der Laſt der Hoefe zu vertau= ſchen Und mit der Stadt Beſchwer; Deß Poebels Lob begehren/ das iſt ein armes Le= ben Und angeſchminckter Schein/ Es iſt der Sinnen Peſt/ nur ſtets nach Ehre ſtre= ben/ Und nie vergnuegt zu ſeyn; So ſich Gemueth und Mund mit ſcheinbarem Be= ginnen/ Und falſchen Tuecken deckt/ Wo diß die Zunge ſagt/ hergegen in den Sin= nen Gar weit ein anders ſteckt.

Zweyte Abtheilung/ Worinnen ſehr ſchoen vor geſtellet werden Die Bemueths=Affecten.
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Erſtes Kupffer.
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1. DIe Beſtraffung ſitzet hier als eine melancholiſche Duerne/ die in der rechten Hand eine Feder haelt/ und damit ein Buch corrigiret/ woraus ihre Klugheit abzunehmen; in der an= dern aber haelt ſie eine Ruthe/ als das Sinn=Bild der Beſtraffung.2. Urſprung der Liebe. Ein Jungfer haelt in einer Hand einen Brenn=Spiegel gegen die Sonne/ und zuendet durch ſolche eine Fackel an/ die ſie in der andern Hand haelt. In einem dabey [ID00021] [ID00022] [29] ſchwebenden Zettul ſtehen dieſe Worte: Sic in cordefacit Amor incendium. So zuend et ſich das Liebes Feur im Hertzen an.3. Der Suenden Blindheit. Ein blinder Mann der von einem Blinden gefuehret wird/ und eine Nacht=Eule (welche nur die Finſternutz liebet) auf ſeiner Hand haltend/ ueber ihn fahren Wetter=Strahlen. Daß er ſelbſten blind/ und von einem andern Blinden gefuehret wird/ deutet an/ daß er ſich blindlings in alles Unheil ſtuertze/ und niemand als ſeines gleichen Liebe/ von wel= cher Geſellſchaft er ſich immer ferner zu allem Boeſen leiten laſſe/ womit er in die Bande aller Gott= loſigkeit gerathe/ welches die Feſſel anzeigen/ auch den Zorn deß Hoechſten nicht achte/ biß er von ſelbigem zerſchmettert wird/ ſo die ueber ihn blitzende Wetter=Strahlen bemercken.4. Betrug der Welt. Eine lieblich=geſtalte Weibs=Perſon haelt einen Spiegel in der Hand/ ſitzend bey einem Dorn=Buſch/ hinter welchem das Trojaniſche Pferd. Die Welt ſiehet lieblich aus/ damit ihr Betrug nicht ſo gleich einem jeden gleich offenbahr werde/ ſie zeiget ihre Luſt/ welche doch nicht laenger dauret/ als ſich einer in dem Spiegel beſiehet; auf die letzt findet man die Doerner deß Betrugs/ und gehet wie bey den Trojanern/ welche das von den Griechen verfertigte groſſe Pferd in Troja gebracht/ worueber ſie ſich groſſe Freude gemacht/ welche aber nicht lang gedauret/ denn weil ſelbiges von den Griechen alſo gemacht/ daß ſich viele der beſten Griechiſchen Soldaten darinnen verbergen koennen/ ſeynd dieſe in der Nacht heraus gekrochen/ denen andern Griechen Platz gemacht/ und durch dieſe Liſt iſt Troja zu Grunde gegangen und zerſtoehret worden. Virg. AEn. Lib. 2.5. Die Betruegerey/ welche auf beyden Armen einen angezuendeten Stroh=Bueſchel haelt/ an= zuzeigen/ daß die Betruegerey von ſolcher Daurhaftigkeit; ſie hat ein Kleid voller Maſquen und Zungen/ zu bemercken/ daß ſie voller Verſtellungen ihren Worten ein Faerblein anzuſtreichen wiſſe; ſie gehet auf eıner Steltzen/ nach dem Spruech=Wort: Der Betrueger muß hincken und grad ge= hen koennen.6. Die Liebes=Reitzung. Dieſe wird vorgeſtellet als eine nackende Venus mit Flueglen an dem Ruecken/ und in einer Hand eine Harpffe. Die Bloeſe bedeutet ihren geilen Sinn/ die Fluegel ihre Unbeſtaendigkeit/ und die Harpffe ihre Anlockungen durch das Gehoer. Cupido bietet ihr ei= nen Narren=Kolben/ welches ſo viel ſagen wil/ daß durch die Liebes=Reizungen viele zu Thoren wer= den.
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7. Die Hinterliſt praeſentiret ſich als ein gewafnetes Weib/ in einer Hand hat ſie einen Schild/ an dem einen Arm traegt ſie ein Vogel=Garn; Daß ſie gewafnet/ zeiget an/ daß ſie ſich jederzeit vor aller Gefahr in acht nehme/ welches auch der Schild bedeutet/ das Garn aber haben die Alten je= derzeit fuer ein Sinn Bild der Hinterl iſt/ die man einem andern ſtellet/ gehalten.8. Die ſcharffe Gerechtigkeit/ wird gezeiget unter dem Bild eines gekroenten und mit weiſſer Leinwand bedeckten Toden=Gerips/ ſich ſteurend mit einer Hand auf ein Schwerd/ mit der andern haltend eine Waage/ anzuzeigen/ daß gleich wie der Tod kein Anſehen der Perſon habe/ alſo/ ein ſtrenger Richter die Entſchuldigung der Miſſethaeter nicht anzuhoeren pflege. Der Poet ſetzt hier= auf folgendes:
Ich laß das ſtrenge Recht ohn alle Gnad ergehen/ Wer fuer die Boßheit fleht/ dem bin ich taub und ſtum/ Ihr Sterbliche ſeyd from! Ihr werdet lauter Huld und Guete bey mir ſehen.

II. Kupffer.
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1. Dienſthaftigkeit. Ein betagter Mann/ bloſſes Haupts/ ſich demuethig erzeigend/ in der rech= ten Hand haelt er einen Hut/ die Wilfertigkeit ſeiner Dienſte dardurch vorzuſtellen; In der lincken Hand haelt er einen Loewen und Tyger zuſammen gebunden/ dardurch angezeiget wird/ das ofter= malen durch die Dienſtfertigkeit die grimmigſte Gemuether koennen gewonnen werden.2. Die Danckbarkeit. Eine Frau haelt einen Storchen mit der Hand/ in der andern haelt ſie einen Zweyg von Bohnen. Der Storch/ ſagt Orus Apollo, iſt das danckbarſte Thier an ſeine Eltern und Wohlthaeter; die Bohnen machen das Land fett wo ſie gewachſen ſind/ alſo ſollen wir die Gunſten an uns erwieſen/ allezeit mit beſter moeglichkeit vergelten.3. Bekuemmernueß. Eine Frau in roth und gruen gekleidet/ haelt in der rechten Hand eine Fa= ckel/ und in der lincken einen Sporn; das roth und gruene Kleid bedeutet die Hofnung und das Ver= langen/ aus welchem die Bekuemmernueß komt; der Sporn bedeutet das kraeftige Verlangen/ um/ eine Sache zu erlangen; durch die Fackel bemercket man das Verlangen und die aufſteigende Be= kuemmernuß/ die im Hertzen brennend/ nicht zulaeßt/ daß man in Ruhe lebe/ es ſeye dann/ daß man zu gutem End komme.4. Die Angenehmheit. Ein holdſeeliges mit einer Crone von Jaſpis und koeſtlichen Steinen [ID00025] [ID00026] [31] gecroentes Maegdlein/ hat in den Haende ̅ Roſen ſonder Doerner/ von unterſchiedlichen Farben/ welche ſie freundlich ſcheinet hinweg zu werffen; der Jaſpis wırd ihr zugeeignet/ weilen die Natur-kuendiger ſagen/ daß der Jaſpis dem/ der ihn bey ſich trage/ bey allen Menſchen Gunſt erwecke/ diß bezeichnen auch die Roſen ſonder Doerner/ indeme dieſe Blume faſt unter allen die annehmlichſte iſt.5. Die Mannhaftigkeit wird abgebildet durch das Bild Herculis, welcher eine Loewen=Haut ueber die Schultern/ und eine groſſe Schlange an ſtatt einer Guertel hat. Die Mannhaftigkeit iſt eine Zufuegung von den Kraeften deß Leibs/ und zugleich von dem Gemuethe. Die Kraefte deß Lei= bes werden durch die Schlange bezeichnet/ dann man ſchreibt/ daß Hercules in ſeiner Wiege eine groſſe Schlange getoedtet habe/ und wegen der Tapfferkeit deß Gemueths/ traegt er eine Loewen=Haut/ weil er ſich nicht geſcheuet einem Loewen entgegen zu gehen/ und ſelbigen mit unerſchrockenem Muth auch beſieget.6. Das Hertzenleyd. Ein trauriger Mann oefnet mit beyden Haenden ſeine Bruſt/ und laßt fein Hertz ſehen/ das mit vielen Schlangen umgeben iſt/ er iſt in Dunckelgrau gekleidet; dieſe Farb bedeutet den letzten Untergang und die Dueſterheit von dem Tod/ welchen das Hertzenleid oft ſchnell verurſachen kan; das offene Hertz mit Schlangen bezeichnet/ daß oftermals auch das Hertz mit Leid gequaelet wird/ aus Haß und Mißgunſt ueber anderer Leute Glueckſeeligkeit.7. Die Forcht. Eine Frau mit einem kleinen Angeſicht und bleich; die Kleinheit/ wie die Phi- loſophi ſagen/ bedeutet Kleinmuethigkeit/ ſie ſtehet fertig/ um/ aus Forcht zu fliehen/ haelt die Haende in die Hoehe/ die Haar außgeſtreuet durch die Kraft der Furcht/ auf ihren Schultern ſtehet ein ab= ſcheuliches Monſtrum.8. Die Ehre wird vorgeſtellet als ein ſchoener Juengling in Purpur gekleidet/ mit einem Lorber= Crantz gekroenet/ hat in der rechten einen Spieß/ in der lincken das Cornu Copiae vol Blumen und Fruechten; jung wird ſie gemahlet/ weilen ſie ſich ohne einige Wort angenehm macht; das Pur= pur=Kleid bedeutet die allerhoechſte Ehre/ dann es iſt ein Koeniglicher Zierrath/ der Spieß und das Cornu Copiae, wie auch der Lorber=Krantz/ dieſes ſeynd die drey vornehmſte Urſachen/ warum ein Mann geehret wird/ nemlich/ die Kunſt/ Reichthum und Tapfferkeit; dieſe Urſachen aber bezieret die Tugend am meiſten/ dann:
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Ehr und Tugend ſtehn allzeit auf einer Stuffen/ Und ein jede muehet ſich uns zuzuruffen; Allein wen nicht zuvor die Tugend aufgenommen/ Der wird auch zu der Ehr unmoeglich koennen kommen.

III. Kupffer.
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1, Großmuethigkeit. Ein faſt nackender aber ſtarcker Juengling reißt einem Loewen die Zun= ge aus dem Rachen. Dieſe Abbildung zielet auf die großmuethige Tapfferkeit deß Lyſimachi Aga- thoclis eines edlen Macedoniers Sohn/ wie auch ein Nachkoemling deß groſſen Alexanders, wel= cher/ weil er feinem Hn. dem Welt=Weiſen Kaliſtenes Gift beygebracht/ daß er ſich im Gefaengnues ertoedten/ und alſo ſeines Elends und Marter abkommen moechte/ einem Loewen zu verſchlingen dar= geworffen war/ brauchte er mit kluger Bedachtſamkeit ſeinen rechten Arm/ welchen er heimlich ge= wafnet hatte/ ſtieß denſelben dem Loewen in den Rachen/ und riſſe ihm alſo mit gantzer Gewalt die Zunge aus dem Halß heraus/ worueber das wild=ergrimmete Thier alſobald tod zu Boden fiel/ um welcher großmuethigen That willen/ er nachmals unter die liebſten Freund deß Koenigs Alexanders gezehlet worden.2. Ehr=Geitz wird gebildet als eine junge Duerne/ in gruen mit Epheu=Blaetter gekleidet/ ſie ſtellet ſich an/ als wolte ſie auf einen hohen Felſen ſpringen/ auf deſſen Spitzen unterſchiedliche Zepter und Cronen ligen/ ſie hat bey ſich einen Loewen/ welcher ihr Geſellſchaft leiſtet. Der Ehr=Geitz iſt eine hitzige Beguerde nach hohen Dingen zu ſtreben/ ob es wol oft einem unmoeglich iſt zu erlangen was man begehrt. Dieſe Außbildung iſt ohne ſonderliche Außlegung leicht zu verſtehen. Der be= ruehmte Italiaener Marci Antonio Cadaldi beſchreibet in einem Kling=Gedicht dieſes abſcheuliche Lafter alſo:
O di diſcordia & riſſe altrice vera, Rapine di virtù, ladra d’honori. Che difaſti, di pompe, & di ſplendori Souràl’ corſo mortaltipregi altera:
O die du Zanck erhebſt/ und allzeit Zweytracht naehreſt Du Tugend=Raeuberin/ du Moerderin aller Ehr/ Die du voll Ubermuth prangſt eben ſo daher/ Als wann du allem Lauf der Welt enthoben waereſt;
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Tu ſei di glorie altrui nemica fiera, Madre d’hippocriſia, fonte d’errori Tu gl’animi auueleni & infetti icuori Via più di Tiſifon più di Megera
Tu feſti un nuouo Dio ſtimarſi Annone D’Etna Empedocle eſporſi alfoco eter- no O di morte miniſtra Ambitione
Tu dunque à I’onde ſtigie, al lago Aver- no Torna, cheſenzate langue Plutone L’alme non ſenton’duol, nulla è l’infer- no.
Du Heuchel=Mutter du/ die du nicht gerne hoereſt Wann man auch andre lobt/ du Brunn ver= kehrter Lehr/ Die du Megera biſt/ und noch viel grauſamer Der Menſchen Sinn und Hertz vergifteſt und verzehreſt Daß Hano ſich vergaß und ſelbſten Gott wolt ſeyn/ Daß Empedocles ſich in Feur=Berg ſtuertzt hinein/ Komt Todes=Dienerin von dir und deiner Stelle/ Wollan ſo kehre dann zu deiner Hoellen=Bach/ Geh hin/ dann ohne dich iſt Pluto viel zu ſchwach/ Ohn dich iſt keine Peyn/ der Seelen keine Hoelle.3. Der Rath/ wird vorgeſtellet als ein alter Greis/ der/ biß er ſeine graue Haar bekommen/ viel erfahren/ er traegt ein langen Scharlachen Rock/ und an dem Halß eine gueldene Kette/ daran ein Hertz hanget/ als der edleſte Theil deß Leibes/ ſo zu erſt lebt/ und zu erſt ſtirbet/ in der rechten Hand haelt er ein Buch/ worauf eine Nacht=Eule ſitzet/ bedeutet das Studieren und Nachſinnen/ in der lincken Hand haelt er drey an einem Halß zuſammen geſetzte Koepffe/ deren eıner ein Hunds=Kopf/ der andere ein Wolfs=Kopf/ der mitlere aber ein Loewen=Kopf/ dieſe drey Koepffe ſind Merck=Male der drey fuernehmſten Zeiten/ als der vergangenen/ gegenwaertigen und zukuenftigen Zeit/ das Meer= Schwein oder Delphin zu ſeinen Fueſſen/ weilen es ein ſchneller Fiſch/ wil ſo viel ſagen/ daß man ſich nicht in Rath und Anſchlag uebereilen/ ſondern alles mit Wohlbedacht ueberlegen ſolle.4. Die Klugheit. Ein Weibs=Bild mit zweyen Geſichtern/ bedeckt mit einem gueldenen Helm/ um welchen ein Crantz von Maulbeer=Blaetter/ hat einen Hirſchen bey ihr/ einen Spiegel in der lin= cken Hand/ in der rechten aber einen Pfeil/ und zu ihren Fueſſen eine Schlange/ weilen dieſes alles Sinn, Bilder der Klugheit/ gehen wir weiter.5. Liebe zur Tugend. Ein nackend und gefluegeltes Knaeblein traegt einen Lorber=Crantz auf dem Haupt/ wie auch noch drey andere in beyden Haenden/ ſie wird deßwegen mit einem Lorber= Crantz vorgeſtelt/ weilen ſolcher ein Zeichen der Ehr iſt/ welche auf die Tugend gehoeret/ man kan [34] auch ſagen/ daß der Crantz auf dem Haupt ſeye ein Zeichen der Klugheit/ die andere drey aber be= zeichnen die drey Haupt=Tugenden/ nemlich/ Gerechtigkeit/ Tapfferkeit/ Maeſſigkeit.6. Hilfund Beyſtand. Ein Mann in ſeinem beſten Alter/ ın einem weiſſen Kleid/ ueber ſelbiges traegt er einen Purpur=Mantel/ von dem Himmel faellet ueber ihn ein heller Schein/ das Haupt iſt mit Oel=Zweigen gezieret/ und der Halß mit einer gueldenen Kette/ woran ein Hertzlein hanget/ den rechten Arm ſiehet man außgeſtreckt/ und die Hand aufgethan/ die lincke aber haelt einen Pfahl/ ſo in der Erden ſteckt/ und mit einem Trauben=vollen Reben=Stock umgeben iſt/ auf der andern Sei= ten ſtehet ein Storch/ welcher ein Zeichen der Froemmigkeit und Hilffe iſt.7. Der Hochmuth. Eine Frau in Kupffer=roſtiger Farb bekleıdet/ hat ein paar Eſels=Ohren/ und unter dem lincken Arm einen Pfauen/ ſo ein Sinn=Bild deß Hochmuths iſt/ die Eſels=Ohren ſeyn ein Zeichen der Thumheit eines Hochmuethigen/ nach dem alten Sruech=Wort:
Stultus und Stoltz/ Wachſen auf einem Holtz.8. Tugendhafte Verrichtung. Eine wohlbekleidete Manns=Perſon mit Strahlen und ei= nem Amaranten=Crantz gecroenet/ hat einen vergueldeten Harniſch an/ und einen von Gold ſchim= merenden Mantel/ dieſer durchſticht mit einer Lantze eine Schlange/ die er in der rechten Hand hat/ in der lincken Hand haelt er ein Buch/ und tritt mit einem Fuß einen Todten-Kopf, Daß dieſes Bild vorgebildet mit Strahlen/ mit einem Amaranten=Crantz gecroenet/ und ſonſt wohl gekleidet/ zielet alles auf die Herrlichkeit/ ſo durch die tugendliche Verrichtung erworben wird; er durch= ſticht die Schlange/ damit angezeiget wird/ die Untertrettung aller ſchaendlichen Laſter/ das Buch und der Todten=Kopf wollen ſo viel ſagen/ daß/ ſo lang die Welt ſtehen/ und Buecher in derſelben bleiben/ der tugendhaften Leute und ihrer tapffern Thaten und Verrichtungen nimmermehr wird vergeſſen werden/ wie Plautus ſchreibet:
SOLA VIRTUS EXPERS SEPULCHRI. Tugend nur und ihre Gaaben/ Werden nimmermehr begraben.
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Dritte Abtheilung. Vorſtellung der Sinn=Bilder Auf die Bemueths=Affecten.
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I. Kupffer.
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1. DIe Dienſtbarkeit iſt unterſchledlich/ eine Knechtliche oder gezwungene/ welche hier nichtvor= geſtellet wird/ eine freywillige aus gutem Gemuethe/ und dieſe iſts/ wovon hier gedacht wird; das Sinn=Bild iſt ein Genius, ſo mitten in Feur und Flammen lauft/ einen andern heraus zu reiſſen/ mit der Beyſchrift: Kein Gefahr haelt mich nicht auf. Fit amore falutis. Sen- za paura del pericolo. Sans peur du peril.Deutlicher ein recht danckbahres Gemuethe vorzuſtellen:
Kein Gefahr haelt mich nicht auf/ Freund und Feind zu Dirnſt zu ſtehen/ Hilflich ihnen beyzuſpringen/ ſolt ich ſelbſt zu Grunde gehen.2. Ein Genius knyend vor eınem Poſtament, auf welchem ein Hertz/ in welches er mit einem Griffel folgendes ſchreibt: Zur Erinnerung. Multos durabit in annos. Per non ſcordar- ſene mai. Pour reſouvenance.Die Danckbarkeit iſt eine von den edleſten Tugenden/ aber wird oft ſchaendlich vergeſſen/ die Wohlthaten werden mit Undanck belohnet; damit es aber unſerm Genio nicht widerfahre/ ſchrei= beter dieſelbige mit einem Griffel tief in das Hertz und Gedaechtnus dabey:
Zur Erinnerung ſchreib ich ein/ Wem ich danckbar bin zu ſeyn.
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3. Ein Genius ziehet an einem Ancker gantz munter durch Hecken und Doerner/ mit der Bey= ſchrift: Die Hofnung macht mirs leicht. Spes ſupereſſe ſinit. La ſperanza addolciſce ognicoſa. Leſperance fait leger toutchoſe.Die Bekuemmernues iſt ein quaelender Affect, ein Weg voller Doerner/ ja eine Staffel zur Ver= zweiflung/ abſonderlich wo ſolche herruehret aus Mißgunſt gegen ſeines Naechſten Glueck. Ein be= kuemmertes Hertz in ſeinem eigenen Unglueck thut wohl/ wann es den Ancker der Hofnung ergreift/ und damit Gewalt braucht/ die Doerner deß Leidens auf eine Seite zu raumen/ nach Anweiſung deß Sinn=Bildes:
Die Hofnung macht mirs leicht/ es wird bald beſſer werden/ Bekuemmernus macht mir nur Sorgen und Beſchwerden.4. Zeiget einen Strauch/ an welchem Roſen/ ſelbige blaeſet der Wind ab/ mit den Beyworten: Angenehm/ doch unbeſtaendig. Sortis ſunt inconſtantis amoena. Piacevole ſenza con- ſtanza. Plaiſantſans conſtance.Die Angenehmheit iſt ein Affect, welcher alle Gemuether an ſich ziehen kan/ alleine wie in der Welt nichts gemeiners/ als in allen Dingen die Unbeſtaendigkeit/ was uns oft das angenehmeſte/ iſt gleich einer Roſen (welche unter denen Blumen wegen ihres Geruchs und auch ihrer Schoenheit billich angenehm) wann ſie in ihrer hoechſten Flor, kan ein leichtes Windlein ıhre Blaetter zerſtreuen und zunicht machen; alſo geht es bey der Angenehmheit! Angenehm iſt die Schoenheit/ ein rauhes Windlein machet ſolche verſchwinden. Angenehm iſt Reichthum/ angenehm iſt Glueck/ angenehm gute Freunde/ aber: O Vanitas! Es heiſſet bey allen:
Angenehm/ doch unbeſtaendig/ O wie leichtlich iſts geſchehen/ Daß/ was heute uns ergoetzt/ morgen wir nicht wieder ſehen.5. Ein Loew/ welchen kleine Huendlein anbellen/ ſo er aber nicht achtet/ mit der Beyſchrift: Sie koennen nicht verletzen. Latratu nec laedere poſſunt. Abbajino, non mene curo. Ils ne peuvent pas faire tort.Alſo/ ein mannhaftes Gemuethe erzuernet ſich nicht ueber geringe Dinge/ es dienet ihme dieſer Sinn= Spruch:
Sie koennen nicht verletzen/ noch meine Ruh zerſtoehren/ Wann ſie genug gebellt/ ſie werden ſchon aufhoeren.
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6. Ein Genius in einem Gefaengnues/ an Halß und Fueſſen gefeſſelt/ ſteuret ſich auf ſeinen Arm/ vor ihme ein Tiſch mit Eſſen und Trincken/ mit den Beyworten: Wie kan mir dieſes ſchmae= cken? Quid non faſtidia cauſent. Quì non puòeſſer guſto. Je ne peut pas trouves couſt.Das Hertzenleid iſt eine harte Bewegung deß Gemueths/ und wo dieſes das Hertz befaellet/ da wird daſſelbige gleichſam wie in einem harten Gefaengnues gefeſſeltſ/ es ergoetzet kein Wohl-Leben/ es erfreuen nicht die Schaetze noch koſtbare Speiſſe und Getranck/ dann es iſt alles bitter/ und heißt:
Wie kan mit dieſes ſchmecken/ ich habe keine Freud/ Mein Tranck iſt ſtere Qual/ mein Speiß iſt Hertzen. Leid.7. Ein Genius fliehet vor Muecken/ die Beyſchrift iſt: Courage bey mir fehlt. Animi mihi deficit ardor. Coraggio mimanca. Courage me menque.Oder deutlicher ein forchtſames Gemuethe vorzuſtellen:
Guraſchi bey mir fehlt/ man lach mich aus und ein/ Es kan die kleinſte Muck bey mir ein Drache ſeyn. Oder: Guraſchi bey mir fehlt/ ſonſt wolt ich wol drein ſchlagen/ Soll/ oder ſoll ich nicht/ gefaehrlich iſts zu wagen.8. Die Zeit benaget ein Grab=Mahl/ die Ewigkeit aber haelt ihre Hand ueber die Inſcription, mit den Beyworten:
Was eitle Ehre heißt/ zermalbt die ſchnelle Zeit/ Den Ruhm der Tugend ſchuetzt die lange Ewigkeit.Quicquid inanis honor conſumit tempus anile, Virtutis radios plurima ſaeclâfovent. La vana gloria per il corſo del tempo ſene và, La gloria della virtù fin’ all’ eterno reſta! La gloire du monde ſe paſſe avecle remps, Lagloire du vertu defend l’Eternité.

Zweytes Kupffer.
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1. Ein Genius in einem Stock ſitzend. Beyſchrift: Gedult iſt hier mein Troſt. Culpam patientia vincit. La patien???a è ’l mio ſolazzo. La patienceme conſole.Anzuzeigen/ daß die Straffe/ welche verſchuldiam beſten mit Gedult zu ueberwinden/ derowegen es heiſſet:
Gedult iſt hier mein Troſt/ die Straf hab ich verſchuld/ Drum wirds am beſten ſeyn ich leid es mit Gedult.2. Ein Genius zuendet mit einem gar kleinen Fuencklein ein hefftiges und groſſes Feuer an/ [38] anzuzeigen/ daß die Liebes=Flammen/ oder deren Urſprung/ oft von gar kleinem Weſen ihren Anfang nehme/ nach ſolgender Deviſe und Erklaerung: Durch das Kleine wird es groß. Tandem ſcintilla fit ignis. Dal piccolo il grande. Du petit vient le grand!
Durch das Kleine wırd es groß/ durch ein Fuencklein kommen Flammen/ Durch ein kleinen Liebes=Blick/ kommen zwey oft ſchnell zuſammen.3. Ein Wolf/ ſo in die Wolf=Gruben faellet. Wer traut/ komt leichtlich um. Fidentem ſaepè pericula tradunt. A chi fida facilmente, le diſgratie@ ſono vicine. Qui ſe fier trop, ſe perde facilement.Einem Wolf/ ſo man ihn fangen wil/ bedeckt man die Grube mit einem von Reiſer geflochtenen Deckel/ welcher jedoch auf beyden Seiten ledig/ damit wann der Wolf darauf trutet/ er mit ihm aufſchnappet/ in die Mitte wird eine Ganß oder Aente geſetzt/ wann nun der Wolf in aller Si= cherheit etwas vermeint zu erhaſchen/ faellet er in die Grube/ alwo er ſeinen Untergang findet/ ſo erge= het es auch mit der Suenden=Sicherheit/ dann
Wer traut/ komt leichtlich um/ wie es dem Wolf hier gehet/ Dem iſt der Fall ſo nah/ der blind in Suenden ſtehet.Eine Katz wil einen Genius ſtreichen; mit den Beyworten: Ich trau dein’m Schmeichlen nicht. Sunt blandimenta doloſa. Luſingando feriſce. Je me fier pas a un flatteur.Vergleichet dardurch den Betrug der Welt einer ſchmeichlenden Katze/ daraufdeutlicher zu ſetzen:
Ich trau dein’m Schmeichlen nicht/ ich fuerchte deine Klauen/ Du biſt von falſcher Art/ auf dich iſt nicht zu bauen.5. Ein Genius laeſſet eine Bley=Schnur in ein Hertz; mit der Beyſchrift: Vergebne Mueh. Cordis quis perſcrutabitur ima. Ogni fatica è indarno. Peine inutile.Auf ein Gemueth/ ſo voller Betruegerey ſteckt/ abzielend/ daß ſolches unmoeglich zu ergruenden/ dann da iſt
Vergebne Mueh umſonſt iſt alhier zu ergruenden Ein Abgrund ohne Grund/ wer wil den Boden finden.6. Eine Sonnen=Blume/ ſo ſich nach der Sonnen richtet; Beywort: Wo meine Sonne iſt. Hic Solus ſplendor amoenat. Ov’è ’l mio Sole. La ou eſt ma Soleil.Die Liebes=Reitzug iſt ein Affect von ſolchem Gewalt/ daß man faſt ohne das Geliebte nicht leben kan/ es heißt immer:
Wo meine Sonne iſt/ da iſt mein Lebens=Ziel/ Diß iſt mein Luſt allein/ ſonſt freut mich gar nicht viel.
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7. Ein Genius ſtoſſet unter freundlicher Umarmung dem andern rueckling einen Dolchen in Leib; die Beyſchrift iſt: Ach traue nicht. Verba lactis, fraus in factis. Belle parole, catti vi fatti. Ne fier pas. Deutend/ daß man ſich vor Hınterliſt nicht genug in acht nehmen koenne. Deutlicher:
Ach traue nicht/ die Liſt iſt groß/ das freundlich Lachen Wird dir durch Hinterliſt das End und Garaus machen.8. Ein Genius, ueber welchem ein ſtarckes Wetter. Beyſchrift: Hier iſt die Flucht um= ſonſt. Meritam fruſtra eſt deflectere poenam. Il fuggirſene è impoſſibile. Seſauver eſt im- poſſible. Anzuzeigen/ daß der ſtrengen Gerechtigkeit deß Himmels niemand entgehen koenne; Dann/
Hier iſt die Flucht umſonſt/ kein Menſch kan nicht beſtehen/ Wann GOtt wil ins Gericht nach ſeiner Schaerffe gehen.

Drittes Kupffer.
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1. Ein Hertz auf einem Felſen/ umgeben mit Wellen/ Donner und Blitz; Beyſchrift: Ich ſteh gleich einem Felß. Velut altus perſto Coloſſus, Mi fermo da pietra. Je ſuis ferme come un roche. Dardurch anzuzeigen/ daß ein großmuethiges Gemuethe in allen Widerwaertig= keiten ſtandhaft und unbeweglich bleibe/ daß es bey demſelben allezeit heiſſet:
Ich ſteh gleich einem Felß/ mein Hertz bleibt unbeweget/ Dieweil ſich keine Forcht in ſelbem jemals reget.2. Ein Genius reißt das an einem Baum hoch=aufwachſende Epheu mit ſamt der Wurtzel aus; mit|den Beyworten: Es hindert nur. Mera ſunt obſtacula honoris. Sono più d’ impe- dimento. Cela Empeſche. Weilen dieſes Gewaechs ſehr hoch ſteiget/ aber einem Baum ſchaedlich/ wird es hier zu einem Sinn=Bild deß Ehr=Geitzes genommen/ mit deutlicher Erklaerung:
Es hindert nur/ was ſoll deß Unkrauts: Pracht/ Fall toller Ehr=Geitz fall/ du biſt von mir veracht.3. Ein Genius, ſitzend an einem Ufer/ vor ſeinen Fueſſen kriecht ein Schnecke/ in dem Meer ſchwimmend ein Delphin/ mit den Beyworten: Dieſer eilet/ dır verweilet. Hic feſtinat, at ille retardat. Queſto s’ affretta, quello và piano. Celleci va vite, lautre toucement.Die beſſere Erlaeuterung lautet alſo:
Dieſer eilet/ der verweilet/ ſoll ein guter Rath beſtehen/ Muß er nicht ſeyn zugeſchwinde/ auch nicht gar zu langſam gehen.
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4. Ein Genius ſtehet an einem Waſſer/ gruendet mit einem Stock die Tieffe/ ein anderer winckt ihm; Beyſchrift: Ich muß vor die Tieffe wiſſen. Prius hìc tentabo profundum. Bi- ſogna ch ’io eſſamini dinanzi il profondo. Ilfaut deuant ſcavoir leprofond. Wil ſo viel ſagen: Ein kluger Menſch trauet nicht leicht eines andern glatten Worten/ er ueberlegt zuvor/ ob es rathſam zu folgen oder nicht/ wie hier das Sinn=Bild redet:
Ich muß vor die Tieffe wiſſen/ einem jeden trau ich nicht/ Gute Wort ſeyn oft voll Luegen/ und auf lauter Trug gericht.5. Zwey Haende von Toden=Bein halten ein Hertz/ aus welchem ein Lorber=Baum waechſet; Beyſchrift: Auch in dem Tod. Virtus nec morte peribit. Reſta anche nella morte. Auſi apres le mort. Siehet dahin/ daß der jenige/ ſo die Tugend liebet/ ſich dardurch einen unſterblichen Namen erwirbt/ nach dem Sinn=Spruch:
Auch in dtm Tod/ der Tugend liebt/ wird doch nicht ſterben/ Ein guter Nam bleibt allerzeit/ er kan niemals verderben.6. Etliche Toden=Koepffe/ ober ihnen Spinnenweben; Mit den Beyworten: Hier ligt der Hochmuths Pracht. Hìc faſtûs veſania ceſſat. Quì paſſa la pompa delle vanità. Voicy l’ongeulle. Oder deutlicher deß Hochmuths Eitelkeit vorzuſtellen:
Hier ligt der Hochmuths=Pracht/ deß hohen Geiſtes wuerde/ Die Faeulnus iſt ſein Kleid/ die Spinneweb ſein Zierde.7. Ein Genius reichet einem andern die Hand/ welcher in einem tieffen Waſſer ſchier unterge= hen wil/ bey einem hohen Geſtatt; Beyſchrift: Gefaehrlich/ doch willig. Extrema obſequia praeſtant. Oſſequioſo ſenza curarſi dei pericoli. Dangereux, en faire plaiſir. Zeiget an/ wie Hilffe und Beyſtand beſchaffen ſeyn ſolle/ es zeiget ſich aber oefters das Contrarium, wie bey= kommender Vers deutlich erklaeret:
Gefaehrlich/ doch willig zu helffen bereit/ Gar wenig geſchieht es bey jetziget Zeit.8. Ein Hercules auf ſeiner Keule ſitzend/ vor ihme liget die Hydra/ eine Hand aus den Wolcken haelt eine Crone ueber ſein Haupt/ mit den Beyworten: Auf den Sieg folgt Ruh und Lohn. Victor fruitur mercede, quiete. Dopo la vittoria ſeque la corona. Apres Victoir, vient repos. In allen Tugendhaften Verrichtungen muß man allezeit unermuedet ſeyn/ und nicht nach= laſſen/ biß man geſieget hat/ dann/
Auf den Sieg folgt Ruh und Lohn/ Selbſt der Himmel ſchenckt die Cron.ENDE deß II, Theils.


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