Transkription

Neuer Lust- und Lehrreicher Schau-Platz
|| [ID00005]
Neuer Lust- und Lehrreicher Schau-Blatz / Worinnen Allerhand nachdenkliche Beschichten / heilsame Sitten-Lehren / Politische Erinnerungen / gefasste denkwürdige Sprüche / wie nicht weniger Welt-Religion-Estats-Jagt-Bergwerks-Münz- und andere dergleichen nützliche Dinge mehr enthalten. Allen Edlen Bemüthern / zu nachdrücklicher Aufmunterung Heroischer Tugend / klugen Nachsinnen / und dann zur Bespielgelung Menschlicher Glückseeligkeit / Ehre / Hoheit / Fälle / Anstösse / Mängel und Gebrechen / sc. Durch Veranlassung einiger hohen Potentaten unseres Teutschlandes angestellter vertraulichen Conferenz, und daneben vorgegangener Ergötzlichkeit / beobachtet / und des nützlichen Gebrauchs halber / zum Druck befördert. Nürnberg / In Verlegung Johann Hofmanns / Kunst- und Buchhändlers / Gedruckt bey Christian Sigmund Froberg. Anno 1685.
|| [ID00006]
|| [ID00007]
Der Alten Leibes-Übungen und Schau-Spiele / Und Die nachmahls durch die Zeit aufgebrachten Turnier- und Ritter-Spiele / auch daher zum Theil entstandene Ritter- und Adel-Stand.
|| [ID00008]
|| [ID00009]

Kurze Vor-Ansprache An den Großgünstigen hochgeneigten Leser.
[arrow up]

DIe Historia / welche / eigentlich zu reden / nichts anders ist / als eine Wissenschafft geschehener und sich zu getragner Dingen / ist nicht allein mit unglaublicher in allen Künsten und Lebens-Beschaffenheiten dienender Nutzbarkeit / sondern auch höchstanmuthiger Belustigung vereinbaret. Dann / vermöge der Historie / können wir den allzeit gleich-gearteten Lauff der Göttlichen Vorsehung / den unter den Trübseeligkeiten allzeit grünenden Zustand der Kirchen / die gewissesten Belohnungen der Gottesfurcht / die unausbleiblichen Straffen der Gottlosigkeit / die vergeblichen Betrügereyen der Ketzer / die eitlen Practicken der Tyrannen / die verwunderlichen Erhaltungen / Veränderungen und Verheerungen der Reichen und Herrschafften / die entweder plötzlich entstehende oder zu Grunde gehende Zierde der Geschlechten / die dapfern Thaten der Helden / und dann endlich die unzehligen Exempel unterschiedlicher Künsten gleichsam in einem Anblick durchsehen und betrachten. Es erlanget aber die Historia grosses Lob / wann darinnen der Historien Affect ohne Affect beschrieben wird; dann wann ein Historicus oder Geschichtschreiber den Affecten oder Gemüths-Reegungen (unter denen diese zween die vornehmsten sind / nemlich Gunst und Haß) ergeben / so geschicht gar gewiß / daß er / mit zu viel oder zu wenig Thun / die Warheit auf die Seiten setzet. Muß also ein Geschicht-Schreiber / die Gemüths-Reegungen / Wirkungen und Mängel der Menschen ohne Gemüths-Regung beschreiben / wo er bey dem Leser eine Gunst erlangen und überkommen will: Ja er soll ihme allezeit das schöne Gemähl der Historie vor Augen schweben lassen / welches Joh. Antonius Viperanus, in libro de scribendâ historiâ gesehen zu haben / bezeuget / mit folgenden Worten: Er muß die Historia ansehen / als eine freye und unverletzte Jungfrau / welche keinen Begierden unterworffen / die Warheit liebet / in den Bewegungen ernsthafftig ist / einen gesunden Leib / anmuthige Farbe und vollkom̅ne Glieder hat / auch keinen liederlichen und leichtsinnigen Dingen ergeben ist / sondern welche sich ernst [ID00010] haffter und grosser Dinge befleissiget / mit mässiger und gebührender Zierraht einher tritt / nicht auf Wollust / viel aber auf Erbarkeit hält / wie einer ehrlichen Matron zustehet / ja die sich nicht auf s. v. Hurenweise zu schmücken pfleget. Dergleichen Preißwürdig-Historisches Werk wird ihme / hochgeneigter Leser / auch gegenwärtig vorgestellet / als welches / auf Anleitung hoher Potentaten / bey Deroselben höchstrühmlicher Zusammenkunfft unter Hochfürstl. Lustbarkeiten / in Aufzügen / Wirthschafften / Jagten / Comödien / Thurniern / Feuerwerken / Bergwerk - Inventionen sc. bestehend / zu Papier gebracht worden. Welches höchstnützliches / und dem Historien-Liebhaber zu unbeschreiblicher Belustigung befördersames Werk / mit unterschiedlichen Kupfern gezieret / hier zum Vorschein kommet / und ist sich in diesem Fall an die unterweilen dahey befindliche Lateintsche Versal-Buchstaben gar nicht zu kehren / weil selbige sich auf die Lustbarkeiten und vorgefallne Actionen selbst beziehrn / welche wir hier mit allem Fleiß davon gelassen / damit das Werk nicht allzugroß und weitläufftig / auch der Curieuse Leser in seinem Studio historico nicht mochte irre gemachet werden. Er gebrauche alles zum unausdenklichen Nutzen / und unbeschreiblichen Ergötzen / als worzu dieses Werk expressè gewidmet worden.
|| [ID00011]
|| [ID00012]
|| [7]

Der Alten Leibes - Ubung.
[arrow up]

DAs vonden sieben Planeten und des Nimrods mit seinen 36. Reichs-Nachfolgern angestellte / und vorhergehende Ring- und Guintan-Rennen giebet uns Anlaß / der Alten ihren Leibes-Ubungen / und denen so genannten Ritter-Spielen / Turniren / und Adels Eigenschafften mit wenigen nachzudencken. Müssiggang / pflegt man zu sagen / macht traurige Arbeit: Man hat die Leibes-Ubung / und das Spielen bloß zur Ergetzlichkeit / und Belustigung der ermüdete / und mit vielen Geschäfften beladenen Gemüther erfunden / und sie beyde entweder heimlich oder öffentlich vor die Hand genommen. So (Hieronymus Mercurialis de Arte Gymnastica lib. I, Ballspiel. Plinius. Herodotus.) vielerley Völcker / so vielerley Spiele pflegte man öffters anzustellen. Bey den Griechen waren die Ludi Olympii, Pythii, Nemei, und Isthmii, in welchen man große Gaben aufsetzte / und denen / so das Beste darbey thaten / mit besondern Gepränge zutheilete. Das Ballen-Spiel / schreibet man / soll Einer mit Nahmen Pythus / oder wie etliche wollen / die Lydier / und Sycionier erdacht haben / und beschreibet solches homerus in solgenden Versen: Ille Pilam dextram missurus ad Astra reflectit. Terga retrò rursusque ad magnum protinus Jctum. Consurgens Terram procumbit pronus ad imam. Der / welcher den Ballon will in die Höhe schlagen / Muß immer über sich und nach dem Himmel seh'n Und führen starcke Streich; sein Auff- und Nieder-Gehn Und flügel-schneller Fall giebt sonderlich Behagen. (Suetonius) Es sind aber dreyerley Arten der Bälle / als der bekandte große Ballon / deßen sich auch Keyser Augustus / nachdem Er den einheimischen Krieg zu Ende gebracht hatte / gebrauchet / der gemeine / und der Hand-Ballen / (Valerius Maximus. lib. 8. cap. 8. Laertius. lib. 5. Plutarchus in Vita Alexandri Magni.) welche alle unter den Nahmen Sphaera begriffen werden / Dieses Spiel ist nicht allein bey denen vornehmsten Griechen / und Römischen helden vordeßen sehr häuffig im Gebrauch / und Ubung gewesen / daß sie nach verrichteten Kriege / Regierungs-Lasten / und andern Dingen sich mit demselben erfrischet / sondern auch annoch an großer Herren Höfe / und Volckreichen Städten sehr bekandt / also daß hiervon weiter nichts zu gedencken. (Unterschiedene Schauspiele.) Es hielten die Griechen / und nach gehends die Römer viel offene Schau-Spiele / und waren solche dem Römischen Volcke so angenehm / daß sie auch die jenigen Keyser / welche dergleichen anstelleten / und aus denen Reichs-Einkunfften die grösten Kosten darauff wendeten / nichts desto weniger für die Klügesten / Besten / und die dem Reiche am geschick [8] testen vorstünden / gehalten wurden. Nachdem der tapffere Augustus den Römischen Antonium / und die Cleopatram bey der Stadt Actio in Epyro überwunden / hat derselbe daselbst zum Gedächtnis deßen alle fünff Jahre gewiße Spiele anstellen laßen / so man Actios Ludos genenent: Die Boalia, oder Bubetiae waren solche / welche man mit Ochsen hielte. (Ludi Circenses. Alexander ab Alexandro gen. Dier. c. 8. Dionysia.) Die Circenses die / bey welchen die edlesten Jünglinge auf einen mit vier Pferden neben einander bespannten Wagen nach einen vorgesteckten Ziele umb die Wette fuhren: Die also genannten Dionysia geschahen zu Ehren des Bacchi, bey welchen man alle Freyheit zu sauffen verstattete / bey diesen befanden sich das Volck / und die gecrönten Ringer / es waren aber derselben viererley Arthen / als die Olympia, Pythia, Nemaea, und Isthmia, deren Belohnung / oder Berehrung wilder Oelbaum / Lorbeer / Eppich / und Fichten / welche alle zu Ehren des Pelops / Königes Tantali in Phrygien Sohn / Archemori des Königes in Thracien Lycurgi Sohne / des Apollinis / und Palemonis geschahen. Die Olympia und Isthmia wollen Etliche / daß sie von dem Jove, und Neptuno, die Plebei aber / dem Römischen Volcke von dem Lucio Sylla / als sie wegen ihrer Freyheit und für das Vaterland ihre Könige aus Rom vertrieben / zu Ehren angestellet. (Die Olynipischen Spiele. Alexand. ab Alex. l. 5. c. 8.) Etliche geben vor / daß der Olympischen Spiele Uhrheber nicht zwar der Hercules / so von dem Jove, und der Alemena gebohren / sondern der in Creta gewesen / und habe solche nach Erschaffung der Welt 4400./ und in dem 43 sten Jahre nach Zerstörung der Stadt Troja gestifftet. (Diodorus Siculus Rer. antiquar. l. 4. c. 4.) Etliche / daß nach dem die Argonautae zurücke gekommen / und durch List der Medeae König Pelium getödtet / und seines Reichs sich bemächtiget / welches sie hernach deßen Sohne dem Acastio übergeben / hätte Hercules seien Gesellen ermahnet / sich ihnen ein gutes Lob zu stifften; worauf man in Griechenland einen berühmten Orth erwehlet / an welchen man unterschiedene Kampff-Spiele gehalten / solche dem Jovi Olympio zugeeignet / und also dadurch das Volck von fernen Ortgen herzeu gelocket. (Solinus memorabil. c. 2.) Etliche sagen / daß sie von dem Iphito und Lycurgo angestellet / es ist aber aus dem Solino zu sehen / daß Iphitus diese Speile nur wieder angerichtet. (Alexan. ab. Alex. c. I.) Diese wurden alle Jahr nach welchen auch die Griechen ihre Zeiten zu rechnen pflegten / gleichwie die Römer nach der Regierung ihrer Bürgermeister / und wir Thristen / von der Geburth Thristi / in welcher Verordnung dan̅ Hercules uf die Zahl seiner Brüder / nehmlich auf den Poeneum, Epimedem, Jasium, und Idam darunter Er der älteste gewesten / soll gesehen haben: Der Kampff währete 5. Tape / und wurde am sechsten (Text. Ravis. Alexander ab Alexand. lib. 5. c. 8.) Tage geurtheilet / welcher in demselben das Beste gethan: Die Richter erwehlete man durch die Wahl der Griechischen Städte / und sollen deroselben zehne gewesen seyn. Ihre Spiele / darinnen sie sich übten / waren gleichergestalt fünfferley / als Werffen / Rennen / oder Wettlauffen / Springen / Ringen / und Kämpffen / oder Fechten. Es kahm aber zur selbigen Zeit in die beyden Städte Elis / und Olympia / so eine Meilwegs voneinander gelegen / gantz Griech enland zusammen / alba sie ihren Land / oder Reichs - Tag hielten / und über des Landes Besten sich berathschlagten. Von diesem Rampffe schloß man alle Barbarische Völcker aus / ingleichen die / so eines Lasters überführet / oder verurtheilet worden / über dieses so hatte auch keiner die Wahl / mit welchem er streiten wollte / sondern / er muste mit dem / welcher zu erst mit ihm auftraht / den Kampff an [9] nehmen. Die Fechter erwehlte man durch das Los / welche zusammen kamen: Der Preiß bestund in einer Crone von Oelzweigen / wiewohl es auch zu Zeiten güldene und ehrne Cronen gewesen seyn sollen / so man dem (Cicero in Oratione pro Flacco & Alexander ab Alex. c. I.) Uberwinder zugetheilet / nichts desto weniger hielte man diesen Crantz von Oelzweigen so hoch / und den Sieger dermaßen in Ehren / als bey den Römern ein Triumph geachtet werden möchte / ja es war auch hieran nicht genung / sondern man rieß auch ein Stücke Mauer von der Stadt darnieder / und führete den Uberwirder dadurch hinein. Dahero auch Tigranes / des Artabani Sohn / gegen dem Mardonio / als derselbe dem Könige Xerri Griechenland zu überziehen riethe / in diese Worte heraus brach / und sagte: Wilst du uns dann zu solchen Leuten in Streit führen / die doch nicht umb Geld und Gut / sondern umb Ehr und Tugend willen fechten. (Pythia) Pythia nennte man Apollinis Schau-Spiele / alldieweil Apollo die ungeheuere Schlange / oder den Drachen Python getödtet / und das Land (Scenici,) dadurch in Ruhe und Sicherheit gesetzet. Die Scenici waren solche / auf welchen man den Zuschauern / gleichwie heutiges Tages in gewißen Comödien / auf dem Theatro eine und die andere Geschicht vorstellete. Die (Seculares.) Seculares, welche man zu Ehren des Apollinis und der Diance verordnet (Ravisius Textor.) / geschahen in hundert Jahren einmahl / und ließ man durch einen Herold darbey öffentlich ausruffen: Venite ad Ludos, quos Nemo viventium vidit, nequè visurus est postea: Kommet herzu und schauet solche Spiele an / die zuvor niemals keiner gesehen / noch in Zukunfft sehen wird. Es hat aber Käyser Philipp tausend Jahr nach Eroberung der Stadt Rom dergleichen Schau-Spiele auch gehalten / darinne sich 30. Elephanten / 10. Elend-Tiere / 10. Thieger / 40. zahme Leuen / 30. zahme Leoparten / etliche wilde Pferde und Wald-Esel / ein Rhinoceros / und tausend darzu gehörige Fechter befunden. (Taurii Suetonius) Die Ludi Taurii geschahen zu Ehren denen unterirdischen Göttern / welches Jagten waren / bey denen man in verschloßenen Schranck en Tieger / Elephanten / Leuen / und Fechter miteinander bis auf den Tod kämpfen ließe. Diese währeten 5. Tage / und ward iedesmahl der Kampff von neuen in zwey Hauffen / nehmlich in 500. zu Fuße. 20. Elephanten / und 300. zu. Roße eingetheilet / und angefangen; zu solchen Kampffe und Gefechte aber wurden gemeiniglich nur die entweder ohne dis zum Tode verdammten / hierzu erkaufften / oder welche aus Hochmuth ihre besondere Leibes-Stärcke für andern sehen laßen wolten / gebraucht. Insonderheit hatten auch die Griechen / und Römer eine Art von solchen Spielen in Ubung (Lupercalia Franciscus Patricius de institution. Reipubl. lib. 2. T. 7. Gladiatorii oder Fechter.) / so sie Lupercalia nenneten. Bey diesen liefen etliche junge Mannspersohnen von edlen Geschlechtern gantz nackend durch die Gatzen / führeten lederne Geißel / und Peitschen in der Hand / und schlugen zu jedermans Gelächter die / so ihnen auff der Straße begegneten. Die Fecht-Schulen brachte man zu dem Ende auf / damit sich die Jugend bey Zeiten in den Waffen üben / und des Streits desto gemachsamer gewohnen möchten. Gleichwie aber in allen Dingen gemeiniglich über die Schnure gehauen wird: Also kam es auch bey denen / so die Fecht-Kunst begriffen / so weit / (Hieronymus Mercurialis in Arte Gymnastica p. 143. 275.) daß sie öffters mit Einem unerschrocken umb Leib und Leben kämpfften / und nichts desto weniger ihr Kampff von denen Zuschauenden mit höchster Vergnügung angesehen wurde. Die Alten nenneten der gleichen Personen Gladiatores, das ist / solche / die man von Jugend auf zu allerhand Ubungen in Waffen gewehnete / und anführete / damit wann sie ihr eigen [10] Blut sähen / dafür nicht erschrecken / sondern vielmehr in Ausnehmung der feindlichen Streiche desto behertzter seyn / und ihrer Widerparth unerschrocken unter die Augen trehten sollten. Und ob man schon bey den Römern hierzu etliche Leibeigene / oder Andere / die ohne dis das Leben verbühret / abrichtete / so fanden sich doch hernach etliche Freye / die diese Kunst begriffen / und hernach entweder großen Herren zu gefallen / oder aus vorsetzlicher Verwegenheit ihr Leben ohne Ursache in die Schantze schlugen. Hiernechst (Titus Livius. Svetonius.) so kahm es mit denenselben dahin / daß man dergleichen Schauspiele auch bey denen Begräbnißen der Verstorbenen / als wie Junius Brutus / Keyser Tiberius / und andere mehr gethan / vor die Hand nahm / und waren der Römer ietzt-berührte Schauspiel-Häuser dermaßen prächtig und groß / daß so wohl auff den Stiegen / als Gallerien an die hundert tausend Menschen sitzen kunten. Keyser Augustus unterhielte aus der Römischen Schatzkammer / 23. Schauspiele / und auf seinen eigenen Beutel 24. dergleichen: Keyser Nero lies sein Spiel-Haus gantz vergulden: Offt fochte Mann für Mann / offt aber musten viel hundert auf einmahl zusammen gehen. (Lipsius.) Etliche derselben nennte man Secutores, und etliche Retiarios. Von diesen wird erzehlet / daß ihrer fünffe der Ersten / mit Andern fünffen dieser Letztern gekämpffet / und selbige bis auf Einen niedergemachet; Alldieweil sich nun derselbe übermannet gesehen / hätte er die Zuschauer umb Gnade angeschrien / indem er aber von Ihnen kein Gehör erhalten / sein Gewehr wieder ergriffen / und mit solcher Furia / und Verzweiffelung gegen die Fünffe gefochten / daß er sie alle erlegt / und dadurch seine Freyheit erhalten; (Schiff-Kämpffe.) Andere fochten mit verbundenen Augen zu Roße. Etliche der Keyser / insonderheit aber Domitianus / und Claudius stelleten dem Volcke zur Lust einen und den andern Schiffs-Streit an / woselbst die Krieges-Gefangenen / die so das Leben verwürcket / oder die umb das Geld darzu erkaufften / miteinander streiten musten. Wie nun der Römische Keyser Augustus / (andere Schau-Spiele.) Caligula / Claudius / Nero / Domitianus / Adrianus / Antoninus Pius / und Andere mehr allerhand dergleichen Schauspiele anstelleten / und darauff (Johann Ravisii Textoris Theatrum poetic. & historic.) fast eine unglaubliche Summa Geldes verwendeten / inmaßen ein eintziges Schauspiel drittehalb Millionen gekostet haben solle. Also verordnete auch Keyser Gordianus dem Römischen Volcke 12. Schauspiele gantzer 12. Tage lang / also daß Er zuweilen an einem Tage 50. Fechter aufführen / und auff einmahl 150. auch offtermahls 1000. Africanische wilde Thiere auf den Kampff-Platz bringen ließ. Denn er hatte einen Wald / in welchem sich stets 200. Hirsche / 30. Britannische wilde Pferde / 1000. weiße wilde Schafe / 10000. Reheböcke / 300. Strause / 20. wilde Esel / 150. wilde Schweine / 200. Egyptische Störche / und 200. Gembse befanden. (Wettlauffen.) Das Wettlauffen ist eines von denen ältesten Spielen. Denn man lieset bey dem Virgilio, daß es schon bey dem Begräbniße des Griechischen alten Anchisae, dem sein Sohn AEneas zu Ehren dergleichen gehalten / üblich gewesen / und haben damahls miteinander Panopes, Patron, Salius, Nysus, Halymus, und Diores umb die Wette gelauffen. Es wurden aber dergleichen Cursores, oder Läuffer Statiodromi, welche das auffgesteckte Ziel erlieffen / und das Mahl erreichten / Etliche Diaulodromi, so nach wollbrachten Lauffe an den vorigen Ort wieder umbkehreten / oder auch Dolichodromi, die / so sechsmahl den Lauff vollbrachten / genennet. Bey den Römern ward solches Lauffen unter die Ludos Gymnicos, und bey den Griechen unter die Ludos Olympicos gerechnet. Von der Ca [11] milla der Volscer / einem uhralten Volcke in Latio / Königin schreibet man / wie sie so schnelle gelauffen / daß sie wegen solcher Geschwindigkeit gleichsam die Erde fast am wenigsten berühret / dahero der Poete von Jhr dieses getichtet. (Virgilius lib. 7. AEneid.) Illa vel intactae segetis per summa volaret Gramina, nec teneras Cursu laesisset Aristas. (Curtius l. 7) Von dem Philippo des Lysimachi Bruder erzehlet man / daß er in einem Küriße dem Könige / welcher zu Pferde gesessen / 200. Stadia, das ist 25000. Schritte sey gleich gelauffen: Die Troglodyten / ein Volck in Mohrenlande / hatten wegen ihres schnellen Lauffes einen besonderen Ruhm. (Saxo Grammaticus) Einer mit Nahmen Haraldus, soll so geschwinde auff den Füßen gewesen seyn / daß / nachdem man zwey Pferde nach einem Stadio mit Ihme umb die Wette lauffen laßen / er zum Ersten das Ziel erreichet. Athalanta, eine berühmte Jägerin in Arcadien / soll gleich falls sich mit dem Hippomene mit der Bedingung in einen Lauff eingelaßen haben / daß wann Er gewönne / Er sie zur Ehe haben / hingegen aber wann sie ihn hierinne überträfe / selbigen zu tödten Macht haben solte; welchen Wett-Lauff dann Sidonius also beschreibet: Emicuit pernix populo trepidante virago nil toto tactura gradu, qvum pallidus ille respiceret Medium post se decrescere Campum, & longas ad signa vias, statuq; propinquo pressus in hostili jam curreret anxius Umbra Donec ad anfractum metae jam jamq; relictus concita ter sparso fregit vestigia Pomo. Die Poeten tichten / daß als man den Doedalum in ein Labyrinth wegen des befreyeten Thesei gesperret / und Er daselbst sich seines Todes befahret / Er sich Flügel von Wachse gemacht / und dadurch der Gefahr entkommen wäre. Ebener Gestalt findet man bey Ihnen / daß Jupiter dem Thalo geflügelte Füße gemacht / damit Er sich seinethalben zur Europa begeben möchte / und hat auch Einer Canistius genannt / und von der Geburth ein Lacedämonier / in einem Tage 1200. Stadia lauffen können. (Ringer.) Die Alten pflegten auch viel auf die Ringer-Kunst zu halten. Denn weil man dieselbe durch die Hände verrichtete / so meineten sie / daß solche nicht allein ehrlich / zuläßlich / und jungen Leuten wohl anständig / sondern auch zu Erhaltung eines geraden Leibes / zur Gesundheit / und zur leiblichen Geschicklichkeit sehr diente: Unter dem Nahmen Athleta wurden alle die jenigen / welche allein mit blosen Händen / und den Füßen kämpfften (Plautus.) / unter dem Namen Pancratiastes die Kämpffer / und unter dem Palaestrita ein Fechter verstanden / dahero bey Unterweisung der Alten ihrer Jugend die Art zu reden entstanden. Nisi ante solem exorientem in Palaestram veneras Gymnasii, profectò haud mediocres poenas penderes: Wer sich nicht bey Zeiten vor der Sonnen Aufgang auf den Ring- oder Fecht-Platz finden würde / der solte straff bar seyn. Denn daselbst übete man sich theils in Ringen / Lauffen / Spies- und Stein-Werffen / Fechten / Tantzen / und Springen mehr / als in der Unzucht / und anderer Büberey. (Alexander ab Alex. lib. 5. c. 8.) Das Ringen soll von dem Phoebante / oder / wie Andere meinen / von dem Theseo erfunden seyn. Die Ubung / und Wissenschafft dieses Ringens nennten die Griechen Cheironomia, oder eine Sache / die man mit den Händen / Stärcke und Geschicklichkeit seines Leibes verrichtete. [12] Die Griechen übeten sich hierinne nackend / beschmiereten den Leib mit einer Salbe von Oel und Wachs gemacht / und ehe sie aneinander geriethen / bestreueten sie sich mit Staube / damit sie desto besser saßen kunten: Der Erste / so sich also entblöset in den Kampff begeben / soll Hacanthus ein Lacedoemonier (Homerus.) gewesen seyn. Von dem alten Helden und Könige Nestor schreibt man / daß er unter andern auch hierinnen sehr geübt / indem er in seiner Jugend den Ancoeum in Ringen / Polydorum in Schießen / und den Clitomedem im Streit überwunden hätte. Man bildet aber dergleichen Kampff und Streit mit dem Antaeo und Hercule in folgenden Versen ab. (Angelus Politianus.) Incaluere Animis dura certare Palaestra, Neptuni quondam Filius atq; Jovis, Non certamen erant operoso ex ae re lebetes, Sed qui vel vitam, vel ferat Interitum: Occidit Antaeus: Jove natum vivere fas est; Estq; Magistra Pales Graecia, non Lybia. Es fiengen diesen Ringe-Kampff des Neptuni Sohn Antaeus, und Hercules des Jupiters Sohn dermaßen hitzig an / daß es nicht etwan uf einen hohen Geld-Gewinst / sondern auf Leib und Leben angesehen. Dahero lag auch Antäus unten / und Hercules behielt den Platz; Weswegen man die Griechen in dieser Ringe-Kunst nachmahls den Lybiern vorzog. (Lib. 8. Etymolog. c. 24.) Isidorus meldet / es hätten die Menschen die Ubung von den Behren gelernet / welche uf besondere Art mit einander zu ringen pflegten. Der berühmte Ariost führet zwey solcher alten Ringer oder Fechter folgender Gestalt auf. (Ariostus.) Tanto lo prese ando mutando il franco, ed buon Rugier, che Rodomonte cinse, col cogl' il petto sul sinistro fianco, è contutta sua forza ibi lo strinse; la Gambadestra adun tempo inanzi al manco, ginocchio, el' altro attraverso gli, e spinse, è de la Terra in alto solevollo è con la Testa in gin steso tornello. Der tapffer Rugier nahm endlich wahr der Huth / daß er dem Rodomont bald griffe nach dem Blut; Er warf ihn unter sich / und brachte durch Gewalt / daß er von Kräfften matt verlohre die Gestalt / Er kniet??? Ihn auf den Leib / bis daß er ihn umbschlos / daß Rodomont von ihm nicht kommen kunte los. Da hub er ihn dann auff / und stürtzte wieder hin / daß er darüber gantz verlohre Muth / und Sinn. (Wett-Renner) Die Poeten geben für / es wäre Bellerophon ein Sohn der Lycier Fürst ein Erfinder der Wett-Renner gewesen / welcher vermittelst seines abgerichteten / und gleichsam geflügelten Pferdes Pegasi das grausame Monstrum, oder Chimaera, welches vorwarts wie ein Leue / hinten als ein Drache / und in der Mitten als ein Bock ausgesehen / getödtet. Etliche sagen / es hätten die Lapithen / ein Volck in Thessalien / zum ersten die Pferde zu zähmen / und damit zu rennen die Gewohnheit aufgebracht / Erliche aber legen solches den Thessaliern zu / und geben vor: wie dieselben [13] dieselbe die Ersten / so die Pferde in Schlachten / und Kriege zu gebrauchen am besten gewust. Es sind nun die Erfinder wer sie wollen / so hat man doch aus langer Gewohnheit es mit den Pferden so weit gebracht / daß man nach der Zeit die schönsten / und ansehnlichsten Schau- und andere Ritterliche Spiele darauf halten können. Bey der Stadt Elis ward / wie vorgedacht / das Wett-Rennen mit denen Wagen gehalten / vor welchen zwey Pferde / bißweilen auch nur eines / nachgehends auch ein Mutter-Pferd / und letzlich Eselinnen gespannet / und weil daselbst ein enger Platz un̅ auf der einen Seite der Fluß / auf andern aber blosse Schwerdter gesetzet / so gienge es offters ohne Gefahr nicht ab. (Alexander ab Alex.) Als nachmahls diese Circenses, oder Spiele unter die Römer kamen / führte man nach den vier Jahrs-Zeiten viel Hauffen auf / deren Einer Himmelblau / der andere grün / der dritte weiß / und der vierdte Rosen-Farben: Andere sahen auf die vier Elementa / und theilten ihre Farben darnach ein. (Ritter-Stand.) Und nachdem man nun in nach folgenden Zeiten / und heutiges Tages auch zum Theil so wohl zu Rosse / als Fusse dergleichen Ubungen nicht unterlassen / sondern auch dahero der Ritter-Stand meistentheils seinen Ursprung genommen / so wollen wir die Eigenschafften desselbigen mit (Franciscus Patricius de Regno & Regis Institut. lib. 3. tit. 2.) wenigen erwegen. Omnium enim Exercitationum, quae ad futurum Regem pertinent, praecipua habenda est eqvitandi Ratio, qvae qvidem in Pace jucunda est, in Bello autem non modò utilis, verùm etiam perquam necessaria. Und zwar / so ist unter allen Leibes-Ubungen / so einem Könige / Potentaten / und tapseren Gemüthe wohl anstehet / vornehmlich auch das Reiten / worunter man das Ringk-Rennen / voltesiren und Turnieren mit rechnet / nicht so wohl zu Friedens- und Kriegs-Zeiten / als sonsten sehr nöhtig / und nützlich. Denn was kan anmuthiger gesehen werden / als wann ein Tugend-Ergebner auf dem alle Menschen ein Auge werffen / nicht allein wohl und zierlich zu Pferde sitzet / sondern auch dasselbe mit einer schönen Arth zu wenden / zu werffen / und zu regieren weiß. Es ist aber die Reit-Kunst nicht allein grossen Herren und Potentaten nützlich / sonder auch denen jenigen / welche sich an dero Höfen aufhalten / und ihre Zeit daselbsten in gewissen Diensten zubringen. Die Natur hat denen Menschen für andern Thieren den grösten Muth gegeben. Die Jugend lässet sich mit ihrer Begierde bald blikken; Und ob schon mit einem tafern Gemühte / nach dem Tode alle Stärke aufhöret / so preget ihm doch vorhero dieselbe dieses ein; Daß nach seinem Hintritte Er wegen seiner Helden-Thaten nichts desto weniger vor sich / sondern auch in seinen Nachkommen leben / und gleichsam für unsterblich gehalten werde. Man soll / sagt man / der Zeit ihr Maas nicht verendern / das ist: Man soll sich in der Alten Tugenden und Thaten zum öfftern bespiegeln / und wahrnehmen / wie die alten Römer die jenigen / so sich im Kriege / und bey andern / dem Vatterlande zum besten / dienlichen Verrichtungen wohl verhalten / mit Lorbeer-Cräntzen / Schild / Helmen / Schwerdtern / Gürteln / Ringen und Spornen begabet / welche dann solche Ehren-Zeichen nicht alle in vor sich geführet / sondern auch zum Gedächtnuße der Nachkommen bey ihrem Grabe aufhengen lassen. Vor diesen pflegte man auch die Römischen Könige vorhero zu Ritter zu schlagen (Art und Gewonheit Ritter zuschlagen.) / wie man Anno Christi 1247. am Graf Wilhelm von Holland zu sehen. Denn ehe und bevor Er zu Aachen die Reichs-Crone empfienge / ward Er zu Cöln von dem Päpstlichen Legaten, Petrus Caputius genannt / und [14] dem König in Böhmen in die Kirche begleitet / da Ihn dann der Cardinal auf des Königes gethanen Vortrag also anredete: Wehrhaffter Cavallier, Ein ieder / welcher Ritterlich kämpffen will / der muß großmüthig / frey / milde / vortrefflich / und tapffer seyn: Großmüthig in Unglücke und Widerwärtigkeit: Frey von Geblühte: milde zur Tugend / und Erbarkeit: Vortrefflich zur Wach- und Aufmercksamkeit / und dann tapffer an Man̅heit. Ehe ihr aber das Gelübde eurer Profession ableget / so höret mit wenigen / etliche Regeln deß Ritter-Ordens: Vor allen Dingen sollet ihr an den gecreutzigten Christum / als einen Heyland / und Seligmacher glauben / Euch seines Leidens und Sterbens getrösten: Für die wahre Religion Leib und Leben wagen: Die Christliche Kirche nebenst dero Dienern von aller zugefügten Gewalt befreyen: Wittben / und Wäysen verthädigen: Keinen Krieg mit Unrecht anfangen: Euch in keine Unbilligkeit einlassen / dem Römischen Kayser alle Unterthänigkeit in weltlichen Sachen erweisen: Das gemeine Wesen bey seinem Wohlstande erhalten: Keine Lehen-Güter des Reichs entfrembden lassen / und letzlich für Gott / un̅ der Welt ein unsträfliches Leben führen. Und weil ihr anitzo den Ritterorden in Nahmen Gottes anzunehmen begehret / so überreiche ich Euch die Profession, so ihr ablesen sollet. Worauf / als solches geschehen / der König in Böhmen demselben einen Streich über die Schultern gab / mit diesen Worten: GOtt dem Allerhöchsten zu Ehren Ordinire ich Euch zu einem Ritter / und nehme Euch mit Freuden in unsere Gesellschafft auf. Die Tugend hat nicht nur ihre Belohnung / sondern sie führet auch ihren darfür (Ritter-Ordens Absehen.) empfangenen Lohn mit sich. Alle Ritter-Orden gehen dahin / daß man nämlich die durch Tugend / und Helden-Thaten berühmt Gemachte geadelt / und zum Ritter geschlagen / auch sie vor andern mit Namen / Schilden / Wapen / und Helm begabet / und dieser Gebrauch ist von den Griechen / Römern / und andern Nationen mehr mit nicht wenigen Lobe nachgehends (Justus Soldan in David.) aufgebracht / also daß daraus erhellet / wie nicht eben die / welche ihrer Vor-Eltern Wapen / Spieße / Helm / Schwerdter / und Cuirasse ererbet / sondern die ihre Hände in dem Blute der Riesen / das ist / Tyrannen / und Feinde gefärbet / und tapfere Dinge verübet / für Edel zu achten / ingem ein Gelehrter seine Thaten vermittelst heilsamer Rathschläge / Erfarenheit / und Wissenschafften mit der Feder / ein Ritter aber mit Wercken an den Tag bringen muß / alsdann so ist der Adel ein Lorbeer-Crantz / mit welchem die Zeit alle Tugend-Erben crönet. Der Adel ist dreyerley: Einer / so aus der natürlichen Geburt: der / welcher aus hoher Geschicklichkeit / und der / so aus Heroischen Thaten / herrühret: Wer in diesen dreyen für Andern excelliret / der hat billig den Namen eines Edelmanns. Helden-Leute macht die Tugend / und nicht die Geburt: Als Keyser Maximilianus Einen adeln sollte / gab Er zur Antwort: Die Tugend macht Edelleute; Wer nun dieselbe nicht zu mir bringet / den kan ich auch nicht adeln! Dahero bleibet es darbey / daß Adel der Tugend Cron und Lohn sey. Es ist aber der Ritter-Stand eine gemeine Würde / Hoheit / Ehre und Vorzugk / welche auf männliche / und ehrliche Thaten erfolgen / und der nicht allein denen von Adel / auch die nicht von Geblüte Adel / sonder die sich sonsten in Kriegsläufften / Schlachten und Stürmen wol verhalten / conferiret / und zugeeignet wird / gestalt man denn siehet / daß sich auch König Franciscus der Erste in Franckreich / als Er eine Schlacht in Italien erhalten / von Bajardo / einen alten Kriegs-Helden / zum Ritterschlagen liesse. Bey den Römern war der stete Gebrauch / daß [15] nicht allein die Bürgermeister und Römischen Feldherren / wie auch nachmahls die Käyser selbsten persöhnlich nach Ruhm und Ehre strebeten / sondern sie reitzeten auch Andere mit besonderen Titeln / Ehren-Cräntzen / Gaben / und Geschencken darzu an / und wer sich in Kriege / und Schlachten zu Wasser und zu Lande am besten verhielte / und am tapfersten die Spitze hielte / dem ward auch hinwiederumb mit gebührender Verehrung begegnet mit besonderen Ceremonien und Ehren Waffen / Sporn / und andere Rüstung angelegt / und also / wie man es hernacher genennet / zum Ritter geschlagen. Die gedachten Ceremonien waren diese: Es stellete sich (Spangenberg. lib. 3. c. 3.) der angehende Ritter mit seiner Rüstung / Krebs / Kragen / Pantzer / und Stiefel für dem / von welchem Er zum Ritter geschlagen seyn wolte / und bat umb den Ritter-Orden. Man laß ihm die Artickel desselbigen Ordens für / und unter andern auch dieses: Wie er sich gegen GOtt: Gegen die Christliche Kirche: Gegen deroselben Diener: Gegen seine Obrigkeit: Gegen Witben / und Wäysen: Und gegen die Armen verhalten solte: Worauf derselbe solche Ihm fürgelegte Artickel steif und feste zu halten beschwur / und angelobte / da man Ihm denn / nach gethanenen Schwerdt-Schlage / ein Schwerdt mit Golde beschlagen an die Seite gürtete / güldene Sporn anlegte / eine güldene Kette umb dem Halß hieng / und endlich zu diesem Ritter-Stande Glück wünschte. (Ritter und Adels Unterscheid.) Man führet unter die Gelehrten die Frage auf / ob der Adel / oder Ritterschafft den Vorzugk habe? Etliche sind der Gedancken / der Adel gebe der Ritterschafft nichts bevor / indem Er unter diesen Nahmen eigentlich begriffen / und zwar dahero / weil für einer geraumen Zeit so wohl in Italien als Teutschland die Edelleute bey entstandenen Kriege sich zu Roße mit in das Feld begeben / und deßwegen die Ritterschafft genennet worden. Wenn man aber eigenlich das Wort Ritter nehmen will / so ist ein Ritter vornehmet als ein Edelmann. Denn es läßet sich kein Ritter zum Edelmann / sondern ein Edelmann öffters zum Ritter machen / zu dem so wird kein Ritter gebohren / als wie ein Edelmann / sondern erwehlet. Und ob der Vater gleich ein Ritter / so kan er doch keinen Ritter zeugen / sondern Er muß darzu geschlagen werden / da gegentheils aus einem Unedlen ein Edelmann werden kan; Uber dieses so geneust ein Ritter alle Freyheit die ein Edelmann hat / ein Edelmann aber nicht alle die / so ein Ritter hat. Vordeßen durffte / nach mehrern Innhalt der Reichs-Reformation guter Policey von Anno Christi 1530. und Anno 1548. keiner von Adel eine güldene Kette tragen / welche über 200. fl. werth / da gegentheils einem Ritter dergleichen auf 400. fl. werth zu tragen erlaubet / hiernechst so durfften auch die von Adel vor fern aber des von Adels Charge sich gleichsam verdoppelte / und bey grossen Herren in vornehmen Diensten lebete / so hielte man solchen nicht geringer / sondern höher als den Ritter. (Der Ritterschafft Unterscheid.) Die Ritterschafft theilte man auff zweyerley Weise ein / nehmlich die / so sich streitbar erwiesen / und in die / welche von denen Rechten herkamen: Der Ersten gebrauchte man sich gegen die Feinde / und zu denen Nothleidenden (Sachsen Spiegels) / und der Andern für die Freunde / vermittelst des Rechtens / und der (Glossa Spec. Sax. lib. I. Artic. 3.) Gerechtigkeit / dahero man sie auch Ritter des Rechtens / oder des Friedens hieße / und pflegte nicht allein der Keyser alle diejenigen / welche durch das Schwerdt Land und Leute beschützten / sondern auch die / so sich durch das Recht der Weißheit in ihren Wachsthume erhielten / Ritter zu nennen. Nechst diesem musten sich auch die Ritter mit einem Eyde verpflichten / daß [16] sie GOtt / der Obrigkeit / und dem gemeinen Wesen treu seyn: den Tod nicht scheuen: Bey ereigneter Noth ihr Leben für das Vatterland auffsetzen: (Dero Freyheit) Die Armen beschützen: die Priester ehren: die Untergedrückten retten / und alle Aufwiegler verfolgen helffen wolten: Jhre Privilegia und Freyheiten waren nach dem alten Sachsen-Rechte / daß sie an keine gemeine Gesetze gebunden / ihr Testament über das / was sie durch ihre Ritterschafft erworben / bey ihrer Eltern Leben machen / sie durch Unwißenheit an ihren Rechten sich nicht versäumen / und ihre verpfändete Güter Zeit ihres (Verlust derselben.) Außenbleibens innerhalb Jahres-Frist wieder an sich lösen könnten. Es wurde aber ein Ritter seines Ritter-Standes verlustiget / wann Er sich (Specul. Saxon. art. 20.) von seinem Herrn zu desselbigen Feinde begab: Einem andern Ritter sein Wappen entwendete: An seines Generalen oder Feld-Herrn Tod schuld: Bey öffentlicher Schlacht die Flucht ergriffe / und sich sonst nicht Rittermässig bezeigte. Da man Ihm dann auf Erkäntnüß der andern Ritter mit besonderen Ceremonien sein Schwerd und Sporn hinwiederumb abgürtet / und also denselben durch einen Keyserlichen Herold der Ritterlichen (Etlicher Ritter-Orden Ursprung un̅ zwar der Ritter von der Tafel-Runda.) Würde entsetzte. Im Jahr Christi 490. lebte König Artus in England. Dieser war ein berühmter / streitbarer / und beydes zu Friedens-als Kriegs-Zeiten tapferer Held; und weil das Lob seiner Kühnheit sich durch die Welt ausbreitete / funden sich die behertzten und streitbaren Ritter bey Ihme ein / welche Er alle auff das freundlichste annahm / denenselben zu Ehren allerhand (Cassaneus lib. I. in Gloria Mundi conclus. 21.) Ritter-Spiele anstellete / und darbey die kostbaresten Kleinodien aufsetzte / darbenebenst aber täglich eine freye und offene Tafel hielte / darüber Niemand als der / welcher sich zuvor im Kriege wohl und Ritterlich verhalten / kommen durffte. Und damit es wegen der Oberstelle keinen Zanck / noch Widerwillen geben möchte / verordnete er eine rundte Tafel / umb welcher die Helden und Ritter rings herumb saßen. Dahero man sie nachmahls die Ritter von der Tafel - Runda genennet / und sollen derselben an der Zahl (Johanniter / Rhodiser und Maltheser-Orden.) 170. gewesen seyn. Die Johanniter-Ritter wurden anfangs Equites Hierosolymitani, hernach Rhodiser / und Maltheser tituliret. Denn weil ihnen der Egyptische Soldan umb einen jährlichen Tribut den vierdten Theil der Stadt (Volaterranus.) Jerusalem eingegeben / haben sie ein Hospital daselbsten in der Ehre Johannis eins Bischoffs zu Alexandria / und nachmahls zwey Clöster darzu gebauet: Jhre Ordens-Regel war unter andern / daß sie die Pilgrame aus Europa aufnahmen / ihnen nothdürfftigen Unterhalt rechten / und wann sie kranck / dieselben warteten / gestalt ihnen dann hierzu nicht allein von denen Italienischen Kauffleuten / so in der Orientalischen Stadt Molpha wohneten / jährlichen eine reiche Bey-Steuer zugeschicket / sondern auch wegen solcher ihrer Gast-Freygebigkeit Hospitaler / oder Hospitaler Ordens-Ritter genennet wurden. Jhre Kleidung war schwartz mit einem weißen Creutze nach der rechten Seite an der Brust / und wohneten an die 200. Jahr in Syrien / nachdem aber Jerusalem von den Saracenen eingenommen / und sie von dannen verjagt / haben sie sich der Insel Rhodis / so damahls die Türcken innehatten / bemächtiget / dieselbe an die 214. Jahr inne gehabt / und Rhodiser-Ritter geheißen. Endlich hat dieselbe Insel Anno 1522. der Türckische Keyser Solyman der Andere hart belägert / so gar / daß sie solche gantze Insel räumen / und sich auf Vergünstigung Keyser Carln des Fünfften in die Insel Maltha begeben müßen / woher sie bis auf den heutigen Tag die Maltheser Ritter genennet werden.
|| [17]
(Teutscher Ritter Orden.) Der Teutsche Ritter-Orden hat sich unter Keyser Heinrichs des 4ten Regierung entspunnen. Denn nachdem die Stadt Jerusalem durch den (Anno Christi 1090.) Hertzog von Boullion erobert / richtete daselbst ein vornehmer und reicher Teutscher mit Verwilligung des Patriarchen daselbsten ein Hospital / und (Spangenberg.) Capelle für die Pilgram auf. Anfangs hatten sie keinen sonderlichen Orden / noch Gesetze / sondern sie nahmen sich nur der Armen an / pflegten dieselben / und stritten nichts desto weniger / wann es die Noth erforderte / wieder die Unglaubigen. Und als sie sich mit der Zeit an der Zahl vermehreten / wurden sie an zeitlichen Gütern auch reich / schlugen sich zu den Tempel-Herren / so damahls ein sonderlicher Orden war / doch also / daß sie der Gast-Freyheit nicht vergaßen / sondern wer unter ihnen hurtig / starck / frisch / und gesund / der ließ sich zum Kriege gebrauchen / die Andern aber bleiben zu Hause / und nahmen sich / wie gedacht / der Armen und Krancken an. Diesen Orden bestetigte Pabst Calestinus der Dritte / und ließ zu / daß sie Ritter der Jungfrauen Mariae des Teutschen Hauses / oder Ordens hießen / einen weißen Mantel / und ein schwartz Creutze darauff / benebenst einen schwartzen Unter-Rock trugen / einen weißen blancken Helm mit einem schwartzen Creutze führeten / und Niemand dann ein Teutscher / und zwar von Ader gebohren / in diesen Orden genommen werden solte. Jhr Erster Ordens-Meister hieß Heinrich Waldpothe / der Ander Otto von Kerpen / der Dritte Herman von Bart / und der Vierte Herman von Saltze ein (A, C. 137.) Meißner. Zu dieses Zeiten kamen diese Teutsche Ordens-Herren auf Anhalten und Bitten Hertzog Conrads in der Mase / oder Massau in Preussen / und weil gleich dazumahl auch die Schwerdt-Brüder sich Liefland zu dem Christlichen Glauben zu Bringen unterstunden / und es ihnen allerdings nicht wohl wolte von statten gehen / schlugen sie sich zu dem Teutschen Orden. (Tempel-Herren. A. C. III) Als man im beygesetzten Jahre denen Saracenen die Stadt Jerusalem wieder abnahm / funden sich unterschiedene aus Europa mit ihrer beysich habenden Suite, darunter die Vornehmsten Hugo Paganus, und Gottfried von Sanct Andamar / daselbsten ein / brachten bey dem damahligen Patriarchen zu Jerusalem für / wie sie eine Gelübde keusch zu leben gethan / und begehrten dißfalls nach gewißen Regeln einen besondern Stand zu führen / und waren unter andern ihren Ordens-Regeln auch diese: daß sie zwar selbst Messe zu lesen nicht verbunden / sondern sie täglich zu hören: Eine gewiße Zahl des Tages Vater unser / und ave Maria zu beten: keusch / und züchtig zu leben: denen frembden Pilgramen / so aus Europa das heilige Grab zu besuchen in Syrien kommen würden / von der See bis gen Jerusalem / auch in andere heilige Städte / und von dannen zurücke bis wieder dahin sicher zu begleiten: Sie für die Räuber zu beschützen / und denenselben zum besten die Straßen / und die Wege rein zu halten schuldig / und verbunden seyn wolten. Diesen nun gab König Baldwin der Ander / de Burgo genannt / einen Platz neben dem Tempel zu Jerusalem eine Wohnung zu bauen ein. Dahero sie dann den Nahmen Tempel-Herren bekamen. Sanct Bernhardus schrieb ihnen die Regel ihres Lebens und Wandels für / sie lebeten unter Pabst Gelasio dem Andern in dem grösten Ansehen / und war damahls derselbe Anno Christi 1117. Einer von denen Allerreichesten Orden. (Sebellicus. Nauclerus. Volaterranus.) Aldieweil sie aber hernacher denen andern Kirchen ihre Güter / Zehenden / und dergleichen Einkünffte entzogen / ihre fast Königliche Intraden mißbrauchten / die Christliche Religion aus den Augen setzten / und ich vieler Laster theilhaftig machten / wurden sie von Pabst Clemensen dem [18] Fünfften mit Hülffe des König Philipps in Franckreich / auch andern Europ ceischen Fürsten und Herren ausgerottet / verbrennet / und durch allerhand Martter / und Pein hingerichtet / und einen guten Theil ihrer Güter / und Einkünffte denen Rittern zu Malta / Alcandara / und andern überlaßen. (andere Ritter.) Uber diese hat man auch andere geistliche Ritter-Orden / als da sind Sanct Petri / Sanct Jacobs / Sanct Marice / Sanct Mauritii / Sanct Lazari / Sanct Stephani / Sanct Michaelis / die Ritter Christi / des Mondens / uud des Sterns. Heutiges Tages aber werden die Teutschen / die Maltheser / die Ritter des Elephanten-Ordens / die zu Sanct Marx / des heiligen Geistes in Franckreich / die Ritter des güldenen Vließes / und des blauen Hosenbandes in England für die berühmtesten geachtet / und zwar was diese beyden letzten anbelanget; (Ritter Sanct Georgens und des Garters.) So brachte den Ritter-Orden Sanct Georgens / oder des blauen Hosenb andes König Edvard der Dritte in England zu Windsor auf. Etliche sagen / es wäre solches zu Ehren des Ritter Sanct Georgens / als den die (A. C. 1350. Sturmius in Calendario Sanctorum.) Engländer hiebevorn zu ihren Patron erwehlet: Etliche aber zu gefallen der Gräfin zu Salisburgk geschehen. Dann nachdem König Eduard einesmahls mit derselben einen Tantz gehalten / ihr darüber ein Knieband / Periscelis genannt / aufgegengen / der König solches aufgehoben / und die (Lymnaeus de Jure publico.) Herumbstehenden derübergelacht / hätte sich der König dieser Worte verlauten laßen: Hony soit qui maly pense: Vitupereter, qui malè cogitat, (Spangenberg.) vel dispereat, qui male ominatur: Der Hencker hole den / der hierunter (Wilhelmus Paradinus in Descriptione Angliae.) etwas böses gedencket / und es wird noch eine Zeit kommen / da man dieses Band noch in hohen Ehren halten werde / gestalt Er dann hierauf diesen Ritter-Orden des blauen Hosenbandes gestifftet. Etliche aber setzen einen gewissen Ursprung / und sagen: Es hätte König Eduard / als ein großmüthiger / tapfferer / und tugendhaffter Held sein Recht und den Anspruch / so seine Vorfahren an Franckreich gehabt / durch die Waffen zu behaupten gesucht / und zu dem Ende Königs Arturi Ritter-Orden der Tafel Runda wieder aufgerichtet. Nachdem aber König Philipp von Franckreich dergleichen Ritterliche Gesellschafft / dieser zum mercklichen Abbruche / auch angestellet / hätte König Eduard auf andere Mittel gedacht / und als Anno Christi 1346. beyde Könige mit ihren Armeen bey Cresciato gegenander gerückt / und nunmehro die Schlacht angehen sollen / Eduard befohlen / daß Ein ieder von den Seinigen zum Kennzeichen umb den lincken Schenckel ein blau Band / oder Riemen binden und schnüren solte / worauf es damahls / als die Schlacht angegangen / und die Frantzosen den Kürtzern gezogen / bey diesem blauen Hosenbande / oder Garten / als ein Kennzeichen des erhaltenen Sieges verblieben / Alldieweil aber nach Absterben König Philipps in Franckreich sein Sohn Johannes Anno Christi 1349. den Stern-Retter-Orden gestifftet / hätte Ihme König Eduard nichts nachgeben / sondern ein Jahr darnach zu seinem Ritter-Orden Sanct Georgens auch dieses blaue Hosenband / oder Garter gesetzet / also daß es zu ewigen Zeiten ein besonderes Symbolum, und Emblema dieses Königlichen Ritter-Ordens seyn und bleiben solte. (Ritter des Güldenen Vlies oder Vellus.) Den Spanischen Ritter-Orden / das güldenen Vlies / oder Vellus, genannt / betreffend / so hat solchen Hertzog Philipp in Burgund / als er seine dritte Gemahlin die Isabella des Königes aus Portugall Fräulein Tochter / geheyrathet hatte / gestifftet / un̅ dadruch sich die Grösten und vornehmsten seines Reichs verbündlich gemacht. Anfangs sind in demselben mit ihren Ober-Haubte / welches allezeit ein Hertzog von Burgund seyn muß / nur 25. gewe [19] sen / Anno Christi 1432. aber ward in der Versamlung dieser Ritterschafft die Zahl biß auf 31. und Anno Christi 1506. von König Carln bis uf 51. vermehret / worzu dann nicht allein Fürsten / Graffen / und Herren / sondern auch wohlverdiente von Adel genommen wurden. (Jacob. Majerus lib. 10.) Jhre Ordens-Regeln bestehen von 94. Articeln / und unter andern auch diese darinne: daß man den Obersten deß Ritter-Ordens hold / und getreu sey: Hingegen aber Er ohne Vorbewust deß grösten Theils der Ritterschafft nichts anfange. Alle Jahr auf S. Andreae Tag / oder den 2. Maji. entweder in Person / oder durch einen Gevollmächtigten zusammen kom̅e: Der älteste den Jüngern in Sachen den Orden belangende / ausgenommen Keyser / Könige / und Hertzoge / in Reiten / Stehen / Gehen / Sitzen / und dergleichen vorgehe / und kein Ritter von ihren beschriebenen Ordens-Rechte / und Processe appelliren könne: Jhre Kleidung solte bey ihren Zusammenknüfften seyn ein langer Mantel von rothen Scharlach / oder Carmesien-Atlas mit weißen Taffend gefüttert / der zu beyden Seiten bis auf die Erde offen / der Saum rings umbher gesticket / und einem Gebrähme wie Feuerstein / und Eisen gebildet / zusambt einen Scharlachenen Hute. Jhre Obersten des Ritters sind bis auf den heutigen Tag die Könige in Spanien gewesen / als Hertzog Philipp von Burgund / Herzog Carl Philippi Sohn / Ertz Herzog Maximilianus in Oesterreich / Ertz Herzog Philipp in Oesterreich Maximiliani Sohn / Keyser Carl der 5. Philippi Sohn / König Philpp in Spanien Keyser Carls Sohn / König Philipp in Spanien der Ander / Dritte / und Vierdte / biß auf diesen ietzigen. Unter diesen Orden waren vor Alters auch König Alphonsus / Johannes / Emanuel / und Johannes der Andere in Portugal / König Eduard / und Heinrich in England / König Ferdinand in Castilien / König Ferdinand zu Neapolis und Sicilien / König Franciscus der Erste in Franckreich König Ludowich in Ungern / König Christiernus in Dennemarck / König Sigismund in Polen / König Maximilianus in Böhmen / und König Jacobus in Schottland / von den vornehmsten deß Reichs aber Herzog Albrecht zu Sachsen / Herzog George zu Sachsen / Pflatz-Graf Friedrich beym Rhein / Marggraf Johannes zu Brandenburg / Herzog Philipp in Beyern / Herzog Albrecht in Beyern / Herzog Heinrich von Braunschweig / und Andere mehr. (Der Ritter-Spiele Nutzen.) Die Ritter-Spiele sind eines von denen ältesten. Nachdem Alexander Magnus gantz Asien unter seine Bothmäßigkeit gebracht / un̅ eine zeitlang zu Babylon stille lag / begaben sich theils der Seinigen auf das Stehlen / Spielen / Panqvetiren / Fressen / Sauffen / Huren / und andern Wollüsten. (Quintus Curtius.) Weil nun derselbe die Unordnung seines Kriegs-Volkes wahr nahm / und daß aus solchen Müßiggange denen Lastern Thor und Thür aufgethan / auch mit der Zeit gar um das / was Er mit so vielen Schweiß und Blutvergiessen an so vielen Ländern erobert / wieder gebracht werden dürffte / befahl Er / daß man in selbiger Zeit allerhand Turniere / und Ritter-Spiele halten sollte / damit bey selbigen man die Kriegsleute wiederum aufmunterte / sie ihrer Mannheit und Stärke erinnerte / und darüber andere unbefugte Händel unterließe / welches dann auch geschahe / und wurden bey solchen Stechen und Turnieren offters mehr Menschen verwundet / als fast in einen andern scharffen Treffen. Gleichwie nun die jenigen adelichen Exercitia, und Ritter-Spiele / welche man heutiges Tages annoch in Gebrauch hat / weit besser und höher zu achten / als Etliche der Alten Wettlauffen / und Rennen / Ring- und Fecht-Kampf / indem unter dem [20] Ritter-Nahmen nicht allein Keyser / Könige / Fürsten / Grafen / Herren / und die von Adel / auch andere mehr mit begriffen; Also sind auch unter solchen Ritter-Spielen alle zuläßliche Leibes-Ubung / als da sind Jagten / Reiten / Tantzen / Hetzen / Beitzen / Turnieren / und Ringk-Rennen unverboten / inmasen man durch solche nicht allein geschwinden und hurtigen Leibes / sondern auch eine solche Geschicklichkeit erlanget / daß man sich hernacher in Krieges- und Friedens-Zeiten bey Potentaten deren bedienen kan / Nichts hat der Mensch lieber als sein Leben: Wofern Er nun in demselben was gutes verübet / so bleibet sein Gedächtnus in der Welt / und sein Name in dem Gerüchte. Eines andern Adel adelt keinen / der sich nicht selbst mit der Tugend adelt: das Wort eines Helden fasset in sich allen Ruhm / den man der Tugend zu ertheilen schuldig: Jhre Zeichen sind Wercke / wodurch das Gute von dem Bösen unterschieden wird / und wer sich dieser befleissiget / der hat Ruhms und Ehre genug. Und obwol (Franciscus Patricius lib. 2. de institur. Reipub.) die Turniere in Geist- und Weltlichen Rechten verbotten / und aufgehoben / indem offtermahls Leib und Leben darüber drauf gegangen / so ist doch solches nicht von denen Ritterlichen Ubungen zu verstehen / worinne man sich an Königlichen / und Fürstlichen Höfen / in Gegenwart grosser Herren / tapfferer Ritterschafft / und der Zuschauer durch seine Waffen / Tapfferkeit / und Stärcke einen guten Ruhm / und Lob erjaget / und darbenebenst zeiget und weiset / was man sich bey ereignetem Ernste / und auf dem bedürffendem Nothfall zu Ihme zu versehen. (Turniere Ursprung.) Es haben aber die Ritter-Spiele ihren Anfang / und Ursprung von der Alten ihren Schau-Spielen / die sie auf öffentlichen Theatris repraesentirten / genommen / gestalt man da lieset / wie zu Zeiten Kayser Augusti / Caligulae / Claudii / Neronis / und Domitiani unterschiedene dergleichen angestellet / worbey man die jenige / so gegen einander zu Ehren deß Martis / Vulcani / und Mercurij stritten / Pugiles und Scutatores, Etliche aber Retiarios nennete / indem diese Letzteren unter ihren Schilden Netze hatten / wormit sie ihre Gegner / wann sie sich nicht wol vorsahen / unverhofft (Wehnerus in Thesauro practico f. 632.) verwickelten / und dardurch überwanden. Das Wort Turnieren rechnet man von Tyro her / unter welchem die Alten Teutschen die junge Mannschafft zum Kriege verstanden haben / und heist man dasselbe ins gemein auch Hastiludium, Etliche aber wollen dieses Ritter-Spiel von Troja / und dem (Virgilius lib. 5. AEneid.) Tode des Thesei Königes AEgaei zu Athen Sohne her beweisen / welches nachmals von Trojanern uf die Römer / Gallier / Italiener / und Teutschen gebracht worden wäre. Jhr Aufzugk zu solchen Turniere war an (Aufzüge.) Waffen und Harnischen prächtig: An Kleidern kostbar: An Pferden stattlich: An Wapen / und Schildern sinnreich / und am Livree, oder Liebereyen / ansehnlich: die Farben / so am scheinbarsten / wurden für die Edelsten gehalten / und urtheilete man gemeiniglich aus denselben / und auf den Schilde und Wapen führenden Sinnen bildern des Ritters Verstand. Die weiße (Farben.) Farbe bedeutete Licht und Reinlichkeit / Weißheit / Unschuld / Keuschheit / und Freude: die schwarze Betrübnuß / Demuth / und Unglücke: die güldene Verstand / Ansehen / und Hoheit: die blaue scharffsinnig / treu und beständig: die tunckle / unabsetzlich oder nachdrücklich: die rothe / Begierde zur Tugend: die Grüne Hoffnung / Schönheit / Trost / Frölichkeit / und Freude: die Purpur Majestatisch: die leibfarbene Siegreich: die gelbe hochmüthig / und also weiter. (Wapen / Schilder / und Helm.) Und gleichwie die Griechischen Könige / als da waren Agamemnon zu Mycen in seinem Schilde einen Leuen-Kopf: Der Held Hector Königes [21] Priami zu Troja Sohn zweene güldene Leuen in rothen Felde: Der Königliche Printz Theseus einen Ochsen: Alexander Magnus einen güldenen Stuhl in blauen Felde: Seleucus einen Stier: Die Athenienser eine Nachteule: Die Albaner eine Schild-kröte: Jupiter den Blitz: Hercules den Bogen: Mars das Schwerdt: Saturnus die Sense: Neptunus die dreyzäckigte Spitze: Die Thracier den Martem: Die Perser den Bogen: Die Phoenicier eine Katze: Die Argiver eine Spitzmaus: Die Africaner einen Elephanten: Die Gothen einen Behren: Die Francken einen Löwen: Etliche aber Pfauern / Drachen / Adler / Geyer / Salamander / Einhorne / Schlangen / Füchse / Wölffe / Greife / Hunde / Biber / Thürne / Fische / Vögel / allerhand Thiere / Kräuter / Blumen / und Erd-Gewächse führeten; Also ist auch heutiges Tages noch / wie bekant / diese Art und Weise in Ubung / und so viel Schilde und Wapen man nach der Zeit aufgebracht / so vielerley Bedeutungen haben auch dieselbigen. Die Cassides, Heaulme, oder Helm / so das Haupt gleichsam verhelen / und bedecken / sind unterschiedene: Etliche der Könige führen in denselben Eilff Reiffen / die Fürsten neune / die Herzoge sieben / die Grafen und Freyherren sünffe / die Ritter / und Edle dreye / die Knechte aber blinde mit gewissen Löchern. Es sind aber diese obige von den Stech-Helmen unterschieden / indem sie um des Turniers willen verschlossen: Bey denen Königen in Franckreich haben vordessen die Helm ganz gülden / der Fürsten ihre silbern mit Edelgesteinen besetzt / und der Edlen ihre nur von Eisen / und am Rande herum verguldet oder versilbert seyn müssen / und pflegte man / nach mehrern Inhalt des Turnier-Buchs / zuvorhero das ganze Turnier-Gezeug zu besehen / Schild und Helm aufzuweisen / und besichtigen zu lassen / ob solches alles für tüchtig erkennet / und verstattet werden (Helm-Dekke.) könte. Die Helm-Decke / so in einer Wulst / Binde / Crantz oder Crone bestehet / sagen Etliche / hätte seinen Ursprung von der alten Teutschen (Polybius lib. 6. c. 21.) Ochsen und Thier-Häuten genommen / aldieweil sie sich nicht nur darein (Vegetius. lib. 2. c. 16.) gekleidet / sondern mit deroselben Häuptern und Hörnern auch ihre Häupter gezieret / damit sie ihren Feinden desto grausamer und erschrecklicher vorkommen möchten. (Der Zwey-Kampf.) Es ist nicht allein bey den alten Teutschen / sondern auch längst zuvor bey andern Völckern der Gebrauch gewesen / daß sie ihre streitige Sachen durch das Faust-Recht beygelegt / dort forderte der ungeheure Riese Goliath (Cluverus de Germania antiqva.) einen unerschrockenen Israelitischen Kriegs-Mann zum Duell heraus / tratt mit seinen Schwerdte und Spiesse herfür / und rief überlaut: Was seyd ihr ausgezogen Euch zu rüsten in Streit! Bin ich nicht ein Philister / und ihr Sauls Knechte? Erwehlet euch Einen unter Euch / der zu mir (I. Samuel. 17.) herab komme? wird Er wider mich streiten / und mich erschlagen / so wollen wir eure Knechte seyn / überwinde ich aber ihn / und schlage solchen / so sollet ihr unsere Knechte seyn / daß ihr uns dienet? Und dieses herausfordern währete gantzer 40. Tage / biß sich der Held David angab / und den Riesen überwand. Nichts neues ist es / daß öffters zwey Kriegs-Heere sich gegen einander gelagert / und die Vornehmsten zwey Häupter unter sich verglichen / daß sie zu Verhütung so vieler Menschen Tod / und Verheerung Land und Leute ihre Streitigkeit auf einen Kampff stellen wolten / und auf welches Seite der Sieg durch das Glücke fiele / Er deß Andern Bedingungen / und Vorschläge eingehen sollte / welches dann auch erfolget. (Livius.) Ein Exempel dessen hat man an den Römern nnd Albanern. Diese lagen einander wegen der benachbarten Landschafft stets in den Haaren / biß sie letztlich mit Heeres-Macht gegen einander ruckten / und den Ausgang des [22] Krieges mit einer Schlacht versuchen wollten: Der Albaner Dictator, oder Oberste Regent begehrte zuvor mit dem Römischen Könige Tullio Hostilio zu reden / und nachdem sich beyde in ein Gespräche eingelassen / that derselbe diesen Vorschlag / daß man die Sache / weil die Römer und Albaner zugleich einen allgemeinen Feind an den Vejensern / einem Volke in Hetrurien hätten / uf das Glücke und die Tugend etlicher streitbaren Ritter stellen sollte: Tullius gieng diesen Vorschlag ein / un̅ ward zu beyden Theilen ein Bund gemacht / daß auf welches Theil der Sieg fallen / selbiger über den andern herrschen sollte. Hierauf wurden auf Seiten der Albaner drey Brüder die Curiacii, und bey den Römern drey Brüder die Horatii genan̅t / zu solchem Kampffe erkieset. Und als auf den bestim̅ten Tag dieselbe Sechse in den Schranken / welcher in den freyen Felde aufgeschlagen / gegen einander Ritterlich fochten / und beyderseits Partheyen wegen deß Sieges un̅ Glückes ungewissen Ausganges in Sorgen stunden / begab es sich / daß zweene Horatii umkahmen / und der dritte ohne Wunde übrig / die drey Curiacier aber alle noch am Leben / iedoch hart verwundet waren. Da dieses der einzige Horatius sahe / gebraucht er sich zu seiner Mannheit deiser List: Er ließ gleichsam aus Furcht sich vondenen dreyen so lang in den Schranken herumb treiben / biß er merckte / daß sie müde / und ihnen ihre Kräffte allgemach entgangen / alsdann setzte er an Einen nach dem andern / und überwand sie letzlich mit grosen Frolocken der Römer / und höchster Bestürzung der Albaner / welch darüber ihre Freyheit verlohren. In England zanckten sich zween Ritter / Namens Cnut und Edmund um dasselbige Königreich / und weil sie beyde tapffere Helden / so hielten sie auch unter einander unterschiedene Treffen: Endlich machtenn die Reichs-Stände einen Schluß / daß / indem sie beyde die Regierung suchten / sie solches ihr vermeintes Recht durch einen Zwey-Kampf ausführen solten / welches auch geschahe / und nachdem sie eine gute Weile mit einander gekämpffet / erkannte Cnut sein Unrecht / und überließ seinem Vetter das Reich. Als des Griechischen Keysers Theodosii des Jüngern Feldherr Procopius wider die Perser zu Felde zog / schlugen die Perser vor / daß man von beyden Theilen Einen zu einem offenen Kampfe erwehlte / und welcher von diesen beyden dann verliehren würde / der sollte von den andern den Vergleich eines 50. Jährigten Friedens annehmen. Zu diesem wurde uf Seiten des Keysers der Ritter Arcobundus / uf Seiten der Perser aber Socristus beniehmet / und da man sie zusammen gelassen / rennte der Keyserliche mit seiner Lanze den Perser vom Rosse / und erwürgte ihn. Der Kämpfe waren bey den Alten dreyerley: Die Ersten geschahen zu Erspahrung vielen Blutvergiessens / wie an dem vorhergehenden Exempel zu sehen: Die Andern bey den Griechischen / und Römischen angestellten Spielen / und Leichen-Begängnüssen / da man solche Kämpfer aufführete / und deren Seelen aus Lust dem Teufel opferte: Die Dritte̅ aus eigner Rachgierigkeit / da Einer von dem Andern an seinen guten Name̅ / Ehre / und Leimuth verletzet zu seyn vermeinte / und solche durch das Schwerdt zu verfechten suchte. Wan̅ nun Einer dem Andern die Hand drauf gab / und nicht erschiene / der verlohr sein Ansehen / ward für feige und verzagt gehalten / und kunte unter die Zahl der Ritter nicht gerechnet werden / un̅ das war die Ursache / daß solche Kämpfe bey groser Herren Höfe so gemein / und der Hochmuth der Vernunfft hierinne̅ keinen Platz mehr verstatten wollte. Den̅ es hatte̅ auch die alten Teutschen diese schändliche Gewonheit / daß sie ihre streitige Sache̅ meistentheils durch ein Turnier-Kampf zu Pferde aus [23] führeten (Bodinus. AEneas Sylvius.) / indem sie dafür hielten / daß solches eine Probe ihres Beweises wäre: Es verhielt sich aber mit dem Kampffe also: der Kläger both dem Beklagten einen Handschuch / welcher entweder denselben annahm / oder sich zu der beschuldigten Sache bekennen muste: war dieselbe peinlich / und beyde Partheyen wolten sich in der Güte nicht vergleichen / musten sie mit einander umb Leib und Leben kämpffen / war sie aber bürgerlich / so muste sich der / welcher den Kampff zu Roß / oder Fuß verlohr / dem Andern ergeben. Wann dahero die bestimmte Zeit zum Turnier herbey kahm / wurde auf dem Platze eine Schrancke aufgeführet / die Richter erkieset / zwey Todten-Bahren mit Kertzen herbey gebracht / ihnen gleiche Waffen und Harnische gereicht / und nachdem man dreymahl nacheinander mit lauter Stimme geruffen / rennten sie aufeinander los / und that ein jeder darbey sein Bestes. Wer nun von dem Einen verwundet ward / und sich dem Andern ergab / der wurde für Ehr-loß geachtet / durffte auf kein Pferd mehr sitzen / viel weniger Wehr und Waffen tragen / den jenigen aber / so todt blieb / bestattete man ehrlich zur Erde / und hielte hernach den Hinterbliebenen in desto größern Ehren / es möchte mitlerzeit das böse Gewissen ihn nagen / und plagen / wie es wolte / so gar hat der Teufel dem Menschen die Reputation eingebildet. (Abschaffung deßelbigen.) Nachdem man aber wahrgenommen / daß hinter dieser Probe auch die Warheit ungewiß / und öffters der jenige selbsten / welcher die gerechteste Sache gehabt / überwunden worden / hat man solche / weil sie wider GOtt / und alle weltliche Gesetze / abgeschafft / indem man hierinne weder der Stärke noch der Tapfferkeit eintziges Lob beyzumessen hat. Denn so lange ein vermeintes / und ein geführtes Recht nicht mit der Gerechtigkeit verknüpfet / so läufft es wider GOtt / wider seinen Nechsten / und wider sich selbst: wider GOtt / denn Ihme und keinem gebühret die Rache / und kan ein solcher in seiner eigenen Sache nicht selbsten Kläger / Zeuge / Richter / und Executor seyn: wider den Nechsten: denn man soll nicht tödten / und entfliehet gleich ein Thäter der weltlichen Straffe / so entgehet er doch Gottes Hand nicht / die ihm darfür die ewige Verdammnis zur Straffe aufgeleget: Wider sich selbst: Denn die Seele / welche ohne Gottes Geheiß aus dem Menschlichen Cörper getrieben wird / kömmet nicht zu GOtt / das ist / wann ein Mensch sein Leben / als eine teure Gabe Gottes also geringschätzig hält / und dieselbe auf die Spise des Degens / oder ein ander tödtliches Werckzeug setzet / der verliehret dadurch seine Seeligkeit / in dem / wann er so liederlich getödtet / dadurch in seinen Sünden stirbt / und an statt der zeitlichen (Thuanus l. 3. hlstor.) Ehre sich in den ewigen Tod und Verdammnis stürtzet. An König Heinrichs des Andern in Franckreich Hofe zu S. Germain veruneinigten sich wegen etlicher ausgegossener Schmäh-Worte zweene Edelleute / Nahmens Jarnac, und Castanoeus. Weil nun der König dem Castanoeo geneigter als dem Jarnac war / der ohne dieß wegen eines Fiebers noch ziemlich matt und schwach / befahl er den Handel durch die Faust auszuführen / nachdem man aber den Schrancken aufgerichtet / der König / und die Königin / mit ihrer Hof-Stadt zusahen / und Castanoeus auf seine Stärcke trotzte / Jarnac aber GOtt im Hertzen um Beystand anruffte / ward Castanäus darüber erstochen / und beschloß hierauf der König / daß Er keine Balgerey nimmermehr verstatten wolte. Es nahm aber dieser des Königes unglücklicher Anfang seines Reichs auch einen unglücklichen Ausgang. Denn nachdem der König eine Zeit hernach zu Paris einen Turnier anstellete / ward er von dem Mourmorence mit einer Lantze ohnegefehr durch das Casquet in ein [24] Auge gestochen / daß Er darüber zehen Tage darauf sein Leben aufgeben muste. (Keyser Heinrichs des Ersten angestellte Turniere und Ritter-Spiel.) Ob nun wohl die Turniere / auf Leib / und Leben / wie gedacht in denen Geist- und weltlichen Rechten verbothen / alldieweil auch die Seelen-Gefahr darauf beruhet / so ist doch solches nicht von denen Ritterlichen Ubunge zu verstehen / deren man sich an Königlichen / und Fürstlichen Höfen / dadurch in den Waffen geschickter zu machen / bedienet. Die Alten hielten bey (A. C. 935.) ihren Turnieren genaue Obsicht unter den Adel / welche für allen Andern mit der Turniers-Gerechtigkeit privilegiret und befreyet wurden. Denn es lies Keyser Heinrich der Erste denen damahls bey sich habenden Fürsten / Grafen / Herren / Rittern und Edeln zur Ritterlichen Ubung / auch Anzeigung der Tugend / Tapfferkeit / und Erbarkeit etliche Artickel auffetzen / daß nehmlich zu solchem Turniere Niemand / Er sey dann von Geburth / und zugleich auch von Tugend edel zugelassen werden solte; Es hat aber nicht die Meinung / als ob Keyser Heinrich das Turnieren bey den Teutschen zu erst ausgebracht / immassen solches lange zuvor üblich / und / wie aus den alten Helden-Büchern wahrzunehmen / im Gebrauch gewesen / auch an Keyser Carln dem Ersten / und dessen Sohne König Carln zu sehen. Als derohalben dieser löblichste Keyser durch seine Tapfferkeit / mit Hülffe der Teutschen Fürsten / die Sclavonier / Wenden / Böhmen und Dalmatier überwunden / und ihm Jahre Christi 930. mit 69000. Mann wider die Ungern zoge / sie gleichfalls vertriebe und verjagte; So berathschlagte Er sich nach solchem Siege mit etlichen Fürsten und Herren / richtete einen neuen Turnier auf / und verordnete 12. Artickel / auch unter andern dieses: Daß wo Einer / oder der Ander dieselben nicht halten / und sie bey wehrenden Turniere brechen würde / derselbe in offenem Turniere geschimpffet / geschlagen / und mit ihme umb das Pferd turnieret / er auch auf die Schrancken gesetzet werden solte / damit man aber hierbey auch sehen möge / wie damahls das gantze Turnier-Recht beschaffen / so sind es folgende Artickel gewesen / deren Ersten der Keyser selbsten gesetzet / und verordnet / und zwar. (Turnier-Artickel.) 1. So solten alle diejenigen / welche Rittermässig von Adel gebohren / oder Herkommens wären / und wissentlich oder freventlich wider die Heilige Dreyfaltigkeit und Christliche Kirche mit Worten und Wercken handeln würden / zu keinem Turniere gelassen werden / würde aber Einer deme zu wider mit Einwendung eines Geschlechtes / oder seiner Vorfahren Adelichen Tugenden einreiten / mit deme / oder demselben / solte man in offenen Turniere um das Pferd Turnieren / und ihn / nach Turniers-Freyheit / und Gerechtigkeit auf die Schrancken setzen. (Pfaltzgraf Conrads beym Rheine Artickel.) 2. Derjenige von Adel / welcher wider der Keyserlichen Majestät Gebot / und Verbot / oder auch wider das heilige Römische Reich freventlich und verächtlich mit Worten / oder Wercken / heimlich oder öffentlich handelte / der solte zu keinen Turniere gelassen / oder wo er sich eintringe / nach Turniers-Gerechtigkeit gestrafft / und ausgesetzet werden. (Hertzog Hermanns in Schwaben Artickel.) 3. Wer von Adel Frauen oder Jungfrauen verunehren / schwächen / oder dieselben mit Worten oder Wercken seiner Ehre schmähen würde / der solte bey offenen Turniere für allen Frauenzimmer / und männiglich für einen Frauen- und Jungfer-Schäder gestrafft und ausgemustert werden. (Hertzog Bertholds in Beyern Arlickel.) 4. Der Edelmann / so siegelbrüchtig und für meineydig / und Ehr-loß erkennet / und dafür gehalten würde / der solte zu keinen Turniere gelassen werden.
|| [ID00031]
|| [ID00032]
|| [25]
(Herzog Conrads in Franken Articel.) 5. Der jenige von Adel / welcher seinen Herren verrathen / oder von demselben aus dem Felde geflohen / oder in andere Wege ohne Noth die Flucht ergriffen / oder seinen Unterthanen Einen unverschuldet / und ohne Recht umbgebracht / der sollte zu keinen Turnier nicht tüchtig geachtet werden. Und nachdem obige vier Fürsten / als damahlige Feld-Haupt-Leute deß Reichs / ietzbenennte vier Articel von sich gestellet / erwehlete Ein ieder an seine Statt einen Turnier-Vogt / welchen sie auferlegten / daß sie nicht allein über die vorgesetzten Artickel fleissig rathschlagten / steiff und feste hielten / sondern auch deren mehr / und zwar zwölffe an der Zahl / aufrichteten. Diese vier Turniers-Vögte wurden us des Keysers / und der andern Fürsten und Herren Befehl von den funffzehen Turniers-Räthen in die Pflicht genommen / Turniers-Könige und Voigte genennet / und was ihr Ambt seyn sollte / ihnen angezeiget / und waren dieses die Turnier-Vöigte wegen Rhein-Strohm Herr Meinhülff von Erbach / wegen Beyern Herr George von Wolfarishausen / wegen Schwaben Herr von hohen Heuen / und wegen Francken / Herr Ernst von Grumbach. Diese setzten sich nach empfangenen Befehl / und erfolgter Bestetigung nieder / und ordneten den (Der vier Turnier-Vöigte Artickel.) 6. Welcher von Adel seinen Both-Genossen heimlich / oder öffentlich umbrächte / oder daß sein eigener Herr ermordet / Raht und That darzu gäbe / der sollte zu keinem Turniere gelassen werden. (Der Turnier-Räthe Artickel.) 7. Welcher von Adel die Kirchen / Clausen / Wittben und Wäisen beraubte / oder ihnen das Ihrige mit Gewalt vorenthielte / der sollte gleichfalls darvon ausgeschlossen seyn / fintemahl einem Rittermäsigen vom Abel gebühret / dieselben viel mehr für aller Gewalt und Unrecht beschützen / und handzuhaben. (Dergleichen Turnier-Räthe Artikel.) 8. Alle von Adel würden von ehrlichen Ritter-Spielen ausgeschlossen / welche Einem Andern ohne Ursache feind und aufsätzig / Hauß / Hoff / Wein / Früchte und das Korn abbrenneten / deßgleichen für öffentlicher Strassen. Räuber zu halten / wann sie einer öffentlichen oder heimlichen That bezüchtiget / es geschehe nun gleich durch sie selbst / oder mit Vorbewust seiner durch die Ihrigen. (Der Turnier-Räthe Artickel.) 9. Alle die von Adel / welche in dem Reiche / ohne Vorbewust deß Römischen Keysers und ihrer Obrigkeiten Neuerungen / und Auflagen / es sey gleich in Fürstenthümern / Herrschafften / Städten / oder andern Gebiethen zu Wasser und Lande / dadurch der Kauffmann der Strassen zu gebrauchen verhindert / oder die anstossenden Lande zusamt ihren Einwohnern an Nahrung / Leib und Guth beschädiget / zu belegen unterstehen würden / die sollten deß Turniers unfühig seyn. (Der Turnier-Räthe Artickel.) 10. Alle die von Adel gebohren / oder herkommen / und die Ehe gebrochen / oder die Weibs-Bilder geschändet / mit denen sollte man in offenen Turniere umb das Roß Turnieren / und sie / nach Ausweisung des Turniers-Freyheit / auf die Schrancken setzen. (Deß Keyserl. Secretarii Philippi zwey Articel.) 11. Welcher von Adel sich in seinem Stande anders / als sein adelicher Stand mit sich brächte / von seinen adelichen Rechten und Gülden / so ihm seine Erb- und Dienst-Lehen / Rath / Geld / Herren-Besoldung / oder Eigenthum jährlich trüge / sondern mit Kauff-Schlagk / Wechseln / Vorkäuffe / Umbschlägen / und dergleichen Handel ernehren / oder seinen Einkommen damit zur Schmach und Verachtung seines Adels / vermehren / oder Andern das Brod für dem Maule abschneiden wür [26] de / der sollte zum Turnieren nicht zugelassen / und wo er darwider einreiten / und Turnieren wollte / mit ihme umb das Roß Turnieret / und nach Erkanntnüs uf die Schrancken gesetzt werden. 12. Die jenigen / so von ihren Eltern nicht Edelgebohren / noch Herkommens / und solchen mit ihren vier An-Herren / nicht erweisen könnten / sollten zu keinen Turniere gelassen werden. Nachdem also die 12. Artickel abgefasset / wurden selbige dem Keyser und Fürsten gebührend vorgetragen / und als sie solcher Gestalt für gut / nützlich / und heilsam befunden / vom Keyser bestetiget. Hierauf ward vor annoch beschehenen Turniere von dem Keyserlichen Secretario das jenige / was des Turniers-Freyheit / und Ordnung / auch den ganzen Zugk belangende / hinzugethan / und zwar: (Verkündigung der Turniers. Freyheit.) 1. So sollte Männiglichen / und allen denen / so den Turnier besuchten / die Plätze und Städte / da man auff den Turnieren Herberge nehmen würde / so weit sich deroselben Becirck belieffe / frey und offen seyn / ausgenommen Ketzern / Mördern und Verräthern / und solche Freyheit 14. Tage vor und nach dem Turniere währen. 2. Der Turnier-Platz sollte die Woche / in der man sich zum Turniere fertig machet / für allen Sachen wegen derer die Turnieren sollen / befreyet seyn. 3. In solcher Zeit sollte an keinem Orthe über die Turnieres-Genossen anders als Turnier-Recht gehalten werden. 4. Wie dann keiner ungebeichtet in den Turnier zu reiten. 5. Viel weniger ein Unedler bey Straffe 20. Marck Silbers mit seinem Zeuge und Roß / sich da einzufinden befugt seyn. Wann aber Einer von Adel eines ehrlichen Bürgers oder Bauers Tochter zur Ehe hätte / der könte zwar wohl / iedoch nicht ungeschlagen / und ungestrafft / wie auch seine Kinder biß in das dritte Glied / zugelassen werden. 6. Zu einem ieden Turniere sollte nicht mehr dann ein Helm eines Geschlechts einreiten / und Turnieren / es wäre dann ein Ritter unter Ihnen / der für sich selbst Turnieren mögte / die Andere aber sollten alle für das gantze Geschlechte ihres Nahmens und Stammes Turnieren. 7. Einem Grasen sollten nicht mehr bey angestellten Turniere als sechs / einem Herren vier / Einem Ritter drey / und einem Edelmann zwey Pferde zur Auslösung passiret werden / und wer derer mehr mit sich brächte / der hätte sie aus seine Kosten zu unterhalten. 8. Und in welchen Geschlechte auch Einer wäre / der vorbenannter zwölff Turnier-Artickel einen / oder mehr auf Ihm hätte / oder wüste / und darüber das Turnieren suchte / und wollte für das gantze Geschechte Turnieren / so sollte sein Gesellschaffts Knecht einen Ehren-Hold zu sich nehmen / und ihme die Straffe seiner Verwirkung anmelden / daß er / sobald man sein Wappen sehen würde / gestrafft und geschlagen werden müste. Wollte dann Ein anderer seiner Freunde Einer solche Straffe für Ihn tragen / so sollte solches durch den Ehrenhold dem Voigt deß Turniers / unter den Er gehörig / angezeiget werden / damit man desto güttiger mit demselben gebahre / und es auch zuvor ausgeruffen werde: Wie nämlich ein frommer und ehrlicher von Adel unter diesen Wapen / der für seiner Freunde Einem Turnieren wolle / zu finden / und sich deßwegen schlagen laßen wollte / aufdaß das Frauen-Zim̅er / und Männiglich wüste / daß solcher nicht für sich / sondern für einen Andern geschlagen würde / wolte [27] aber Jener / der straffbar wäre / selbst Turnieren / so sollte man Ihm auch solches / iedoch daß ihm vorhero die Straffe angekündiget / nicht abschlagen. 9. Da aber ein solcher / der straffbar worden / ausenbliebe / und den Turnier nicht besuchte / so sollte man Ihn zum andern Turnier fordern / und da er fernerweit aussen bliebe / so dann sein gantzes Geschlechte hierzu beruffen / damit sie entweder Ihn selbst in eigner Person in die Strafe des turnieres stelleten / oder daß sie zweene andere ihres Geschlechtes Nahmens / und Stammes an seine Statt bey Verlust ihrer Turnier-Freyheit schicken möchten. Welcher Turniers-Genosse aber Zeit währenden solchem Ungehorsams in dasselbe Geschlechte Einen heyrahtete / dieselbe und alle seine Kinder und Nachkommen sollten auch mit dergleichen Geschlechte so lange in Busse stehen / biß sie wieder von ihrem Turnier-Voigte und Richter desselbigen Gerichts zu Gnaden aufgenommen worden und von neuen darzu gelassen wären. (Das Turnier-Gezeugk.) 10. Und so der bestimmte Tag / da das Turnieren angienge / kähme / so sollte sich ein ieder / der da Turnieren wollte / bey seinen Turnier-Voigt / in Gegenwart dreyer Ehren-Holde / lassen einschreiben / sich wohl vorsehen / daß er kein schlagend / beissig / oder anfallend Pferd mit sich brächte. Es sollte auch alle seine Turnier-Zeugk also eingerichtet seyn / daß es dem Andern nicht schade / viel weniger steche noch schneide / sondern kein ander Gewehr / als seine Turnier-Kolbe und Schwerdt gebrauchen / welche beyde nach gleicher Turniers-Maas und Form gemacht / aufgetragen / und beschauet / und so dann nach Ausweisung der Turniers-Freyheit turnieret werden sollte. 11. Wann nun Einer oder der Ander turnieret / so sollte er sich zu seinem Turnier-Voigt / unter dem er gehöret / verfügen / von demselben seinen Turnier-Brief in Beyseyn zweyer Turnier-Vöigte / und zweyer Ehren-Holden / die ihm solchen überreichen / empfahen. Es sollten aber diese bey ihrem Eyd und Pflichten keinem keinen Turnier-Brieff ertheilen / Er wäre dann im Turniere gewesen / und hätte damahls zu sechs unterschiedenen mahlen turnieret. Was aber einen Fürsten anbelangte / bedürffte es wegen seines hohen Herkommens keinen / indem ein ieder König unter seinem Crantze / blosses Haupts zum Turnier einreiten / Turnieren / und anders kein Haupt gedeckt führen sollte. 12. Letzlich so sollte auch kein König / oder Fürst in keiner Gesellschafft deß Turniers seyn / und wann sich die Turniere geendiget / follte man alsdann anfahen zu tantzen / Rennen / und Stechen / und was mehr zu solchen Ritter-Spielen gehörete / wie nicht weniger die Dänke den vier Landen austheilen / damit die vier neuerwehlten Turnier-Vöigte von denen Alten ihrem Ampte Rechnung / und andere darzu gehörigen Dinge empfangen möchten. Wenn man zum Turnieren bereit / sollten viere darzu / als Gries-Wertel / und viere zwischen die Seulen / auch iedem Lande zweene / bis man getheilet / verordnet / und so man zum Turnieren aufbliese / die Seile abgehauen / zum Turniere den Anfang gemacht / und die / so straswürdig / bestrafft werden. Sobald aber solches geschehen / und die Grießwärtel / oder Turnier-Voigte wieder ausblasen liessen / sollten sie ihre Kolben fallen lassen / Ein ieder zu seinem Schwerdte greiffen / und einander die Kleinodien abhauen. Diese und andere Artickel geschahen nun zu dem Ende / damit hiedurch die Tugend und Ehre / benebenst der Ritterlichen Ubung unter denen von Adel [28] fortgepflanzet / und erhalten werden möchte / gestalt dann dieser löblichste Keyser sein Absehen fast von denen Olympischen Spielen genommen / und so wohl wegen seiner erhaltenen herrlichen Siege sich in der Welt nicht nur beruffen / so gar / daß man Ihme den Nahmen Pater Patriae, Ein Vatter deß Vatterlandes beygelegt / sondern auch der vortrefflichen Ritterschafft halber ein grosses Lob erjaget / also / daß hernachmals viel ausländische Könige / und Potentaten / unter welchen auch König Ludowich in Franckreich / König Hugo in Welschland / und König Rudolph in Burgund seiner Freundschafft begehrten / und Ihme die ansehnlichsten Geschencke thun liessen. (Erster Turnier in Teutschland.) Und ist dieses der Erste Tunier / so damahls dieser tapfere Keyser in Teutschland / und zwar zu Magdeburgk auf dem Werder / drey Tage nach einander in der Heiligen drey König Woche gehalten hat / da dann bey solchem Ritterspiel sich nebenst dem Keyser 72. Fürsten befunden / benahmentlich von denen Rheinischen: (An. Christi 935.)
Dann 134. Grafen / und in allen 2091. Helmen. Es sind aber nachgehends dergleichen Turniere mehr aufgebracht / dero Gesetze vermehret / und in dem Römischen Reiche hin und wieder zu gewissen Zeiten gehalten worden / allermassen dann bekannt / daß (A. C. 942.) Der Ander Turnier von Herzog Conraden in Francken zu Rothenburgk an der Tauber / in der Woche nach Simonis Judae, in Beyseyn fünff Fürstlicher Persohnen / nämlich / Herzog Bertholda in Beyern Herzog Heinrichs in Beyern / Marggraf Rütgers in Oesterreich / Herzog Theodorichs in Engern / Marg Graf Heinrichs in Nordgau / 26. Grafen / 34. Freyherrn gehabt / und darauf 538. Helmen gebracht worden. (A. C. 948.) Der Dritte Turnier von Herzog Ludolphen in Schwaben zu Costenz an Boden-See / die Woche nach aller Heiligen / worbey 8. Fürsten / 20. Grafen / und 15. Freyherren / worunter Herzog Herman in Schwaben / Bruno der erste / Marg Graf zu Sachsen / Herzog Conrad in Franken / und Graf Wiprecht zu Leiningen. (A. C. 969.) Der Vierdte Turnier / von Marg Graf Richarden zu Meissen / in Merseburgk / in der Woche nach S. Andreae Tage / worunter 362. Helme / 7. Fürsten / 14. Grafen / und 11. Herren / darbey Herzog Wenzel in Böhmen / Graf Ortolff von Ascanien / Andreas Edler Herr zu Colditz. (An. Christi 996.) Der Fünffte Turnier von Herzog Ludolphen zu Sachsen und Braunschweig in der Stadt Braunschweig / in Beyseyn 10. Fürsten / 13. Grafen / 10. Herren / in der Woche nach den Heiligen drey König Tagen / und unter andern Herzog Ortolfels zu Sachsen - Lüneburgk / Herzog Nestrichs zu Böhmen / Herzog Arnds zu Sachsen und Lüneburgk / Fürst Berchtolds zu Hennenberg / Graf Conrads zu Cleve / von welchen Hanns von Dachsberg / und Wolf Granschlag nicht zugelassen wurden. (An. Christi 1019.) Der Sechste Turnier von Keyser Conraden zu Trier / in der Woche nach Lichtmesse / nebenst 7. Fürsten / 34. Grafen / und mit 646. Helmen. Darbey Herzog Magnus zu Sachsen / Landgraf Philipp in Elsaß / Graf Ortolff von Alcanien / Graf Heinrich zu Löven und Brüssel / Graf Schaffart zu Leiningen / Graf Ulrich zu Hanau / Graf Heinrich zu Zwey-Brücken / und Wildbald zu Rappoltzstein. Bey gehaltenen Tanze / tanzte Herzog Magnus zu Sachsen mit der Keyserm / welcher 8. Graf [30] fen / und zwar 4. mit Wind-Lichtern vor / 3. Grafen aber / die ihr das Kleid nachtrugen / und 2. Grafen mit Windlichtern nachtantzeten. (A. C. 1042.) Der Siebende Turnier von Keyser Heinrichen dem Dritten zu Halle in Sachsen in der Woche nach Philippi Jacobi, worbey 8. Fürsten / nämlich Hertzog Otto zu Sachsen und Lüneburgk / Marggraf Albrecht zu Brandenburgk / Hertzog Burtzinous in Böhmen / Marggraf Albrecht in Oesterreich / Hertzog Conrad in Beyern / Marggraf Eckhard zu Meißen / Marggraf Otto zu Norgau / und Marggraf Theodo zu Lausitz / 26. Grafen / 14. Freye / und 580. Helm. Woselbst dann Einer von Brettenburg / Einer von Bonstet / Einer von Stockheim / und einer von Sicking umb Ungehorsams willen geschlagen ward; Bey gehaltenen Tantze tantzte der Keyser mit Graf Bertholds von Henneberg Gemahlin / welchen 10. Grafen / darunter 6. mit Wind-Lichtern / und ihrer 4. nach Ihme mit dergleichen tantzeten. (A. C. 1080.) Der Achte Turnier / von Herzog Hermannen in Schwaben / zu Augspurg den 16. Augusti, worunter 8. Fürsten / als Herzog Herman / Herzog Guelph in Bayern / Hertzog Friedrich in Schwaben / Marggraf Leopold in Oesterreich / der Schöne genannt / Pfaltzgraf Otto von Wittelsbach / Marggraf Eckhard zu Meißen / Landgraf Engelbert in Beyern / und Herzog Ludolph in Cärnthen / 39. Grafen / 22. Freye Land-Banner-Herren / und 612. Helm. Worbey nebenst Andern Gottfried von Stockheim / Heintz von Bellerscheine / Johann von Honolstein / Einer von Holwil / Stein und Sturm-Feder an der Schaue ausgestellt. (An. Christi 1119.) Der Neundte Turnier / von Herzog Rudolphens zu Sachsen Oheime / dem Landgraffen in Hessen / zu Göttingen / den 6. Novembris, wobey 9. Fürsten / als Herzog Heinrich in Beyern / Herzog Uratislaus in Böhmen / Hertzog-Fridrich in Beyern / Marggraf Albrecht zu Brandenburg / Marggraf Otto zu Meißen / Marggraf Theodorich zur Lausitz / Landgraf Ludowich in Thüringen / Marggraf Siegfried zu Meißen / und Marggraf Otto zu Stade / 24. Grafen / 9. Herren / und 338. Helm. Auf welchem Turniere dann Gottfried von Stockheim / George von Honollstein / und Heinz von Bellerschein empfangen / und geschlagen worden. (A. C. 1165.) Der Zehende Turnier / von Herzog Welpen in Beyern zu Spolet, Marggrafen in Corsica / und Herrn zu Sardinien, in Zürch / zu Zeiten Friderici Barbarossae, in der Weihenacht S. Andreae Tage / darunter 14. Fürsten / darbey nebenst Andern Pfaltzgraff Otto von Wittelsbach / Marggraf Leopold in Oesterreich / Marggraf Odoacer in Steuermarck / Herzog Herman in Steyer / Marggraf Engelbert in Istrien / Marggraf Berchtold zu Aegran / Marggraf Dipold zu Cham / Landgraf Otto zu Steffling / und Herzog Conrad zu Valesi, 91. Grafen / 84. Frey-Herren / 133. Ritter / und 392. Edle / und sind unter Andern empfangen und geschlagen worden / Albrecht von Bernstein Ritter / Wolffhard von Remhingen und Eberhard von Kippenheim / bey ietztgedachten Helmen waren auch 34. Fürsten und Grafen deß Fürstlichen Geblüts vom Hause Beyern disseits Rheins Pfaltz-Grafen von der Schwerdt-Seiten. (A. C. 1179.) Der Eilffte Turnier / von Graf Florentzen aus Holl- und See-Land / zu Cölln am Rhein / in der Woche nach der Heil. 3. König Tage / worbey 480. Helmen / 19. Fürsten / darnnter Pfaltzgraf Conrad am Rhein / Herzog Philipp in Schwaben / Herzog Gottfried zu Brabant / Marggraf Otto in Italien / Herzog Heinrich zu Limpurg / Herzog Goßel zu Ardinen / [31] Herzog Friedrich zu Bar / Marggraf Friedrich zu Hochberg / und Landgraf Ludowich zu Thüringen / 51. Grafen / 28. Freyherren / mit Albrecht von Bellersheim / Philipp Landschaden / Wolff Birgeln / Heinrich von Falkenstein / und Willhelm von Hirhorn hat man turniret / sie geschlagen / und empfangen. (A. C. 1198.) Der Zwölffte Turnier / von Keyser Heinrich dem Sechsten zu Nürnberg in der Woche nach Mariae Lichtmeß / darbey 620. Helmen / 12. Fürsten / als Herzog Heinrich zu Sachsen und Beyern an Zunahmen der Stoltze / Herzog Friedrich zu Böhmen / Herzog Ludowich in Beyern / Marggraf Wenzel zu Merhern / Herzog Lützelmann zu Merhern / Herzog Lützelmann zu Teck / Land Graf Hermann in Thüringen / Herzog Brechtold zu Meron / Marggraff Conrad zur Lausitz / und Graf zu Rochlitz / Marg-Graf Rudolph zu Baden / Marggraf Heinrich zu Rumsberg / Marggraf Werner zu Hochberg / und Fürst Poppo und Graf zu Hennebergk / 29. Grafen / 13. Freyherren / 68. Ritter / und 497. Edle. (A. C. 1229.) Der Dreyzehende Turnier / zu Zeiten Keyser Philippsens / Herzogs in Schwaben / von der Ritterschafft am Rheinstrohm / in der Woche nach Mariae Lichtmeße / wobey 28. Fürsten / nämlich / Churfürst Otto Pfaltz-Graf am Rhein / Herzog Wilhelm Churfürst zu Sachsen / Marggraf Albert Churfürst zu Brandenburgk / Herzog Leopold in Oesterreich / Herzog Heinrich zu Brabant / Herzog Friedrich zu Lothringen / Herzog Friedrich in Schwaben / Herzog Boßemislaus in Böhmen / Marggraf Otto in Italien / Herzog Ulrich in Cärnthen / Fürst Heinrich Burwein / Herzog Lützelmann zu Teck / Marggraf Deodorich zu Meißen und Lausitz / Landgraf Herman in Thüringen / Marggraf Bonifacius zu Montserrat / Marggraf Theodorich zu Sachsen / Marggraf Heinrich zu Rumsberg / Marggraf Philipp zu Seßa / Marggraf Conrad zur Lausitz / Marggraf Conrad zu Hochberg / Marggraf Albert zu Landsberg / der Gefürstete Graf Baldwin zu Flandern / Burggraf Berchtold zu Nürnberg / Graf Theodorich in Holland / Fürst Heinrich zu Anhalt / Graf Werner von Habspurg / und Marggraf Berchtold zu Istrien / 37. Grafen / 37. Frey-Herren / 27. Ritter / und 164. Edle. (A. C. 1235.) Der Vierzehende Turnier von der Ritterschafft in Francken zu Würtzburg / in der Woche nach aller Heiligen / wobey 11. Fürsten / als Pfaltzgraf Ludowich am Rhein / und Herzog in Beyern / Marggraf Albert der 2. zu Brandenburgk / Herzog Otto zu Braunschweig und Lüneburgk / Herzog Friedrich in Böhmen / Herzog Heinrich in Oesterreich / Herzog Johannes in Lothringen / Landgraf Ludowich in Thüringen / Herzog Johannes zu Mechelnburgk / Herzog Heinrich zu Braband / Marggraf Herman zu Baden / Herzog Niclas zur Warle / Burggraf Friedrich zu Nürnberg / Graf Wilhelm von Holl- und See-Land / und Fürst Berchtold und Graf zu Hennebergk / 34. Grafen / und 25. Frey Herren / 46. Ritter / und 138. Edle / zu diesem Turniere wurde Emrich von Neuenstein / Siegmund Stieber / Friedrich Geling / Wolff von Stetten / Anshelm von Rödern / Werner Esel / Conrad von Erbthel / und Samson Büttler nicht gelassen. (A. C. 1284.) Der Funffzehende Turnier in der Woche nach Michaelis von der Ritterschafft in Beyern zu Regenspurgk / wobey 4. Fürsten / Pfaltzgraf Otto von Rhein / und Herzog in Beyern / Herzog Albert in Oester [32] reich / Herzog Johannes in Schlesien Lignitz / und Landgraf Sigisbotho zu Leuchtenbergk / 4. Grafen / 7. Freyherren / 32. Ritter und 141. Edle. (A. C. 1296.) Der Sechzehende Turnier / von der Ritterschafft in Francken zu Schweinfurth nach S. Laurentij Tage / darunter 9. Fürsten / als / Herzog Heinrich zu Braunschweig Lüneburgk / Herzog Otto zu Braunschweig / Marg-Graf Theodorich zur Lausitz / Land-Graf Albert in Thüringen / Herzog Heinrich zu Brabant / Burg Graf Friedrich zu Nürnberg / Burg Graf Johannes der Jüngere / Fürst Heinrich zu Henneberg / und Otto zu Henneberg / 12. Grafen / 12. Freyherren / 27. Ritter / und 127. Edle. (A. C. 1311.) Der Siebzehende Turnier von der Ritterschafft in Schwaben zu Ravensburgk in Schwaben / in der Woche nach Bartholomaei Tage / worunter II. Fürsten / als / Herzog Johannes in Bayern / Herzog Ulrich zu Teck / Marg Graf Rudolph Magnus zu Baden / Marg-Graf Heinrich zu Meißen / Marg Graf Albert zu Hochberg / Landgraf Ludowich in Heßen / Marg-Graf Johannes zu Rotel / Landgraf Johannes zu Leuchtenberg / und Burggraf Friedrich zu Nürnberg / 26. Grafen / 13. Freyherren / 35. Ritter und 102. Edle. (A. C. 1337.) Der Achzehende Turnier von der Ritterschafft am Rheinstrohm zu Ingolheim / worbey 9. Fürsten / Pfaltz-Graf Rudolph am Rhein / und Herzog in Beyern / Herzog Bernhard zu Braunschweig und Lüneburg / Herzog Gerlach zu Monten / Marg Graf Rudolph zu Baden / Landgraf Ludowich in Heßen / Marg Graf Willhelm zu Jülich / Fürst Eberhard zu Würtenberg / Landgraf Ludowich zu Leuchtenberg / und Fürst Friedrich zu Henneberg / 16. Grafen / 16. Freyherren / 34. Ritter / und 130. Edle. (A. C. 1362.) Der Neunzehende Turnier von der Ritterschafft in Francken zu Bamberg / in der Woche nach den Heiligen 3. Königen / von 5. Fürsten / Landgraf Ludowich zu Leuchtenberg / Landgraf Heinrich zu Hessen / Fürst Otto zu Henneberg / Burggraf Friedrich zu Nürnberg / und Burg-Graf Friedrich zu Meißen / 19. Grafen / 27. Freyherren / 34. Ritter / und 137. Edlen. (A. C. 1374.) Der Zwantzigste Turnier die Woche nach Martini, von der Ritterschafft in Schwaben zu Eßlingen / wobey 3. Fürsten / Pfaltz Graf Rupert an Rhein / und Herzog in Beyern / Marg Graf Bernhard zu Baden / und Burg Graf Friedrich zu Nürnberg / auch Graf zu Zollern / 20. Grafen / 34. Herrn / 39. Ritter / und 107. Edele / worbey unter andern sind empfangen worden / geschlagen / und mit Ihnen turnieret / Hans Hatzapffel / Oswald von Schwendig / Hilpold von Krelsheim / Wolff von Weiler / Contz von Bellersheim / und Albrecht Rothenstein. (An. Christi. 4392.) Der Ein- und Zwanzigste Turnier von der Ritterschafft in Schwaben / zu Schafhausen / die nechste Woche nach Aller Heiligen / worunter 8. Fürsten / nehmlich / Herzog Johannes in Beyern / Herzog Friedrich in Oesterreich / Herzog Stephan iu Beyern / Marg-Graf Rudolph zu Baden / Landgraf Ludowich in Heßen / Burggraf Friedrich zu Nürnberg / Fürst Wilhelm zu Henneberg / und Herzog Eberhard zu Würtenberg / 22. Grafen / 10. Ritter / und 179. Edle. (A. C. 1396.) Der Zwey- und Zwanzigste Turnier / in der Wochen nach Bartho [33] somaei von der Ritterschafft in Beyern zu Regensburgk / worbey 4. Fürsten / als Pfaltzgraf Johannes am Rhein / und Herzog in Beyern / Pfaltzgraf Ludowich am Rhein / Landgraf Albert zu Leuchtenbergk / und Pfaltzgraf Ernst am Rhein / und Herzog in Beyern / 2. Grafen / 3. Freyherren / 25. Ritter und 150. Edle. (A. C. 1402.) Der Drey- und Zwanzigste Turnier von der Ritterschafft am Rhein-Strohm in der Woche vor Liechtmesse zu Darmstadt. Worbey 2. Fürsten / nämlich / Fürst Heinrich und Graf zu Henneberg / und sein Sohn Wilhelm / 18. Grafen / 17. Freyherren / 52. Ritter / und 288. Edele; Auf diesem Turnier schmiessen sich / wider Turniers-Freyheit und Gerechtigkeit / die Francken und Heßen / und war dieses der Erste / worauf sich die Geschlechter rottirten und irrig wurden. Der Francken blieben auf dem Platze 17. und der Heßen 9. und haben sint der Zeit die Heßen nicht viel turnieret / als die / welche durch Gunst und Freundschafft wieder zugelassen worden sind. (A. C. 1408.) Der Vier- und Zwanzigste Turnier zu Heilbrunnen nach Michaelis, von der Ritterschafft in Schwaben / worbey fünff Fürsten / als Pfaltz-Graf Ludowich am Rhein / und Herzog in Beyern / Marg-Graff Jacob zu Baden / Burg-Graff Johannes zu Nürnberg / Fürst Eberhard zu Würtenberg / und Fürst und Graff Friedrich zu Hennebergk / siebenzehen Grafen / sechzehen Freyherren / fünff und dreissig Ritter / und 168. Edle. (A. C. 1417.) Der Fünff- und Zwantzigste Turnier von der Ritterschafft in Beyern zu Regensburg nach S. Lucas. Worunter drey Fürsten / nämlich / Stephan / Heinrich / und Willhelm / alle drey Pfaltzgrafen an Rhein / und Herzogen in Beyern / vier Frey-Herren / 8. Ritter / und 144. Edele. (A. C. 1430.) Der Sechs- und Zwanzigste Turnier von Herzog Ulrichen zu Würtenbergk / in Stutgard. Worbey fünff Fürsten / Marggraff Carl von Baden / der Marggraff zu Hochberg / Herzog Ludowich zu Würtenberg / und Andere / fünf und zwanzig Grafen / neunzehen Freyherren / 228. Ritter und Edele. (A. C. 1439.) Der Sieben- und Zwanzigste Turnier / von Pfaltz-Graff Ludowigen zu Landeshut in Beyern / worunter sechs Fürsten / als pfaltz-Graff Ludowich / Pfaltz-Graff Albert am Rhein / und Herzog in Beyern / Marggraff Carl zu Baden / Pfaltz-Graff Ludowich am Rhein / Graff Ulrich zu Würtenberg / und Marggraff von Rotel / 28. Grafen / 2. Frey-Herren / und 252. Ritter und Edle. (An. Christi 1479.) Der Acht- und Zwanzigste Turnier / von der Ritterschafft in Franken zu Würtzburgk / darbey 1. Fürste / 6. Grafen / 9. Frey-Herren / und 146. Edele / Bey diesem Turnier hat man unter andern Einen Geyer / Einen von Stein / und Einen von Steinau ausgestellet / und ist Einer von Rabenstein / Ein Stieber / Einer von Hutten / Ein Gebsattel / Ein Sternbergk / Ein Stauffenberg / und ein Schencke / weil ihre Eltern in funffzig Jahren kein Turnier besuchet / zu solchen nicht zugelassen / hingegen sind empfangen und geschlagen worden / Einer von Westerstetten / von Freyburgk / Ein Fuchs / und Jacob von Andlau ein Ritter. (Neue Turnier Ordnung.) Ehe und bevor dieses Turnier sich anfieng / machte die Ritterschafft am Rhein Strohm von 24. Geschlechtern / die von Beyern / von 43. Geschlechtern / die von Schwaben von 46. Geschlechtern / und die von Franken von 67. Geschlechtern / dem Adel zum besten / eine neue Turnier- [34] Ordnung / und wie es mit denen Herbergen so wohl mit der Kost / als Kleidung und andern gehalten werden sollte / als (Francifcus Modius in Pandect. Triumphal. pag. mihi. 117. & seqvent.) 1. Ob schon einem iedweden Ritter Sammet und Perlen zu tragen vorbehalten; So hätten sie doch hierinne in Krafft dieses beschlossen / daß keiner von Ihnen kein gülden Stück / noch keinen gestickten Sammet / es wäre Rock oder Schaube / darinne er sich auff solche und andere Turniere zu schmücken gesonnen / tragen / und wer des überführet / von allen andern Rittern und Edlen verachtet seyn / auch zu keinem Vortantze / oder Danck gelassen werden sollte. 2. Solten die gemeine Edlen / so nicht Ritter / und doch Turniers- und Ritters-Genossen wären / keinen Perlen-Schmuck / oder Gestücke und dergleichen tragen / als nur eine Schnure umb eine Kappe / oder umb den Huth. 3. Wie dann auch keiner kein Gold von Ketten / Schnüren / oder Gestücke an sich zu haben / er führte es denn / gleich denen Vorfahren / verdeckt an sich / viel weniger Sammet / darein Er sich auf solchem Turniere zu kleiden gedächte / als zu einem Wambste zu tragen erlaubet / und dergleichen überführet würde / der sollte von denen anderen Rittern / und Edlen verachtet / und deß Vortantzes beraubet seyn. 4. Uber dieses sollten alle Ritter und Edle / und insonderheit ein Ritter keine güldene Decken / der gemeine von Adel aber keine dergleichen / viel weniger Wappen-Röcke von Sammet / und Damasken führen / und welcher dasselbe nicht hielte / der sollte von denen Andern verächtlich gehalten / in Turniere von denen Francken abgesondert / und der Vortäntze zusamt des Turniers-Däncke verlustiget werden. 5. Eine iede Frau / oder Jungfrau sollte nicht über vier Röcke von Sammet / oder gesticket haben / darunter zweene dem Sammete gemäß / und die andern nachdeme / was denen von Adel wohl anständig / und nach alter Gewonheit hergebracht; Welche nun das nicht hielte / und sich bey dem Turniere zu weit heraus bräche / die sollte von gemeiner Ritterschafft Frauen und Jungfrauen verachtet / und ihr den Vortantz / und Turnieres-Danck hinzugeben benommen seyn. 6. Und ob gleich etliche Adeliche Frauen und Jungfrauen mit Sammet und Seiden / oder solcher Kleidung / wie es sich gehörete / nicht angethan / so sollten sie dennoch ihrem Stande gemäs zu allen vorfallenden Ehren gezogen werden. (Straff-Artickel hey dem Turnieren.) Was aber anbelanget die bißhero bey denen Turnieren eingerissenen Mängel und Gebrechen / so sollten dieselben hiermit abgeschaffet / und folgende Dinge bestrafft werden: als 1. Der / welcher wissentlich einen Meineyd / oder falsch Zeugnuß gegeben. 2. Wer im Kriege gefangen / mit gewisser Bedingung loßgelaßen / und das jenige / was er versprochen / nicht hält. 3. Welcher Feldflüchtig / und theils seinen Herren / theils auch seine Spieß-Gesellen aus Betrug / oder umb Furcht willen gegen die Feinde verläst. 4. Welcher einem das Seinige mit Gewalt entwendet / und sich deßwegen entweder für dem Richter zu stehen / noch hierüber Rede und Antwort zu geben weigert. 5. Welcher sich entweder Frauen oder Jungfrauen mit Worten / [35] oder Wercken zu beleidigen oder sich etwas unbilliches von ihnen zu berühmen unterstehet. 6. Welcher durch Recht und Unrecht anderer Leute Güter an sich ziehet / den gemeinen Mann durch verbothene Mittel unterdrücket / und öffentliche Wucher treibet. 7. Alle die ihren Adel-Stand mit dem Strassenraube / Mord / und Verrätherey / auch anderer Boßheit beflecken. 8. Die Jenigen / so Kirchen / und andere Gottes-Häuser zerstören / oder an selbige Hand anlegen. 9. Die / welche wissentlich einer Ketzerey oder verkehrten Glaubens zugethan. 10. Alle Hurer / und Ehebrecher. 11. Die Einem Andern das Seinige entwenden / oder es sonsten auf eine andere Art und Weise zu thun suchen. 12. Die ausserhalb ihres Adels sich unehrlich beweiben. 13. Die jenigen aber / so von denen gebohren / die vordessen denen Ritter-Spielen beygewohnet / hernachmahls aber dieselben verlassen / und sich dem Ritterlichen Urthel nicht unterworffen / sind nichts destoweniger strafffällig. 14. Alle unehlich gebohrne sollten gäntzlich von den Ritter-Spielen ausgeschlossen seyn. 15. Ingleichen die / so Commercien und Handlung treiben. 16. Wie nicht weniger die / welche nicht durch zweene Rittermäffige Personen darthun / und erweisen können / daß ihre Eltern für 50. Jahren auch Turnieret / könte die Kundschafft aber nicht auf diesem Turniere beygebracht werden / so wäre es Ihnen auf einen andern zu thun unbenommen. 17. Der jenige / so den Turnier Lauff bey dem Rennen nicht beobachtet / der soll sein Turnier-Zeugk / und Roß verlohren / auch des Turnieres gäntzlich beraubet seyn. 18. Alle die jenige / so zum Turnieren beniehmet die sollten sich umb zehen Uhr auf dem Platze befinden lassen. 19. Letzlich sollte das Schwerdt zum meisten drittehalb quer Finger breit / und durchaus stumpff und abgeschliffen seyn / damit solches weder schneide / noch steche. (A. C. 1480.) Der Neun- und Zwanzigste Turnier in der Woche nach S. Bartholomaei, von der Ritterschafft am Rhein unter Keyser Friedrichen dem Dritten. Darunter vier Graffen / drey Herren / und drey und dreyssig Ritter und Edele. (A. C. 1481.) Der Dreyssigste Turnier von der Ritterschafft am Rhein-Strohme zu Heydelberg Pfaltz-Graff Philippsen zu Ehren / in der Woche S. Bartholomaei, worbey fünff Fürsten / benahmentlich Pfaltz-Graff Friedrich am Rhein / Churfürst / Herzog George zu Beyern / Herzog Otto zu Beyern / Marggraff Friedrich zu Brandenburgk / und Marggraff Albert zu Baden / 20. Grafen / 4. Frey-Herren / 69. Ritter / 358. Edle / und 3499. Pferde. (Nochmalige Verneuerung der vorigen Turniers-Ordnung / und die darauff) Bey diesem angestellten Turniere verbesserten die Ritterschafft / und Turniers - Genossen / die vorige Turnier - Ordnung auf folgende Weise abermahls: Und zwar daß keiner zum Turnieren solte zugelassen werden / Er [36] (gesetzte Straffe.) könnte dann seine vier adelichen Ahnen vom Vatter und Mutter erweisen / und darthun / daß Einer seiner Vor Eltern seines Stammes in den (Franciscus Modius de Hastiludiispag. 132.) vier Landen Turnieret / und darzu gelassen worden wäre. Zum andern wer ungetheilet sich in den Schrancken zum Turnieren eindringen würde / der sollte sein Roß / und Turnier-Zeugk verlohren haben / und denen Freyheiten / und Stangen - Knechten gegeben werden / auch zu ewigen Zeiten deß Turniers verlustiget seyn. Zum Dritten / wer in einer Stadt Bürger worden / der sollte nicht eher zum Turnier gelassen werden / bis Er sein Bürgerschafft wieder aufgesagt / und wann derselbe / nach gehaltenem Turniere / wieder Bürger würde / der solte in Zukunfft zu keinem Turniere mehr gelassen werden. Es sollten aber die jenigen im Turniere gestrafft werden / welche 1. Einen wissentlichen Meyneyd begangen / oder falsch Zeugnüs gegeben hätten. 2. Die / wann sie von Feinde gefangen / ihre gethanene Zusage nicht hielten. 3. Ihre von sich gestellte Brieff und Siegel / hinten ansetzten. 4. Die / wann sie Feldflüchtig / ihre Flucht für Gerichte nicht entschuldigten. 5. Ehrlichen Frauen-Zimmer vor- oder rückwerts übels nachredeten. 6. Oeffentlichen Wucher trieben. 7. Ihren adelichen Standt mit Mord / Todschlagk und Rauberey besudelten. 8. Denen Kirchen das Ihrige vorenthielten / oder sie beraubeten / und zerstöreten. 9. Der Ketzerey nachhiengen. 10. Des Ehebruchs berüchtiget. 11. Gewaltthätigkeit verübeten. 12. Aus ihrem Stande heyratheten. 13. Deren Eltern zwar hiebevorn Turnieret / sie aber zeithero dasselbe unterlassen / uud anietzo wieder daraus zukommen in willens. 14. Die nicht in der Ehe gebohren / und die gleich andern Kauff-Leuthen / Handel und Wandel trieben. Ferner verordneten sie auch: daß keiner anders als in freyen Sattel sitzen / und sich schlechter Steig - Leder gebrauchen: Daß welchem das Roß gewonnen / nach seinem Stande lösen: Daß der / so gestrafft / das Roß gewonnen / nach seinem Stande lösen: Daß der / so gestrafft / mit der Kolben / und keinen andern Waffen / wo Er mit der Platte bedecket wäre / geschlagen werden: Daß bey deme / welcher nur empfangen / und nicht umb Boßheit willen gestrafft / man weiter / wo ihnen der Harnisch vom Leibe geschlagen würde / am blossen Leibe nichts suchen: Daß umb deß Verbrechers Roß Turnieret / und derselbe mit dem Sattel auf die Schrancken bis zu Ende deß Turniers gesetzet werden: Daß man auf dem Turniere keines Hasses / Zorns / noch Grolles gedencken: Daß / welcher von allen diesen Stücken eines überführet / dessen Roß und Zeugk verlohren / und Er von allen Fürsten / Graffen / Herren / Rittern / und Edlen verachtet / und verschmähet seyn: Daß ein Fürst nur drey Knechte / Ein Graff / oder Frey - Herr zweene / Ein Ritter / oder Edelmann Einen haben. Daß dieselbigen Knechte bey ihren Herren / oder Junckern nichts an [37] ders thun / als den / welchen man schlagen will / bey dem Zaume leiten / gestalt dann berührte Knechte von allen Turnieren befreyet / und sie niemand mit Kolben / noch Schwerdter zu schlagen / und zu verletzen / viel weniger zu stossen / oder zu dringen befügt seyn solten. (A. C. 1484.) Der Ein und Dreißigste Turnier / in der Woche am Tage der Heiligen Drey Könige / von Hertzog Eberhardten zu Würtenberg in Stutgardt / darunter 4. Fürsten / nemlich Marggraf Friedrich zu Brandenburgk / Burggraf Heinrich zu Meißen / Landgraf Wilhelm in Heßen / und Hertzog Eberhard / 12. Grafen / 10. Freyherren / 42. Ritter / und 209. Edle. (A. C. 1484.) Der Zwey und Dreyßigste Turnier / von der Ritterschafft in Beyern / zu Ingolstadt in der Woche S. AEgidii, dabey 2. Fürsten / als / Pfaltzgraf George am Rhein / und Pfaltzgraf Christoph am Rhein / beyde Hertzoge von Beyern / 9. Ritter und 63. Edele. (A. C. 1485.) Der Drey und Dreyßigste Turnier / von der Ritterschafft in Franchen zu Bamberg. Worunter 5. Fürsten / benahmentlich Marggraf Friedrich zu Brandenburg / Burggraf Heinrich zu Meißen / Marggraf Sigismund zu Brandenburgk / Hertzog Eberhard zu Würtenberg / und Hertzog Eberhard der Jüngere / 14. Grafen / 8. Herren / 46. Ritter und 212. Edele / 9. Fürstinnen / 2. Gräfinnen / 1. Fräulein / 13. Ritters-Weiber / 61. Edel Weiber / und 17. Jungfrauen / diesem vorhergehenden Turniere wurde unter andern auch von der Ritterschafft der vier Landen zu der Turnier-Ordnung dieses hinzu gesetzet: Daß derjenige Edelmann / welcher freywillig in die Städt säße / Steuer / und Wache gäbe / oder sich zum Bürgerlichen Ambte gebrauchen ließe / zu keinem Turnier zugelaßen / begäbe es sich aber / daß er daselbst aus Noth Schirm / und Schutz suchen müste / mit deme hätte es sein Bewenden: Wie denn auch mit deme von Adel / so zu einer Stadt bestellet / und sich nicht weiter als sein Adelicher Stand es mit sich brächte / verpflichtete. Dafern er aber eine Closter-Frau entführete / oder mit ihr zuhielte / auch sonsten keine Adeliche Wercke begienge / der solte gestrafft / wie nicht weniger mit demselben Turniers-Genössen / so Einem bey dem Turniere zu gantzen / und halben zuträncke / umb das Roß turnieret werden. (A. C. 1486.) Der Vier und Dreyßigste Turnier / von der Ritterschafft in Francken zu Bambergk. Dabey 2. Fürsten / Marggraf Friedrich zu Brandenburgk / und Marggraf Sigismund zu Brandenburgk / 6. Grafen / 7. Herren / 49. Ritter / und 272. Edele. (A. C. 1487.) Der Fünff und Dreyßigste Turnier / in der Wochen nach Liechtmeße von der Ritterschafft in Beyern zu Regenspurg. Worunter 2. Fürsten / Hertzog George in Beyern / und Hertzog Albert in Beyern / 6. Grafen / 5. Freyherren / 32. Ritter / und 104. Edele. Worbey der Weiber wegen George von Tauffkirchen zu Guttenberg / und Caspar Thorer geschlagen worden. (A. C. 1487.) Der Sechs und Dreyßigste Turnier / von der Ritterschafft am Rheinstrohm zu Wormbs nach S. Bartholomaei, unter welchen 3. Fürsten / benahmentlich Pfaltzgraf Ludowig am Rhein / und Hertzog in Beyern / Hertzog Caspar in Beyern / und Landgraf Johannes zu Leuchtenbergk. 9. Grafen / 3. Herren / und 138. Edele. (Abschaffung derselben / und andere Ritterspielt dargegen.) Dieser nun war der Letzte woraus zeithero keine mehr erfolget. Denn weil bey Einem / und dem Andern unterschiedene Todtschläge / und andere Ungelegenheiten mit unterlieffen / so sind an statt derselbey andere Ritter-Spiele / als da sind das Spieß- und Lantzenbrechen / Ringen / Springen / [38] Lauffen / Stein- und Stangen-stoßen / und werffen Büchsen- und Armbrust-Schießen / Ring- und Quintan- oder Kopff-Kenen / Kübelstechen / welches Letztere auch Anno Christi 1568. uf Hertzog Wilhelms in Beyern mit Fräulein Renata gebohrner Hertzogin zu Lothringen gehaltenen Beylager / nebenst andern Ring-Rennen / Fuß- und Frey-Turnieren / auch Turniere über die Palien ist gesehen worden: Das Kübel-stechen / so eines der geringsten / verrichteten damahls etliche Beyerische von Adel mit schlechten Rossen / und ungegürteten Sätteln / deren Kleider umb und umb mit Haaren ausgestopfft / welche in der rechten hand eine Lantze / daran forne an statt der Spitze ein Ball / oder gewisse Breite / auf dem Haubte einen wohlverwahreten und durchlöcherten Kübel. Es ist aber / bey obigen Turniere (Das Wort Grießwötel und Schranckenfetzen.) etliche mahl der Grießwörtel gedacht. Diese waren nichts anders / als Turnier-Voigte / worzu die Vornehmsten / Erfahrnesten / und Ansehnlichsten aus der Ritterschafft genommen / und erkieset wurden. Das Schrancken-setzen aber hieße / so viel als Schlagen / Auffetzen / und Einen zu keinem Turniere lassen / und sind die letzterwehlten Turnier-Voigte diese gewesen: Ulrich von Rechberg König und Turnier-Voigt / Berthold von Blettenberg / Dietz von Thügen / und Jobst Zeuger. (Artickel zum Fuß Turnieren) Wie es aber mit dem Fuß-Turniere pflegt gehalten zu werden / ist unter andern auch aus denen an dem Churfürstl. Sächs. Hofe publicireten / und den 3. Decembris Anno Christi 1650. in Dresden gehaltenen Fuß-Turniers-Artickeln zu sehen / daß nehmlich Erstlich. Alle diejenigen / so sich zum Fuß-Turniere / und diesem Ritter-Spiele gebrauchen lassen wollten / sollten nach denen Fürstlichen Persohnen / von alten Gräflichen / Herren und Adelichen Standes-Geblüte / Ankunfft und Herkommens seyn / auch kein Graf / oder Herr / der seine 16. Ahnen / zum wenigsten von Adel herrührende / wie auch keiner von Adel / so seine 16. Ahnen / als achte von Vaters- und achte von der Mutter-Seite nicht erweisen könne / zuläßlich seyn. Zum Andern. Wann fichs begäbe / daß Einer / ob Er gleich von Gräfflichen Herren- oder adelichen Stammes und Herkommens / auch seine 16. Ahnen gnugsam erweisen könte / hingegen aber wider rechtmässige adeliche Ehre und Tugend gehandelt / so sollte derselbe gleichfalls nicht zugelassen werden. Zum Dritten. Wo sich Einer unterstünde wider obbemeldte Puncta auf dem Turnier-Platz gleich mit Andern / oder vor sich selbsten auszuziehen / mit deme sollten die Mantenitoren zu Turnieren nicht schuldig / noch Er auf keinerley weise zugelassen seyn. Zum Vierdten. Sollte kein Aventurier ehe als die Herren Mantenitoren auf dem Turnier-Platz erscheinen / und in der Ordnung / wie sie aufziehen / nacheinander turnieren / und abziehen. Zum Fünfften. Sollten Alle / welche turnierten / mit ihren Cuiraffen also gerüstet / und angethan seyn / wie in dem Fuß-Turniere gebräuchlich / und sollte Keiner kein ander Helmlin / es sey dann geschlossen / oder eine Schlaghaube / auf welcher keine Pausche / oder anderer ungewöhnlicher Vortheil / vielweniger einige Schiffung / oder Feld-Parte / deßgleichen auch keiner geschlossenen / oder Renn-Handschuhe sich gebrauchen. Zum Sechsten. Sollte Keiner keinen andern Spieß / und Schwerdt / ohne die / so die Herren Judicirer verordnet / gebrauchen.
|| [39]
Zum Siebenden / Solte keiner mehr als dreymahl mit dem Spieße zuzammen gehen / es möchten die Spieße gleich gebrochen werden oder nicht. Wann aber Einer mehr als obbeniehmte drey Stöße mit dem Spiesse vollbrächte so sollte solches nicht passiret werden / sondern den Danck des Spiesses auch verlohren haben. Zum Achten. Sollte ingleichen keiner mehr als füff Streiche mit dem Schwerdte thun / und sollte der Aventurierer den Anfang machen / so würde ihm auch frey stehen / seine fünff Streiche mit / oder ohne Durchhauen zu vollbringen / doch sollte er schuldig seyn / denen Herren Mantenitoren mit welchen er turnieret / durch die Maestri di Campo es anzumelden / welcher aber über obberührte fünff Streiche schreiten würde / dem solte es ebenfalls nicht passirt, sondern Er des Schwerdt-Danckes verlustiget werden. Zum Neundten. Sollten alle Spieße an dem Kopffe gebrochen werden / und der keinen Danck verdienen / welcher seinen Spieß nicht frey / sondern einzulauffen / oder mit Stoßen die Arme am Leibe behält den Spieß an Leib leget / oder setzet / oder mit auf- und nieder-Schwencken an seinen Gegentheil bricht / deßgleichen mit dem Spiesse auf die Brust / Arm / und unter die Gürtel seinem Gegentheil stösset / und den Schrancken vor dem Brechen mit dem Spiesse berühret / so aber ein Spieß in der Levate, ehe er an den Mann köhme / bräche / dem sollte ein anderer gereicht werden. Zum Zehenden. Gollte einjeder sein Schwerdt ohne Gehülffen selbst ausziehen / und wer sein Schwerdt mit beyden Händen zugleich brauchte / oder außerhalb der Folia wechselte / oder mit der Fläche schlüge / oder das Schwerd flächling auf dem Kamm entzwey schlüge / die Schrancken mit dem Schwerdte berührte / oder die Hand auf selbige legte / dem Andern in sein Schwerdt fiele / hielte / und den Streich auffienge / oder dem andern in das Gelencke inwendiges Armes hiebe / der sollte gleicher Gestalt keinen Danck haben / iedoch würde Ihm zugelassen / in der Folia das Schwerdt aus einer Hand in die andere zu verwechseln / und so er sein Schwerdt zerschlüge / sollte ihm vor- und in der Folia ein anders gegeben werden. Zum Eilfften. Diejenigen / so sich zu nahe an die Schrancken macheten / dieselben mit dem Leibe berühren / oder so weit darvon stehen / daß ihn der ander nicht erreichen könte / wenn sie ihre Stösse / und Streiche vollbringen sollten / oder zurücke tretten / den Kopff / und Leib für dem Stoß / und Streich rückwerts ziehen würden / die sollten keinen Danck erlangen. Zum Zwölfften. Wer seinen Spieß oder Schwerdt verliehre oder fallen ließe / dem sollte keine andere Wehre gegeben werden. Zum Dreyzehenden. Wer mit dem Spieße / oder Schwerdte zur Erden gestoßen / oder geschlagen würde / der solte zu Turnieren diesmahl nicht wieder zu gelassen werden / und deren vor erlangten Stöße und Streich verlustiget seyn. Zum Vierzehenden. Wann ein Mantenitor blos geschlagen würde / daß man an seiner Rüstung der besorglichen Gefahr halber bessern müste / und der Aventurierer seine verordnete Stöße und Streiche an ihm nicht vollbracht hätte / so sollte der ander Mantenitor vollends seine Stösse / und Streiche an sich vollbringen lassen / wann aber ein Aventurier [40] bloß geschlagen würde / so sollte derselbe ferner zu turnieren ausserhalb der Folia nicht zugelassen werden. Zum Funffzehenden. Sollte in der Folia keinem nicht mehr als ein Spieß zugelassen werden / und keinem / welcher blosgeschlagen / oder einmahl abgetretten / hinwiederumb zun Schrancken zu kommen erlaubet seyu. Zum Sechzehenden. Und wann zwischen den Mantenitoren und Aventu rierern etwas streitiges vorfiele / dasselbe sollte durch die Maestri di Campo denen Herren Judicierern zur Entscheidung / und deren Erkäntnis angezeiget werden. (Däncke darhey.) Letzlich sollten die Däncke hierauf folgender maßen ausgetheilet werden / als: 1. Der Mantenitoren Danck. 2. Wer unter denen Aventurieren seine Levate mit dem Spiesse am zierlichsten und männlichsten gethan / der sollte nach Erkäntnis des Frauenzimmers den Zier- und Frauenzimmer-Danck zu gewarten haben. 3. Welcher unter den drey Spiessen die meisten am höchsten / zierlichsten und mannlichsten brechen würde / dem sollte der Spieß-Danck zuerkant werden / welchen die Herren Mantenitoren in denen ersten dreyen Stösen gleichfalls gewumen könten. 4. Der in denen fünff Streichen am tapffersten behändesten / und zierlichsten seine Streiche vollbrächte / dem sollte der Danck des Schwerdtes zuerkant werden / welchen in den ersten fünff Streichen auch die Mantenitoren gewinnen könten. 5. Wer in der Folia am tapffersten / und längsten ohne Abtrettung sich halten würde / sollte den Folia-Danck darvon tragen. 6. Derjenige / so unter denen Aventurierern am besten gerüft und geputzt auf dem Turnier-Platz erscheinen würde / sollte den Rüst-Danck haben. (Des Quintan- oder Kopff-Kennens-Artickel.) Was aber eigentlich das Quintan- oder Kopff-Kennen anbelanget so hat man sich hierüber am 5. Novembris 1662. in der Churfürstlichen Sächsischen Residentz-Stadt Dresden auch solgender Artickel gebraucht / als: 1. Eine jede Parthey so hierzu zugelassen / sollte auf die Bahn vermasquet ziehen / und keine ohne Mascera, und Handschuch zum Rennen zugelassen werden / auch in der Ordnung / wie sie aufgezogen / wiederumb abziehen / und mit einem schutmässigen Pferde versehen seyn. 2. Keiner sollte sich einer andern Lantze gebrauchen / als die denen Herren Judicierern seiner Parthey vorhero zu sehen praesentiret worden. 3. Ein jeder Aventurier sollte seine vier Carriere mit vollem Lauffe des Rosses nach beyden Quintanen auff eine jede zwey / und also wechsels-weise vier Carriere thun / seine Lantze zierlich von oben herein zum Truffen führen / einlegen / und wohl schrencken / und in diesem Carriera die Rosse nicht wechseln / es müste dann aus erheblichen Ursachen geschehen / so durch die Maestri di Campo denen Herren Judicierern anzumelden / zu deren Erkänmis es gestellet würde. 4. So einer in der Carriera, die Haubt-Zier / Seiten-Wehr / oder Sporn verliehre / oder Biegel-los würde / ingleichen so Ihme das Haubt-Gestelle / Mund-Stücke / Steigleder / bräche oder reisse / dem sollte in solcher Carriera kein Treffen passirt werden / de er aber mit dem Pferde stürtz [41] te / und die Quintana träfe / so solte es bey der Herren Judicirer Erkäntnis stehen. 5. Wer die Quintana anrührete / und die Lantze nicht bräche / oder auf dem Rumpff an die Schrancken / oder in die Erde rennete / oder auch die Lantze knickte / und dergestalt die Crone nachhienge / dem solte nicht unbillich solche Carriera passieret werden. 6. Welcher die Quintana am zierlichsten und am höchsten vom Kopfe an / biß auf das rechte Auge / dem Renner uf der lincken Seite zu / treffen würde / dem sollten dreye / in dem lincken Auge aber / dem Renner auf der rechten Hand zu zwey / auf der Stirne anderthalbes / von dem Auge aber bis auf die Nase / Maul und Kien / und so viel der Circkel in sich begreifft / Eins geschrieben werden / da auch der Circkel / welches Orts er auch wäre / nur gebrochen würde / sollte dasselbe Treffen passiren. 7. Bey der Folia solten einem iedweden vier Lantzen zu brechen gegeben / und dann / so selbige gebrochen / vier andere gereicht und damit so lange continuiret werden / bis kein anderer / so die Lantze in gleicher Anzahl gebrochen / auf dem Platz sey / gestalt dann diejenigen / welche nicht so viel Lantzen gebrochen / abgehen sollten. 8. Und damit sich die Herren Judicirer nach Einem und dem Andern desto besser zu richten / so wäre der Kopff an der Quintana zusambt dem Circkel / und wie es mit dem Treffen zu verstehen / abgerissen / und auf dem Judicir-Hause zu befinden. 9. Es sollten auch die Crönel an den Lantzen umb die Treffen desto genauer zu erkennen / bey allen Carrieren jedesmahl wiederumb weis bestrichen werden. (Erklärung der Herolden Ambt.) Zu diesem und dergleichen Ritter-Spielen gehören nun auch die Herolden: Vordessen nennete man sie nach der Teutschen Sprache zu reden / Ehren-Holden das ist / die aller Ehre hold und geneigt weren / und bey den Römern Feciales, welche man zu Kriegs- und Friedens-Zeiten gebrauchte. Denn wann sie ein- oder das andere Königreich anzugreiffen / oder von Ihnen eine wichtige Sache abzufordern vermeineten / schickten sie vorhero dieselbigen dahin. Ihr Amptbestunde in deme / daß / ob sie schon nicht von Adel / dennoch gutes Gerüchts / wahrhafftig / und eines untadelhafften Wesens seyn musten. Sie wohneten / wie noch heutiges Tages / denen Keyserlichen und Königlichen Crönungen / Chur- und Fürstlichen Belehnungen bey / gaben acht auf alle gute Ordnungen / Insignia und Wapen / (Thom. Miles de nobilit. polit, & civil.) und schlugen die in die Acht Erklärten öffentlich an. Insonderheit führet man auch ihren Nahmen von dem Worte Heer-alt her / das ist / welche sich gleichsam in dem Krieges-Heere alt und verdient gemacht / und die man hernach zu Vollziehung allerhand Keyserlicher Befehliche / und anderer Reichs-Begäbnissen gebrauchet / auch mit der Freyheit / Wapen zu geben / begnädiget hat. Daß aber dieses ein altes Ambt und Herkommen seyn müsse / erscheinet (Garzonella Piaza univers. de digcors. 77.) aus dieser ihrer unter andern gehabten Freyheit. Denn als Bacchus Indien bezwungen / und Er dieselben Einwohner unter sein Ioch der Dienstbarkeit gebracht / hat Er die Herolden mit diesen Worten eingesetzet: Ich defreye euch nunmehro von allen Krieges-Lasten / und will haben / daß man Euch hinführo Heröes und Milites veteranos nenne. Euere Verrichtungen sollen seyn / daß ihr dem gemeinen Wesen alle hülffliche Hand biethet / die Bösen abstraffet / die Ehrlichen beschützet / und die Frommen bey Ehren erhaltet: Wo ihr hinkommet / sollet [42] ihr freyen Unterhalt haben: Jedermann soll Euch ehren / und Glauben zustellen. Und dafern ihr hierbey keinen Betrug / Hinterlist / noch Falschheit begehet / so sollet ihr auch alle diejenigen / so entweder ehrlichen Weibesbildern Ubels nachreden / schmähen und schänden / oder fonst vor sich ein böses und ärgerliches Leben führen / Ehr- und Wehr-loß machen. Niemand soll Euch zu Wasser und Lande aufhalten / sondern ihr sollet wohnen und hinziehen / wo es Euch beliebet / und dafern sich auch an Euch / oder denen Eurigen / Einer / oder der Ander mit Gewaltthätigkeit vergreiffen möchte / derselbe soll mit (Thueydides ex Xenophonte.) dem Schwerdt gestrafft werden. Zu solchem Privilegio setzte auch Alexander Magnus dieses hinzu / und verordnete: daß denenselben allenthalben Gold / Purpur / Königliche Kleider / und Waffen zu tragen erlaubet / und wer sich an Ihnen mit Worten / oder in der That vergriffe / der sollte aller seiner Güter / und des Lebens verlustiget seyn. Heutiges Tages / wenn bey hohen Keyserlichen und Königlichen / Chur- und Fürstlichen Zusammenkunfften die angestellten Ritterspiele vor die Hand genommen werden / so muß der Herold in seiner Herolds-Tracht des Tages vorhero / wie hier auch bey dem vorhergehenden Ritterspiel geschehen / oder denselbigen Tag / wenn das Ritterspiel angehet / auf öffentlichen Plätzen / und auf der Rennbahne die hierzu verfertigten Cartelle und Artickel nebenst denen Trompetern und Pauckern publiciren / damit sich ein jeder Cavallier, der demselben beywohnen will / wie die Treffen gelten / was man darbey durch die vorgehende Fehler für Verlust und Schaden zu gewarten haben / und wie die Däncke nacheinander ausgetheilet werden sollen / darnach richten könne / inmassen dann solches alles durch ihn nicht nur / wie gedacht / öffentlich abgelesen / sondern auch auf eine Tafel an die Renn-Bahne / oder Judicir-Hause / damit gleicher Gestalt die Herren Judicirer darnach zu urtheilen / und die Gewinste hierzu einzutheilen haben / angeschlagen wird. Sobald bemeldter Herold zum Ring-Rennen ausreitet / geschiehet solches aus dem Schloße oder Burg desjenigen Potentatens und Herrns / der das Ritterspiel ausgeschrieben: Vor Ihm reitet her / wie es auch bey denn gegenwärtigen Rinck- und Quintan- Rennen gehalten worden / ein Heerpaucker / welchem etliche Trompeter folgen: Der Paucker schlägt im Reiten stets den Zug oder March: Auf die Trompeter folget der Herold / neben welchem zweene oder mehr Diener zu Fuße gehen / oder wie sonst gebräuchlich / hinten nachreiten. Wann sie nun auf die offentlichen Strassen oder Plätze kommen / schliessen die Trompeter und Heerpaucker einen Creyß umb den Heerold / blasen zwey oder dreymahl eine Entrada, wornach der Herold die Cartelle und Artickel mit lauter Stimme ablieset / da dann wieder geblasen / fort marchiret / und auf den andern Plätzen gleichfalls also gebahret wird. Nach diesem muß der Herold beydes bey dem Ring-Rennen als Fuß-Turnieren sich in dem Judicir-Hause / bey denen Mantenitorn befinden lassen / und Acht haben / daß wo einiger Disputat im Treffen und Rennen / oder anderer Irrthum vorgienge / er solchen denen Mantenitoren auf der Judicirer Gutachten zu remediren-hinterbringen / wie nicht weniger die Aufzüge / und insonderheit der Mantenitoren ersten Aufzug auf der Rennbahne auf- und abführen möge. Seine Verrichtungen aber bey den Fuß-Turnieren ist diese / daß er in seinem Habite zu Fuße an unterschiedene Plätze marchire. Vorhero [43] gehen zweene Officirer von der Guardia zu Fuß / nebenst einem Troupp Piquenierer / etzliche Trommelschläger / und Pfeiffer / welche stets March schlagen. Denn folget der Herold / und auf ihn wieder so viel Piquenierer / oder Andere mit kurtzen Wehren / schließen umb ihn / wo er abkündiget / einen Creyß / und wann man die Artickel des Turniers verlesen / rühret man wieder die Spiele / und marchiret so dann wieder an den Orth / wohin Ordre zu gehen ertheilet. Dahero so gehet derselbe / wann zum Turnier-Platze die Mantenitoren aufziehen / vorher / giebet es im Judicier-Hause an / und verrichtet in übrigen / was Ihme zu thun oblieget. Aus welchen allen man nun siehet / wie nicht allein die Alten auf Tugend und Erbarkeit gegalten / sondern auch dieselbe mit Ehre belohnet / und die Laster mit Schanden bestrafft. Denn Im Werck / und in der That obsiegen ist Edler dann mit Worten kriegen / Zweymahl man die gestillet findet / Die man nach beyden überwindet. (Adels Mißbrauch.) Heutiges Tages aber werden ihrer viel von Adel gefunden / die dergleichen scharffe Gesetze weder wissen / oder da sie solche gleich lesen / für verächtlich / lächerlich / und nichtig halten. Diejenigen sind nicht weniger Adels / welche durch ihre Tugenden der Posterität den Adel erwerben / als die / so solchen von ihren Eltern am Geblüte ererbet haben. Darumb heist es: Frommheit / weise / klug / und milde / dienet zu des Adels Schilde. Dahero so ist auch Adel ohne Verstand nichts als ein Schatten und Schein / Verstand aber ohne Adel macht auch Adel. Viel wollen für Edel gehalten seyn / und ist doch nichts als Unedles an Ihnen. Und gleichwie die Indianer nur die für Edel achten / welche große und lange Nägel an den Fingern: Also vermeinen auch offtermahls Etliche / als daß Fressen und Sauffen / Huren / Buben / Balgen / Betriegen / Trotzen / Pralen / und Stutzen / die Eigenschafft eines von Geburth Edlen sey. Wann nun deme also / so dürffte das Wort Turnier sich nur auff obige Laster / und nicht vielmehr auff einen Turnier / das ist / unverdrossenen / tummelhafftigen / wackern und frischen Kerl / der sich in ritterlichen Thaten wohl geübet hat / beziehen. (Was Adel sey.) Wenn der Adler siehet / daß seine Jungen groß / so läst er sie in die Sonner schauen / vermögen sie das zu thun / so behält er sie / als seiner Art; thun sie es aber nicht / so stöst er sie aus den Nesten: Die vor und nachgehenden adelichen Auffzüge geben uns auch vom Adelichen Leben und Tugenden zu reden Anlaß. Der rechte Adel bestehet in der Tugend / und hat seinen Ursprung von herrlichen und berühmten Thaten. Vor Alters waren nur die von Adel / welche sich entweder im Kriege / oder andern rühmlichen Verrichtungen weißlich erwiesen. Heutiges Tages sind die insonderheit edel / so vom Stamme edel gebohren / es mag zuweilen die Tugend stecken wo sie will. Die Welt gebraucht zum öfftern ihren Verstand zum Bösen / und will das Böse dardurch gut machen / indem sie sich aber dasselbe zu vollziehen unterstehet / so findet sie mehr Böses als Gutes: Der meiste Theil der Menschen will ehrlich seyn / da doch vielmahls Einer und der Ander nicht weis was ehrlich ist. Alldieweiln man [44] nun oben von dem Ritterlichen Uhrsprunge und was dem anhängig / gedacht. So wollen wir auch des Adels Uhrsprung und seine Beschaffenheit (Spangenberg. l. p. 2. l. c. 5.) mit wenigen berühren. Der Adel an sich selbst ist nichts anders als ein Vorzug / da man einen höher als den andern hält / es geschehe gleich wegen der Geburth seines Geschlechts / erlangten Standes / hohen Ambtes / herrlicher Thaten vortrefflicher Künste / Ehre Reichthum / oder Vermögen. (Aristorl. l. 4. Poiit.) Und weiln diese alle Gaben Gottes: So ist auch der Adel Eine / welche dem Menschen wohl anständig. Es ist aber der Adel eine Tugend / die von den Vorfahren herrühret / oder eine solche Ehre / Nahme / Loh / und Ruhm / der entweder von seinen Eltern ererbet / und in guten Sitten bestehet / oder durch allerhand Ehre und Hoheit erlanget wird. Der Philosophus Plato theilete denselben auf viererley Weise ein / und sagte: Daß der Eine von ehrlichen und unsträfflichen Eltern / der Ander von der Eltern auff sich gehabten Ehren-Stande / der Dritte von der Vorfahren tapffern Herden-Thaten / und der Vierdte durch sich Selbst entweder von den Künsten oder herrlichen Wissenschafften erzielet würde. (Felix. Malleol. 6. de Nobilit.) Desgleichen wird er auch genennet Naturalis, Parentalis, honestalis, virtualis, heroicalis, & supernaturalis. (Erb. Adel.) Was aber denjenigen Adel / welchen man durch seiner Vorfahren tapfere Thaten und Tugenden ererbet / anreichet / so hat derselbe einen Vorzug vor andern / und ist solcher auch das beste Erbe / welche die Eltern den Kindern überlassen / woserne sie anders nicht aus dero Fußstapffen springen / und sich allein ihres Schildes / Wapens und Standes rühmen. Denn es soll ein jedes edles Gemüthe die Eigenschafft an sich haben / daß es sich ehrlicher Dinge befleißige. Gloria Hominis ex Honore patris sui: Der Mensch hat die Ehre von seinen Eltern. Verläst er nun dieselbe / so ist sein Stand ein Schatten. Der / so seinen Adel aus den Gräbern herfür suchet / und nichts adeliches an sich / der hat sich nichts mehr / als eines adelichen Nahmens zu rühmen. Denn wer sich durch seine Tugenden zum Edelmann macht / der ist mehr Lobens würdig / als der solchen von seinen Vorfahren ererbet. Der zierlichste Helm / und das beste unbefleckte Schild ist die Tapfferkeit / die Demuth / die Gerechtigkeit / und der Verstand eines Menschen: Ihrer viel erheben sich / und wissen nicht / was der rechte Adel nach sich ziehe. Und gesetzt / wann er auch seine Geburth auff hundert tausend Glieder rechnete / und hielte die Weißheit / Kunst / Gottes Furcht / und Demuth nicht für den wahren Adel / so wäre er nichts bessers / als der elendeste Bettler: Das allersicherste / und beständigste Lob ist / daß man sich der Tugend edel zu werden befleißige. Von Geburth edel seyn / ist ein bloßer Titul / und es pfleget mancher vielmahls mit seinen Unterthanen eine grosse Verwandschafft zu haben. Nachdem eines Tages die Pylii, so Griechische Völcker waren / beschlossen / daß sie dem Könige Theopompo göttliche Ehre erweisen wolten / weigerte sich dessen Theopompus, und sagte: Es brächte die Zeit mittelmässige Ehre mit sich / welche dieselbe bald wieder zernichtete. (Baldus L. 2. Cod. de Comment.) Nobilitas nihil aliud est, quàm habitus, Operatio??? Virtutis in Homine. Der rechte Adel ist nichts anders / als eine fähige Wirckung der Tugend in dem Menschen. (Adels Uhrfprung.) Es ist aber derselbe dahero entsprungen / indem diejenigen / welche mit besonderen Tugenden ausgezieret gewesen / und sich im Kriege und Schlachten tapffer und ritterlich gehalten / auch umb das gemeine Va [45] terland durch guten Rath / vernünfftige Anschläge / Kunst / und Geschickligkeit von Keyser / Königen / Fürsten / und Herren / auch von einer gantzen (Limnaus de Jure public.) Reipubliq mit Nahmen / Schildern / Wapen / Helm / Wehr / und Waffen sind begnädiget / und also von andern unterschieden worden. Die Tugend führet ihre Belohnung mit sich / und die Ehre folget derselben / wie der Schatten dem Leibe. Woraus erhellet / daß diejenigen / so ihrer Vorfahren Wapen / Spieß / Helm / und Schwerdt ererbet / nicht eben edel / sondern die / welche ihre Hände in der Feinde Blut gefärbet / für andern herfür zuziehen. Tugend ist der Ursprung alles Adels / und alle Geschlechter sind umb (Justus Seldan. in vitâ Davidis.) der Tugend willen geadelt worden. Denn wenn ein Ritter sich durch die Tapfferkeit / und ein Gelehrter durch seine Wissenschafft und Kunst herfürmachet / so ist der Adel ein Lorbeer-Crantz / mit welchem die Zeit alle Tugend - Erben becrönet. Ie edler eine Sache / ie eher kan sie beflecket werden. Die Natur machet nicht edel / wer aber von Natur edel ist / der soll seinen edlen Verstand behalten / damit sein Adel desto vollkommener werde. Fortes creantur Fortibus & Bonis. Tapffere Leute werden von Tapffern gezeuget: Kein Adel stirbt mit der Person. Dahero wenn man sich seiner Vorfahren löblichen Tugenden erinnert / so soll es ein Antrieb zu denenselbigen seyn. Ein Baum der wohl gepflantzet und gepfleget / unterläst nicht edle Früchte zu bringen. Wiewohl die Unart zu Zeiten sich auch dabey sehen lässet. Denn es heist: Heroum Filii Noxae. Wackerer Leute Kinder sind gleich einem Rauche / welche von einem hellgläntzenden Feuer aufgehen / und hernach verschwinden. Keyser Sigismundus sagte: Es adele kein Adel den Andern / es sey dann daß er sich durch die Tugend selbst adele. Denn welchen die Natur mit hohem Verstande / und Geschicklichkeit begabet / der ist ein rechter Edelmann: Klugheit und Tapfferkeit macht Einen bewaffnet / und Künheit ohne Verstand ist eine Narrheit. Bey den Römern wurden nur diejenigen edel genennet / deren Väter Bürgermeister / Baumeister / Censores oder Praetores waren. Gleichwie aber diejenigen edeln Gesteine / welche man in Gold fasset / für Andern einen viel herrlichern Glatz von sich geben. Also ist auch diejenige Tugend / wenn die edle Geburth darzu kömmet / viel vortrefflicher. Die Waffen sind vor und an sich selbst ohne Würde / es sey dann / daß man dabey einen klugen Rath und kühne That mit gebraucht. Denn nimmermehr wären die berühmtesten Städte in der Welt / und unter andern Athen / Carthago und Rom / so hoch gestiegen / daß sie gantze Länder und Königreiche unter sich gebracht / wofern sie sich nicht der Waffen mit Vernunfft / Klugheit und heilsamen Rathschlägen bedienet hätten. Es ist aber / wie gedacht / der Adel unterschiedlich / und unter andern auch dreyerley / als: Nobilitas Naturae, Doctrinae, & Virtutis. Der Adel von Natur: Der / so aus der Geschicklichkeit herrühret / und der / welcher von Heroischen Thaten entspringet. Wernun in einem von diesen Dreyen excelliret / der führet billich den Nahmen eines Edlen. Denn gleichwie in der natur eine solche Ordnung gegründet / daß ein Geschöpffe immer höher als das andere gestellet / indem man siehet / wie der gestirnte Himmel über der Lufft / die Lufft über der Erde / die Erde über das / was sie in sich begreifft / desgleichen der Leue über die Thiere / und der Ad [46] ler über die Vögel: Also werden auch unter den Menschen Keyser / Könige / Fürsten / Herren / Grafen / und Adels - Genossen / wegen ihrer Vortrefflichkeit für Andern herfür gezogen. Dafern man aber den von den Eltern erworbenen Adel hindansetzet / so heist es wie der bekandte Poet saget: (Opitius.) Wie nichtig ist doch hier den Adels-Nahmen führen? Heist dieses nicht / sich nur mit fremden Federn zieren? Wenn Adel einig heist von Eltern Edel seyn / so putzet ihn hier aus ein ungeerbter Schein. (Der gelehrte Adel. L. 2. ff. de Orig. Juris. in L. providen. C. de postulat. Syrach. 10.) Turpè est Patricio, & nobili Viro Jus ignorare. Es stehet einem von Adel übel an / wenn er zugleich nicht etwas von denen Rechten verstehet. Daß Kunst und Geschicklichkeit auch Edel mache / das bezeugen alle weltliche Rechte / und ist Adel der Kunst Tochter: Denn die Weißheit dessen / so von geringem Stande / bringet ihn zu Ehren / und setzet solchen zunechst dem Fürsten. Es haben Potentaten ie und allewege die Gelehrten für Edel gehalten / sie zu ihren geheimbdsten Rathschlägen gezogen / und ihnen ihre Regierung mit anvertrauet. Welcher Gestalt vor Alters Könige (L. quidquid C. de Advocat. C. de Off. divers. Judic. 2. Sam. 8. 20. 1. Chron. 10. Jerem. 36. Liv. lib. 2.) und Fürsten die Gelehrten und Rechts-Verständigen geehret / das ist hin und wieder in den Rechten zu befinden. Bey dey Israelitischen Königen waren die Schrifftgelehrten am nechsten / und ihre vertrautesten Räthe: Die Persischen und Egyptischen Magi wurden von ihren Königen alle für Edel und in grossen Ansehen gehalten. Der tapffere Römer Mutius Scaevola vermeinte nicht anders / als wäre derjenige Rath / den Er erstach / der König Porsena selbst / indem er demselben zur Seite saß: Dem herculi und denen Musen wurde zugleich ein Altar gewidmet / und der Pallas, als einer vermeinten Göttin des Krieges und der Weißheit / Schild und Helm angethan. Niemals wird der Krieg ohne die Weißheit angefangen / und niemals werden die Waffen entweder aufgeführet oder beygeleget / es sey dann / daß die Feder (Ambrosius de Benefic. 14.) darüber geurtheilet. Omnia ponderantur Prudentiâ, quae est Ars vivendi, & bellandi, ut Medicamen valetudinis: Alles in der Welt muß durch die Weißheit / und den Verstand / welche die Kunst zu leben / und zu kriegen weiset / als eine Artzney der Gesundheit überleget / und beobachtet werden. Die Aegyptier / wie in ihren Hieroglyphicis zu lesen / mahleten auf einen Königlichen Scepter ein Auge / wodurch sie der Gelehrten Verstand / welcher bey Fürsten und Herren / und in Regiments-(Reusn. Class. 3. Symb. 26. Lemmermann. in Idleâ Princip. Christ. c. 20.) Sachen angewendet werden müße / angezeiget. Keyser Rudolphus der Erste führete zu seinem Symbolo dieses: Regni Prudentia Custos: Die Weißheit ist des Reichs Hütte: Und Keyser Ferdinandus der Ander pflegte bey gehaltenen Rathschlagungen zu sagen: Es sey viel besser und sicherer / daß man seinen Gelehrten / ob es gleich nicht allemahl nach. Wunsche ablieffe / Beyfall gebe / als daß man seinem eigenen Gutachten folgete. Die Lesung der Bücher / die Betrachtung der Geschichte: Die Erfahrung und Begreiffung der Stats - Händel weisen mehr als zu viel / wie ein König wohl regiere: wie ein Land auf das andere abgekommen. Was für Sitten und Gebräuche ausländische Völcker an sich / und mit was für Macht und Gewalt ihre angräntzende Nachbaren versehen: [47] gleichen / wie man seiner Feinde Betrug und List wahrnehmen: Wie man heilsame und kluge Consilia fassen: Wie man zu einem rechten tugendhafften Leben gelangen: Die Experienz, oder Erfahrenheit durch fleissige Betrachtung zuwege bringen / und die Erkäntnis eines jeden Dinges durch Ubung erlernen möge. (Comminaeus l. 6. c. 11.) Als Ludovicus der Eilffte König in Franckreich / bey seiner angehenben Regierung seines Herrn Vatern getreue Räthe verließe / und sich an andere ungelehrte hengete / wurde er bey nahe von dem Königreiche verstossen / als er aber nunmehro sterben wollte / vermahnete er seinen Sohn Carolum, daß er keines weges nach seinem Tode seine alten Räthe verlassen / dero Rath folgen / und sich umb keiner geringen Veränderung willen in Leib und Lebens-Gefahr setzen möchte. Wenn der Mensch wegen der eiteln Ehre des Adels sich höher als Andere achten solte / so hätte GOTT nicht Könige und Fürsten hinter dem Pfluge oder von geringem Stamme hinweggenommen. Von einem Anfange kommen beydes Edle und Bauern her / und durch die Natur sind wir alle gleich / von der Ungleichheit aber rühret die Tugend her: Gelehrte kommen in es ist kein Stand so hoch / der nicht durch die Wissenschafft und Künste könne höher gemacht werden. Dem berühmten Isocrati richtete man zu Ehren in der Stadt Olympia eine Statuam auff / desgleichen auch dem Demostheni, mit dieser Uberschrifft: Wenn Demosthenes seines Gleichen am Verstande / und Gaben des Gemüths bey seinem Leben gehabt / so hätte kein Macedonier über Griechenland geherrschet. Keyser Severus liebte die Gelehrten / und fürchtete sich auch zugleich / daß sie nichts Widriges von Ihme schrieben. Keyser Sigismund zoge auf dem Concilio zu Costentz dieselben dem ungelehrten Adel für. Alle Veränderungen verzehren das Glücke ohne allein die Kunst nicht. Und gleichwie die menschlichen Contrafaicte ben schönsten Denckmahlen zu vergleichen: Also sind auch die Wisenschafften des Adels beste Bildniße. (Erworbener Adel.) Eine Ritterliche Hand muß viel Thaten thun / und zugleich auch viel ausstehen / ehe er die Staffel der Ehren erreichet: Die Wurtzel der Tugend ist bitter: die Früchte aber desto süsser. Man pfleget zwar zu sagen / es ist ein gewagtes Spiel / wenn man die Wohlfart des Landes auf die Spitze des Rappiers stellet / gleichwohl aber muß die Tapferkeit des Landes Wolfarth / die Freyheit und deroselben Recht und Gerechtigkeit handhaben. Ein edler Nahme ohne Mann ist nichts: Der Sarmatier Adel bestunde in den Waffen / und der Syrer und Aegyptier im Kriege / also wer sich darinne am tapffersten erwiese / der war der beste Geadelte. Der meiste Adel ist berührter massen bey allen Nationen dahero entstanden / indem man die / welche sich in Schlachten kühn und behertzt erwiesen / für Andern öffentlich gelobet / und in den (Chassanaens.) Adel-Stand gesetzet. Hernacher auch solcher auff ihre Kinder gestammet: Etliche sind der Gedancken / daß man den rechten Adel nirgend besser als durch den Krieg überkomme. Dann weiln man daselbst sein Leib und Leben in die Schantze geschlagen / und dasselbe zu Beförderung des Vaterlandes / seines Herrn und der Unterthanen Wohlfahrt anwenden müsse / so sey auch billich / daß man Edler als Andere sey.
|| [48]
(Unser aller Anfang ist gleich.) Sonst ist nicht ohne / daß aller Menschen Anfang gleich: wir kommen alle von einem Vater / und von einem Fleische her / auch ist unser aller Vater / seinem leiblichen Wesen nach / aus einem Erden-Klose / und unser aller (Genes. c. 2.) Mutter aus einem Knochen gemacht. Wie hoch Adam für dem Fallle geadelt / ist bekandt / alldieweil er aber sich an seinem Adel-Stande nicht begnügte / sondern vermittelst der Hoffart nach höherer Hoheit und Gewalt stunde / verlohr er / nebenst seinem natürlichen Adel / auch die Herrschafft (Böetius l. 4. Pros. 3.) / und ward ein stinckender Sünden-Knecht. Denn was vom Guten abfäfft / oder aufhöret Gutes zu thun / dasselbe ist auch nicht das / was es war. Wir Menschen sind durch die Bosheit so verwandelt und untüchtig gemacht / daß wir fast nicht mehr würdig für Menschen zu achten / sondern für Bestien / nemlichen einen Geitzigen für einen Wolff / einen Betrüger für einen Fuchs / einen Tyrannen für einen Beeren / einen Fresser und Säuffer vor eine Saue / einen Lästerer für einen beissenden Hund / und einen Hurer für einen unkeuschen Tyger zu halten. (2. Pet. 2. c.) Unser natürlicher Adel ist nunmehr nichts anders als daß wir in Sünden empfangen und gebohren / für GOtt Finsternis und Blindheit / und (Syrach.) daß man heute ein König und morgen todt sey: Die Materia, woraus wir gebohren werden / ist abscheulich: Traurig und frölich ist die Geburth: Mit Weinen / nackend und bloß kommen wir an die Lufft / und alles das Unglück so einem begegnet / wiederfähret auch dem Andern / uud eben die Kranckheit welche einen Bauer hinrichtet / kan auch einem König / Fürsten / Herrn / und Edlen begegnen: Einer muß so wohl als der andere des zeitlichen Todes sterben. Und ob gleich Einer für dem Andern an Stärcke / Gesundheit / Verstand / Geschicklichkeit / Schönheit / und Klugheit einen Vortheil zu haben scheinet: So rühren sie doch alle dem Ursprunge nach von einem Stamme her. So lange als Tugend unter einem Geschlechte grünet / so lange währet auch der Adel / sobald aber der Tugend-Baum verdorret / so ist es auch mit der Erb-Tugend / oder andern verliehenen und erworbenen Adel geschehen. Als König Antigonus den Welt-klugen Bion Spott-weise fragte / woher erseinen Uhrsprung hätte / gab er ihm zur Antwort: Wer einen guten Schützen haben will / der muß nicht fragen / woher Er ist / oder von wessen Geschlechte er entsprungen / sondern / ob er auch wohl schiessen könne. (Sabellicus. Enncad. l. 6.) Keyser Macrinus riethe dem Römischen Senat, daß sie in Erwehlung eines Ober-Haubts nicht auf das stattliche Herkommen des Erb-Adels / fondern auff einen solchen / der seinen Adel durch Ruhm und Ehre selbsten herfür zu bringen vermöchte / sehen solten. Der Römische König Romulus ward von einer Vestalischen Jungfrau gebohren / von einer Nahmens Lupa gesäuget / und durch seine Mannheit erhöhet: Der Perse-König Darius Hystaspis war ein Schild-Knecht: Der König in Egypten Ptolomaeus Lagus ein Lands-Knecht. König Eumenes in Cappadocien ein Schreiber / König Protarchus eines Krähmers Sohn: König Alynomus ein Kräuter-Mann. Hugo Capetus eines Metzgers Sohn: Der Tarter-König Tamerlanes ein Hirte / und Freybeuter. Keyser Bonosus eines Schulmeisters Sohn / und Keyser Mauritius ein leibeigener Knecht / und dies sind doch alle durch Tugend und ihre Krieges-Tapfferkeit zu der (Plinius l. 22 Gellius l. 5. c. 5.) höchsten Ehren-Staffel gestiegen. Die Römer beschenckten zu dem Ende die jenigen / welche sich mannlich verhielten mit Cräntzen / welche man Coronas gemmatas, aureas, vallares, murales, rostrales, civicas, und triumphales nennete / damit denen Trägen und Faulen eine Scham ein [49] gejaget / die tapffersten Gemüther aber dardurch zur Tugend aufgemuntert werden möchten. Die Macedonier hatten ein Gesetze / daß der / so in einer Schlacht keinen Feind erlegte / an statt der Straffe muste eine Halffter um den Leib tragen. Die Carthaginenser erlaubten einem ieden / der sich im Kriege wohl verhielte / so viel Cräntze zu tragen / als Er Schlachten beygewohnet / die alten Spanier aber richteten demjenigen / so viel Feinde er erleget / auch so viel Ehren-Seulen nach seinem Tode auf. Woraus man siehet / daß der meiste Adel von dem Kriegs-Wesen entsprossen. Alle Tapferkeit ist der Anfang wichtiger Sachen / und das Ende bezwinget auch das Glücke. Der Tugend Lob bestehet nicht in Worten / sondern in Wercken: Wer dieselbe aussäet / der erndtet einen unsterblichen Namen ein. Gleichwie aber nichts vortrefflichers / als der Kriegs-Adel: Also ist auch nichts schimpflichers / als Adel ohne Tugend. Denn sobald die Tugend verschwindet / so bald verleschet auch der Adel. Der ist ein rechter Rittersmann / welcher seinen Adel mit adelichen Tugenden erweiset / und die Jenigen irren gar sehr / welche dafür halten / daß die andern Menschen alle umb (2. Sam. 19.) deß Adels willen zu Knechten erschaffen. Als dort der Held David den streitbahren Amaza zum Feldherrn machte / ließ er ihm durch den Priester Zadock / und Abiathar sagen: Du sollt an Joabs statt für mir dein Lebenlang Feld-Hauptmann seyn: Das ist / du sollt so hoch geehret und geadelt seyn / als mein Vetter Joab niemahls gewesen ist. Und gleichwie die tapferen Helden eines Königreichs / oder Landes Fäuste und Hände sind / wormit sie die anderen Glieder des gemeinen ist auch nicht unbillich / daß sie für Edel geachtet werden. Weil derohalben der beste Adel nicht eben in der Geburth / sondern in tapferen Thaten bestehet / So sind die / die Edlesten / welche sich wolanständiger Sitten un̅ allerhand löblicher Thaten befleissige̅. Denn wenn das Helden-Blut sich in den Adern regt / So weicht die Zärtlichkeit: Der Arm / die blancke Waffen / die schwingen sich empor / und machen viel zu schaffen / mit dem / wodurch den Feind man aus dem Felde schlägt. Da hört ein Held alsdann / was Ihm die Ehr einträgt / Die Fahnen fliegen frey: Der Feind macht Ihm zu schaffen: Die Stücken lösen sich / die Falkonetten paffen / bis daß den Palmen-Krantz Er die Haare legt. Der Tugend-Adel ist weiter nicht erblich / es sey dann / daß die Kinder ihren Eltern (Tugend-Adel.) an Vortrefflichkeit / Verstande und Erfahrenheit nachschlagen: Denn gleichwie man durch seine eigene Tugend und Redlichkeit viel wichtigere Dinge zum Nutzen des gemeinen Wesens vollbringet: Also verursachen auch solche / daß man für Andern herfürgezogen (August. l. 5. de Civ. Dei. c. 12.) / und geehret wird. Die Römer baueten zweene Tempel nebeneinander / nämlich Einen der Tugend / und den andern der Ehre zu gefallen / also / daß / wer in den Tempel der Ehre kommen wollte / vorhero durch den Tugend-Tempel gehen muste / wodurch sie zu erkennen gaben / daß der / so geehret und geadelt seyn wollte / sich zuvor eines Tugendhafften Lebens befleissigen müste. Die Ehre ist der Tugend Lohn: (Solinus in Polyhistor. c. 66. Livius lib. 1.) Wenn man vorzeiten in der Insul Taprobana einen König erwehlete / so sahe man nicht auf sein altes Geschlechte / sondern auf sein erbahres Leben / sittsahmes Gemühte und guten Verstand. Wer vordessen zu Rom erbar und tugendhafftig war / der kunte bald Edel werden. Niemand ist unedel / ohne der / welcher den Lastern anhänget / und nicht bedencket / worzu erschaffen; Es ist nichts ungereimters / wenn man sich seines Adels rühmet / und hat keine Adeliche Tugenden noch höffliche Geberden an sich. Als dem Römischen Bürgermeister Ciceroni von dem Sallustio vorgeworffen wurde / daß er aus keinem adelichen Geschlechte entsprungen / antwortete ihm derselbe also: Ich habe durch mein erbares Leben und Tugendhaffte Thaten mein Geschlechte der gestalt erleuchtet und geadelt / daß / ob schon vormahls meine Vorfahren nicht bekannt / sie nunmehro von mir auch in der Erde nahmhafftig / und beruffen wer [50] den / da hingegen du mit deinem unerbaren Leben deiner Vorfahren ehrlichen Nahmen beflecket / und sie durch deine Leichtfertigkeit aus dem Gedächtnüsse der Menschen gebrachthast. Denn es ist mir lieber / daß ich durch meine eigene Thaten zu hohen Ehren gestiege̅ / als daß ich mich unwürdig meiner Vor-Eltern Adel berühmen sollte. (Tiraqvellus.) Der Poet Codrus aber urtheilet von solchem Adel dieses: ??? Sint tibi Rex, & Regina Parentes, & maneat virtus pectore nulla tuo, Nonpluris faciam te, quam tibi Rustica Mater, Si sit, & ignarus Rusticus ipse Pater. Es mag gleich in dir seyn ein Königliche Geblüte / mühte / so kan man an dir doch ersehen kein Geträgst. Das Zucht und Ehre hegt: An statt du Tugend hegst so ist der Bauer der / den du im Nacken (Plutarchus.) Es ist ein schlechter Adel / da Einer allein nur Schild und Wapen / und sein erbliches Geschlechte auffzuweisen verwag; Der aber ist viel herrlicher / welcher Ihm durch redliche und löbliche Thaten einen unsterblichen Nahmen zu wege bringet. (Platin. in Dial. de verâ Nobilit.) Deß rechten Adels Eigenschafft ist dem Guten nachsetzen / dem Nechsten Gutes thun / den Wollüsten und Begierden nicht nachahmen / und sich für dem schnöden Geitz hüten. Denn wer das thut / derselbe ist / ob er gleich von geringen Leuten gebohren / und Geschlechts halber nicht Adel / dennoch seiner Verdienste und Tugend wegen für Edel zu achten: Vir optimus non uti???ue potest esse ignobilis. Bleibet dahero (Anderer Adel.) darbey: Ein redlicher Mann kan nicht unedel seyn. Es rühret aber auch der Adel von anderen herrlichen Thaten her / als daß Einer von guten und Ehrlichen Eltern erziehlet / von einem untadelhafften Geschlechte gebohren / und an Ehren / Aembtern und Tituln zu genommen. Denn es ist nicht ein edler und geringer Schatz / wenn einer solche Eltern gehabt / die man in hohen Ehren gehalten / und denen man alles gutes nachrühmet / deßgleichen von grossen Vermögen / Güthern und stattliche̅ Einkünfften. Et genus, & Formam Regina Pecunia donat. Nur Gut und Geld macht in der Welt / Daß man sich auch für Adel hält. (Gvevara 2. p. Epist. c. 4.) Wer vor diesen gehling herfür stieg / und reich wurde / den hielte man zwar für reich / nicht aber für Edel. Anietzo ist der Jenige Adel / qui est Generosus, seu nobilis ex Crumena. Der viel Geld im Beutel hat: man Geld / so ist man ein Held / Edel / Veste und hochgeachtet / ob man gleich die Ohren eher als den Verstand erblicket. Hat man Geld / so wird man in ein statlich Geschlechte auffgenommen: Ist man reich / so bekömmt man viel Schwäger: Geld ist die Welt / und bey dem Gelde lernet man die Welt kennen. Zwo Persohnen sind in einem Wesen / und die Dritte ist die Thorheit: Estote nobiles, sagt man zu denen / welche geadelt werden / sie mögen gleich so grob seyn / als sie wollen / wenn es nur heist: Nobilis est ille, qvem nobilitat sua villa Der soll / und muß auch seyn ein rechter Edelman̅ / wehm sein Vermögen nur zum Edlen machen kan. Alle Reiche bedüncken sich Edel zu seyn. Und gleichwie das Armuth einem die Hinter Thüre (Syrach. 13.) weiset. Also bringet Reichthum alles mit sich. Wenn der Reiche redet / so schweiget Jederman / vn̅ hebt Ihn gleichsam gen Himmel / wenn aber der Arme redet / so sagt man: Wer ist dieser? Die alten Philosophi hielten das für ein rechtes Reichthum / wenn man von denen Vorfahren zugleich Geld und Guth / und denn auch Ehre und Tugend ererbete. Es ist nicht zu leugnen / daß ob gleich das Reichthum nicht adele / so giebet es doch hierzu eine gute Beförderung. Denn gleichwie man in Bestellung der Aembter die Edlen denen Unedlen und gemeinem Manne vorziehet. Also wird auch dißfalls zwischen Reichen und Armen ein Unterscheid gemacht. Den̅ wer in hohen Ehrenstande lebet / und ist reich / der kan Andern mehr (Alexand ab Alex. l. a. c. 29.) geben / als Einer / der sich selbst kümmerlich behelffen muß. Bey den Atheniensern wurde keiner zu keinen Ehren-Ambte gelassen / Er hatte denn eine gesetzte Summa von gewissen Güthern. Zu Rom nahm man keinen in den Raths-Stand / wofern sich sein Vermögen nicht auf 30000. Cronen erstreckte: Zwey Dinge / sagt Cicero, sind / welche den Menschen wider die Erbarkeit verleiten / nehmlich das grosse Armuth / und der unersättliche Geitz. Reichthum ist beydes zu loben / und zu schelten. Guth macht Ubermuth / das Ehrliche Reichthum aber ist ein Geschencke des Höchsten. Zum Beschluß / so findet man auch anderen verliehenen Adel / welcher / wenn er voll Tugend / nicht zu verwerffen. Denn wenn die Stam̅- Wurtzel desselben gut / so können auch die Früchte nicht böse seyn.
|| [ID00059]

Genauere Erklärung Uber Der sieben Planeten Und Des Nimrods Rufzug /
[arrow up]

Auch was unter selbigem Welt-Donarchen / und seinen im Reiche nachgefolgeten 36. Häubtern / so wohlan geist-als weltlichen Dingen denckwürdiges fürgegangen: Ingleichen von allerhand Materien / und zur Moralität dienenden Sachen.
|| [ID00060]
|| [ID00061]
|| [ID00062]
|| [ID00063]

(Alle Dinge in der Welt haben ihre Veränderung.) ADIe Welt ist nichts anders / als ein Schauplatz / darinnen man der Eitelkeit spielet: Etliche treten auf / und Etliche gehen ab / Andere aber fangen an / wo es die vorigen gelassen / und halten in allen die für lauffenden Umbstände / dieses irdischen Bezirks / als Reichthumb / Klugheit / Gewalt / Hoheit und Ehre / als gleichsam Olympische Spiele: Etliche zerbrechen darüber den Hals: Etliche erlangen Sie / und wenn Sie dieselben genugsam besessen / so heisst es: Dieses alles ist ein Schema, ein Schatten / und vergängliches wesen. Dahero bestehet alles nicht / ohne das ewige beständige Guth. Und dieses hat uns auch der Durchlauchtigste Chur-Fürst zu Sachsen sc. Durch den Aufzug des Nimrods gar weißlich abbilden lassen / wie eitel und vergänglich nämlich die weltliche Herrlichkeit / Pracht und Ehre / und dann auch die Beschaffenheit der Menschen / im (Marcus Cicero.) Wandel / Leben / Sitten / Lastern / Fehlern / und Tugenden sey. Denn die Lust dieses Lebens bestehet mehr in der Begierde / als Geniessung derselbigen / und ie höher die Einbildung / ie weniger die Lust etwas zu leisten vermag.
[arrow up]

(AEneas Sylvius.) Die Feciales, und Herolden / welche wie gedacht / deßwegen von den alten Königen und Keysern mit besonderen Freyheiten begabet / und (Carolus Sigonius l. 2. de antiqvo Jure Civil. Roman.) dahero vor Alters aller Beschwerungen entübriget / ingleichen die Trompeter und Paucker / so im Kriege entweder zum Aussitzen / zum marchiren / zur Abwechselung / zum Stillhalten / zum Lermen / zum Angriffe / zur Schlacht / zum Abzuge / und auch zur Lust und Freude ihre Heer-Paucken / und Trompeten hören lassen / schlage / blasen / und ruffen allhier den Pöbel / welcher ohne dies zu neuen Sachen begierig / die Eitelkeit dieser Welt aus. Denn weil wir Menschen in- und mit der Welt tägliche Handlungen pflegen / so vergaffen wir uns an ihren Waaren / kauffen derselben ihren Spott ab / und geben uns ihr zu Leibeigene dahin. Wir erfreuen uns / wenn sie uns schmeichelt / hingegen wenn sie uns mit Güthern / Reichthume / Pracht / Ehre / Hoheit / Uppigkeit / Trägheit / und fleischlichen Lüsten genugsam geliebkoset / so wirfft Sie uns das Sünden-Garn über den Kopf: Die jenigen / welche die meiste Zeit in Bedienung / und Geniessung dieses Irdischen verzehren / scheiden endlich mit weinenden Augen darvon: Unser Wesen ist eine Scylla und Charybdis, darinnen der Menschen Hertzen ersauffen / es ist ein Spott / eine Vermäntelung der Laster / eine Galle der Tugenden / und ein Feind deß Guten. Nichts ist ohne Mühe / und nichts ohne Arbeit / nichts ohne Gefahr / und nichts ohne Beschwerung / das allerschwerste und grösseste aber / daß er nicht weiß / was er erkiesen / noch für was er sich hüten soll. In dem Armuthe lebet er verdrießlich / im Glücke tückisch / im Reichthum hochmüthig / im kriege aufgeblasen / und in dem Mittlern unersättlich: Alle Stände seynd verkehret; Es ist keiner ohne Ende: keiner ohne Reichthumb: keiner ohne Mühe: keiner ohne Gefahr: keiner ohne Feude / und keiner ohne Ruhe. Unser Vermögen nennet man Arbeit: Niemand weiß den Weg / welchen er vor sich gehet: Alles empfindet seine Veränderung. (Der Zeit Recht.) Und weil auch alle stunden und alle Tage derselben untergeben: So folget solcher die Zeit: Die Poeten geben vor / die Zeit sey unendlich / wäre [54] aus der Bewegung des Himmes erzeugt / und bedeute nichts anders / als Tag und Nacht: Der Tag wäre der Nacht ihr Mann / welcher des Abends in ihr Schlaff-Gemach gienge / sie aber befeuchte immittelst den Erdboden / damit er Ihn durch seine Krafft hinwieder erwärme / und dardurch alles Gewächse lebendig mache. Es ist aber die Zeit mehr als zu schnelle / so gar / daß sie eher verlaufft / als man sagenkan / daß Sie gegenwärtig sey: Ein ruhiger Mensch vermag in kurtzen viel Gutes zu stifften / und zu schaffen / ein Unruhiger aber viel Unglück und Ubels. Und ob gleich besagte Zeit alles verzehret / und mit ihr unser GOTT / der vor sich (Deo nihil vetustius, nihil vivacius. Plato.) ein ewiges und selb-ständiges Wesen / und durch seine Allmacht die Welt zusammt der Zeit mit höchster Weißheit erschaffen / alles dahin reisset; So verrichtet sie doch mehr als die aller gewaltigste Stärcke. Darumb man sie auch nicht unbillig in Gestalt eines Riesens / auf einem erhobenen Berge sitzende / vorgestellet; Diese lässet sich GOtt / als sein Uhrwerck / denen Irdischen nicht verrücken / sondern bleibet bey deme / was von Ewigkeit er beschlossen; Wen die Stunde trifft / der muß fort / un̅ wer durch die Sünde sich hier verab säumet / der hat dort keinen Platz: Der Sommer begehret nicht des Winters / und der Winter des Som̅ers: Viel leben in dem irrigen Wahn / daß das / was man erobert und beutet / was man durch Betrug und List an sich ziehet / was die Boßheit stifftet / warum Treu und Glaube erlischet / und man die Frömmigkeit und Gottesfurcht hindan setzet / der Zeit zuzuschreiben sey / man hat aber solches vielmehr grossen Potentaten / die dergleichen zu steuern vermögen / beyzumessen / Denn wie der Herr / als das Uhrwerck und seine Regierung beschaffen / Also ist auch (Cassiodorus.) der Länder und Unterthanen Wandel: Populi Securitas, est Ornatus Principis: Populorum Salus Gloria Principum: Haben die Unterthanen Ruhe / so stehet es wohl um den Fürsten: Ein ander / und bessers aber kan vor der Zeit gesagt werden: Die Zeit reisst alles hin / was in der Welt entstehet / Das Jahr verkehret sich / der strenge Frost vergehet: Der kühle Lentz tritt ab: Der Tagentweicht der Nacht: Den Sonnenstrahlen wird zum Früchten Raum gemacht: So wandert alles hin / so streicht man auf- und nieder / nur unsre Lebens-Krafft / die kehret hier nicht wieder / Die Tugend aber / so den Göttern gleich geacht / Macht / daß die Sterblichkeit das Sterbliche veracht. (Gvevar. in Horol Princip. 2. p. c. 23.) Etliche der Menschen halten dieses für die beste Zeit / darinne es ihnen wohlgehe / und hingegen die für die böseste / in welcher es ihnen übel gehet: Die jenige aber ist die beste / die zu den Tugenden / die böseste aber / so an die Laster verwendet wird. Denn die Zeit ist einerley / die Manschen aber (Juxta Aristor.) sind zu einer Zeit frömmer / und böser als zur andern. Es ist aber solche nicht anders als eine Zahl oder gewisse Bewegung des obersten Him̅lischen Cörpers / so man primum Mobile nennet / und die Sonne mit sich vom Aufgang bis zum Niedergange führet / woraus ein natürlicher Tag entstehet. Daß sie aber in Gestalt eines Riesen abgebildet / geschiehet darum / weil unter ihr alles vorläufft / was in der Welt an Macht / Gewalt / Stärcke / Grausamkeit / Ubels und Gutes gestifftet wird. (Der Jahres Zeiten Eintheilung.) Das Jahr wird auf dreyerley Weise eingetheilet / nehmlich / in das Grosse oder Platonische / in das Sonnen- und Monden-Jahr. Das Platonische soll sechs und dreyssig tausend / oder neun- und vierzig [55] tausend Sonnen-Jahre in sich begreiffen / welche man an seinen Ort stellet: Das Sonnen-Jahr ist die Zeit / in welcher die Sonne den ganzen Zodiacum, oder Thier-Creiß / und | alle zwölff himmlische Zeichen durchläufft / biß sie wieder zu ihrem Puncte kommt / von welchem sie ihren Anfang genommen / welches in 365. Tagen / 5. Stunden / 49. Minuten (Alphons???.) / und 16. Secunden geschiehet: Das Monden-Jahr aber ist gleicher Gestalt eine solche Zeit / darinnen der Mond / welcher seinen eigenen Lauff hat / in 27. Tagen / 7. Stunden / 24. Minuten / und 5. Secunden, itztgedachten Zodiacum durchstreicht / gestalt man auch die Zeit ein Monden-Jahr nennet: welche zwischen beyden Conjunctionen des Mondens mit der Sonnen vorläufft / wie auch die gantze Zeit der 12. Mondenscheine / welche 355. Tage in sich hält. Die Babylonier rechneten einen Tag / wenn die Sonne zweymahl aufgangen; die Umbri von Mittag biß wieder auf den Mittag: Die Athenienser wenn die Sonne zweymahl untergangen: die Römischen Priester / Aegypter / und Hipparchus von Mitternacht bis wieder dahin / der gemeine Mann aber vom Tage bis in die Nacht. Die Jahre aber sind bey etlichen Völckern unterschiedlich gewesen / denn die Römer rechneten zur Zeit ihres Königes deß Romulinur zehen Monate für ein Jahr: Numa Pompilius, setzte zwey Monate (Florus l. 1.) / als den Januarium und Februarium hinzu: Die Arcades hatten (Plinius l. 7.) drey Monate in einem Jahre: Die Aegyptier sechse: Die Iberi viere: Die Lavinii dreyzehen: Die Acarnanes sechse. Bey den alten Persern / Griechen und Aegyptiern / fienge man das Jahr an mit dem AEqvinoctio (Julius Firmicus.) autumnali, wann im Herbste Tag und Nacht gleich: Bey den Arabern, wenn die Sonne im Löwen tratt: Bey den Alexandrinern zu Ende des Augusti: Bey den Römern im Januario, und bey den Astronomis im Martio. Der Januarius rühret her vom Jano, durch welchen etliche den ältesten König in Italien / Etliche die Sonne: Etliche aber den Patriarchen Noah verstehen / welcher gleichsam nach erfolgter Sündfluth hinter sich in die alte / un̅ nachgehends vorwerts in die neue Welt gesehen. Dahero man ihn auch mit zweye̅ Gesichtern abgebildet: Der Februarius aber von dem fegen: Fegopfern / und Versöhnung / alldieweil man ganzer zwölff Tage lang in demselben Monate Todten-Begängnüsse hielt / und für die Seelen der Verstorbenen Opfer anstellete / mit Fackeln und Wachs-Liechtern einhergienge / und alles auf das neue einweyhete / und reinigete / damit die Seelen der Verstorbenen Ruhe bekämen / weßwegen man diese Art des Opfers Ambarvale Februum, und Lustrale nennete. Martius führet (Varro.) den Namen von dem Kriegs-Gott Marte, des Romuli Vater. Aprilis hat den Namen von aperiendo, weil die Natur nunmehro das / was sie bishero in sich verschlossen gehlten / wieder herfür giebet / oder von der Aphrili (Ovid. l. 1. Fastor.) der Venere, welchen Monat man vorzeiten der Veneri zugeeignet. Majus, von den alten / oder von der Maja des Mercurii Mutter / qvae Genitum demittit ab alto: weis sie das / was sie gebieret / von der Höhe herab giebet. Junius von der Junone, welcher man in diesem Monat die gröste Ehre erwiesen. Julius wurde im Anfange Quintilis genennet / weil er damahls der fünffte in der Ordnung / wie auch der Augustus Sextilis, als man des Jahres nur zehen Monat rechnete / biß Sie zu Ehren der beyden ersten Römischen Kayser Julius und Augustus genannt wurden. Die anderen Monate aber / als der September, October, November, December, hat man nach der Ordnung der anderen eingetheilet. Unter andern hatte der Januarius zum Schutz-Gotte / oder Göttin den Ja [56] num, umd die Junonem: Februarius den Neptunum: Martius die Minervam: Aprilis die Venerem: Majus den Apollinem: Junius den Mercurium: Julius den Jovem: Augustus die Cererem: September den Vulcanum: October den Martem: November die Dianam: und December die Vestam: Woraus ein ieder kluger und verständiger zu urtheilen / wohin der Weisen Heiden ihre Philosophie gezielet. Was die vier Jahres-Zeiten in sich begreiffen / bedarff weniger Ausführung. Das Jahr wird / nach Isidori Meinung / Annus ab Annulo von einem Ringe hergeführet / alldieweiln es / wegen seiner revolution, und Herumwaltzung wie ein Circul ist / an welchem weder Anfang noch Ende zu sehen: Dahero der Poet saget: (Virgilus.) Atq; in se sua per vestigia volvitur annus Nur blos das werthe Jahr hält in sich seinen Lauff / Denn wo essich anfängt / da hört es wieder auf. Daß dieses aber in zwölff Monate / zwey und funffzig Wochen / 365. Tage / iede Woche in Sieben / ieden Tag in 24. Stunden / eine Stunde in 60. Minuten / eine Minute in 60. Secunden, die Secunde in 60. Tertzen / und so fort eingetheilet werden / wissen die Astronomi am besten / ingleichen dieses / wie der Frühling nach Astronomische Art seinen Anfang den 10. Martij, wann die Sonne den Circulum aequinoctialem erreichet / der Sommer den 11. Junij, der Herbst den 12. September, und der Winter den 11. Decembris gewinnet: Es werden aber diese 4. Zeiten nach den vier Theilendes Zodiaci in folgenden Versen beniehmet: Zodiaci Caput est Aries, & veris & Anni: AEstatis Cancer, Autumni pendula libra, Incipit ex imò pluvialis Hyems Capricorno: das ist: Im Widder fähet sich der schöne Frühling an / Die Sonne weist im Krebs was sie auch nutzen kan. Die Wage bringt den Herbst: der Winzer sucht den Karsten: Der Steinbock reitzet an den Winter zu verharschten. (Der Frühling.) Gleichwie aber GOTT die vier Elemente erschaffen: Also hat Er auch das Jahr in Vier Zeiten abgetheilet: unter welchen der annehmliche Frühling der erste / der sich mit dem Elemente deß Wassers vergleichet: Kein Element bestehet ohne das andere. Denn als Gott Himmel und Erden machte / theilete er die vier Elemente / Wasser / Erde / Lufft und Feuer voneinander / setzte ein iedes an seinen bestimmten Orth / und befestigte Sie dermassen / daß wo eines derselben ermangelte / das ganze Gebeude zu Grunde gehen müste. Das Wasser ist das jenige / welches die übrigen drey Elemente / und alle andere Elementarische Sachen aufhält / und durch welches alle Dinge erschaffen und gemachet werden: Die Erde bringet allerley Pflanzen hervor / welche nachmahls durch die Lufft ernehret / und von dem Feuer natürlich erwärmet werden: Die Natur kan ohne dieser viere ihrem Zuthun nichts verrichten / dieweiln zu dem Geschöpffe das Wasser die Feuchtigkeit / die Erde die Trockenheit / die Lufft die Kälte / und das Feuer die Wärme hergeben muß: Das oberste Element / das Feuer ist heiß und trocken / das Erdreich kalt und trocken / die zwey mittelsten aber die Lufft und Wasser sind feuchte / und haben Wärme und Kälte an sich. Denn die Lufft ist feucht und warm: Hingegen ist das Wasser kalt und feuchte. Wie derohalben das Wasser ein Uhrsprung aller Dinge: Also ist auch der Frühling ein Anfang der anderen Zeiten: In Ihme grünet die Erde / es bekleiden sich die schönsten [57] Blumen / die Bäume tragen Laub / Blüthen und Früchte / alle Kräuter kommen zu ihrem Wachsthume / die Vogel tragen zu Neste / legen Eyer / und hecken / die Fische leichen / und lässet sich hier alles Geschöpffe lustiger als zur andern Zeit ansehen / und wann er also die Welt gnugsam ausgeputzet / so tritt er sein Ambt wieder ab / und hinterlässet seinem Nachfolger das übrige zur Vollkommenheit / gestalt dann derselbe vollends in folgenden Versen abgebildet wird: 1. Ich Frühling stutz in Silbern Stücken / wenn mich mein Zephyr halst und küst; Es muß mir durch das Jahre glücken / Da alles bundt von Farben ist: Ich selbst ernehre meine Jugend / mein Crantz beut meine Wahren feil / daß ich mir selbst den grösten Theil muß dancken meiner guten Tugend. 2. Rom hat in Ehren mich gehalten / das mir ein sonders Fest gestifft: der Winter läst mich nicht erkalten / ob er gleich meine Kräuter trifft; So blühen sie doch einsten wieder / wenn sich die Sonne höher schwingt / und durch die warme Gluth durchdringt / Die Wurtzel meiner zarten Glieder. 3. Bald liegt mein Thun mit Schnee bedecket / bald aber findet sich die Zeit / da es vom Tode wird erwecket / und trägt ein neues Frühlings-Kleid. Da pflantz ich neue Tulipanen mit Tausend-schönen untermengt. Bis sich der heisse Tag verlängt. Und mit mir schwingt die Rosen-Fahnen. 4. Mich rühmt das Lied der Nachtigallen / ihr Thon kommt mir alleine zu / man legt sich ihr dann zu gefallen hin in das grüne Gras zur Ruh. Ist iemahls eine Lust und Wonne / die meine Gärten nur ergetzt / so hat man sich durch mich geletzt / bis nach dem Aufftritt heisser Sonne. (Som̅er.) Diesem folget der güldene Sommer / welcher alles / was lebet / erwärmet / die Geburth der Thiere auf dem Erdboden / der Vogel unter dem Himmel / und der Fische im Meer befördert / und die Kräuter und Früchte zeitiget. Sein Element ist das Feuer / welches eines von denen leichtesten und reinesten. Und obwohl unser Feuer / dessen wir uns täglich bedienen / auch subtil und leichte / so ist es das Element selbsten doch nicht / alldieweil es vor sich nicht lauter / sondern von einer zugesetzten Materia, nämlich von der Lufft / durch die es sich stützet / bestehet. Das [58] Element deß Feuers aber ist so rein / und ohne Zusatz durchdringende / daß es auch ohne alle andere Farben durchsichtig den ersten Theil der Lufft erwärmet / und nebenst dem Himmel durch seine Influenz und Wirckung alle Dinge auf diesem grossen Welt-Gebäude erhält. Denn weil das Feuer hitzig und trocken / so ist es nützlich / daß es zu oberst gesetzet / damit es der Erde / wenn es ihr zu nahe stünde / nicht hinderlich fiele. Dannenhero auch GOTT der Allerhöchste zwischen diesen beyden zwey Scheids-Männer / nämlich die Lufft und das Wasser gestellet / aufdaß diese beyde Elementa nicht zusammen kommen können. Der sinnreiche Poet schreibet dieses von Ihm: Die neu-erhitzte Lufft fleucht in dem Golde her: Die grünen Felder reiffen: Die Aehren beugensich: Die frohen Schnitter pfeiffen / daß auch der Wiederschall den Wohlstand nach sich rufft. Der Vogel leichtes Volck / singt durch die lautre Krufft: Es kracht der düstre Wald: Der Fisch tritt aus den Teiffen: Das weisse Hirten-Vieh geht häuffig Blätter streiffen: Wenn in der obern Welt der Donner pafft und pufft. Die Nymfen stehen auf von ihrer Morgen-Ruh / und eilen Mittags nach den kühlen Schatten wieder; Und wann die süsse Kost erqvicket ihre Glieder / sotreibt die Heerde man im kühlen dann herzu? (Herbst.) Nach diesen tritt der Herbst auf / welcher mittelmässiger als der Sommer ist. Und wie der Frühling ein Anfang deß Sommers / also beschleust der Herbst denselbigen / und macht dem traurigen Winter einen Anfang: Er ist seiner Eigenschafft nach trocken / und hat die Erde zu seinem Elemente. Den̅ unter Ihm sam̅let / man Früchte / die in dem Frülinge und Som̅er gewachsen man erndtet / man säet allerhand Getreidig / löset das süsse Getränke von den Reben / und füllet es in die Fässer / mit einem Worte es wäre dieser dem schönen Frühlinge nicht ungleich / woferne der Winter ihm nicht die Schue austrette. Dannenhero man Ihn auch mit diesen Worten herausserstreicht: So setze du nun / Herbst / auf dein bethautes Haar / auch deiner Früchte Cranz / die Lust ist angefangen / Der Frühling ist vorbey / der Sommer fortgegangen / komm / komm / und gib uns hier / was sonst vergessen war. Dein frohes Winzer-Volck macht dich schon offenbahr / warum verziehstu denn mit deinen braunen Wangen? Laß deinen Epheu-Cranz auch unter uns herprangen / wenn du uns Früchte bringst / so ists ein gutes Jahr. So recht / du brichst herfür / und Bacchus auch mit dir / die vollen Satyren / die dürstigen Silenen / begehen hier dein Fest für allen Helden-Söhnen / und tanzen ihren Tanz durch dieses Welt-Revier. Gleichwie aber der Him̅el Gottes Wohnung: Also ist das Erdtreich denen Menschen und allen Thieren gewiedmet: Denn es empfähet uns / wenn wir gebohren werden / es ernehret und trägt uns / weil wir leben wen̅ aber das gesetzte Ziel vorbey / nim̅t es uns wieder in seinen Schoß / und behält unsere Cörper biß auf den Tag deß HERRN. Alle Elementa erzeigen sich gegen uns freundlich / das Wasser geusst sich gemachsam herab / [59] der Hagel zerschmeltzet / wenn er am gefährlichsten. Die Wellen hören auf / wenn sie am grausamsten getobet; Die Lufft vertreibet die Dicken Wolken: Alles stehet zu deß Erdreichs Diensten: Wer kan nun sein Reichthum aussprechen? Wer seine Fruchtbarkeit ausmessen / und wer den überaus trefflichen Nutzen ergründen? (Winter.) Wenn nun diese dreye vorbey / so kommt der leidige Winter: Sein Element ist die Lufft / welche sehr leichte / und gleichwohl darbey ihren Zusatz hat. Denn wir bedienen uns keines Elements / das nicht seine Vermischung habe / die Erde hat ihre Wasser / das Wasser vermischt sich mit der Erde / die Lufft mit der Erde und dem Wasser / und das Feuer mit der Lufft / und so fort an. Die Lufft aber wird in drey unterschiedene Theile abgemessen / das Oberste / so zunechst dem Feuer / ist warm / welche Wärme theils von dem Gestirne / und dessen Umblauff / theils von dem Elemente des Feuers herrühret: Das mittelste ist sehr kalt / das unterste aber wegen reflexion und zurück fallenden Sonnen-Strahlen hinwieder warm: Denn ie näher die Sonne sich dem Zenith oder zu unsern Haupt-Puncte nahet / ie wärmer ist dieses Theilder Lufft / und hingegen / wann sie von uns abweichet / desto kälter. Was aber den Winter an sich selbst anlanget / so ist dessen Wirckung / sobald er in die Regierung tritt / böse und schädlich: Er beraubet die Erde und die Bäume aller Ihrer Zierde / Blumen / Blätter und Früchte: Die Erde wird wüste: Die bikken Nebel fallen ein: Die Wasser ergiessen sich: Der Schnee / die Kälte un̅ das Eis bricht häuffig herfür: Die Tage werden kurtz / und die Nächte lang: Alles siehet melancholisch und traurig aus: Dem Wasser wird / von Eise ein Harnisch angeleget: Die Thiere bleiben unfruchtbar und die Menschen gehen gleichsam halb unbeweglich daher / also daß man ferner nicht unrecht zu sagen hat: Der Winter pfleget stets der Welt zu widerscheinen / sein allzuharter Frost verschleusst in sich das Land: Er raubt der Bäume Laub mit seiner kalten Hand / und lässt den ganzen Forst in seinem Trauren weinen: Er geusst die gröste Fluth nach denen düstren Haynen / kehrt Feld und Wälder um / als wie ein grimmer Brand / der über sich nur steigt / doch hält er diesem Stand / der auf der Fahrt / und Spuhr nachstellt den wilden Schweinen. Biß diesem nach die Lufft die Felder will aufschliessen / die rauhe Kälte auch zu ihrem Ende geht / und wiederum der Lentz für unsre Thüre steht / da muß denn Schnee und Eis durch Wind und Fluth verfliessen.
|| [60]

B. Nimrod
[arrow up]

Der Erste Assyrichsche / oder Bahyloniche Monarche. (A. M. 1718. Seth. Calvisius.) IN dieser Zeit nun / da sich die Menschen nach der Sündfluth wieder vermehreten / und die Laster mit Gewalt empor stiegen / that sich auch damahls Nimrod, so auch von andern Saturnus Babylonicus genannt / deß Noae Uhrenckell / Chams Enckell / und Chus Sohn / als ein behertzter und kühner Held in dem 131. Jahre nach gedachter Sündfluth herfür / brachte die Menschen durch Zwang unter sich / und nöthigte sie mit Härte und Schärffe (Mos. Gen. 10. v. 8) Städte und Länder zu bauen: Die Schrifft saget / Er fing an auff Erden mächtig zu werden / und war ein gewaltiger Jäger für dem HErrn: dieses verstehen etliche von seiner Tyranney / Bothmässigkeit und Hoffarth / Etliche aber weil er auf Geheiß und Befehl GOTTES die Form einer gewissen Regierung / oder vielmehr die Erste Monarchie auffgerichtet; Man hat aber allhier zwischen der Gewalt und Mißbrauch derselben einen Unterscheid zu machen / denn die königliche Gewalt deß Nimrods rührte von GOTT her. Alldieweil nun die Menge der Menschen zunahme / und das Väterliche Ansehen durch der Kinder Boßheit hinweg fiel / so verordnete GOTT der Menschlichen Gesellschafft einen Heer-Führer oder Fürsten / der nicht allein die Völcker in den Waffen übete / und ihnen gewisse Satzungen zu gehorsamen vorschriebe / sondern auch die / so andern mit Macht das Jhrige entziehen wollten / abstraffte / daß Er aber nachmahls der von GOTT ihme verliehenen Gewalt mißbrauchte (Babylonische Thurm. Gen. II. v. 3. 4.) / vor sich / und die Seinigen einen Stadt und Thurm / dessen Spitze bis an den Himmel reichen sollte / und damit Er darauf / im Fall sich wieder eine Sündfluth ereignete / für denen Wassern sicher seyn möchte / zu bauen / und dadurch bey denen Nachkommen einen unsterblichen Nahmen zu erwecken unterstund / auch mit Menschen grausamer Weise umgieng / und ihnen das Joch der Dienstbarkeit an Hals warff / wurde er deßhalben / nicht wegen seines Nahmens oder Tituls / sondern wegen seiner begangenen Verübung / ein Tyranne genennet. (und die damahlige Sprachverwirrung. A. M. 1757.) Wir Menschen machen uns offters eine närrische Rechnung ausser GOTT; Kommt / sagte diese Gesellschafft / lasset uns eine Stadt bauen / und einen Thurm / dessen Spitze bis an den Himmel reichet. Die Hoffart pfleget auch die Vernunfft zu meistern / der erste Mensch wollte sich Gott gleichen. Diese aber wollen durch ihren Ehrgeitz seyn / wo GOtt wohnet: die höchsten Gebirge sind dem Donner und Blitze am nechsten unterworffen / und diese wollen sich mit Gewalt dem / welcher ein Rächer aller Vermessenheit ist / an die Seite setzen? Es war zwar ihre Meinung nicht / daß sie wollten Nachbarn deß Himmels seyn / sondern ihre Begierde trieb sie zur Ehrsucht / GOTT aber hatte ein besonderes Mißfallen an dieser Hoffarth / und damit Er sie mitten in ihrem Vorsatz aufhielte / so hinderte er sie weder an ihren Händen noch Füssen / sondern an ihrer Zunge: Es ward bey ihnen nichts mehr / als der Schall der Buchstaben verändert / welches das gantze Werck übern Hauffen warff / und die Arbeiter zu Narren machte; Denn einer schrie nach Ziegeln / Kalck / und Steinen /
|| [ID00071]
|| [ID00072]
|| [61]
der ander sahe ihn an / verwunderte sich / was er für unbekannte Reden gebrauchte / brachte ihm an statt dieser materien ein anderes / und gab demselben hinwieder eine Antwort / die der ander so wenig / als er des vorigen verstunde. Ein ander zanckte sich mit einem andern / der Dritte aber hielt mit einem andern eine freundliche Unterredung / die doch keiner als Jeder vor sich selbst verstehen kunte. Anfangs dachte man es hiesse Spott / nachdem man aber die warhafftige Verwirrung inne ward / so erfolgte auf die Antwort ein blosses Stillschweigen / keiner kunte einen andern zu sich ruffen / den er verstanden / und weil letzlich ihr Vorfatz dadurch verhindert / so verlies einjeder seine Arbeit und Werckstatt mit eben der Thorheit / als man sie angefangen. Also pflegen ins gemein die Wercke des Ehrgeitzes / und welche die Hoffart vor die Hand genommen / mit Schmach / und Schande volendet zu werden. (Plinius l. 6. c. 28.) Der Orth an sich selbst / allwo Nimrod seinen Königlichen Thron befestigte / war das lustige Land Sinear, welchem man vor Alters den Nahmen Chaldaea gegeben / welches in der Landschafft des grossen Asien zwischen der Tieger und dem Euphrat lieget / gestalt denn hernacher Chaldaea (Mich. 5. v. 6) das Land Nimrod, und die Könige zu Babel Chaldoeische Könige genennet wurden. Der Anfang seines Reichs war Babel / welche er zu bauen anfieng / und nach dieser die festen Städte Erech, Accad, und Calne. Daß er aber grosse und gewaltige Kriege müsse geführet haben / ist ausser Zweifel. Denn er bestättigte sein Reich nicht allein durch die Waffen / sondern er beschützte (Uhrheber des Krieges.) auch das / was er mit dem Schwerdte erlangete. Und gleichwie die Menschen gar schwerlich an das Joch der Diestbarkeit giengen / und sich öffters desselbigen zu entbrechen bemüheten: Also bezwang er sie doch mit Gewalt / sie wolten gleich oder nicht / gestalt er auch in dem 45sten Jahre (Sleidanus l. de 4. Monarch.) Reichs die Fürsten Assur, Medum, Magogum, und Moscum mit einem Kriegesheer in unterschiedene Oerter ausschickte / daß sie in seinem Nhamen die Länder Assyrien / Meden / Scyten und Moscovien erbaueten / welche alle Jhn für den grösten Monarchen erkenneten / biß sie nach langen Zeiten der Dienstbarkeit satt / und von denen Nachkommen abfielen. Es (Monarchie was sie sey.) werden aber unter dieser Monarchie nicht alle Länder der Welt verstanden / sondern weil dieselbe einen solchen Theil von Land und Leuten unter sich gehabt / daß sie mit ihrer Macht über andere Könige regieren / und Sie im Zaum halten können / allermassen nebenst der Assyrischen Monarchie auch das Königreich Aegypten sehr hoch gestiegen ist. (Erste Abgötterey.) Nirgends ist zu lesen / daß man vor der Sündfluth weder Göttern noch Teuffeln geopffert / nachdem aber die Chaldaeer gehöret / daß diejenigen Opffer / so die Patriarchen gethan / von dem vom Him̅el gefallenen Feuer hinweg genom̅en / und verzehret worden wären / so fiengen sie an nicht dem Allerhöchsten / als durch dessen Krafft und Macht solches geschehen / sondern dem Feuer göttliche Ehre zu erweisen / so gar / daß auch dieser abgöttische Gottesdienst des Feuers / so sie Urnenneten / von den Chaldoeern auf die Assyrer / (Justinus.) Meder / Perser / und Römer / die Jhm den Nahmen Vesta gaben / gepflantzet worden. Denn die Perser legten jährlich solche Orismata, Lumen sanctum, oder heiliges Feuer / auf ein weisses Pferd / führtens mit grosser Pracht einher / und betete dasselbe der König selbst mit den Vornehmsten des Reichs / und einer grossen Menge Volcks an / dergleichen stets-brennendes Feuer wurde auch bey den Römern von den Vestalischen Jungfrauen in ihren Tempeln gar heilig verwahret / also / daß man diese Abgötterey in viel Länder ausbreitete / den wahren Gottesdienst hindan [62] setzte / und an statt des einigen GOTTES dem Teufel unter dem Feuer dienete. Als dannenhero die Abgötterey der Chaldoeer / das Ur Chaldaeorum, und falsche Lehre zu Babel überhand nahm / und GOTT den (Genes. 17. Exod. 20.) Saamen Abrahams / aus welchem der gebenedeyete Weibes-Saamen kom̅en sollte / darvon agbesondert wissen wollte / hefftete er an seiner Gnaden-Verheissung ein Siegel / und gab Abraham und seinem Geschlechte nicht allein die Beschneidung / sondern ordnete ihm auch ein besonderes Land / weltlich Reich / und Kirchen-Regiment / damit sie dadurch von allen Heidnischen Völckern abgesondert bleiben möchten. (Nimrods Gemahlin. Quamdiu regnavit. Berof. l. 4.) Des Nimrods Gemahlin heiß Rhea, mit welchem sie den Jupiter, oder Jovem Belum erzeugte. Cedrenus meldet / daß da einsmahls das Wetter den Thurm zu Babel zerschmetterte / habe ihn ein Stücke darvon erschlagen / welches glaubwürdiger / als daß er / wie die Heyden dichten / in dem 56. Jahre seiner Regierung von den Göttern aufgenommen worden sey / zu welcher Abgötterey auch nicht wenig geholffen / dasjenige Götzenbild / so er zu Babel eben zu dem Ende aufrichten lassen / damit / wenn die Leute von ferne herzu kämen / und sie solches sähen / gemachsam hierzu veranleitet würden. (Anzahl der andern Monarchen.) Nach Jhm führte die Königliche Regierung sein Sohn Jupiter Belus, Baal, Bel, oder Babylonicus, den er mit seiner Gemahlin der Rhea erzeugte: Seine Gemahlin hieß Juno. Und ob er zwar zu Friedens-Zeiten (2. Jupiter Belus. A. M. 1774. Beros.) sich auf die freyen Künste und Wissenschafften des Gestirns legete / und dahero mit seinen Unterthanen weit sanfftmüthiger / als sein Vater Nimrod, oder Saturnus umgienge: so führte Er doch sehr blutige Kriege / bezwang das gegen Abend liegende gantze Sarmatien / biß an Europa mit Gewalt / und ergrieff hernach wider den Scythischen König Sabathium, den er zwar nicht selbsten / weil er durch den Tod verhindert / (wird zu einem Gott gemacht.) sondern sein Sohn Ninus erlegte / die Waffen. Dieser hegte gleich seinem Vater den Götzendienst so hefftig / daß ihm auch nach seinem Tode die Assyrer aus Liebe für einem Gott / von dem / als dem Jupiter, die Heyden und Poeten so viel Fabeln erdichtet haben / ehreten / zu Ehren seiner zu Babel einen Tempel erbaueten / und denselben für andern Göttern allen die gröste Göttliche Ehre erzeigeten. Und das ists / was man im gemeinem Sprichwort saget: Das Meer wischt bey allen Menschen das Unglück ab / ausser denen / bey welchen die Abgötterey einmahl überhand genommen. Hierauf both eine Abgötterey der andern die Faust: Jupiter Baal muste ein Gott / und Juno eine Göttin der Babylonier seyn / Astaroth und Dagon der Philister / Chamos der Moabiter, Moloch der Ammoniter, und Baal Peor der Israeliter / also daß nachgehends fast eine jede Provintz und Stadt ihre eigene Götzen und Götter hatte. Als er in dem 55. Jahre seiner Regierung starb / versenckte man seinen Leib in ein gläsernes Oel-Geschirre / und begrub ihn unter eine darzu versertigte Piramidem. (Anfang des Sicyonischen Reichs A. M. 1861. Plinius lib. 4. c. 5.) Zu seiner Zeit wurde der Sicyonier Reich in der Griechischen Landschafft Peloponnes / welche allenthalben mit dem Jonischen und Aegeischen Meere umschlossen ist / aufgerichtet / woselbst AEgilaleus 52. Jahr regieret hat. In dieser Insel sind insonderheit Bura, und Helice, so aber nachmahls vom Meere hinweg geschwemmet worden / desgleichen Sicyon, AEgyra, AEgion, und viel Andere beruffen gewesen. Dieses Reich bekam von Pelope, Königs Tantali in Phrygien Sohne / den Nahmen / welcher Königes Oenomai zu Elis / und Pisen Tochter die Hippodamia zur Gemahlin [63] (Geltzames Wett-Rennen.) hatte. Von diesem Oenomao lieset man / daß als er von dem Oraculo verstanden / wie er künfftig noch von seinem Eydam umgebracht werden würde / und gleichwohl sich wegen seiner Tochter vortrefflichen Schönheit bey Ihm viel Freyer angegeben / Er mit denenselben / weil er die allerschnellesten Rosse hatte / ein Wettrennen zu Rosse um dieselbe mit dieser Bedingung angestellet / daß welcher darinnen obsiege / solche seine Tochter haben / wer aber verliehre / darüber auch seines Lebens verlustiget seyn solte. Nachdem er nun solcher Gestalt ihrer dreyzehen überwunden / und hingerichtet / und endlich Pelops des Tantali Sohn auch gegen sie in Liebe verwundet / hat dieser damit er sie zur Ehe bekähme / des Königes Furhmanne den Myrtillum, wenn er seinen Herrn an dem Siege verhindern würde / eine ansehnliche Post Geldes zu geben versprochen / der denn solches eingegangen / und nachgehends die Axt / von dem Königlichen Wagen-Rade gezogen / worauf bey angefangenem Kampfe König Oenomaus tödtlich aus dem Wagen gefallen / und vor seinem Tode annoch den Pelops ersucht / daß er diese Schmach nach seinem Tode an dem Knechte rechnen / und ihn hinwiederum tödten möchte / welches auch geschahe. Denn nachdem derselbe die ungetreue Belohnung haben wolte / befahl ihn Pelops in das Meer zu stürtzen / und bekam also dieser auf solche Weise / beydes die Königliche Princessin Hippodamia, und mit ihr zugleich dasselbige Königreich. (3. Ninus. A. M. 1905. Calvis. Diodorus Siculus.) Und damit ja die Abgötterey in desto grössern Schwange gienge / bauete Ninus sein Sohn und Nachfolger seinem Vater und Mutter zu Ehren einen Tempel / und setzte ihrer beyder Bildnis mitten in die Stadt Babylon / und ertheilte darbey / damit deroselben Gedächtnis sobald nicht erlösche / viel Freyheiten aus: Er brachte die berühmte Stadt Ninive / (Ninivens Grösse.) welche von dem Assur, oder Belo zu bauen war angefangen worden / zu Ende / und machte sie zu einer Königlichen Residentz / damit man sich und die Seinigen für der feindlichen Macht des Chams Nachkommen / darinnen vertheidigte: Sie lag 171. Meilwegs von Jerusalem / und 30. von Babylon / hatte an Umschweiff 480. Stadia, 1500. Thürme / und waren die Mauern so breit / daß drey Wagen neben einander fahren kunten. (Justin. lib. ???) Und weil dieser Ninus aus der Assyrischen und Babylonischen Regierung Eine gemacht / wollen etliche / daß er der erste Babylonische und Assyrische Monarche gewesen. (Des Nini Armée. Oros. l. 2. c. ???) Er hatte eine solche Begierde zu herrschen / daß er auch gegen Mitternacht biß an Libien die Völcker / so ihm Widerstand thaten / bekriegte / und zwar mit einer solchen Krieges-Macht / als zuvor niemahls geschehen: Denn er führete ein Kriegs-Heer von zehenmahl siebenhundert tausend zu Fusse / zwey tausend Reuter / und zehenmal tausend sechs hundert Sichelwägen / welche also zugerichtet / daß auf beyden Seiten die Sicheln hervor rageten / womit man zugleich die feindliche Macht zu zertrennen / und zu schlagen vermochte. Als derohalben solche Gewalt denen Feinden unerträglich fiel / bezwang er sie ohne fernere Mühe und Arbeit. Endlich nahm er auch einen Zug wider Zoroastrem der Bactrianer König vor / von welchem man saget / daß er der Erste gewesen sey / so die Zauberey erfunden / und sich den Lauff des Him̅els zu erforschen gar angelegen (Diedorus Siculus.) seyn lassen. Und ob er gleich anfangs mit selbigem unglücklich traff / so ließ er doch seine Tapfferkeit nicht sincken / sondern gieng von neuen auf ihn loß / überwand denselbigen / vermittelst seiner Gemahlin der behertzten Semiramis, welche durch Kriegs-List des Zoroastris Königliche feste [64] Burg einbekam / und brachte ihn also zur Unterthänigkeit. Auf was Art und Weise Ninus gestorben / ist man ungleicher Meinung. Denn etliche halten darvor / daß er bey Eroberung einer Stadt von einem Pfeil getroffen / darüber sein Leben geendiget / und seiner Gemahlin Semiramis (Dresserus. p. 109.) das Reich überlasse: Etliche / daß er in dem Bactrianischen Kriege geblieben: Etliche aber / daß er auf Geheiß seiner Gemahlin getödtet worden. Denn nachdem er dieselbe wegen ihrer vortrefflichen Schönheit sehr geliebet / hätte sie ihn auf eine Zeit / daß er ihr Cron und Scepter auf einen eintzigen Tag zu führen vergünstigte / ersuchet / und als sie solches erhalten / hierauf befohlen / den König zu greiffen / zu binden / (weibliches Geschlecht.) und zu tödten / welches auch geschehen. Hier heist es recht / die schwachen Weibesbilder beherrschen die starcken Männer / und dero Gemüther nach ihrem Gefallen: Jhr Flehen und Bitten sind Gebote / ihre Thränen wilde Wasser / welche den besten Vorsatz durchdringen / und ihre Seufftzer Sturmwinde / denen man nicht zu widerstehen vermag. Seine Grabschrifft / welche / wie man dafür hält / Ihm ermeldte seine Gemahlin aufrichten / und dieselbe in eine Seule hauen lassen / lautet also: Mihi Pater Jupiter Belus. Avus Saturnus Babylonius, h. e. Nimrod. Proavus Chus, Saturnus AEthiops. Abavus, Saturnus AEgyptius, h. e. Cham. Atavus, Coelus, Phoenix Ogyges, h. e. Noah. Das ist: Mein Vater hieß Jupiter Belus: Mein Großvater Nimrod: Meines Großvatern Vater Chus: Meines Uhr-Ahns Vater Cham und meines Großvatern Vater Noah. Zu unterst war dieses: Columnam, Templum, Statuam. Jovi Belo socero, & Matri Rheae in hoc Olympo Semiramis dicavi: Ich Semiramis habe allhier diese Seule / Tempel und Statua meinem Schwäher dem Jovi Belo, und der Mutter Rheae zugeeignet und gewiedmet. (4. Semiramis. A. M. 1960. Plinius Herod.) Nach seinem Tode / unternahm sich wie gedacht seine Gemahlin die Semiramis an statt ihres jungen Sohnes / Ninyas Zameis genannt / der Königlichen Gewalt: Sie war zwar ein Weib / gab aber keinem an Tapferkeit / Siegen / und Triumphen was zuvor: Sie erweiterte die Stadt Babylon an Umkreisse auf zwölff Teutsche Meilweges: bezwang das Wasser / wohin sie es zu leiten begehrte / machte damit die unfruchtbaren Länder fruchtbar / und bauete nebenst diesem etliche feste Städte / bekriegte Aegypten / brachte Aethiopien und Arabien unter sich / und führete biß in Indien Krieg: Und als sie eines Tages im Bade von der Syracen Abfall Zeitung bekam / ließ sie ihr weder die Haare trucknen / noch die Schuhe anlegen / sondern zog mit ihrem Kriegsheere plötzlich zu Felde / und ruhete eher nicht / bis sie dieselbigen wieder gebändiget. Gleichwie aber bey dem weiblichen Geschlechte / sie mögen auch so tapffer / heroisch / klug und verständig seyn / wie sie wollen / sich viel Schwachheiten zu eräugnen pflegen; Also hienge auch diese / ungeachtet / daß sie sonst dem Assyrisch- und Chaldoeischen Reiche mit unglaublicher Rühnheit vorstunde / denen fleischlichen Begierden nach / beflisse sich bey unterschiedenen des Beyschlaffs / und ließ nachmahls dieselben / damit die That nicht offenbahr würde / heimlich hinrichten / als sie aber letzlich auch gegen ihren Sohn den [65] Ninyas mit ungebührlicher Liebe entbrannte / trug dieser für der mütterlichen Blutschande einen Abscheu / und befahl sie zu tödten: Sie ließ sich annoch für ihrem Tode zu Babylon ein stattliches Begräbnis aufrichten / mit dieser Uberschrisfft: (Sepulchrum Semiramidis.) Si quis Rex Pecuniae indiguerit, is recluso hoc Monumento sumat, quantum volet: das ist: Welcher König Geld von nöthen / der mache dieses Grab auf / und nehme so viel / als er bedarff. Als aber dieses nach der Zeit de Perser König Darius Hystaspis las / befahl er aus Geitz dasselbe zu eröffnen / woselbst er aber kein Geld / sondern diese eingehauene Buchstaben funde: (Plutarchus in moralibus.) Nisi malus fuisses homo, & Pecuniae insatiabilis, nunquam sanè Sepulchra mortuorum violasses: Daferne du nicht ein gottloser und geitziger Mensch wärest / würdest du der Verstorbenen Gräber unangetastet gelassen haben. (Geringe Personen werden öfters in hohen Stand gefetzet.) Bey dieser tapfferen Semìramis, welche auch am Helden-Muthe / und damahliger Kriegs-Erfahrenheit alle Assyrische Könige übertraff / hat man insonderheit zu beobachten / wie zuweilen geringe Personen aus dem Staube der Erniedrigung zu den grössesten Ehren sind gebracht worden. Denn diese war ein Findling / und wurde von den Vogeln / welche sie mit den Flügeln (AElianus de var. Histor. Diodorus Siculus.) bedeckten / und mit der jenigen geronnenen Milch / so sie den Hirten aus den Milch-Näppen entwendeten / ernehret. Nachdem sie aber letzlich die Hirten gefunden / verehreten sie dieselbe dem Königlichen Land-Voigt / welcher weil er keine Kinder hatte / sie an Tochter-Statt annahm / Semiramis nennete / und sie hernachmahls heyrathete / wie sie aber einsmahls König Ninus erblickte / und sich ihrer Schönheit wegen in ihr verliebte / entführte er sie ihrem Mann / und nahm sie zur Gemahlin: Bey ihrer erlangten (Orosius.) Königlichen Hoheit verordnete sie unter andern ein Gesetz / daß zwischen den Kindern und Eltern / desgleichen unter den nechsten Anverwandten der Beyschlaff zugelassen seyn solte / allermassen sie sich dann zum ersten (Verschnittene.) der Verschnittenen bedienet haben soll / wie man folgendes von Jhr schreibet: (Claudianus in Eutrop. l. I. v. 339.) Hos fecere manus, seu prima Semiramis astu, Assyriis mentita Virum, nè vocis acutae Mollities, levesq??? geneae se prodere possent, Hos sibi conjunxit similes: Seu Parthica ferre Luxuries vetuit nasci lanuginis umbram, Servatoq; diu puerili flore coëgit Arte retardatam veneri servire Juventam. Die sind von Menschen-Hand: Es sey gleich / daß mit List von der Semiramis es erst erfunden ist / Die bey den Syrern sich in einen Mann verstellet / und solche die ihr gleich / sich darum zugesellet / Damit die zarte Stimm / der Wangen Rosen-blüht ihr Weibliches Geschlecht nicht aller Welt verrieht: So hat der Parther auch dergleichen ausgekieset / an den Verschnittenen die geile Brunst gebüsset / und also durch die Kunst erhalten seine Lust mit einem Bilde / das der Venus dienen must.
|| [66]
(Weiber-Regiment / was es nach sich ziehet.) Also daß es recht heisset: Wenn ein Königreich soll gestrafft werden / so setzt man Tyrannen / Kinder und Weiber zu Regenten: Denn Frauen-Regiment ist ins gemein unbequem / und läufft gleichsam wider die Natur. Und ob man wohl viel Exempel / daß Weibespersohnen durch Erb-Recht / Wahl / und sonderbahre Heldenthaten / die Königliche Gewalt auf sich gehabt / so sind doch bey ihnen stets Schwachheiten mit untergelauffen / gestalt dann die Göttliche Majestät nicht eben das Weib dem gemeinen Lauff nach zu herrschen / sondern zur Gehülffin des Mannes / und der Kinder-Zucht erschaffen / da hingegen der Mann über das weibliche Geschlechte / und über alle Creaturen / so auf dem Erdboden und in dem Meere leben / zu gebieten hat. Dahero auch die Natur das männliche Geschlechte ins gemein mit weit grösserer Leibes-Stärcke / Tapfferkeit und Weißheit versehen / und dasselbe für denen Weibespersohnen zum Regimente geschickter gemacht / so gar / daß man in diesem Falle ihres Raths nicht nöthig / und hat hier nicht Statt / was man sonst von denenselben zu sagen pfleget: (Cato.) Nos imperamus hominibus cunctis, uxores verò nobis: Wir herrschen über Land und Leute / hingegen aber die Weiber über uns / oder wie (Plutarchus.) Jener von dem Themistocle schreibet: Athenienses imperant Graecis, Themistocles Atheniensibus, & Themistocli uxor: Die Athenienser gebieten oder befehlen den Griechen / Themistocles den Atheniensern / und sein Weib dem Themistocli: Denn ein anders ist Regieren / ein anders aber dem weiblichen Geschlechte etwas zu willen leben. Dannenhero auch die Römer nicht unweißlich handelten / wenn sie die Weibespersohnen bey dem gemeinen Wesen von allen öffentlichen Bedienungen und Aembtern ausschlossen / und dabey für gantz unbesonnen hielten / daß sie dieselben in Welt-Händel mit einmischen sollten allermassen es Sie dann damahls als Keyser Heliogabalus seine Mutter in sitzenden Senat führete / damit sie nur die Herrlichkeit des Römischen Rahts sehen möchte nicht wenig befremdete. Es ist zwar das weibliche Geschlechte / wie an dieser Semiramis zu sehen / arglistig / verschlagen / und geschwinde genug / aber die Arglistigkeit und Tücke sind keine Klugheit. Hätte König Salomo nicht 700. Weiber zu Frauen / und 300. Kebsweiber gehabt / und sich von ihnen bethören lassen / so wäre seiner Ehre / Hoheit und Ansehen kein Schandfleck angehenget worden. Die Poeten schreiben viel von der Göttin Juno unversöhnlichen Zorn gegen die Eris, wegen des Güldenen Apffels. Was aber ist dieses anders / als die Abbildung des Zorns böser Weiber? wann sie nun ihren Begierden / und uneingeschrenckten Affecten in diesem nicht Einhalt thun / und nachmahls die Frechheit und Uppigkeit mit einschleicht / wie kan daraus was Gutes entstehen? Denn in allen Gesetzen und heilsamen Satzungen richtet man sein Absehen auf das was ins gemein und nicht was selten geschicht. Und gleichwie die Vitia Sexus, oder wenn sich ein Weibesbild männlicher Verrichtungen unterstehen will / nicht allen Personen beyzumessen: Also kan auch durch die Exempel etlicher tapfferer und behertzten Weibespersohnen kein beständiges Weiber-Regiment behauptet werden. Quemadmodum enim Familiae perturbantur, in quibus Foeminae Maritis imperant: Sic & Res publica disturbatur, quae Foeminae Dominatu tenetur, etiamsi Prudentiae famam assecuta fuerit. Denn gleichwie diejenigen Geschlechter / darinnen die Weiber den Männern befehlen / gemeiniglich unter zu gehen pflegen: Also bestehet auch derjenige [67] Staat und das Regiment nicht / welchen die Weiber führen / ob sie gleich noch so weise und verständig beschrieben sind. (Abraham ziehet in das Land Canaan. A. M. 2023.) Damit wir aber auch ein wenig die Zeit und Geschichte / welche die heilige Schrifft anführet / und sich unter diesen Babylonischen Monarchen zugetragen / mit berühret mögen: So reisete Abraham / als er A. M. 1948. von seinem Vater Tharah gehohren / mit seinem Vetter / Loht seines Brudern (Genes. 12.) Sohn / und seinem Weibe Sarai, aus der Stadt Ur aus Chaldaeâ, und zog in das Land Canaan, die Ursache aber war / weiln die Nachkommen des Noah zur Abgötterey der Chaldaeer fielen / worunter auch Tharah mit begriffen. Damit sie nun darinne nicht verharreten / hieß sie GOTT zu dem Ende aus dem Abgöttischen Lande der Chaldae er weichen. Abraham muste mit den Seinigen an einen solchen Ort ziehen den er nicht kannte: Gottes Wege sind wunderbahr / und niemals hat der / welcher in des Höchsten Gehorsam verblieben / etwas verlohren: Die Krafft des Glaubens ersteiget die Zeit / und hat die Macht so wohl künfftige / als gegenwertige Dinge vorzustellen: Es ist sich über nichts grösser zu verwundern / als daß Abraham die Besitzung für seinen Saamen antritt / und gläubet es auch beständig / da er doch noch keinen hatte / solches auch seines hohen Alters halber der Natur zuwider schiene: Bißhero war Sara Abrahams Weib gewesen / anitzo aber da sie in Canaan und Aegypten ziehen / macht er sie aus Furcht zur Schwester / Woraus man siehet / daß selten ein starcker Glaube gefunden wird / bey deme nicht zuweilen ein Zweiffel mit unterläufft: Denn GOTT sagte dort zu Ihm / Ich will dich zum grossen Volck machen / Abraham aber sagte: die Aegypter werden mich ködten: Es ist schwerlich / gläuben ohne Furcht / und leben ohne Schwachheit: Abraham zweifelte zweymahl aus Unbedachtsamkeit an seinem Leben / gleichwohl aber an seinem Saamen nicht / Er lachte / als ihm GOTT einen Sohn verhieß / Sara aber lachte auch / allein es geschahe aus Mißtrauen. Wer dannenhero gläubet / was GOTT redet / dessen Glaube wird mit Ehren belohnt und gekrönt. (5. Ninyas Zameis. A. M. 2002.) Ein kühner Muth / sagt man ins gemein / pflegt auch auf die Kinder und Nachkommen zu stammen: Hier findet sich aber bey dem Ninyas mit dem Zunahmen Zameis, das Gegenspiel. Denn nachdem Jhn die Mutter wegen ihrer unersättlichen Begierde zu herrschen gar zu zärtlich und weibisch (Justinus. l. I) erzoge / verwandelte er gleichsam seine Natur / legte die Waffen bey seite / ließ sich von Männern selten sehen / gab durch seine vertraute Höfflinge denen Abgesandten Bescheid / und versauerte also in den vergänglichen Wollüsten dieser Welt. Damit er aber um dieser angenommenen Trägheit / und Fahrlässigkeit willen / entweder von denen Seinigen nicht verachtet / (Euseb. in Chron.) noch einige Rebellion wider Jhn entstehen möchte / bestellte erjährlich über alle Provincien gewisse Landvögte und Stadthalter / die er stets umb sich hatte / also daß er hierdurch der Gefahr des Ausstandes zuvorkäme. Woraus zu mercken / daß gleichwie de Tugend Lob / in untadelhafften Thaten / herrlichen Wercken / und erfahrner Ubung bestehe; Also sey auch hingegen bey denen Wohllüsten kurtze Ergötzlichkeit und lange Reue / bey der Trägheit Verachtung / und bey dem müssigen Leben ein verdammlicher Sinn. Diejenigen aber thun weißlich / welche von Jugend auf ihre Kinder dahin halten / worzu sie nehmlich dieselben erzogen wissen wollen. Denn die allzu grosse Zärtlichkeit ist im Alter ein grosser Vorbothe des Ungehorsams: Wer an den Seinen viel übersiehet / der hat auch von ihnen wenig Gutes zu hoffen / und wer seine Kinder will wohl erziehen / der lasse sie was [68] anständiges lernen: das was in der Jugend nicht ausgerottet wird / das bricht im Alter wie Dornen herfür: Diejenigen / so nur dahin sehen / wie sie denen Jhrigen viel Schätze / Länder und Königreiche überlasen / sind gleich denen jenigen / so sich schöner Schuh befleissigen / und inzwischen die Füsse / welche doch das nöthigste / für geringschätzig achten. Hätte die tapfere Semiramis dieses beobachtet / wäre ihr Lob durch diesen ihren Sohn Enckel und Uhr-Enckel / auch Nachkommen desto herrlicher gemacht / und ausgebreiter worden. Wie derohalben Ninyas unlöblich gelebet / so starb er auch un-Ruhm-würdig / da er 38. Jahr einer so grossen Monarchie vorgestanden. (Insel Creta. A. M. 2003.) Damahls masste sich ein Eingebohrner mit Nahmen Cres der Regierung in der Jnsel Cretâ an / welche auch dahero von Jhm den Namen bekommen / und hat daselbest die Stadt Gnoson, und den Tempel de Mutter Cybeles, welche man hernacher bald die Rhea, bald Ops, bald Berecynthia, Iris, Bellona, Terra, und Vesta genennet hat / erbauet. Diese Insel (Virgilius 3. AEneid,) liegt mitten in Ponto oder AEgaeischen Meere / dahero Virgilius dieses von ihr schreibet: Creta Jovis magni medio jacet Insula Ponto, Centum Urbes habitant magnas. &c. Heutiges Tages aber nennet man sie wegen ihres annehmlichen Gebürges Candia / welche umb ihrer Fruchtbarkeit willen theils an herrlichen Malvasieren und andern guten Gewächsen für eine der Fruchtbarsten geachtet wird. Sie soll in der Länge zwey hundert tausend und 70. Schritte / in der Breite aber funftzig tausend Schritte seyn / und in Umbschweiff fünffhundert / und neun und achtzig tausend Schritte in sich begreiffen. (6. Arius. A. M. 2041.) Eine Last / ob sie gleich schwer / so kan sie doch durch angewendeten Fleiß und gute Natur erleichtert werden / und dieses sehen wir an des Ninyae hinterlassenen Sohne dem Ario, welcher / so bald als er zur Regierung (Berosus Justin. Euseb.) schritte / Er hinwieder die Waffen zur Hand nahme / wider die von seinem Vater verächtlich gehaltene Caspier und Bactrianer zoge / und sie ihme zum Tribut nöthigte. Unter diesem Ario / und seinen Nachfolgern nahm ie mehr (Eine Abgötterey beuth der andern der Hand.) und mehr die Abgötterey überhand. Denn nachdem die Assyrer sich nicht an ihrer Vätter gemachten Götzenbildern vergnügten / so erhuben sie auch diesen nach seinem Absterben zu ihrem Gott / erwiesen Jhm göttliche Ehre / und nenneten ihn in ihrer Sprache Baal oder Martem einen Vorsteher und Obristen des Krieges / was aber kan allhier für eine grössere Thorheit gerechnet werden / als daß man glauben will / es wären an der Zahl viel Götter / wenn der Mensch nur seine gesunde Vernunfft gebraucht / und nach seinem Verstande sich Gott einbildet / so findet er das göttliche Wesen unsichtbar / und was soll auch der Mensch durch ein Gleichnis sich einen Gott abbilden können / da er doch seine eigene Scele zu entwerffen nicht vermag. Die Menschen fiengen anfangs an ihre Könige Götter zu nennen / und ihnen Bilder zu dem Ende aufzurichten / damit sie Dero Thun / Leben und das Gedächtnis ihrer herrlichen Thaten in ein ewiges Andencken verwandeln könten / bald aber nahmen die höllischen Geister dieses wahr / redeten durch dergleichen Bilder / welche man denen Sterblichen geheiliget / bildeten den Menschen durch verstellte Warsagungen ein und das andere vor / und gaben eine auf Schrauben gefetzte Antwort von sich / aufdaß sie ihre eigene Unwissenheiten nicht offenbahreten / wodurch sie denn in die Hertzen und Gedancken der Menschen viel Irrthümer gepflantzet / daß ein guter Theil der Men [69] schen wie mit mehrern soll angeführet werden / von der aufrichtigen Erkäntnis / und von dem Dienst des wahren GOTTES abfielen / und zu den falschen Oraculis, und denen abgöttischen Tempeln sich hielten / so gar verblendet ist die menschliche Vernunfft / weil sie vermeinet / sie könne ihres Gefallens Götter machen; Es gehet ihr aber / wie denen / welche ihnen einen Narren zum Richter erwehlen. (Die Beschneidung Abrahams / und Geburt Isaac. A. M. 2047. Genes. 17. 18.) In dem 99sten Jahre Abrahams bestättigte GOTT den Gnaden-Bund mit Abraham und seinen Nachkommen / durch die Einsetzung eines neuen Sacraments der Beschneidung / wiederholete die Verheissung von dem gebenedeyeten Weibes-Saamen / veränderte seinen und seines Weibes Nahmen / und verkündigte / wie ihm Isaac aus der Sara sollte gebohren werden; Abraham wird hierauf beschnitten / mit seinem Sohne Isaac / und was männlich in seinem Hause war. GOTT befahl dem Abraham / auch die Vorhaut seines eigenen Fleisches zu beschneiden / welcher hierzu willig / dem / welchem er' alles / ja Leib und Seel schuldig / das Seinige aufzuopfern / und den Bund zwischen ihnen beyden mit dem Blute zu versiegeln. Die Wunde war weniger schmetzlich / als die Bedeutung tröstlich / und wie frölich wird er doch dieses Kennzeichen an sich getragen haben? (Loths Blut-Schande. A. M. 2048. Genes. 19.) Ehe Abraham und Loth zum Reichthume und grossen Vermögen gelangeten / wohneten sie gleichfam unter einer Hütten / nachdem aber dasselbe gestiegen / zertheileten sie sich: Loch scheidet sich um seiner bessern Ruhe willen / und wurde mit allen seinen Gütern hinweg geführet / Abraham aber / den er vorhero verlassen / muste ihn entsetzen / und den entwendeten Raub von den Heyden wiederholen. Loth liebete seine Bequemlichkeit / und die Sodomiter ihre Sünde: Wenig Jahre flossen vorbey / da diese ihre Scharte der Plünderung und Gefangenschafft nichts mehr achteten. Und weiln Loht nachgehends der Sodomiter Sünde nicht beherbergen wollte / machte ihn GOTT zum Wirth der Engel: Die Sodomiter meineten nichts anders / als wären Frembdlinge vorhanden / begehrten derowegen die Beherbrigten heraus zu geben / damit sie dieselben erkennen / und Sodomitische Unzucht mit ihnen treiben möchten. Loth beruffte sich auf sein Gast-Recht / nachdem sie aber auf ihrem verstocken Sinn verharreten / wollte er lieber ein boßhafftiger Vater / als verhärteter / verrätherischer Wirth seyn / und an statt ihrer / seine Tochter dahin geben. Es halff aber alles nichts: Und da sie Gewalt und Hand anlegten / wurden sie mit Blindheit geschlagen / daß sie die Thür nicht funden / da denn GOTT Loth / und das Städtlein Zoar errettete. Gleich gieng damahls die Sonne auf / da Feuer und Schwefel auf Sodoma fiele: denn gleichwie diese Einwohner wider die Natur sündigten. also verzehrte auch das Feuer wider die Natur sie und ihre Stadt. Der kleine Ungehorsam wird zuweilen so wohl als der Grosse gestrafft: Kaum war Loth in Zoar einkommen / da erblickte er mit Verwunderung wie sein Weib aus Vorwitz / und Unglauben zur Saltzseule / und Sodoma umbgekehret worden: Je weiter er davon war / ie bestürtzter er hierüber wurde: Er sahe sich seines Weibes und seiner Angehörigen / biß auf zwey Töchter beraubet / sein Gut und Vermögen aber in Staub und Asche verwandelt / und gleichwohl wirckte bey solcher traurigen Einsamkeit der Wein so viel / daß er sich mit Blut-Schande befleckte: Denn nachdem die Trunckenheit zwischen Guten und Bösen keinen Unterscheid zu machen pfleget / so suchten auch diese des Loths Töchter dadurch ihren unnützen Vorsorgen wegen Erhaltung des Menschlichen Geschlechts ein Ge [70] nügen zu thun / schlieffen unwissend ihres Vaters bey ihm / und wurden in zweyen Nächten im Truncke von demselben geschwängert / also daß die Aelteste den Moab / und die Jüngste den Ammi gebahr. Woraus erhellet / daß öffters aus einem keuschen Ehebette ein ungerathenes Geschlechte und aus einembefleckten Bette ein frommer Saame erzeuget wird. (Der geopfeste Isaac. A. M. 2063.) Es war nicht genug / daß Abraham Isaacs Vater muste in dem Glaubens-Ofen probiret werden / es war disfalls noch eine härtere Probe vorhanden: Nimm / sagte GOTT zu ihm / deinen einigen Sohn Isaac / (welcher (Genes. 22.) nunmehro 15. Jahr alt war) gehe hin in das Land Morjia / und opffere ihn daselbsten zum Brandtopffer auf einem Berge / den ich dir zeigen will. Das sind Worte / menschlicher Vernunfft nach / voller Erschrecknüsse / voller Verzweifelungen / und härter denn Diamant / die der Göttlichen Gerechtigkeit schnur-stracks zuwider schienen. Denn wo bliebe Abrahams Saamen / in welchem alle Völcker auf Erden sollten gesegnet werden? Wo derversprochene Segen? Wo der Gnaden-Bund? Wo der Vater vieler Völcker? Wo die Fruchtbarkeit? Und wo die Menge so vieler Könige / die noch aus Abrahams Lenden kommen sollten? Dieses aber sind Gedancken trauriger Hertzen und Gemüther. Denn wer mit Göttlichen Sachen will umbgehen / der soll wissen / daß GOTT zu befehlen und zu lassen hat / auch nichts umsonst thue. Des Abrahams Reise mit sienem Sohne währete bis zum Opffer-Platze drey Tage. Wie sie nun an Ort / und Stelle kamen / da das Opfer geschehen solte / beurlaubete man die Knechte / der Sohn trug die Bürde / und der Vater das Werckzeug zum Tode / welcher ihn unversehens also anredete: höre / mein Sohn / du bist anitzo das Lamm / welches ihm GOTT zum Opfer ausersehen; darum sey getrost / und entsetze dich nicht / es ist der gemessene Göttliche Befehl / dem werde weder ich noch du sonder Verletzung unseres Gewissens und Pflicht / die wir dem Allerhöchsten schuldig seynd / wiederstehen können. Es ist kein Zweifel / es werde sich Isaac anfangs sehr bestürtzt erwiesen haben / gestalt der Tod auch unter den Sterblichen für das erschrecklichste zu achten ist / gleichwohl aber wegerte er sich nicht / seine Hände / und Füsse binden / seinen Leib auf den Altar legen / und die Gurgel abstechen zu lassen: Wer wolte nun mit diesem niemahls erfahrnen Spectacul nicht Erbärmnis tragen? Aber siehe / der Göttlichen Vorsorge / und der weisen Vorsehung GOTTES! indem letzlich Isaac alle Furcht hindansetzet / und Abraham sich auf den Glauben feste gründet / da hält der Engel des HERRN das blancke Schwerd zurücke / und ertheilet ihm einen neuen Befehl / daß Er nemlich an statt seines Sohnes einen gegen über stehenden Widder zum Opffer schlachten sollte. Dannenhero zu ersehen / daß Gottes Befehliche im Anfange sehr scharff / am Ende aber iederzeit tröstlichen gefallen. (7. Aralius. A. M. 2067. Sleidan. lib. de 4. Monarch.) Des Arii Sohn Aralius, war ein verständiger und in Kriegs-Sachen wohl geübter und berühmter Helb / der sonder Zweiffel seine Waffen / weil sich damahls wider ihn um deswillen niemand setzen wollen / auf einen guten Fuß gestellet / damit Er sie bey vorfallender Bedürffnis nicht erst herfürsuchen / und das / was darzu erfordert / mit Schaden (Metasthenes. Euseb. Berosus.) erfahren dürffe. Etliche messen ihm aber bey / er habe seine Zeit im schnöden Müssiggange / vergänglichen Wollüsten und weibischen Vornehmen zugebracht / und wäre zu verwundern / wie doch diese Chaldoeische oder Assyrische Monarchie bey dieser ihrer Könige überaus geführten grossen Pracht herrlichen Staat und vielen Auffgange [71] hätte tauren können. Es ist aber zu wissen / daß GOTT diese Monarchie ob schon viel Mißbräuche / und Laster in derselben nebenst denen Tugenden mit untergelauffen / biß auf ihre bestimmte Zeit hat erhalten wissen wollen / zudem so hatten auch dieselben Könige zwischen ihrer Ruhe und gesuchter Ergötzung iederzeit eine ansehnliche Armee auf den Beinen / hielten alle Jahre / nebenst angestellter fleissiger Ubung der Jugend in den Waffen / ihre richtige Musterungen / und setzten über die Völcker getreue / kluge und vertändige Generals-Persohnen / also daß sie auf diese Weise ihre Unterthanen im Gehorsam / die Benachbarten in steter Furcht / sich aber bey deme / worzu sie geneigt waren / erhielten / über dieses so verpflegten sie auch kein auswertiges Kriegs-Heer mit grossen Beschwerungen / und Unkosten Jhrer Unterthanen / sondern sie hatten dasselbige in ihrem eigenen Lande / besoldeten es selbsten / und hielten es dermassen in der Disciplin, und Zucht / daß weder dadurch ihnen leichtlichen kein Aufstand kunte zuwachsen / noch denen Ausländischen das Joch der Dienstbarkeit mit Gewalt von sich zu werffen Anlaß gegeben werden. Denn es ist selten die Macht und Gewalt eines Königreichs beständig / wenn dasselbe sich der innerlichen Waffen entblösset / sie in ausländische Provinzien zertheilet / und die einheimische Tugend nicht an statt seiner Stütze gebrauchet. (Der Sar-Tod. A. M. 2085. Genes. 23.) Es sagt ein alter Rabbi: Wer ist weiser / denn der vom andern zu lernen begehret? Wer ist reicher / als der mit seinem Theile zu frieden? und wer lebet in der Welt / der nicht ungerne stirbet? Sara war 127. Jahr alt / da sie in der Haupt-Stadt Hebron im Lande Canaan starb. Es ist zu vermuthen / daß sie nicht bettlägerig gewesen / darum sie auch desto weniger an den Tod wird gedacht / und so willfährig das Leben gelassen haben. Abraham kam / daß er sie beklagte und beweinete / er war auf dem Felde / und weiln er sich dieses plörtzlichen Falls nicht versahe / fiel es ihm desto schmertzlicher. GOTT verwirfft die Bewegung des Gemüths nicht / wenn man nur gebührende Masse gebrauchet. Da Abraham nun bey seiner verstorbenen Haus-Ehre eine Weile saß / und ihren Todt gnugsam beseufftzete / stund er auf / kauffte von dem Hethiter Ephron einen Acker zu seinem / und der Seinigen Erb-Begräbnüsse / und bestattete die Saram zur Erde. Denn wir sind schuldig / der Verstorbenen Leiber nicht wie die Bestien hinweg zu schleppen / sondern sie ehrlich zu begraben. (Isaacs Heyrath. A. M. 2088. Genes. 24.) Der Welt Lauff ist / daß man bald stirbet / bald gebohren / bald von der Natur zu Fortpflantzung und Erbauung des Menschlichen Geschlechts angehalten wird: Es war Isaac der Sohn Abrahams nunmehro 40. Jahr alt / da er die schöne / gottsfürchtige / und tugendbegabte Rebeccam zum Weibe nahm. Der Kinder-Segen folget nicht allezeit auf dem Fusse. Rebecca war 20. Jahr unfruchtbar. Endlich wurde sie schwanger. Isaac bate den HERRN umb einen Sohn / GOTT gab ihm aber zwey / nehmlich den Jacob und Esau auf einmahl: Rebecca hatte zuvor gute Tage: so bald sie aberschwanger / fieng sich unter diesen beyden Brüdern ein (Jacobs und Esau Geburth. A. M. 2096. Genes. 25. 26. 27.) Streit in ihrem Leibe an. Esau erlangte das Recht der Natur / Jacob aber das Recht der Gnaden / und die Verheissung / daß der Grössere dem Kleinern dienen würde: Und damit ja keine Entschuldigung ihrer beyderseits Gleichheit in der Geburth verfangen möchte / fassete Jacob den Esau bey der Fersen / also / daß seine Hand vor seines Brudern Fusse gebohren wurde / Alldieweiln aber Esau gleichsam etliche Augenblicke älter als sein Bruder Jacob / erkauffte dieser von jenem für ein Linsen-Gerichte dasjenige Recht / [72] was er sonsten vermöge Göttlichen Rechts zu erhalten nicht vermochte. Esau war röthlich / rauch wie ein Fell / ward ein Jäger und Ackersmann / Jacob aber war fromm / aufrichtig / redlich / und Gottsfürchtig / hielt sich an das Wort Gottes in der Hütten / und verrichtete darneben die häußliche Arbeit. Isaac wolte den Esau wider die Natur in Jacob verwandeln / Rebecca aber verwandelte den Jacob in Esau mit List. Es war hier nichts / als ein verfälschter Nahme / ein verfälschtes Wildpret / und eine verfälschte Antwort. Rebecca bereitete die Speise / unterrichtete ihren Sohn den Jacob / zog ihm des Esaus köstliche Kleider an / bedeckte mit dem Bock-Felle den Ort seines Leibes / da er bloß war / und ließ ihm also an statt Esaus / dem alten Isaac das Gerichte bringen. Isaac streckte bald seine Hand aus / weiln ihm die Stimme Jacobs nicht / wie des Esaus vorkahm / nachdem er aber des Esaus Kleider roch / und die rauchen Hände fühlete / segnete er unwissend den / welchen GOTT zuförderst gesegnet wissen wolte. Kaum war Jacob hinweg / so kam auch Esau gesegnet zu werden. Und weil Isaac sein Versprechen nicht widerruffen kunte / und Esau auf einen andern Segen drunge / gewähret er ihn dessen. Es war aber Esaus Segen grösser als er selbst werth war. Von derselben Zeit an schwur er / sich an dem Jacob zu rächen / so gar / daß dieser auf Gutachten in Mesopotamiam zu riesen genöthiget wurde. Also gar können böse und gottlose Leute / so böse und schalckhafftig nicht seyn / daß sie dasjenige vollbrächten / was sie gerne wolten. (Anfang der Archiver Königreich. A. M. 2093.) Zur selbigen Zeit fieng Inachus zu Argis, in der Landschafft Peloponnes ein neues Königreich an / welches man der Archiver-Reich nennete / und regierte derselbe daselbst 50. Jahr. Dieser Inachus gab dem daselbst durch der Archiver Land lauffenden Fluß den Nahmen Inachus, von welchem nach (Africanus.) mahls die Einwohner Inachidae hiessen. Man hält dafür / es wäre die (Der Jo daher rührende Fabel.) welche Jupiter geschwängert / mit sich in Cretâ genommen / und die dess??? Gemahlin die Juno auf das hefftigste verfolget hätte / seine Tochter gewesen / welches dann den Poeten zu der Fabel Anlaß an die Hand gegeben / als ob die Jo des Flusses Inachi Tochter / welche vom Jupiter, aus Furcht für der Juno in eine Kuh verwandelt / die hernachmahls diese / als sie dieselbe von ihrem Gemahl geschenckt bekommen / vermittelst einer Hörnüsse dermassen geplaget / daß sie für Wüten und Toben nirgends bleiben können / bis sie in Aegypten bracht / und daselbst in die Göttin Isis verwandelt worden wäre. Dieser Aberglaube und Abgötterey hat hernach dermassen überhand genommen / daß die Aegyptier nicht allein derselben Bildnis anbeteten / Jhr zu Ehren Tempel aufrichteten / sondern auch hernach durch Verblendung des leidigen Teufels / Ochsen / Katzen / Hunde / Crocodile / Knobloch / und Zwiebeln / als was Göttliches verehreten. (8. Baleus. I. A. M. 2111. Cassiodorus. Berosus.) Dem Aralio gab sein Sohn Baleus der Erste / mit dem Zunahmen Xerxes an Tapferkeit nichts bevor. Denn er brachte viel Völcker unter sich / erweiterte sein Reich bis in Judoea / und führete auch gar bis in Indien Krieg / so gar / daß er auch über noch einmahl so viel Völcker / Länder und Provincien herrschete / als sein Vater unter sich gehabt hatte. Woraus zu sehen / was die Trägheit und Fahrlässigkeit des Königes Ninyae der Babilonischen Monarchie für Schaden zugezogen. Denn was vor Völcker hiebevorn die Königin Semiramis bezwungen / dieselben alle sind hernacher unter denen andern Königen abge [73] gefallen / bis diese hinwieder sie gebändiget / und der Monarchie einverleibet: Nam Non minor est virtus, quàm quaerere, parta tueri. (Eigenschafften Menschlicher Begierden.) Hierbey haben wir auch die Menschliche Ehrsucht zu beobachten / Denn sobald sie den erwündschten Zweck erreichet / so vermag sie kaum Athem zu schöpffen / daß sie nicht nach höhern verlange̅ tragen sollte: sie achtet sich für erniedriget / weil noch andere über Sie: Sie ist / als wann Sie zwar die höchsten Berge überstiegen / die Wolcken aber nicht einmahl erreichet hätte: Sie vergnüget sich nicht an ihrem gegenwärtigen Zustande / sondern beraubet die Menschen ohn Unterlaß der wahren Güther / und erfüllet sie mit leerer Hoffnung / dafern sie das jenige verachten / was Sie mit grosser Gefahr / Mühe und Arbeit überkommen: Endlich steiget sie so lange / durch Sturm / Blitzen / und Ungewitter der Furcht und Gefahr / bis sie endlich auf dem Wege sitzen bleibet / und verschwindet / als ein Rauch. Dannenhero wir billich unseren Begierden und Gedanken ein umschränktes Maal und Ziel setzen sollen. Denn gleichwie die Genesung denen jenigen / welche mit einer harten Krantheit befället gewesen / viel angenehmer / als denen / so niemahls eine Leibs-Unbäßligkeit empfunden / zu seyn bedünket: Also achtet man auch das jenige / wornach man verlangen träget / weit höher / als das / was man bereits hat. (Des Teutschen Königs Hermanus Regierung in Teutschland. A. M. 2124. Calvisius.) Man rechnet aus / daß alhier Hermann König Ingaevons Sohn in Teutschland zu regieren angefangen. Es ist aber dieser Hermann, von welchem der Name Germania hergekommen / ein Enckel des Manni, un̅ Uhr-Enkel des Ascanis, ein Sohn Gomers und Enkel Japhets gewesen / welcher sich mitten in Teutschland niedergelassen / und allda den Grund zu einer Republic geleget. Die Teutschen rühren von keiner anderen Nation oder Völkern her / als allein von dem Ascane, oder Ascenez und Tuiscon denen beyden Söhnen des Manni. Dahero thun die jenigen thöricht / die ihr Geschlechte von den Trojanern / Römern oder einem andern Volke Alterthums halber herfür ziehen wollen / da sie doch wissen sollten / daß / zu geschweigen der Orientalischen Völker / sich ihrer nachgehends Käyser Claudius, Caligula, Nero, Galba, Otto, Vitellius, Titus, Adrianus, Antoninus, Marcus Antonius, Severus, Caracalla, Alexander, Maximinus, Gordianus, Balbinus, Maximus, Valerianus, Gallienus, Probus, Julianus un̅ andere mehr in den schwehresten Kriegen zum öfftern bedienet / und ihre Römer vielmahls durch dieselben hinwiederum gestärket und aufgemuntert. Nobilitatem quaerimus, qvam habemus, & qvam habem9, possidere nolum9, sed ita qvaerimus, ut eam assecuti, ex nobilissimis videamur ignobilissimi, sinceram Germaniae Originem praetereuntes. Wir sind vorhin Adel / und suchen doch einen anderen Adel / und den Adel / welchen wir haben / wollen wir nicht / sondern suchen einen andern / doch also / daß / wen̅ wir denselbigen gefunden / uns unsers rechten Adels entsetzen / und muthrwillig unedel machen / indem wir den Ursprung unsers ehrlichen Teutschen Adels hintenansetzen. Und wenn man die rechte Warheit sagen soll / so ist fast keine Nation gewesen / die einen wichtigen Krieg ohne Hülffe der Teutschen vorgenommen. Viel besser urtheilete hiervon vordessen der gelehrte Italiäner Campanus. da er unter andern vor den Ständen zu Regenspurg mit diesen Worten herausbrach / und sagte: Euer Adel ihr Teutschen / hat bey nahe den gantzen Erdboden erfüllet / und gleich als einen Wasserreichen Brunnen qvell überschwemmet / also daß kein Volk / und keine Landschafft ist / die sich nicht rühme / und darüber erfreue / daß sie ihren Adel von euch [74] Teutchen habe. Ist irgend ein adeliches und vortreffliches Geschlechte in Italien / Franckreich / und Spanien / so will es unfehlbar gerühmet seyn / daß es von den Teutschen herköm̅e / und seine erste Vorfahren deß Geschlechts gewesen wären. Allenthalben haben die Teutschen das Beste thun müssen / Den̅ durch Hülffe Jhrer wurde das Longobardische Reich zerstöret / die Hun̅en getilget / die Böhmen gezähmet / die Wende̅ gedemüthiget / die Saracenen aus Welschland verjaget / un̅ andere nationes mehr gedämpfet. (9. Armathrides. A, M. 2140. Calv. Chron. p. 7.) Als Baleus 30. Jahr regieret / besaß nachgehends sein Sohn Armathrides das jenige / was ihm sein Vatter durch seine ritterliche Faust erworben / mit Ruhe / hieng den Krieg an Nagel / und achtete der Königlichen Regierung / und der dißfalls darzu erfordeten Sorge wenig / sondern wendete sich zu allerhand Wollüsten / und erdachte theils vor sich / theils durch andere unterschiedene zur Freude und Ergötzlichkeit gehörige Sachen / bis er in dem 28. Jahre seiner Regierung dergleichen Flüchtigkeit durch den Tod (Die Begleitung der Wollust.) wieder fahren lassen muste. Die Wollust gehet niemahls ohne Reu / Kummer und Betrübnüs begleitet / das ist / der Wollust tritt die Begierde / der Eyser / die Sorge und Gefahr vor / nach derselben folget Bekümmernus / daß der ehrliche Nahme / die Gesundheit / und die Ruhe deß Gewissens gekränket wird: Serviunt itaqve homines voluptatibus, non fruuntur, & mala sua, qvod malorum ultimum est, amant: Man hänget / zwar den Wollüsten nach / man geneust ihrer aber wenig / sondern das Böse / so man liebet / ist eines von denen letzten und bösesten. (Esaus Heyrath und Sems Tod. A. M. 2148.) Esau nimmt hier in dem 40. Jahr seines Alters wider der Eltern Willen zwey heidnische Weiber / Judith die Tochter Beri des Hethiters / und Baßmath die Tochter Elon des Hethiters. Sem aber ein Vatter vieler Völcker in Orient / nämlich der Chaldäer / Assyrier / Perser / Syrer / Armenier / Phoenicier und Bactrianer gieng den Weg aller Welt / als er 600. Jahr gelebet / als in dem 436sten Jahre des Ebers / in dem 112ten des Isaacs / und in dem 51. des Jacobs. (Krieg / und Aberglauben ist das meiste in der Welt. A. M. 2162.) Die Telchiner führten zu dieses Monarchen Zeiten nebenst denen Canyatis wider den Archiver König Phoronaeum, und die Parrhasier einen tödtlichen Krieg / also daß ihrer zu beyden Theilen eine grosse Anzahl blieben. Der Telchiner Insul war Rhodus, welche in neunhundert und zwantzig Stadien im Umbkreisse bestunde. Die Telchiner hielten (Scrabo lib. 10.) ettiche für berühmte Künstler / Etliche aber für die allerboßhafftigsten Leute / welche gleichsam in einem Augenblicke alles zum ärgsten / und übelsten ausdeuteten / und umkehreten / dahero sie auch Jupiter / wie man vorgiebet / im Meere ersäuffet. Sie sollen der Minervae, oder der Sonnen / oder anderer Bedüncken nach / deß Saturni Söhne / und dermassen schädliche Menschen gewesen seyn / daß sie auch mit ihrem Anschauen alles vergifftet. Die Parrhasier führeten ihren Namen von der Landschafft Parrhasiâ, in Peloponnes gelegen / her / welches Land man auch Arcadia (Ov. lib. 2. Fastor.) nennete / so des Königes Lycani Vaterland war. In dieser liegt der Berg Ly caeus, den man vor Alters dem Jupiter / und Pan heiligte / und auf welchem nicht allein des Fauni Tempel / sondern auch des Jupiters Altar gewesen (Pausanias.) / auf dem Lycanus zum ersten geopffert; Alldieweil er aber daselbst auch zum Opfer Knaben schlachten / und das Blut auf den Altar sprengen liesse / sagt man / daß er um des willen / das ist / um seiner sonst bekannten liesse / sagt man / daß er um des willen / das ist / um seiner sonst bekannten Grausamkeit und Tyranney wegen / wäre in einen Wolff verwandelt worden. Es war auch allda ein geweiheter Wald für dem Jupiter, in welchem / wenn man wider Verboth hineingieng / man [75] vorgab / daß man nicht ein Jahr überlebte. Deßgleichen ein berühmter Brunnen / von so wunderbahrer Natur und Eigenschafft / daß wenn man / wie man sagte / was Göttliches verrichten / und zu wissen begehrete / und mit einer eichenen Stange das Wasser allgemach bewegte / alsobald daraus eine dicke Nebel-Dunst entstunde / und nachmahls gleich denen andern Nebeln einen Regen von sich gab. Es ist aber des (Faunus.) obgedachten Fauni Vatter Picus, und sein Groß-Vatter Latius der Latiner König gewesen / welcher in Latio regieret / und hernacher für einen Gott aufgeworffen worden. Von diesem sagt man / daß er Faunos, Satyros, Sylvanos und Panes, welche alle nur grobe und bäurische Nahmen seynd / gezeuget / von welchen nachgehends die Poeten gedichtet / daß Sie gehörnte Häupter und Füsse gleich denen Ziegen gehabt hätten / (Pan.) Den ietzberührten Pan hielte man für den Hirten-Gott / und wurde der Natur nach abgebildet. Denn man mahlte ihn mit Hörnern gleich denen Sonnen-Strahlen / und des Mondens / mit Ziegen-Füssen / und einen auf der Brust tragenden Gemsen-Felle / Haarichten Leibe / und gestirnten Angesichte ab. Dahero Ihn auch die Arcadier für einen Herrn der gantzen Natur hielten. Sein Feste / so man Ihm zu Ehren anstellete / hieß man Lupercalia. Man nennete Ihn auch nach der Lateinischen (Der Alpe Eigenschafft.) Sprache einen Alp: Es sind aber die so genannten Alpe / die sich weder betasten noch begreiffen lassen / nichts anders als nächtliche Phantasmata, oder Gesichter / welche denen Sterblichen ein- und die andere Furcht und Schrecken im Schlaffe einjagen. Uber dieses meldet man auch von ihme / daß / als er sich mit dem Cupidine verunwilliget / derselbe ihn gegen die Syringa eine Jungfrau mit Liebe verwundet / und er solche mit Gewalt zu seinen Willen zwingen wollen / sie in ein Rohr / woraus er nachmahls zum Gedächtnüsse derselben seine siebenstimmige Pfeiffe gemacht hätte / verwandelt worden wäre. (10. Belochus I. A. M. 2168. Sethus Calvisius.) Dergleichen Sinnes war auch des Armathrides Sohn Belochus der Erste / der sich nämlich an deme / was er hatte / vergnügete / und befliesse sich bey seiner 35. jährigen Regierung der Weissager - Kunst: Die mittelmässigen Schiffe pfleget man in einem kleinen Gewässer viel eher fortzubringen / als die grossen; Also ist auch der mittler Stand weit besser / als der hohe: Alle hohe und wichtige Sachen sind gefährlich / und das Mittel das Beste. Dahero auch mehr grosse als geringe Standes-Personen hingerichtet (Cicero.) werden: In omnibus rebus Mediocritas optioma: Fac moderatè, quod vis facere saepè. In allen Dingen soll man Maas und Zeil gebrauchen / dennes giebet in der Welt viel Icaros, aber wenig Daedalos un̅ in einem Eymersoll man nicht mehr Wasser schöpfen / als derselbe ertragen kan / welches an diesem Belocho auch wäre zu rühmen gewesen / wenn Ihn (Der Warsagerkunst Einfalt. Cicero de Divinat. Isidorus. Fest9. Pompej9. Cato. Nonnius. Marcellus.) nicht die Thorheit der Weissagung eingenommen. Denn es nenneten die Alten ihre Weissager-Kunst Auguria oder Auspicia ab avibus inspiciendis, weil man auf den Vogel-Flug Achtung gabe / allermassen sie auch so hoch stiege / daß die Wahl einer neuen Obrigkeit muste durch solche Auguria bestättiget / und derselbe Augur denen Königen an die Seite gesetzet werden / Dahero sie nicht allein die Völcker in Ciliciâ, Cariâ, Libia, Arabiâ, Phrygiâ, Pamphiliâ, un̅ andere mehr sehr hoch liebeten / sondern es wündschete sich auch der weise Pythagoras ein Augur zu seyn. Gleichwie aber diese blinde Einbildung mit nichts / als mit der Unwarheit begleitet; Also verlachten auch etliche Heiden solche Auguria un̅ Auspicia selbsten / und fragten öffters Spottweise ihre Augures, ob denn der grosse Jupiter un [76] weigerlich befohlen / daß die Krähe ihren Flug zur lincken / und der Rabe zur rechten Hand nehmen sollten / und ob nicht die Götter endlich gar müssig gehen würden / wann sie iederzeit denen Vogeln ihre himmlische Rathschlüsse (Cicero de Divinatione l. 2.) offenbahreten? Quid ego Aruspicum Responsa commemorem? Possum qvidem innumerabilia, qvae aut nullos habuerunt Exitus, aut contrarios? Was soll ich / meldet Cicero, von denen Auspiciis, oder Wahrsager Kunst viel sagen / alldieweil man viel deren Exempel / die entweder keinen gewissen / oder einen widerwärtigen Ausgang gehabt haben. Es können sich zwar die Zufälle nicht nach dem Glücke derer / so da opffern / viel weniger nach denenselbigen / welche die Auguria untersuchen / richten. Denn man siehet / daß bey dem ersten Opfer eines Eingeweides ein Unglück bedrohet / in dem andern aber alles gutes verheissen wird. Das wahrsagen aus dem Vogelfliehen / geschaye aber also: Es setzte sich der Wahrsager an einen erhobenen Ort auf einen Stein / machte mit seinem Stabe einen Strich gegen den Himmel / nennete die rechte Seite desselben den Mittag und die Lincke die Mitternacht / das Theil aber / so vor ihn hinausging / das Förderste / und das / welches hinterwerts lag / das Hinterste: Nahm hierauf das Haupt dessen / so seiner Weissagung begehrte / flehete den Jupiter umb das / was er zu wissen begehrte an / und hatte also Acht / wo der Vogel-Flug herkame: Etliche der Alten / nahmen ihre Merckmahle / und Anzeigungen / von allerhand vierfüssigen Thieren: Etliche an der Leber und dem Eingeweide der Opfer: Etliche / als da waren die Schiffleute / von den Schwanen / Etliche von dem Tripudio, oder jungen Hähnen: Etliche von den Tauben / als der Könige Rathvogel / Gänsen und Geyern: Etliche aber hielten viel auf die Omina, oder auf das was ohngefehr gethan oder geredet wurde / wie ingleichen auf die Oracula, welche doch alle falsch / und offtermahls von den klugen Heiden selbsten verspottet und aus gelacht wurden / allermassen denn Caelius Calcagninus in seinem tractat de Oraculis gedencket / wie Apollo vielmahls die jenigen / welche Ihn wegen eines gewissen Dinges um Rath fragten / mit diesem spöttisch abgewiesen: Quid frustra petitis? non nostrum est, scire futura. Was ist es / daß ihr uns umsonst doch möget fragen? es steht ja nicht bey uns / verborgne Dinge sagen. Gewiß aber ist es / daß alle die Oracula, so die Alten gehabt / falsch und erdichtet / als da ist gewesen Ceres bey den Rhodisern / Belus bey den Palaestinern / Venus bey den Thebanern, Juno bey den Numidianern, Proserpina bey den Hispaniern / Apollo, und dergleichen / wie es dann mit denen Pyromantis, so aus der Feuer-Flamme: Hydromantis, die aus dem Wasser / Aeromantis, so aus der Lufft / Capnomantis, so aus dem Rauche / Capiromantis die aus Cristallen / Coscinomantis, so aus dem Siebe / Botanomantis, die aus den Kräutern / Castronomantis, so aus den Gläsern / Alphitomantis, die aus dem Getreydig / Tyromantis, die aus Käse / Geomantis, so aus denen Linien / und Chiromantis, die aus der Hand und dergleichen wahrsagen wollen / keinen Grund hat. (Jacobs Dienst / Heyrath un̅ Geburt seiner Kinder. A. M. 2185. Genes. 29. bis 33.) Im Jahre der Welt 2171. starb Ismael ein Vater der Midianiter, Araber und Saracenen, in dem 137. Jahre seines Alters. Nachdem nun / wie gesagt / Isaac seinen Sohn Jacob für dem Esau gesegnet / un̅ er des Nachts / als er in Mesopotamiam zoge / auf dem Felde schlieff / erschiene Ihm der Höchste im Traum / und wiederholete seinen Segen von Vermehrung seines Saamens / von Besitzung deß Landes Canaan / und von Christo. [77] GOTT ist gemeiniglich am nächsten / wenn wir am niedrigsten sind / und pfleget die zu trösten / die an ihrer Hoffnung verzweiffeln wollen. Hierauf kame er zu dem harten Laban / er besuchte denselben als seiner Mutter Bruder / und ward darüber zum Dienst-Knechte: Laban meinete anfänglich / es folgten Ihm / wie beym Isaac / viel Camele / wie aber die Hoffnung in Brunnen fiel / both er dem Jacob an Statt des Lohns ein Weib an / welches er gleichwohl bald wieder veränderte / als Er an der Jüngsten Stelle ihm die Aelteste beylegte: Jacob verschmertzte dieses aus Liebe zur Rahel: dienete andere sieben Jahr um sie / und bekam endlich / nach denen verflossenen Jahren / dieselbe zum Weibe: Bey einem ieden findet sich was / welches man andern mißgönnet / und darüber sich grähmet: Rahel / die Jacob liebete / war unfruchtbar / Lea aber / die er verachtete / war fruchtbar. Lea neidete die Rahel wegen ihrer Schönheit / Rahel aber mißgönnete der Lea ihre Fruchtbarkeit / biß sie selbsten schwanger ward. Jacob wollte nun mit seinen Weibern und Kindern nach Hause; Labans Geitz aber ließ solches nicht zu / und beredete ihn mit guten Worten länger zu bleiben; Sobald aber / als sie mit einander einen Vertrag aufrichteten / daß die fleckichten Schaafe Jacob / und die andern Laban seyn sollten / fiel der Segen GOTTES häuffig auff des Jacobs Seite / welches den Laban nicht wenig verdroß. Und weiln Jacob sahe / daß dem Laban seine Dienste / nicht aber seine Wohlfarth angenehm / nahm er auf Geheiß GOTTES (reist wieder aus Mesopotamien in Canaan. A. M. 2205. Genes. 33.) in Geheim mit denen Seinigen aus Mesopotamien die Flucht / Laban jagte ihm mit einem feindlichen Hauffen nach / und Esau begegnete demselben mit eben diesem Vorsatze / Aber was geschahe / Laban und Esau musten Jacob mit einem Kuß segnen / also / daß der eine ihm den Eyd der Treue und Aufrichtigkeit schwur / der ander aber seine Liebe gegen Ihn mit Trähnen bezeugte. Das heisst / wer mit dem Allerhöchsten einen Bund hat / der darff sich für denen Menschen nichts übels befürchten. Die Geschencke / womit Jacob seinen Bruder den Esau versöhnete / waren zweyhundert Ziegen / zwanzig Böcke / 200. Schaafe / 20. Wieder / 30. Camele / 40. Kühe / 10. Ochsen und 20. Esel. Gleichwie aber GOtt die Seinigen zu erhöhen weiß / Also lässet er dieselben auch selten ohne Anfechtung und Betrübnüß: Es verfloß wenige Zeit / da ihme der Trost seines Lebens die (Rahel stirbt. A. M. 2215. Genes. 35.) Rahel an Geburts-Schmertzen starb / und ob gleich Jacob von Gott Segen genug hatte / so muste er doch gewahr werden / wie seine Söhne und Töchter ihm seine Seele biß auff den Tod verwundeten: Denn sein Sohn Ruben begieng mit seiner Stieff-Mutter der Bilha Blutschande / Judas Ehebruch / Dina Hurerey / Simeon und Levi Mord / Ger und Onan (Joseph wird verkaufft. A. M. 2217. Genes. 37.) wurden getödtet / Joseph verkaufft / Simeon gefangen / Benjamin / der Tod seiner Mutter und des Vatters Stütze / gerieth in Gefahr / und er selbst kam in seinem hohen Alter an Hungers-Stab / biß endlich der Tod mit diesen allen ein Ende machte. (Die Göttin Minerva. A. M. 2169. Eusebius.) Bey des Belochi Leben / wie man vorgiebet / soll sich die Göttin Minerva in ihrem weiblichen Habit zum ersten bey der See in Boeotia, so eine Griechische Landschafft ist / und andrey Meere / nämlich an das Peloponnesische / Siculische und Adriatische stösset / haben sehen lassen. Man hielte Sie für eine Göttin der Weißheit / welche deßwegen auch von den Griechen Pallas genennet worden. Die Poeten hiessen Sie unter andern Tritona, indem man sie / zu Zeiten deß Thebanischen Königes Ogygis in Boeotien / an dem Flusse Triton gesehen / den Nahmen [78] Pallas aber / gab man ihr wegen deß Pfeilwerffens / oder Blitzens. Man mahlte sie mit einem Spieß in der Hand / und gleichsam erzittrende / legte ihr die Erfindung deß Oels / und deß Wollenmachens bey / und weiln sie sich umb das Menschliche Geschlechte also wohl verdienet gemacht haben sollte / so erwiese man Ihr nicht nur Göttliche Ehre / sondern hielte sie auch gar für eine Göttin aller guten Künste. Ferner dichtet man auch von ihr / als ob sie aus deß Jupiters Gehirne entsprungen / wodurch man zu verstehen geben wollen / daß die freyen Künste nicht von Menschen - Berstande / sondern auch aus dem Gehirne Jovis, das ist / aus dem unerschöpflichen (Messina in Sicilein erbauet. A. M. 2192. Eusebius.) Brunnen der Göttlichen Weißheit selbsten herrühreten. Damahls haben schon die Messenii, so ein Griechisches Volck aus der Landschafft Achaja, die Stadt Zancla in Sicilien / welche man heutiges Tages Messana nennet / und bey dem Mitternächtischen Vorgebürge Peloro lieget / er: bauet. Die Innwohner nennete man / wie gedacht / Messanenser / nachdem aber hernach die Mamertini, ein Volck in Campanien, worin̅en Neapolis lieget / in selbige Provintz ihre Einwohner schickten / wurden sie mehr (Florus l. 2.) Mamertiner, als Messanenser geheissen. Diese Stadt ist nachgehends wegen des Punischen und Attischen Krieges / an welchem Letzteren sie die meiste Schuld hatten / sehr beruffen gewesen / und hat dasselbe Land das Lob / daß daselbest der allerbeste Wein wachse / welchen man Vinum Mamertinum genennt. (II. Baleus II. A. M. 2203. Sleidan???9. Eusebius.) Des Belochi Sohn / Baleus der ander / gleichte der Semiramis beydes an Tugenden und Kriegs-Erfahrenheit / nöhtigte die Indianer, daß sie sich wieder unter die Babylonische Bothmässigkeit begeben musten. Denn gleichwie die jenigen / welche die Ruhe lieben / mit keinem Pfeile können so leichtlich getroffen werden: Also ist es auch in grosser Gesahr des Krieges besser / daß man sich der Vernunfft und der Tugend unterwerffe / (Cicero.) als sich einzig und alleine dem Glück ergebe. Omnis Belli Mars est communis, & semper incerti Exitus Praeliorum. Der Krieg ist (nichts ist thörichter / als Krieg ohne Cugend und Vorsichtigkeit führen.) zwar leichtlich auzufangen / der Ausgang aber desselben ungewiß: Dergleichen soll man nicht anfangen / es sey denn daß man Ruhe haben wolle. Es ist ein sehr gewagtes Spiel / wenn man die Wohlfarth eines Königreichs einzig / und allein auf die Spitze des Schwerdts stellet: Denn es ist nicht genug / daß man Land und Leute durch Waffen erobert / sondern man muß sie auch mit Gewalt handhaben. Hierzu gehöret nun nichts anders / als Tugend / und eine kluge Vorsichtigkeit. Es ist ein alter Gebrauch im Kriege / daß ein General / wenn er was wichtiges vor sich hat / zuvor seine Untergebene aufzumuntern und zu ermahnen pfleget / die Tugend aber ist der Weg / und die gute Vernunfft die Strasse / darauf man seinem Feind sicher begegnen kan: Einfältige und schlechte Leute sehen alle Dinge nur nach ihrer äuserlichen und scheinbarlichen Gestalt an / und betrachten dabey nur das / was ihnen die Augen belustiget / Erfahrne und Verständige aber wenden sich nicht allein auf das / was von aussen zu erwegen scheinet / sondern auch zu dem Innwendigen / und kommen dadurch denen Heimlichkeiten deß Glücks / und dessen verborgenen Anschlägen zuvor. Der Anfang aber aller Tugenden ist ein kluger Raht / und ein vernünfftige Uberlegung / und das Ende die Vollziehung desselben. Einem weisen Könige ist seine Weisheit vergebens / wenn er ihme nicht selbst zu rahten weiß. Denn es stehet ihm nicht an / daß er nicht thue / was sich gebühre / und unterlasse / was demselben zukomme. (Die Telchiner) Der Waffen / sagt man / soll man sich nur wie der Artzney gebrau [79] chen / (werden wieder aus Peloponnes verjaget / un̅ kommen gen Rhodis. A. M. 2209.) und der jenige / so sich in muthwillige Gefahr begiebet / der bekömmet nichts als Unglücke zur Ausbeute / und verliehret vielmahls darüber alles die vorgedachten Telchiner. Denn nachdem sie mit den Argivern, und Parrhasiern deß Landes halber unterschiedene scharffe Treffen gethan / und endlich geschlagen worden / musten sie Peloponnes wieder verlassen / und wichen in die Insel Rhodis / welche dazumahl Ophiusa, wegen der daselbst befindlichen vielen Schlangen / genannt wurde. Die Insel Rhodis ist eine von den berühmtesten Insulen in Asien / welche an dem Mittel-Meere gegen Carien und Lycien lieget / und theils wegen der daselbst bey den Alten in schwange gehenden freyen Künsten / theils auch deß Colossi halber / so unter die sieben Wunderwercke der Welt gezehlet ward / beruffen gewesen. In ihr waren Lindius, Camyrus und Jalisus die besten Städte / die Insel aber begreifft in ihrem Umkreisse 820. Stadia, oder fast 30. teutsche Meilweges. Sie wurde in nachgehenden Zeiten offters von den Türcken vergeblich belägert und angefallen / bis sie letzlich Anno Christi 1522. von dem Türckischen Keyser Solymann eingenommen / und erobert worden. (Die Stadt Memphis erbauet. A. M. 2212.) Gleichwie nun aber bey eräugnetem Kriege iederzeit die Vorschläge hierzu annehmlich / der Anfangleichte / das Mittel schwer / der Ausgang aber sehr zweiffelhafftig zu seyn scheinet. Also leben die Menschen bey der Ruhe deß Friedens viel sicherer: Denn dieser führet das Reichthum bey der Hand / dasselbige aber bauet Städte / Länder und Schlösser / und erhält den Menschen bey einem erwünschten Stande. Sobald die Archiver sich deß Krieges entlediget / und die Früchte des Friedens genossen / da baueter ihr König Apis oder Ogdous die Königliche Haupt-Stadt Memphis in Aegypten / welche an dem Orthe des Flusses Nili lieget / woselbst sich derselbe in seinen Ausgang zu theilen anhebet / und heutiges Tages Alcair genennet wird / diese Stadt ist unter allen in gantz Griechenland nach der Stadt Alexandria die ansehnlichste / bey welcher insonderheit der alten Könige ihre Pyramides, worunter sie ihre Begräbnüsse / merck würdig zu sehen. Ihr Bezirck soll sich auf 150. Stadia erstrecken / und hat man (deßgleichen Sparta. A. M. 2234. Euseb.) nachgehends daselbst einen Stier für einen Gott angebetet. Zwey und zwantzig Jahr darauf wurde die Stadt Sparta, oder Lacedaemon in Peloponnes gelegen / von dem Sparto des Amyclantis Sohne erbauet / welche hernach / als sie zu ihrer Vollkommenheit gebracht / viel blutige Kriege mit den Atheniensern geführet / und von dem Lycurgo mit guten Gesetzen versehen war / allermassen man dann auch in dem Buche der Maccabäer (Plutarchus.) findet / daß Sie mit den Römern in Bündnüssen gelebet. Sie hatte aber keine Mauern / sondern die Tugend ihrer Bürger / dienete ihr an Statt derselben / wie aus des Königes Agesilai daselbsten Antwort erhellet / als er gefragt wurde / warum man dieselbe mit keinen Mauern umfassete. (12. Altadas. A. M. 2255.) Nach diesem Baleo succe dirte sein Sohn Altadas, nachdem sein Vater 52. Jahr regieret / und achtete dieses / daß man sich durch vielfältige Kriege / Mühe / Kümmernüß und Sorge viel Beschwerlichkeiten über den Hals zöge / den Untergang der Seinigen / und des Menschlichen Geschlechts (Die Zufriedenheit seiner selbst.) suchte / und dabey seiner selbst vergesse / für unbillig: Die jenigen / so in denen mit Mooß / Schilff und Stroh bedeckten Häusern wohnen / schlaffen viel sicherer und geruhsamer / als die / so sich täglich mit ihren angefüllten Reichthümern und Begierden vieler Länder und Königreiche (juxta Senecam.) plagen. Denn gleichwie die Dienstbarkeit unter dem Golde verborgen [80] lieget / also stecket hingegen vielmehr die Freyheit unter dem Riet und Stroh. Wer seine Freyheit nicht werth hält / der ist sein eigener Feind. Non sit is alterius, qui suus esse potest. Un̅ wer sich derselben ohne Zwang begiebet / der ist gleich den Pferden / welche sich zum ersten mahl den Zaum über den Kopff werffen lassen. Wiewohl nun kein elender Ding / als wenn der Mensch nicht sein selbst eigen ist / so ist es doch eine viel elendere Dienstbarkeit / wenn derselbe mit seiner Seele dem Mammon, dem Zorn / der Mißgunst / denen Lüsten des Fleisches und dem Hochmuth dienet / und sich von solchen Begierden zu deß Leibes und der Seelen Gefahr verleiten lässet. (13. Mamitus A. M. 2277. Metasthenes. Eusebius.) Unter diesem Mamito kahmendie abgefallenen Syrer und Aegyptier wieder zur Furcht / indem er die zur Zeit seines Vaters des Altadae im Müssiggange ersoffene Soldaten gleichsam aus dem Schlaf erweckete / und sie zur Kriegs-disciplin hielte / darnebenst aber brachte er seine übrige Zeit in Ruhe zu: Woraus zu sehen / daß ein müssiges Kriegs-Heer mehr schade / als nütze / und daß auf Seiten der Syrer sie die Freyheit höher als ihr Leben geschätzet. Denn alle Dienstbarkeit ist beschwerlich / da hingegen Jene anmuhtig und erträglich: Pythagoras sagte: es wäre niemand frey / als der Jenige / so über sich selbsten herrschte / welches alles von denen Menschlichen Affecten und Begierden zu verstehen. Der Römische Brutus meldete dorten wider die Tarquiner, es wäre entweder bey solchem Handel ein freyes Leben / oder ein rühmlicher Tod zu erwehlen / und der weise Cicero wündschete ihm annoch in seinem Leben zwey Dinge / nämlich / daß er vor seinem Absterben das Römische Volck in seiner Freyheit unverrückt hinterliesse / und dann / daß einem Jeglichen also gelohnet würde / wie er sich um das gemeine Wesen / und Vatterland verdienet gemachet hätte: Wie derohalben die Boßheit mit der Tugend nichts gemeines hat: Also auch die Dienstbarkeit mit der Freyheit: Nullum enim (Die Freyheit ist erkräglich un̅ unerträglich.) bonum est Libertatis bono melius aut praestantius. Trajano Boccalino nennete die Freyheit eine Docke / welche man denen weinenden Unterthanen gäbe / damit man sie darmit stillete / wenn sie aber schwiegen / so nehme man ihnen dieselbe hinwieder / ehe sie es inne würden. Die Freyheit bedarff nicht weniger Verstand sich mit Masse zu regieren / als Frömmigkeit sie zu erlangen. Nachdem sich einsmahls gantz Lusitanien an den Römer Marcum Brutum ergab / und die eintzige Stadt Ciana noch tapfer hielte / both ihr Brutus für die Ubergabe ein ansehnliches Stücke Geldes / die Einwohner aber derselben liessen ihm zur Antwort sagen / Es gebührete sich nicht / daß sie ihre Freyheit verkaufften. Denn es hätten Ihnen ihre Vorfahren die Waffen zu dem Ende hinterlassen / damit sie dieselbige bis auf den Tod verthädigen sollten. Non est liber, qui facit, quod ipse vult, sed qui quod decet, facit. Es bestehet aber dieselbe Freyheit nicht in deme / was einem ieden gelüstet / oder gefällt / sondern in deme / was recht / billich und verantwortlich ist. Ein wildes Roß / es sey auch dem Ansehen nach so edel und schön als es wolle / ist nicht tüchtig zum Reiten. Omnes deteriores sumus Licentiâ. Ein eigener Wille stürtzet sich offt selbst in das Verderben. Ein Gleichnüs dessen hat man an der Fabel vom Esel und Schaafe. Denn als diese beyde der Dienstbarkeit überdrüssig / und der Freyheit begierig / lieffen sie miteinander in den Wald. Der Hirsch begegnete ihnen unterwegens / und fragte sie / wo hinaus? Das Schaaf gab zur Antwort: Man hat mich zeithero nicht alleine gemolcken / biß auf [81] das Blut / und jährlich die Wolle bis auf die Haut abgeschoren / sondern ich muß auch noch täglich der Gefahr deß Todes unterworffen seyn. Der Esel aber klagte über die tägliche Bürde / so er ohn Unterlaß tragen / und noch darzu bey seiner geringen Spreu der Schläge gewärtig seyn müsse / darum wolten sie ihre Freyheit in den grösten Wäldern suchen. Der Hirsch sagte hierauf zu ihnen / O ihr thörichten und unbesonnenen Thiere / wisset ihr nicht / daß die Freyheit einem ieden nicht allezeit zuträglich un beqvem. Lieber / saget mir / was wollet ihr thun / wenn euch der Wolff oder Leue über den Hals Kömmet / wie wollet ihr euch derer / als die ihr entwaffnet seyd / versichert halten / oder euch deroselben erwehren. Die Freyheit hat offters die Trägheit zur Gesellin / und nützet nicht Jedem: Sie erfreuet und verdirbet. Denn wenn der jenige nur thut / was ihm wohlgefället / der begehet das / was GOTT zuwider läufft. Derowegen so bestehet endlich die Freyheit darinne / daß man dieselbe handhabe / nach der gesunden Vernunfft lebe / die Warheit nicht verfälsche / denen Gesetzen der Obrigkeit Gehorsam leiste / und eine zweifelhaffte Sache nicht für gewiß halte. (14. Manaleus. A. M. 2307. Calvis.) Was Mancaleus deß Mamiti Sohn verübet / weiß man eigentlich nicht iedoch ist zu vermuthen / daß er bey solcher Regierungs-Last sich einer zuläßlichen Ubung muß bedienet haben. Denn man soll auch mit Masse herrschen / und denen / die in einer gewissen Sache eine Lust haben wollen / (Eines Potentaten Ruhe ist der Unterthanen Wohlfarh.) solche gönnen. Mit guten Worten und scharffen Straffen / hält man die Unterthanen auch in Zaume / es ist mit dem Kriege nicht allezeit gethan / alldieweiln offters besser sein Land erhalten / als ein anders mit Gefahr und Verlust seines eigenen gewinnen. Ein Regente muß sich offters einem Artzte vergleichen / der ohne Zange gute und böse Zähne heraus zureissen weiß. Im Zorn nicht zu gehling / im Streite nicht zu hitzig / und in Ubersehung nicht zu langsam / schafft und räumt zuweilen viel Unheil aus dem Wege. Ein Regente sitzet hoch / darum soll er unter sich sehen. Ex Bove & Vulpe optimè constat Respublica, modò Bovis Sententia non praevaleat. Mit Ochsen und Füchsen / pfleget man zu sagen / ist ein Regiment am besten bestellet. In allen Dingen macht der Verzug eine Sache verwirret / wenn ein Potentate in Entscheidung seiner Unterthanen Streitigkeiten säumig / der lässet sich einem Artzte vergleichen / bey dessen langweiligen Cur man lieber sterbe̅ / als ferner bey solchem zugezogene̅ Schmerzen leben will. Die Reputation eines grossen Herrens liegt nicht daran / daß man Ihn mit gebogenen Knien / und aufgehabenen Händen verehre / sondern daß derselbe vielmehr durch Leutseligkeit / durch Erhaltung Fried und Ruhe / durch Eintracht / durch Schmählerung der Aufflagen / durch Demuth / Sanfftmuth / und dergleichen Tugenden der Unterthanen Liebe und Gunst / und darbey auch zugleich seinen Respect erhalte. Denn wenn derselbige GOTT fürchtet / das Recht erhält / für Wittwen und Waisen sorget / die Justiz liebet / die Heuchler als Feinde der Warheit verfolget / die Gewaltigen dämpffet / das Unrecht vertilget / Treu und Glauben befördert / den Geitz verbannet / und nicht mit frembden / sondern seinen eigenen Ohren höret / dessen Wohlbestand ist beständig. Ein Mensch grünet durch sanffte Ruhe / und diese ist eine Vorbereitung zu einer neuen Arbeit. Es ist nicht übel gethan / wenn man sich für Schaden und Uberwindung hüten kan. Denn im Kriege gehet es zuweilen scharff her / so gar / daß man auch zu frieden / wenn man mit gleichen Streichen darvon kömmet. Da [82] hero ist der für glückselig zu schätzen / wer die Zeit annimmet / wie man sie findet / und sie gebraucht / wie man es zu verantworten gedencket. Endlich hält der Tod seine Gleichheit / für dem sich auch dieser Monarche in dem 28. Jahre seiner Königlichen Regierung bücken muste. Wohl derohalben dem / von welchem man nach dem Tode auch dieses sagen kan: So lebet denoch sein Gerüchte / Das ohne Fleck und Tadel ist / Scheint es gleichschnelle am Gesichte / So trauret es doch sonder List / Zumahlen wann man von ihm höret / Daß mans gebrauchet nach Gebühr / Und es die Wollust nicht verstöhret / Die sonst bey Menschen gienge für / Kein besser Glücke ist auf Erden / Als wo die volle Ruhe steht / Und alles lässt vergnüget werden / Bey dem / das nicht zu Grunde geht / Da kan die güldne Zeit aufwachsen / Biß an die hohen Himmels-Achsen. (Der Juno Priesterin. A. M. 2309. Eusebius.) Unter diesem wurde die Callythia deß Piranthi Tochter bey den Argivern zur ersten Priesterinn der Juno verordnet. Denn weil dasselbe Ambt von keinen Manns-Persohnen / sondern allein durch gewisse Weibes-Bilder bestellt werden muste / so blieb man auch bey solcher Aberglaubischen Ordnung iederzeit. Es ist aber Juno des Saturni Tochter / oder / wie die Poeten vorgegeben / deß Jupiters Schwester / und zugleich auch desselbigen Gemahlin gewesen. Die Physici verstehen durch die Juno die Lufft / und halten dafür / daß sie deßwegen für des Jupiters Gemahlin und Schwester sey gehalten worden / alldie weiln die Lufft und Hitze eine grosse Verwandnüs miteinan der hätten. Man gab ihr etliche Nahmen / und heiß sie theils nach den Jenigen Oertern / wo sie verehret wurde / oder nach ihren geheiligten Tempeln / Ambte / und anderen Begebenheiten / bald Lucina, Bellona, Venus, Argiva, Samia, Lacinia, Bunaea, Februa, Acrea, Cynthia, Calendaris, Domiduca, Fluonia, Hypercheria, Unxia, Moneta, und anders dergleichen mehr. Die Poeten machen viel Wesens von ihr / und geben vor / wie sie einsmahls Hercules in die rechte Brust mit einem Pfeile verwundet: Von dem Oceano erzeuget / von den Stunden erzogen: Für eine Göttin des Reichthums geachtet: Von den Pfauen auf einem Wagen geführet: Vom Jupiter mit einem güldenen Bande in die Lufft geknüpffet / und den Vulcanum, Heben, Martem, Argem, Ilythiam und andere Kinder mehr gezeuget. Die Jenigen Oerter / woselbst man Ihr Göttliche Ehre erwiese / war die Stadt Carthago, Prosymna, Argos, Mycen, die Insul Samus, und die Völcker Pholisci / [83] (Comes Natilis in Mythologia l. 10. p. mihi 1033.) und Tatij. Was aber Physicè von ihr zu verstehen / So ist dieselbe / wie gedacht / des Saturni Tochter gewesen / alldieweil erstlich der Himmel von Gott / als dem Werckmeister erschaffen / hernach ist aus desselbigen Lauffe die Zeit / und aus dieser die stetswährende Lufft / folgends aber die Elementa gemacht worden / unter welchen dann die Lufft / nämlich die Juno, als eine Unterhalterin des gantzen menschlichen Lebens / zunechst dem Jupiter / das vornehmste Element / vermittelst dessen es regnet / und hagelt. Durch die erwärmte Lufft werden Thiere und allerhand Erd-Gewächse gezeitiget / durch Sie verjünget sich alles / und durch Hülffe ihrer schöpffet man zum öfftern Athem: Alldieweil aber die Lufft vornehmlich aus dem Wasser entspringet / so nimmt man dahero Gelegenheit / und saget: Wie Juno von der Thetide einer Wasser-Göttin / und dem grossen Meere Oceano gebohren worden wäre; Wenn die Juno ihre Handthierung in Herfürbringung allerhand lebendiger Thiere in der Lufft hat / so sagt man / Sie wäre des Jupiters Gemahl. Wenn sie sich zu dem Feuer näherte / so gebähre sie den Vulcanum: wen̅ sie mit ihrer angenehmen Lufft denen kreissenden Weibern zu statten käme / so sey sie eine Beherrscherin un̅ Beförderin derselbigen zur Geburt / also / daß durch ihr die Alten alle die jenigen Kräffte und Handlungen verstanden / welche entweder an Macht lebhafftig / oder sonst zur Vollkommenheit gebracht werden. (15. Sphaerus A. M. 2335. Cassiodorus, Metastehnes. Eusebius.) Nach dem Mancaleo bekam sein Sohn Sphaerus das Reich. Dieser stunde demselben beydes zu Kriegs als Friedens-Zeiten sehr wohl vor / so gar / daß er auch das Glücke mit der Tugend / und diese mit Jenem verwechselte. Denn wo diese / und die Weißheit beysammen / da wird die Welt wohl regieret. Zwey Dinge machen böse Regenten / nehmlich ein arger Rath / und grosser Herren Gesetzlose Freyheit. Wenn ein Potentate (Das Mittel / worzu ein Regente greiffen soll.) sich nur allein der Alten zu seinem Dienste gebraucht / so wird wegen ihres unvermögenden Alters seine Regierung und Verwaltung / hintenangesetzet; Vertrauet er sich zu viel den Jungen / so wird er zugleich darbey verwegen / und die Reue kömmt Ihm sodann zu spat in die Hände. Nimmt er selbst alles nach seinem Kopfe vor / so wird er vermessen / wenn er aber sein Land mit Zuziehung der klugen Alten / und der kühnen Jugend regieret / so hat seine Regierung einen Bestand. Eines Regenten Schuldigkeit ist / daß er des Volckes Beschwerung soll abschaffen / und das allgemeine Anliegen erledigen / will er anders ein warhafftiges Lob nicht eben bey seinen Schmeichlern und Fuchsschwänzern / sondern bey des Volckes gemeiner Rede erlangen. König Jacob Allmansor in Spanien lies um seinen Thron folgende Sprüche schreiben: Die Gerechtigkeit soll über die Könige herrschen / und die Liebe über die Reichen: Die Gerechtigkeit soll über die Könige herrschen / und die Liebe über die Reichen: Die Macht soll die Eitelkeit betrachten / die Keuschheit die Jugend zieren / die Gedult sich gegen die Armen erweisen / und die Furcht des Himmels über Könige seyn. Als Chrysippus gefragt wurde / warum er sich in Regiments-Sachen nicht mit einliesse / gab er zur Antwort: Es siehen mir dißfalls zwey Dinge im Wege. Denn gehe ich mit den Bürgern unrecht umb / so erzürne ich die Götter: nehme ich aber das / was bey den Göttern zu verantworten stehet / und recht ist / vor / so verstosse ich den Bürgern / und mache mir sie darüber zu Feinden. Darum ist es besser / ich bleibe darvon. König Philipp in Spanien / vergliche sich / und seine Regierung einem Weber-Stuhle / bey welchem man / wenn das Gewircke von statten gehen sollte / mit Händen und Füssen arbeiten / und dafern ein Faden abrisse / wohl zusehen müste / wie derselbe ohn Verwirrung wieder anzuknü [84] pfen wäre / gleicher Gestalt müste er auch auf seine Reiche in Spanien / Indien und Welschland sehen / damit / wenn etwas daselbsten mangelte / er es wieder ergäntzen / und nicht das gantze Werck seiner Regierung dadurch verderbet werden möchte. Als König Heinrich zum Könige in Pohlen von den Ständen beruffen ward / und er auf der Hinreise begriffen / übergab ihm Herzog Ludowig Gonzoga zu Nevers einen schrifftlichen Unterricht / wie er solches Reich mit Bestande regieren möchte. Der König nahm solchen zu sich / und nachdem er denselben gelesen / zerreiß er die Schrifft und sagte: Alle Königreiche müssen nach ihren Grund-Gesetzen / und nach der Unterthanen Lands-Art / und Natur / und nicht nach anderen Sitten regieret werden. Denn wer alle Völker nach einerley Rechte zu beherrschen begehret / der ist gleich einem Schneider / welcher einem Boklichten ein gleiches Wamst / wie Einem / der einen geraden Leib hat / verfertigen will. Jener Verständige sagte / die Regenten sollten sich bemühen / gerecht un̅ gelinde zu seyn: Denn bey der Gerechtigkeit würden sie sich bey den Frommen / und bey der Gelindigkeit bey den Bösen beliebt machen. Mit einem Worte / ein vernünfftiger Potentat ist in allen seinem Thun gedultig und beständig / Er weiß / wie alles auf einem klugen Rathe bestehe / da hingegen ein unvernünfftiger alles lässet hingehen / verdammet seine Anschläge / und hält vergeblichen Nachrath. Dieser Sphaerus lebte also / daß er wuste / wie er das Sterbliche anlegen / sein Reichthum geniessen / seine Hoheit erhalten / und alles Irrdische / als entlehnte Kleinodien / widerum verlassen sollte. (AEthiopier fallen in Aegypten. A. M. 2336. Philost. in vitâ Apollonii. AEthiopia.) Bis anhero hatten sich die AEthiopier bey dem Flusse Indus aufgehalten / anietzo aber begaben sie sich mit gesammter Macht in Aegyyten. Es ist sonst AEthiopia ein Theil Landes von Africa unter der Zona torrida zwischen Arabien und Aegypten gelegen / welche den Nahmen von AEthiops des Vulcani Sohn herführet / und wird inzwey Theile / nämlich in das Orientalische und Occidentalische getheilet. Alles was daselbsten fruchtbar / ist unter dem Polo meridiano, gegen Niedergang ist es bergicht / und in der Mitten gegen Orient sandigt und gantz wüste. Von Mittag wird es von dem Oceano, und von Mitternacht von dem Flusse Nilo umschlossen / Es hat daselbsten unterschiedene Arten Völcker / welche von Angesichte schwartz / grausam / un̅ gleichsam wider die Natur anzusehen seyn / gestalt es denn allda auch viel grausame Thiere / und unter andern Rhinoceros, Parder / Basilisken / grosse Drachen und Schlangen / insonderheit (Das Thier Chamaelon. Plinius. lib. 28. c. 8.) aber das Thier Chamaeleon giebet. Dieses ist von Farben sprenglicht / gleich einem Parder / und was für Farben es vor sich beköm̅et / ausser die rothe und weisse / darein soll es auch die Seinige verkehren. Es ist von Gestalt und Grösse gleich einer grossen Heidere / ohne daß es gerade und erhobene Beine / einen Schnabel gleich einem Schweins-Rüssel / Augen / welche mit dem Leibe übereinkom̅en / und dieselben niemahls aufthut / und einen zugespitzten Schwanz / und krumme Klauen hat / auch sich an Bewegung einer Schild-Kröte / und an der harten Haut einem Trocodile vergleichet / und sich nicht / wie andere Thiere / von der Speise und Tranck / noch einem andern Dinge / sondern allein von der Lufft ernehret / und sich des Winters über für der Kälte / wie die Heydexe / verbirget. (16. Mamelus. A. M. 2357.) Als Sphaerus 22. Jahr den Königlichen Thron besessen / folgete Ihm in der Ordnung Mamelus, der gleichfalls in solcher Königlichen Hoheit 30. Jahr lebete. Was er aber in währender solcher Zeit fürgenommen / wird nichts gewisses davon geschrieben / ohne Zweiffel wird er die stille Ruhe für den Krieg / den Frieden für das Blut der Feinde / und [85] das Recht / und die Freyheit für den ungewissen Ausgang des Glückes / und die Wohlfarth / und Besitzung des Reichs der Begierde mehr Länder (Wer vergnügt / der ist der reicheste.) zu beherrschen fürgezogen haben. Denn ein ruhiges Leben / und ein hoher Verstand bleibet unbewegt / und der Jenige / welcher einen mit Gewalt auf den Fuß tritt / oder seiner Revier zu nahe rücket / der kommet gemeiniglich mit Schmach und Gefahr zurücke. Wer es nicht besser weiß / dem schmecket alles wohl: Qui contentus est suis, non invidet alterius Fortunis. Einem Hungerigen ist kein Brod zu schwartz. Denjenigen hält man nicht für unweise / der sich in seinen eigenen Stand wohl schicket / und nicht nach solchen Dingen trachtet / welche ihm sein / Leben schwerer / sein Regiment verdrüßlicher / und seine Untergebene in Gefahr setzet / Dergleichen Beschaffenheit hat es auch mit den Königreichen dieser Welt / da bald eines empor steiget / das ander baufällig / und das Dritte gar über den Hauffen geworffen wird. Betrachtet man eigentlich des Glückes Zustand / so ist man niemahls damit zufrieden / will man aber zwischen der Vergnügsam- und Unvergnügsamkeit einen Unterscheid sehen / wie hell die kleinen Flüsse / und hingegen die grossen Ströhme so trübe dahin streichen. Dahero so ist auch ein vergnügter Stand viel ruhiger / als ein grosser und unbeständiger: Der Jenige / wer sich vergnüget / derselbe hat / was er an sich selbst nicht hat; Wer sich aber nicht vergnüget / den erfreuet auch nicht das / was er würcklich besitzet. (Die Stadt Epidaurus erbauet. A. M. 2357. Plinius l. 4. c. 5. AEsculapii Tempel.) Bey angehender Regierung dieses Assyrischen Monarchens / wurde die Stadt Epidaurus in Peloponnes / und der Griechischen Provintz Achaja gelegen / erbauet / woselbst hernacher des AEsculapii berühmter Tempel anzutreffen gewesen. Es war aber dieser AEsculapius ein sehr geschickter Artzt / dessen Söhne auch / Nahmens Podalirius und Machaon in dergleichen Wissenschafften nicht unerfahren / und eine zeitlang zu Troja sich aufgehalten; Dahero man Ihn auch / weiln er für des Apollinis Sohn geachtet wurde / unter die Zahl der Götter rechnete. Die Alten eigneten ihm eine Schlange zu / alldieweiln man von dergleichen Thiere viel gute Artzneyen zu machen pfleget. Und als einsmahls sich bey den Römern (Der Römer Aberglaube.) eine hefftige Pestilentz entsponnen / und das Oraculum auf Befragen / ihnen den Rath gegeben / daß sie dißfalls den AEsculapium nur nach Rom holen sollten / rüsteten sie gen Epidaurum eine Gallee mit drey Rudern aus / und schickten darauf ihre Gesandten dahin. Nachdem aber die Epidaurier ihren vermeinten Artzney-Gott ungerne von sich lassen wollten / stelleten sie ihnen eine grosse Schlange mit sich gen Rom zu nehmen zu / und weil dieselbe an dem Hintertheile des Schiffes in einen Ring zusammen wandt / meineten dieselben nicht anders / es wäre der AEsculapius, und führten sie mit grosser Ehrerbietung gen Rom. Woraus man siehet / wie eine Abgötterey öffters der andern die Hand beuth. Der Aberglaube ist ein Affe / welcher der wahren Gottesfurcht alles nachthut; Es fragte einsmahls Einer den weisen Catonem, was das bedeute / daß ihm die Mäuse seine Hosen zerbissen? Worauf derselbe den Kopff schüttelte / und sagte: Du hast dich über dasselbe nicht zu verwundern; Wenn aber deine Hosen die Mäuse gebissen / und gefressen / das hätte alsdenn was grosses auf sich. (Thessaliens Uhrsprung. A. M. 2371. Eusebius.) Alle Königreiche haben einen gewissen Anfang. Zu dieses Zeiten richtete Thessalus, des Pelasgi, oder / wie etliche wollen / des AEmons, Jasons, und Medeae Sohn / das Thessalische Reich auf / von welchen es nachge [86] hends den Nahmen Thessalien behalten. Dieses ist eine Landschafft in Griechenland / welche vor Alters unter Attica mit begriffen / und auf der einen Seiten Boeotien, auf der andern Seite aber Macedonien liegen hat. Sie soll vordessen Pyrthemia nach der Pyrrha des Deucalions Weibe geheissen haben / allwo zu derselben Zeiten sich eine grosse Diluvium, oder Wasserfluth eräugnet / und die meisten Völcker daselbsten / auser etlicher wenigen / darunter auch Deucalion, und sein Weib Pyrrha gewesen / die ihre Flucht auf den Berg Parnassum genommen haben / ersäuffet. Diese erstreckte sich von dem Meere / und dem Berge Thermopylis bis zum Ausbruche des Flusses Penei. Man nennete auch dieselbe hiebevorn Pharsalia, Macedonia, Emathia, und Campi Philippici: Der Berge daselbsten zehlet man 24. worunter Pindus, Othrys, Pierus, als eine Wohnung / und Vaterland der Musen / Pelion und Ossa, die zu Zeiten des Riesen-Krieges sehr beruffen gewesen / für die edelsten / und die Flüsse alda / als Apidanus, Enipeus, Melas, Phoenix, Onochanus, und Pamisus für die grösten zu achten. (Aarons und Mosis Geburth. A. M. 2369. Exod. 2.) Damahls ward Aarons des Amrams und der Jochebedae Sohn / der seiner Beredsamkeit halber der Mund Mosis genannt / und von den Israeliten mit dem Hohenpriester-Ambt versehen wurde / gebohren / und drey Jahr darauf Moses / welcher / nachdem zur selbigen Zeit das Königliche Geboth wegen Tödtung der Israelitischen Knäblein in Egypten erfolgte / auf das Wasser gesetzt / von / der Tochter Pharaons gefunden / an Kindes Stadt auferzogen / und in allerhand Egyptischer Weißheit unterrichtet ward. Man hat sich leicht einzubilden / wie damahls / als ein solch scharffer Befehl ergienge / denen schwangern Weibern muß zu Muthe gewesen seyn / denn gleichwie bey den andern die Hoffnung zur Genesung die Geburths-Schmertzen etlicher Massen linderte: Also wurde bey der Jochebed hingegen / und daß sie einen Sohn gebahr / die Furcht verdoppelt. Es ist nicht böse / wenn man zuweilen etwas wegen grosser Gefahr waget. Sobald / da dieselbe ihren Sohn den Mosen an das Liecht brachte / versteckte sie ihn für den blutgierigen Egyptiern; Wie aber dieses den Stich nicht hielte / bereitete sie ein Kästlein von Rohr / legte ihn darein / und vertrauete denselben den Wellen: Ihrer Tochter Augen vertraten die Stelle eines Wächters: Moses schwamm dahin / kein Freund / und seine Mutter durffte sich seiner annehmen / GOTT aber war sein eigner Schutz / und durch Veranlassung Pharaonis Tochter sein Aufenthalt: Sie erblickte das Kästlein / that es auf / und fand darinne / was sie nicht vermeinet: Die schöne Gestalt / und die Thränen des Mosis wirckten in ihr Barmhertzigkeit / und indem ihr Hertze voller Mitleiden / und Sorge / tratt des Mosis Schwester herzu / erboth sich Kinde eine Amme zu verschaffen / und hohlete des Mosis leibliche Mutter. Durch diesen Wechsel erhielte die Jochebeda zugleich ihren Sohn / und darbey einen reichlichen Unterhalt. Wie derohalben Moses erwachsen / sahe Er nicht auf die Pracht / und Ehre / so er in Egyten hatte / sondern er bekümmerte sich vielmehr um die unerträgliche Last Israels. Und als er einsten gewahr ward / wie ein Egyptier unverschuldet einen Ebreer schlug / that ihm dieses Unrecht so weh / daß er denselben aus gerechter Rache tödtete / und in den Sand scharrete: Es trug sich aber zu / daß sich zweene Ebreer miteinander zancketen / und weiln Moses sie auseinander setzen wollte / warff der Ungerechte ihm seinen begangenen Todtschlag für / wor [87] über er sich aus Furcht für dem Pharao darvon machte. Also kan zuweilen der ärgste Feind des andern höchster Beförderer seyn: Denn hätte dieser Ebreer die That eher offenbahret / wäre Moses ergriffen worden / nun er aber gewahr wurde / daß er verrathen / stellete er seine Flucht desto behender an. (17. Sparetus. A. M. 2387. Sleidanus, Berosus.) Bey seinem des Mameli Reichs-Nachfolger / dem Spareto hieß es: Der Mensch kan nicht eher der Ruhe geniessen / es sey denn daß sein Nachbar wolle. Denn als die Syrer und Phoenicier einen Ausstand wider ihn erregken / ergrieff er wider dieselben die Waffen / und brachte sie mit Zwang und Gewalt dahin / daß sie sich wieder unter seinen Gehorsam ergeben musten. Es ist eine allgemeine Welt-Art / daß man mehr auf dasjenige / was man nicht hat / als das / was man allbereit besitzet / erpicht sey / sintemahl man mehr nach der Neuerung / und zwar mit einer weit grössern Lust / als sonsten etwas andern strebet. Dahero man auch die Beyschläfferinnen mehr als die Eheweiber sucht: Zur Zeit seiner Regierung trug sich dreyerley Denckwürdiges zu. Das Erste war ein erschreckliches Erdbeben / welches die Babylonier hefftig erschreckte: Das Andere ware das Thessalische Diluvium oder die Uberschwemmung desselbigen Königreichs / von welcher und dem Könige Deucalion, weil (in Mecem.) derselbe um die Gegend des Parnassi regierete / und viel der Seinigen auf solchem Berge beym Leben erhalten wurden / Ovidius viel Wesens gemacht / und sie mit der Sündfluth des Noce verwirret hat: Das Dritte (Xenophon de AEquivoc.) war die grosse Feuersbrunst / so sich im Mohrenlande / und Italien an dreyen Orten durch die allzu grosse Sonnen-Hitze entsponnen / und dahero an Menschen / Vieh und andern kostbaren Gebäuden / einen fast unbeschreiblichen Schaden verursachte. (Josua gebohren. A. M. 2408.) Bey des Königes Spareti Regierung wurde der Held Josua der Sohn Nun / des grossen Propheten Mosis Diener und Schüler / hernacher durch Göttlichen Antrieb desselben Nachfolger / gebohren. Als nun / wie gesagt / Moses von des Pharaons Königlichen Hose sich hinweg begabe / und in Midian flohe / vergaß er gar gerne die höchste Gnade an des Pharaons Hofe / setzete die Begierde des Ehrgeitzes beyseite / und fand in der Wüsten Midian (Mofis Beruff. Exod. 3.) mehr Lust / als andere in den herrlichen Pallästen. Das merckwürdigste von dem Verlauff seines Lebens aber wird in drey Theil getheilet. Denn er wurde 40. Jahr an dem Königlichen Hofe in aller Egyptischen Weißheit auferzogen / war ein Hofmann / befand sich daselbst als einer von einem hohen Geiste und guter Gelehrsamkeit / 40. Jahr hielt er sich in Midian auf / nahm daselbst die Zipora des Priesters Jethro Tochter zur Ehe / zeugete Kinder / und beflisse sich des Schäffer-Lebens: Denn wie uns GOTT in unserm Beruffe findet / so treffen wir ihn auch in seiner Gnade an: Kein Müssiggänger ist iemahls mit eintziger Erscheinung gewürdiget worden: 40. Jahr aber regierete er über die Stämme Israel / gestalt er in dem 80sten Jahre seines Alters von dem Allerhöchsten beruffen / undzusamt seinem Bruder dem Aaron an des Königes Pharaons Hoff / daselbst er durch Zeichen und Wunder ein grosser Mann wurde / gesendet ward. Denn als er seines Schwehers Jethro des Priesters in Midian bey dem Berge Horeb der Schafe hütete / erschien ihm der Engel des HERRN / oder vielmehr der Sohn GOTTES in einer Feuerflamme aus dem Busche / und befahl das Volck Israel aus der Aegyptischen Dienstbarkeit zu führen: Tritt herzu / sagte GOTT / und komm nicht zu nahe. Daß [88] ein Busch brennet / ist kein Wunder / daß er aber nicht verbrennet / das hat was auf sich. Denn GOTTES Macht ist an den kleinesten Dingen am grössesten. Aaron brachte das Wort bey dem Könige Pharao an: Pharao wollte lange nicht / bis er durch Göttlichen Zwang muste. GOTT hätte zwar den Pharao bald können aus dem Wege räumen / allein Er wolte ihm zuvor seine Unbilligkeit darthun / ehe er denselben bestraffte: Der Teufel ist GOTTES Affe / dessen Werck keinen Bestand hat: So bald im Nahmen des HERRR Moses den Stab aufhub / muste alles verstummen / und alle Creaturen wollten für GOTT zusammen treten. Es sind aber diese vorhergehende Wunderwercke in folgende Verse begriffen: Prima rubens unda: Ranarum plaga secunda: Inde Culex tristis, post Musca nocentior istis: Quinta pecus stravit: Anthraces sexta creavit: pòst sequitur grando: pòst Bruchus dente nefando, nona tegit Solem: primam necat ultima prolem. das ist: Zu erst wird Wasser Blut: der Frösche grosse Plage erfüllt das gantze Land: Es wächst von Tag zu Tage die Straff in Nilus Reich: Kaum sind die Läuse fort / so stellt sich das Geschmeiß der Fliegen an den Ort / das noch mehr schädlich war: Aegyptens Vieh muß sterben: An Blattern schwartzer Art manch Menschen Kind verderben: Was hiervon übrig bleibt / das nimmt der Hagel hin / Und weil verhärtet ist des Königs Hertz und Sinn: So folgt das grosse Heer der schrecklichen Heuschrecken / Es muß die Finsternüs auch Lufft und Himmel decken. Die Erst-Geburth / erschlägt zuletzt des Engels Hand / So hefftig war ob dir / Aegypten / GOtt entbrannt. (Er führet die Kinder Israel aus Egypten. A. M. 2453. Exod. 12. c. Das denckwürdigste hierbey.) Hierauf zogen die Kinder Israel in die 600000. Mannschafft / ohne die Kinder aus Egypten / Pharao / der Ihnen nachjagete / ersoff in dem rothen Meere / mit seinem gantzen Krieges-Volcke / und ist dieses das merckwürdigste / daß GOTT (1) die Israeliter nicht geraden Weges auf der Philister Strasse nach dem versprochenen Lande / welche Reise innerhalb 10. Tagen hätte können vollbracht werden / soudern zur Seiten auf die Wüsten zwischen den Bergen nach dem rothen Meer führete / welches sich auf Ausreckung Mosis Stab zertheilete / da dann der HERR des Nachts in einer Feuer-Seule / und des Tages in einer Wolcken / die sie für der Sonnen-Hitze bedeckte / für denselben her zoge; denn weil das grössere Liecht das kleinere verlöscht / so wies der HERR ihnen nicht das Feuer / sondern die Wolcke / darnach sie sich richteten / (2) daß sie GOTT mit dem Himmel-Brod 40. Jahr speisete / damit ihr Tisch alle Morgen bereitet / und seine Macht dadurch an diesem Manna / welches bey Aufgang der Sonnen schmeltzet / und gleichwohl dadurch viel tausend Menschen erhalten wurden / verspühret werden möchte. Denn weil die Erde ihnen das Brodt versagte / muste der Himmel die Handreichung thun / die Winde die Wachteln herzu wehen / und aus Felsen Wasser wunderbahr hervor springen: Ihr Lager bestunde in dreyerley Ordnung: Das erste was GOTTES in der Stiffts-Hütte / worinnen der Allerhöchste in einer Wolcken über den Cherubim der Herrligkeit in dem Allerheiligsten erschiene: Das andere die Hütte Mosis / die Hütte Aarons / [89] und der Leviten / die wiederum dreyfach eingetheilet / als in die Merathiter / Kahathiter / und Gersoniter / und das Dritte der Zwölff Stämme / der Stamm Juda hatte den Vorzug / dann folgte Isaschar / Sebulon / Ruben / Simeon / Gad / Ephraim / Manasse / Benjamin / Dan / Asser und Naphthali. Diese brachen auf / wenn die Wolcken-Säule sich erhub / ihre Ordnung aber geschahe auf die Weise / wie die Trompete ihren Schall gab / nach dem Wort des HERRR / lagerten sie sich / und nach dem Wort des HErrn zogen sie. Woraus alle Hohen der Welt zu lernen / wie sie auch ihre Läger und Reichs-Ordnungen anzustellen haben / damit GOTT ihren Thron bestätige / unter ihnen wohne / und ihre Stände bey gutem Segen erhalte. Merckwürdig war auch dieses / nehmlich die Aufrichtung des Königlichen Priesterthums unter diesem Volcke / die Gesetze des wahren GOTTES-Diensts / als da waren die Bund-Gesetze / die Zehen Gebothe / die Kirchen-Gesetze / und Ordnungen von der Priester Speise / Kleidung / Besprengung / Opfer / und Fest-Tagen / und damit ihnen GOtt alles desto besser für Augen stellete / und sie Seiner nicht vergessen sollten / so hatten sie auch die Beschneidung / die Säume an den Kleidern / den Unterscheid der Speisen / die Gebothe über ihre Thür-Pfosten / den Erstgebohrnen / welcher GOtt muste geheiliget werden. Die Erste Geburth an Viehe / den Zehenden von Aeckern und Weinbergen / die Zeit des Sabbaths / den neu Monden / die Fest-Tage / das Erlaß- und Jubel-Jahr. Das vornehmste aber / daß GOTT seine Wohnung unter ihnen hatte / und diese war anfangs die Hütte des Stiffts / welche in der Wüsten innerhalb sieben Monaten verfertiget wurde / dieselbe knnte man nachdem das Volck sich gelagert / oder aufgebrochen / bald zerlegen / bald wiederum aufrichten. Worauf denn zur Zeit Salomonis auch in sieben Jahren der herrliche Tempel zu Jerusalem erbauet wurde. Ihre weltliche Rechte aber / ohne welche eine Stadt / oder Commun nicht bestehen kan / und mit denen die Gerechtigkeit am meisten grünet / waren die rechten Grundseulen eines Reichs / und des gemeinen Besens / durch welche / wann die recht gehalten werden / auch ein jedes Reich bestehen kan / wiewohl etliche deroselben also beschaffen / daß die Israeliten angehen / als de Divortio, & suscitando fratri semine, &c. (18. Ascades A. M. 2429. Incendium Phaëthontis.) Ascades oder Ascatades gab seinem Vater an Tapfferkeit nichts nach / vermehrete die Monarchie / und unterwarff sich ihm gantz Syrien. In diesem Jahre hat sich in AEthiopiâ und Italien von der allzu grossen Hitze der Sonnen eine grosse Feuersbrunst eräuget / welche Phaëthon, als ein berühmter Astronomus / und des Himmels-Lauffs Erfahrener zuvor (Ovid. l. ???. c. 1.) geweissaget hatte. Die Poeten dichten / daß Phaëthon der Sonnen oder des Phoebi und der Clymene Sohn gewesen / und als ihm einsmahls von dem Aegyptischen Könige Epapho aufgerückt / als wäre er zwar des Phoebi Sohn / iedoch aus einer unrechtmässigen Ehe erzeuget / hätte er sich nebenst seiner Mutter zu dem Phoebo begeben / und von ihme begehret / daß wenn er sein rechter Sohn / Er ihm einer Bitte gewähren sollte / und als Phoebus in sein Begehren gewilliget / und er ihn um den Sonnen-Wagen auf einen Tag darauf an dem Himmel herum zu fahren angesprochen / und er solches nach langem Bitten erhalten / hätte Phaëthon sich hiernächst auf den Wagen gesetzet / wäre aber weil ihm die himmlische Strasse nicht bekannt gewesen / dem Sieben-Gestirne zu nahe gefahren / die Erde / und das Meer an [90] gezündet / und darüber von Jupiter aus Zorn mit seinen feurigen Strahlen erschossen worden. Die Erklärung aber dieser Fabel ist diese: Es hat sich / wie gedacht / dazumahl eine überaus grosse Dürre / Truckenheit und Hitze eräugnet / welche den gantzen Sommer über bis mitten im Herbst gewähret / auf welche ein hefftiges Donner-Wetter mit vielen Blitzen erfolget / daß dahero die Fabel entstanden / als hätte Phaëthon der Sonnen Wagen nicht recht zu führen gewust / und hätte ihn um des willen Jupiter mit Donner erschlagen / gestalt man dann auch dieses andeuten wollen / daß man offtermahls über wichtige Dinge und Verrichtungen unerfahrne Leute setzete / wodurch nicht allein dieselben sich in das gröste Unglücke stürtzeten / sondern es auch denen Jenigen selbsten / so sie darzu befördert / zum grösten Nachtheile gereichte. Die Reue ist zu spat / wenn das Unglück vor der Thüre: Es ist besser / eine vorsichtige Furchtsamkeit / als eine tollkühne Vermessenheit. Ein verwegener Jüngling ließ sich auf seinen Dolch dieses etzen: Ich steche ohne Unterscheid. Es trug sich aber zu / daß ihm der Dolch eines Tages entfiel / und er dadurch sich in den Fuß verletzte. Die Unbedachtsamkeit ist des Menschen eigenwilliges Unglück. Wo die Vorsichtigkeit mangelt / da spielet gemeiniglich dieses den Meister. Dort mahlte man einen krehenden Hahn auf einen Baum mit dieser Uberschrifft: Et ardet, & audet. Wer ohne vorherbedachten Rath bald anfangs mit dem Kopfe oben hinaus will / der thut gemeiniglich mehr Schaden / als er ausrichtet. (Bacchus ein Erfinder des Weins. A. M, 2438.) Damahls soll auch Dionysius Bacchus den Weinbau erfunden haben. Denn nachdem Ihn König Oeneus des Meleagri Vater in AEtolia an seinem Königlichen Hofe gar freundlich aufgenommen / und der Hirte Staphylus dem Könige eine schöne Weintraube überreichete / hat er dem Oeneo gezeiget / auf was Masse und Weise man wieder anlegen sollte; Es sind aber derselben / die dergleichen Nahmen geführet / ihrer etliche gewesen / und unter andern auch der / so von dem Jove, und der Semele gebohren / dieser hat hernacher viel Länder durchreiset / viel Völcker bezwungen / Indien bekrieget / und den allerersten Triumph auf einem Indianischen Elephanten gehalten. Von Ihm sind die Bacchae, oder Mulieres Bacchantes, die tollen und vollen Weibes bilder hergekommen / und nach seinem Nahmen genennet worden. Von Ihm schreibet man dieses: Bacchus & afflictis Requiem mortalibus affert, Crura licet durâ compede pulsa sonent: Uber dieses dichtet man von des Jovis und der Semele Sohne dem Baccho, daß er zweymahl gebohren / seine Priester und Priesterinnen wären die Bacchae, Maenades, Thyades, Triaterides, Euchyades, Mimallonides, Eleides, AEdomides, und Bassarides, und hätte eine stetswährende Jugend auf sich behalten. Die Feste so man ihnen zu Ehren hielte / hieß man Liberalia, Bacchanalia, Dionysia, und Orgia, welche aber nicht zu einer Zeit geschehen. Seine Söhne waren dem Vorgeben nach / Hymenes, Thoas, und Thyoneus. Man verehrete Ihn / als einen Gott zu Theben, welcher deswegen auch Dircaeus genennet wurde. Vel Baccho Thebas, vel Apolline Delphos insignes. (Virgilius Plinius. Herodotus.) Das jenige / was man Jhm zu Ehren opferte / war ein Ziegenbock / Esel / und Saue. Es ist aber was die Alten von dem Baccho gedichtet / daß er nehmlich von den Nymphen ernehret / und auferzogen worden sey / nicht ungereumet / indem die Nymphen in allen natürlichen Dingen die Materia sind / woraus hernach die Gestalt genommen wird. Unter Ihme verstunde [91] man auch die Art und Eigenschafft der Trunckenbolden / die uns den Wein mässig zu trincken lehren / und was für Schande und Schmach aus solcher Trunckenheit entstünde / vor Augen stellen sollten. Daß aber den Bacchum viel Teufels-Gespenste und wilde Thiere begleiteten / bedeutete / wie aus der Füllerey viel Laster / und Bubenstücken / nehmlich Verwegenheit / Unschamhafftigkeit / Trägheit / Wollust / Verschwendung der Güter / Haß / Neid / Feindschafft / und ein gantz bestialisches Leben erfolgete. (Apollinis Tempel. A. M. 2450. Cedrenus. Macrobius.) Zwölff Jahr darnach hat in der Insel Delos Erysichthon des Königes Cecrops zu Athen Sohn / den Tempel Apollinis erbauet / den man nachmahls für einen Gott / oder die Sonne selbsten hielte / und ihme unterschiedene Gewalt beymaß. Denn / wie man sagt / so ist er der Reime Urheber / das Haupt der Warsager-Kunst / ein Erfinder der Bogen und Pfeile / der Artzney / und der Harffe / gewesen. Dahero von Ihme das Sprichwort gekommen: Was hat Apollo gutes gesungen? Des Apollinis Dreyfuß soll ein güldenes Geschirr / so auf drey Füssen gestanden / gewesen seyn / welches von dem Vulcano gemacht / und dem Pelopi, als er sich verheyrathet / verehred worden. Cicero giebt vor / es wären viererley Apollines, nehmlich einer zu Athen / der andere des Corybantis Sohn in Cretâ, der dritte des Jupiters und der Latonae, und der vierdte der in Arcadien, deswegen ihn auch die Arcadier Nomion, weil er ihnen gewisse Gesetze gegeben / genennet / und hernacher wegen seiner Tyranney / und Grausamkeit aus dem Reiche verstossen / welcher zum Könige Admeto in Thessalien geflohen / und bey dem Flusse Amphryso sein Vieh gehütet hätte. Es ist aber Apollo, und Sol ein Künstler aller Sachen / welcher von dem Glantze / und Scheine den Nahmen Phaebus bekommen / indem Er wegen seines umschweiffenden Lauffs unter dem Thier-Creyse beydes das Gewächse / und alles was einen Athem hat / zeitiget / theils durch seine gleichförmige Wärme die Gesundheit zuwege bringet / theils auch wegen der übermässigen Hitze / ein und das andere schädliches Gifft / und Pestilentz erreget. (die Stadt Lacedaemon erbauet. A. M. 2464.) Hiernechst ward die Stadt Lacedaemon von dem Lacedaemone des Jupiters / und der Atlantidis, oder Taygeres Sohne arbauet. Diese war eine von denen vornehmsten Städten in Peloponnes / welche nachmahls Lycurgus mit guten Gesetzen versahe. Man nennete sie auch Sparta, so Königes Menelai Königlicher Sitz. Dieser Lycurgus war des Königes Eunomi zu Lacedaemon Bruder / welcher sich nach dessen Absterben / unwissende / daß des Eunomi Gemahlin schwanger / des Reichs unterwand / nachdem er aber dessen inne ward massete er sich nur desselben als ein Vormund an / und stellete hernach dem jungen König / Nahmens Charilao, als er erwachsen / das Reich wieder zu. Als er aber warnahm / daß die Stadt in allerhand Laster / und Wollust gerieth / versahe er sie / wie gedacht / mit heilsamen Gesetzen / und nachdem er ihnen solche / welche er auf seinen vielfältigen Reisen erlernet / vorgeschrieben / und dafür hielte / daß sie dem gemeinen Wesen sehr zuträglich und nützlich begab er sich zu dem Oraculo gen Delphis, fragte dasselbe allda um Rath / und bekam hinwieder zur Antwort / daß solche Gesetze nicht allein billich / sondern auch mehr von Göttern als Menschen erfunden / worden wären. Als er derowegen sahe / daß die Einwohner gemachsam sich an dieselben gewöhneten / und er sie gerne auf ewig bey ihnen eingeführet wissen wollte / erdachte er diesen Ranck. Er stellete sich / als hätte er noch etwas das Oraculum zu Delphis / dem gemeinen Wesen zum besten / um Rath zu fragen / und weil er solche Reise seinem Vorgeben nach / auf keinerley Weise verschieben könte / nahm er von der [92] gantzen Stadt und dem Könige einen Eydschwur / daß sie und ihre Nachkommen so lange die von ihme eingeführten Gesetze behalten / und denenselben in allen Dingen nach kommen wollten / bis er wieder zurücke gen Lacedaemon gekehret sey / welches sie auch unwissende / seines Vorhabens / treulichen zu thun versprachen. Derohalben reisete er wieder gen Delphis / fragte das Oraculum fernerweit in dieser Sache um Rath / und ersuhre von demselben so viel / daß die Lacedaemonier nichts von solchen Gesetzen entbinden möchte; Worauf er seine Reise-Gefehrten nach freundlicher Umbsahung gesegnet und von sich nach Hause gelassen / Er aber ist / damit die Lacedaemonier sich ihres Eydschwurs nicht wieder entbrächen / niemals wieder in sein Vaterland gekehret / sondern hat sich gen Cirtha gewendet / allwo er sich selbsten bald darauf umgebracht. (19. Amyntas A. M. 2467. Calvis. Chron.) Nach des Ascades Tode verwaltete Amyntas das Reich 45. Jahr / und findet man nirgends / daß er sich mit schweren Kriegen beleget / noch anderen Lastern befället. Denn die Erfahrenheit bezeuget / daß die allergröste Ehre / und Hoheit öffters die allergrösseste Unruhe / Mühe und Arbeit zuwege bringet. Ein Mensch kan sich wegen all zugrosser Mühe nicht eben so sehre beklagen / dafern ihn aber die Begierde zu grossen Ländern / zu vielen Reichthümern und andern vergänglichen Sachen anstrenget / hat ers niemand (Des Volcks Israel Beginnen. Aarons und Mosis Tod. A. M. 2492. Devter. 10. 34. c.) anders als seiner Unruhe beyzumessen; Zu des Amyntae Zeiten starb Aaron in der Wüsten: Moses schlug ans dem Felsen Wasser: Das Volck Israel verachtete das Manna / und wird mit feurigen Schlangen bestrafft: Israel schlug den König zu Hesbon / Sihon der Amoriter König / und den König zu Basan Og: Der Moabiter König Balak befahl dem Bileam, dem Volcke zu fluchen / welches sein Esel verhinderte: Ein Jahr zuvor starb die Prophetin Miriam des Mosis Schwester / und ward in der Wüsten Sinai in dem 126sten Jahre ihres Alters begraben / desgleichen auch Aaron in dem 123. Jahre / den man auf dem Gebirge Hor begrube: Endlich als Moses / ein Mann von grosser Geduld / in seinem Ambte der allergeplagteste / und GOtt der allerangenehmste / auf Göttlichen Befehl auf den Berg Nebo / auf die Spitze des Gebürges Pißga gestiegen / wird er / indem er sich mit dem Priester Eleazar / und dem Fürsten Josua der Regierung halber unterredet / unversehens mit einer Wolcken umgeben / und nachdem er verschieden / von dem HErrn in dem Thale der Moabiter (Der Held Josua führet die Kinder Israel in Canaan / und erobert Jericho. Num. 27. v. 18. A. M. 2493.) gegen dem abgöttischen Tempel über des Peors begraben / da er sein Alter auf 120. Jahr gebracht. Sein Nachfolger aber Josua der füh rete den 19. Aprilis selbigen Jahres die Kinder Israel durch den Jordan. Die erste feindliche Grentz-Stadt / welche für den Israeliten Thür und Thor zusperrete / war Jericho. Ihre Mauern sielen durch GOTTES wunderbahre Schickung durch der Trompeten Schall auf den Sabbath unverhofft darnieder: Alle Einwohner / ausgenommen Rahab mit dero Freundschafft / wurden getödtet / und dadurch denen übrigen Cananitern eine Furcht eingejaget. Es versündigten sich aber die Israeliten bey dieser Eroberung der Stadt dermassen / daß sie darüber in einen schweren Bann fielen / denn als Josua durch das Heer öffentlich ausruffen liesse / daß alles in der Stadt dem HERRN / weil Israel an diese Eroberung keine Hand angelegt / verbannet seyn sollte / so ließ sich Achan aus dem Stamm Juda einen Babylonischen Mantel 200. S???ckel Silbers / und eine güldene Zunge oder Spange 50. Seckel schwer gelüsten / und vergrub es in seine Hütte / Dannenhero sich GOTT darüber erzürnete / daß Israel für der Stadt Ai in die Flucht gejaget / und 36. Mann erschlagen wurden: Dem Helden Jo [93] sua entfiel der Muth: GOtt sagte ihm die Ursache / worauf man inquiriret; Man loset durch die 12. Stämme: Der Stamm Juda ward getroffen / in Juda Serah / in Serah das Geschlechte Sabdi / und in dem Geschlechte das Haus Achan / also daß Achan / weiln er sich an dem Geheiligten vergriffen / muste gesteiniget / und hernach verbrannt werden. Und dieses war ein eintziger Griff in das geistliche Gut / gleichwohl aber kunte Israel für seinen Feinden nicht bestehen / bis der Bann wieder von Ihm hinweggenommen: Hierauf geschahe das erste Treffen der Israeliter mit den fünff Königen / darunter Adoni - Beseck der König zu Jerusalem der Vornehmste war / bey währendem Streite rieff Josua zum HERRR / daß die Sonne stehen bliebe / die fünf Könige wurden gefangen / ihre Hälse zertretten / und biß auf den Abend an die Bäume gehencket: Und dieses that Josua nicht aus Hochmuth / noch Tyrannischer Grausamkeit / sondern weil GOTT sie und ihre Unterthanen verbannet und verfluchet hatte. (Joseph. lib 5. c. 8.) Die andere Schlacht geschahe an dem Wasser Meron / da die übrigen Könige der Cananiter ein Heer wie Sand am Meer / nehmlich dreyhundert tausend zu Fuße / zehen tausend zu Pferde / und zwantzig tausend Wägen auf den Beinen hatten / welche Josua auf GOttes Geheiß schluge / daß keiner entrunne / alle ihre Städte dergestalt einnahme / daß er diese / so auf dem flachen Felde lagen / einäscherte / damit sich die Cananiter nicht wieder einschleiffeten / die anderen aber auf den Bergen / so die Natur befestiget / (stirbt.) ausgenommen die Königliche Residentz-Stadt Asor mit wenigen besetzet: Nachdem er nun das Land Canaan mit Ruhe und Friede besasse / und das Ende seines Lebens vermerckte / thate er an das Volck Israel eine ansehnliche und bewegliche Rede / starb in dem 25. Jahre seines auf sich gehabten Ambts / und in dem 110. seines Alters / im Jahre der Welt 2518. Von seinem bis auf den Tod Athniels zehlet die Schrifft 40. Jahr / der Jüdische Geschicht-Schreiber Josephus aber hält dafür / daß es ein Interregnum gewesen / daß nehmlich die Vornehmsten dem gemeinen Wesen mit allgemeinem Rathe vorgestanden / bis Athinel zum Richtergesetzet / welches im Jahre der Welt 2536. geschehen. (Die erste J. sraelitische Dienst barkeit. A. M. 2539.) Nach dem Tode Josuoe / und der Aeltesten / die alle des HERRR Wunder gesehen hatten / begunten die Nachkommen auf den Irrweg zu treten / indem sie sich die übrigen verbanneten Völcker zinßbar macheten / sie um das Geld duldeten / und also ihnen zum Häupten wachsen liessen / sich wider des Höchsten Verboth daß sie den heiligen Saamen nicht gemein machen sollten / mit selbigen Völckern verehelichten / den falschen Göttern Astaroth / Baalim / und anderen mehr dieneten / worüber sich auch des HERRR Zorn ergrimmete / daß er sie unter die hand Cusan Risathaim dem Könige in Syrien / und Mesopotamien verkauffte / und acht Jahr dienstbahr machte / biß sie zum HErrn schrien / und Er ihnen den Helden Athniel / welchen der Geist des HERRR anzog / daß er ihn überwand / und Israel frey machte / erweckt hatte. (20. Belochus II. A. M. 2503. Calvisius.) König Belochus der Andere verwaltete diese Monarchie 25. Jahr / und heisset allhier / die allerbeste Regierung ist die / wenn man sich milde in Wercken / und karch in Worten bezieget: Plus faire, que dire: Jener mahlete / eine Crone / welche auf der Erden lag / und schrieb dieses: Wer dich kennet / der lässet dich liegen: Viel Länder und Königreiche liegen offtermahls an einerley tödtlichen Kranckheit darnieder / die eintzige Artzney aber ist / die ihnen wieder aufhilfft / daß man sie mit allerhand Anlagen und [94] Beschwerungen nicht übertreibet / sondern gemachsam wieder zu Kräfften (Es ist ein Grosses / sein Geschlechte durch die Nachkom̅en bey einem Regimente mit Ruhm und Ehren erhalten.) kommen lässet. Nicht ein geringes ist / wenn man erkennet / ehe man den Schaden empfähet / was gut / oder böse ist. Ein unbefugter Krieg hat viel Gefahr auf sich / da gegentheils ein geruhiges Leben / ein ehrliches Gemüthe / und ein guter Verstand zugleich auch ein gutes Gedächtnüs erhält / und bey denen Nachkommen sein Geschlechte erweitert. Wo in einem Regimente eine Gleichheit gehalten wird / da giebt es eine langsame Veränderung. Keine Gleichheit noch Billigkeit richtet Unruhe an / da hingegen bey dem Königreiche woselbst es ungleich / Tyrannisch und leichtfertig zugehet / sich alle Unruhe / Ausstand / und Unbeständigkeit findet. Alle Veränderungen in Regiments-Sachen ziehen unfehlbar eine Unordnung in Policey-Sachen nach sich / und wo man die Gesetze ändert / da erfolget nichts als Untergang. Dahero ist es unmöglich / daß das Königreich / bey welchem man die Unterthanen mit Gewalt und Grausamkeit drücket / und nicht vielmehr mit Freundlichkeit / Gutthaten / Mildigkeit / und Sanfftmuth ansiehet / in die Ferneb estehen kan. Ein Regente soll einig und allein dahin trachten / wie er dem gemeinen Wesen mit Nutzen wol dienen möge. Daß Einer von einem Königlichen Stamme gebohren / das geschiehet durch das Glücke / und hänget dergleichen Regiment öffters nur an einem subtilen Faden / aber ein solcher König zu seyn / der die Wohlfahrt / und die Glück seeligkeit seiner Unterthanen für den eintzigen Zweck seines Aufnehmens hält / das rühret von Ihme / und seiner selbst eigenen Tugend her. Virtute decet non sanguine niti: Man soll nicht so wohl auf sein hohes Geschlecht als seine eigene Tugend sehen. (Claudianus de IV. Cons. Honor. v. 127.) Non tibi quid liceat, sed quid fecisse decebit, Occurrat, mentemq; domet respectus honesti. Soll ein Regiment wohl beschaffen seyn / so muß der / so darüber herrschet / nicht eine durchgehende Dienstbarkeit / viel weniger eine völlige Freyheit einführen. Er muß vor allen Dingen zusehen / daß er sich weder verhasst / noch verächtlich mache: Den Haß kan er von sich lehnen / wenn er seiner Unterthanen erworbenen Schweiß und Blut nicht aufsucht: Für der Verachtung aber kan er sich hüten / wenn er nehmlich Männiglichen zu verstehen giebet / wie er sich dißfalls weder verführen / noch betrügen / sondern vielmehr in Rathschlägen verständig / und in Vollziehung wichtiger Sachen beständig sey. Bey den vier Elementen / sagt man / bestehe alles / und (Antonius Perez.) vergleichten sich nicht ungeschickt / dem weltlichen Regiment. Die Erde wäre der Pöbel / welche alle Last ertrüge / und alles unterhielte: Das Wasser der geistliche Stand / der uns von Lastern zu reinigen pflegte; Die Lufft das Gerichte / und der Richter / welche alle Boßheit vertriebe / die Erde von aller Büberey reinigte / und durch Tugend erfrischte: Das Feuer aber ein Regente / welcher seine Nahrung von denen andern allen haben und suchen müste. (Europa wird entführet. A. M. 2506. Eusebius.) Damahls / wie man schreibet / soll Jupiter sich mit der Europa der Phoenice Tochter vermischet / und dieselbe hernach den Könige Astero in Cretâ zum Gemahl bekommen und mit ihme / den Rhadamantum, Minöen, und Sarpedonem gezeuget haben. Es ist aber Europa, wie bekannt / das Dritte Theil der Welt / welches innerhalb dem hohen Meere / und dem Meere / so auf das Mittel-Erdreich sich einher um gantz Italien / und Griechenland ziehet / begriffen / so den Nahmen von der ietztgedachten Europa des Phoeni cischen Königes Agenoris Tochter / welche Jupiter, wie die Poe [95] ten dichten / in einen Stier verwandelt / und mit sich durch das Meer in Cretâ geführet / bekommen hat. Der berührte Rhadamantus wurde hernach / wie man saget / König in Lycien / alldieweil er aber seinen Unterthanen gantz zu strenge fiel / und das Recht und die Gerechtigkeit durch Zwang herfürsuchte / so dichten die Poeten / daß er nach seinem Absterben in der Hölle eines jeden in der Welt / begangene Thaten durchsuchte / desgleichen war auch Minos, König zu Creta / und schriebe denen Einwohnern daselbsten gewisse Gesetze vor. Dahero man auch nach seinem Tode auf die Gedancken kam / daß er wegen seiner auf dem Erdboden verübten Gerechtigkeit nunmehro in der Hölle zum Richter der Seelen verordnet. Sarpedon soll gleicher Gestalt König in Lycien / und ein geübter Mann in Waffen gewesen seyn / welcher den Trojanern wider die Griechen beygestanden / und viel (Die Stadt Thasus erbauet. A. M. 25522. Euripides. Herodorus lib. 2.) andere herrliche Siege mehr verübet haben / bis er endlich von dem Patroclo umgebracht. Damahls ward auch die Stadt Thasus von dem Thaso erbauet / welcher des Cadmi Reise-Gefehrte / als er seine Schwester die Europam suchte / gewesen ist. Nach des Vatern Tode herrschete Bellopares 30. Jahr / und letzlich mit Ihme seine Tochter die Actosa an Zunahmen Semiramis sieben Jahr. (21. Bellopares. A. M. 2528. Euseb. Calvis. Alles ist vergänglich.) Gleichwie aber eine Sache / wenn sie zum höchsten gestiegen / gemeiniglich wieder herunter fällt: Also seynd auch damahls viel herrliche Thaten / viel unvergleichliche Siege / und allerhand ersinnliche Pracht / welche alle durch die Ferne der Zeit in den Staub der Vergessenheit geschrieben / begangen worden. Die hell-strahlende Sonne kreucht hinter den Bergen herfür / und steiget so hoch / als sie kan / wenn sie sich aber nach dem Untergange neiget / so spühret man nichts mehr von ihrem Lauffe. Also gehet es auch mit allen Geschöpffen der Erden / die Vier Winde der Welt vergleichen sich nicht uneben mit der Welt Eitelkeit / welche gehling dahin streichen / und keine Spuhr nach sich lassen: Alles was in der Welt ist / führet den Nahmen Nichts in sich. Denn alle Freude / Wollust / Pracht / Herrlichkeit / Siege / und Triumphe bestehen in einer Kürtze / und diese alle sind endlich Nichts: Splendor Orbis est Coronatum nihil. Aller Welt Stand Pracht und Freud / ist nur eine Flüchtigkeit. Jener mahlete ein Kind mit einem herumbtreibenden Reiffen / und schrieb darunter: Omnia Vanitas. Alles ist eitel. Die Zeit fliehet / und deroselben Flucht muß man sich bey Zeiten zu Nutze machen. Sie ist kurtz / wenn sie recht gebraucht / und lang gnug / wenn sie recht gemisbrauchet wird. Die Welt ist nichts anders als eine falsche Müntze / damit Einer den andern betreuget / und ein Gefässe voller sündlichen Eitelkeiten / wodurch man in den Schlaff des ewigen Todes geräth. Und gleichwie keinem grossen Herrn wahl anstehet / wenn er sich an dem Poppen-Spielen erlustiget / und darbey das / was des gemeinen Landes-Wohlfarth anbetrifft / hintenansetzet: Also soll auch ein solcher seine Vergnügung nicht zu sehre in der weltlichen Lust suchen. Denn wenn Jedweder Mensch betrachtet / daß die Ewigkeit an einem Augenblicke dieses Lebens hanget / so wird er gewißlichen sich von der Eitelkeit der Welt nicht blenden lassen. (Idaei Dactyli. A. M. 2532.) Zur Zeit seiner Regierung waren die also genannten Idaei Dactyli beruffen. Denn nachdem einsmahls der Berg Ida sich vermittelst des Feuer. [96] so gar entzündet / daß auch das Eisen davon weich worden und geschmoltzen / so haben dahero dieselben Einwohner allda die Art Eisen zu schmeltzen gelernet. Diese hielte man auch für die Corybanten, von welchen man saget / daß sie Jupiter erzogen / und ihnen gnugsamen Unterhalt geschafft / und damit ihre Kinder nicht müssig giengen / erdachten sie eine Art vom Spiele / nehmlich diese: Man legte ihnen kleine eherne Schilde an / daß sie Schritt für Schritt aufeinander gehen / und gleichsam nach dem Dactylo, weswegen auch sie Dactyli genennet worden / streiten und kämpffen / welches (Alle Laster entstehen aus dem Müssiggange.) einen ziemlichen Klang und Gethöse von sich gab. Woraus man siehet / daß auch die Alten den Müssiggang gehasset / und bey Zeiten ihre Kinder davon abhalten wollen. Wer nichts thut / der thut jederzeit böses. Denn man soll so wohl wegen des Müssiggangs / als der Geschäffte Rede und Antwort geben / gestalt denn Einer / der diese unterlässt / so straffbar / als der andere / welcher böses thut / und nach nichts rechtschaffen strebet. Es ist besser sich unter der Arbeit beugen / als bey dem Müssiggange aufrichten / alldieweil jenes gute / dieser aber böse Gedancken verursachet. Und gleichwie ein Uhrwerck / wenn es nicht aufgezogen / verdirbet / also auch ein Mensch der nichts thut / noch vor die Hand nimmet / und ob gleich einer / der der Faulheit nachhänget / dem Andern das Seinige mit Gewalt nicht entziehet / so hinter gehet er doch das allgemeine Vaterland in diesem Stücke / daß er an Statt der Dienste / welche er demselben leisten sollte / ihme einen trägen und verdrossenen Leib darstellet; Dahero bleibet es darbey / wer die Seinigen nicht von Jugend auf zu etwas Guten hält / und sie nicht bey Zeiten von dem Müssiggange abziehet / der lernet sie entweder stehlen / oder verursachet / daß sie sonst endlich eines armseligen / verächtlichen und unnatürlichen Todes sterben müssen. (Cad nen und Sida erdanet. A. M. 2544. Eusebius. Plutarchus. Athniel nim̅t die Stadt Debir ein. A. M. 2587. Josua c, 15.) Dasselbige mahl fieng man das Thebanische Schloß Cadmen, und Paphylia die Stadt Sida, von der Side des Danai Tochter / welche den Orion geheyrathet / zu bauen an. Als Athniel der Sohn Kenas des Bruders Caleb die Stadt Debiram, oder wie man sie vor Alters Kiriath-Sepher geheissen / welche zeithero des Enacks Söhne die Riesen Enack / Sesoi / Ahinam / und Thalmai besessen / erobert / bekam er nicht allein von Caleb / versprochener Massen / seine Tochter die Achsa zur Ehe / sondern empfieng auch von Ihme eine ansehnliche Mitgifft beydes an Gebirgen und Gefilden. Von dieser Zeit an rechnet man 80. Jahr / bis auf den Tod des Richters Ehud. (22. Lamprides. A. M. 2558. Cadmus, wer er gewesen. Ovid. in Metamorphos. de Cadmo. Die Poeten bringen ihre Sachen verblühmt vor.) Lamprides regierete 32. Jahr / und sind seine Thaten gleich falls mit Ihm verstorben. Damahls kahm Cadmus des Königes in Phoenicien Sohn / so hiebevorn zu Sidon regierte / Griechenland / bauete die gewaltige Stadt Thebe, und wiese den Griechen / wie sie lesen / und schreiben sollten. Als er aber von dem Zetho, und Amphione des Reichs verstossen / und Er in Illyrien flohe / sollen Ihn und sein Weib die Götter aus Erbarmnüs in Schlangen verwandelt haben. Die Poeten dichten dieses von ihme / nachdem Jupiter sich in des Königes Agenoris Tochter / und des Cadmi Schwester die Europa verliebet / und sie unter der Gestalt eines Ochsens entführet / habe gedachter Agenor dem Cadmo befohlen / nicht wieder heimzukommen / er habe denn seine Schwester gefunden. Phoebus giebt ihm den Rath die Stadt Theben zu bauen / und da er mit solchem Bau begriffen / wischet ein grosser Drache herfür / und erwürget alle seine Gesellen / biß Cadmus darzu kömmt / und denselben erlegt / hiernechst rathet ihm die Göttin Pallas, daß er des Drachens Zähne säen sollte / da solches geschehen / wuchsen aus [97] solchem lauter gewapnete Männer / welche sich untereinander mit ihren Waffen selbst aufrieben. Von dieser / der Europa, wird nichts anders verstanden / als die Welt in ihrer Eitelkeit: Die Pallas als eine Göttin der Weißheit und des Krieges ist eine Anzeigung / daß man auch im Kriege gelehrte und erfahrne Leute nöthig: Die Zäne des Drachens lehren die unmenschlichen Thaten der Soldaten / wie man sich gleich rasenden Hunden aufreibet / da dann weder Erbarmen noch Mittleiden / da gilt es gleich / ob das Armuth geschunden / oder gefressen / ob der Krieg recht oder unrecht / ob es durch List / oder mit Gewalt geschehe / wenn man nur beuten / rauben / stehlen und dem armen Mann alles vom Leibe hinwegreissen kan. (Die 2. Israelitische Dienstbarkeit. A M. 2573. Judic. 3.) Die Israelitische andere Dienstbarkeit geschahe unter dem Moabitischen Könige Eglon, dem sie 18. Jahr unterthänig seyn musten / bis Ehud der Sohn Gera dem Könige / im Nahmen der Israeliter / Geschencke brachte / ihn hinterlistig erstach / und hierauf der Moabiter an die zehentausend Mann erlegete. (23. Sosares A. M. 2590. Calvis. Jud. 3. c.) Nach des Lamprides Tode ward Assyrischer und Babylonischer König Sosares, welcher 20. Jahr dem Reiche vorstund. Bey Lebzeiten seiner erschlug Samgar mit einem Ochsenstecken 600. Philister / erledigte dadurch die Israeliten von ihren Feinden / und Debora und Barak hegten damals das Gerichte in Israel 40. Jahr. Diese beyde zogen wider ihren Feind den Sisseram des Königes der Moabiter Feldhauptmann aus / trieben ihn zur Flucht / und schlug demselben die Jaël, Hebers des Keniters Weib / einen Nagel durch das Haupt. (Ludi Isthmici. A. M. 2509. Eusebius.) Zur selbigen Zeit stellete Glaucus, ein Sohn des Sisyphi, und Vatter des Bellerophontis, in dem ersten Jahre des Argivischen Königes Protei, zu Ehren des Melicertes, der Ino und des Athamantis zu Theben Sohne die Ludos Isthmicos an. Dieses ist eben derselbe Glaucus, welcher / nachdem er seine Pferde mit nichts anders / als Menschenfleisch speisete / nachmahls selbst von ihne̅ solle seyn gefressen worden. Dahero das Sprichwort (Plutarchus.) entstunde: Glaucus alter ab Eqvis devoratus est. Diese Isthmia wurden unter die vier heiligen Kämpfe gerechnet / welche in dem fünfften Jahre in Griechenland / zu Ehren des Neptuni, von dem Theseo für die Hand genommen wurden / und waren solche vier Kämpfe folgenden Personen zum Gedächtnüsse angeordnet: Quatuor in Graecis Certamina, quatuor illa Sacra: Duo Superis, sunt duo Sacra Viris. Suntq; Jovis, Phaebiq;, Palaemonis, Archemoriq; Praemia sunt Olea, Pinea, Mala, Apium. (Sisyphus.) Von des Glauci Zatter dem Sisypho giebet man aus / als ob er des AEoli Sohn / ein Strassen-Räuber auff der Insel Isthmo gewesen / welcher mit seinen Gästen / wenn sie zu Ihm gekommen / sehr unbarmherzig umgegangen / etliche derselben gesteiniget / Etliche aber rückling in die See gestossen. Weßwegen er nachmahls von dem Theseo soll getödtet / und Ihm von den höllischen Göttern dieses zur Straffe / daß er nämlichen einen grossen Stein daselbsten ohne Unterlaß Berg-an weltzen / und im wieder herabfallen von neuen hinauf schleppen müssen / auferlegt worden seyn. (Ovid. lib. 3. Metam.) Dahero der Poet dises von Ihm schreibet: Aut petis, aut urges rediturum Sisyphe Saxum. (Bellerophon.) Bellerophon war / wie gedacht / des Glauci, Königes in Ephyra Sohn / welcher sich aller Keuschheit und Tugend beflisse. Und als diesem eines Tages die Schenubaea des Proethidis, Königes zu Archiv, Gemahlin Un [98] zucht / und Ehebruch zumuthete / und er ihr solches aus Furcht der Götter Straffe abschlug / erbitterte sie sich dermassen über Ihn / daß sie ihn bey ihrem Gemahl anklagte / als ob er demselben nach dem Leben stünde. Proethides fertigte ihn mit Brieffen an seinen Schwäher den Jobatem in Lycien ab / Jobates aber / nachdem er die Brieffe / und das / was man ihn beschuldigt / gelesen / schickte ihn wider die Solymer, so Völcker in Asien / und der Lycier feindliche Nachtbaren waren / damit er unter dem Vorwand einer denckwürdigen Schlacht daselbsten aufgerieben würde. Es überwand aber Bellerophon nicht allein dieselben mit leichter Mühe / sondern er kam auch bey allen anderen gefährlichen Kriegen iederzeit als ein Sieger und Uberwinder wieder zurücke. Und als man Ihm letztlich das Wunderthier (Das Wunder-Thier Chimaera.) Chimaera, so am Kopfe als ein Löwe / am Leibe als ein Bock / und am Schwantze / als eine Schlange / oder Drache aussahe / zu tödten auftrug / überwand er dasselbe mit Hülffe des Neptuni, und des geflügelten Pferdes Pegasi. Dahero man von beyden dieses schreibet: Bellerophon, ut fortis Eques superare Chimaeram, & Lycii potuit sternere monstra soli, Sic tu Pegaseis vectus petis aethera pennis, Consilio??? Animi Monstra superba domas. Daß nämlich durch weisen Raht / und Tugend man diese Chimaera, das ist / alle hoffärtigen Monstra, Laster / und andere Untugenden zu tilgen / und auszurotten pflege. Uber diese Tugend nun des Bellerophontis verwunderte sich König Jobates nicht wenig / und weil Er an Ihm verspührete / daß man Ihn zur Ungebühr beschuldiget / gab er demselben seine andere Tochter mit einem guten Theil Landes zur Ehe / mit welcher er dann hernacher den Isandrum, Hippolochum, und die Laodamam gebohren / da aber dieses die Schenubaea vernahm / brachte sie sich selbsten um das Leben. (Die Landschafft Achaja wird bewohnet / und die Stadt Sicyon erbauet. A. M. 2601.) Zehen Jahr darauf fieng Achaeus des Xuthi Sohn denselben Theil oder Landschafft in Peloponnes zu bewohnen an / welchen man folgends Achaja genennet. Ebener Gestalt ward auch damals Sicyon von der Sicyoner Könige / dem neunzehenden in der Ordnung / welcher dasselbe Königreich 40. Jahr regierete / erbauet / und die Einwohner deßwegen Sicyoni geheissen. Achaja ist eben dieselbe Griechische Landschafft / oder Insel / welche das Aegaeische und Jonische Meer umbfasset / und heutiges Tages man Morea, darinnen die Hauptstadt Corinth gelegen ist / nennet. Von den Achivern ist das Sprichwort entstanden: (Horatius.) Quicquid delirant Reges, plectuntur Achivi. Wenn Könige und Potentaten mit einander rauffen / das ist / gegen einander Krieg führen / da müssen die Unterthanen die Haare darzu hergeben. Die itztgedachte Stadt Sicyon in Achaja, hatte zu seiner Zeit die berühmtesten Werckmeister / welche mit allerhand Arbeit von Metallen / und anderen künstlichen Sachen umzugehen wusten. (24. Lampares. A. M. 2610.) Auf ihn kam Lampares, oder Lamprides, so 30. Jahr regierete. Niemahls wird man finden / daß die Bestien untereinander eine über sie zu herrschen verstatten / wen̅ es nicht die anderen an Stärke un̅ Gewalt übertrifft / wir Menschen aber erdulden offtermahls einen ungeschickten Regenten / und lassen geschehen / daß er herrsche / wie es sein Verstand mit sich bringet (Bonfini??? in rebus Hungar. Decad. 3. lib. 2.) / wohin denn auch der Ungarische Palatinus Nicolaus Gara zielete / wenn er unter andern von eines Königes Eigenschafften sagete: Wie man nämlich einen gekröneten König / wenn er auch gleich denen Bestien zu ver [99] gleichen wäre / an Ihm Hand zu legen / noch zu verletzen nicht besugt. Wenn ein Regente oder grosser Herr sein Ansehen auf gewisse Art und (Eines Regenten Beschaffenheit.) Weise erhält / der wird desto mehr gefürchtet / und geehret. Denn es stehet demselben wohl an / wenn er beredt ist / von guter Aussprache / im Vorbringen nicht weitläufftig / hoffärtig noch aufgeblasen: Den Ernst mit der Gelindigkeit vermische: Jederman gerne höre / in Widerwärtigkeit nicht verzage / die Furcht beyseite setze / in allen Fällen tapfer sich erweise / die Menschlichen Fehler und Gebrechen weißlich verhöhle / den Dienern ihr Ansehen einschräncke / die Unterthanen nicht zu sehr beschwehre / die Auflagen / so viel möglich / einziehe / und sich also verhalte / daß Männiglich auf Ihn ein Aufsehen. Keiner von denen Israelitischen Königen hatte eine so grosse Authorität / als König David / und sein Sohn Salomon: Der Eine erlangte Sie durch die Erfahrenheit des Krieges / der Andere aber durch die Kunst des Friedens. (Aristoteles.) Jener Weise sagte: Daß nur die in hohen Ehren gehalten werden / welche wegen ihrer Tugend für anderen sich herfür thun. Woraus (Boterus.) zu schliessen / daß die Reputation eines grossen Herrn nirgend anders herrühre / als von solcher Tugend / die hoch- und vortrefflich / von Andern abgesondert / und weit höher und besser / als des Pöbels ihre ist. Weßwegen Jener sagt: --- Tentanda via est, qvâ me qvo??? possim tollere humo, victor???ue virum volitare per Ora. Durch nichts kan sich der Mensch mehr / als durch sich selbst / durch die Schärffe seines Verstandes / und durch die Tapserkeit seines Herzens empor heben / Die Materia / wodurch sich ein grosser Herr bey dem Volcke ansehnlich macht / ist / wenn Er seine eigene Einkünffte vermehret / und die Unterthanen auch davon ihren Nutzen und Gewinn zu gewarten haben / Zu solchem hilfft uns der Friede / und der Krieg: Durch den Friede werden die Unterthanen bey guter Ruhe erhalten / durch den Krieg aber die Feinde untergedruckt / deßwegen ward auch Orpheus, Minos, Rhadamanthus, Amphion, und ein und der ander zu ihren Zeiten so hoch geschätzet / daß sie nach ihrem Tode von ihren Unterthanen für Götter geachtet wurden: Sylvestres Homines, Sacer Interpres???ue Deorum Coedibus, & victu foedo deterruit Orpheus, Dictus ob hoc lenire tigres, rapidosq; Leones, Dictus & Amphion Thebanae Conditor Arcis. &c. (Virgilius.) Der Poet bildet die Vorsichtigkeit eines Potentaten unter der Gestalt eines Römers mit diesem ab: Tu regere Imperio Populos, Romane, memento (hae tibi erunt Artes) Pacis??? imponere Morem: Parcere Subjectis, & debellare Superbos. Gleichwie aber Land und Leute entweder durch die Thorheit / Tyranney / Unbarmherzigkeit / Trägheit / oder anderen ungeziehmenden Lüsten eines Königes / oder Fürsten gemeiniglich zu Grunde gehet: Also werden hingegen dieselben durch dessen Weißheit / Gerechtigkeit / Mässigkeit / Mannheit / und Tapferkeit bey ihrem Aufnehmen erhalten / beschützet und gehandhabet. Denn beydes die Weißheit / und Vorsichtigkeit / die Gerechtigkeit und Mässigkeit / gehören zum Friede / und dann auch zum Kriege / die Tapferkeit aber wird mehr zu diesem / als Jenem erfordert: Zu dieser Zeit / als Ehud der Benjamite über das Volck Israel re [100] gierte / (Benjamitische Krieg. A. M. 2610. Judic. 20.) / und Richter war / entstund der Benjamiter Krieg / in welchem anfangs der Israeliter 22000. erschlagen / un̅ weil dieselben den Allerhöchsten nicht allerdings um den Sieg anfleheten / fielen der noch achtzehen tausend durch das Schwerd / bis letztlich sich das Blat wendete / und der Benjamiter an die fünff und zwanzig tausend auf einmahl erleget / und der ganze Stamm Benjamin fast gar ausgerottet wurde. (Janus der erste Italiänische König. A. M. 2625. Diodorus.) In dem Jahre soll Janus der Erste König in Italien den Anfang seines Reichs gemacht / und sechzehen Jahr regieret haben. Die Alten mahlten ihn mit zweyen Angesichtern / wodurch sie seine Weißheit und Geschicklichkeit zu erkennen gaben / alldieweil er sowohl das Gegenwärtige beobachtet / als das Künfftige überleget. Dieser hat / wie man davor hält / den Saturnum, welcher von seinem Sohne dem Jupiter aus der Insel Cretâ verjagt worden / und mit etlichen der Seinigen zur See in Italien kommen / gar freundlich aufgenommen / Ihm einen Theil des Reichs / weil Er selbigenden Feld-Bau gelehret / abgetretten / und also beyde miteinander einträchtig regieret / auch die umbligenden Oerther mit gesammter Hand erbauet haben. Nach seinem Tode (Macrobius lib. 1. c. 7.) richtete Numa Pompilius Ihm zu Ehren einen Tempel auf / welcher der Erste in Italien gewesen seyn soll / hernach so lange als die Römer Krieg führeten / offen stund / bey Friedens-Zeiten aber hinwieder zugemachet wurde. Man hält dafür / es wären derselben Tempel dreye gewesen / als der erste zur Zeit des itztbesagten Numae Pompilii, der Andere nach dem Punischen Kriege / und der Dritte / nach dem Achischen Kriege / welchen Keyser Augustus erbauen lassen. (Ruth kömmet in Judaea. A. M. 2629. Ruth. cap 1. & 4.) Vier Jahr hernach / kehrete die Moabitin Ruth / mit ihrer Schwiegerin der Naemi in Judaea / als der edle Boas / der Sohn Salma hundert und zwanzig Jahr alt war / und in solchem Alter die Ruth zum Weibe erkiesete / mit der er nachmahls den Obedum des Davids Großvatter erzeuget. Es war aber diese die Dritte ausländische Weibes-Persohn / welche unter die Genealogi, oder Geschlechts-Register des HERRN CHRISTI gerechnet wurden. Der Ruth Armuth war ihr Aufnehmen: Denen Dürfftigen hilffet auch ein Weniges: Des Boas Acker / muste ihr eine Handvoll Aehren / die Scheune eine Schoß voll Korn / und der Gesinde Tranck ihr Labsal seyn / bis sie gar zur Regentin seines Hauses gesetzt seyn muste. Die den grösten Seegen von GOTT geniessen / sollen auch danckbar seyn. Boas war reich / und darbey aber Gottsfürchtig / fromm / wohlthätig und freygebig. Der grosse Hauß-HERR dieser Welt zeiget und dadurch / wie seln Auge in allen Winckeln die Schätze seiner Gnaden austheile. Die Ruth lehret uns mit ihrer Tugend / daß die Tugend eine edle Gabe sey / und wo Sie in einem reinen Hertzen wohne / viel höher / als alles das / was mitten in dem Bauche der Erden verborgen liege / zu schätzen sey. Denn alle Reichthümer dieser Welt / sind so werth nicht / als ein tugendsames / und verständiges Weib / worüber sich auch Boas / nachdem Er die Ruth zum Weibe nahm / also erfreuet / als wann er erst anfieng reich zu werden. (Ludi Olympici. A. M. 2634. Eusebius.) Pelops deß Tantali Sohn / stellete hier zu Ehren des Jovis Olympii das also genannte Olympische Schertz- und Freuden-Spiel an / welches hernacher Atreus des Pelops / und Hippodamiae Sohn / (Perseus. A. M. 2637.) zugleich mit dem Hercule verneuerte. Nachdem Perseus des Köni [101] ges Acrisii zu Argiv Enkel unversehens seinen Großvatter getödtet / und also das Argivische Reich / welches von dem Inacho anzurechnen / an die fünff hundert vier und vierzig Jahr gestanden / solcher Gestalt durch denselben aufgehöret / hat gedachter Perseus das Mycenische Reich aufgerichtet / und daselbst mit seinem Sohne / als er ihn zum Könige erklähret / acht Jahr regieret. (25. Pannias. A. M. 2640.) Dieser Pannias oder Pangas, beherrschte gleicher Gestalt das Reich fünff und dreissig Jahr / ohne daß man weiß / was Einer und der Ander von diesen Monarchen ritterliches oder ruhmwürdiges begangen / also / daß es mit jenem Könige wohl recht heisset: O wie eitel sind doch die Gedancken der Menschen? welche nach der Hoheit dieser Welt streben / (Das Ende weiset uns / wie wir hätten leben sollen.) die nichts begehren als Reichthum / Pracht / und hohen Stand? O wie glückselig ist der Stand der Armen / und wie sicher ist das Leben der jenigen / welche ihr Brod von ihrer Arbeit essen. Was hilfft ihnen nun ihr Reich? was ihre Unterthanen / und was der Dienst so vieler Menschen / Was haben Sie vor Nutzen darvon gehabt? vielerley Gefahr / vielerley Ungemach / und vielerley vergebliche Sorgen / also / daß es zuweilen besser / man hätte sich einer Sense / als eines Scepters bedienet. Denn / wenn wir auf dem Todt-Bette liegen / so werden wir erst gewahr / wie vergänglich / wie irdisch / und wie geringschätzig wir Menschen / wenn wir gleich noch so von hohen Stamme sind / von der Welt gehalten werden. Denn unser Leben ist voller Unruhe / Furcht / Hoffnung / und endlich beschleust der Tod / sowohl bey dem der in Purpur bekleidet / als dem jenigen / welcher der allergeringste auf Erden ist. Optimus (Cicero.) ergò est Portus Poenitenti, Mutatio Consilij, Darumb ist das beste bey Zeiten das Unvergängliche zu suchen. (Israelitisch Oritte Dienstbarkeit. A. M. 2648.) Nachdem die Israeliter hundert und funffzig Jahr in dem Lande Canaan gewohnet / und unter dem Richter Ehud eines erwündschten Friedens genossen / vergassen sie ein wachendes Auge auf die Cananiter zu haben / Dannenhero trieb Sie der Cananiter König Jabin dermassen ein / (Judie. 6.) daß Sie zwanzig Jahr unter dem Cananitischen Joche leben müssen / biß sie GOTT wieder errettete / und deß Königs Feld-Hauptmann Sissera, (Josephus.) den der König wider die Israeliter mit dreyhundert tausend zu Fuß / und zehentausend zu Roß ausschickete / biß auf das Haupt erlegte. Bey welchem Kriege dann zweyer tapferen Weibes-Bilder gedacht wird / nehmlich der Debora, so eine Prophetin und Richterin in Israel war / welche Persönlich wider die Feinde zu Felde zog / nnd der edlen Jael, so aus des Mosis Nachkommen / welche / als der Sissera von seinem Wagen sprunge / und flüchtig wurde / ihm aus ihrer Hütten verstellter Weise freundlich zuruffte / denselben im Hause verbarg / und da er verdeckt saß / ihm einen Nagel durch den Schlaff schluge / also daß diese beyde den Preis des Sieges davon trugen. (26. Sosarmus. A. M. 2675.) Sosarmus der sechs und zwanzigste Monarche hatte die Gewalt über das Babylonische Reich acht und dreissig Jahr. Hier möchte man nun sagen / daß diese Monarchen alle die Glück seligsten in der Welt gewesen / indem sie nicht allein so viel Königreiche und Länder beherrschet / so viel Gewalt gehabt / so viel Reichthum besessen / so viel herrliche Kriege geführet / so viel Triumphe und Sieges-Zeichen aufgesteckt / und so viel Ergetzlichkeit in der Welt empfunden / sondern auch viel Jahr lang dasselbe alles mit höchster Vergnügsamkeit genossen: Allein der weise Heyde Seneca weiset uns das Gegenspiel / und daß die Glückseligkeit ei [102] (Des Menschen Glückseligkeit / worinnen sie bestehe.) nes Menschen in der Welt nicht in grossen Reichthume / Pracht / Ehre und Hoheit / sondern in dem / daß er nichts begehre / und mit dem / was er hat / zu frieden lebe / bestehe / denn er saget: Nicht der jenige / den man dafür hält / dessen Kasten nämlich voll Gold und Silber seynd / sondern der Jenige / welcher alle seine Güter in dem Gemüthe hat / der standhafftig und aufrichtig ist / der alle Hoheiten / und Verwunderungen dieser Welt verachtet / der / welcher niemand siehet / mit dem er seinen Zustand verwechseln wollte / der keinen in Ehren hat / als nach dem besten Theile seiner selbst / den niemand meistert / als die Natur / nach deren Gesetzen er sich richtet / deme weder durch Macht / noch Gewalt seine Güter entführet werden mögen / Der sein Unglück im Glücke kan verwechseln / und der es für einerley achtet / es gehe ihm böse / oder übel: Nam qvi cadit, stat erectus, ast erectus, ille mox cadit. Denn es ist der Welt Lauff / wer da fället / der richtet sich wiederum auf / und wer da meinet / er stehe feste / der fället unverhofft. (Israelitische 4te Dienstbarkeit. A. M. 2687. Judic. 7.) Als damahls die Midianiter mit 130000. Mann der Israeliter Land überfielen / und Israel sieben Jahre unter ihre Dierstbarkeit hatten / befahl GOTT dem Helden Gideon mit 300. Mann die Midianiter zu schlagen / und da seine Kriegs-Leute die Posaune bliesen / die Krüge zerbrachen / und die Lampen oder Fackeln in die Höhe reckten / wurde der Feind darüber so hefftig erschrocken / daß sie einander selbst verwundeten / und derselben bey hundert und zwanzig tausend auf der Wahlstatt blieben: Gideon verfolgte den Sieg / erschlug jenseit des Jordans noch 15000. / und wurden die gefangenen Könige geschlachtet / nach erhaltenen Siege aber / bewieß Gideon ein Stücke seiner Klugheit. Denn als die Hochtrabenden Ephraiter es ihme / warum er sie nicht zum Streit beruffen / im Zorn verwiesen / stillete er sie durch seine sanfftmüthige Rede / und gab dadurch allen hohen Häuptern zu erkennen / daß man an der Sanfftmuth die Weißheit / und an dem Zorne die Thorheit des Menschen abnehmen solle / (27. Mitraeus. A. M. 2713.) Mitraeus herrschete 27. Jahr. Und gleichwie die anderen Orientalischen Könige im Kriege und anderen Dingen sich viel zu schaffen machten: Also wird auch dieser sonder Zweiffel nicht stille gesessen haben / Und obwohl der Mensch gleich alles besitzet / so hat er doch in seinem Begehren keine Masse / und kan ihm nichts / auch die ganze Welt nicht genug seyn. Denn weil die Natur einmahl aus dem Schrancken der Vollkommenheit geschritten / so giebt es keine Vollkommenheit mehr / sondern die Menschlichen Affecten suchen stets das gesetzte Ziel zu überschreiten. Gleichwie es aber weit besser / wenn Einer bey gesunden Tagen auf einem engen Bette schläfft / als der Jenige / welcher bey eräugneter Kranckheit auf einem gemachsamen und erhobenen liegt: Also ist der fröliche Arme viel glücklicher / als der bekümmerte Reiche. (28. Tautanes. A. M. 2740.) Tautanes, oder Tautamus sein Nachfolger führete dieselbe königliche Gewalt 29. Jahr. Die Feindschafft / sagt Aristoteles, bleibt gegen Dieselben / welche sich nicht weiter regen / stille stehen. Denn es kan ein Mensch gegen dem andern gar leichtlich in einen Unwillen fallen / Wenn aber der / welchemes gelten soll / keine Ursache darzu giebet / und weder Oel / noch Holtz / darzu trägt / so verleschet das Feuer von sich selbst: Also kan es auch allhier seyn / da Niemand sich wider diesen Monarchen entböhren / noch er auch hierzu Anleitung geben wollen. (Trojanischer Krieg A. M. 2755. Pausan.) Nebenst andern merck würdigen Begebenheiten eräugnete sich auch zur Zeit dieses Monarchens Regierung der Trojanische Krieg in Phrygien einer Provinz in Griechenland. Denn als Telamon König zu Sala [103] mis dem Könige Priamo zu Troja seine Schwester entführet / und sie an Statt seiner Concubin gebrauchte / fertigte Priamus Gesandten zu dem Telamon ab / mit dem Begehren / Sie entweder zu heyrathen / oder ihm wieder zu überliefern / nachdem aber die Gesandten eine abschlägige un̅ spöttische Antwort zurücke brachten / und sich Priamus in eine gute Kriegsverfassung stellete / schickete er damit seinen Sohn den Alexander Paris, die Griechen entweder mit Gewalt oder hinterwerts zu überfallen / in Griechenland / worauf derselbe listiger Weise deß Königes Menelai zu Sparta Gemahlin die Helena entführte / und sie zur Gemahlin nahm. Dannenhero die Griechischen Fürsten sich in dem folgenden Jahre zusammen betagten / wegen des Trojanischen Krieges berathschlagten und deß andern Jahres darauf denselben zu Wercke setzten. Da dann nach zehenjähriger Belägerung / durch des Fürsten Antenors und AEneae Verrätherey und Betrug die Stadt Troja erobert / Die Helena dem Menelao wieder zugestellet / und wie man schreibert / und wer es glauben will / an die funffzehen hundert tausend Menschen auf beyden Seiten geblieben seyn sollen / Die vornehmsten Griechischen Fürsten waren König Agamemnon zu Mycen, als Feldherr / Menelaus König zu Sparta / Nestor König zu Achaja, Fürst Palamedes, Ulysses, Diomedes, Ajax, Telamonius, Ajax Locrenus, Achilles und Patrocluc, Der Trojaner aber König Priamus, seine Söhne Prinz Hector, Paris und Deiphobus, Memnon, Telephus, Helenus, und andere mehr: Also siehet man / wie aus einem kleinen Füncklein eine grosse Feuers-Brunst / und aus einer geringen Sachen ein grosses Unheil entstehen kan / Der Krieg ist ein Auszug alles Ubels / allwo man die herrlichsten Städte und Flecken verwüstet / die Länder verheeret / und das unschuldige dahinreisset / ja es hat sich in demselben niemand / wann er den Harnisch angeleget / etwas besonderen zu rühmen / es sey denn / daß er solchen wieder abgeleget / und die gantze Haut darvon bracht. Wer einen Appetit dergleichen Geschichte zu lesen begehret / dem wird Ovidius, Virgilius, Homerus, Dictis Cretensis, Dares Phrygius, Comtus Smyrnaeus, und Laurentius Rhodomannus hiervon theils glaubwürdige / theils lügenhaffte Händel weitläufftiger beybringen. (Israelitische 5te Dienstbarkeit A. M. 2761.) Wer der guten Tage zu viel hat / der dencket selten an die Bösen. Es hatten nunmehro die Kinder Israel eine geraume Zeit für ihren Feinden Ruhe / alldieweiln sie aber dieselben nicht erkenneten / von der wahren Religion abfielen / und ihrer Vorfahren Sünden mit neuen Lastern häusseten / (Judic. 10.) so gab sie GOTT in der Ammoniter Hände / von welchen Sie 18. Jahr grausamer Weise gaplaget wurden. Denn der König der Ammoniter überwältigte das Erbtheil der Israeliter jenseit des Jordans / welches die Rubeniter / Gadditer / und der halbe Stamm Manasse besassen / und vermeinete / daß die Israeliter vorzeiten / als sie in das Land Canaan gezogen / solches als sein Land zu sich gerissen: Jephta der Israelitische Feld-Hauptmann ließ ihn anfangs durch seine Abgesandten gütlichen davon abmahnen / und legte demselben nochmahls / ehe er zu den Waffen grieff / drey Puncta für / nähmlich / daß (1) die Israeliter das jenige Land / so sie besässen / nicht den Ammonitern noch Moabitern / sondern dem Könige Sihon der Amoriter, der mit Heeres-Krafft / da Sie einen Durchzug begehret / auf sie gezogen / abgewonnen / und dasselbe anietzo durch das Recht der Waffen inne hätten. Zu dem / so hätte (2) der Gott Israel ihnen das Land gegeben / daferne nun der Ammoniter König mei [104] nete / das Land / welches er regierete / hätte sein Abgott Chamos ihm zugetheilet / so wollten auch die Israeliter das Land behalten / welches denenselben ihr GOtt zugeleget. Denn GOTT theilte die Länder aus / wem / wie / und wo er wollte. Allermassen denn (3) schon eine verjährte Zeite / indem die Israeliter nunmehro 300. Jahr zu Hesbon gewohnet / und habe (Jephta erlöset Israel / kömmt aber darüber zu kurtz. Judic. 11.) der Moabiter Balak niemahls die Waffen wider sie entblösset. Diese Entschuldigungen aber halffen wenig / von Worten kam es zu Schlägen / der Geist deß HERRN rüstete den Jephta aus / daß Er mit den Ammonitern schluge / Ihnen 20. Städte abnahm / und Israel wieder zur Freyheit brachte. Den großmüthigen Jeptha aber traff das Unglücke am meiste̅. Denn es hatte derselbe aus heiligen Eifer ein Gelübde gethan / daß / wo der HERR die Ammoniter glücklichen in seine Hände geben würde / wollte er / wenn er wieder zurücke kehrete / alles das jenige / das zu seiner Hausthüre ihm entgegen käme / dem HERRN zum Brand Opfer aufopfern / und es sollte demselben verbannet seyn; Da er nun wieder siegreich nach Hause kömmt / siehe / da tritt seine einzige Tochter mit Paucken und Reihen herfür: Der Vatter / als er ihrer ansichtig wird / zerreisst hierüber seinen Streit Rock / und saget: Ach / meine Tochter wie beugstu mich / wie hastu mich darnieder geschlagen / und wie unbesonnen habe ich meinen Mund gegenden HERRN aufgethan / welches ich nicht vermag zu wiederruffen / Die Tochter aber sagte zu dem Vatter / mein Vatter / habt ihr den Mund zu dem HErrn aufgethan / un̅ Ihme was gelobet: so haltet es auch demselben / nachdem er euch an euren Feinden gerochen hat. In Warheit / dieses ist eine wunderwürdige Geschicht. Ein selzamer Ritus und Gebrauch / den doch der HERR nicht zum Mißbrauche verordnet / und hier heisst es wol recht / Gelübde thun ist zuweilen gefährlich / und halten beschwerlich: Verba ligant homines, taurorum Cornua funes: Wie man den Ochsen ein Seil über die Hörner wirfft: Also verwickeln wir uns offters in unsere eigene Worte / Das Edle Bild muste unschuldig in den Tod gehen / nicht eben / wie das Schlacht-Vieh / weil Menschen-Blut nicht zum Altar gehörete / sondern auf eine andere Weise / wie eben die Schrifft ausdrücklich nicht meldet. (29. Teuteus. A. M. 2769.) Teuteus succedirte dem Teutanes oder Teutamo, welcher 24. Jahr / oder wie etliche wollen 40. Jahr regierte. Was er denckwürdiges gethan / weiß man so eigentlich nicht / ohne daß er König Priamo, wie Diodorus Siculus vorgiebet / wider seine Feinde Hülffe geschicket. Allhier ist zu mercken / daß die Chronologi in Ausrechnung der Assyrischen Königenicht miteinander übereinstimmen. Denn es haben Josephus, Eusebius, Scaliger, und Calvisius, die vier Monarchen / nämlich Arabel so Anno Mundi 2793. Chalaos der A. M. 2827. Anabas so An. M. 2851. und Babias, welcher An. M. 2872. zur Regierung gekommen wären / mit unter diese gerechnet / welche doch von denen anderen Historicis ausgelassen werden. (A. M. 2779. Jephta wird Fürst in Gilead. Judic. 11.) Zu dieses Zeiten wurde Jephta / weil er ein Huren-Kind / von seinen Brüdern aus dem väterlichen Hause verstossen / und verächtlich gehalten. Alldieweil er aber in dem Lande Tob sich zum Kriege tapfer und geschickt gemacht / erwehleten ihn die Gileaditer wider die Ammoniter zu ihrem Fürsten / und Heer-Führer / welche er nicht allein überwand / und von Ihnen 20. Städte unter seine Gewalt und Bothmässigkeit brachte / sondern auch nachgehends die Ephraemiten, welche sich was bessers / als die zu (Judic. 12.) Gilead bedüncketen / demüthigte / und über sie sechs Jahr herrschete / bis [105] (A. M. 2787. Pyrrhus getödtet.) daß er starb / und an seine Statt Ebzan von Bethlehem verordnet ward. Damahls ward Pyrrhus des Priami Sohn zu Troja / welcher aus der Trojanischen Schlacht entkommen war / in deß Apollinis Tempel / worein er flohe / von dem Oreste, vermittelst deß Priesters Macarii Verrätherey getödtet. Deßgleichen erbeuete Ascanius des AEneae Sohn / so (Die Stadt Alba longa erbauet. A. M. 2799.) er mit der Creusa Königes Priami zu Troja Tochter erzeuget / die Stadt Alba longa in Latien / und richtete daselbst seinen königlichen Sitz auf. Ebener Gestalt begab sich Holesus Königs Agamemnonis Sohn welchen er aus der Briseide geboren / mit etlichen Freywilligen in Italien / woselbst (A. M. 2802.) er eine Stadt / die er nach seinem Nahmen Haliscum nennete / aufrichtete. (Theurung in Lydien. A. M. 2807. Velleij.) Dasselbige mahl fiel auch in Lydien eine grosse Theurung ein / und weil solcher Mißwachs der Früchte täglich Uberhand nahm / so loseten zweene Brüder und Könige daselbsten / Nahmens Lydus und Tyrrhenus miteinander / daß / welchen das Loß treffen würde / derselbe sollte mit einem Theile der Unterthanen sich aus dem Lande begeben / und eine neue Wohnung suchen. Das Loß fiel auf den Tyrrhenum, welcher hierauf in Italien reisete / und daselbst / welches 40. Jahr nach der Zerstörung der Stadt Troja geschahe / die jenigen Oerter / worvon das Land / die Stadt und und das Meer noch bis auf den heutigen Tag den Nahmen behalten hat / erbauet. (Israelitische 6te Dienstbarkeit A. M. 2805. Judic. 12.) Wie man GOTT ehret und gehorsam leistet / so gebahret er auch mit den Menschen: Und weil Israel nach erlangter Ruhe und Frieden wieder in Sünde fiel / übergab er sie in der Philister Hände 40. Jahr / iedoch erbarmete er sich nachmahls ihres Zustandes / und erweckte aus dem Stamm Dan den mit mehr als Riesen-Stärcke angekleideten Simson / welcher mit Leuen wie mit Böcken spielete / mit einem Esels-Kienbacken tausend Mann erschlug / in der Vestung Gaza die Thore aushub / und sie fünff Meil Weges auf einen Berg bey Hebron trug. Nachdem aber die Philister durch Hülffe seines verrätherischen Weibes der Delilae sich seiner bemächtigten / ihm die Haare abschnitten / die Augen ausstachen und denselben Sclavische Dienste thun liessen / immittelst aber ihm seine Haare wieder lang wuchsen / und er von den Philistern in ihrem Pallast kurtzweil zu treiben geholet ward / warff er die beyden Seulen des Hauses / darauf der Pallast ruhete / über den Hauffen / daß Er und Sie alle erdruckt wurden. Diese des Simsons Thaten haben auch die Heiden entlehnet. Den̅ gleichwie derselbe mit einem Esels Kinnbacken den Feind geschlagen / und den Leuen getödtet: Also hat auch Hercules mit keinem Schwerdte / sondern mit einer Keule gekämpfet / den Leuen umgebracht / und sich mit der Haut bekleidet: Hercules verrichtete bey seiner Buhlin der Omphale weibische und Sclavische Dienste. dergleichen wiederfuhr auch dem Simson in Gasa von einer Hure / und der Delila, die ihn um seine Freyheit und in bittere Dienstbarkeit brachte: Hercules beförderte freywillig seinen Tod: Simson that in diesem Stücke dergleichen / als daß die Alten des Herculis Mühe / Arbeit und Stärke des Simsons seiner verglichen. (Der Held Simson. A. M. 2830.) Als derohalben durch des Simsons Stärcke der Philister Pallast / worinne 30000. oder wie Philo gedencket / 40000. Menschen / und zwar der Vornehmsten / umgekommen / über den Hauffen gegangen / so erschracken die übrigen dermassen / daß sie Israel eine geraume Zeit unangefochten liessen. Nachdem nun solcher Gestalt Simson erdruckt / fiel die Israelitische Regierung wieder an die Aeltesten im Volcke: Und weil damahls alle schwere und wichtige Sachen an den Hohen-Priester gelangen musten / zur selbi [106] gen Zeit aber Eli Hoher-Priester war / so wurde das Richter-Ambt nicht auf Maas und Weise / daß es das Volck von seinen Feinden hätte wie Simson (Die Israelitische 7te Dienstbarkeit. A. M. 2851.) und nachgehends Samuel in Freyheit gesetzet / geführet. Denn als Eli seinen Söhnen zuviel übersahe / und sie nicht wegen ihrer verübten Buben-Stücke / und öffentlichen Aergernüsse abstraffte / gab sie abermahls der Höchste in der Philister Gewalt / bis Samuel in das Ambt tratt. Woraus zu sehen / wenn die Gabe GOttes durch die Natur könte fortgepflantzet werden / so würde es heiligen Leuten mit ihren Kindern offters so unglücklich nicht ergehen. Welcher frommer Mann würde ihm nicht lieber wündschen / daß seine Lenden vertrucknet / als daß sie von Boßheit fruchtbar seyn sollten. Nachdem aber in uns nicht die Gottseligkeit / sondern die Sünde fortgepflantzet werden kan / so ist es sich nicht zu verwundern / daß fromme Eltern böse Kinder haben: Die Gütigkeit ihrer Vorfahren / die heiligen Gebote und die Auferziehung ihrer Eltern hätte sie für denen äusersten und gröbsten Sünden erhalten sollen / aber da kunte weder die Freundschafft / noch die Geburt / noch das hohe und wichtige Priesterthum die Söhne Eli bewahren / daß / so heilig ihr Vatter war / sie nicht Kinder des Teufels wurden. Die Sache aber mit den Israelitern hielte sich also: Israel wollte wider die Philister ihrer Freyheit wegen streiten / und wurden darüber in die 4000. Mann geschlagen. Die Aeltesten meineten / die Ursach wäre / (1. Sam. 4.) weil sie nicht die Lade des Bundes / wie Josua / bey sich im Felde gehabt / und liessen dieselbe von Silo in das Lager holen / Den Philistern / als sie dieses höreten gieng der Grau an / fürchteten den Verlust ihrer Freyheit / und wusten nicht was Raths / iedoch ermahneten Sie sich / wagten das Spiel / und wurden der Israeliter 30000. erschlagen / die Lade des Bundes gewonnen die beyden Söhne Eli getödtet / und er selbst brach / als er rücklings aus dem Sessel fiel / in dem 98. Jahre seines Alters und 40. jährigen Ambte / den Hals entzwey. Wer war frölicher als die Philister / sie jubilirten / trugen die Lade ihrem Abgott Dagon vor / und meinten / daß mit derselben auch der wahre und unsterbliche Gott aufgeflogen / aber ehe sie sichs versahen / wurde sie mit Blattern an den Hintern geschlagen / ihr Land mit Ungeziefer von Mäusen belegt / und endlich froh / daß sie der Lade des HERRN / welche Sie wiederumb auf die Grentze Israels setzten / loß worden. Worauf man den Propheten Samuel zum Israelitischen Richter erklärete / welcher dermassen seinem Ambte wohl vorstunde / daß man ihm weder einziges Unrechts noch Vorthels zu beschuldigen vermochte. (Saul der erste König in Israel. A. M. 2875. lib. Sam. 1.) Nachdem aber derselbe begunte alt zu werden / setzte Er seine beyde Söhne Joël und Abia zu Richtern über das Volck / sie traten aber nicht in die Fußstapfen ihres Vatters / nahmen Geschencke / und beugten das Recht / worüber die Aeltesten im Volck unwillig wurden / hielten zu Ramath eine Versammlung / und begehrten von Samuel einen König: Samuel verweiset ihnen solches / stellet denenselben den Göttlichen Befehl für / und meldet ausdrücklichen / wie ein Esel-Treibersie mit neuen Auflagen beschweren / und was ihr künfftiger König thun werde. Als aber das Volck auf einen König drang / wurde Saul / des Kis Sohn / welcher seines Vatters Esel einen suchte / darzu erwehlet / und gesalbet: An Statt / daß Samuel seinen Mitbuhler am Regiment hätte mit scheelen Augen ansehen sollen / so liebkosete er Ihm / saget demselben aufrichtig die neue Zeitung wegen seines künfftigen Königreichs / und weiser dadurch / daß heilige Leute / wenn sie GOTT einer Bürde benehmen will / nicht unwillig werden / noch [107] Andern die Ehre / wormit der Höchste sie zu erheben gedencket / mißgönnen sollen / Denn die jenigen machen die weltliche Ehre zu einem Abgott / welche / wenn sie darzu befördert werden / auf dieselbe zu viel halten. Die Demuth blickte damahls dem Saul allenthalben aus den Augen / er hielte gegen Samuel sein Geschlechte für das geringste und kleineste in Israel / und da der Handel nach des Propheten Anstellung zur Wahl geriethe / verkroch er sich unter die Fasse / nachdem Er aber in dem Königreiche sich stärkete / etliche Kriegs-Sachen ihm glücklich ablieffen / und er seinen Thron befestigte / ward Er hochmüthig / mißgünstig / blutdürstig und gottlos. Den̅ es kunte für ihm weder Samuel, der ihn doch zum Könige gesalbet / noch David / welcher durch seine Helden-Thaten das Königreich in Ruhe erhielte / noch der Hohe-Priester und dessen Söhnebleiben / sondern er trachtete ihnen nach dem Leben. Dannenhero nicht allemahl der Anfang eine gewisse Probe eines guten Fortganges und Endes ist: Denn es hat sich offt eine demüthige Kindheit in eine unverschämte Jugend / eine strenge Aufferziehung in eine ruchlose Männlichkeit / und eine frühe Gottseligkeit in eine endliche Ruchlosigkeit verändert. Alles Volck jauchzete für Freuden / da sie vermeineten / sie hätten / was sie begehrten / und freueten sich über ihre Glückseligkeit / und ihres Königes Ehre / aber wie leichte kan man sich doch selbst in seinem Zustande verwirren / und über das erfreuen / worüber man vielmehr Ursache sich zu demüthigen / und zu betrüben hat: Was ist man seines Seegens gebessert / wenn man nicht weiß / wie man denselbigen gebrauchen solle. Der sicherste Weeg zur Freude ist die Vorbehaltung / bis man der Sachen Würdigkeit / der Probe Gewißheit / und deroselben Tüchtigkeit hat. Wie übel aber diese unzeitige Freude denen Israeliten bekommen / weiset des Sauls Mittel (David sein Nachfolger wird zum künfftigen Könige gesalbet. A. M. 2880.) und Ende. Die Hand Samuel trug nun nicht mehr den Scepter in Israel / sondern das Horn den jenigen zu salben / welcher da regieren sollte / Saul ward zu Samuel gesendet / da Er sollte gesalbet werden / nunmehro aber wird Samuel gesendet / den David zu salben / vormahls suchte Israel einen König vor sich selbsten / anitzo aber suchet GOTT einen König vor Israel / also siehet man / daß Könige von GOTT kommen. Denn wo Frömmigkeit mit der Regierung vereiniget ist / da wird beyderseits Recht und Gnade verdoppelt. Der Prophet Samuel selbst / hielte Anfangs den David für seinen Augen König zu seyn gar zu klein von Person / sein Vatter Isai aber lebete in denen Gedancken / daß er nur geschickt der Schafe zu hüten / und seine Brüder über Menschen zu herrschen tüchtig wären / Allein David als der jüngste wurde von der Heerde geholet / und durch die Wahl GOttes zum Königlichen Thron bestimmet; also macht GOtt seine Weißheit in der grösten Verachtung groß. Die Tapferkeit wird durch nichts bessers / als durch eine Probe dargethan: Es (2881.) war nicht genug / daß David Bären und Leuen tödtete / sondern er rieb sich auch an den ungeheuren Goliath / und wurde um dieser herrlichen That willen / zu des Sauls Eydam begehret; Gleichwie aber die Mißgunst in (2882.) allen Dingen blind / ausser in anderer Menschen Glückseligkeit nicht. Also füllet auch dieselbe des Sauls Brust dermassen an / daß er gegen David böses mit gutem vergolte / und ihn zweymahl spiessen wollte / dahero er auch (2883.) von der Michal zum Fenster herunter gelassen wurde / zum Könige in Aegypten (2884.) flohe / und allda eine zeitlang verbliebe: Nichts destoweniger verfolgte (2886.) Saul David / biß in die Wüsten Naon, welcher demselben zum Zeugen seiner Unschuld den Zipfel vom Rocke schnitte. Saul fuhr in sei [108] (2888.) ner Raserey fort / setzte dem David bis in die Wüsten Siph nach / und da sein Heer schlieff / ging David in geheim in sein Lager / und nahm beym Haupte seinen Spieß und Becher hinweg: Als aber letzlich Saul in einer Schlacht (2890.) von den Philistern überwunden / legete er / damit er sich nicht denen Feinden zum Triumph dargebe / selbst Hand an sich / und wurde demselben / als man Ihn unter den Todten gefunden / un̅ der Waffen entblösset / das Haupt abgeschlagen / Also pflegt gemeiniglich der Heuchler / und mißgünstigen Menschen (2893.) ihr Ende erschrecklich zu fallen. Worauf David von dem ganzen Israel zum Könige auf und angenommen wurde / und eroberte vier Jahr hernach / als er sieben Jahr und 6. Monate zu Hebron gewohnet / die Stadt Jerusalem / und legte seinen Königlichen Sitz dahin. (30. Thinaeus A. M. 2899. Calvis.) Damit wir aber wieder auf unsere Monarchen kommen / so hat Thinaeus, oder Thimaeus nach etlicher Meinung 30. nach etlicher aber vierzig Jahr die Verwaltung gehabt. Seine Thaten sind dahin / und kan man mit Bestande sagen / daß grosse Gewalt zwar den Menschen hochmühtig / iedoch sonder Nachdruck mache / und nicht eben in dem grossen Umschweisse / und Begriffe vieler Länder / Güter und Herrlichkeiten / sondern allein in den wahren Tugenden bestehe. Denn gleichwie man in einem leichten Kleide / welches einem gerecht ist / viel leichter daher gehet / Also kan der Mensch auch in seiner übermässigen Besitzung keine gewisse Ruhe finden / bis er sich selbsten kennen lernet. In der Welt begegnen einander Böses und Gutes: Das Böse findet täglich seine Beystände / das Gute aber wird allenthalbe̅ gehasset: Wegen des Ersten ist es kein Wunder / indem wir alle böse / und dahero uns / un̅ das Unserige vertreten / daß wir aber das Gute / welches wir selbst nicht zu Ende setzen / an andern tadeln / un̅ verwerffen / sind angeborne (Davids Ehebruch. A. M. 2906. Calvis.) Laster. Das Wasser / so am heissesten / gefreuert am ersten: Allhier begehet der Heiligste unter dem Volke Gottes die grösseste Thorheit. Den̅ nachdem der sonst fromme / und nach dem Herzen Gottes aufrichtige David / seinen Feld-Herrn den Joab die Ammoniter mit Strumpff und Stiele auszurotten / und ihre Städte zu erobern ausgeschicket / da bricht er inzwischen zu Hause mit der Bathseba des Uriae Weibe / die Ehe / und befahl hierauf / darmit die That nicht für ihrem Mann kom̅en möchte / denselben für die Feinde zu schicken / aufdaß er daselbsten umkäme / welches auch geschahe / also / daß David auf einmahl vor Gott für einen Ehebrecher / un̅ Todtschläger geachtet ward. Die grösten Regenten der Welt irren zuweilen am gröbesten: Die Bathseba war niemals unreiner / als nachdem sie gebadet: Die Eheliche Treue / das böse Gewissen / und das Verboth des Ehebruchs hätte ihr an Statt der Entschuldigung dienen können / alleine / ihre geschwinde Einwilligung beförderte auch ihre geschwinde Sünde: Die böse Begierde ist Anfangs nicht grösser / als das Gewebe einer Spinne / am Ende aber dicker als ein Ancker-Seil. Bathseba gieng nach begangenem Ehebruche so wol im Leibe als im Gemühte schwanger mit tausenderley Sorgen: Alle Wollust läufft gemeiniglich auf ein Schrecken hinaus; David ließ zwar den Uria aus dem Kriege hohlen / und vermeinte ihn unter einem anderen Vorwande zu seinem Weibe zu brigen / und also dieses / was er gethan / auf ihn zu legen / alldieweil aber dieses nicht angehen wollte / so muste das Schwerd den Uria um eines andern Sünde willen aufopfern. Joab war nunmehro ein offen barer Verrähter seines Freundes / des hingerichteten Uriae, und David gedachte fernerweit sein böses Gewissen mit Fortsetzung seiner angefangenen Wollüste zu verwechseln. Gott aber hatte ein anders über beyde beschlossen. Der Prophet Nathan trat auf / gab dem David ein [109] (Des Propheten Nathans Vorhaltung.) Gleichnüs von einem unbarmbertzigen Reichen / der seinem Nachbar sein eintziges Schaff mit Gewalt entwendet / und nachdem er sahe / daß derselbe über solche That eyferte / so fuhr er mit einer nachdrückenden Schärffe herfür / und sprach: Du bist der Mann / der solches Ubel für den Augen GOttes gethan: Du hast des Hethiters Weib zu dir genommen / und ihn mit dem Schwerte der Kinder Ammon erwürget: Darumb so spricht der HERR des Himmels: Ich will dir aus deinem eigenen Hause Unglück erwecken / deine Weiber für deinen Augen nehmen / und sie deinem Nechsten geben / daß er bey ihnen an der lichten Sonnen schlaffen solle. Wo keine Reue / da ist auch keine Busse; ein freywilliges Bekänntnüs aber ist eine Anzeigung einer gewissen Reue. Ich habe gesündiget / sprach David / wider den Herrn. Je hefftiger einem Kranckheit anstösset / ie geschwinder soll er nach der Artzney eilen. Das Stücke äuserer Besserung ist die Erkäntnüß der Sünde. Ihrer viel wollen lieber die abscheuliche Gestalt ihres bösen Gewissens in dem Busen behalten / als dasselbige an den Tag bringen / da sie doch / weil sie sich zu sündigen nicht gescheuet / hinwiederum ihre Sünde zu bekennen sich nicht schämen sollten. GOTT siehet auf das Hertze / und nicht auf die Weitläuffigkeit der Worte. Sobald als David bekennete / und seine Sünde bereuete / sobald sagte GOTT durch den Propheten: Dir sind deine Sünde weggenommen / und du sollt nicht sterben / (Ammon der Sohn Davids beschlafft seine Schwester die Thamar. A. M. 2911. 2. Reg. c. 13.) iedoch soll das Schwert von deinem Hause nicht weichen. Kaum war die Vergebung erfolget / daß sich nicht bald darauf eines von den gedroheten Ubeln in dem Hause Davids einstellete. Amnon der Sohn Davids war hiernechst mit unkeuscher Liebe gegen seine Schwester die Thamar entzündet / entdeckte seine Liebe dem Jonadab / nothzüchtigte sie / und stieß sie hernach mit Schimpf aus seinem Hause. David wurde nunmehro durch seines Sohnes Sünde nicht wenig gezüchtiget: An Schönheit reibet sich ein Jeder gerne / sie schadet aber zuweilen mehr / als daß sie nutz schaffet: Des Amnons Vermessenheit / und der Thamar Schönheit waren beyde ihr Fall. Fuchsschwäntzer / und Heuchler sind an grosser Herren Höfen nicht seltzam. Jonadabs Rath waren dem Amnon aufgeblasene Kohlen / die ihn in seiner Meinung stärcketen. Der gute David beredete sich selbsten / daß seines Sohnes Genesung / an der Tochter Gerichte hienge / und beförderte um so viel desto mehr den Handel. Amnon aber truge seinen Appetit nicht so wohl auf die Speise / als zu der geilen Lust. Der Thamar Entschuldigung verdoppelte seinen Vorsatz / und was Amnon nicht durch Bitten erhielte das brachte er mit Gewalt zuwege. Sobald aber die Viehischen Begierden gestillet / so war auch die Liebe hinweg. Thamar wurde gehasset / und endlich mit Gewalt aus dem Hause gestossen. Unzüchtige Begierden bleiben gemeiniglich nicht in den Schrancken der Vernunfft? Amnon liebte in einer Stunde so viel / als er hernacher die Zeit seines Lebens hassete. Die jenige / welche ihn zuvor umb Liebe willen zur Kranckheit gebracht / die mußte nun um deswillen nicht allein gehasset / sondern auch ihrer Jungferschafft verlustiget werden. Was that Thamar? Sie zureiß ihre Kleider / streuete Asche auf ihr Haubt / und betauerte ihren Fall / bis ihr Bruder Absolon sie tröstete / und in sein Haus nahm. Das Ubersehen eines Hausvaters ist zuweile̅ so schädlich als die allzugrosse Strenge: David mochte sich zwar hierüber nicht wenig muthpressen / man findet (Absolons Schaf-Scheere A. M. 2913. Calvisius.) aber nicht / daß er auf Rache oder Straffe gedacht. Zwey Jahr strichen vorbey / daß Absolon / Davids Sohn / sich gegen seinen Bruder den Amnon um seiner Schwester willen nichts Böses mercken liesse: Die Rache vergleichet sich nicht unbillich einer Gluth / so unter der Asche verborgen lie [110] get. Simuliren ist eines der ältesten Laster: Absalon ersuchte seinen Vater den David zusamt seinen Brüdern auf ein Gastmahl / zu seiner bevorstehenden Schaf-Scheere gen Baalsazor. Der sorgfältige Vater wollte seinem Sohne wegen der daraufgehenden Speesen nicht Ungelegenheit machen / und wuste nicht / daß es auf ein Trauer- und Blut-Mahl hinaus lauffen würde. Amnon meinte / seine Sünde wäre vergessen / und der auf sich geladete Haß erloschen / dahero er sich nichts Böses besorgete. In Summa die Kinder Davids genossen nunmehro bey ihrem Bruder dem Absolon das Mahl mit Freuden. Aber wie wunderlich seynd doch die Fälle / und Einbildungen der Menschen. Jene gedachten nichts / als auf Freude / dieser aber auf Mord und Rache. Denn was vermochte erschrecklicher zu seyn / als wenn Absolon in geheim zu seinen Dienern sagte: Wenn Amnon frölich von Weine seyn wird / und ich euch ein Zeichen gebe / so schlaget (Amnons Todt und Absolons Flucht. A. M. 2913.) ihn todt / und fürchtet euch nicht / alldieweil ich euch solches befohlen. Auf die Worte erfolgte die That. Die Kinder des Königes flohen aus Furcht darvon / und Absolon verbarg sich hierauf drey Jahr lang / an seines Gros-Vaters des heidnischen Königes Gesurs Hofe / David aber trug über seinen Sohn Leid. Die Zeit / sagt man / verdauet alles. Nachdem also Absolon drey Jahr aussen / schlug David in sich / und vermeinete / daß des einen Sohnes unwiederbringlicher Schade / durch des Andern Verlust nicht ersetzet werden könnte. Joab fiederte damahls die Poltzen / und das kluge Weib von Thekoa verschoß sie beym David. Es ist ein leichtes / etwas von Einem erhalten / wenn derselbige darzu selbst geneigt ist. Gehe hin / sagte David / und bringe den Knaben Absolon wieder / laß ihn aber in sein Haus gehen / und nicht für mein Gesichte kommen. Hier sollte des Davids Gnade zwar den jungen Absolon stärcken / nicht aber Ihn in seiner Boßheit verhärten. Das Hertze Davids war besänfftiget / bis auf die äuserliche Gestalt / welche unbeweglich zu seyn schiene / man kan aber auch das leidliche öffters nicht wohl vertragen. Absolon hatte nun in 2. Jahren zu Jerusalem des Königes Angesichte nicht gesehen; Darum schickte er nach seinem Vorsprecher dem Joab / nachdem aber dieser nicht zu ihm kommen wollte / ließ er selbigem ein Stücke Feld anzünden. Mit einem Desperaten, oder Verzweiselten hat man nicht viel Umstände zu machen; Absolon war nicht weniger seines Lebens / als des so langen Verzugs überdrüssig. Dahero fuhr er gegen den Joab heraus / und sagte: Warum hat man mich nicht zu Gesur gelassen? Gehe hin / und verschaffe / daß ich meines Vatern Angesicht sehe / oder da eine Missethat an mir / so tödte mich. Eltern pflegen aus Liebe gegen ihre Kinder am wenigsten Zorn uz halten. Joab erhielte bald / daß David in Absolons Begnadigung einwilligte / und ihm sein Verbrechen verziehe; Es ruhete (Absolons Meuterey und Aufstand. A. M. 2916.) aber das Schwerdt über Davids Hause noch nicht: Hoffart / sagt man / kömmt für dem Fall. Absolon war nun bey Hofe so hoch am Brete / als zuvor iemahls: Ein ieder hatte ein Auge auf ihn / und weil seine Schönheit insonderheit auch demselben bey dem gemeinen Pöfel ein Ansehen machte / so vergnügte er sich nicht an seinem Stande / sondern er fieng nach Verlauffung zweyer Jahre wider seinen Vater den David einen verdammlichen Ausstand an / und trachtete ihm nach Cron und Scepter. Der Ehrgeitz hat gemeiniglich diese Eigenschafft an sich / daß er durch seine unzeitige Begierde mehr Mißgebur [111] then / als was Vollkommenes herfürbringet. Hätte Absolon sich in den Schrancken der Bescheidenheit aufgehalten / so wäre er der Cron-Printz nach des Vatern Tode gewesen. Scheinheiligkeit sparet keinen Fleiß: Absolon war so mühsam als annehmlich Einem jeden zu willfahren / deswegen wündschte auch männiglich ihn künfftig auf dem Thron zu sehen. Eitele Menschen haben eitele Gedancken. Absolons Schönheit / verstellte Demuth / angemasste Beredtsamkeit / vorgewandte Liebe zur Gerechtigkeit / und scheinheilige Sorge für das gemeine Wesen stahl dem Volcke das Hertze ab / daß sie ihm endlich durch verbothene Wege für einen Gesalbeten aufworffen. Dieser Auffruhr ward eher nicht zu Wercke gerichtet / bis man den Schein der Gottesfurcht zur Hand nahme. Hebron muste die heilige Gelübde / oder vielmehr die Zusammenkunfft der geschwohrnen Rebellen seyn. Das scheinheilige Opfer verrichtete des Davids Rath Ahitophel / und schlug sich auf Absolons Seite. Man grieff zum Bunde. Die Stämme Israels kahmen herbey / und David kunte zu nichts anders / als zur Flucht greiffen: Wie schmertzlich muß es doch denen Eltern fallen / wenn ihre übel geartete Kinder ihnen nach Guth und Blut trachten. Absolon kam mit gewaffneter Hand gen Jerusalem / beschlieff auf Einrathen des Ahitophels Davids hinterlassene zehen Kebsweiber / hielte Kriegs-Rath / und weil es dem Ahitophel nicht nach Wundsch gienge / erhenckete er sich in seinem Hause. Woraus erhellet / daß weltliche Weißheit / wenn man sich darinne erhebet / und ihrer mißbrauchet / selten den Stich hält: Der eitelen Hertzen ihre Rathschläge giengen vielmahls besser von Statten / wenn nicht die Göttliche Allmacht sie an ihrer Boßheit verhinderte; Hier aber muste gleichsam des Absolons Wollust / und des Ahitophels Rath den göttlichen Ausspruch erfüllen / daß Davids Weiber an der lichten Sonnen beschlaffen und geschändet wurden. David vermochte nichts anders zu thun / als daß er Gewalt mit Gewalt vertriebe; Er theilete das Volck in drey Hauffen / und schickte sie gegen die aufrührischen Israeliten. Fromme Eltern haben auch mit der grösten Boßheit ihrer Kinder ein Mitleiden. Verfahret säuberlich / sagte er / mit dem Knaben Absolon umb meinetwillen. Der Streit hub sich an / das Schwerd verschlang daselbsten von den Israelitern 20000. Mann / die übrigen alle aber wurden gewahr / was die verrätherischen Waffen für einen schnöden Ausgang gewinnen. Kein Rebelle darff sich einbilden / daß es ihm wohlgehe: Was das Schwert nicht hinwegnahm / das zernichteten die wilden Thiere in den Hecken und Gebüschen. Endlich beköm̅t ein jeglicher Aufwiegler auch seinen Lohn; Eine leblose Eiche muste des Absolons Hencker / und zugleich auch sein Galgen seyn. Eine eintzige Schmach schiene für ihm zu wenig zu seyn. Die Haare / so ihm vormahls zum Schmucke dieneten / die waren anietzo seine Schande / ja es war nicht gnug / daß Er an einer Eiche hienge / sondern er muste auch dreymahl durchstochen / geschlagen / gesteiniget / und gar (Des Seba Aufruhr. A. M. 2920.) in die Grube hinunter geworffen werden. David gedachte / nunmehro nach vollbrachter Klage aller Unruhe entübriget zu seyn / GOTT aber wollte / daß das Schwerd von seinem Hause nicht eher weichen sollte / bis das Blut Urioe gerächet. Kaum war Absolons Aufstand getilget / da erhub sich ein anderer / indem der heillose Seba / der Sohn Bichri gleichfalls auch wider den David die Waffen ergrieff. David sollte nicht eben gestrafft / sondern nur gezüchtiget werden: Die Boß [112] heit ist nichts anders / als der Aussatz / welcher sich durch das Geblüthe fortpflantzet. Seba war aus dem Hause Sauls / und dieselbe Feindschafft swischen diesem und Davids Geschlechte war noch nicht erloschen. Seba ließ die Posaunen wider ihn ausblasen / und durffte zu dem versammleten Israel ungescheuet sagen: Wir haben keinen Theil an David dem Sohn Isai: Alle Verräther haben ihren besonderen Decke-Mantel. David rüstete sich wider diesen Empörer / ließ ihm durch Joab / biß in die Stadt Abel nachjagen / und ward daselbst dem Seba an Statt der aufrührischen Belohnung von seinem eigenen Volcke der Kopf abgeschlagen / und dem Joab über die Mauer herunter geworffen. Woraus zu lernen / daß zwar in einem Königreiche oder Lande gar leichtlich eine Empörung anzurichten / nicht aber so bald ohne GOttes Schickung und kluger Vorsorge zu stillen sey. (31. Dercilus. A. M. 2923. Calvis.) Nach dem Thinaeo führte die Regierung Dercilus, 22. Jahr. Ob sie löblich oder böse gewesen / ist zu wissen einerley / weil das Wesen dieser Welt sich vergleichet mit denen / die heute viel Güter / Reichthümer und Vermögen haben / des andern Tages aber nichts mehr als die Asche vor sich liegen sehen / indem des Menschen Thun und Wesen / ohne diß in nichts mehr als Unvergnügsamkeit / Wohlleben / und Unruhe bestehet. Denn solange die Seele in dem Cörper rastet / so lieget der Mensch in stetem Streite / wenn sie aber ausgefahren / alsdenn empfähet sie in dem andern Leben entweder die Belohnung des Guten / oder die Straffe (Der Gibeoniter Rach. A. M. 2924. 2. Sam. c. 21.) des Bösen. Damahls rächeten sich die Gibeoniter an des Sauls Geschlechte / hencketen desselbigen zwey hinterlassene Söhne / und fünff seiner Enckel auf. David aber verschonete des Mephiboseth des Sohns Jonathans um der Freundschafft willen / die er vor diesem mit ihme gepflogen. Drey dürre und magere Jahre giengen vorbey / ehe David sich bey dem HERRN Raths erholete: GOTT zeigte ihm nicht eben selbst die Ursache an / sondern er muste das Urim / oder das Liecht fragen. Er forschte nach der Sünde / und bekam zur Antwort / daß es um Sauls / und um seines Bluthauses willen / weil er die Eibeoniter getödtet hatte / geschähe. GOTT ist langsam in Straffen / Er züchtiget aber hernacher desto schärffer: Wenn wir unsere Sünde vorlängst vergessen / so ziehet uns GOTT erst zur Züchtigung herfür. Die Sünde der Vorfahren musten anietzo die Nachkommen bezahlen: Es war eine Wieder-Vergeltung / das Maß wormit wir andern messen / wird uns selbsten wieder zugemessen / woraus man siehet / daß / wo die Gerechtigkeit herrschet / daselbst das Gerichte nicht grausam zu nennen ist. Wie der (David lässt das Volck zehlen. A. M. 2926. 2. Sam. c. 24) Gehorsam: Also ist auch die Versorgung. GOTT schlug die Kinder Israel durch das Schwert / hernach durch Hunger / anitzo aber ist er auf der Fahrt / sie mit Pestilentz zu bestraffen. Der Regenten ihre Sünden sind Straffen eines gottlosen Volcks. Wenn GOTT auf ein Lanb erzürnet / so übergiebet er erstlich die Obrigkeit zum Bösen / und straffet hernach das Volck zugleich mit derselben: Davids Sünde war / daß er nothwendig das Volck in Israel / und Juda gezehlet wissen wollte. Daß Volck zehlen an sich selbst ist nicht böse / sonst müste es zu andern Zeite̅ auch nicht recht gewesen seyn / sondern die böse Meinung / und der Vorsatz geschahe aus Hochmuth / Mißtrauen und Vorwitz. Moses verdiente dort Danck darmit / David aber Zorn: Denn niemahls urtheilet GOTT die [113] Sünde nach ihrem äuserlichen Ansehen / sondern nach der Menschen Ihren falschen Hertzen. Und ob zwar Joab nach der Ursache wegen Zehlung des Volckes fragte / so beharrete doch David auf seinem Vorsatze. Israel und Juda ward gezehlet / und befunden sich von dem Ersten achthundertmahl tausend / und von dem Andern fünffhundertmahl tausend starck ohne die Königlichen Guardien, so man auf 24000. Mann schätzte. Zehen Monat beharrete er in solchen seinen Sünden / bisihm das Gewissen aufwachte / er seine Sünde erkennete / und aus dreyen Plagen die Pestilentz / welche innerhalb dreyen Tagen / 70000. Israeliten auffraß / erwehlete. (32. Eupales. A. M. 2945.) Eupales folgte in dem Babylonischen Reiche dem Dercilo, welcher 30. Jabr daselbst regierte. Damahls fiengen die Tyrer / welche zur See mächtig waren / in dem äusersten Bezirck des Königreichs Spanien / die Insel Sades oder Calix / welches heutiges Tages das Königreich Granat genennet (Jerobeam beköm̅t die Berheissung zum Königreich Israel. A. M. 2967. 1. Reg. c. 12.) / und von dem Oceano umbschlossen wird / zu bauen an. Desgleichen weissagete der Prophete Abias dem Jerobeam / daß er noch König in Israel werden würde. Da dieses ruchtbar / stellete ihm König Salomon nach dem Leben / er aber flohe in Aegypten zu dem Könige Sisac / und bliebe daselbst eine zeitlang. Nach des Salomons Tode / ward sein Sohn Rehabeam König in Juda / alldieweil er aber nicht der Alten / und Weisen / sondern der Jungen Räthe Rath folgete / und dem Volcke ihre Beschwerung nicht abhelffen wollte / fielen zehen Stämme von ihm ab / und erwehleten Jerobeam zu Ihrem König. Jerobeam aber richtete zwey güldene Kälber zu Dan und Bethel auf / und machte Höhen / Priester / Fest-Tage und Altare nach seinem Gefallen. Salomon hatte von 700. Weibern und 300. Kebsweibern nicht mehr als einen Sohn / und zwar von einer Ammonit in den Rehabeam erzeuget. Die Fruchtbarkeit Kinder zu haben / lieget nicht allezeit an der Gelegenheit / sondern an dem Urheber menschliches Geschlechts. Und gleichwie in der Könige und Potentaten Gewalt nicht stehet / daß sie ihnen nach Gefallen Kinder verschaffen: Also vermag auch ein Weiser nicht allemahl seinen Kindern Weißheit zu geben. Salomon war weise und verständig / gleichwohl aber kunte sein Witz und Verstanb nicht durch den Rehabeam fortgepflanzt werden. Nichts ist übeler zurechte zu bringen / als ein rasender Pöbel. Sobald als Rehabeam sich bedrohlicher Worte vernehmen liesse / sobald geschahe auch der Ausstand. Auf den Bürgerlichen / folgte der Geistliche Abfall. Nichts lag dem Jerobeam mehr im Sinn / als daß / wen̅ sein Volck gen Jerusalem zum Opfer gienge / es dadurch nicht möchte verführet / und abspänstig gemachet werden. Dahero richtete er zur vermeineten Grund-Seule seines Reichs die ietztgedachten zwey Kälber auf / und sprach zu dem Volcke: Es ist euch zuviel / wenn ihr sollet hinauf gen Jerusalem gehen. Siehe / da sind deine Götter Israel / die dich aus Egypten geführet haben. Gottlose Menschen tragen keinen Scheu / gegen GOTT verwegen zu seyn / wenn sie nur damit ihren Nutz schaffen können. Auch der Gesündeste kan von einer bösen Lufft angestecket werden. Gobald als Jerobeam die Kälber aufgerichtet / sobald lagen die Israeliten auf den Knien: Diese neue Religion war auf unterschiedene Weise vermäntelt. Er als ein neuer König muste einen neuen Gott / einen neuen Gottesdienst / neue Altäre / neue Priester / neue Opffer / und neue Fest-Täge haben: Er stund für seinem neuen Altare / hielt in der einen Hand einen Scep [114] ter / und in der andern ein Rauchsaß / aber Oder Gedult und Barmhertzigkeit GOttes! GOTT wolte denselben nicht eher schlagen / biß er ihn zuvor gewarnet: Der Prophet desselbigen muste ihm die Bottschafft bringen / wie der Altar zum Beweis dieses falschen Gottesdienstes sollte in Stücken zerrissen / und die Asche davon verschüttet werden. Die Hand / welche Jerobeam aus Zorn wider den Propheten ausstreckte / und nicht wieder zurücke zu ziehen vermochte / war der Beweis seines gethanen Unrechts: Die allertrotzigsten Gemüther werden durch unglückliche Fälle zaghafftig: Jerobeams Hochmuth vermandelte sich nun in eine Demuth: Bitte den HErrn / sagte er zu dem Propheten / daß meine Hand wieder zu mir komme. Bey eräugneter Widerwärtigkeit scheuen sich auch die Grösten nicht / bey denen Geringsten / und unansehnlichsten / ihre Zuflucht zu nehmen: An statt daß ihm der fromme Prophete seine Blut-dürstige Gedancken verwiese / so betete er für ihn zu GOTT / und ob gleich seine Hand wieder zurechte gebracht / so blieb er doch alle Wege abgöttisch / und starb / als wenn ihm GOTT in seinem Leben niemahls keinen Weg zur Busse / und Besserung hätte zeigen lassen. (33. Laosthenes. A. M. 2975.) Auf den Eupalem kam Laosthenes, welcher 18. Jahr die Königliche Regierung betreten. Bey seiner Zeit setzten die Thracier / Mysier und Geten in Asien / suchten daselbst für die Ihrigen neue Länder / und nahmen daselbst fast gantz Bythynien in klein Asien ein: Nechst diesem starb Rehabeam (Rehabeam stirbet / und sein Sohn Ubia wird König. A. M. 2985. 1. Reg. c. 14.) der König in Juda / als er 17. Jahr fast regieret hatte / und kam an seine Statt Abia sein Sohn / welcher zwar weiser und tapferer als der Vater / alldieweil er den Jerobeam in einer Schlacht überwand / Er war aber nichts desto weniger gottlos / verwegen / und nicht länger als drey Jahr König. Dieser Abia gerieth eben mit dem gesammten Juda auf seines abgöttischen Vaters Fußstapffen. Und ob zwar noch etliche recht-Gläubige in beyden Königreichen Juda und Israel waren / so durfften sie sich doch dessen nicht mercken lassen. Was für eine Veränderung muß es wohl damahls gewesen seyn: Unter Juda und Israel sollte die sichtbare Kirche seyn / welche aber mehr einer Finsternis als einem Liechte gleich zu seyn schiene. GOTT stellet sich öffters in kleinen Dingen am wunderbarsten. Der gantze Cörper des Königreichs war fast von der Abgötterey verdorret / ja Abia selbst muste seinem Sohn dem Assa durch den Todt Platz machen / damit das Liecht (Assa Abiae Sohn.) der Wahrheit wieder möchte herfürbrechen / und die traurigen Gemüther erquicket werden. Aus einem bösen Saamen kan keine Frucht entstehen / gleichwohl aber war der Saame Assa tüchtiger als seines Vatern und Groß- vatern. Wenn nicht fromme Kinder zuweilen böse Altern / und fromme Eltern gottlose Kinder hätten / würde die Tugend für natürlich / und nicht so hoch als sonsten geachtet werden. Assa gereichte es zu einem unsterblichen Ruhme / daß er unter der abgöttischen Grossemutter Maëcha auferzogen / und nichts desto weniger sich die wahre Gottseeligkeit erwehlete. Er verjagte die Hurer / schaffte seines Vatern Götzen ab / stieß die Großmutter von ihrem Götzen-Ambte / und verbrannte den Abgott Miplezeth / oder wie etliche wollen / den Priapum / und ließ ihn in den Bach Kidron werffen. Rehabeam verwandelte bey seiner Regierung das Gold in Ertz / sein Enckel Assa aber suchte das Gold wieder hervor / und bezahlte damit seine / und seines Vatern des Abioe gemachte Schulden. Assoe Hertze / stehet (1. Reg. c. 15.) dorten / war rechtschaffen für dem HERRN sein lebelang. Alle seine Thaten / nehmlich die Ausrottung der Sodomie, die Abschaffung der Götzen / und die Beschenckung des Tempels waren Tugenden / die billich der [115] Nach-Welt zum Spiegel hinterblieben / wenn nicht ein kleiner Fehler bey dem frommen Assa mit untergelauffen wäre. Die Höhen wurden nicht abgethan / sagt die Schrifft / iedoch war das Hertz Assa rechtschaffen. Menschliche Schwachheiten lauffen gemeiniglich bey Göttlichen Dingen mit unter. Und weil letzlich Assa in seinem Alter an seinen Füssen kranck / so muste er nachgehends auch gleich anderen Gewaltigen zu Grabe getragen werden / also / daß es heisset / was ist kürtzer und eitler / als das menschliche Leben / welches nichts als ein verschlossener Athem / der / so bald er hinweg / auch der Mensch dahin fället. (34. Pyrithidias. A. M. 2993. Calvis.) Pyrithidias, oder Puritiades kam an des Laosthenis Statt / regierete 14. Jahr / und findet man nichts sonderliches von ihme geschrieben. Zur selbigen Zeit war Agesilaus König zu Sparta / Bocchis König zu Corinth / welcher 35. Jahr die Königliche Verwaltung führete / und Astarinus, oder (A. M. 3003.) Asermus drey Jahr darauf König zu Tyro. Der Prophete Asaria wündschte damahls dem König Assa / als er aus dem Aethiopischen Kriege zurück kam / Glücke / und ermahnete ihn / daß er die Religion handhaben / und zu derselben aus den dreyen Stämmen Ephraim / Manasse / und Simeon / welche er wollte / (A. M. 3004.) darzu erkiesen möchte. Baesa der König in Israel zog hierauff in dem 36sten Jahre des Königreichs Assa wider Juda / besestigte die Stadt Rama / damit Er des Assoe Unterthanen Hin- und wieder-Reisen gen Jerusalem (2. Chron. 16.) verwehrete. Assa wurde hiernechst mit dem Benhadad König in Sirien einen Bund zu machen / und ihm deswegen viel Gold und Silber zuzuschicken genöthiget / zerstörete hinwieder die Stadt Rama / und bauete seine eigene Stadt von demselben Holtze und Steinen. Eben dasselbe mahl kam der Prophet Hanani / zu dem Könige Assa / und verwiese ihm erstlich / daß er sich mit dem Syrischen Könige Benhadad in ein Bundnüs eingelassen / und die menschliche der Göttlichen Hülffe vorgesetzet / der König aber entrüstete sich über ihn / daß er denselben zur gefänglichen Hafft bringen ließ. Wodurch uns zu verstehen gegeben wird / daß böse und gottlose Menschen auch ihre Verfolgungen wider die Gottesfürchtigen vor die Hand zu nehmen sich nicht scheuen. Es ist der Tyrannen Art / daß sie offtermahls nicht eben so viel Schaden / als Bosheit verüben. Wider GOTT sich lehnen / ist eine Sache / die mehr verzweiffelelt als gethan zu seyn scheinet. Eigene Gewaltthätigkeite̅ sind nicht allemahl Merckmahle seiner gerechten Sache. GOTT sahe zu / daß der Prophet eingestecket wurde; Er hatte aber auch seine Zeit / diesen zu befreyen / und jenen zu bestraffen. GOTTES Wege sind nicht irrdische. Niemand soll seine Enade nach dem äusserlichen Ansehen ermessen / Er thut das / wohin wir nicht gedencken / und was wir meinen / das lässet er unterwegen. Und dieses geschiehet uns armen Menschen gemeiniglich zum besten. Denn die Hand GOTTES gereicht allen denen zum Guten / so Ihn suchen / und seine Macht / und Zorn / denen zur Straffe / die Ihn verlassen. (35. Ophrataeus. A. M. 3007.) Auf den Pyrithidiam folgete Ophrataeus, und herrschte 21. Jahr. Von ihme ist nichts zu lesen / ohne daß kein Leben / gleichwie auch das Seinige nicht / in der Welt anzutreffen / das nicht der Kürtze der Zeit unterworffen / und unversehens wieder hinweg gerücket wird. Kein Stand (Die menschliche Ungewißheit.) ist ohne Veränderung / kein Reichthum ohne Mühe / keine Ehre ohne Gefahr / kein Glück ohne Ende / und keine Freude ohne Trübsal. Alle Dinge in der Welt gehen sobald dahin / als her: Das Glücke hält weder bey grossen Reichthume / noch der zeitlichen Ehre und Hoheit den Stich. Alles beste [116] het auf einem waltzenden Rade / vermittelst dessen man mit vollen Freuden empor / und mit Jammer und Weheklagen wieder hinab steiget. Niemand kan ohne die Tugend glückselig seyn / auch das schienbareste Glücke bestehet (Augustinus) nicht ohne dieselbige. Virtus enimin hac vitâ non est, nisi diligere, quod diligendum est; id diligere Prudentia est; nullis indè averti Molestiis, Fortitudo est; nullis illecebris, Temperantia; nullâ, Superbiâ, Justitia est. Der weise Pythagoras sagte: Wenn der Mensch wüste / was er wissen sollte / würde er in allen Dingen glückselig seyn / das ist / Er würde allem Unglücke entgehen / und alleine nur dem guten Glücke begegnen / alleine die weise Vorsehung GOTTES hat solches also für den Augen der Menschen verborgen / damit er der Klugheit nachleben / und sich (Der König Baësa in Israel stirbt / Ella kommt an seine Statt. A. M. 3013. 1. Reg. 16.) in die Enade seines Schöpffers befehlen möge. In dem sechsten Jahre des Ophrataei Regierung starb Baësa der König in Israel / und ward an seine Stelle König daselbst sein Sohn Ella. Und weil derselbe ein ungeschickter gottloser Mensch und Trunckenbold / so wurde er bald bey solchem seinem Wohlleben / und Trunckenheit wenig Monate darauf von seinem Stallmeister dem Simri getödtet. Simri masste sich hernach des Königreichs Israel an / und tilgete das gantze Haus oder Geschlechte des Baesoe aus; Nachdem aber das Volck Israel / so damahls für Eibethon lag / und die (Ella und Simri Tod.) Philister belägerte / vernahm / daß Simri sich des Königlichen Standes angemasset / einen Bund gemachet / und seinen natürlichen König den Ella erschlagen / warff es seinen Feld-Haupt-Mann den Amri zum Könige auf. Dieser verließ alsobald Eibethon / zog für die Königliche Statt Thirtza / und beschloß den Simri darinne. Da dieses Simri sahe / daß die Stadt bald möchte eingenommen werden / gieng er in seinen Königlichen Palast / und verbrannte sich mit seinem gantzen Hause. So unbeständig ist der Weg der Aufwieglerung. Und ob zwar auf allem Abfall / Empörung / und Ausstand / das gröste Erlend und Unglück erfolget / so wird doch derselbe durch die Boßheit der Menschen bis auf diese Zeit geheget. Niemahls kan ein Ausstand des gemeinen Volckes ohne Blut-vergiessen gestillet werden / und weil derselbe für nicht als ein gemeiner Todtschlag / und offenbahrer Raub / da weder das Alter / die Jugend / noch eintziges Geschlechte verschonet wird / zu achten / so wird er auch desto hefftiger von GOTT gestrafft. (36. Ophraganeus. A. M. 3028. Calvis.) Ophraganeus, von welchem so wenig / als von denen vorgehenden Monarchen etwas Ruhmwürdiges zu melden / trug die Babylonische Crone 22. Jahr. Bey welchem Stande man siehet / daß nicht gewaltige Herrschafften / nicht der Uberfluß des Reichthums / nicht die Stärcke des Leibes / nicht die Menge der besten Speisen / nicht die kostbarste Tracht / (Wer der glückseligste in der Welt.) noch andere weltliche Dinge / sondern allein die Tugend und Aufrichtigkeit des Gewissens ein geruhsames Gemüthe machen. Generalis est humano Generi Miseria triplex, si diligenter advertimus. Nam & faciles sumus ad seducendum, & debiles ad operandum; & fragiles ad resistendum. Si discernere volumus inter bonum & malum, decipimur: Si tentamus facere bonum, deficimus: Si conamur resistere malo, dejicimur. & superamur. (Josaphat König in Juda. A. M. 3030.) Nach des vorgedachten Assa Tode / ward sein Sohn Josaphat König in Juda an seine Statt / welcher von neuen Propheten / und Leviten / durch alle Städte verordnete / die die wahre Religion unverfälscht lehren musten / kam bey ausländischen Potentaten in groß Ansehen / daß sie ihm / insonderheit die Philister und Araber / Geschencke brachten / schaffte dem Lande gnug [117] samen Proviant / und machte unter den Haubtleuten eine gute Verfassung. (Der Prophet Elias.) In dem 14. Jahre des Königes Ahabs geschahe zu Zeiten des Propheten Elioe eine vierrehalb jährige theure Zeit / worinnen Elias selbsten von den Raben / die ihm Brodt und Fleisch brachten / und hernach von der Wittben zu Sarepta gespeiset wurde. Wen GOTT mit seinen Diensten begnadigen will / an dem ist nichts gelegen / ob man seine Geburth weiß / oder nicht. Aller Propheten Eltern werden hin und wieder gedacht / ohne allein dieses Elioe nicht / ausser der Orth seiner Geburth. Dieser Prophet ward von dem HERRN zu dem Könige Ahab in Israel gesendet / die Erste Worte / so er zu dem Könige redete / war ein Eyd und eine Bedrohung gegen dem Ahab / und dem Volck Israel. So wahr der HERR der GOTT Israel lebet / sprach er / es soll dieses Jahr weder Thau noch Regen kommen. Dieses waren nicht seine / sondern des Höchsten Worte. Der Mensch vermag allein das / was GOtt haben will / mit seinem Munde auszurichten / wenn nun ein solcher seine Schuldigkeit erweiset / warumb wäre dann / möchte man sagen / der Prophet von einer so wischen Verfolgung geflohen / und hätte sich nachmahls für dem Ahab an dem Bach Crith verstecket? Man soll aber wissen / daß GOTTES Weißheit unergründlich / und unsere eigene Bemühung auch offters unsere Erhaltung sey. Dem Elias mangelte es weder an Muthe noch Hertzhafftigkeit / und gleichwohl begab er sich in keine Vorsätzliche Gefahr: Der den Eliam nicht wollte durch die Engel versorgen lassen / den musten die Raben abspeisen: Diese Vorsorge dienet auch uns schwachen und verzagten Menschen / daß er auf uns müsse jederzeit / wenn wir gegen Ihm ein kindliches Vertrauen setzen / ein genaues Auge haben. Alles Korn und Getreyde war nun hinweggerafft / auch der Bach Crith vertrocknet / da sich der Prophete nach einer anderen Speisemeisterin / die doch so viel und fast weniger als er zu verzehren hatte / umbsehen muste. Die Sareptanin sollte ihn speisen / und sie ward vielmehr durch ihn wegen des Hungers beym Leben erhalten. Armuth war dieser von Geburth Heidnischen / jedoch frommen Frauen näher als Reichthum / jedoch hienge Gottes Wahl nicht an der Vernunfft des Menschen / sondern an seinem heiligen und unerforschlichen Willen. Elias der Prophet folgte dem Beruff GOttes. Er begegnete der armen Wittben / und Sie ihm unter dem Thore zu Sarepta mit ungleichen Gedancken: Sie / weil sie ein wenig Holtz aufgelesen / und ihr und ihrem Sohne noch vor ihrem Ende / ehe sie aus Hunger stürben / ein Gebackenes zu machen gesonnen / Er / der von ihr nicht allein einen Trunck Wassers / sondern auch einen Bissen Brod begehrete. Bey beyden schiene es / als ob sie der Schuch drückte. GOttes Vorsorge aber war hierinne mit in dem Spiele. Die schwach-Gläubige gieng hin / und theilte / unter der Hoffnung ein mehrers zu erlangen / einem Frembden das mit / so sie selbst nicht überflüssig hatte / sie speisete einen Unbekandten mit ihrem Vorrathe / und war erst gewärtig / was ihr und ihrem Sohne davon übrig bleiben möchte. Aber / wen GOTT regieret / der setzet auch in einen Propheten kein Mißtrauen: Das Meel im Cad ward nicht verzehret / und dem Oel-Kruge mangelte nichts. Nachdem nun also der Hunger gestillet / und die Witbe ihren Sohn von der Hungers-Noth befreyet sahe / satzte die Mutter alle ihre Hoffnung auf ihren eintzigen Sohn / er wurde aber unverhofft kranck / also / daß sie meinete / der Tod käme von [118] dem Elia her. Denn was hab ich / sprach sie / mit dir zu schaffen du Mann GOTTES? Du bist herein kommen / daß meine Missethat gedacht / und mein Sohn getödtet würde / gleich als wenn ihr Sohn nicht Hungers wegen sterben können / ob gleich Elias nicht bey ihr eingekehret. Ein unzeitiges Urthel bringet offters den grösten Verlust / hier aber ward der Prophete wegen solcher Bezüchtigung viel eyferiger zu GOTT / er betete für dastodte Kind / und erhielte durch den Glauben so viel / daß GOtt seine Stimme erhörete / und er der Mutter das jenige / was zuvor schon todt war / wieder lebendig zustellen kunte. (37. Ascrazapes. A. M. 3050.) Und letzlich Ascrazapes oder Anatyndaraxes, der ebenfalls 22. Jahr dem Babylonischen Reich vorstunde. An diesen Königen siehet man / wie niemahls in der Welt kein Mensch gewesen / an deme man nicht eintzigen Tadel gefunden / auch ist es unmöglich / daß einer entweder allen gefallen / oder / allen mißgefallen / alldieweil etliche die Laster allzusehre geliebet / Etliche aber die Tugend derselben vorgezogen / Der Unterscheid aber ist dieser / daß / gleichwie sich die Warheit für keinem Liechte scheuet / und ihre Waaren aus dem finstern Gewölbe öffentlich an Tag bringet: Also ist die Falschheit / Untugend / die Tyranney / Abgötterey / und was derselben mehr anhängig / ein Werck der Finsternüs / welche sich am liebsten in die Winckel zu verkriechen pfleget. Worbey man es warnimmet / daß die allergröste Ehre und Hoheit die gröste Unruhe und Mühe bringet. Wer kan die Sorge und Angst dieses Lebens ermessen? Daß wir vergänglich und sterblich / bedarff keines Beweises / die Erfahrung giebt es täglich / eine Thorheit aber ist es an uns Menschen / wenn wir unsere Lebens-Hoffnung weit hinaus strecken / und bald (Cicere.) darauf die Welt mit aller ihrer Pacht verlassen müssen. In vitâ enim nihil est, nisi propagatio miserrimi temporis. Endlich denn der Tod lohnet theils den Tugendhafftigen / theils den Ruchlosen / nur daß es jenen zur Freude / diesen aber zur Straffe und Schrecken gereichet. Und ob zwar nach dem jetztgedachten Ascrazapes Sardanapalus welche alle aus des Beli Geschlechte herstammeten / die Königliche Gewalt auf sich bracht: So hat man doch denselben / wegen seines bekannten / trägen / weibischen / und allerschändlichsten Gemüths und Lebens willen / nicht zu diesem des Nimrods Aufzug bringen wollen Allhier soll niemand meinen / er könne seinem Fleisch / seinen Wollüsten / und andern Begierden ein Genügen thun / und deroselben niemahls verlustiget werden: Dieser vermeinete es auch / allein er verlohr darüber sein Königreich / seine Schätze / seine schönsten Weiber / und sein üppiges Leben. Als in dem 18. oder / wie etliche wollen / in dem 33. Jahre des Königes Ascrazapes Regierung die (Der Prophet Jonas wird gen Ninive geschickt.) Stadt Ninive ein sehr gottloses und lüfternes Leben führte / schickte GOTT den Propheten Jonam dahin / daß Er ihren Untergang / wo sie nicht Busse thäten / verkündigen sollte: Jonas schlug um Furcht willen den Beruff aus / und setzte sich fünff Meilweges von Jerusalem in der Stadt Japho zu (A. M. 3072.) Schiffe / es entstund aber auf dem Meere ein grosses / und ungewöhnliches Sturm-Wetter / Die Schiff-Leute weckten den schlaffenden Jonam / und loseten / zu erfors???en / wer hieran Ursach / da denn dasselbe den Jonam betraff. Owas fü???e Liebe Gottes ist doch dieses / daß der / den wir mit Ungehorsam und Sünden hassen / gleichwohl desto emsiger die Ruhe und das Heyl unserer Seelen suchet. Als derohalden man denselben auf sein eigenes Gutachten in das Meer warff / wurde er von einem Wall [119] fische verschlungen / welcher ihn innerhalb drey Tagen mit sich auf 250. (Joseph. lib. 9. Antiq. Jud.) Meilweges herum führete. Denn er ward in dem Bauche des Fisches von Japho hinter klein Asien durch das Algeyrsche Meer / ferner durch den Hellespont in das Euxinische Meer gebracht / und daselbst wieder an (Der Stadt Ninive bedroheter Untergang. Bünding in Iriner) den Port geworffen. Nachdem sich nun Jonas hierauf an die 200. Meilweges gen Ninive gemacht / und den Göttlichen Besehl verkündigte / bekehrte sich die Stadt zu dem HERRN / und der König selbsten legte seinen Purpur und die Königliche Crone ab / hüllete einen Sack umb sich / setzte sich in die Asche / und befahl / daß weder Thier noch Menschen keine Speise geniessen sollen / so lange biß sie Busse thäten / und den Allerhöchsten umb Abwendung der bedroheten Straffe ersuchet hätten / welches auch geschahe. Letzlich starb dieser Monarche in dem 41. Jahre seines Reichs. Also beschliessen wir Menschen unser Leben / ehe wir einmahl daran gedencken / wohl aber denen / die sich selbst zu regieren wissen / die sich nicht überheben / wenn es ihnen wohl gehet / und die da leben / wie sie leben sollen. (Der letzte Blick in diese Monarchi / worinnen man gleichsam die Grundfeste̅ desselbigen zu sehen.) Dieses alles / was man voritzo von denen Babylionischen Monarchen und darbey mit sich ereigneten Begebenheiten erzehlet / ist gleichsam ein Bild oder Gemählde / daran uns die Zeit nichts mehr / als deren Nahmen / und gar ein Weniges davon überlassen / solte man aber sehen / wie sie an die 1716. Jahr in ihrer Blüthe / und Vollkommenheit gestanden / was für gute Regiments-Formen / was für weise Gesetze / deren sich die Könige sebsten bedienten / und was für herrzliche Lehren / würden wir nicht daselbsten aufzumercken haben? Man würde finden die Tugenden der Königlichen Bedienten / die Beständigkeit der Könige im Glück / und Unglücke / die unverfälschte Treue / die Beobachtung der Bündnüsse / die Register der Königlichen Intraden, die Erleichterung der Unterthanen Beschwerden nach erlangtem Friede / die Königlichen Exercitien, die Vorsichtigkeit in ihrer Regierung / die genaue Wissenschafft ihres gantzen Staats / die herrlichen Berahtschlagungen bey einheimischer und ausländischer Krieges-Gefahr / die weise Erwehlung ihrer Generals-Persohnen / und anderer vornehmsten Bedienten / die Vorsorge ihrer Macht / die wachsame Kriegs-Disciplin, die Sorgfalt zu Erhaltung ihrer Länder / die erheblichen motiven, den Feind zuweilen in Person anzugreiffen / oder dasselbe durch die Seinigen verrichten zu lassen / was für einen starcken Staat und Hoff sie geführet / mit was für Pracht und Herrlichkeit sie aufgezogen / was für köstliche Palläste / Ländereyen und Gärthen sie erbauet / und was für kostbare Panquete / Aufzüge / Schau-Spiele / und andere zum Schertz und Ernst gehörige Dinge sie angestellet / so würden Sie uns alle zu einem Wunder / zur Lehre / zur Anmahnung der Tugend / und Abhaltung der Laster dienen: Denn zu geschweigen der anderen Sachen / was für Kosten / Mühe / und Arbeit muß doch die Stadt Babylon / welche in der Schrifft öffters die schönste unter den Königreichen / die Pracht der Chaldoeer / der Hammer der Welt / und die lüsterne Königin (Babylons Grösse. Diodorus Siculus Herodotus.) genennet wird / alleine in Erbauung derselben bedurst haben. Jhr Umkreiß war 365. Stadia. Sie hatte 100. Pforten / an den Mauern / worauf 6. Wägen nebeneinander fahren kunten / sollen dreymahl hundert tausend Menschen gearbeitet / und dieselbe in Jahr und Tag zu Ende gebracht haben. Und dieses ist / was man auch unter die sieben Wunderwercke der Welt mit gerechnet. Gleichwie aber diese herrliche Stadt nicht allein mit denen vortrefflichsten Gebäuden / welche zwey / drey und viermahl übereinander gewelbet [120] gewesen / versehen. Also vermehrte auch ihr Ansehen der gewaltige Fluß Euphrat / welcher mitten durch die Stadt floß / und von beyden Seiten mit hohen Mauern eingefasset war. Uber dem Euphrat waren auf den geschlossenen Bögen und Gewölben die allerlustigsten Gärthen / fruchtbarsten Bäume / und Menge der besten Früchte zu finden / wie auch der Tempel Jovis Beli, welcher mitten in der Stadt gebauet: Uber diesem war ein ausgefüllter Thurm eines Stadii dicke und hoch / auf dem noch sieben andere Thürme in gleicher Höhe / iedoch gespitzt / stunden: Der Gang und die Stiege hierzu waren von aussen: Oben kahm man zu einer Capelle / darinnen drey Statuen, nehmlich des Jovis, der Junonis, und Opis Bildnüs 40. Schuch hoch von klarem Golde gesetzet: für der Opis stund ein güldener Stuhl / und Tisch von 40. Schuhen lang / und 12. breit / darauf zwey Königliche Trinck-Geschirr / zwey Rauchfässer / und drey Becher / alles vom klaren Golde / zun Füssen aber lagen zweene Löwen / und zwo grosse Schlangen / welcher Schmuck und Götzen-Zierrath / zugeschweigen der andern / wie man saget / in die zwölff tausend Tonnen Goldes bestanden / der denn nachmahls dem Persischen Könige Cyro, als er Babylon erobert / und die se Monarchi an die Perser gebracht / ein glücklicher Fund gewesen. Dannenhero bleibet es darbey: Sich selbsten erkennen / ist eines von den schweresten Dingen / das ist / wir sollen so leben / daß auch unser Wandel / Thun / und Vornehmen der Nach-Welt nicht thöricht / verächtlich / und lächerlich falle. Denn kein Mensch ist unruhiger / als der / welcher nach anderer Leute Haab und Gut trachtet / und wenn er solches erpresset / oder zusammen gebracht / henacher wederachtet / noch andern Menschen darmit dienet.

C. Von Riesen und dero Eigenschafften.
[arrow up]

VOn den Poeten wird gedichtet / daß / als einsmahls die Riesen den (Ovid. in Metam. lib. 5.) Himmel stürmen / und Berg auf Berg tragen wollten / die Götter ihre Arbeit zerstöret / sie hin und wieder mit Bergen bedeckt / und den Typhoeum mit Hagel erschlagen / so gar / daß auch der höllische Pluto vermeinet / als ob die Welt auf einmahl in den Abgrund der Höllen gestürtzet werden sollte. Denn es wäre besagter Typhoeus so grosses Leibes gewesen / daß ihm der Berg Pelorus die lincke / das Gebürge Pachynus die rechte Hand / der Berg AEtna das Haubt / und Lilybaeum die Schienbeine bedeckt hätten: Wodurch angezeiget / daß das Laster der Vermessenheit / und die Lästerung nichts als Straffe nach sich ziehen. Man nennet die Riesen Kinder der Erden / und wegen ihrer Stärcke Söhne des Himmels / welche alle fast aus einer unreinen Ehe / und von der Grausamkeit des Saturni erzeuget. Was aber kan Gutes aus dem Ehebruche und unrechtmässigen Beyschlaffe erfolgen? Die jenigen welche von grober Art und Sitten / pflegen sich selten zu den Tugendhafften zu halten: Diese thun was billig und recht: Jene aber jagen dem Zorn und denen Wollüsten nach / fragen nichts nach der Vernunfft / und seynd zu den Künsten so wenig geschickt / als der Esel zur Leyer. Etliche hielten sie für des Neptuni, und der Iphimediae Söhne / indem sie von grausamern / und wilden Eigenschafften / und dero überflüssige Feuchtigkeit in ihren Leibern die Sonne zu etwas Guten nicht wohl zubereitet. Die Iphymedia aber ist nichts anders als eine hartnäckigte / und in den Gemüthern eingeflochtene Begierde / welche die Vernunfft und allen guten Rath [121] verwirfft. Die Gewaltigen sollen sonsten ein Meer-Kasten der Armen seyn / so sind sie begierige Wölffe / die alles verschlucken: Jhr Auffgang beschwehret die Welt / und weil sie sich den Erdboden zu verschlingen bemühen / so muß Pluto als der gewaltige höllische Riese und Tyranne herfür / und sich ihrer bey dem höllischen Saale versichern. Nun schreibt man zwar von Menschen ungewöhnlicher Grösse / und die man vor Wunder-Geburthen gehalten / als da war König Og zu Basan / der ein Bette (Deuter. 3. v. 11.) hatte von neun Ellen lang / und vier Ellen breit: Goliaths Länge bestunde in sechs Ellen und einer Hand lang / sein Panzer wug fünffhundert Seckel Ertzt / und das Eisen an seinem Spiesse sechshundert Seckel / welches zweyhundert drey und zwanzig Pfund ohne der Rest seiner Waffen (Baptista Pius.) austrug. Des Helden Ajacis Kniescheibe vergliche sich der Grösse nach einem Teller: Zu Utica fand man am Ufer des Meers einen Menschen-Zahn / wer es glauben will / der deren Unsrigen hundert übertraff / gestalt (Cyrill. lib. 3. in Genes.) dann auch im Jahre CHRISTI 1342. die Sicilianischen Hirten in dem Berge Drepano einen grossen Mann sitzende gefunden / welcher sich mit seiner lincken Hand an einen Stock / der so groß als ein ast-Baum / gelehnet / als aber die Ery einer mit bewehrter Hand hineingedrungen / ist der Cörper als Staub und Asche zerfallen. Aus diesen allen aber folget nicht / daß gantze Länder mit dergleichen Leuten müssen (Gen. 6. v. 4.) angefüllt gewesen seyn: Die Gottlosen Nachkömmlinge deß Cains zeugeten Tyrannen, oder wie es in der Grund-Sprache lautet Nephilim, Riesen / oder Giganten, abtrünnige Mammelucken / welche von der wahren Kirche GOTTES und ihrer frommen Vätter Glauben abfielen / denen bösen und verderbten Lüsten nachhiengen / und in öffentlichen Schanden und Sünden wider GOTT lebeten. Denn gleichwie die unzüchtigen Weibes-Bilder ihre Männer von der Gottseeligkeit abhielten / und ihnen zur Unzucht Anleitung gaben: Also verderbten Sie auch ihre Kinder in Gottloser Unzucht dergestalt / daß Sie letzlich weder Glauben noch Gottesdienst mehr hatten. Die Grösse wird offters für die Grausamkeit derselben gebraucht. Goliath war zwar groß genug / allein man sahe in dem gantzen Lager der Philister keinen mehr / der Ihm gleichte. Der Riese Enack und seines gleichen waren starcke und grosse Leute / nicht aber durch gantz Canaan. Denn es werden uns / wie gedacht / durch dieselben nichts anders als der Tyrannen Vermessenheit / (Natalis Comes.) Nacht / und Gewalt vorgestellet / die Sich auf ihre Grösse / Stärke / und Vermögen verlassen / und entweder der Götter Ehre / den Gottes-Dienst oder die Götter selbst geringschätzig halten. Dannenhero auch solche hinwiederumb umb ihrer Verwegenheit / Grausamkeit / Tyranney / und andern Laster Willen / die Göttliche Rache über sich ziehen. Und weil sie als ruchlose Leute / die sich wider GOTT setzen / ihre Füsse wie Drachen-Schwäntze in einander schrencken / und die Zeit ihres Lebens nichts gutes stifften / So werden sie auch als Cyclopen, Centauri, und Giganten von dem Jupiter mit Donnner und Blitz erschlagen. Vier Riesen / meldet der Nimrodische auffzug / giengen nebenst desselben Wagen her. Die Poeten sagen nicht unrecht / daß die stoltzen und ungeheuren Riesen wären in Affen verwandelt worden / weiln die jenigen / so ein viehisches Leben führen / nichts anders sind / als ein tummes Vieh / und nur den blossen Nahmen eines Menschen haben. Dahero man auch diese unter einer Sclaverey und Dienstbarkeit mit aufgeführet. Denn gleichwie man denen Nachkommen durch eine besondere Spitzfündigkeit [122] eingepräget / daß die / so ein unordentliches und ruchloses Leben gehabt / wären in Wölffe / die Tyrannen in Raub-Vögel / die Fuchs-Schwänzer und Ehren-Schänder in Raben und Krahen / die hoffärtigen in Kraniche und Störche / die Wollüstigen in Schweine / und so fort verwandelt worden: Also hat man auch die jenigen / so sich mit den Gewaltsamsten Lastern bemackeln / unter die Riesen / Unbarmherzigen / und Tyrannen gerechnet / massen denn ein unruhiges Gemüthe nichts anders als den wilden Dornen zu vergleichen / welche / ob sie wohl Rosen tragen / dennoch ihre stachliche Spitzen mehr / als die angenehmen Blüten herfür blicken lassen. Woraus erhellet / daß man vor andern der Demüthigen / und denen Tugend Ergebenen schonen / die mit Laster / Hoffarth / und Tyranney angefüllten aber wegen ihrer Widerspenstigkeit im Zaum halten solle / darmit sie ihren vergifften Saamen nicht weiter ausstreuen / und denen Provinzien / Ländern und Köigreichen eine verderbliche Erndte ihres Untergangs verursachen mögen.

D. Von Musen und dero Bedeutungen.
[arrow up]

DIe Musen, welche die Poeten für ihre Patroninnen halten / sollen von dem Jove und der Mnemosyne, das ist / von dem Gedächtnüsse erzeuget worden seyn / Wieviel derer gewesen / findet man unterschiedene Meinungen: Etliche wollen nur zwey: Etliche drey: Etliche aber neune haben / und zwar dieser Ursache halber: (Hesiodus in Theogonia.) Es hatte die Stadt Sicyon dreyen Künstlern der drey Musen ihre Bildnüsse dergestalt zu machen verdinget / daß / welcher dieselben am besten (Gyraldus in Syntagm. de Musis.) verfertigte / sie solche in des Apollinis Tempel setzen wollten. Als nun Ein ieder seinen möglichsten Fleis beygebracht / waren Sie alle dreye beliebet / wohl bezahlet / und in den Tempel gebracht worden. (Varro.) Die jenigen / welche ihrer zwey behaupten / richten vielleicht ihr Absehen auf die Theoriam und Praxin, indem sie durch die Eine die Speculativ-Wissenschafften / und durch die Andere die Künste / welche etwas in das Werck zu richten vermögen / verstehen. Unter drey Musen rechnet man / wie Etliche wollen / Philosophiam, Rhetoricam, und Mathematicam, (Cicero lib. 3. de Natura Deorum. Mythol. Mus. e. 1.) zu welchen die Alten alle ihre Wissenschafften gezogen. Die / so ihrer viere / oder fünffe beniehmen / ziehlen nach des Linoceri Meinung / auf der Alten ihre Musicalische Instrumenta, alldieweiln sie nicht mehr als vier Thone / gestalt dann auch durch sieben / die sieben freyen Künste vorgestellet würden. Etliche aber sind der Gedancken / die Musen wären Seelen der Sphaeren, oder himmlischen Cörper / nämlich: Urania des gestirnten Himmels / Polymnia des Saturni, Terpsichore des Jupiters, Clio des Martis, Melpomene der Sonnen / Erato der Veneris, Euterpe des Mercurii, Thalia des Mondens / und mit diesen allen stimmete Calliope (Callimachi Epigr. Natalis Comes lib. VII. c. 15. p. 764.) als eine angenehme Musa überein: Jhnen werden in solgenden Versen diese Nahmen und Eigenschafften zugeleget: CAlliope reperit sapientes provida Cantus Heroum: Clio Citharam clarissima: vocem Mimorum: Euterpe tragicis laetata querelis: Melpomene dulcem Mortalibus attulit ipsa Barbiton. At suavis tibi tradita tibia fertur Terpsichore: Divûm???; Erato mox protulit Hymnos, Harmoniam cunctis???; Polymnia Cantibus addit.
|| [123]
Uranie Coeli motus, atq???ue Astra notavit: Comica vita tibi est, moresq??? Thalia reperti. Das ist: CAlliope erfindt die grossen Helden-Lieder: Draus in ihr Harffen-Spiel erreget ihre Glieder: Der Clio Mund ist hold / indem sie selbst drein singt / Euterpe Trauer-Chon die Herzen kräfftig zwingt: Melpomene bringt auf die wunderbare Leyer / so mehr als lieblich ist: Hingegen ist was freyer Terpsichoren ihr Mund / ihr Himmel-gleicher Thon beschmeichelt Ohr und Hertz / und trägt den Preiß davon: Wie in Olympus-Reich die grossen Götter singen / das hat uns Erato vermocht herab zu bringen. Die rechte Melodey der Lieder setzet auf Polymnia mit Fleiß / und schaffet sie zu Hauff: Dem schönen Himmels-Kind Uranien beliebet der kluge Himmels-Lauff / der den Verstand uns giebet: Thalia wartet ab dem Schau-Platz und dem Spiel / so nutz und lehrreich ist / und giebt dem Wercke Ziel. Wodurch die Poeten nichts anders / als die Wissenschafften / Tugenden / Erbarkeit / und den ehrlichen Nahmen / welche alle durch das Gedächtnüß erhalten / von Zeiten zu Zeiten fortgesetzet / und erlernet werden / verstehen. Wie nun die viehische Freude in Fressen und Sauffen / in Müssiggange und Wollüsten / in Schlaffen / und Buhlen / wodurch des Menschen Seele ersticket wird / beruhet / und nichts als Schmertzen / Verlust / und endlich das ewige Verderben nach sich ziehet: Also bildet uns die (Calliope.) Calliope durch ihre Poësi und beredten Mund der Tugend Lob in Wercken ab. Sie erfindet die schönsten Gesänge / und mit denenselben erfrischt Sie unser Gehirne / und bringet dadurch Götter / un Menschen zur Vergnügsamkeit. Wir würden nicht Menschen sonder Götter seyn / wann Gedächtnüß so viel als das ihrige zu behalten vermöchte: Sie treibet uns zu herrlichen Thaten / und muntert uns stets zu was guten auff. Wer bey ihr Raht suchet / dem begegnet sie mit Verstande: Wer mit Ihr umbgehet / der rühmet Ihre Sanfftmüthigkeit: (Clio.) Sie ist milde von Gaben / mässigen Lebens / aufrichtigen Wandels / gewissen Versprechens / und standhafftigen Schlusses. Ihr folget Clio, welche die Ehre für die gröste Glück-Seligkeit schätzet / so da in Erkäntnüß der Wissenschafften bestehet: Denn sie pfleget sich dergleichen keiner zu ergeben / darvon sie nicht Ehre und Ruhm zu erjagen verhoffet. Sie hält als eine kluge Musa das für Menschlichen Augen Hochgeachtete für Hinfallend / das Grosse für kleinschätzig / und das Beständigste für unbeständig / ohne allein die Erkäntnüß besagter Wissenschafften. Die Poeten geben vor / als ob Sie zweene Söhne / nämlich den Jalemum und Hymenaeum gehabt / deren Erster sich stets der traurigen Lieder / und der Ander der Lustigen beflissen / wodurch das corrupte Sprichwort: Es laufft alles auf ein Lami hinaus / entstanden und dabey angezeiget: daß denen jenigen / welche nach Ehre / Ruhm uud Wissenschafften streben / nicht allein die Frölichkeit / sondern zuweilen auch die Traurigkeit / das ist / mancher sanrer Wind der Widerwärtigkeit / unter die (Eurerpe.) Augen zu treten pflege. Der Euterpe leget man die Betrachtung geschehener Dinge und Erwegung natürlicher Eigenschafften / insonderheit die Ma [124] thesin (Plutarchus l. 9. Symp.) bey. Nichts ist Ehre / und Reichthum ohne die Weißheit / welche gantz ungewisse Güter sind. Denn diese ist das rechte Saltz / mit welchem alle Dinge / wo sie nicht anders zerfallen sollen / müssen gewürtzt werden: Sie wird nicht verspüret in Betrachtung des Bösen / sondern in löblichen (Coelius Rhodigin???9 lib, 4. ansiq. Lect.) Wercken. Viel geben vor / man könne zu keiner vollkommenen Philosophi oder Erkäntnüß der rechten und höchsten Warheit ohne Beysprung der Mathematica kommen / alldieweiln dieselbe nach verborgener Kunst mit subtilen / und hohen Dingen umbgienge / und dadurch / wer Ihr fleissig obliege / an Verstand und Sinnen geschärfft würde: Ihre Species oder Arten sey Arithmetica, Geometria, Musica, und Astrologia: Ihr Verstand würcke / daß man geistliche Sachen begreiffe / himmliche Contemplationes an sich nehme / und solche Dinge / die man mit Vernunfft fassete / gleich dem Schatten abbildete. Wie nun Clio die erste / so nach Ehren strebet; Also folget die Lust aus deme / daß man (Melpomene.) solche zu erwerben suchet. Die Welt ist nichts anders als eine Tragoedia, darinnen man böses und gutes repraesentiret: Melpomene tichtet Verse / führet die Welt durch Gesänge in einer Mummerey auf / und weiset daselbst auff verkehrter Art / wie der Unvergnügsamste der Reicheste / der Unersättlichste der Gelehrteste / der Unerträglichste der Hochmüthigste und der Einbildsamste der Geadelte sey / ja daß man den Schalck für den Verschlagensten / den Bund-Brüchtigen für den Klügsten / den Boßhafftigsten für den Tapfersten / den Tyrannen für den sträfflichsten / den Schmeichler für den Angenehmsten / und den Verschwender für den Freygebensten / halte. Der Beschluß aber hierinne ist dieser / daß ein Jeder seiner Seele wohl warnehme / das Betrügliche bey Zeiten verlasse / und den Kern der rechten Tugend suche. Kein Mensch ist sonst (Terpsichore.) mit seinem Stande zu Frieden und wirfft dahero auf den andern ein scheeles Auge / ohne allein die Terpsichore, welche sich an deme / was sie erlernet hat / vergnüget / und behält das / so sie durch Aufrichtigkeit überkommen / als ein Kleinod vor sich. Sie achtet mit denen klügsten das jenige sehr hoch / was sie viel Mühe gekostet / da hingegen die Unachtsamen das Ihrige / so sie mühsam und schwerlich erworben / schändlich verlieren. Ihr Thun und Wesen bestehet in der Music, und dem Tantze / nicht zwar / wie die Unsinnigen / sondern durch höffliche Geberden und Schritte nach dem Klange des Saitenspiels. Und gleichwie zu einem Tantze die Music gehöret: Also vollbrachten auch damals die Griechen in Delos kein Fest noch Opfer ohne Tantz: Die Brachmanni verehreten die auf- und nidergehende Sonne gleichfalls mit tantzen / und die AEgyptier, Thracier und Mohren bedienten sich desselben als heilige Ceremonien bey ihren Opfern / wodurch (Erato.) man zu verstehen gegeben / daß die Music Göttern und Menschen nicht unannehmlich falle. Erato stellet uns nicht zwar die Venus-Liebe / sondern eine solche vor / welche vielmehr mit dem Verstande als lieblichem Angesichte / als da ist Kunst und Wissenschafft könne verehret werden. Jene ist gleich einem Diebe / welche dieMenschen heimlich hinterschleicht / diese aber ein standhafftes Erbgut / und zwar ein solches / das sich weder für Ungewitter / Sturm / Wasser - Fluthen / noch Menschlicher Gewalt zu befahren. Denn in der Welt ist nichts böhers / und nichts grössers / noch würdigers als ein weiser Mann / der gleichsam über den Himmel / und das Gestirne herrschet. Mit hundert Pfund unnützen Gedancken / kan man nicht eine Unze bezahlen / Also gehet es auch mit der ungleichen Welt- [125] Liebe / die nichts als verdammliches nach sich ziehet: Und ob man gleich in den thörichten Lüsten bis an den Hals badet / so weichet doch solche schändliche Begierde / wenn man sich ihrer einmahl ergiebet / nicht ehe hinweg / bis die That beliebet / das Gewissen durchnaget / und die Seele geplaget: Da gegentheils das Gute / ob schon die darüber ausgestandene Arbeit endlich verschwindet / reichlich belohnet / nnd mit einem unsterblichen (Polymnia.) Nahmen beseeliget wird. Dahero ist auch an der Polymnia alles lobwürdiges / weil sie durch ihr Gedächtnüß alle Dinge begreifft / denen Sinnen das Gegenwärtige einprägt / und der Nachwelt das Vergangene durch kluge Erzehlung hinterlässet: Sie suchet nichts als Lob / was aber ist löblicher / als wenn der Mensch in seinem Leben auf einem beständigen Fusse bleibet / und sich aus dem Schranken seines Vorhabens nicht setzet. Denn was ein verständiger von Jugend auf gelernet / das soll er also anwenden / damit er sein Leben mit Ehren zubringe / und letzlich dem Tod mit gutem Gewissen entgegen gehe. (Urania.) Es ist nicht vergeblich / daß man der Uraniae die Wissenchafften des Gestirns / und des Himmels - Lauffs zugeschrieben / Sie aber uns die Augen unseres Hertzens auff was Höheres richte / und mit sich gen Himmel nehme: Ein Mensch kan ohne Arbeit nicht seyn / so wenig ein Vogel ohen Flügel / gleichwohl aber hat man wenig Nutzen / wenn man viel hohe Dinge weiß / und deme entfliehet / was man in diesem Leben werckstellig zu machen nöthig: Nimmermehr soll man geschäfftiger seyn / als wenn man ungeschäfftig ist / und niemahls weniger alleine / als wenn man alleine ist / das ist / unsere Gedancken sollen weniger ruhen / als der Leib / die Seele soll das Ewige / der Leib aber seiner also wahrnehmen / damit sie beyde in Zukunfft unzertrennt leben. Gleichwie nun ein gutes Lob für (Thalia.) andern herfürwächset / und grünet: Also hat man auch der Thalia einen unsterblichen Nahmenzugesellet / wodurch die jenigen / so ihr anhangen / gleichsam der Sterblichkeit entzogen / und verewiget werden / das ist / der Mensch hat von GOTT die Gaben / daß er nicht als ein unvernünfftiges Thier einherlauffe / sondern seine Sinnen zusammen fasse / und von den vergangenen Dingen auf das Künfftige also einen vernünfftigen Schluß mache / wie er nicht allein von Natur hohe Gaben verlange / sondern auch dieselbe zu seines Schöpffers Ehre gebrauche. (Krafft der Music.) Was aber die Musica an sich selbsten betrifft / so ist sie eine von den edlesten und ältesten Künsten / der Ihrer etliche einen Göttlichen Ursprung zuschreiben / und dafür achten / als ob die Welt nach ihr erschaffen / (Horatius Flaccus. Bero ildus, Cicero.) und durch eine so schöne und Musicalische Harmoni beweget werde. Nichts hat die Natur zu allen Sachen tauglicher als die Harmonische Kunst gemacht / die alles in sich begreifft. Etliche der Scribenten sind (Joseph. Antiq. lib. 7. c. 10.) der Gedancken / daß Pan die Schalmeyen / Marsyas die Pfeiffen / Archytas die Klapper / Amphion und Orpheus die Citter / und Pythagoras aus dem Schlage und daraus erschallendem Klange der Schmiede - Hämmer auf dem Amboß / deßgleichen aus ungleicher Auffziehung der Saiten / und veränderten Länge deß Rohrs oder Holtzes (Pfelilus in Synops. Music. Plinius. Polybius. Giraldus.) die Music soll erfunden haben. Etliche messen diese Kunst dem Dionysio einem Griechen: Etliche dem Diodoro einem Arcadier, und Etliche dem Mercurio bey: Etliche aber geben vor / als ob Ihr Gesang von dem Gesange der Vogel genommen: Dem sey aber / wie ihm wolle / so findet man in der Schrifft / daß Jubal der Erste gewesen / welcher auf (Genes. 4. V. 214.) den Instrumenten gespielet / und von dem die Sänger / Pfeiffer und Sai [126] ten-Spieler hergekommen wären. Gleichwie nun keine Erfindung niemahls ihr Werck in rechter Vollkommenheit fürgestellet: Also hat sonder Zweiffel auch die Music ohne sonderbare Anmuhtigkeit lange verborgen gelegen / bis sie / wie man siehet / auf den höchsten Gipfel der Vollkommenheit gestiegen. Solche aber noch desto leichter zu machen / erfand (An. Christi 1030. Cranzius.) ein Münch Nahmens Guido die Scalam Musicam, vermittelst welcher er den Thon an den Fingern zu unterscheiden lehrete / und gebrauchte sich hierzu der Syllben aus einem Gesange / darinnen Sanct Johannes angeruffen wurde: Ut qveant laxis REsonare fibris MIra gestorum FAmuli tuorum, SOlve polluti LAbii reatum, Sancte Johannes. (Kircher. Musurgia. lib. 2. c. 5.) Dergleichen Thon / so ebenfalls auf- und absteiget / soll von einem Thiere in Americâ, welches man wegen seiner Faulheit Haut nennet / und an der Grösse wie eine Katze / auch gehöret werden / indem dasselbe die Scalam ut, re, mi, vollkömmlich auf- und absteigen / also / daß es zwischen iedem Thone ein wenig an sich anhalten solle. Nebenst diesem finden sich bey (Idem lib. 5. c. 5.) der Music vier Stimmen / welche mit den vier Elementen ziemlich überein kommen: Der Discant vergleichet sich dem Feuer / welches stets die Höhe suchet / und sich an das Niedrige nicht binden lässet: Der Alt der Lufft / die aus Feuchte und Wärme bestehet: Der Tenor dem Wasser: Der Bass der Erde. Vorzeiten ward die Music in solchem Werth gehalten / daß es auch deme / der sie nicht verstund / für die gröste Schande gehalten wurde / immassen man sich derselben bey allen Zusammenkunfften bedienete. Denn (Isidorus Orig. lib. 2. c. 15.) wie man bey dem Gottes-Dienste sonderliche Gesänge hatte / welche man Hymnos nennete: Also gebrauchte man sich auch bey Hochzeiten der ((Hymenaei, Threni, Lamenta)) Hymenaeorum, bey denen Leichen-Bestattungen der Threnorum, und Lamentorum. Die Alten / absonderlich die Griechen / wenn sie dem Apollini opferten / pflegten auf Musicalische Weise zu singen / der Helden (Homerus.) ihre tapfere Thaten hinauszustreichen / und zu sagen: Es hätten die Ungelehrten keines Wegs mit der Music etwas zu schaffen / denn dieselbe wäre so anmuthig / daß sie alles mit ihrer Lieblichkeit zur Bewegung brächte. (Philostrat???9.) Sie benehme den Traurigen ihre Traurigkeit / machte die Liebhabenden verschlagen / ermunterte die Betrübten / erweckte Göttliche Andacht / schickte sich in alle Gemüther / und wäre ein beständiger Schatz. (Isidorus.) Ohne ihr wäre keine Disciplin vollkommen / und die Götter könten nicht eher / (Quintilianus lib. I. institur. Aulus Gellius.) als durch sie versöhnet werden. Die alten Römer bedienten sich bey ihren Gast-Gebothen des Saiten-Spiels / und die Griechen der Instrumental-Music, die Lacedaemonier aber führeten an Statt der Trommeln und Trompeten mit sich ihre Leyern und Cythern / die Lydier ihre Pfeiffen / die Amazones ihre Schalmeyen / und wenn die Städte in (Martianus.) Griechenland Gesetze ordneten / liessen sie Solche mit einer Leyer publiciren: Clinias Pythagoricus, wenn er am hefftigsten erzürnt / nahm seine (Horatius.) Citharra zur Hand und schluge darauf / wann man Ihn aber fragte / was er mache / gab er zur Antwort: er kühle sich abe: Man lieset / daß Amphion (Beroaldus.) die wilden Menschen zur Freundlichkeit / und Pythagoras einen rasenden Menschen durch den Gesang zur Vernunfft / die Elephanten mit
|| [ID00139]
|| [ID00140]
|| [127]
Trommeln herzugelockt / denen Wassersüchtigen mit Orgeln geholffen / und die Tauben durch den Trompeten-Schall wieder zu recht gebracht habe. Weil derohalben die Heyden ihre Götter mit ihrer Music zu versöhnen vermeinten / wie viel weniger ist es uns die Music zu treiben / gute Gesänge zu verfertigen / den Gottes-Dienst dadurch herrlicher zu machen / und die Gemüther zur Andacht zu reitzen verbotten. Bey den Begräbnüssen (An. Christi 388. Sozomenus l. 7. c. 23.) fingen die ersten Christen an zu singen: In dem Concilio zu Laodicaea verordnete man gewisse Capell- oder Sing-Meister: Die Antiochier wusten des Keysers Theodosii Zorn auff keine andere Weise zu stillen / als (Augustinus l 9. c 7. Confess.) mit geistlichen Liedern / und erlangten dadurch Gnade. Die Gewonheit zu singen / verwirfft keines weges die Christliche Kirche / und zwar darum / damit durch Belustigung der Ohren das schwache Gemüthe zu mehrerer Begierde der Gottesfurcht angestrenget werde. Wie nun der Alten ihre Music die Gemüther zu Betrachtung hoher Sachen nicht wenig aufgemuntert / die bösen und gute̅ Affecten gestillet / und die Gemühts-Verwirrung (Michael Pabst.) niedergeschlagen. Also thut und wircket auch die heutige Music das Ihrige / indem durch sie die Delphine gefangen / die Crocodile verjagt / die Camele erqvicket / die Uneinigkeit gemässiget / die Melancholey vertrieben / der Tarantulae Gifft benommen / der Zorn vermieden / die Arbeit versüsset / der Traurige frölich / und der Sorgfältige befriediget wird.

E. Von der Sonnen.
[arrow up]

WAs man täglich nutzet und siehet / das hält man offters in den Augen der Menschen für geringschätzig. Durchgienge das güldene Licht der Sonnen nicht täglich das grosse Wels Gebäude so würde die Erde dem Menschen wenig Ungerhalt reichen. Denn sie ist das allerdurchleuchtende Liecht / und König aller Planeten / nach welcher sich dieselben in ihrem Lauffe richten müssen: Sie erwärmet diß Rund / in ihr wächset was da Athem hat / sie zeitiget oder wirckt / und bringet alle Dinge überflüssig / ihre feurige Strahlen durchdringen in einem Augenblicke alles / und sie führet eine solche Hitze in sich / daß sie allen Creaturen eine lebendige Krafft mittheilet. Dahero die Poeten von ihr dichten / daß sie auf ihrem Waagen mit feurigen Rossen / als da ist / der Eous, Pyrois, Aethon, (Ovid. l. 2. c. 4.) und Phlegon, ohn Unterlaß herumfahre. Und als einsmahls ihr Sohn Phaëton ersucht / daß sie Ihme solchen Wagen zusammt den Pferden gleichfalls umb den Himmel zu fahren erlauben möchte / sey er dem Gestirn so nahe kommen / daß er fast wegen der Hitze herunter gefallen / die Erde entzündet / die Lufft vergifftet / das Meer vertrocknet / Neptunus erzörnt / und der höllische Pluto selbsten darüber erwachet / bis endlich Jupiter ihn mit (Macrob. Saturnal lib. 1. c. 18.) einem Donner-Strahle vom Wagen geschossen / Man schreibet / daß die Sonne nur den Nahmen so lange führe / bis sie in dem obern Hemisphaerio, oder den Tag über seinen Lauff vollende: Wie denn etliche unter dem Nachmen Titan die Sonne verstehen / dessen Gemahl die Erde seyn solle / und zwar darumb / weil von beyden alle Dinge sichtbarlicher Weise gezeuget (Vossius l. 2. c. 24. ex Plutarcho.) würden. Bey den Aegytiern nennete man dieselbe Osiris und Typhona, da man denn unter dem ersten Nahmen die Wolthäterin aller lebhafften Dinge / indem sie durch ihre Hitze alles erwärmete / verstunde / unter der andern aber ihre hitzige Eigenschafften / wodurch gleichsam alles ausgedorret / und in ein vergifftetes Wesen verwandelt würde: Plures adorant Solem orientem, quàm occidentem: Es hatten nicht allein die Heiden / sondern auch nachgehends die Christen im Gebrauch / daß sie ihr [128] (Mercurius Trismep. in Asclepio p. 169.) Gebeth gegen Aufgang der Sonnen verrichteten: Und zwar so verehreten die Heyden / wie gedacht / dieselbe als eine Göttin / und wendeten sich im Gebeth mit ihrem Gesichte nach ihrem Lauffe: Etliche von Ihnen / (Selden. de Synedr. l. 3. c. 16. n. 5.) insonderheit die Aegyptier und Griechen / beteten nicht allein die Son̅e / sondern auch das auffgehende Gestirn an / und schrieben Ihm eine besondere Krafft / Wirckung / und gütige Zuneigung zu / gestalt sie dann auch denen Ober-irrdischen Göttern gegen Morgens / und denen Unterirrdischen gegen Abends / als welcher der Finsternus Anfang wäre / Göttliche Ehe erwiesen / die Christen aber geriethen auf dergleichen Schlag / und als es anfänglich einem ieden solches zu thun / oder zu lassen frey stunde / wurde hernach ein Geboth und Schuldigkeit daraus: Denn es ist in der Missa AEthiopum (Hildebrandus. Ritual. or. p. 15.) enthalten: Aspice ad Ortum: Wende dich gegen Auffgang der Sonnen. Dahero Etliche der Meinung / daß man solchen Gebrauch von Adam bis auf Abraham im Brauch gehabt welche / damit sie sich von den (Vossius Idol. l. 2. c. 3.) Heiden desto besser absondern möchten / gegen Abend gebetet. Etliche sind der Gedancken / weil GOTT das Paradeis gegen Morgen geleget / so geschehe es / sich dessen zu erinnern: Andere aber / daß der / so damahls den gecreutzigten Christum sehen wollen / sich gegen Morgen wenden muste / oder (Gerhard. LL. Tom. 9. c. 7.) vielmehr darum / weil Christus vom Morgen zum Gerichte dermahleins kommen würde. Am füglichsten aber scheinet zu seyn / daß die Jenigen / so ihr Gesichte und Gebeth gegen Morgen wenden / und verrichten / sich darbey danck barlich erinnern / wie dem Menschlichen Geschlechte zum besten das hellgläntzende Liecht des Evangelii gleichsam aus dem duncklen Schatten des alten Testaments am hellen Morgen durch die Predigt des Evangelii herfür gebrochen / woher auch kommen / daß der Ehristen Tempel meistentheils gegen Morgen erbauet / also / daß der / welcher gegen dem Altare stehet / sich zugleich gegen dem Morgen kehret. Etliche Politici machen hieraus ein Axioma, und sagen: Man solle mehr die auf-als niedergehende Sonne verehren / das ist: Es sey nöthig / daß man sich mehr um der Jungen-als ältern Herrschafft Gnade und Gunst bewerbe / weil diese letzten schon allbereit den Abend ihres Lebens erreicht / dero Strahlen an Macht und Gewalt abzunehmen begünnten / und sich zum Untergange zu schicken. Gleichwie aber der jenige / welcher leer Stroh drischet / den Speck bey den Mäusen verwahret / das Wasser im Garne fängt / und das Jagen abbläset / ehe er was angefangen / sich offters leere Sorgen über den Hals ziehet: Also hat es auch mit einem solchen ein Bewandnüs / der sein gantzes Absehen auf einen Grund ohne Grund setzet / dahero derselbe wohl zuzusehen / daß / wenn er seines dadurch gesuchten Interesse halber sich der anbrechenden Sonne allzufrüh zu nähern gedencket / er nicht auf den Mittag von ihrer Hitze gestochen / oder von der untergehenden geblendet werde. Denn aller Welt Händel seynd Circul-rund / und nichts ist in allen Creaturen standhafftig. Quod nunc placet homini, paulò post displicet: Was man will / das will man nicht / und was man nicht will / das will man. Ferner auf unsere Sonne wieder zu kommen / so nennen die Heidnischen Philosophi die Sonne / den Monden / die Sterne und den Himmel aus der Natur und ihren Eigenschafften Götter / die Sonne aber insgemein das Liecht aller lebendigen Creaturen / eine Uhrheberin beydes der Kranck- und Gesundheiten / eine Dienerin der Natur / und der Welt Sinne: Die vier Pferde bedeuten die Wirckung Ihrer selbst / als Eous die Morgen-röthe / Pyrois die Flamme / Aethon die Hitze / und Phlegon den Brand / die man nichts anders / als für feurige Sternen gehalten. Durch [129] des Phaëthon verwegenes Begehren / deutet than nichts anders / als daß offters durch der Eltern unzeitiges Ubersehen ein ganzes Königreich und Land gestraffet wird / deßgleichen wie sich Ein ieder nicht in seinem Stande erheben / sondern der Alten gute Vermahnungen angelegen seyn lassen solte. (Hesiodus in Theogonia.) Etliche geben vor / es wäre Hyperion, und Thia der Sonnen und des Mondens Vatter und Mutter gewesen: Und zwar darumb / weiln die (Homerus.) Thia etwas Göttliches bedeute / und man durch den Hyperion alle Himmlische Cörper / welche ihre tägliche Bewegungen hätten / verstehe. Die Heiden haben nach dem Schöpffer die Sonne für den Vatter / und Anfänger der Geburt gehalten / indem sie vermeinet / als ob diese der anderen Götter Krafft und Wirckung alleine vollständig an sich führete / und mit ihrem Liechte alles durchstrahlete. Ihr hat man unter andern auch einen (Natalis Comes.) Hauß-Hahn geheiliget / welcher täglich ihre Ankunfft vermeldete. Weiter wird gemeldet / daß / als dieselbige sich wider die Titanes zu des Jupiters Parthey geschlagen / wäre sie zur Danck barkeit von Ihme mit einer Crohne / Wagen / und anderen Ehren-Zeichen begabet worden / dahero diese Lehre entstanden: Daß der / welcher nur ein Füncklein Göttlichen Verstandes in sich / mehr der Warheit und Gerechtigkeit als denen Lastern / Betrug und Tyranney beygethan seyn solle. Gleichwie aber das Silber der Lunae, das Eisen dem Marti, das Bley dem Saturno, das Silber- und Gold-Ertz dem Jovi, das Ziehn dem Mercurio, und das Kupfer der Veneri zugeeignet wird. Also auch dieser das Gold. Die Alten sagen / Sie pflege auf einem Wagen zu fahren / weil Sie das jenige / was ihnen entfernet / nicht recht begriffen / ohn allein das / was sie durch die Vernunfft gefasset / allermassen sie denen himmlischen Sphaeris eigene Seelen zutheileten / die gleichsam dieselben herumb walzeten. Andere aber meineten / es wäre eine zu allen Sphaeris genug: Andere / der Him̅el stünde stille / und die Erde lieffe in ihrem Circul herum: Daß man aber behaupten wolle / die herniedergehende Sonne fiele in die Tieffe des Meeres / und die Herauffsteigende komme aus dem Wasser / deßgleichen sobald sie an dem Ufer des Orients aufgewacht / so würde Ihr von denen Stunden / welche der Zeiten Schliesserin und Diener wären / der Wagen fürgeführet / solches hat man gethan / daß der gemeine Pöfel hiedurch der Gelehrten ihr Absehen nicht so leichte verstehe. Alldieweiln aber diese der Sonnen ihre Göttliche Eigenschafften nichts als Heidnische Phantasmata, oder nichtige Einbildungen / die zwar in gewissen Dingen auch ihren Nutzen haben / in sich begreiffen / so stellet man sie dahin / Jedoch lässet man billich dieses edle Liecht / so man für die Fackel des Allerhöchsten / und das Auge der Welt hält / im seinem Werth / und gleichsam ihr eigen Lob vor sich selbst reden: (Doctissim???9 David Schirmer???9.) Ich sehe durch das finstre Land / und blicke nach den duncklen Höhen / das Morgen-Gold beut meiner Hand die Strahlen durch die Welt zu gehen: Ein Mensch / wie hoch er sich aufricht / hat kein so helles Auge nicht. Der Himmel geht und waltzt sich fort / die Erde bleibet unten sitzen / Ich nur allein muß ihren Ort / mit einer linden Brunst erhitzen /
|| [130]
Daß sie in schönem Schmucke blüht / und stets durch meine Flamme sieht. Was leben soll / das sieht durch mich; Die Crone meiner Diamanten erhellet allzeit innerlich den Spiegel meiner Anverwandten / ich breche durch / und mach allein daß / was da ist / muß sichtbar seyn. Die Sternen saugen meine Gluth / ich muß den blassen Mond erhellen: Was das Gesichte kan und thut / das laß ich in die Ordnung stellen / ich bin das Liecht der düstren Zeit / Wodurch mein Gold wird ausgestreut.

F. Von Nymphen.
[arrow up]

(Virgilius. Osidorus. l. 8.) DIe Alten nenneten die Nymphen des Oceani und Tethyos Töchter / und meldeten / sie wären Mütter der Flüssen / auch gleich den Musen / Seelen der Sphaeren: Die Irrdischen / als die Dryades, sagten sie / stünden den Wäldern für: Die Oreades den Bergen: Die Hamadryades den Bäumen: Die Napeen den Blumen und Feldern: Die Najaden den Flüssen: Die Limniades den Seen: Die Ephydriades den Brunnen / und die Nereides dem Meere. Sie hatten unterschiedene Nahmen / unter welchen die Mentha des Plutonis Kebsweib von der Proserpina in ein Kraut / die andere aber Syrinx, welche der Wald-Gott (Ovidius lib. 1. cap. 25.) Pan nothzüchtigen wollte / in ein Rohr soll verwandelt worden seyn: Man opferte ihnen Milch / und das / was man fienge / auch hielt man sie für der Dianae Gespielinnen / welche ihr Köcher und Pfeile nachtrugen / und sie auf der Jagt begleiteten. Durth sie verstehet man nichts anders / als die jenigen Kräffte der Feuchte / vermittelst derer alles / was da in der Welt lebet und schwebet / erhalten werden mus. Man eignet Ihnen ein gewisses Alter zu / darinnen sie entweder gebohren / oder stürben / auch dichtet man nicht ohne Ursache / daß die Göttin Juno sie unter ihrer Gewalt habe. Den̅ weil man durch die Juno die Lufft verstehet / von welcher die Wolcken herrührten / so würde die Lufft in eine Wolcke / und die Wolcke in das Wasser verwandelt / welches nichts anders als die Wasser-Nymphen bedeuteten. Dergleichen Wirckung rührte auch aus der Lufft her / als der Regen-Bogen / der Thau / Schnee / Eiß / Hagel / Regen / Donner / Blitz / Reiff / Wolken / Nebel / Wärme und Feuchte. Gleichwie man nun die Nymphen für nichts / als fruchtbare Vorsteherinnen der Gewässer / Wälder und Felder gehalten / die beydes denen Menschen und Viehe an ihrer Nahrung vorträglichen fielen: Also hat man durch dieselben nichts anders als die eigentliche Materia aller natürlichen Sachen andeuten / und zu verstehen geben wollen.

G. Von der Diana / oder Luna.
[arrow up]

WIe die Poeten allezeit auf das / was sie erfinden / ihr gewisses Absehen: Also geben sie auch vor / daß Apollo und Diana zwey Geschwister / und des Jupiters und der Latonae Kinder gewesen / welche
|| [ID00145]
|| [ID00146]
|| [131]
zu Epheso an dem Cenchrius, und in der Insul Orthygia bey den Oel-Pflantzen auf einmahl gebohren. Dannenhero man auch denselbenWald durch Angebung der Götter geweihet / und sey hernacher Apollo, da er die Cyclopen, oder Riesen hingerichtet / daselbst hingeflohen / und sich für des Jupiters Zorn aufgehalten. Es wird aber Diana für eine Göttin der Keuschheit gehalten / und in dreyerley Gestalt und Nahmen / als in die Luna, Diana und Proserpina abgebildet / und bedeutet nichts anders als den Mond / so den Nahmen von diesen beyden Wörtern Diva Jana, oder (Macrob. Saturnal. l. I. c. 9.) Dea Jana soll bekommen haben. Denn wie man die Sonne Janus, also ward der Mond Jana genannt. Die Poëten schreiben nicht unbillig / daß sie mit ihrem Bruder dem Apolline, wie gesagt / von der Latona, durch welche die Finsternüß verstanden wird / gebohren worden. Wie nun bey denen Poeten alles vergöttert, So hat man der Dianae in sonderheit die Jagten zugeeignet / indem ihr nächtlicher Schein denen Jägern am bequemsten zu fallen pflege: Sie wird iederzeit für eine Jungfrau gehalteu / und zwar darum / weil bey dem Jagen so vielerley Lust und Ergötzlichkeit mit unterläufft / daß man darüber seine eigene Liebe / oder andere Lust vergässe / wie Horatius singet: Manet sub Jove frigido Venator tenerae Conjugis immemor. Der tapfe Jäger streicht durch Wald und dicke Hecken / und wenn er gleich sich muß mit kalten Wolcken decken / auch Die zurücke sehn / so einzig ihn ergötzt / So läßt er doch nicht nach / bis er sich satt gehetzt. Es ist aber nebenst dem Jagen auch der Dianae der Ackerbau / wie dem Apollini zugeeignet worden. Dahero man sie mit vielen Brüsten (Hieronymus in Epist. ad Ephes.) gebildet. Erat enim Ephesi Templum Dianae, & ejusdem in ipso multarum Mammarum Effigies, qvâ Cultores ejus decepti putabant eam omnium viventium Matrem: Denn es stund zu Epheso in der Dianae Tempel deroselben Bildnuß mit vielen Brüsten / wodurch die jenigen die ihr dieneten / in dem falschen Wahne geriethen / als ob sie aller lebendigen (Antiq. lib. 5. c. 15.) Creaturen Ernehrerin wäre. Diodorus meldet / daß Dictynna, welche auch sonst Brito Martis genannt / der Jäger Netzen erfunden / und darvon den Nahmen bekommen. Und weil sie mit der Diana stets umbgegangen / hätte man vermeinet / es sey die Diana eben die Dictynna: Callima chus hingegen hält dafür / daß Dictynna nicht so wohl von Erfindung der Jäger-Garn den Nahmen gehabt / als daß sie sich / als sie einsmahls von dem Könige in Creta Minos aus unzüchtiger Liebe verfolgt / unter die Fischer-Netze verstecket / und dadurch ihre Ehre gerettet hätte. Diodorus aber verwirfft diese Meinung / und saget: Wie Minos ein so frommer und gerechter (lib. 4. od. 7.) Mann gewesen / daß er / nach des Horatii Meinung / auch über die Verstorbenen Gericht halte: Cum se mel occideris, & de te splendida Minos fecerit Arbitria: das ist: Wenn du einmahl hier abedrück est / und deinen Geist zum Tode schickest / wird man dich für Gerichte stellen / und Minos dir das Urthel fällen. (Valerius Flaccus lib. 5.) Die jenigen Oerther / welche man der Dianae geheiliget / waren der Fluß Parthenius in Paphlagonien, der Berg Cynthus, die Stadt Bauron in Griechenland / der Berg Aventinus, und Algidus, die Insel Delus, [132] der Berg Taurus in Scythien, und die Stadt Ephesus in Lydien, in der (Deroselben Tempel. Plinius lib. 26.) man ihr zu Ehren einen solchen Tempel bauete / welcher zugleich mit unter die sieben Wunderwercke der Welt gerechnet wurde. Denn es hatte gantz Asien zweyhundert und zwantzig Jahr darmit zugebracht / und den Grund an einen Morastigen Orth gelegt / damit Ihm daselbst durch die gewöhnlichen Erdbeben kein Schaden zugezogen werden möchte: Seine Länge erstreckte sich auf zweyhundert und zwanzig Geometrische Schuh / und die Breite auf zweyhundert und zwanzig. Das Sparrenwerck bestunde in lauter Cedernen Balcken / und die Thüre in Cypressen-Holze / inwendig aber war er mit hundert sieben und zwanzig künstlichen Pfeilern / welche so viel Könige dahin verehret hatten / ausgeputzt / biß Ihn endlich Einer mit Nahmen Herostratus, der seines Nahmens Gedächtnus mit einer so schändlichen That beflecket wissen wollte / mit Feuer verbrannt / weßwegen auch die Epheser dieses Gesetze gemacht / daß keiner bey Leib- und Lebens-Straffe dieses Mord-Brenners Nahmen nimmermehr gedencken sollte / damit Er das Jenige / was er dadurch gesucht / keines Weges erlangen möchte. Der Dianae pflegte man eine gejagte Hindin zu opfern / und sagte / daß Sie sich ohn unterlaß des Jagens befliesse / wodurch angedeutet / daß ein Jeder in diesem Leben sich deß Müssigganges entschlagen solle. Nam Otia si tollas, periêre Cupidinis Arcus. Wer müssig gehet / geräht in böse Gedancken. Denn es ist keine Pestilentz so schädlich als diese / und die Wollust / welche das Liecht der Seele ausleschet. Und obwohl durch diese der Nahrung grosser Abbruch geschiehet: So ist doch der gröste Schade in dem / daran man das Ewige einbüsset. Wer nichts thut / saget man / der thut / was sich nicht gebühret / und wer ruhig leben will / der soll den Müssiggang meiden / indem derselbe letzlich das Armuth zum Geferten bekömmet. Des Menschen Natur ist iederzeit dahin geneigt / daß er was vornehme / wenn aber derselbe keine Geschäffte vor sich hat / und zur Arbeit nicht angestrenget wird / so folget er seiner verderbten Natur / welche stets mehr zum bösen / als auf das gute (Ihr Opfer. Porphyri???9. lib. de Sacrif. Pausan. in Rebus Achaicis.) zielet / und unterstehet sich böses zuthun. Nechst diesem / so war bey den Patrensern / einem Griechischen Volcke / der Gebrauch / daß sie / wenn dieselben der Dianae opfern wollten / vorhero von grünem Holtze in der Stadt gegen der Göttin Altare zu / eine Vermachung aufrichteten / sie inwendig mit allerhand dürren Sachen belegten / und von aussen mit Koth und Leime beschmierten; Und als man alles / was zu seinem Opffer nöthig / herbeygeschafft / verrichtete das Priesterliche Ambt eine Mannbare Jungfer / welche für die allerschönste und weiseste gehalten wurde / welche dann mit grossem Gepränge von zweyen Hirschen durch die Stadt / und folgenden Tages in der Göttin Tempel geführet ward. Worauf man den vermeinten Gottesdienst in Beyseyn so vieler Auswärtigen / als Einheimischen Völcker mit grosser Andacht anfieng / und in die gemeldte Vermachung / viel lebendige Thiere / als Reheböcke / Schweine / Wölffe / Beeren / und allerhand erwachsenes und gerupfftes Feder-Vieh warff. Zu diesem legten sie auch allerhand Saamen von den fruchtbarsten Bäumen / welche die Flamme desto hefftiger vermehrete. Und wenn ohngefehr von den Thieren eines entsprunge / lieffen die Herumbstehenden hinzu / fiengen es / und warffen es in das angezündete Behältnus. Weit grausamere Opfer aber bringen die Scythen. Denn sobald sie einen frembden ertappeten / opferten sie solchen der Dianae, dessen
|| [ID00149]
|| [ID00150]
|| [133]
sterin die Iphigenia des Agamemnonis, und der Clytemnestrae Tochter (Virgil. l. 6.) war. So gar ist ie und allewege die Abgötterey / und der falsche Wahn seinem Vater dem Teufel gehorsam gewesen. Man findet hin (Cleon.) und wieder / daß diejenigen Opffer / welche man denen unterirdischen Göttern brachte / musten des Nachts / und zwar am schwartzen Viehe geschehen / dasselbe Opfer aber / so denen obersten Göttern geschlachtet / wurde über sich gestochen / gleichwie die / sö denen untersten Göttern opferten solches unterwerts abstachen / in eine Grube warffen / Wein darauf (in Necyomantia. l. 6. v. 620.) gossen / und ihr Gebet dabey verrichteten. Lucanus ist der Meinung / man habe nicht alles Blut in die Grube gegossen / sondern nur etwas darvon. Wenn man aber dem höllischen Pluto opfern wolte / so verbrannte man dasselbe: Denn die Heyden hielten dafür / daß sie denen gütigen / und gutthätigen Göttern müsten weisse Schlacht-Opfer / und denen bösen / damit sie ihnen nicht schädlich wären / schwartze und grausame bringen / und hat man hierüber ein solch Gesetz gemacht / daß die Männer den Göttern / und die Weibesbilder denen Göttinnen beym Opfer dienen sollten. Wie man nun obgedachter Massen noch dafür gehalten / als ob die Diana, und Phoebus des Jupiters und der Latonae Kinder gewesen: Also hat man durch diese Fabel nichts anders als der Welt Uhrsprung gedichtet. Denn nachdem Anfangs die Materia der Welt unförmlich ehe sie in einen solchen schweren Cörper gebracht und gleichsam vorhero verborgen / und dunckel lage / so hat man um deswillen dieselbe Finsternüs Latona genennet. Es hat aber Jupiter den Phoebum, und die Lunam, das ist / der Geist des Herrn die Sonne und den Mond am Himmel gesetzt / und gesagt: Es werde Liecht / also / daß von derselben Zeit des Liechts an / die Erschaffung der Welt sich angefangen. Ein mehrers soll von der Diana an seinem Orte gesaget werden.

H. Von dem Marte.
[arrow up]

MAn hat bey diesem Schau-Spiele den Martem nicht vergeblich auf den Triumph-Wagen gesetzet. Denn weil man ihn jederzeit bey den Heyden für einen Gott des Krieges und der Waffen hielte / so gesellte man ihme die Zwitracht / den Zorn / und die Unsinnigkeit bey / und gab seine Schwester die Bellona für seinen Fuhrmann / die Furcht / und das Erschrecken aber für seine Pferde aus / wodurch man dann die verderbliche Macht des Krieges / und daß Anfangs in demselben das Vornehmen gar scheinbar / das Mittel schwer / und der Ausgang ungewiß sey / zu verste hengeben wollen. Er soll von der Junone ohne Vater / und zwar darum gebohren seyn / alldieweiln sie eine Beherrscherin aller Reichthümer genennet wird / worüber der meiste Krieg zu entstehen pflege / auch wäre (Vossius in Idol. l. 2. c. 34.) Thero seine Säug-Amme gewesen / dadurch man nichts anders als die grausame und wilde Art andeute / wie solches an den Barbarischen Völckern / welche wegen ihres groben Geblüths mehr Stärcke / als klugen Verstand (Martis Söhne. Ravisii Textoris Officin. p. 65.) in sich führen / wahr zu nehmen. Und nachdem Er auch kein eheliches Weib gehabt / so wären Ihm von unterschiedenen Beyschläfferinnen die Söhne Enomanus, Tereus, Ascalaphus, Cupido, Jasmenus, Zesius, Erannes, Parthaon, Phlegyas, Hiperius, Etholus, Remus, Romulus, Oxylus, Parthenopaeus, Strymon, Pangaeus, Molus, Thestius, Thespius, Sithon, und die Töchter Britona und Sinope gezeuget worden. Ihm wurde der Fluß Thermodon in Scythien, und der Berg Rhodope in Thracien, weil Er daselbst gebohren / geheiliget / desgleichen verehrte [134] man denselben durch gantz Thracien, und bey den Geten, dahero er auch (seine Priester.) Odrysius, und Geticus genennet. Desselben Priester waren die Salii, welche zu Ehren seiner von dem Römischen Könige Numa Pompilio an der (Servius apud Virgil. 8. AEn.) Angzahl zwölffe verordnet worden / mit Tartschen und Schleudern / auch gemachten Ober-Röcken und ehernen Bruststücken einher giengen / und unter den Tantzen durch die Stadt etliche Lieder sungen / welche sie selbst nicht verstunden: Man nennete sie deswegen Salios, weil sie bey währendem (Ovid. l. 4. c. 4.) ihrem Ofer um die Altäre sprungen und tantzeten. Von dem Marte schreiben die Poeten / daß / als er einsmahls bey des Vulcani Weibe der Venus geschlaffen / gedachter Vulcanus sie beyde verstricket / und für allen Göttern zu schanden gemacht / worüber etliche die Deutung machen: Es wäre die Uneinigkeit eine Mutter der Einigkeit / dannenhero die Harmonia aus dieser beyden Ehebruche entsprungen: Etliche / es wäre der Welt-Tyrannen ihr Gebrauch / daß sie sich durch öffentliche Laster unterweilen einen Ruhm und Ehre zu erjagen gedächten. Er soll / wie gesagt / der Juno Sohn seyn / unter dieser aber meinet man metaphoricè nichts anders / als die Unsinnigkeit / aus welcher nichts als Mord / Todtschlag / Furcht / Gewalt und Unbilligkeit zu entstehen pfleget / gestalt er dann dieses gleichsam selbst von sich redet: Ich bin derselbe Mars / den alles fürcht und ehret / durch mich wird Land und Strand / und alles Meerverzehret: Wie bald der Feind nur sich in seinem Lager rührt / So wird der Donner-Knall von mir ins Feld geführt. Mein schwartzes Blut das fleusst in meinen starcken Armen / mein ernster Vorsatz ist / mich keines zu erbarmen / und wenn ich mich genug im Blute wohl erhitzt / so spührt mein Widerpart / wie scharff mein Degen blitzt. Die Stücken löse ich / wenn Mann auf Mann anrennet / und durch die Rosse hat die Ordnung fast zertrennet / Wenn Pulver / und der Dampff nun der erlangten Schlacht durch Eisen / Hagel / Bley gegeben gute Nacht / So geht des andern Tags erst an das rechte Trauren / in einem Augenblick zerwerff ich Wall und Mauren / ich stürm ergrimmet darauf / und wehret man sich noch / so bring ich meinen Feind doch letzlich unters Joch. (Diodorus Rer. antiq. l. 5. c. 15.) Etliche halten denselben für den Nimrod / weil er für einen gewaltigen Jäger an Menschen und Viehe gehalten wird: Etliche den König Belum, allwo das Wort Bellum hergekom̅en wäre. Nechst diesem so bekam er auch von denenjenigen Oerthern / an welchen man ihme Tempel aufgerichtet / unterschiedene Zunahmen / als Candaeus, Rhacius, Mamertus, und Equestris, durch welche alle man nichts anders als den Krieg an sich selbsten verstehet. (Der Alten Wehr und Waffen-Herodot. l. 4. Plin. l. 7.) Vorzeiten hatte man keine andere Waffen / worauf man sich verliesse / stritte / und kriegte / als die Fäuste / Knittel und Schleudern / bis man bey zunehmender Boßheit auch boßhafftige und schädliche Waffen erfunden. Den̅ es gebrauchten sich nachgehends die Mohren wider die Aegyptier der mit eiserne̅ Spitzen beschlagenen Stangen / Priegel / un̅ Steine: die Lacedaemonier der Sturm-Hüte und Schwerter: Die Aegyptier der Spiesse und Tartschen: Die Aetolier der Lantzen oder Wurff-Spiesse: die Scythen der Pfeile und Bogen: die Amazones der Streithäm̅er und Aexte: die Römer der Steinbüchsen / [135] Schilder und Schwerter: Die Innwohner der Balearischen Inseln der Schleudern: Andere der Pantzer / Sturmhauben / Köcher / Pfeile / und Bruststücken: Dolche / Degen / breite und lange Messer / Streitkolben / Spiesse / und so fort. Ihre Kriegs-Instrumenta aber waren Cochleae oder solche Machinen auf denen man gleichsam als auf einer Treppe zu der Feinde Mauern steigen kunte: Exostrae gethürmte Brücken von denen man zu denen Belägerten kahm: Falces und Harpagae Mauerbrecher: Malleoli mit Schwefel und Pech zugerichtetes Stroh: Musculi Sturm-Decken: Phalaricae gedrehete böltzerne Pfeile mit spitzigen Eisen / woran man Schwefel / Pech / Hartz / und Werg band / sie ins Oel tauchte / anzündete / und in der Feinde Städte schoß: Plutei Sturmdächer / welche man aus Wieden flochte / und mit Ziegenfellen auch andern Leder überzoge / und (Des Kriegs Nutzen. Pausanias. Xenophon, in lib. Occonom.) was dergleichen mehr. Wie nun die Heyden den Martem iederzeit für ihren Kriegs-Gott hielten / und verehreten / auch biz Lacedaemonier, oder die zu Sparta zu dem Ende desselben Bildnüs Fuß-Eisen anlegten / damit er stets bey Ihnen verbliebe / für sie streiten / sie schützen und niemahls verlassen möchte. Also ist der durch ihn ereignete Krieg in gewissen Dingen und Fällen theils nützlich theils schädlich. Denn / wer würde auf dem Erdboden zu leben / daselbst seine Nahrung zu suchen / und das Seinige zu erhalten sicher seyn / wenn man nicht wider Gewalt und Unrecht geschützet würde. Der Krieg ist ein Zwang der Ungehorsamen / Er eröffnet die Enge und Weite des Meers / Er entbecket Provintzien / Er vertritt die Friedfertigen / und verjaget die Boßhafftigen: Durch ihn werden die Helden unsterblich / die Sieger gekrönet / die Tapferen ermuntert / die Könige erhaben / die Städte verwahret / die Länder befestiget / und der Tugend der Weg durch die Welt gebahnet. Er ist der Besem Gottes / der das Boßhafftige von dem Guten seget / und auf den Erdboden um keinerley Weise / als um der verrückten Natur willen gekommen. Denn hätten die ersten Eltern in ihrem Gehorsame und Gerechtigkeit verharret / so wären auch dergleichen Plagen und Verfolgungen nicht über die Nachkommen gerathen. Der Krieg an sich selbst ist nicht unrecht / wenn er mit Recht geführet wird: Moses schrieb dorten denen Israeliten gewisse Kriegs-Gesetze (Devt. 10. Genes. 14.) vor: Abraham schlug sünff Könige in die Flucht und errettete dadurch seinen Bruder den Loth / und trug den Raub davon: GOTT selbst befahl dem Mosi / Josua und Samuel wider die Ammoniter und Philister zu streiten: Wer zu einer zugefügten Gewalt stille schweiget / der verliehret sein Recht / und muß der seyn / der er nicht zu werden gedachte / GOTT aber schlägt sich ins Mittel / stürtzet durch Zwang die Gewaltigsten / daß sie einander um ihrer Hoffarh und Ehrgeitzes willen wiederum müssen aufreiben. (Jud. ???. v. c. 6. v. 34.) Das Ambt einer Obrigkeit ist / daß er die Seinen schütze / und wider die Empörer das Schwert ergreiffe: Athniel führte auf Antrieb des Geistes GOTTES die Waffen wider den Syrischen König Cusa Risathaim: Josua wider den König Ai: Simson wider die Philister: Saul wider den König Nahas: David und andere wider ihre Feinde / also / daß der Krieg für die Ehre GOTTES / für das Vaterland / für die Gerechtigkeit / für die Beschützung seiner und der Seinigen / für bedrängte Freunde / für die Religion / für Gewalt / für verweigerte justiz, für Aufstand der Unterthanen / für Schmach / für Verachtung / und für andere Gewaltthätigkeiten höchstnöthig. Denn was recht und billich / das soll man auch durch rechtmässige Mittel und Wege voll [136] ziehen. Die gantze Wohlfarth eines Potentaten bestehet in dem Schwerte. Anfangswohnte man unter den Hütten und Gezelten / hernach bauete man Häuser / Plätze / und feste Städte / und umfassete sie mit Mauern und Bollwercken / es kunte aber niemahls die gemeine Ruhe ohne die bewaffnete Sorge in Fried und Sicherheit leben ohne die Waffen / welche für sie wachen / und ein helles Auge auf die Abgünstigen haben muste. Ein wehrloses Land locket selbsten die Feinde zu sich: Wer zur Zeit des Friedens die Waffens-Ubungen nicht zur Hand nimmt / bey deme sind sie zu spat / wenn die Gefahr vor der Thüre: Kein grösseres Nachtheil wiederfähret einem Lande / als wenn es lange im Müssiggange lebet: Die Natur bringet allenthalben Helden herfür / welche auch mit andern durch die Kriegs-Ubung / theils den Frieden zu erhalten / theils den Krieg auszuführen tüchtig und geschickt genug sind. Niemand vermag sich einen sichern Frieden zu wündschen / wenn er nicht vorhero durch den Krieg erlanget wird. Unterschiedene fallen auf den Wahn / als daß man sich mit reinem Gewissen nicht könne in den Krieg begeben. Hier ist das Gegenspiel. Denn wer in Schrancken bleibet / die gerechte Sache handhabet / die Freyheit heget / die Unterthanen schützet / das Schwert zur Rache ausziehet / und das Böse verfolgen hilfft / der kan auch mitten unter der Kriegs-Gluth gewissenhafftig leben. Die Rechte erlauben einem jeden / sich selbst zu vertretten / ist das denen Unteren / warumb nicht den Oberen zugelassen? Sich in den Waffen üben / der Tapferkeit fähig machen / und einen Kriegs-Mann abgeben / ist nicht zu tadeln / sich aber des Raubens / Plünderns / Stehlens / Sengens und Mordens befleissigen / dem Nechsten das Seinige zu entwenden / alles Hertzeleid zuzufügen / und fremdes Vermögen an sich zu bringen / ist verdammlich. (Desselbigen Fehler.) Wie derohalben in allen Welthändeln nichts löblichers / nichts gerechters / nichts tugendhafftigers / und nichts billichers / da nicht was ungerechtes / was lasterhafftiges / und Böses mit unterläufft: Also eräugnen sich auch bey dem Kriege viel Fehler. Denn was für Thorheiten begehet man nicht daselbst. Bald krieget man mit fremder Hülffe / und zündet sich dadurch sein Haus über dem Halse an: Bald entblösset man seine eigene Mittel / und ergreifft an statt einer eigebildeten Macht eine verzweiffelte Hoffnung: Bald ist man bey angehendem Kriege so hitzig / daß man hernach keinen Platz zu fliehen findet: Bald so unbesonnen / daß die Unterthanen an statt ihres geraubten Viehes selbst den Pflug in der Hand nehmen müssen. Die Aegyptier mahlten den Plutonem als einen Verwalter des Reichthums in Gestalt eines schönen Jünglings / welchen sie mit Rosen / und Lorbeern kröneten / und dadurch die Glückseligkeit andeuteten. Allhier gehet es viel anderst zu. Man schätzet die unbillichen Waffen für die glückseligsten: Man bieget und verstecket die Gesetze: Man machet Freunde zu Feinden: Man drücket die Armen: Man leget Städte und Flecken in die Asche / und verwüstet Land und Leute: Die Väter begraben ihre Kinder / und die Kinder die Eltern: Die Unschuldigen leiden mit den Schuldigen: Die Gewaltigen werden mächtiger: Der Adel fleucht: Der Bürger seufftzet / und der Land-Mann wündschet sich lieber bey denen grausamsten Bestien / als unter solchen ungeheuren Menschen zu wohnen. Die meisten Kriege entstehen entweder aus Rache / oder ex Amore possidendi aus Begierde viel Land und Leute zu haben: Grosse Herren sind empfindlich / hengen offt dem Kriege eine Larve für / und geben zum Zeugnüs ihrer vermeinten gerechten Sache dem Pöfel ein Manifest, [137] daß sie das / was sie mit Hinterlist / Betrug und Gewalt gewonnen / mit Rechte erkriegt hätten. Wie die Alten sich mit ihren Feinden schlugen: Also schlagen und balgen sich diese des Martis Zugethane hingegen mit ihren Wolthätern. Keine Jugend ist ihnen zu ihren Mißhandlungen und schandbaren Thaten zu jung / und kein Alter zur Beleidigung / zur Boßheit und Leichtfertigkeit zu alt: Jhre Schalckheiten reichen biß an den Himmel / und die Arglistigkeiten biß in die äusserste Hölle / und weil sie GOTT und dene̅ Menschen zu nahe treten / so verflucht sie die Sonne / und der Mond trägt über ihre verdammliche Sünde einen Abscheu. Viel derselben setzen ihr Leben zu dem Ende in Gefahr / damit sie dadurch einen herrlichen und berühmten Nahmen / die meisten aber Gold und Gut überkommen mögen / was kan aber bey solcher gesuchten Ehre / und Geld-Begierde grausamer und erschrecklicher zu sehen seyn / als wenn man die Friedens-Begierigen betrübet / die Städte zerschleifft / die Länder zerstöret / die Oerther zernichtet / die Felder zertritt / die Armen beraubet / die Erharkeit schändet / die Billigkeit hasset / die Unschuldigen plündert / und die Schuldigen befreyhet. Wenn / sage ich / die Söhne die Eltern / die Knechte die Herren / die Priester die Kirchen / die Bauern die Felder / die Bürger die Städte verlassen müssen / und man den Gehorsam gegen GOtt / gegen der Kirche / gegen die Religion / gegen die Eltern / gegen das Vaterland / gegen das Recht / und die Gerechtigkeit / und gegen alles / was einem Christen zu thun oblieget / in den Wind schläget. Wenn man sein eigen Weib verlässt; wenn man seinem redlichen Nahmen einen Schandfleckt aufbürdet; wenn man zu einem Mörder des Vaterlandes wird. Wenn man thut was man nicht sollte. Wenn man stiehlet / huhret und bubet. Wenn man einen Tumult nach dem andern anfähet / und wenn man sich in Unwidersetzlichkeit erweiset wie ein Löwe / und in angehenden Streichen als ein Feldflüchtiger Haase. Alles ist bey diesem Zustande unsinnig: Die Priester der Mutter Cybeles, Vulcani und Martis verlassen ihre Tempel: Etliche von ihnen brechen ihre Gelübde / und werffen den priesterlichen Zierath von sich: Etliche abereilen nach dem Kriege / und sind ärger als andere: Man heisset die Beschwerung eine Nothwendigkeit / die Verschwendung eine Freygebigkeit / die Frey-Beuter Patroni: in der Warheit aber sind sie Mörder und Hencker der Frommen: Man liebet keine Treu noch Aufrichtigkeit / kein Freundschafft noch Tugend: die Gebehrden seynd weibisch / die Hände zart / die Kleider geschmückt / die Haare gepufft / und der gantze Leib steckt voller Betrug: Da gilt keine Gerechtigkeit / welche sie abstraffe / keine Gewalt / welche sie zwinge / keine Furcht / welche sie zähme / keine Straffe die sie züchtige / keine Gesetze die sie bändigen / und kein Tod der sie hinrichte. Es ist zwar ein gemein Sprichwort / daß dem Soldaten nur einmahl zu übersehen wäre / aber wo bekommen die Hingerichteten ihr Leben wieder? Wo die verlohrne Jungferschafft das Jhrige? wo die Väter ihre Kinder? wo die Kinder ihre Eltern? wo die Ausgeplünderten ihr Vermögen? wo die halb-todt-gemarterten ihre Gesundheit? und wo die Ausgeschöpften ihre Kräffte? Alles sind unzeitige Früchte / die nicht zu loben / und wodurch billich der Vernunfft Einhalt zu thun. (Die durch den Krieg erlangte Hoheit und Ehre.) Die Ehre des Krieges bestehet in der Tugend / wer nun dieselbe rechte Tugend hat / der ist weit edler als der Edelgebohrne. Denn wer tugendhafftig / und tapfer / der ist geadelt genug / undgleichwie der edel ist / welcher adeliche Geberden an sich / also hilfft deme sein adeliches Geblüte wenig / wen̅ er mit groben und bäuerischen Sitten angefüllet: Etliche wissen nichts rühmliches noch adeliches an sich / als daß sie die Todte̅ rühmen / von dene̅ sie hergestam̅et/ [138] was aber ist dieses für ein adeliches Ansehen / wenn sie ihren Nachkommen selbsten nicht in denen adelichen Fußstapffen nachtreten. Keiner kan die wahre Tugend besitzen / er habe sich dann durch seine ritterliche Faust / oder durch andere der Tugend zugehörige Eigenschafften ein gutes Lob erworben. Dannenhero brachte es jener gelehrte Poet Cyrteus durch seine Tugend und Tapferkeit so weit / daß er der Lace daemonier General wurde: Antipater war in des Apollinis Tempel ein Kirchner / hernach ein tapferer Soldat / und kam bey dem Keyser Augusto so hoch an das Bret / daß sein Sohn Herodes das Königreich Juda bekam: König Agathocles Vater war ein Töpfer / er aber dienete Anfangs für einen gemeinen Soldaten / und ward durch seine ritterliche Thaten hernach zum Obristen und König erwehlet: Licinus eines Ackermanns, Aurelianus eines Bauern / Galerius eines Hirten / Demosthenes eines Schmids / Phocion eines Löffelmachers / Valentinianus eines Seylers / Bonosus eines Schulmeisters / Probus eines Gärtners / und Aurelius eines Landman̅s Sohn / von welchen die meisten die Keyserliche Hoheit und Feldherren-Stelle im Kriege auf sich gehabt / gestalt denn auch Einer mit (Ravisius.) Nahmen Viriatus aus einem Hirten ein Jäger / aus einem Jäger ein Strassen-Räuber / und letzlich aus einem Strassen-Räuber zu einem Hertzog in Lusitanien. Telephanes aus einem Wagner zum König in Lydien, Ptolomaeus aus einem gemeinen Soldaten zum König in Aegypten Mandro aus einem Schiffmann zum Feldherren / Mauritius aus einem Trabanten / und Justinus aus einem Schweinhirten zum Keyser / Primislaus aber aus einem (Kriegs Wissenschafften.) Vieh-Hirten zum König in Böhmen gemacht. Man lernet aber die Kriegs-Künste und Wissenschafften nicht in der Noth / sondern zur Zeit des Friedens. Die Regimenter theilet man beydes zu Roß und Fuß in Fahnen / Compagnien / un̅ Squadronen / welche man in der Schlacht-Ordnung theils in die Spitze / theils in die Flügel / in die Mitten und in den Hinterhalt stellet. Diese haben über sich ihre Generals / Obristen / Obriste Lieutenante / Obriste Wachtmeister / Rittmeister / Haubt-Leute / Capitain Lieutenante / Lieutenante / Cornete / Fehndrich / Fahn-Juncker / Führer / Wachtmeister / Fourirer / Feldwebel / Corporales / Rottmeister und so fort. Man theilet das Lager in besondere Quartiere / deren jedes seine Wachten: Die Waffen sind Piquen / Kurtz-Wehren / Spiesse / Helm / Ober- und Unter-Gewehr / allerhand grosse und kleine Sorten von Geschütz / Stücken / Feuermörsel / Feuerkugeln / Bomben / Granaten / allerhand künstliche Feuerwercke / und andere Munitions-Sachen. In offenem Felde versiehet man das Lager mit Gräben / Schantzen / und Brustwehren: In beschlossenen Oerthern mit Pasteyen / Lauff-Gräben / Zwingern / Schießzange̅ / Contrascarpen / Casamatten Ravelinen / Katzen-Thürmen / Thoren / Pforten / und heimlichen Ausfällen. Denen vornehmsten Officirern lieget ob die Wachten wider den Feind auszustellen / die Soldaten zum Sturm und zur Schlacht anzuführen / auch die Spitzen / Flügel / und Hinterhalt mit Votheil also bedecken / damit ihnen der Feind keinen Abbruch (Herodotus lib. 9. Calliop.) thue. Vor angehender Schlacht ist Acht zu haben / wo man dem Feinde am besten beykomme / wo man ihn klüglich heraus locke / mit Vortheil (Ranzov. Comment. bell. 3, 4. Vegetius de Reb. militar. 3, 14.) angreiffe / den Paß verhaue / zur Flucht bringe / und endlich aus dem Felde schlage. Es meinen die Kriegs-Verständigen / daß bey einer Schlacht die Armee in gewisse Squadronen abgetheilet werden / und man nicht mit vollem Hauffen auf den Feind los gehen müsse: Und wie bey dem gantzen Kriegswesen alles auf einer guten Anstellung beruhete: Also sollte auch bey einem [139] Treffen die Ordnung auf das genaueste beobachtet werden: Dafern man nun den Feind an vielen Orthen angrieffe / könte man denselben viel eher als mit einem geschlossenen Corpo in Unordnung bringen / die Nothleiden den entsetzen / und ihnen ohne zertrennte Battaglie zu Hülffe kommen. Zu dem würde auch ein solches Heer so indergleichen Trouppen und Squadronen getheilet / nicht so leichtlich von Andern umzogen / geschlagen / und auf einmahl hingerichtet. Denn ob gleich ein Flügel in Gefahr / so hätte doch der ander / weil der Feind mit jenem in voller Action begriffen / Zeit sich entweder wieder zu erholen / oder wenn man es für rathsamer erachtete / mit guter Gelegenheit zurücke zu ziehen / allermassen der Feind demselbigen / weils mit guter Ordnung geschehe / nicht so leicht nachsetzen dürffte / wofern er es aber thäte / müste solches mit völligem Corpo geschehen / und den einen Theil welchen er fast überwunden / hinwieder verlassen / der dann unterdessen sich recolligiren / und dem Feinde im Rücken gehen könte / wenn aber die Armee erstlich eingetheilet werden sollte / würde es sonder Verwirrung nicht zugehen / und hätte der Feind in solchem Fall sich zu retiriren / und der Gefahr zu entgehen (Was beym Kriege zu bedencken?) Gelegenheit genug. Ehe und bevor nun ein Potentate nach dem blutigen Kriege greifft / so hat er bey sich zuförderst zu erwegen / daß der sich in nichts mische / was Jhn nicht angehe: Daß Er ohne Macht und geführte Rathschläge nichts anfange: den Krieg mit tapfferer Resolution ausführe: Die Geschwindigkeit beobachte: Niemand zuviel traue: Alles wie es an sich selbsten ist / urtheile: Den Zorn mässige: Mit wachsamen Augen traue: Die gefärbte Scheinheiligkeit fliehe: Die Geld-Mittel überschlage: Die Kräffte ermässe: In Glück und Unglück eines Muths sey: Die Seiten seines Landes in eine Harmony spanne: Die Räthe für seine Augen halte: Sich im Siege nicht erhebe: Was er beschliessen will bedencke / und nimmermehr (Officirer Beschaffenheit.) keinen Krieg anfahe / Er thue es denn umb des Friedens willen: Die Verwaltung aber eines verständigen Feldherrns / Generals / und Obristen / bestehet unter andern auch in deme / daß er sich auf seine eigene Tapferkeit / oder Vermessenheit nicht verlasse / sich mit klugen und Kriegs-Erfahrnen Leuten berathe / unter dem Heere gute Ordnung halte / zur Zeit der Gefahr denen Seinigen einen Muth zuspreche / ihren Sold reiche / die Tapferen belohne / die Faulen straffe / das Ubel verwehre / die Unterthanen beschütze / die Plünderungen verhüte / die Geheimnüsse verschweige / der Vernunfft / solge / die Geschwindigkeit ergreiffe / die Feinde betrachte / und die Vortheil durchsuche. Ein Kriegs-Heer hat man nicht nach der Menge noch Vielheit / sondern nach eines Feldherrn Qualitäten und Tugenden zu urtheilen. Und wie der Anfang des Kriegs / also ist auch desselben Ausgang. Niemahls muß der Krieg zur Hand genommen werden / als zur Zeit des Friedens. Denn wann die Kriegs-Kunst und Wissenschafften man nicht zuvor begreifft / so lässet sich hernach schwerlich dieselbe zuwege bringen. Ein zur Zeit des Friedens geübter Soldat / ist durch langen Gebrauch versichert / daß er das / was er gelernet / behalte / und dadurch weder Tod noch Gefahr scheue. Nam nemo facere metuit, quod se didicisse confidit. (Des Kriegs und Friedens Unterscheid.) Wie nun ein Potentate sich stets in guter Kriegs-Bereitschafft zu halten pfleget / wenn Er und die Seinigen im Friede leben will: Also ist hingegen Dieser edler als Jener. Wer seine Gesundheit nicht in acht nimmt / der erkrancket: Wer sein Reichthum in den Wind schläget / wird arm: Wer mit der Ehre spielet / der verschertzet sie: Gleiche Bewandnüs hat es auch mit dem Kriege / und dem Friede. Man saget ins Gemein / Friede bringet Reichthum / Reichthum Ubermuth / Ubermuth Krieg / Krieg Armuth / Ar [140] muth Demuth Demuth / und Demuth hinwiederumb den Frieden. Der Krieg machet einen leeren Beutel / durchäschert Städte / Schlösser und Dörffer / verursachet unträgliche Beschwerungen / harte Auflagen / verdrießliche Gefängnüsse / unzehliche Geld-Spilterungen / unerhörete Theurungen / Sperrungen der Commercien, Verachtung der Justiz, Verwüstung der Güter und Früchte / übermässige Brandschatzungen / Streiffen / Morden / Stehlen / Ranzioniren / und andere unzehlbare Gewaltthätigkeiten mehr. Man dienet um ein Pappier voll Ehre / und setzet seine Seligkeit dadurch in Gefahr. Man duldet um das / was nicht sein ist / Frost / Hitze / Kummer / Noth / Todt / Kranckheit / und alle andere Plagen: Man hilfft bewahren und gewinnen / und der Gewinst bringet Einem selbst den grössesten Verlust. Man ziehet in den Krieg die Tugend zu holen / und bringet die Laster mit sich. Man vergisst daselbst die Frömmigkeit / und erlernet an stattderselben die allerschändlichste Boßheit. In welchem Lande oder Stadt der Friedens-Tempel zugeschlossen / daselbst ist man täglich dem Untergange unterworffen / und des Todes gewärtig. Hingegen aber weit glückseliger / wo man sich Blasen am Pfluge reibet. Kein Herr weiß nicht recht im Friede und Ruhe zu sitzen / wenn er zuvor nicht wisse was Krieg sey. Niemand wird das für das Beste halten / wenn er sein Schweiß-Tuch zerreist und damit das Blut auf dem Kopfe auftrucknet. Nichts ist nöthigers als die Ruhe. Durch Krieg und Uneinigkeit werden die ansehnlichsten Länder zerstöret / durch Einigkeit aber erhalten: Der Friede ist eine Tochter des Höchsten / eine Mutter der stillen Ruhe / eine Schwester der Liebe / und Erhalterin der Künste: Durch Jhn wird der Himmel erhalten / und die Erde regieret: Alle Planeten und Elemente sind mit dem Bande des Friedens verknüpfft: Durch ihn fallen dahin alle unreine Gedancken / das Gewissen wird gereiniget / und die verletzte Seele erhalten / da gegentheils die Uneinigkeit alles Elend erbauet / Glück / Leben und Ehre auf die Spitze setzet / und der Boßheit allen Muthwillen verstattet. Derohalben was kan doch auf dem Erdboden wohl edler / als der edle Friede gefunden werden? Denn er ist / mit einem Worte zu sagen / ein Beschützer der Frommen / ein Schrecken der Tyrannen / eine Klarheit der Seele / ein Galgen der Diebe / ein Vertilger der Zwietracht / ein Verfolger des Krieges / ein Port der Freyheit / eine Ruhe des Gemüths / ein Band der Liebe / ein Zaum des Zorns / und von deme nicht löblichers kan gehöret / nichts nützlichers gewünschet / und nichts bessers besessen werden. Denn wer denselben hat / der behält ihn / daß er solchen nicht verliehre / wer ihn verlohren der suchet ihn / biß er ihn gefunden / und wer ihn gefunden / der brauchet und behält ihn / damit er ihn nicht wieder verliehre. Wie nun durch die Gewalt der Waffen alles erbärmlich zerschleifft / die Länder verödet / die Billigkeit zernichtet / die Scepter zerschlagen / die Cronen zerbrochen / und die höchsten Häupter von ihrer Herrlichkeit gestürtzet werden: Also ist der Friede die beste Freyheit / welche die Tugend vertheidiget / die Laster vertilget / die Frommen umgiebet / und die Furchtsamen wieder in den Stand setzet / darinnen sie sicher bleiben / und leben können.

I. Vom Mercurio.
[arrow up]

ES ist nichts in der Welt / das nicht seinen Wechsel suche. Die Arbeit bricht der Ruhe / und diese der Arbeit ab. Ein hoher Geist verschnaubet unter der Last / und Jupiter selbsten lässet sich zuweilen von dem Atlante den Himmel stützen: Der unverdrossene Mercurius weiset uns gleicher Gestalt durch seinen Fleiß / und ruhige Leyer den Unterscheid. Und
|| [ID00159]
|| [ID00160]
|| [141]
(Hesiodus in Theogoniâ.) weil er sich jederzeit / als ein Erfinder der Künste / ein Beschützer der Hirten / ein Helffer der Schiffenden / ein Stiffter des Friedens / und ein Unterhändler des Krieges unverdrossen bezeiget / so geneusst er auch beydes der Götter und Menschen Freundschafft: Ein jeder sucht seine Gunst / und einjeder (Virgilius. Didymus. Pausanias.) wündschet sich von ihme das zu haben / was er zu besitzen verlanget. Er soll des Jovis und der Majae Sohn gewesen / in Arcadiâ anf dem Berge Cyllene, oder wie etliche dafür halten / in Boeotien auf dem Berge Corycio, oder nicht weit von dem Flusse Alpheo in Arcadien in der Stadt Acacesio gebohren / und von der Junone, unwissend wer er sey / gesäuget worden / auch hernacher / weil er aus seinem Munde etwas von der Junonis Milch habe fallen lassen / dasjenige Gestirn / welches man Via lactea, oder die Milch-Strasse nenne / den Nahmen bekommen haben / wiewohl man solches auch dem (Callistratus.) Herculi beymisset. Man pflegte ihm den Tag zu heiligen / und nebenst (Homerus.) der Milch die Zungen von dem geschlachteten Viehe aufzuopfern / und dieselben in das Feuer zu werffen / wodurch angezeigt / daß man vor allen Dingen / (Guevara.) die Zunge der Vernunfft unterwerffen müsse. Das mächtigste / so ein Mensch an sich hat / ist das Hertz / das zärteste das Blut / das schönste die Augen / das schwereste das Fleisch / das unruhigste der Puls / das weicheste der Miltz / daß subtileste das Gehör / das allergefährlichste aber die Zunge. Denn wer dieselbe wohl an sich zu halten weiß / der entgehet vielem Unglücke: Alle Glieder haben ihre Verrichtungen: das Hertz dencket auf allerhand: der Wille ist damit zufrieden: Die Augen sehen: Die Ohren hören: Die Füsse gehen: Die Hände pflegen des Leibes / und der Leib wartet seines Thuns ab / ohn allein die Zunge führet entweder das Leben oder den Tod in sich. Sie ist nichts anders als eine Tafel / darinnen der Kluge das Beste und der Narre das Thörichte entwirfft. Unter andern legte man dem Mercurio auch unterschiedene Nahmen bey / und nennete ihn bald einen Herolden / bald einen Bothen der Götter / bald einen Gott der Beredtsamkeit / und des Erdreichs / einen Vorsteher der Träume / und der Sterbenden / einen Erfinder der Leyer und (Cicero l. 3. de Nat. Deorum.) Ringe-Kunst / einen Diene???s Krieges / und Stiffter des des Friedens. Es werden dieses Nahmens ihrer Etliche gerechnet; Denn der erste wäre ein Sohn des Himmels / und des Tages / der Ander / welcher nur unter der Erden zu wohnen pflegte / des Valentis, und der Pheronidis, der Dritte des Jovis und der Majae, und der Vierdte des Flusses Nili Sohn gewesen / der Fünffte aber hätte die Aegyptier in dem Gottesdienst / und andern natürlichen Sachen unterwiesen. Es sey nunaber wie ihm wolle / so wird doch alles dasjenige / was denckwürdiges von dem Mercurio gesagt / von des Jovis und der Majae Sohne verstanden. Man meldet sonst in gemein / man soll keinen unterweisen / wer nicht unterwiesen seyn will: Keinen lehren / der nicht zu lernen gedencket: Keinen straffen / der sich nicht straffen lasse / und kein Schwert an einem Felsen zerschlagen / der sich mit Bickel nicht zerspalten lässet: Von Jhme aber werden wegen seiner Beredtsamkeit die Menschen mit güldenen Kettlein gezogen / und geleitet wohin es ihme alleine gelüstet. Jhme dichtet man etliche Aemter an / als daß er nehmlich der Götter Speise-Saal / und Raths-Stube aufputze: des Jovis Befehliche verrichte: ihme an statt des entführten Ganymedis den Nectar-Tranck darreiche: der verstorbenen Seelen des Nachts in die Hölle führe: Sich stets bey denen Ring- und Kämpf-Plätzen / auch öffentlichen Zusam̅enkunfften befinde: Die Heroldschafft in Kriegs-Verrichtungen und Abschickungen über sich habe: Die Bündnüsse und der Waffen Stillstand beobachte / und denen Kauffleuten Maaß / Ziel / und Gewichte (Natalis Gemes.) vorschreibe. Gleichwie aber in der Welt nichts Vollkommenes / das [142] nicht seine Mängel / und nichts gutes / das nicht getadelt: Also wird derselbe auch von vielen für einen Gauckler / listigen Dieb / und einen Betrieger in Handel und Wandel gehalten / welcher in Jugend dem Vulcano seinen Werckzeug / der Veneri den Gürtel / dem Apollini sein Vieh / und dem Jovi den Scepter und letzlich gar die Donnerkeule / wenn sie ihm nicht zu heiß gewesen (Ovid. l. 11. c. 8.) wäre / gestohlen / die Penelopen in gestalt eines schönen Bocks geschwängert / des Daedalionis Tochter die Chione geschändet / und den hundertäugigen (Lactantius l, 1. de fals. Relig.) Argum getödtet / also daß man von ihm saget: Fur ac Nebulo Mercurius quid ad Famam sui reliquit, nisi Memoriam fraudum suarum? Coelo scilicet dignus, qui Palaestram docui & Lyram. Nichts könne ihm mehr zu seinem Nach-Ruhme gereichen / als das Gedächtnis seiner Betrügerey / und wäre man solchem / weil er die Ringe- und Fecht-Kunst / benebenst der Leyer erfunden / den Himmel zu zueignen nicht schuldig. Die Aegyptier bildeten ihn bald mit einem hellen / bald klaren / bald tunckeln / bald schwartzen Angesichte / dieweil er sich bald beyden obersten / bald bey den untersten Göttern befünde / und fügten ihm einen Stab bey / welchen zwey Schlangen umwunden / und dadurch die Sicherheit und Eintracht lehreten. (Adrianus Junius in Emblematibus.) Etliche aber mahleten denselben zugleich als einen Jüngling und alten Man̅ ab / und zeigten damit an / daß derjenige / welcher über andere herrschen wollte / nicht nur starck und behertzt / sondern auch weise / klug / und verständig seyn müsse: Prudentia enim cum Robore conjuncta: Wo keine Weißheit ist / da ist auch keine rechte Stärcke. Viribus Cyllenius integris stat junctus cum Senio gravi: Robur invictum est, Sapientiâ si Firmes, qua sine concidet. das ist: Es stund derselbe da in seiner Jugend-Blüthe / und wiese durch sich auch des Alters seine Güte / Wofern die Stärcke wird mit Weißheit wohl versehn / da kan dieselbe nie zernichtet untergehn. Denn es hat sich ein tapfer und weiser Mann in seinen Thaten und Wercken also zu erweisen / daß er das / was er unterweilen durch Thorheit übersiehet / (Lib. de falsâ Relig.) mit seiner Weißheit bald wieder verbessern könne. Es ist aber / wenn man nach des Lactantii Meinung / vernünfftig davon reden / und der Poeten ihre Fabel-Reden beyseite setzen will / Mercurius ein Mann von hohem Verstande / und sonderbarer Weißheit und Geschicklichkeit gewesen / welcher nicht allein viel Wissenschafften erfunden / sondern auch sie / wie man solche zu des Menschen Nutzen wenden könne / gelehret. Dahero man Jhn auch für des Jovis, und der Majae, das ist / für den Sohn derhim̅lischen Gütigkeit gehalten. Denn gleichwie die menschliche Natur jederzeit an etwas einen Mangel hat: Also hat die Göttliche Natur alles überflüssig / und kömmt diese jener zu Hülffe: Es ist menschlich etwas von den Göttern bitten / göttlich aber dasselbe zu geben. Und gleichwie die menschliche Schwachheit für sich unmächtig etwas Hohes zu begehren: also pflegt die Göttliche Allmacht sie mit Wolthaten zu unterstützen: Jhrer viel sind für des Jovis Söhne / für göttliche Menschen / und in die Zahl der Götter aufgenom̅en worden / welchen man zu Ehren / Tempel / Altar / Ceremonien und Priester verordnet. Was aber ist dieses anders / als daß uns die Alten dadurch zu Erlernung der Weißheit und der Künste aufmuntern / den Mercurium, als ob er die Sterblichen an göldenen Ketten [143] mit sich nach Gefallen herumführen / aufstellen / und was für Macht / und Gewalt die Beredsamkeit habe / dahero zu erkennen geben wollen. Daß man Jhn aber / oder vielmehr seinen Planeten für einen Gott der Diebe / und Betrüger achte / rühret zweifels ohne daher / daß offtermahls herrliche Ingenia in ihrer Jugend zu allerhand Lastern / und Schalckheit geneigt / welche / wenn Jhnen bey Zeiten nicht gewehret / letzlich bey ihrem guten Verstande versauern / und zu lauter Lotterbuben werden. Denn weil des Mercurii Eigenschafften trucken und warm / so macht er geschwinde / beredte / und zu allerhand Listigkeit verschlagene Menschen. Und weiln auch des Mercurii Planeta mehr Veränderungen in der Bewegung / und Umschweiffe als fast die anderen Planeten alle haben / indem er bald über sich / bald unter sich steiget / und bald vor sich / bald zurücke läufft / bald aber gar stehende zu seyn scheinet / so hat man Jhm um beßwillen fertige Flügel auf das Haubt / und an die Füsse geeignet / welche ihn an statt der Winde darvon trügen / welches alles nichts anders als auf einen klugen und scharffen Redner / auch fähigen Verstand / gute Weißheit / auch Beredtsamkeit kan gezogen werden / dahero von diesen beyden letzteren folgendes: Man liebt der Weißheit ihre Künste / durch sie reißt man sich hoch emport Für sie ist alles lauter Dünste / Die niemahls kommen so hervor / Wenn diese beyde sich erregen / so muß sich alles Eitel legen / Das in sich selbsten bald erstirbt / und keinen Nach-Ruhm nie erwirbt. Die Feder hebt die leichte Lantze / dieselbe schärfft die Feder so / Daß / weil sie beyd in einem Crantze / der Tod derselben nicht wird froh / Es mag sich Donner / Hagel brüsten / so fliehen sie aus allen Lüsten hin / wo die Sterbligkeit erblafft / und nur die wahre Ruhe rast. Wer diesem folgt der kan stets bleiben entfernet weit von aller List: Er kan ihm ein Gedächtnüs schreiben daß man was kluges von ihm liest: Die Weißheit wohnt in dem Gehirne / ihr Hauß das ist die muntre Stirne / das wird nur diesem aufgethan / der den Verstand recht brauchen kan.

K. Von den sieben freyen Lünsten / als von der Grammatica.
[arrow up]

DEr Mensch wird nicht vergebens die kleine Welt genennet. Den̅ nachdem er ein Besitzer aller freyen Künste und Wissenschafften: so ist hieraus die Anzeigung seines hohe̅ Verstandes / un̅ die Wirckung seines heroischen Gemüths zu verspühren. Es hat der Allerhöchste zu dem Ende dem [144] Menschen die Seele einverleibet / daß er gleichsam in dieselbe durch fleissige Ubung alle Wissenchafften einzeichne / und dadurch zur Menschlichen Vollkom̅enheit kom̅e / sein Verstand ist zu allen Dingen fähig / und vergleich sich einem Acker / der / wenn er wol gebauet / die besten Früchte bringet: Nichts ist / was dem göttlichen Wesen näher tritt / als die Wissenschafften: zur Zeit Königs Philippi in Macedonien entstund eine Frage / welches das gröste in der Welt wäre? Einer sagte der Riese Atlas, weil sein Grab kaum ein hoher Berg bedecken könte. Ein ander / es sey der Poet Homerus, weil er theils in seinem Leben gerühmet / und nach dem Tode ohne Unterlaß geliebet würde. Der Dritte / es sey der Berg Olympus, dessen Spitze bis an den Himmel reichte. Der Vierte aber / es sey ein gelehrter Mann / welcher gleichsam über Himmel und Erden ragte. Denn es ist kein Stand in der Welt / der nicht durch die Wissenschafft der Künste Lob und Ehre zu erjagen vermag. Es sind solche / die man lernet / mit dem Sinne fasset und offters versuchet / und letzlich im Gemüthe behält. Denn sie sind eben diese / welche man weder raubet noch stiehlet / die / so die allerbesten Waffen des Alters / die / so man nicht verzehret / und die / durch welche man zu den grösten Ehren gelangen kan. Als Plato gelehrten / gab er zur Antwort: Wie zwischen einem Artzte / und einem Krancken. Thales Milesius hielte den für den Glückseligsten / welcher mit Kunst und Geschicklichkeit begabet. Diogenes sagte / es trüge / und ernehrte die Erde nichts unliebers / als einen ungeschickten. Keyser Severus ward von Jugend auf in Regierungs- und Kriegs-Sachen so emsig erzogen / daß er hernacher nicht einen Tag wohl verabsäumete / an dem er nicht entweder denen freyen Künsten / oder dem Kriegswesen oblage. Das menschliche Leben ist ohne die Geschicklichkeit ein lebendiges Grab / hingegen aber sind die guten Künste die / welche die Jugend erhalten / das Alter belustigen / das Glücke befördern / die Traurigen trösten / die Verzagten ermuntern / die Reisenden begleiten / und die Verfolgten beschützen. Als bey geführtem Kriege Etliche der Mitylener Lands-Leute von ihrem Vaterlande abfielen / legten ihnen hernachmahls die andern dieses zur Straffe auf / daß dero Kindern weder Lesen noch Schreiben / noch die freyen Künste zu lernen verstattetseyn sollte. Gleichwie nun der Mensch durch die gefasste Kunst und Wissenschafft sich ein unsterbliches Lob erjaget: Also wollen wir auch der also genannten sieben freyen Künste eigentliche Beschaffenheiten mit wenigen berühren. Es ist aber die Erste / als die Grammatica, oder Sprach-Kunst nichts anders / als eine solche Wissenschafft / welche mit den Buchstaben / woraus sie die Wörter zusammen setzet / umbgehet / und dieselben recht auszureden / zu schreiben / zusammen zu fügen / und zu unterscheiden lehret. Es wird aber dieselbe in vier Theile eingetheilet: Als nehmlichen in die Orthographie: daß man recht schreiben lernet / in die Prosodie: daß man einen Accent, Wort oder Sache wohl ausspreche: in die Etymologie: daß man die Wörterrecht erkläre: und in den Syntax: daß man die Wörter recht zu setzen / und zu verknüpfen weiß: Dieses scheinet zwar ein geringes zu seyn / indem man mit den Buchstaben / und dero Forme / mit den Syllaben / mit den Wörtern / und mit den Puncten muß umgehen / alleine sie ist ein solch beständiges Fundament, darauf alle Künste pflegen gegründet / und durch sie alle Wissenschafften eröffnet zu werden: Pro [145] metheus erfand zum ersten bey den Griechen diese Wissenschafft / und Dionytius Licinius zu Rom die Lateinischen Buchstaben / und Syllaben / deßwegenman Ihm zu Ehren in dem Capitolio daselbst / wie auch dem Verrio Flacco, umb seiner guten Unterweisung willen / sein Bildnüß aufsetzete. Die Grammatici, oder die / so diese Kunst lehren / hatten vor Alters die gröste Arbeit / und dann auch wegen ihres angewandten Fleisses das gröste Lob: Die Römer machten ihnen öffentliche Besoldung / und verstatteten denenselben / daß sie auf offener Strasse lehren mochten: Sie sind eben die / welche / wie gedacht / den ersten Stein und Grund zum Baue legen die da lehren die Gedancken deß Hertzens mit deutlichen Worten an den Tag zu geben / wie man verständig schreiben / wie man zierliche Brieffe stellen / wie man nachdenckliche Verse erfinden / Geschichte entwerffen / und (Angelus Politianus in Miscellan???is c. 43.) allen Dingen mit gewisser Masse einen Zusatz geben solle. Ein rechter Gra̅maticus ist der / welcher aller Scribenten / Poeten / Geschicht-Schreibern / Rechtsgelehrten / Weltweisen / und anderer ihre Schrifften durchzugehen und zu erklären weiß. Den̅ vordessen hatten die Grammatici ein solch Ansehen / daß denenselben auch die Censur, und das Urtheil über alle Schrifften anbefohlen wurde. Uber dieses / so ist auch die Nutzbarkeit der Grammatica nicht die Geringste / sondern eine der Vornehmsten. Denn Sie unterscheidet das Gute und Böse: Sie ist eine Nothwendigkeit der Jugend: Eine Annehmlichkeit des Alters: Eine Gefertin der Geheimnüsse: Eine Gesellin der Poësie: Eine Freundin der Geschichte: Eine Beförderin der Astrologie: Eine Beschreibung deß Auf- und Nieder-Ganges / und eine Uhrheberin aller Wissenschafften / wie von Ihr dieses lautet: (Philipp. in Praefat. in Syntaxin.) Frustra Doctores sine me coluêre Sorores. Es ist umsonst / wenn man nach Wissenschafften stehet / und nicht zuvor bey mir zur Unterweisung gehet. Jener Gelehrte schrieb auf eine ledige Tafel / worauf die Mahler zu (Die aufgelassenen Jugend. Savedra in Emblematibus.) zeichnen pflegen / dieses: Ad omnia: Was hat man von der Jugend / die gleichsam noch Zügelloß ist / anders zu sagen: Wofern nun ihre kindische Geberden dem Alter am Verstande gleicheten / bedürffte es keines so schweren Aufmerkens / nachdem aber ihr Alter ein solches mit sich bringet / so heist es: Wer geschickt ist von denen Seinigen / etwas zu lernen / der lasse sie lernen / wer aber ungeschickt / der wende seine Hand zu einem erbahren Handwerke / damit er / sich zu ernehren geschickt mache: Arbeit vertreibt die Laster / und führet in sich eine süsse Frucht. Wer sich nicht bücket / der pflüget nichts gutes / und wer sich der Mühe scheuet / der bauet nichts beständiges: GOTT ist niemand zu ernehren schuldig / weil er demselben die Mittel zu Arbeiten an die Hand giebet: Wir Grossen aber sind schuldig / die Kleinen zu verbessern: Die Boßheit kömmt von der Gewonheit her: Ein harter Sinn erfordert einen harten Knüttel: Wann dahero die Jugend durch den Verstand wohl zugeritten werden solle / so ist nöthig / daß man derselben beyzeiten die Weißheit in das Gemühte / das Stillschweigen in die Zunge / und die Schamhafftigkeit in das Gesichte lege. Ihrer viel haben sich eine Geissel über den Rücken gezogen / wenn Sie ihre Kinder in der Jugend nicht genugsam gezüchtiget. Es ist nicht weniger an einer klugen Unterweisung als Auferziehung gelegen. Ein Thier ist so wild nicht / daß man es nicht besänfftige / und kein Mensch so grob / den man nicht bald Anfangs zu etwas guten bringen könne: Ein junger Baum bieget sich eher / als ein Alter. Wie derowegen das / was man rechtschaffen gelernet / des Menschen Aufenthalt: Also schafft auch alle [146] Kunst dem Alter einen sicheren Nutzen. König Amasis in Aegypten befahl / daß ein Jeder in seinem Königreiche arbeiten / und eine ehrliche Kunst und Handwerck erlernen / oder in Entstehung dessen mit Ruthen gestrichen / un̅ deß Königreichs verwiesen werden sollte. Die Boßheit der Jugend rühret offters von der Eltern Ubersehen her. Man siehet bald in der Kindheit / wie es mit dem Menschen bewandt: Man beklaget die Mühseligkeit des Lebens / Man wündschet mit den Gedancken von der Welt: Man suchet Ruhe in dem / da keine zu finden: Man preiset Andere / wegen ihrer wohlgezogenen Kinder glückseliger / und wenn man alles Klagen beym Liechte besiehet; so hat man die Schuld sich selbst beyzumessen. Denn die Kindheit lässet man mit liebkosenden Worten vorbeystreichen / und bey der angehenden Jugend macht man ein Auge zu / wenn aber dieselbe ihre Mannbarkeit erreichet / so sind bey derselben nichts als lauter Laster / lauter Untugenden / lauter Boßheit / und lauter Leichtfertigkeit mit aufgewachsen / und muß hernach / weil fie sich als Tempel GOTtes nicht wohl erziehen lassen / zum Werck-Zeuge deß Teuffels gebraucht werden. Kein Feind kan Einem an Haab und Guth / an Leib und Leben so schädlich fallen / als die Laster der Kinder. Die Römer warneten anfänglich in ihrem Gesetz / so Sie Legem falcidiam nenneten / die Kinder wegen ihres Verbrechens zur Tugend und Arbeit / hernach wenn Sie in ihrer Boßheit fortfuhren / strafften Sie solche / wenn Sie aber davon keines Weges abstunden / liessen Sie dieselben aufhenken. Es ist eine grosse Thorheit / wenn die Eltern aus Liebe den Kindern alle Uppigkeit verstatten. Denn sobald ihnen der Zügel zur Freyheit gelassen / so nisteln daselbst die allerschändlichsten Laster ein. Eine noch viel grössere Thorheit ist diese / wenn sie dieselben dem Glücke befehlen / und inzwischen sie zu etwas guten zu halten verabsäumen. Der Gesetz-Geber Lycurgus befahl alle Knaben bis in das zwey und zwanzigste Jahr auf dem Lande zu erziehen / damit ihre Leiber zu allerley Arbeit gewehnet / und von denen verhinderlichen Wollüsten abgehalten werden möchten: Der Jenige / welcher bey der Wollust wollüstig ist / und niemals etwas gutes anzufahen gedencket / dessen Ende kan weder erfreulich noch ersprießlich fallen. In den Balearischen Insuln reichte̅ die Mütter den Kindern nicht das Brod selbst / sondern sie legten dasselbe auf einen erhabenen Ort / damit wenn solches die Kinder ersahen / und davon zu essen begehrten / es zu erlangen Mittel und Wege suchen musten: Der Frey-Beuter Viriatus hatte zu feiner Zeit hundert seines gleichen bey sich / welcher des Tages über in ihren Schuhen Bley legten / damit sie desto hurtiger auf den Beinen seyn kunten: Die alten Britannier pflegten ihre Kinder theils mit dem Eise zu waschen / theils auch / wenn sie erwachsen / darauf zu führen / und dadurch behutsam gehen / und arbeiten zu lernen: Dieses / ob es gleich eine schlechte Ubung / so war es doch ein Anfang / daß der Müssiggang / und aus diesem die Laster / dieselben nicht in ihrem Alter zu Sclaven machen möchten. Was für schlechten Ernst braucht man doch offters bey Erziehung der Kinder. Bald sind Sie zu was gutem anzuführen / zu klein: Bald zu zart: Bald zu unvermögend: Bald zu kräncklich: Wenn Sie aber erwachsen / und der Ast nicht mehr zu beugen / so schlägt man die Hände über den Kopff / und wündschet / daß man ihr Begräbnüs bey ihrer Geburts-Stunde gesehen hätte. Man hat iederzeit die Disciplin und Zucht dahin eingerichtet / daß man zwischen einem fähigen / und langsamen Ingenio einen Unterscheid machen könne: Etliche hat man [147] zu ehrlichen Wissenschafften / Etliche aber zu andern Künsten und Erlernung (Begreiffung der Sprachen.) der Sprachen angehalten: Denn zu geschweigen der Ersten / so sind die Letzteren solche herrliche Gaben / die beydes denen Grossen und Kleinen höchstnützlich / wohlanständig / und zuträglich. Jener Poet rühmete (Ennius.) sich / er hätte drey Hertzen / wodurch er die erlerneten Drey Sprachen verstünde: Den Erichtonium mahlete man / wegen Erfahrenheit der Griechischen und Aegyptischen Sprache / halb als einen Menschen / und halb als einen Drachen ab: Der Herzog von Boullion stillete offters durch der Sprachen Wissenschafften die Zwistigkeiten seines von allerhand Völckern vermengten Krieges-Heeres: Matthias Corvinus König in Ungern war nebenst der Griechischen un̅ Türckischen auch anderer Sprachen erfahren: Kaiser Carl der Grosse wuste nebenst der Lateinischen und Griechischen auch andere: Kaiser Friedrich der andere redete sechs / Mithridates König in Ponto zwey und zwanzig: Keyser Carl der Vierte fünff / Keyser Maximilianus vier / und die Aegyptische Königin Cleopatra die Arabische / Hebraeische / Syrische / Medische / und andere Sprachen. (Plutarchus in vitâ Dionysii.) Sobald als der weise Plato in Sicilien kam / schickte ihm der sonst hochmüthige Tyrann Dionysius ein Schiff entgegen / und empfing ihn an dem Ufer deß Meeres mit seiner Carrete von vier weissen Pferden gezogen: Keyser Augustus verschonete die Einwohner der Stadt Alexandria umb dreyerley: nämlich umb das Gedächtnüs deß Alexandri Magni, umb der Stadt Schönheit / und umb des Weltweisen Mannes Arrii willen: Robertus König in Sicilien hielte die Gelehrten in höchsten Werth: Als Keyser Theodosius gefragt wurde: wie ein Potentate zur Regierung geschickt seyn müsse: Antwortete er: wenn Er / so offt er Taffel hielte / verreisete / und sich zur Ruhe begeben / oder die übrige Zeit vertreiben wollte / iedesmahl gelehrte Leute umb sich hätte. Keiser Aurelius pflegte niemahls aufzustehen / noch des Abends schlaffen zu gehen / es sey dann / daß er Gelehrte und Erfahrne umb sich gehabt. (Des Reisens Nutzen.) Wie nun der Geschmack der Weißheit / und der Rath der Weisen ein herrliches Gerüchte. Also begreiffen auch die daher rührende Reisen ein grosses in sich / Der gelehrte Democritus schiffte in Aegypten / und in Persien bis an das rothe Meer / damit er der Chaldaeer Weißheit hörete: Der Pythagoras reisete zu Erlernung der Philosophie in Persien / und begrieff (Lactantius l. 4. Divin. instit. c. 33. p. 239.) daselbst den Lauff des Himmels: Nicht umsonst sagte jener Gelehrter: Prius disce, qui doces, & anteqvam Mores aliorum corrigas, tuos corrige: Lerne zuvor das / was du andere lehren willt / und durchgehe erstlich dein Leben / und Wandel / ehe du an Andern was straffen willt. Der jenige / welcher viel Länder durchziehet / und mit vielen umbgegangen / der ist in viel Sättel gerecht. Das Reisen ist ein Stücke der zeitlichen Weißheit / und Glückseligkeit. Denn wenn man nicht nur Städte und Länder / sondern auswärtige Sitten / Ordnungen / und Gebräuche siehet / sich in der Frembde mit Gelehrten bekannt machet / und ihrer Conversation geneust / so macht man sich in allen Thun und Wesen geschickt. Und ob zwar vor diesem / viel Nationes, und unter denenselben die Lacedaemonier, Sineser und Moscovviter das Reisen für unnützlich und verächtlich gehalten / und niemand von denen Frembden ihre Länder betretten lassen wollten / so treibet uns doch hierzu beydes die Göttliche Allmacht selbst / und dann die natürliche Klugheit. Denn die Natur hat nicht allen Leuten alles gegeben: Eines muß sich von dem Andern erhohlen / und ihrer viel müssen sich in ihren Ländern aus Andern ernehren: Die mensch [148] liche Vernunfft erstrecket sich weit / und die Wohlfarth deß gemeinen Wesens erfordert eine solche Beschaffenheit: Wir lernen das / was wir zuvor nicht wusten / bespiegeln uns an dem / was uns in diesem Leben zuträglich / und erlernen zugleich / was der Unterscheid der Tugenden und Laster sey. Und ob schon das Reisen viel Mühe / Kosten / Ungelegenheit / ja zuweilen auch den Menschlichen Untergang / Schaden / und Unheil gar nach sich ziehet / so wird doch die Tugend / Kunst / und Erfahrenheit immer höher geachtet / welche sich auf dem Schau-Platze dieser Welt zubereiten lassen. Und gleichwie aller Ambra / und Biesem / wenn man ihn wohl zerreibet / weit besser reucht: Also ist es auch mit diesem. Denn durch ihn wird das Gemüht belustiget: Viel Sachen erfahren: Viel denckwürdiges gehöret: Viel wunderliches gesehen: Viel seltzames gemercket: Viel frembdes beschauet: Viel Sitten gelernet: Viel Freundschafft gestifftet: Viel Gemüther erforschet: Und an sich selbst viel geschickter gemacht. Es sind aber diese die tauglichsten und geschicktesten zur Reise / welche viel Geld haben: Die Gelehrten und Weisen / welche durch ihre Zunge die Gemüther der Menschen bewegen / und Jedermänniglich dardurch an sich ziehen: Die / welche von ansehnlichen / und guten qualitäten / auch sonderbarer Tapferkeit / und die / so ein Hand-werck gelernet. Denn der Jenige / welcher durch seine Kunst / Geschicklichkeit des Leibes / oder Stärcke sein Brod in der Frembde zu suchen gedencket / der darff daselbst nie den Bettel-Stab ergreiffen. Von der Arithmetica. DIe Arithmetica ist nichts anders / als eine Wissen schafft der Numeren, allwo man bald dieselben zusammenzehlet / bald abziehet / vermehret / zertheilet / und solches alles entweder mit Ziffern / der Rechen-Taffel / oder Rechen-Pfennigen werckstellig machet. Unter den Mathematischen Künsten ist Sie die Vornehmste / alldieweil Jene keine Andern / als diese bedürffen / allermassen auch ihrer die Musica, Geometria und Astronomia, wegen Ausrechnung / Eintheilung / und Anführung der Zahlen / nicht zu entbehren vermag. (Georg. Purbachi???. Isidor. l. 3. Etymol.) Sie soll von den Sidoniern / und Arabern / oder nach anderer Meinung / von dem Pythagorâ erfunden / von dem Nicomacho, und nachgehends von dem Apulejo und Boëtio weiter fortgepflantzet worden seyn. Sie ist aber die jenige / welche andere Mathematische Wissenschafften oder Scientien übertrifft. Denn Sie ist gewisser / als die Geometri: Sie ist eine Ernehrerin der Commercien: Eine Anweiserin der Geschwindigkeit: Eine Erheberin der Künste / und eine Anführerin der Music. Und gleichwie Sie in ihrer eigenen qualität bestehet. Also pflegen hingegen von Ihr alle übrige Wissenschafften gleichsam den Ursprung zu haben. Arithmetici, qui Naturâ sunt, ad omnes disciplinas acutisunt. Denn die Jenigen / welche von Natur zur Arithmetica geneigt / und dieselbe begriffen / werden in andern Künsten viel vortrefflicher (Plato in Epimenide.) als Andere: Jener Weise nennete sie principalem, & summè divinam: Eine von denen vornehmsten / und fast göttlichen Wissenschafften / die in der Speculier-Kunst bestünden / und als man fragte / weßwegen man den Menschen für das weiseste / klügeste / und vernünfftigste Thier hielte? gab er zur Antwort: Weil er zehlen könte; Denn alle Dinge in der ganzen Welt bestehen in einer gewissen Zahl. Etliche der Weisen geben vor / [149] die Natur der Zahlen menge sich in alle Dinge / und sey deroselben Erkäntnüß die rechte und warhafftige Weißheit / welche mit der selbstständigen / unvergänglichen / und göttlichen umb gienge: GOTT wäre eine unaussprechliche Zahl: Bey den Alten nennete man Eins Zera, welches Sie dem Jovi, und das Zwey Hera, der Junoni zueigneten / alldieweiln Jupiter die Materia, und Juno die Forma wäre: Die Zahl Dreye hielte man für wunderwürdig / weil GOTT Dreyfaltig in Personen / und Eins im Wesen: Durch Dreye Himmel und Erde erschaffen / und dieselben zu seiner Vollkommenheit / als durch die Zusammen-setzung / Unterscheidung / und Austheilung gebracht hätte. Die Persischen Magi setzten zu Richtern über die Welt / GOTT / die Vernunfft und die Seele: Alle Dinge würden indrey Theile abgetheilet / der Anfang / das Mittel / und das Ende. (Architas Tarentinus in Lib. Sapient.) Die Viere sey eine Zahl / so zur Seele gehörete: Der erste Terminus wäre die Göttliche Weißheit / durch welche der Mensch zur Betrachtung der ersten Ideae erhoben würde / und des Menschen Verstand gleiche sich wie die Sonne in der Welt / das Auge in dem Leibe / und das Leben in der Seele: Der Ander / die Zuneigung zu solcher himmlischen Weißheit: Der dritte / die Erfassung derselben / daß er zwischen der Göttlichen nnd Menschlichen Weißheit einen Unterscheid machen könne: Der Vierdte aber / wenn die Seele wieder zu ihrem Anfange / als zu GOTT gebracht würde. Die Fünffe bedeute alles gutes / und würde dem Vulcano zugeeignet. Die Sechse deute an die Vollkommenheit / weil GOTT der Allerhöchste an dem Sechsten Tage das Geschöpfe geendiget. Die Sieben vergleiche sich mit einer unendlichen Zahl: Die Achte der Glückseligkeit: Die Neune einer Englischen Zahl: Die Zehne einem Bilde aller Vollkommenheit. Aus welchen allen nichts anders zu verstehen / als was die Zahlen für Wirkungen / Krafft und Bedeutung in sich haben / inmassen man auch der Meinung / daß keiner ohne deroselben Wissenschafft die Philosophie recht zu begreiffen verwöge. Gleichwie nun Pythagoras, Theophrastus Eresius, des Aristoteles Schüler / Xenocrates, Diophantes Archimedes, und Andere / von dieser herrlichen Wissenschafft geschrieben / und den Nutzen ihrer Vortrefflichkeit gezeiget. Also fand man auch vor Alters (Alexand. lib. 2. c. 25.) ihrer viel / die in dergleichen unerfahren: Denn die alten Römer wusten nicht über hundert tausend zu zehlen: Die Caspier nicht über hundert / und die Thracier nicht über viere: Hingegen liessen die Aegyptier unter andern Künsten auch ihren Kinden die Arithmeticam, Geometriam, und Artem Magicam lernen: Der Rechen-Kunst Anfang sind die fünff Species, denen folget die Regula Detri ohn-un̅ mit den Brüchen / die Handels-Wechsel-Gold-Silber-Factorey- und andere Rechnungen mehr / auch Resolvirungen der Müntzen / Maaß / und Gewichte. Es ist aber diese Kunst nicht allein / wie bekannt / in der Kauffmannschafft das allernöthigste / sondern sie dienet auch darzu / daß man durch sie die Zeiten unterscheide / die Jahre ausrechne / und hinwiederumb in gewisse Zeiten austheile: Die Aegyptier / Perser / und Hebräer / hatten keinen gewissen Ursprung der Zeit. Die Griechen und Lateiner waren dißfalls klüger: Jene rechneten ihre Zeiten auf die Olympiades, und diese von Erbauung der Stadt Rom an: Wir Christen aber fahen die Unsrige an entweder von Erschaffung der Welt: oder von der Geburt unsers Heylandes JESU CHRISTI.
|| [150]
Von der Dialectica. (Isidor. l. 2. Etymol. Thomas Aqvinas.) DIese ist nichts anders / als eine Disputier-Kunst: Eine Disciplina ad discernendas rerum Causas inventa, & scientia rationalis Actuum Rationis directiva, qvae â Phantasiis, qvae videntur, & non sunt, liberat. Welche durch ein vernünfftiges Uberlegen / freundliches Gespräche / und Gegen-Gespräche / die Wahrheit von der Unwarheit zu unterscheiden weiset / das Verborgene erklähret / und das Dunkele hinweg nimmet. Eine Wissenschafft / nach welcher alle Actus, oder Wirkungen deß Verstandes müssen gerichtet werden. Sie lehret die Rede vernünfftig vorzubringen / Ein iedes nach seiner Art und Eigenschafft zu beschreiben / in sein Wesen zu zertheilen / und von allen einen vernünfftigen Schluß zu machen: Sie erforschet alle Dinge / und erweiset ihren Nutzen in allen Wissenschafften. Und gleichwie sich ein Werckmeister in Verfertigung der Arbeit nach Winck elhacken / und Bley-Gewichte richtet: Also geschiehet es auch allhier / denn durch Sie wird der äuserliche Fehler ersetzet / der Verstand erleuchtet / und der Zwerck zur Warheit getroffen. (Cicero l. 2. de finibus, & in orat. de Bruto.) Der Philosophus Zeno verglieche Sie einer zugemachten Faust / weil sie mit wenig Worten viel Wercke verrichtete / und man ihre Krafft / Tugend und Wirckung allenthalben verspührete. Uber dieses weiset sie / wie man alles Wesen in gewisse Capita fassen / solches ihren zehen Praedicamenten (Quintilianus l. 2. c. 21.) einverleiben / und die Genera, Species, Differentias, Propria und Accidentia, welche man auch Praedicabilia zu nennen pfleget / absondern / alsdenn sich dieselben in das Hertz fassen / deutlich ausprechen / auf unterschiedene Weise probiren / und in den Elenchis die verborgenen Sophistischen Griffe fassen und begreiffen solle. Der Erfinder dieser Kunst soll Prometheus gewesen seyn / welcher auch den Assyrern zu erst die Astrologie gelehret / und hätten solche die Götter Ihm durch ein helles Feuer vom Himmel geworffen: Es seynd aber vor andern Zeno, Democritus, Socrates, Euclides, Antisthenes, Chrysippus, Plato, Xenocrates, Carneades, Aristoteles, Theophrastus Philosophus, Strato, hierinne beruffen gewesen. (in Bruto.) Wie nöthig sie nun denen Rednern / bezeuget Cicero, indem Er den Servium Sulpitium wegen dieser Kunst alleine dem Quinto Scaevolae vorziehet. Dahero als einsmahls auch Polyxenus, welcher Dialecticam lehrete / mit dem Tyrannen Dionysio discurrirete / und zu Ihm sagte: Siehe / ich habe dich nunmehro mit Worten überwunden! Antwortete dieser ihm spitzfündig: Und ich dich in der That. Denn als ich noch in deiner Information war / muste ich dir nachgeben / anietzo aber must du mir gehorchen / und thun / was ich dir befehle. Von der Rhetorica. ES ist kein Zweifel / daß diese edle Rede-Kunst nicht eine von denen ältesten sey. Cicero meldet / daß Sie müsse damahls / als man Städte gebaute / und gewisse Gesetze und Statuta zu geben verordnet / ihren Anfang genommen haben. Etliche schreiben die Erfindung der Rhetorica der Natur zu / als welche den Menschen lehrete / wie man recht reden / die Gedancken des Hertzens offenbahren / den Abriß der Rede mit rednerischen Farben / schönen Arten / klugen Sprüchen / und vernünfftigen Gleichnüssen abbilden / und bey der Dichter-Kunst das Ungebundene in (Aristoteles.) gebundene Reden bringen solle: Etliche der Polyhymniae, dem Mercu [151] rio, Dem Empedocli, Cadmo, und Cephalo. Etliche aber sagen / daß zu (Quintilianus.) erst dieselbe von zweyen Syracusanern / als dem Coriax, und Cresias in Sicilen gebracht / und die Vorrede / den Beschluß / und den Innhalt erdacht / hernacher durch Georgiam Leontinum zu Athen / und von dem AEschine zu Rhodis gelehret worden. Sie ist aber nichts anders / als eine Kunst und Wissenschafft von einer Sache / die man sich vorsetzet / zierlich zu reden / nicht daß man dadurch der Zuhörer Ohren mit lustigen Gethöne / sondern mit weisen Sprüchen / durchdringenden Worten / und zur Sache dienlichen Reden erfülle. Hiernechst wird die Rhetorica in zwey Stücke getheilet / als in die Elocution oder Zierlichkeit der Rede / und in die Pronunciation oder Aussprechung derselben: Die Zierlichkeit der Rede bestehet in zierlichen Tropis, und schönen Figuren: Ein Tropus ist nichts anders / als eine künstliche Veränderung der Wörter und Reden: Der Tropen Arten aber sind diese / nämlich die Metonymia, Ironia, Metaphora, und Synecdoche, der Bey-Arten oder Geschlechter die Antonomasia, Onomatopoeia, Cathachresis, Metalepsis, Allegoria, Paraphrasis, Hyperbaton- und Hyperbole: Die Metonymia behält die Wörter in ihrem eigenen Verstande: Die Ironia redet von dem / wodurch man das Gegenspiel verstehet: Die Metaphora nimmt ein Wort von seiner eigenen Bedeutung / und setzet solches wegen der Gleichheit zu einem Anderen: Die Synecdoche verstehet ein Theil an Statt der gantzen Sache: Die Antonomasia nennet zwar nicht den Nahmen einer Persohn / gibt aber durch ihre Rede zu vernehmen / wer es sey: Die Onomatopoeia hat nichts anders / als einen erdichteten Nahmen von dem Klange: Die Catachresis bedienet sich harter Worte wider die eigentliche Bedeutung: Die Metalepsis führet eine solche Art zu reden bey sich / da man aus dem Vorhergehenden das Nachfolgende / oder das Vorhergehende aus dem Nachfolgenden vernimmet: Die Allegoria hat die Gewonheit / daß sie ein anders redet / und ein anders verstehet: Die Paraphrasis erkläret ihre Sachen mit reichen Worten: Die Hyperbaton vermischet ihre Worte durcheinander / und die Hyperbole macht entweder eine Sache zu groß oder zu klein. Wie nun die itzterzehlten und übrigen Tropi in einzelen Worten bestehen: Also geschehen auch die Figuren in vollständigen Reden: Dieser seynd zweyerley Arten entweder in Sprechen / oder in Sprüchen: Die Figuren im Sprechen erscheinen beydes an denen Eigenschafften / und dem Wesen der Rede: An den Eigenschafften / wenn entweder was mangelt / oder reichlich verhanden: An dem Wesen / wenn man unterschiedene Dinge erzehlet. Mit einem Worte / es stecken hinter dieser Rede-Kunst nichts als zierliche Compositiones, allerhand Causae, und qvaestiones, die man in genere deliberativo, demonstrativo, und judiciali vorbringet / und aus welchen generibus oder Geschlechten man die Species, und Partes zu einer Oration nimmt: Sie weiset dem Redner / wie er die Materien erfinden / die Eintheilung und Ordnung machen / sich der Elocut on, der Ausrede / des Gedächtnüsses / und der Aussprache bedienen: Wie man die Rede nach der Frage zu richten: Wie die Frage einzutheilen: Wie aus dieser die Ursachen entstehen: Wieviel Gestalt derselben: Wie sie zu unterscheiden: Wie man den Anfang einer Oration stellen: Wie man eine Sache nach ihrer Art zierlich erzehlen: Wie man sie mit allerhand Gründen bestättigen: Wie man die Einrede des Gegentheils widerlegen / und endlich alles das Jenige / was man gesagt / mit einer kurtzen Wiederho [152] lung beschliessen solle. Aus diesen und dergleichen Tropis und Figuren entstehet dahero deroselben Kunst und Tugend / dadurch sie die Gemüther beweget / die Hertzen erweichet / die Traurigen tröstet / die Aufrührischen bändiget / die Zornigen stillet / die Begierigen hemmet / und die Gedanken der Menschen zur Billigkeit bringet. Gleichwie aber diese Kunst ohne eines tapfferen Redners Zuthuung gleichsam verschlossen lieget: Also sind Ihrer unterschiedene gewesen / die entweder Dieselbe gelehret / oder von Ihr geschrieben / als: Socrates, Isocrates, Aristoteles, Thrasimachus, Theodectus, Amphicrates, Lucius Plotius, Epidius, Apollodorus, Marcus Portius, Qvintilianus, Aristocles, Polemon, Hermogenes, Aristides, und andere. Als eines Tags Diogenes Cynicus über eine wichtige Sache eine Oration hielte / und niemand sonderliches sich hierzu einstellete / fieng er überlaut an einen lustigen Gesang zu singen. Wie nun Ihrer viel herzulieffen / bestraffte er dieselben mit diesen Worten / und sagte: Sie sollten nunmehro bey sich erwegen / was für eine närrische und thörichte Sache doch dieses wäre / daß man sich nach solchen nichtswürdigen Dingen so dränge / und hingegen das Gute / was zu dem menschlichen Wohlstande / Ehre und Aufnehmen gereichte / unterliesse? Von dem Deucalion dichtet man / daß er aus Steinen Menschen gemacht / welches nicht anders erkläret (Valerius lib. 8.) werden kan / als daß er durch seine geschickte Rede die ersten Menschen zu einem erbahren Leben und Wandel geleitet und angeführet: Pisistratus brachte es durch seine Beredtsamkeit so weit / daß Ihm die Athenienser (Plutarchus in ejus vitâ.) auch die Regierung auftrugen. Der berühmte Pericles warff durch solche denen zu Athen das Joch der Dienstbarkeit an den Hals / und der tapfere Epaminondas richtete damit mehr / als mit den Waffen aus. Denn nachdem (Valerius Max. l. 8. c. 9.) Er auf einem Concilio den Griechen viel von der Lacedaemonier Ungerechtigkeit / Tyranney / und Gewaltsamkeit erzehlet / nahm Er deroselben Gemüther dermassen ein / daß sie balb darauf von den Lacedaemoniern abfielen / ihnen bey der Stadt Leuctra in Boeotien eine Schlacht (Petrarcha.) lieferten / und dieselben zur Flucht brachten. Als die Athenienser ihren Feld-Herrn den Thucydidem in das Exilium vertrieben / schrieb er daselbst eine solche künstliche Tragoedie / daß / sobald man sie gelesen / Er mit allgemeiner Bewilligung des Volcks wieder in sein Vaterland beruffen wurde. (Plutarehus in Demosth.) Des Demosthenis Beredsamkeit war so groß / daß er die Griechen bald zum Kriege / bald zum Friede / bald zum Bündnüssen / bald wieder zum Kriege beredete. Gorgias Leontinus ward wegen dieser so hoch geachtet / daß man Ihm nicht allein zu Delphis gleich Andern eine vergüldete / sondern auch gantz güldene Statuam vergönnete / gestalt dann auch die Athenienser umb des willen dem Demostheni, als er in Calauriâ starb / ein ehernes Bildnüs aufrichteten. Keyser Tiberius hielte den Redner Palaemonem Mitylenaeum so werth / daß er unter andern auch / als er wieder in sein Vatterland kehrete / diese Worte in seinen Paß setzen liesse: Der Jenige / welcher sich an dem Palaemon vergreiffen würde / solte so viel begangen haben / als wenn Er dem Keyser den Krieg selbsten angekündiget hätte. Keyser Trajanus ließ den Redner Titum Castritium offters auf seiner Carrete herumbführen. Da man den Demosthenem fragte / was die Rhetorica zu thun vermöchte / gab er zur Antwort: Sie könte verwegene Menschen wieder zurechte bringen. Es ist ein grosses / wenn der Mensch reden kan / ein noch (Birond??? de Roura Tirumph.) viel grösseres aber / wenn er wohl beredt ist. Der Römische Senat schickte zu dem Könige Pyrrho anderer gestalt keine Gesandten / als daß Pyrrhus [153] mit denenselben durch die Dritte Person reden muste. Denn weil Pyrrhus ein kühner Held / und zugleich ein zierlicher Redner / so nahm er die Gesandten demassen ein / daß wenn die Römer vermeineten / es hätten die Ihrigen was fruchtbarliches verrichtet / so redeten sie an Statt dessen dem Pyrrho sein Wort. Es ist nicht ein geringes / wann Potentaten sich dieser befleissigen: Denn Ihr viel haben die Crone / und den Scepter nicht durch blutige Schlachten / noch durch ihr Adeliches Herkommen / und altes Geschlechte / sondern durch die Weißheit und Beredsamkeit ihrer eigenen Person überkommen. Julius Caesar hielte in dem sechs-zehenden Jahre seiner verstorbenen Baase der Corneliae zu Ehren eine solche zierliche Leichen-Rede / daß männiglich daraus urtheilete / wie er wegen seiner fertigen Zunge bald für Andern herfürgezogen werden würde. Marcus Aurelius war vom schlechten Herkommen / seine erlernten Künste und Beredsamkeit aber / brachte ihn dahin / daß ihm Keyser Antoninus Pius seine Tochter / die Faustina, zur Gemahlin gab / und Er mit derselben das Keyserthumb erlangete. Es ist eine eitele Sache / wenn man sich im Fechten / und Ringen / in Reiten / und Thurnieren keck und kühne erweiset / und dabey / das zu seiner und des gemeinen Wesens Nutzen / auch was Einem zu reden gehörig / hinten ansetzet. Keyser Caligula war wegen seines bösen Lebens so ungeschickt / und übelberedt / daß iederzeit einer in dem Römischen Senat für Ihm reden muste / als er aber hingerichtet / schrieb man dieses auf sein Grab: Hier liegt Caligula, welcher umb deß willen umbgebracht / weil er von Jugend auf nichts kluges verübet / und voller Laster gestecket. Man siehet täglich / wie die / so von schlechter Geburt / wegen ihrer Wissenschafften erhöhet / und hingegen die / welche der Eltern rühmlichen Nahmen ererbet / aus Mangel derselbigen erniedriget werden. Die Jenigen / so man heutiges Tages Oratores oder Redner heisset / nennete (Plinius.) man vor Alters Actores Causarum, welche solche Leute / die nicht allein in der Philosophie, sondern auch in anderen Sachen geschickt und (Putilius Polybius.) erfahren seyn musten. Als einsmahls die drey Redner Carneades, Diogenes, und Critolanus von Athen gen Rom geschickt worden / hat sich der Rath / und die Bürgerschafft über eines ieden Art zu reden verwundert: Denn Carneades führte eine hefftige / Critolanus eine ansehnliche / und (Cicero Lucius Crassus de Oratore.) Diogenes eine glimpfliche und sittsame Art zu reden. Die Beschaffenheiten eines Redners sind unter andern auch diese: daß er aufrichtig gelehrt / erfahren / und in Reden wohl geübt: daß er wisse die Billigkeit der Unbilligkeit / die Erbarkeit der Unerbarkeit / die Barmherzigkeit der Unbarmherzigkeit / die Gedult der Ungedult / die Aufrichtigkeit der Boßheit / die Großmüthigkeit der Furcht / un̅ die Mässigkeit der Uppigkeit mit Exempeln / Gleichnüssen / Lehren / und sinnreichen Sprüchen vorzuziehen / und also einem ieden das Jenige / was ihm nicht wohl anständig / verblühmter (Cornelius Tacitus. Homerus.) Weise beyzubringen. Die Beredsamkeit aber ist eine solche Gewalt / durch die man alles erhält / und ein Schild und Schwerd / das alle Schläge des Gegeners abtreibet. Durch Sie empfieng Amphion die Cyther von dem Mercurio: Durch Sie wurde Orpheus des Apollinis Sohn genannt / und durch sie ward Gallus von den Musen auf den Berg Parnassum geführet: Sie ist die / so die Jugend erhält / das Alter erfreuet / die Wohlfarth befördert / und alle Hindernüsse aus dem Wege räumet: Wie nun die Vernunfft / und die Rede mit einander in der grösten Vewandschafft stehen: Aso ist auch billich / daß weder die Vernunfft / noch die Rede zu schädlichen noch zu unnützen Dingen angewendet werde: Der [154] Natur ihre Weißheit pfleget schwehr zu seyn / viel schwehrer ist die Wohlredenheit. Denn zu ihr gehöret ein fähiger Verstand / fertiges Gedächtnüs / kluge Erfindung / zierliche Ordnung / geschickte Austheilung / und liebliche Aussprechung. Die Wohlredenheit ist eine von den schönsten Gaben GOttes: Sie ist die / so in der Schönheit der Tugend / in der Tapferkeit der Helden / uud in der Majestät der Könige einhergehet: Sie ist die / so die subtilsten Erfindungen / die prächtigsten Reden / und die klügesten Sprüche herfürbringet: Sie erweiset sich in geringen Sachen geringe / und in leichten mittelmässig; Wer Ihrer wahrnimmet / der glaubet / was Er zuvor nicht gedacht / und liebet / was er zuvor geschaffet: Die Erfahrenheit bezeuget es / daß die vornehmsten Leute mehr mit den Lippen / als dem Schwerdte ausgerichtet / ja sie ist so weit gerathen / daß sie zu denen ansehnlichsten Bottschafften / zu denen wichtigsten Berathschlagungen / und zu denen schärffsten Gerichten gebrauchet wird. Es seynd zwey Mittel / wodurch man sich herfürzubringen vermag: Eines ist die Anmuthigkeit der Zunge / und das Andere die Strenge der Waffen / wenn sie aber beyde vereinbahret / so siehet man mit Verwunderung / wie durch sie alles ermuntert und aufgeweckt / die Aufrührischen erschrecket / die Erschrockenen erfreuet / und die Betrübten getröstet werden. Sobald als dort Demosthenes zum Kriege riethe / so erklungen die Waffen / sobald er aber zum Frieden inclinirte / da wurde der Eyd bestättiget / die Versicherungen bekräfftiget / und die Bündnüsse bey den Altaren beschwohren. Weil derohalben diese Kunst iederzeit die freudigsten Völcker beherrschet / die Rathschläge regieret / die Kriege geführet / die Bottschafften bestellet / die Gesetze verschaffet / die Gerichte besessen / das Böse gestraffet / und das Gute belohnet: So ist nöthig / daß sie von Grossen und Kleinen erlernet / und als ein edles Kleinod besessen werden möge. Von der Musica. ES wird die Musica nicht unbillig etlichen anderen Künsten vorgezogen. (Erasmus l. 3. Apophtheg.) Denn wie die Bewegung dem Leibe ersprießlich: Also ergötzet auch diese das Gemüthe. Dahero als Socrates sich mitten unter den Knaben auf dem Saiten-Spiel übete / und Ihn etliche deßhalben bestrafften / sagte er: Es ist keine Schande das jenige zu lernen / was man zuvor nicht gewust. Keyser Nero war ein Liebhaber dieser Kunst / und als Er von seinen Mathematicis verstunde / daß er noch der Regierung entsetzet werden würde / fuhr er mit diesen Worten heraus: Artem qvaevis Terra alit: Wer was gelernet / der kömmt allenthalben fort. Denn wie der Magnet das Eisen an sich ziehet; Also auch die Music: Sie bestehet von gewissen Instrumenten, versetzt Melodien in Noten / legt den Text vor / uud stimmet entweder mit Einer / oder viel Stimmen zusammen. Ihre Instrumenta, oder Werckzeuge / seynd solche Spiele / welche klingen / wenn sie berühret / geschlagen / oder geblasen werden / als die Heer-Paucken / Cymbeln / Harffen / Clavicordia, Citharen / Lauten / Violen / Pfeiffen / Flöthen / Schalmeyen / Zincken / Trompeten / Posaunen und Orgeln. Ihre Erfinder seynd / wie obgedacht / unterschiedene. Apollo und Mercurius gebrauchte sich zu erst der Cithara: Pan der Flöthen: Ibycus Rhegius der Sambuca, oder eines Instruments von drey unglei [155] chen Saiten: Marsyas der Pfeiffen: Cybele der Cymbeln: Archytas der Klapper: und Epigeneus eines von vierzig Saiten: Der Pfeiffen hatten man unterschiedliche: Etliche / als der Thebaner, waren aus Hirschläufften: Etliche / als der Scythen / ans Adlers- und Geyers-Beinen: Etliche / als der Aegyptier / aus Rohr: Etliche aber aus Schilff / Flachs / und Wachs gemacht. Der Trompeten / Hörner und Paucken / gebrauchte man Sich / gleichwie wir / im Kriege: Die jenigen Instrumenta Musica aber / welche man zum Schlagen gemacht / waren die Lyra, Cithara, Psalterium, Barbiton, Clepsiambus, Spadix, Phoenix, Lyrophoenicium, Scindapsus, Hypospadius, Epigoneum, und andere / und wurden die jenigen / so in dergleichen erfahren / Fidicines, Panduri Tibicines, Fistulicines, Cicuticines, Psalmicines, Citharoedi, Citharistae, Lyristae, Choraulae, und Tympanistae geheissen. Ihren Nutzen findet man nicht allein in kurtzweiligen / sondern auch ernsthafften Dingen / also / daß die Gemüther durch deroselben Harmonie und Zusammenstimmung wunderbarlich erhalten und belustiget werden. Dannenhero Plato gäntzlich dafür hielte / daß auch die Menschliche Seele von dem himmlischen Werck-Meister harmonicè erschaffen. Unter andern nennete man sie eine Vocal-Music: Diese zu lernen befohlen die (AElianus l. 2. de var. Histor.) Cretenser fleissig ihren Kindern / damit daraus eine Ergetzlichkeit empfinden / und ihr Gedächtnüs dadurch zu andern Künsten desto geschickter machen möchten. Wenn die Athenienser ihre Feinde angreiffen wollten / (Alexander ab Alex. l. 4. c. 7.) sungen sie vorhero dem Jupiter zu Ehren etliche Lob-Gesänge: Deßgleichen thaten auch die Griechen bey angehenden Treffen dem Marti, und nach vollendetem Kriege dem Apollini: Terpander stillete durch die Lieblichkeit (Plutarchus de Musica.) der Music der Lacedaemonier Aufstand / und der Kunst-reiche Timotheus brachte an deß Alexandri Magni Tafel mit seinem Gesange / und Melodey so viel zu wege / daß der König hierüber gleichsam rasende nach den Waffen grieffe / sobald aber der Gesang aus / so hörete auch des Königes Zorn auf: Der Perser König Cyrus ließ / damit der Feinde wildes Geschrey die Soldaten nicht erschreckte / und durch solche Furcht unversehens in deroselben Hände fielen / dem Castor und Pollux zu Ehren Gesänge singen: Sobald als die (Olaus l. 15. c. 29.) Lydier in Krieg zogen / griffen sie nach ihren Schallmeyen und Pfeiffen: Von dem Orpheo dichtet man / daß durch seinen Gesang er die dickesten Wälder / die härtesten Felsen / und grausamsten Thiere / das ist / die gröbsten / und unvernünfftigsten Menschen an sich gezogen / und zu einem erbahren Leben / und Wandel angewiesen: Als die Tyrrhenischen Schiff-Leute den Bacchum über das Meer führeten / und Jhn wegen der verhofften Beute zu ersäuffen beschlossen / Er aber solches merckete / befahl er denen Seinigen / alsbald die Music vor die Hand zu nehmen / woran sich die Tyrrhener dermassen belustigten / daß sie zu tanzen anfiengen / für Wollust sich in das Meer warffen / und darüber des mördlichen Vorsatzes vergassen. Die meisten Barbaren verrichteten ihre Gesandschafften / wenn sie vom Friede handelten / mit Pfeiffen und Citharen / (lib. 8. Polit.) wodurch sie der Feinde Gemüther zu erweichen vermeineten. Der Weltweise Aristoteles befahl / daß man in der Jugend die Music lernen / sollte / damit man im Alter beides davon urtheilen / und auch sich davon ergetzen kön̅te. Wie nun alles was in der Welt lebet / seine Verfolger und Neider: Also finden sich ihrer Etliche / so Diese verkleinern. Der Weise Cato wollte Sie gäntzlich verwiesen wissen: Die AEgyptier hielten Sie für ihre Jugend zu zärtlich / und der Athenienser Feldherr Alcibiades achtete sie so [156] unwerth: daß auch kein Freygelassener dieselbe begreiffen durffte. Und nachdem man auch in Gegenwart des erfahrnen Antisthenis einen zierlichen Flöten-Spieler umb des willen lobete / schüttelte derselbe den Kopff / und sagte: Es mus gewiß dieser ein liederlicher Tropff seyn / weiln er sonst nichts ehrlichers gelernet. Dieses alles aber ist nichts anders / als eine grobe Unwissenheit. Denn ein anders ist / wenn man Krieg / die häußliche Sorge / und andere gute Wissenschafften mit Verlust des gemeinen Wesens Vorsorge / der Ehre / Hoheit / und der Nahrung an den Nagel henget / und derselben ohne seiner Profession stets oblieget. Das Feuer hält in sich den grösten Nutzen / wenn man aber dasselbe wegen seiner Klarheit küssen wollte / würde man sich darüber das Maul verbrennen. Eine Linie ist eine von den geradesten / wornach aller Grund geleget werden muß / wofern man sie aber nicht gerade ziehet / so wird Sie krumm: Also ergehet es auch denen / die daraus eine Wollust machen / und dabey ihre Geschäffte hinten ansetzen: Die Music an sich selbst ist nicht verächtlich: Und weil sie die Gemüther der Menschen zu viel wichtigen Dingen capabler und geschickt machet: So ist sie löblich / ihr Mißbrauch verwerfflich / und das dadurch gegebene Aergernüs verdammlich. Von der Geometriâ. DIe Geometria oder Feldmesse-Kunst / gehet mit nichts als Messen umb: Sie betrachtet die Linien / und Lineamenta, die Formas, die Spatia, des Corporis Grösse / das Gewichte / und die Maaß: Sie misset ab die Höhe eines Thurms / die distanz und Weite der Oerther mit dem quadrat, oder Meß-Stabe. Sie zeichnet mit Linien, Winckeln / Creyß und Rund-Zügen nach dem Linial, Winckel-Masse und Circuln gewisse Dinge ab / und bestehet in stracken und unstracken Linien: Man theilet sie zweyerley Species, in eine gerade / krumme / oder beugende Linie: zur geraden Lineâ gehöret die perpendicularis, die Parallelen, der Angulus rectus, acutus, und obtusus, der Winckel / oder die Ecke / die Superficies, die Fläche und Breite mit allen ihren Arten / deßgleichen die Figur mit dem gleichen und ungleichen Circul / mit dem Centro, mit dem Umbkreisse des Circuls / und mit dem halben Circul. Nebenst der Figur ist auch ihr Terminus das jenige / was äusserlich ist / und gehöret gleicher Gestalt die Pyramis, der Triangel, der Gevierte / der Gefünffte und der Gesechste darzu. Zur andern Specie der Geometriae kömmt der Meß-Staab / der Quadrant, die Bleywage / das Richt-Scheid / die Richt-Schnure / das Winckel-Eisen / der Jacobs-Stab / und die Meß-Ruthe. Durch die Altimetriâ misset man die Höhe / durch die Planimetriâ die Länge und Breite / und durch die Stereometriâ die Breite / Länge und Tieffe aus. Man hält dafür / daß die Land-Messung erstlich die Aegyptier erfunden. (Caelius Rhod. l. 18. c. 34.) Denn nachdem bey Jhnen sich der Fluß Nilus dermassen ergossen / daß er fast iedesmahl der Einwohner Grentz-Zeichen mit hinweggerissen / hätte man zu Verhütung der Unterthanen Zwistigkeit das Land ausmessen / Einem Jeden sein Theil zutheilen / und aus Noth diese herrliche Kunst erfinden müssen. Wie sie nun nach des gelehrten Philonis-Meinung eine Mutter vieler Wissenschafften / ohne welche die Mathematica blind / die Architectur ein Kind / und die Cosmographia für Todt zu schätzen: Also hat man sie bald Anfangs in der Welt aufgesuchet / mit grosser Begierde angenommen / und sie gleichfalls bis an den Himmel erhoben. Plato ließ wegen Jhrer folgende Worte über sein Auditorium [157] schreiben: Nullus Ignarus Geometriae ingrediatur. Ich begehre keinen in der Geometriâ Unerfahrnen in meinem Auditorio zu sehen. Der berühmte Archimedes war dieser Kunst also ergeben / daß / als Er einsmahls badete / Er aus Begierde zur selben sich mit Oel bestriche / und den (Plinius l. 2. c. 67.) Leib mit Figuren bezeichnete. Dicearchus ein Sicilianer unterstund sich die höchsten Berge abzumessen / und befand durch die Bleywage / daß der Berg Pelion in Thessalien 1250. Schritte hoch. Scylax, so aus der Stadt Cariandra bürtig / maaß den Begrieff des Meeres ausserhalb (Svidas apud Volaterran.) des Herculis Seulen aus. Von den Egyptiern wurde keiner zu den Priesterlichen Ambte benennet / noch von den Lacedaemoniern zur Regierung erkieset / viel weniger zu einem Könige in Persien erwehlet / wofern er nicht die Arithmeticam und Geometriam verstunde. Nun dann dieselbe eine solche Wissenschafft / wodurch der Verstand zur Philosophie zubereitet / die Schlacht-Ordnung gestellet / die Läger geschlagen / die Hauffen zertheilet / die Grenzen durchmessen / die Hügel umwogen / die Eintracht erhalten / und gleichsam alle die jenigen Dinge / wegen ihrer Grösse nicht wohl zu betrachten / aus der Höhe herunter gezogen werden. So haben sich tapfere Ingenia Jhrer theilhafftig zu machen genugsahme Ursache. Von der Astronomia. DIe Astronomia, oder die Wissenschafft des Himmels-Lauffes / ist (Diodoru??? Siculus) nichts anders / als eine Betrachtung des Gestirns. Jhrer viel sind ungleicher Meinung / wer dieselbe erfunden. Etliche wollen behaupten / daß ihre Erfinder die Babylonier und Chaldae er / Etliche die alten Aegyptier: Etliche König Belus: Etliche die Phoenicier, und Etliche (Isidorus l. 2. Etymol. Plinius l. 6. c. 26.) die Mohren gewesen: Es hat aber solche durch das Liecht / durch die Bewegung / und durch die Influenz in denen Dingen / welche unter ihr sind / ihre Wirckung. Alles / was da lebet / und eine Empfindlichkeit hat / ist (Galenus.) gleichsam an die Planeten und himmlische Zeichen gebunden / und ihrer influenz unterworffen / gestalt denn auch alle Kranckheiten und (Isidorus.) Gebrechen aus der Bewegung / und Veränderung des Gestirns entstehen. Es ist aber zwischen der Astronomiâ und Astrologiâ ein Unterscheid. Die Astronomia ist die Theoria, so sich durch den gantzen Himmel erstrecket / und redet von ihren Sphaeris, oder Circulis, von der Gelegenheit / und Bewegung derselben / wie eine höher / als die andere stehe / als auff die erste Sphaera, oder Himmel des Mondens / folget die andere Sphaera des Mercurii, auf des Mercurii die dritte Sphaera der Veneri???, auff der Veneris die vierdte Sphaera der Sonnen / auf der Sonnen die fünffte Sphaera deß Martis, auf des Martis die sechste Sphaera des Jovis, auf des Jovis, die siebende Sphaera des Saturni, auf des Saturni die achte Sphaera des gestirneten Himmels / oder des Firmaments / auf des Firmaments die neunte Sphaera des Crystallinen Himmels / auf deß Crystallinen Himmels die zehende / als die äuserste Bewegung / so alle Sphaeren mit sich herumbwirfft / und denn der Himmel aller Heiligen GOTTES. Und ob zwar niemand dahin gestiegen / so haben doch von Anfang der Welt die Ertz-Väter / und nach diesen die Orientalischen Magi, oder Welt-Weisen / und auch andere Gelehrten dieses genau beobachtet / daß der Himmel / und auch andere Gelehrten dieses genau beobachtet / daß der Himmel unterschiedene Bewegungen haben / und in etliche Theile eingetheilet seyn müsse.
|| [158]
Das Primum Mobile, oder die äusserste Bewegung des Himmels erstrecket sich von Aufgang gegen Niedergang / laufft innerhald 24. Stunden Circul-rund umb die Welt / und treibet zugleich nicht allein die anderen Himmel / so unter Jhr sind / sondern auch ein gutes Theil der Elementarischen Region mit sich / herumb / also daß vermittelst dieses umblauffenden Himmels die Sonne / der Mond / und die Sternen auf- und niedergehen / und beydes Tag und Nacht machen. Der neunte Himmel fasset seine natürliche Bewegung / oder Lauff vom Untergange gegen Aufgang / tritt dem Lauff des zehenden Himmels qver-über entgegen hat seine eigene Polos, oder Axen, und ist von den Alten / welche nur neum Sphaeren zu nennen gewust / wegen seiner langsamen Bewegung nicht wahrgenommen worden. Des achten / oder des gestirnten Himmels Bewegung erstrecket sich vom Mitternacht gegen Mittag / und von Mittag bis wieder gegen Mitternacht: Man nennet Jhn Accessum, & Recessum Motuum, der seinen Lauff innerhalb 7000. Jahren vollenden solle. Der siebende Himmel nimmet seinen Lauff mit den andern Planeten von Abend gegen Morgen unter dem Zodiaco der achten Sphaerae: Die Stellae Fixae, oder Fix-Sternen / so an dem achten Himmel stehen / siehet man augenscheinlich: Sie haben ihren gewissen Gang in ihren Circeln / und sollen alle Minuten 33000. Meilweges in ihrer Ordnung fortstreichen. Und weil diese unzehlbar / so haben die Astronomi hiervon 1022. Sternen ausgelesen / rechnen dieselben in acht und vierzig Imagines, oder Asterismos, und setzen ihrer zwölffe / als den Widder / den Stier / die Zwillinge / den Krebs / den Löwen / die Jungfrau / die Wage / den Scorpion / den Schützen / den Steinbock / den Wassermann / und die Fische / in den Zodiacum, oder Thier-Creyß. Diese zwölff himmlische Zeichen begreiffen drey hundert sechs und vierzig Sternen in sich / darvon ihrer fünffe primae Magnitudinis, neune secundae / sechs und vierzig tertiae, hundert drey und dreyssig quartae, hundert und fünff qvintae, sieben und zwanzig sextae, und drey nebulosae sind. Nechst diesen setzen sie 21. Imagines nach Mitternacht / als den kleinen Beer / den grossen Beer / den Drachen / die Leyer / die Henne / die Cassiopaeam, den Perseum Heniochum, Opiochum, des Opiochi Schlange / den Pfeil / den Adler / den Delphin, Eqvisectio, Pegasum, Andromedam, und Triangulum, welche 360. Sternen in sich halten / als da sind drey primae Magnitudinis, achtzehen secundae, ein und achtzich tertiae, 177. quartae, acht und funffzig quintae, dreyzehen sextae, neun obscurae und eilff nebulosae. Ferner so setzen sie auch funffzehen Asterismos gegen Mittagswerts / welche man nennet den Wallfisch / den Orion, den Eridanum, den Hasen / den grossen Hund / den kleinen Hund / das Schiff / die Wasser-Schlange / den Becher / den Raben / den Centaurum, den Wolff / das Altar die Coronam austrinam und Piscem austrinum. Diese Imagines umbfassen 315. Sternen / als 7. Primae Magnitudinis, 18. secundae, 64. tertiae, 164. qvartae, 54. qvintae, 9. sextae, und 11. nebulosae, also / daß die 48. Imagines zusammen 1022. Sternen austragen. Die Sternen des achten Himmels nun werden in sechs Classes, oder Ordnungen Sternen / so 107 11/46 mahl / in die andere 46. Sterne / so 90 7/8 mahl / in die Dritte 208. Sternen / so 70 7/8 mahl / in die Vierte 474. Sternen / so 54. mahl / in die fünffte [159] zweyhundert und siebenzehn Sternen / so 35. mahl / und in die sechste 49. Sterne / so achzehn mahl grösser / als der Erddoden seyn sollen. Diese Sternen sind nichts anders / als edle Creaturen / dicke und Kugel-rund / von der Materia seiner Sphae hellglänzend / klar / und durchscheinend zusammengehefftet. Die Alten theilten den Zodiacum, in welchem die Planeten ihren Lauff haben / in zwölff gleiche Theile / nenneten ein iedes nach desselben Natur und Eigenschafft / als den Wieder / Löwen / und Schützen / das feurige: Den Stier / die Jungfrau / und den Steinbock / das irrdische: Die Zwillinge / die Wage / und den Wassermann das lufftige: Den Krebs / Scorpion / und die Fische aber das wässerichte Zeichen / und hielten dafür / daß / wenn der vornehmsten Planeten einer sich in solche Zeichen begäbe / welches seiner Natur gemäß wäre / sich alsdann auch das Gewitter darnach zu achten pflege. Wer weiter wissen will / wie der Zodiacus in 28. Mansiones oder Theile abgesondert / was bewegliche Zeichen / was von den Judiciis, Exaltationibus, Accidentalibus, Dignitatibus, Debilitatibus, Configurationibus, und natürlichen Wirckungen der Planeten zu halten sey / der hat solches bey den Astronomis nacht stirne aber ist gleichsam der Astronomie Schwester / und ihre Praxis: Sie zeiget die Bewegung des Himmels / und der Sterne / auch ihre Wirckung in Veränderung der Zeit und urtheilet zuweilen der Natur nach zukünfftige (l. 2. de Substantiâ Orbis.) Dinge. Averroës lobet diese Wissenschafft gar hoch / und sagt / daß die himmlischen Cörper die Hitze und Truckenheit / Etliche derselben die Kälte und Feuchte verursachten / und die Sternen nicht allein ihre Wirkung (Plato in Timaeo.) vor sich / sondern auch in einer irrdischen Sache hätten. Nichts geschiehet in der untern Welt / das nicht von oben seinen Anfang / und durch (Boëtius.) die him̅lischen Ursachen veranlasset wird. Gott / als der dieses schöne Welt-Gebäude mit solcher Vortrefflichkeit ausgeputzet / und so herrlichen erweitert / herschet zwar über alles allein / damit aber das / was da geschehen solle / in das Werck gerichtet werde / so lässt er von dem Obersten das Unterste verwalten / das ist / der höchste Schöpfer des Himmels regieret durch die obersten Creaturen die Untersten / und alles was aus dem Erdboden lebt / das muß seine Krafft und Wirckung von dem Him̅el empfangen: Jhre Cörper sind eine Ursache aller Enderungen / und die Sternen haben nicht allein ihre Wirkung in den Elementen, sondern auch in denen jenigen Dingen / welche leben und einen Verstand in sich haben. Jhr Nutzen ist sichtbar / den̅ er weiset / wen̅ es Zeit zu erndten / zu säen / zu pfropfen / und zu pflanzen / wenn sich Seuchen und Kranckheiten ereignen / und wenn Frost / Hitze / Kälte / Regen / Wind / Schnee und Ungewitter entstehen will. Was anbelanget die Astrologiam judiciariam, so gründet dieselbe ihre Weissagung auf die zwölf Himmlischen Zeichen oder Häuser / welche man in Vier Eigenschafften / als in die lufftige / wässerichte / irrdische / und feurige theilet / und nimmt an den Planeten die Häuser worinne sie sich befinden / ihre Erhöhung / ihre Natur / ihre Eigenschafft / und ihre Aspecten in acht. Und gleichwie die Astronomia an sich selbst mit der Betrachtung der Sternen / und ihrem Lauffe / mit der Grösse / der Höhe / den Aspecten, und dahero erfolgenden Eigenschafften umbgehet: Also sondert sich hingegen die Astrologia von Jener abe / durchsuchet die Wirckungen in unterirrdischen Dingen / urtheilet von der Menschen Sitten / und Zuneigungen / leget die Bedeutung der Conjunctionum, und der Planeten Aspecten aus / erklähret die Disposition der Fixsternen / die Figuren [160] der Nativitäten / die Schwachheit der Planeten in den 12. himmlischen Zeichen des Zodiaci, die Directiones der Häuser / und deroselben Tafeln / und belustiget also mit ihrer Subtilität die guten Ingenia. Es ist aber nicht ohne / daß die Zeichen eine Zueignung über die Menschlichen Händel erwecken; Alleine / wenn man Sich vom Glücke / und Unglücke / von seltzamen Fällen / von künfftigen Begebenheiten / von Geburts-Stunden der Menschen / von dessen Affecten, und dergleichen unfehlbar zu schreiben unterstehet / dieser Kunst zu viel beymisset / und nicht bey dem Ziele bleibet; so fällt man durch solche Unterfangung in allerhand Thorheit / und heist alsdann: Solus Sapiens dominabitur Astris; Stultorum autem infinitus est Numerus: Der jenige / welcher hiervon bescheidentlich / und mit Vernunfft zu reden weiß / der herrschet alleine über das Gestirne / und Ein anderer / der Sich hierinne noch so (Gellius lib. 14.) klug seyn düncket / wird darüber zum Narren. Denn es weissaget die Astrologia Einem etwas gutes oder böses: Ist es was gutes / und erfolget nicht in der That / so wird man durch vergebliche Hoffnung betrogen / und ungedultig: Ist es was böses / so währet die Furcht bis der Ausgang ein anders beweiset; Trifft es aber / gesetzt / alles beydes ein / und Sie deutet vorhero etwas böses / so ist man theils wegen der vorhergehenden Furcht / theils wegen des darauf erfolgenden Schadens doppelt unglücklich / deutet Sie aber etwas Gutes / und erfolgt auch letzlich / so ist die Freude wegen der bißhero gehabten Hoffnung bey weitem nicht so annehmlich / als die / welche unverhofft geschicht.

L. Vom Jove.
[arrow up]

(Plutarch???.) MAn findet hin und wieder / daß auch Menschen von unvernünfftigen Thieren und Bestien sind ernehret worden Denn von dem weisen Platone schreibet man / daß / als Er noch in der Wiege gelegen / uud geschlaffen / ihm die Bienen Honig in seinen Mund getragen / von welchem die Weissager diese Deutung gemacht / daß er mit der Zeit einen herrlichen und berühmten Redner abgeben werde / deßgleichen lieset man auch / daß sich in deß Heil. Ambrosii Kindheit die Bienen offtermahls auf seinen Mund gesetzet / und demselben nicht den geringsten Schaden zugefüget; Gestalt denn auch in der Jugend auf des berühmten Poetens (Plin. l. 10. c. 29. Cic. lib. 1. de divinatione.) Stesichori Munde eine Nachtigal gesungen haben solle. Da eines Tages König Midas, als ein Knabe / lag und schlieff / trugen Ihm die Ameissen Weitzen in den Mund / welches die Wahrsager also auslegten / daß er der Reichste in der Welt werden würde. (Sidonius.) Nachdem der Perser König Cyrus auf Befehl seines Groß-Vattern des Astyagis, und Remus und Romulus auff ihres Groß-Vatters des Amulii Geheiß hinweggeleget wurden / ernehrete den ersten eine Hindin / und die anderen zweene eine Wölffin. Die Penelope ward von ihren Eltern dem Icaro, und der Mutter Periboea in das Meer geworffen / und von den Vögeln / welche man Penelopes nennet / ernehret / und dahero den Nahmen Arnea bekommen. Gleichwie aber nebenst diesen auch von den Poeten vorgegeben / es sollte Paris des Trojanischen Königes Priami Sohn von einer Bährin / der Riese Cyclops von einer Wölffin / der Held Telephus des Herculis Sohn von einer Hindin / und Camilla der Volscer Königin von einer Stutte gesäuget
|| [ID00181]
|| [ID00182]
|| [161]
worden sey. Also sagt man auch daß Jupiter von einer Ziege / oder / wie Pontanus vorgiebet / von der Amalthea, und Melissa in der Kindheit (lib. 3. AEneid.) durch der Ziegen ihre Milch erzogen worden seye. Virgilius gedencket / daß Er in der Insul Creta / welche hundert wichtige Städte in sich / gebohren: Man heiligte Ihm unter andern Oerthern den Pyreischen Port in der Landschafft Atticâ, den Berg Homole in Thessalien / und verehrete denselben zugleich auch auf dem Berge Idâ in Lybien / allwo sein Oraculum anzutreffen / und in der Stadt Elide, allda man Ihm zu Ehren alle fünff Jahre die Olympischen Schau-Spiele mit grosser Solennität und Pracht anstellete. Die Olympischen Schau-Spiele aber waren nichts anders als (Olympische Spiele. Pausanias.) Certamina, oder Kämpfe / welche man von Zeiten zu Zeiten entweder veränderte / oder etwas hinzusetzte. Denn ausser denen grossen Menschen ließ man auch die Knaben beydes zu Wagen und Pferde zu / und erwehlete zu einem ieden Kampffe gewisse Richter / nach deren Gutachten man die Belohnung austheilete. Hernach verordnete man grössere Waffen / darmit man sich derselben auch im Fall der Noth im Kriege bedienen könte / in welchem Streite oder Kampfe der Demarathus Heraeensis den besten Sieg eines Tages darvon trug; Daß man aber gewaffnet einher gienge / erhellet aus denen darbey mit vorgehenden Gesängen: Es waren etliche Arten der Spiele / als das Wett-Lauffen / Kämpffen / und (lib. 8.) das Ziel / wornach man entweder schoß oder warff. Herodotus sagt: Daß diese Olympische Kämpfe auch zu Pferde gehalten worden wären. Von diesen nun haben die Zeiten / oder Jahres-Rechnungen von den Griechen den Nahmen bekommen / daß man Sie Olympiades genennet. Und ob man wohl eine solche Zeit auf fünff Jahr rechnete / so geschahe es doch darumb / weil nach dem vierten Jahre sich mit dem fünfften eine Olympias anfienge. Es kam aber gantz Griechenland zum Eingange des berührten fünfften Jahres bey der Stadt Olympia, oder Morea, und in der kleinen Landschafft Elide zusammen / rathschageten nicht allein von des gemeinen Wesens Wohlfahrt / sondern hielten auch daselbst ihre Spiele / und rechneten von solcher ihrer Zusammenkunfft die Zeit / in welcher eines und das andere geschehen / und sind solche Spiele zum ersten nach Erschaffung der Welt 3174. vor Christi Geburth aber 774. gehalten worden. Man pflegte dem Jovi einen Widder / zahme Sau / und Schaaf zu opfern. In Latio opferte man auch zu des Lactantii Zeiten demselben Menschen-Blut. Ihm theilet man unterschiedene Kinder zu / als: Solem, Mercurium, Tritopatreum, Herculem, Dionysium, Minervam, Dianam, Proserpinam, Apollinem, Bacchum, Amphionem, Tityrum, Tantalum, Pasytheam, Castorem, Pollucem, Acheum, Xanthum, Luciferum, Palistum, Oriontem, Menam, Perseum, Rhadamantum, Clytemnestram, Helenam, Vulcanum, Venerem, die neun (Macrobius l. 5. Saturn.) Musen und andere mehr. Dreyerley hielte man vor Alters für das schwereste und unmöglichste / als daß man nämlich dem Jupiter nicht seinen Blitz / dem Herculi nicht seine Keule / und dem Homero nicht seine Verse entwenden könte. Und gesetzt / daß es auch geschähe / so vermöchte doch keiner / ausser Jupiter, mit dem Donner zu blitzen / keiner mit des Herculis Keule zu kämpffen / und keiner solche Verse zu schreiben / als wie Homerus gethan hätte. Es hat Varro 300. Joves aufgemercket. Denn nachdem dieser Ju [162] piter sich gegen die Menschen / und insonderheit gegen die Athenienser sehr wohlthätig erwiesen / den Völckern gewisse Gesetze vorgeschrieben / die Art zu heyrathen eingesetzet / die barbarischen Menschen in dem Gottes-Dienste unterwiesen / ihnen Altäre / Ceremonien, und Priester aufgerichtet / und zugleich dargethan / daß alles von der Göttlichen Providenz herrühre / so hat man andere Könige / welche Land und Leuthen wohl vorgestanden / (Ovidius in Metamorph.) auch Joves geheissen. Die Poeten messen Ihm unterschiedenes bey / als daß er sich vielerley Liebe bedienet / die Danaën in einem Gold-Regen / die Ledam in Gestalt eines Schwanes / die Isidem in Gestalt eines dicken Nebels / und die Europam in Gestalt eines schönen Ochsens beschlaffen / und entführet hätte / hinter welchen verblühmten Reden doch nichts / als lauter sinnreichen / Politische und Moralische Lehren stecken. Es hat aber Jupiter, wie sie vorgeben / gen Saturnum zum Vatter gehabt. Dieser Saturnus war des Königes Coeli, und der Vestae Sohn / auch des Tyrannens Titans Bruder. Diesen beredete die Vesta, daß Er seinem Bruder dem Saturno mit der Bedingung das Reich überliesse / daß er alle seine männliche Erben / wofern er derer bekommen möchte / umbringen lassen wollte / damit nach des Saturni Absterben / Titan, und seine Kinder hinwieder zu der Regierung gelangeten. Sobald als Titan hierein willigte / gebahr dem Saturno seine Gemahlin die Opis einen Sohn / welchen er / vermöge getroffenen Vergleichs / umbrachte. Die Opis brachte ihm hier auf zwey Kinder auf einmahl / von denen man den Sohn Lidamas, oder Jupiter, die Tochter aber Juno nennete. Die Tochter zeigete man dem Saturno, den Sohn aber ließ man heimlich iu dem Gebirge bey den Corybanten, einem streitbarem Volcke / auferziehen. Eine Zeit darnach gebahr die Opis wieder einen Sohn / dem man wegen seines fertigen Schwimmens den Nahmen Neptunum gabe. Denn ferner zwey Kinder / den Plutonem, und die Glaucam, wie aber die Tochter Glauca starb / zeigete sie solche dem Saturno, und verbarg hingegen den Plutonem, den die Poeten hernach für den Gott der Höllen ausgaben. Als derohalben Titan vermerckte / daß Er von seinem Bruder dem Saturno hintergangen / griff er mit seinen Söhnen zum Waffen / überfiel denselben unverhofft / und brachte ihn mit den Seinen zur gefänglichen Hafft. Als dieses Jupiter erfuhr / machte er sich mit den streitbaren Corybanten herfür / hielte mit dem Titan ein Treffen / brachte ihn zur Flucht / und stellete seinen Vatter und die Seinigen wieder auf freyen Fuß / also daß die Fabel von den Riesen allhier seinen Ursprung bekommen. Nachdem aber nachgehends Saturnus von den Wahrsagern vernommen / wie sein eigner Sohn Jupiter Ihn noch würde von dem Königlichen Throne stürtzen / bemühete er sich denselben aus dem Wege zu räumen. Da dieses der Sohn merckte / brachte Er in geheim Volck auf die Beine / und verjagte den Vatter selbst von Land und Leuten. Saturnus flohe in Italien / und weil Er dem rohen Volcke / welches nichts als Obst / Castanien und andere Früchte asse / daselbsten das Land zu besäen / zu pflantzen und zu bauen lehret / hielten sie Ihn nachmahls für einen Gott. Jupiter aber regierte sein Königreich vor sich / nahm seine Schwester die Juno zum Weibe / und brachte durch seine Tugend viel Länder unter sich. Denn er lehrete die Menschen viel Geheimnüsse der Natur / unterwiese sie in allerhand Wissenschafften / und richtete viel Politische Ordnungen auf / also daß Er durch dieses Mittel nicht allein mächtig / sondern auch für einen Gott gehalten wurde. Hiernechst vergliche Er sich mit seinen Brüdern / [163] und räumte dem Plutoni die Länder gegen Nieder-dem Neptuno die gegen das Meer zu ein / also daß Neptunus ein Gott deß Wassers / und Pluto ein Gott der Höllen genennet wurde. Und nachdem Jupiter nach erfolgter Theilung sich gemeiniglich in Thessalien auf dem Berg Olympo, welchen die Griechen für den Himmel hielten / zu befinden pflegte / so sagten die Poeten / Er hätte den Himel überkommen. Gleichwie Er aber von Natur unkeusch / und siene fleischliche Lust zu büssen allerhand Räncke erdachte: Also dichtete man / Er hätte sich in allerhand Gestalt verwandelt / als in eine güldene Seule / in den Amphytryonem, in einen Ochsen / in ein Feuer / und in einen Schwahn / welches nichts anders / als daß er auf solche Buhlschafften viel Geld gewendet / und damit Einen und den Andern bestochen. Aus dieser des Jupiters Verwandelung ist die Thorheit derer / so Jhn für einen Gott angebetet / zu sehen; Gestalt dann noch heutiges Tages sein Begräbnuß in der Insul Candiâ anzutreffen. Viel weniger sind die / welche meistentheils von Jhme hergekommen / und für siene Kinder ausgegeben / als Phoebus, so ein Gott der Künste / Mars ein Gott des Krieges / Bacchus ein Gott des Weins / Venus eine Göttin der Liebe / Neptunus ein Gott des Wassers / Mercurius ein Gott der Wohlredeheit / Vulcanus ein Gott des Feuers / Diana eine Göttin der Keuschheit / und Ceres ein Göttin der Erndte / dafür zu achten. Denn damahls vermeinten die Menschen / wie es einem einzigen Menschen die Welt zu regieren unmöglich fallen könte. Sonsten aber von dem Jove zu reden / so wurde (Natalis Comes in Mythologia.) Er bald vor die Lufft / bald für die Sonne / bald für die Göttliche Schikkung / bald für den Himinel / und bald für die Seele der Welt gehalten. Denn wenn diese Letztere ihre Wirckung in den überirdischen Cörpern hatte / hiesse Sie Jupiter Olympius, hatte sie dieselbe in den Unterirdischen / hiesse sie Jupiter Stygius, hatte sie aber solche in dem Meere nennete man sie Neptunus. Des Jupiters Eltern / saget man / wären die Elementa, aus denen Eines aus dem Andern erzeuget / und gleichwohl nicht zerstümmelt noch zerstücket würden. Des Jupiters Söhne wären nichts anders / al seine Bewegung des Himmels / welche in einer lieblichen Harmoni bestünde / die Elementa weder weibliches noch männliches Geschlechts / und hätten doch beyderley Wirckung / es würde aber die Gewaltthätlichkeit der Zeit deßwegen aus dem Reiche Jupiters verstossen / alldieweiln nach der Zeit / da die natürlichen Cörper von Gott erschaffen / Saturnus oder die Zeit wider die Elementa gewütet und getobet hätte / was aber Ethic è hiervon zu verstehen / das deutet man dahin / wie alles Reichthumb und grosses Vermögen / nichts als lauter Haß / Feindschafft / und Widerwillen nach sich ziehe / und man demselben durch allerhand List und Weise nachstelle. Denn weiln das Verlangen / oder Begierde nach Reichthume alle Billigkeit / Leutseligkeit / und Gottesfurcht aus den Augen setze / so würde dasselbe umb so viel desto mehr gehasset / und hingegen die Ruhe des Gemüthes / die Zufriedenheit / und die angemaßte Frömmigkeit in desto grösseren Ehren gehalten. Nachdiesem weiset man auch hierdurch / wie die Weißheit eines Potentaten / und dessen Ausrichtigkeit ein Uberfluß der wahren Glück seligkeit sey: Der Geitz ware ein Grund aller Boßheit / für deme sich ein ehrlicher Mann für nichts grössern als für denselben / weil Er alles aufzuschliessen pflegte / zu befürchten. Letzlich so wird auch allhier bey dieser Verwandelung gezeiget / daß der Jenige / welcher sich den Wollüsten ergiebet / aller Thiere Art / und Eige̅schafft an sich nimmet / und gleichsam darein verwan [164] delt wird. Aus welchen erhellet / daß der allein ein rechtschaffener Mann sey / welcher sich der übermäßigen Begierden zu vielen Güthern / und Reichthümern entschläget / sich derselben weißlich gebrauchet / der Weißheit / als dem Grund der wahren Glückseligkeit / nachstrebet / und alle schandbahre Thaten fliehet und meidet. Wohin denn auch der Poet zielet / wenn er den Jupiter als einen klugen und verständigen Regenten aufführet: Ich habe selbst in meiner Jugend / Was redlich war / voraus geliebt / Da führte mich die edle Tugend zu dem / was lauter Hoheit gibt. Ich ließ der Erden eitle Sachen / und schwunge mich nach dem empor / Das mich zum Gotte kunte machen / der ganzen Welt zu stehen vor. Nun herrsch Ich über alle Dinge / man ehrt mich in der gantzen Welt / mein Ansehn das ist nicht geringe / ich regne durch das weite Feld / Der Donner meiner Feuer-Blitze strahlt durch deß Tages dunckle Nacht / Da werd Ich in dem Wolcken-Sitze / von allen Menschen hoch geacht. Ich schaffe die Glückseligkeiten / die umb die hohen Häupter stehn / Mein Adler pfleger sie zu leiten / daß sie sobald nicht untergehn: Wer an mir will ein Beyspiel werden / der greiffe nach der güldnen Zeit / und sehne sich nach mir auf Erden / so trotzet er die Ewigkeit.

M. Von den vier Theilen der Welt.
[arrow up]

(Aristoreles. Xenophanres.) ES haben unterschiedene von den alten Philosophis ihre Gedancken über die Welt gahabt / und behaupten wollen / als würde dieselbe (Cicero. Averrhoes.) nimmermehr vergehen. Denn weil sie sich ohnunterlaß bewegte / und weder Anfang noch Ende hätte: So ware sie auch ewig. Andere aber geben vor / daß / weil in ihr alle Dinge vergänglich und hinfällig / (Pythagoras Democritus.) auch sie vergänglich seyn müsse: Der Weltweise Thales sagte / es sey nur eine Welt / hingegen aber der weise Anaxagoras, Demetrius und Epicurus gaben vor / es wären ihrer viel / wodurch sie vielleicht die unterschiedene Theile / die unbekannte Insuln und entfernten Länder verstanden haben. Die Welt / welche vom Himmel und Erden / und denen irrdischen und himmlischen Naturen bestehet / ist das wunderbarlichste / und schönste Gebäude deß Himmels und der Erden / welches von dem Allerhöchsten in den ersten Sechs Tagen erschaffen / und dem Menschen zu einer Wohnung und Aufenthalt seines Geschlechts eingethan worden. Sie [165] Wird [Greek words], oder eine ordentliche runde Zusammenfügung deß Himmels und der Erden genennet. Daß Sie rund / das giebt der Augenschein. Denn wenn die Sternen ihren Auff- und Niedergang vollbracht / so befindet man / daß Sie in demselben stets von dem Mittel-Puncte der Erden in gleicher Weite stehen / und an einem Orthe in gleicher Grösse erscheinen. Es wird die Welt in drey unterschiedene Himmel eingetheilet / als unter den ersten gehöret der Himmel der elementischen Welt / die Lufft mit dem Erd-Creisse / das Wasser zusammt deme / was darinnen ist / unter den andern das Gestirne mit dem gantzen Firmamente, und unter dem dritten der Himmel über alle Himmel. Die Geographi sind die / welche die Welt / und alle ihre Theile nach ihrer Disposition, Maß / und Gelegen-heit beschreiben. Zur vollständigen Geographie aber werden gezogen der Globus terrestris, Ambitus, Diameter, Area seu Planities, Superficies, Soliditas seu Crassities: Circuli geographici, ut AEqvator, Meridianus, Horizon, Zodiacus, Paralleli duo Tropici, duo polares, Zona frigida, torrida & temperata: Clima, & Anticlima, Plaga, Mappa, Tabula Geographica, Compassus, Habitatores Terrae: Mare Oceanum: Mare mediterraneum, cujus Propagines Propontis, Euxinus Pontus, Moeotis palus, & Hellespontus: Mare hyrcanum, Caspium: Sinus, ut Mare Balearicum, Ligusticum, & Tyrrhenum: Fretum, ut Herculeum seu Cimmerium & Thracium. Lacus, ut Lacus Lemannus. Gleichwie man nun den Jupiter für den höchsten Gott hielte / welcher über die gantze Welt herrschte: Also hat man Jhm auch allhier die vier Theile der Welt unterworffen / daß sie gleichsam nebenst seinen Triumph-Wagen einher gehen müssen. Diese vier Theile aber werden also genannt / als Europa, Asia, Africa, und America. (Europa.) Europa soll den Nahmen von der Europa des Königes Agenoris in Phoenicien Tochter / welche Jupiter der König in Candiâ zur Gemahlin gehabt / bekommen haben / ist Eines von den kleinesten Theilen der Welt / welches sich in der Länge auf 2750. Meilweges / und in der Breite etwas weniger erstrecket / und hat in sich nachfolgende Königreiche / Provinzein / und Länder / als gegen Morgen: (Alsted. in Encyciopaedia. lib. 5. c. 27.)
|| [166]
(America.) Die Erfindung Americae oder der neuen Welt schreibet man im Jahre CHISTI 1492. dem Columbo einem Genueser, Etliche einem Florentiner dem Americo Vesputio, Etliche einem Portugiesen dem Ferdinando Magellanes zu / bis man nach und nach wegen solcher Länder mehr Kundschafft eingezogen. Man halt dafür / daß America in seinem Bezircke 9300. Meilweges gegen dem Mitternächtischen Meere / und 3375. gegen dem Meere nach Mittage zu gelegen sey. Es wird in zwey Theile getheilet / und das eine / so gegen Norden lieget / America septentrionalis oder nova Hispania, das Andere aber gegen Mitternacht America australis geheissen. America septentrionalis begreifft zwölff Provinzien / als: Daferne man nun dieser vier Theile der Welt ihr Policey-Wesen / Regiments-Arten / Gottes-Dienste / Heidnische Abgötterey / aberglaubische Gebräuche / Sitten / Leben / Wandel / Gewonheiten / auch Städte / Flecken / Dörffer / Flüsse / Seen / Berge und dergleichen auffchlagen sollte / würde hierzu ein grösserer Raum vonnöthen seyn.

N. Von der Venere.
[arrow up]

SO offt man zu Athen der Göttin Pallas opferte / so offt erwiese ma̅ auch dem in selbigem Tempel stehenden Bildnüsse ??? Liebe göttliche Ehre: Die Lacedaemonier zogen nicht eher in Krieg / sie hätten denn vohero auch der Liebe geopfert / indem sie beständig vorgaben / als rührete der (Catullus.) Sieg und die Wohlfarth des gemeinen Wesens einzig und allein von Jhr her / in sonderheit richteten ihr die Innwohner zu Colchis, die Pariani,
|| [ID00189]
|| [ID00190]
|| [167]
Thespienser / in Hellespont / und die Achaeer besondere Tempel auf / und (in Phaedro) verehreten sie nebenst der Fortuna auf das höchste. Plato rühmete dieselbe / und sagte: Sie sey ein solcher Gott / welcher bey Göttern und Menschen / theils wegen seiner wunderbahren Eigenschafften / und theils wegen (in Theogoniâ.) seines Ursprunges hochgeachtet werde. Hesiodus sagt / das Aller Erste wäre ein Chaos, ein Klumpen / und hernach die Erde / auf welcher alsbald die Liebe erfolget: Man verstehet aber durch diese nicht die Venus selbst / oder ihren Cupidinem, sondern eine solche göttliche / geistliche und natürliche Liebe / die gleichsam alles miteinander vermischet / das Oberste mit dem Untersten vereinbahret / und eine durchgehende Vereinigung zu wege bringet. Gleichwie aber zwischen der Göttlichen und der fleischlichen ein grosser Unterscheid: Also hat man auch über diese letztere die Venus zur Göttin gesetzt / und von den Poeten ausgegeben / daß Sie von des Saturni ausgeschnittenen / und in das Meer geworffenen Gemächte / auch darvon auf das Wasser gefallenem Schaum ohne Mutter gebohren. Etliche aber derselben sagen / sie wäre aus einer Meer-Muschel erzeuget / worauf Sie hernacher in Cypern gefahren / oder vielmehr (Homerus.) von dem Zephyro in die Insel Typern gewehet / von den Horis aufgenommen / und allda erzogen / auch nachmahls / als solche wohl ausgeputzet / und im Himmel gebracht / ihr alle Götter daselbst die Hände gereichet / und Sie ein ieder wegen ihrer Schönheit zur Ehe begehret. Sie wurde auf einem Wagen von zweyen Schwähnen oder Tauben gezogen / welches die Reinlichkeit / und Zierde des Leibes bedeuten sollte. Für ihren Waffen-Träger hielt man den Bacchum, und ihre geheiligten Oerther waren die Inseln / Amathus, Cypern, Papho, Gnydo, Eryx, und die Stadt Hypaega. Uberdiß sagte man von Jhr / daß Sie eine Vorsteherin des Heyrathens / eine Freundin der Frölichkeit / eine Meisterin der Weissagung / und eine Spötterin der Bündnüsse oder der Verträge gewesen seyn solle. Durch diese Venus verstehet man nun nichts anders als die Begierde / so die Natur dene̅ lebhafften Creaturen eingepflantzet / oder man hält dieselbe für eine solche Lust / wodurch man im Gemüthe das jenige empfindet / was man durch Zugesellung seines gleichen zu geniessen gedencket. Und weiln sie die Menschen vereiniget / so nennet man sie eine Göttin / und ihren Sohn Cupidinem die Liebe / oder das Verlangen zu einer solchen fleischlichen Lust. Als einsmals die drey Göttinnen Pallas, Venus, und Juno sich mit einander wegen deß Vorzugs ihrer Schönheit zanckten / wurde ihr von dem Paride, als welchen Sie zum Schieds-Mann erwehlet / der Preiß zugesprochen. Dieses ist nichts anders / als daß man sich in dieser Welt mehr nach den fleischlichen Begierden und Wollüsten des Leibes / als nach den Gaben des Gemüths umbsiehet. Denn weil der Leib grösser als die Seele / so ist der Leib Meister mit sammt seinen Begierden. Gleichwie aber die jenigen Mücken und Fliegen an dem vergiffteten Zucker den Tod fressen: Also ziehet auch die eitele Welt-Lust nichts als Schmertzen und Unlust nach sich. (De falsâ Religione. l. I. c. 17.) Lactantius gibt vor / es wäre die Venus die erste Kupplerin in Eypern gewesen / und hätte dem Weiblichen Geschlechte daselbst / damit Sie nicht für die Unzüchtigste alleine gehalten würde / den Huren-Gewinst gelehret. (Macrobius. in Saturnalibus l. 3. c. 8. Voss. Idol. l. c. c. 31.) Die Art und Gewonheit sie zu verehren war auch unter andern diese / daß die Manns Personen / wenn sie ihr opferten / weibliche Kleidung anlegten: die / so Jhr hierinne nachhengen / sind nichts als Zärt [168] linge / wofür billich tapfere Gemüther einen Abscheu tragen. Es musten auch der Venus ihre Diener anderer Gestalt nicht / als mit Weiblicher Stimme reden / die Haare nach Art der Weiber ausputzen / und in dem Tempel thun / und verrichten alles / was sonst denen Weibs-Bildern zukömmt. Lieber / was ist wohl elender / närrischer und phantastischer / als wenn man das männliche Geschlechte mit dem Weiblichen Geschlechte verwechselt. (Ovidius.) Es ist bekannt / daß der streitbare Hercules, welcher doch soviele Ungeheure bezwungen / sich zu dem Ende / damit er der Omphale, der Lyder Königin / ihrer Liebe desto freyer geniessen möchte / in ein Weibesbild (Tranqvillus in Julio. Gellius c. 10. l. 6.) verkleidet. P. Clodius fand sich eines Tages / als man den Göttern opferte / in mitten solcher Ceremonien im Weiblichen Habit zu der Pompeja des Q. Pompeji Tochter. Euclides Megaricus, da er gerne des Socratis Lehre gehöret / und sich gleichwohl gen Athen / woselbst Socrates lehrete / nicht wagen durffte / weiln die Athenienser / und hingegen die Megarenser, wegen ihrer beyderseits Städte / Haß und Feindschafft / wiederumb ein Gesetze gemacht / daß keiner bey Leib- und Lebens Straffe aus ihren Einwohnern zu dem Andern kommen sollte / zohe Er Weibliche Kleider an / gieng des Nachts dahin / hörete den Socratem, und kehrete bey anbrechender Morgenröthe wieder nach Hause / welches Vornehmen (Berosus.) / weil es aus Begierde etwas zu lernen geschahe / weit rühmlicher / als des unter allen seinen Vorfahren trägen / und in aller Leichtfertigkeit ersoffenen Assyrischen Königes Sardanapali, welcher sich so weibisch erwiese / daß er auch die Majestät / wodurch er doch für andern erhoben / verächtlich hinten ansetzete / sich als ein verbuhltes Weibes-Bild ankleidete / und mit dem Frauenzimmer nach gepflogenen Wollüsten / weibliche Handthierung triebe. Wohero denn erfolget / daß / nachdem sein Feldt-Herr Arbactus desselben Trägheit verstanden / nebenst Andern des Reichs abgefallen / und Ihn belägert / er sich auf seiner Burg / weil Er keine Rettung sahe / mit allen seinen Weichlingen zu Asche verbrennet. Es ist aber die Venus unter den Planeten der fünffte / und wird bey denen Chymicis der Kupfer-Stern genannt / welcher zuweilen über die Sonne / zuweilen auch unter den Mercurium heruntersteigt: Nach der Sonne / und nach dem Monden führet er das gröste Liecht / so gar / daß er auch einen Schatten von sich giebet. Er läufft für der Sonnen her / und heisst zur selbigen Zeit der Morgen-auf den Abend aber der Abend-Stern / und nimmt / nach des Hevelii Meinung / wie der Mond am Liechte ab - und zu: Er ist den Eigenschafften nach feuchte / und mässiger Wärme / und hat in sich keine See / darinnen man sich täuffen (Kircherus in Itiner. Eccles.) lassen konte / wie Jener Gelehrter behaubten will. Und weiln Er von gütiger Wirckung / so sollen dahero die Jenigen / bey deren Geburth er sich eräugnet / schöner Gestalt / hohes Gemüths / und zarten Leibes (Pausanias. Plato.) seyn. Etliche schreiben / es wären drey / Etliche zwey Veneres gewesen: Wenn man aber die jenigen Veneres zehlen wollte / welche man heutiges Tages findet / so würden ihrer gantze Länder / Städte / und Schiffe voll aufgebracht werden können: Der Magen und die Venus sind Zwillinge eines Leibes / wenn das Eine gesättiget / so stehet das Andere wieder auf. Die Lacedaemonier verwahreten der Veneris Bildnüs mit Fuß-Eisen / damit sie sich von Ihnen nicht hinweg begeben möchte: Bey uns bedarff es keines Haltens: Der Römer Sulpitius stieß sein Weib / weiln [169] sie sich mit entblösstem Haubte auf der Gassen sehen ließ / von sich / und Egnatius Metellus, schlug seine Frau / da sie Wein tranck / mit einer Kolbe zu tode: Wenn dieses vorietzo noch üblich / würde es endlich an Scheide-Briefen und Kolben gebrechen. Die Augen haben zwar im Gesichte den Vorzug / so gar / daß sie auch in dem untersten Hertzen die Liebe erwecken; Man soll aber wohl zusehen / daß dieselbe nicht Zähne und Klauen bekömmt / das ist / daß man sich dadurch nicht in Schand und Spott / noch in Laster setze / sondern vielmehr die Zeit / das gute Lob / und die Tugend / auch die unwiederbringliche Ehre dagegen stelle. Dann was ist wohl abscheulicher / als das jenige Weibesbild / welche ihre Ehre und Zucht in den Wind schläget / und ihre Gedancken ohn Unterlaß dahin einrichtet / wie sie jedem gefalle / wie sie durch ihre Unkeuschheit die Buhler an sich locke / wie sie Einem und dem Andern das Narren-Seil an den Hals werffe / wie sie Einheimischen und Frembden den Beutel ausfege / und endlich durch ihr verstelltes Liebkosen sich nebenst ihren Buhlern dem Teuffel zu einem Opfer überbringet. In der Stadt Gaza stund mitten auf dem Scheidewege der Venus steinernes Bildnüs gantz nackend / mit entblößter Scham / welches die Bürger / und Weibespersohnen daselbst täglich verehreten / ihr Wachs-Kertzen ansteckten / und mit Weyrauch beräucherten: Hier heißt es: Vince Animum. Bezwinge die Affecten / und besudele deine Seele nicht mit Wollüsten. Voluptatis Usura Mors. Der Lust ihr Gewinnst ist deroselben Todt. Es ist keine Seuche welche des Menschen Witz mehr verkehret / als die Viehische Begierde / quae delectat & angit: welche zugleich belustiget und verletzet. Jhr Angesicht ist vorwarts schön / und hinterwarts stachlicht. Es ist in der Welt nichts gemeiners / als daß man in Freuden dahergehet / des Leibes Lust suchet / sich der Buhlschafft befleissiget / und ein wildes und wüstes Leben führet / gleich als wenn die Wohllüste des Leibes die beständige Glückseligkeit des Menschen wäre. Die Wohllust ist ein Affe / und eine Mutter alles Bösen / welche die Menschen in die zeitliche und ewige Straffe stürtzet. Ist sie nun eine solche liebliche Sirene, welche gleich dieser / die Schiffenden durch ihren süssen Gesang in die gefährlichsten Oerter verführet / und hernach wenn das Schiff zerschmettert / die Menschen auffrißt / welche / sage ich / die Vernunfft zur Unvernunfft / die Gesundheit zum Krüpel / den Reichen zum Bettler / das Gewissen zur Wunde / und die Boßheitzur ewigen Traurigkeit macht: So kan dahero sie keine wahre und sichere Freude seyn. Eine traurige Stunde verdirbet einen frölichen Tag: Es ist keine Welt-Freude so groß / da nicht etwas Ubels darzwischen läufft: was man in der Jugend säet / das muß man im Alter schneiden: hat man sich in der Jugend mit dergleichen Lastern täglich geschleppet / so muß gewißlichen (Ovidius. Samocratius. Nigidus.) das Alter dafür büssen. Jhrer Etliche haben unterschiedene Mittel wider die unziemliche und verbotene Liebe auf die Bahne geführet / und sind darüber wegen ihres Buhlens selbsten in das Exilium verjaget worden. Das beste Mittel ist / daß man die Gemeinschafft (Augustinus) meide / und die Gelegenheit fliehe. Quoties enim foeminam adis, existimes te Inferni Januam ingredi, Satanae???; sagittâ penetrari, Foemina siquidem fuit ab Initio peccati Aucupatrix, erit???; semper inexhaustus Malorum fomes. Denn so offt man böser Begierden halber sich zu einem Weibesbilde zu machen gedencket / so soll man sich einbilden / als gienge man zur Hölle / und würde daselbst von des Teufels Pfeilen [170] verwundet; Das Weib ist von Anbeginn der Welt der Sünde Zunder gewesen / und wird auch jederzeit ein unersättlicher Hunger alles Bösen verbleiben: Wenn die berühmten Helden Mithridates, Hercules, Alcibiades, Pyrrhus, Menelaus, und Marcus Antonius annoch am Leben / würden sie alle gar willig gestehen / daß der Weiber Buhlschafft ihr Untergang gewesen wäre: Ein müssiges Gemüthe / welches mit unkeuschen Gedancken umgehet / wircket selten was Gutes: Der Weinstock träget dreyerley Trauben / die erste ist die Wollust / die andere die Trunckenheit / und die Dritte die Unreinigkeit / das ist / die Erste leschet den Durst / die andere erwecket die Frölichkeit / und die Dritte gebiehret die Unsinnigkeit / das allerärgste aber / so aus unseren unersättlichen Begierden alleine entstehet / ist die verderbte Natur / das unzeitige Alter / der blöde Magen / das schwache Gehirne / und die verdunckelten Augen. Denn die Unzucht ziehet nichts / als geschwächte Nerven / geschwächte Kräffte / und geschwächte Stärcke nach sich / und von der man ohne Verletzung des Gewissens / ohne Gefahr des Leibes / ohne Nachklang eines bösen Nahmens / und ohne Verdamnüs der Seelen / nicht wohl zu kommen vermag. Man findet Mühlen von solcher subtiler Art / daß sie mit wenig Wasser mahlen: Etliche der Weibesbilder sind in ihren Begierden so zart / so lüstern und vergifftet / daß sie nicht alleine wie ein Glaß zerspringen / sondern auch wohl ehermahls die vortrefflichsten Gemüther in einem Augenblicke / in einer Stunde / und in einem Tage um ihren Stand / Ehre und Hoheit bringen / und dadurch in die gröste Verachtung setzen. Ovidius sagt / die Liebe ist etwas / und man weiß nicht / was: Sie wird gezeuget / und man weiß nicht / wo: Sie erfreuet sich / und man weiß nicht / wie: Sie tödtet / und man weiß nicht / warum; wenn man sie aber genauer betrachtet / so ist ihr Eingeweide eine Gluth / ihre Blüthe ein Gifft / und ihre Frucht eine Schmach. Wie derohalben alle Dinge vergänglich und flüchtig: Also ist auch diese Freude / die fleischliche Liebe / und die Venus nicht allein hinfällig / sondern auch schädlich / nachtheilig / ungewiß und flüchtig; Denn wer sich ihren süssen Stricken nicht bald entziehet / der verwundet sich beydes an dem Leibe / und an der Seele. Dahero Sie auch der Poete gleichsam mit lebendigen Farben folgender massen entwirfft: Ich fühle Feuer / Brand / und Flammen / Der Schönheit Zeichen hilfft mich nicht / Der Zunder meiner Liebes-Ammen erhitzet mir das Angesicht / Die Brüste regen sich / ich ächtze nach der Lufft / mein Hertze fühlet manchen Stich / der mich zur Liebe rufft. Ich herrsche zwar von Ost bis Norden / Der Sud und West gehorchen mir / Doch bin ich selbst verliebet worden / in einer Schönheit seltner Zier / Die bringt durch Marck und Bein sie lässet ihren Brand auch heiß in meinen Adern seyn durch ihre starcke Hand.
|| [171]

O. Von den Amoureten.
[arrow up]

Man stellete hiebevorn auf dem Sächsischen Schau-Platze die Amoureten in einem Ballette für / und belustigte sich an denenselben / als kleinen Liebes-Göttern / anitzo aber siehet man / wie dieselben der Venus aufwarten / und als kleine Sclaven nebenst ihrem Wagen einhergehen. Man mahlet die Liebe stets in Kindes Gestalt / alldieweiln ihr Thun und Wesen auf kindischen Sachen bestehet. Gleichwie aber das Feuer / wenn es seine Kräffte noch nicht erreichet / leichtlich zu dämpffen / wenn es aber in seiner Gluth / schwerlich zu leschen ist; Also kan man auch die Brunst der thörichten Begierde mit der Vernunfft anhalten / und ihr den Ziegel zu faulen und geilen Lüsten nicht verstatten. Diese kleine Liebes-Götter machen zwischen der schnöden und ungefärbten Liebe einen Unterscheid. Denn gleichwie diese erste durch das Mißtrauen / und den Eifer versauert / niemahls ohne Argwohn / und Furcht einhergehet / und sich selten durch die Vernunfft regieren lässet: Also ist die andere eine Stärcke desjenigen / so sie besitzet / eine Aufmunterung der Trägheit / und ein Auge mit welchem sie die Keuschen / und Unkeuschen voneinander sondert. Ihrer viel stehen in den Gedancken / als ob die Liebe in schönen Kleidern / geschmierten Reden / geflickten Sitten / und verzuckerten Worten bestünde / und vergessen darüber Ihren Verstand / ihre Eingezogenheit / ihre Scham / ihre Zucht / ihre Erbarkeit / und welches das Vornehmste die wahre GOTTES-Furcht; Die flüchtigen Liebhaberreden nur mit der Zunge / die wahren aber mit dem Hertzen: Die unkeusche Liebe bricht als eine gehlinge Fluht herfür / die keusche aber thut (Epictetus.) nichts ohne die Bedachtsamkeit und überleget alles zuvor mit ihrer Vernunfft: Dahingegen die geile nichts anders ist / als eine Beschwerde eines trägen Gemüths / eine Brunst an den Jünglingen / eine Unsinnigkeit an den Weibsbildern / eine Thorheit an den Alten / und eine Boßheit / wodurch viel Laster entstehen. Man mahlet sie mit einem Drachenschwantze / und Löwen-Haubt???b / wodurch man ihren Gifft und ihre Stärcke / welche alle schandbare Thaten mit Gewalt nach sich ziehet / zu erkennen giebet. Viel reiner sind diejenigen Gemüther / welche gleichsam / wie diese Amoureten in nackender Gestalt / das ist / unfleischlichen Begierden einhergehen / nichts als keusche Flammen hegen / und nur dahin trachten / wie sie den Lauff ihres Lebens in den Schrancken der Unsträfflichkeit / Reinlichkeit und Keuschheit fortsetzen mögen. Was Einer liebt / in demselben / pflegt man zu sagen / lebet er: Wie die Liebe beschaffen / Also auch das Leben: Führet man eine ungeziehmende Liebe / so ist auch das Leben ruchbar: Liebet man übel / so lebt man übel. Legt man seine Liebe mit Gefahr an / so leidet man Schiffbruch: Das Leben bestehet nicht in den Augen / mit welchen siehet / sondern in dem Hertzen / wodurch man lebet: Ist nun dasselbe verfälscht / so wird auch der gantze Cörper anbrüchig. Ein erzürnter Mensch stösst öffters viel Worte von sich / und weiß vielmahl selbsten nicht / was er gedrohet oder gethan; Also auch ein eitles Hertze: Ein grosser Unterscheid ist es zwischen diesem und jenem: Dieses suchet seine Ruhe in der Seuche der Wollust / achtet weder Gesetze / noch Verboth / und schläget die Ehre mit Willen aus den Augen. Jenes aber vergleichet sich einer der schönsten Blumen / welche mit ihrem lieblichen Geruche auch die Entfernesten gleichsam an sich ziehet: Es durchsuchet mit seinem keuschen Geblüthe al [172] les das / was ehrlich / und wo es sich befindet / da siehet der Himmel gleichsam dasselbige mit Verwunderung an. Wie nun die Veuus eine Göttin der Nacht / und ihre Dienerinnen die nächtlichen Lüste genennet werden: Also verursachet sie auch denen / welche ihr unabsetzlich nachhangen schwartzes Trauren / schwartzes Betrübnüß und schwartzes Ach und Weh: Sie ist wie ein Schatten / der in einem Augenblicke vergehet / und was ist doch närrischer / als wenn sich ein Kluger von ihr bethören / ein Junger von ihr bestricken / und ein Alter / der das eine Bein schon in der Grube / von ihr (Plutarchus.) berücken lässet. Die Römerin Medulla, wurde in dem Finstern von ihren leiblichen Vater geschwächet / damit sie aber hinter den Thäter kommen möchte / zog sie ihm einen Ring vom Finger / und nachdem sie dadurch innen ward / daß es ihr Vater gewesen / erstach sie ihn beym Altare: Als der beredte Symmachus sich in des Epichali Tochter verliebte / begab er sich zur See / und vergaß darüber die unkeuschen Gedancken: Die Griechin Atalanta eine heidnische Jungfrau befliesse sich eines solchen keuschen Gemüths / daß / als sie dem Weyd-Wercke nachhienge / und ihr Hylaeus, und Thetus nach ihrer Ehre stunde / sie beyde mit ihrem Bogen und Pfeile hinrichtete. Nachdem zur Zeit des Römischen Bürgermeisters Manlii die Chiomarra eines Teutschen Obristen Weib gefangen / und von einem Römischen Haubt-Manne genothzüchtiget wurde schmertzte es sie dermassen / daß sie an denselben bey erlegter ihrer Ranzion heimlich Hand anlegen / und ihm den Kopf hinweg reissen liesse / hernach aber für ihres Mannes Füsse warff / und sagte: Siehe da / ich habe nunmehro diejenige Schmach / welche mir von diesem meinem Feinde angethan worden / hinwiederum ausgeleschet / und meine Ehre gerettet / wofern anders diese Schändung / wodurch der Leib übermannet / das Gemüthe aber mit nichten darein gewilliget / für eine solche zu achten ist. Als den Hippolytum des Thesei Sohn seine Stief-Mutter die Phoedra über die Gebühr liebete / vermochte sie ihn keines weges dahin zu bringen / daß er sich mit ihr fleischlich vermischte. Daß der Mensch den Andern in der Natur liebet / das ist natürlich; Daß er aber in seiner fleischlichen Unart Andere seines gleichen liebet / ist sündlich: Das Fleisch träget man zwar mit sich / man soll aber nicht dem Antrieb desselben im Wandel folgen. Wie derohalben die sündlichen Begierden nur Anfangs süsse und anmuthig zu seyn scheinen / hernacher aber die grössesten Widerwärtigkeiten und Schmertzen erwecken / und einen befleckten Nach-Klang überkommen: Also ist gegentheils ein reines Hertz bey Allen das Liebste und angenehmste / denn so lange die Seele von solchen unflätigen Begierden unverletzt bleibet / da ist auch der Leib unbemackelt / wenn aber die Seele mit bösen Gedancken / umschlossen / da wird auch der Leib dadurch besudelt / und die Seele leidet endlich darüber Schiffbruch.

P. Von dem Land- und Bauer-Leben.
[arrow up]

ES sind zwar in diesem gantzen Begriffe alle Welt-Händel voll von Mühe / voll von Verdruß / voll von Jammer / und voll von Verachtung / iedoch bedüncket mich daß in diesem Stücke der Land-Stand etwas geruhiger / als dererjenigen sey / welche ihre Zeit an Höfen / und Städten mit voller Verdrießlichkeit zubringen. Denn was man nach vollbrachter Arbeit dort an der Zeit erspahret / das [173] kan man zu einem stillen und ruhigen Wandel anwenden / da man hingegen bey diesem wegen der überhäufften Geschäffte und vielerley Handthierungen offtermahls seiner nicht selbsten mächtig ist. Denn es kan der Mensch in der Welt keinen herrlicheren Schatz finden / als wenn er sich selbsten findet / und keinen grösseren Verlust empfinden / als wenn er sich selbst verliehret. Daferne er nun die beste Zeit lässet dahin streichen / so wird er dadurch von seinem eigenen Leben betrogen / von Sorgen gequälet / von allerhand Haß / Feindschafft / und Widerwillen verfolget / und von seiner Unruhe / Geitz / Ehrsucht / und fleischlichen Affecten bis in das Grab begleitet. (Doct. Heinricus Müllerus.) Es sagt jener Gelehrte sehr weißlich / wie drey Dinge uns / drey Dinge in uns / und drey Dinge neben uns wären: Uber uns die heilige Dreyfaltigkeit: In uns: das Haubt / Hertze Füsse / und neben und der Wehr-Lehr- und Nehr-Stand. Daß GOTT über uns / dasselbe haben auch die Heyden aus der Natur erkannt / wir aber wissen / daß GOTT / als Schöpffer / alles ernehret / der Sohn erlöset / und der heilige Geist / als der Finger GOTTES / lehret. Dieses Bild findet man in dem Spiegel seines Leibes / nehmlichen: in dem Hertzen das Predig-Ambt / in dem Haubte das Regiment / und in den Füssen das Hauß-Wesen: Das Hertze sitzet in der Mitten / und verbindet das Ober-mit dem Untertheile: Das Predig-Ambt verknüpfet die Regenten mit den Unterthanen / und machet zwischen den Obern und Untern eine genaue Verbindung: Die Vernunfft / als ein Regente / herrschet aus dem Haubte / als von ihrem Throne / alle Gedancken / Worte / und Wercke des Menschen. Soll dahero die gemeine und menschliche Wohlfarth nich zerstöret werden / so muß eine Obrigkeit mit Vernunfft regieren: Im Haubte lauffen die Sorgen und Gedancken durcheinander: Dergleichen Sorgen kommen auch Regenten zu / sie sind Bäume / unter welchen ein ieder Schirm und Schatten sucht: Das Haubt hat nur zwey Ohren / zwey Augen / und einen Mund: Große Herren sollen Eines zu GOTT / und das andere zum Unterthanen / und Eines zum Kläger / das andere aber zu dem Beklagten halten: Sie sollen haben zwey Augen / Eines zu den Unterthanen / und das andere gegen die Feinde: Einen Mund / aus welchem gleiches Recht gehet. Gleichwie aber für nichts als einen leeren Thon zu achten / wenn sie theils an der Göttlichen Wissenschafft und Erkäntnis derselben / theils auch an den Unterthanen Mangel leiden: Also kan auch der Geist- und Weltliche Stand ohne Obrigkeit nicht bestehen. Diese führet jene beyde gleichsam auf die Weyde / Jene aber / und zwar der eine weiset sie hingegen zu dem rechten Wege GOTTES / der Ander aber erwirbet und giebet ihr so viel / daß sie dadurch ihr Auskommen haben / sie für auswertiger Gewalt vertreten / und gleichsam miteinander als Glieder eines Leibes leben können. Es sind ihrer viel / die das Land und Bauer-Leben mit einem verächtlichen Auge ansehen / wenn man aber dasselbe mit gesunder Vernunfft betrachtet / so kann dasselbe weder die Kunst bestehen / der Regente herrschen / noch das Volck in den Städten ihren Aufenthalt haben. Denn was andere Leute nicht thun und verrichten wollen / das nimmt der Land-Mann auf sich / seine Sorge ist der andern Nahrung / und sein Fleiß deroselben Nutzen. Sobald als der erste Mensch mit seinem Weibe den Sünden-Fall begieng / hub er an das Land zu bauen / zu säen / zu pflantzen / und sich darvon zu ernehren / nicht allein Er / sondern auch [174] seine Nachfolger Cain / Noa / Esau / Abraham / und alle Patriarchen. Abel war ein Schaaf-Hirte / Jacob und seine Kinder Schäfer / Moses der gleichen / Amos / und Saul ein Kühhirte / und der Prophet Elisa gieng eine zeitlang hinter dem Pfluge her. Ist es nun diesen zum Nach-Ruhme / zur Ehre / und zu ihrer und der Ihrigen Aufnehmen gereichet / warum nicht auch andern? Wann niemand die Erde bauete / wer wollte darauf (Lib. 2) leben? Justinianus meldet / es wäre Triptolemus der Erste gewesen / so in Asien Getreyde gebracht / und dasselbe mit Nutzen zu gebrauchen gelehret: (Cicero l. 1. Offic.) Nichts ist unter allen bessers / fruchtbarers / und denen Menschen mehr anständigers als der Feld-Bau. König Sergius ließ bey seiner angehenden Regierung nicht sonder Ursache auf die Müntze Schafe und Ochsen pregen: Der Römer Quintus Cincinnatus, wurde von dem Pfluge zum Römischen Dictator gen Rom beruffen / und nahm / da die Zeit seines Regiments vorbey / so dann den Pflug wieder zu Hand. Als Marcus Valerius Corvinus zu sechs unterschiedenen mahlen das Römisch Bürgermeister-Ambt auf sich gehabt / trat er solches wieder ab / und begab sich auf sein Forwerg zur Ruhe: Die edlen Römer Cajus Marius, Portius Cato, Curius Dentatus, Fabricius, und Andere mehr legten ihre zu Rom auf sich habende Aembter wohlbedächtig ab / und suchten ihr Leben auf dem Lande mit Ruhe zuzubringen. Xenophon sagt / man hätte vor Alters einen geschickten Land-Mann umb des dahero entstandenen Nutzens willen weit höher / als einen erfahrnen Kriegs-Mann gehalten. Der weise Cato nennet die Landes-Einkünffte pium quaestum minimèq??? invidiosum, aut malè cogitantem: Einen ehrlichen Gewinn / welchen man sonder Haß / und Betrug besitze / indem er niemahls nichts seinem Herren nehme / es sey dann / daß er Ihm solches hinwiederum reichlich vergelte: Non ex Cive, sed ex Cive & Agricolâ constat Civitas: Das gemeine Wesen beruhet nicht auf dem Bürger alleine / sondern zugleich auch auf dem Land-Mann. Denn (Xenophon.) gleichwie kein Kind ohne Milch kan erzogen werden: Also muß auch uns die Erde ihre Nahrung reichen. Und über uns hat man sich auch mehr zu verwundern / als wenn man sichtlich siehet / wie der höchste Schöpffer das unterste Geschöpffe in so vielerley Farben kleidet / in so vielerley Arten verwandelt / und in so vielerley Eigenschafften verkehret. Wie ER aus einem harten Korn so einen herrlichen Stengel / aus einer geringen Knospe die schönste Blüthe / und aus derselben die wohlgeschmäckste Frucht wachsen lässet. Es wissen die Poeten gar klüglich das Feld-Leben zu beschreiben / und bald desselbigen Lob durch ein nachdenckliches Hirten-Gespräch / bald durch eine sinnreiche Schäferey / bald aber / wie aus folgenden wahrzunehmen / durch gebundene Reden abzubilden: Der frohe Frühling kömmt: Die Blumen sind verhanden: Die güldne Sonne färbt: der Vogel schwinget sich: Das Graß bricht häuffig aus: Der Zeiten Wüterich / Der grimme Winter eilt nach andern rauhen Landen. Der Land-Mann läßt sein Joch von den verwahrten Banden / und stürtzet seinen Pflug: was uns / und dich / und mich in einer schönen Fluhr ergetzet inniglich Das läßt der freye Muth in seiner Lust nicht stranden. Wie nun kein Stand ohne diesem: Also erfordert er auch eine gute Aufsicht und Ordnung: König David hatte dort über seine Schätze / über seine Ländereyen / über die Weinberge / über die Früchte / über die Kinder / [175] über die Camele / über die Esel / und über die Schaafe besondere Aufseher. Nicht einen geringen Vortheil hat der so auf dem Lande wohnet für andern: Jene / welche bey Hofe oder in den Städten wohnen / setzen sich durch ihre Vermessenheit auf die Höhe der Hoffarth / entzünden öffters dadurch ihr Hertz mit dem Neide / und streben nach der Begierde des Bösen: Ihre Unruhe gehet dahin / daß sie das / was sie besitzen / für wenig achten / und was andere haben / vor viel halten: Ihr Reichthum ist Mühe / und wenn sie das erlanget / so ist vielmahls der Verlust der Seelen grösser / als der angewandte Fleiß: Ihr Hertz streitet mit der Tugend / die sie täglich zu einem frömmern Leben vermahnet / und zugleich auch mit den Begierden / welche sie zur Eitelkeit locket / woraus / wenn sie diesen nachhänget / nichts anders erfolget / als daß ihr Verstand irrig gemacht / das Hertz bekümmert / und sie dadurch selbsten betrogen werden. Hingegen geneusst ein solcher nicht anderer Leute Schweiß und Blut / ist der Verachtung entfernet / und der heimlichen Nachstellung befreyet: Er lebet nicht nach seinem Sinne / sondern nach der Billichkeit / Er thut was sich gebühret / und behält dadurch ein reines Gewissen: Seine Demuth steckt in der Ehre / seine Ruhe in Betrachtung Göttlicher Sachen / sein Verstand in häußlicher Verrichtung / und seine Mässigkeit in deme / daß er sich an allem vergnügen lässet. Ihrer viel sind von Jenen / die sich verliehren / und Ihrer wenig / die wieder herfür kommen; Die Aembter bey ihnen werden verkehret / das Unrecht geheget / die Armen gedrückt / die Keuschen verführet / und die herrlichen Köpfe verleitet. Niemand ist mit seinem Stande zufrieden / ein jeder sucht täglich die Veränderung seines Glückes / und alles muß von zärtlichen Dingen / von zärtlichen Kleidern von zärtlicher Ruhe / von zärtlichen Wohlleben / und von zärtlichen Ehrerbietung / das Hertze sey gleich wo es wolle / bestehen. Es ist bey Hofe ein alter Gebrauch / daß man dasjenige offtermahls erlanget / worüber man sich keine Rechnung gemacht / und dasselbe hinwiederum verliehret / welches man zu verliehren nicht gedacht: Die Welt ist so verschmitzt zu betriegen / daß sie auch Einem eine Hoffnung zu etwas Guten machet / da doch im geringsten nichts zu hoffen / vermercket sie aber / daß einer hochmüthig / und verwegen / so bringet sie ihn zu hohen Ehren; Ist er verliebt / so schleyert sie ihm einen Affen; Ist er zu allerhand Schande und Laster geneigt / so verstärcket sie ihn in seinem Willen; Ist er ein Trunckenbold / so thut sie ihm behülfflichen Vorschub; Ist er aber geitzig und wucherhafftig so wird das Vermögen / es sey recht oder unrecht / gehäuffet / und zwar alles aus denen Ursachen / damit sie ihm hernacher desto eher das Netze seines Untergangs über den Hals werffen könne. Weit klüger und vernünfftiger überlegte der Römische Censorius diese weltliche Hinterlist / indem er in dem 68. Jahre seines Alters die Stadt Rom verließ / und sich auf das Land wendete / also / daß man hernacher an seiner Thür diese Worte geschrieben funde: O felix Cato, tu solus scis vivere. O glückseliger Cato, du alleine weist / wie man glücklich leben soll. Es ist ein viel grösserer Ruhm / die Ehre und Reichthümer dieser Welt (Plutarchus.) verachten / als denenselben nachgehen. Der tapfere Pericles regierte über die Stadt Athen 36. Jahr / nachdem er aber der Mühseligkeit des Stadt-Wesens satt / zohe er auf sein Land-Gut / beflisse sich des Tages der Feld-Arbeit / des Abends des Studierens / und fand man über der Thüre seiner Wohnung gleicher gestalt dieses geschrieben: Inveni Portum, spes & Fortuna valete! Ich habe nunmehro den sicheren Port gefunden / gehabt euch wohl ihr mein Glück und Hoffnung. Als einsmahls nach des [176] Keysers Diocletiani abgetretenen Keyserthum der Römische Senat eine ansehnliche Gesandschafft zu Ihm schickten / und ersuchen liessen / daß er die Keyserliche Hoheit wieder antretten möchte / funden sie denselben daß er Salate lase / und die Weinstöcke beschnitte. Nachdem aber Diocletianus ihre Meinung verstanden / gab er ihnen dieses zur Antwort: Ihr meine Lieben / was meinet ihr wohl / ob dieses nicht besser sey / daß derjenige welcher diesen Salat gesäet / und diesen Weinstock gepflantzet / nicht beydes hinwieder geniessen / als daß er sich von neuen nach Rom in die Unruhe begebe. Und weil mir nicht unbekannt / was theils die Sorge der Regierung / theils auch der Ackerbau für Mühe auf sich habe / so lasset mich ungehindert bey diesem letzteren in Ruhe verbleiben. Denn ich begehre lieber auf diesem meinem Hofe dasjenige zu essen / was ich mit meinen Händen gewinne / als das Römische Reich nach eines jedweden Gutachten zu regieren. Aus diesen und dergleichen erhellet / daß grosse und ansehnliche Leute öffters gantze Länder / alle Hoheit und Herrligkeit verlassen / und anstatt derselben ein eingezogenes Leben erkieset. Die wahre Ruhe bestehet nicht eben in vielem Besitzen / sondern in der Vergnügung: Alle Pracht und Hoheit verursachen mehr Pein als Freude: Und ob man schon anfangs hierüber eine Lust empfindet / so ziehen sie doch offtermahls einen Schmertzen nach sich; Ein Mensch wenn er lange genug in der Welt gelebet / hat nach nichts grössern zu trachten / als wie er sich aus der Unruhe in die Ruhe setzen möge. Die Nayrung suchen ist billich / wann man aber demjenigen / was man bereit gefunden / nach erlangter Ruhe emsiger nachstrebet / und sich wieder aus der Ruhe zu weltlichen Händeln begiebet / dem mangelt entweder der Verstand / oder das Glücke. Wer ist freyer / als der sich in der Freyheit befindet / und gleichwohl siehet man / daß dieselbe öffters viel nachtheiliges mit sich bringet. Den̅ gleichwie diejenigenso mit grosser Freyheit versehen / sich dero am wenigsten gebrauchen: also ist auch der nicht frey / so in solcher lebet / sondern dieser / der in derselben stirbet: Alle Aembter und Dienste haben Mühe / nur aber der ist unbesonnen / der sich aus seiner Ruhe / und aus seinem Friede in eine unruhige Unlust begiebet: Grosse Würde / grosse Sünde: Ein hoher Stand ist gleich den hohen Bäumen / welche zum Fallen geschickter als die niedrigsten: Nichts hat mehr Mühe und Gefahr auf sich als derselbe: Wir bauen vielfältig grosse Wohnungen / nnd unser Grund ist doch nur auf die Eitelkeit gestützet. Die Seele wohnet in einer kleinen Hütten / und bedarff dahero keine grössere / als sie selbst ist. Man klagt vielfältig über Armuth / wer aber ist hieran anders schuld / als ihre Tochter der Müssiggang. Vorwitz ist der Weg zum Verderben; Lebete man nicht üppig / in steten Fressen und Sauffen / in schnöder Pracht und edler Hoffarth / in Verschwendung vielen Vermögens / und in Mißbrauch der zeitlichen Güter / so dürffte die verschmälerte Nahrung nicht mit der Thorheit zum Fenster hinaus sehen. Keiner hat solche Bürde anders / als sich selbsten zuzuschreiben; Wenn GOTT aus Zorn und Rache die Menschen durch Brand und Krieg von ihren Gütern stößt / so muß man zufrieden seyn: Wenn aber der Mensch dasjenige / was er von dem Himmel gleichsam pachtweise hat / ungebührlich hindurch jaget / so muß es ein Zufall oder Verhängnis heissen. Derohalben Si sapis, affectes mediocria; Summa periclis Obvia: Contemtum sordida vita parit.
|| [177]
Wofern du weise bist / so trachte so zu leben / Damit der mittler Stand dir Nutzen könne geben. Grosse Gaben des Glückes / machen grosse Sorgen / und was herrlich ist / das stehet in Gefahr. Wie derohalben an allen denen jenigen Oerthern / in welchen nichts als Pracht / Hochmuth / Hoffarth und Uberfluß geführet wird / eine vergängliche Unruhe / ein Platz worinne das Leben beschwerlich / und das Sterben gefährlich / eine Herberge der Boßheit / ein Gebrechen der Unbeständigkeit / eine falsche Vermessenheit / und ein betrüglicher Vortheil / welcher lauter Unruhe / lauter Seufftzen / und lauter Schand / und Laster gebiehret / anzutreffen: Also ist hingegen der Stand / darinnen man geruhsamer lebet / und anderer Leuten Gut und Geld für nüchtig hält / viel vergnügter / viel glückseliger / und billich für eine Gabe GOTTES zu nennen. Denn desjenigen Menschens sein Leben / welches sich also vergnügsam erweiset / ist gleichsam ein kurtzer / und lustiger Weg den man in dieser Welt sonder grosse Beschwerde zu gehen vermag.

Q. Von den vier Haupt-Winden.
[arrow up]

ISt iemahls was seltzames / und wunderbahres so uns die Lufft vorstellet / so sind es die Winde und deroselben Macht und Gewalt. (Cardanus de varietatc Rerum l. 1. c. 9.) Denn es gedencket Ammianus Marcellinus, daß einsmahls in Assyrien in der Stadt Anatha bey dem Euphrat dieselben alle Häuser aufgedecket die Soldaten darniedergeworffen / und Etliche von Ihnen gar mit sich hinweg geführet / welches in einem solchen ebenen Lande / wo keine Gebürge / was ungewöhnliches. Die Poeten fingiren / als ob die Aurora von dem Astraeo die Winde gebohren / Denn nachdem sie sich mit demselben vermischt / hätte sie den Argestem Zephyrum, und Boream gebohren. Die vornemhmsten vier Haubt-Winde / welche man sonst Cardinales nennet / sind Aquilo seu Boreas, der Nord-Wind / Subsolanus seu Eurus der Ost-Wind / Favonius seu Zephyrus der West-Wind / und Auster seu Notus der Sud-Wind. Dasjenige / was man Ihnen an statt der Opfer reichete / waren lauter wohlriechende Sachen. Uber diese / dichtet man / hätte AEolus als ein König zu gebiethen. (Hieronymus Megiserus in Descript. Venet. c. 24.) Man schreibet / daß zwischen Padua und Vicenz, auf einem Adelichen Land-Guthe eine Höhle von 4000. Schuhe lang / und 3000. breit zu finden sey / worinnen man entweder die Winde versperren / oder sie daraus in alle Zimmer desselbigen Hauses lassen könne / mit dieser Uberschrifft: AEolus hic clauso ventorum Carcere regnat. Allhier an diesem Ort ist AEolus zu finden / Der / wenn er will / geheuth den eingeschloßnen Winden. (Winde Uhrsprung und Eigenschafften.) Es entstehen aber die Winde / gleichwie fast der Donner und Blitz aus den warmen und truckenen Dünsten / welche durch Krafft der Sonnen von der Erden zu dem mittelsten Theile der Lufft häuffig hinauf gezogen / und hinwiederum von der Kälte eben wie der Donner mit Gewalt zurücke getrieben werden. Denn wenn diese hitzige und truckene Dünste also wieder herniederwerts gejaget werden / so begegnen ihnen andere / welche die Sonne täglich an sich ziehet / und verursachen dadurch in der Lufft einefolche Bewegung / die man den Wind nennet.
|| [178]
Es fahren aber solche leichte / warme und truckene Dünste / die von der Kälte herunter getrieben / nicht eben gerade unter sich / sondern seitwerts / dahero man auch nicht siehet / oder fühlet / daß die Winde stracks unter sich / sondern seitwerts zu streichen pflegen / gestalt man denn solches an den Wind-Gefässen wahrzunehmen / welche inwendig hohl / und von aussen ein Löchlein haben. Denn wenn diese sich erwärmen / so ziehen sie die Feuchtigkeit an sich / wenn man sie aber gegen das Feuer stellet / so verwandelt sich die von der Hitze herrührende Feuchtigkeit in einen Dampff / und bläset aus solchem kleinen Loche gleich einer Blase blad wider das Feuer heraus. Es ist aber der Winde gemeine Art und Natur / daß sie ziweilen ie länger ie stärcker zu wehen pflegen / und dieses kömmt daher: Wenn sich der Wind um den Horizon oder Erden-Creyß erhebet / so ist er noch sehr schwach / wenn er aber besser herunter fället / so vermehren sich die Dünste von oben herab / und unten herauswerts / also / daß es hier zugehet / wie mit dem Wasser / welches im Anfange / da es entspringt / fast kleine / und hernacher aus andern hierzulauffenden Bächen und Quellen ein grosser Strohm daraus wird. Die Physici nennen die gelinde und liebliche Lufft Auram, weiln sie aus einer geringen und subtilen Dunst / so die Lufft allgemach beweget / entstehet. (Ihr Nutzen.) Der Winde Nutzen sind / daß sie die Lufft reinigen / das Dürre und Truckene feuchte / und hingegen / was feuchte / wiederum trucken machen: Ihr Lauff bestehet durch das gantze Jahr / sie haben ihre gewisse Theile / und Umschweiffe um den Erdboden / und ihre gewisse Cardines, oder Thür-Angel / (Wirbel-Wind.) von denen sie von dem Horizon zu uns herab wehen: Den Turbinem nennen die Physici einen Wirbel-Wind / und rechnen derselben zweyerley: Den ersten nennen sie Typhonem, oder einen Sturm-Wind / der aus einer solchen Materia / daraus Donner und Blitz / ohne allein / daß sie nicht zündet / entspringet. Wenn nun ein solcher Wind in eine enge Wolcke getrieben wird / so bricht sie mit Gewalt in einem runden Circkel herfür / fähret mit gantzer Macht unter sich / und zerbricht Bäume / Häuser / Schiffe und alles was sie in solcher Weil ertappen kan. Der ander Wirbel-Wind entspinnet sich wenn nehmlich derselbe an einen engen Ort getrieben wird / oder es treffen zwey Winde querüber zusammen / und überwerffen sich miteinander / so giebet es einen solchen Wirbel / welcher aber nicht so gefährlich als der erste. (Der Winde Wirckung und ihre Nahmen.) Die Ordnung der Winde auf der Welt-Kugel sind Septentrio, so kalt und trucken / Boreas, so kalt und frostig: Caecias oder Altitonans, so Wärme und Donner bringet: Eurus, so warm und feuchte / und Regen erwecket: Vulturnus, so gegen dem Africo, gesetzet wird / welcher kalt / und feuchte / und mit dem Winde Trascia Schnee erwecket: Euro Auster oder Euronotus, so warm und feuchte / auch Regen und Gewölcke causiret: Auster, der warm und feuchte / ingleichen Regen / Nebel / trübe Lufft / und Pestilentialische Seuche nach sich ziehet: Libonotus, oder Africus, so kalt und feuchte / und ein Verkündiger des Ungewitters: Favonius, oder Zephyrus, der warm und feuchte / welcher von den Poeten ein Vater der Blumen / und der Geburth genennet wird / das ist / welcher die Feuchtigkeit und Wärme mässiget / die Kälte vertreibet / den Frost mildert / Laub und Graß herfürbringet / und durch sein freundliches Anhauchen gleichsam allen Creaturen eine lebendige Seele einbläset: Corus oder Caurus, der kalt und feuchte / und Trascias, welcher kalt mit Feuchte / und Truckenheit / erwecket
|| [ID00203]
|| [ID20204]
|| [179]
erwecket gemeiniglich Schlossen und Schnee. Derjenigen Winde aber / welche man zur See rechnet / sind 32. als: 1. Fünffe von Morgen: 1. Ost-Nord-Ost. 2. Ost zu Norden. 3. Osten-Wind. 4. Ost-Suden. 5. Ost-Sud-Ost. 2. Fünffe von Mittage: 1. Sud-Ost. 2. Suden zu Osten. 3. Sud-Wind. 4. Suden zu Westen. 5. Sud-Sud-West. 3. Fünffe vom Abend: 1. West-Sud-West. 2. Westen zu Suden. 3. West-Wind. 4. Westen zu Norden. 5. West-Nord-West. 4. Fünffe von Mitternacht: 1. Nord-Nord-West. 2. Norden zu Westen. 3. Nord-Wind. 4. Norden zu Osten. 5. Nord Nord-Ost. 5. Hernacher 12. Mittel-Winde / als zwischen Morgen und Mittag. 1. Sud zu Osten. 2. Sud-Ost. 3. Sud-Ost zu Suden. Drey zwischen dem Mittage und Niedergang. 1. Sud-West zu Suden. 2. Sud-West. 3. Sud-West zu Westen. Drey zwischen dem Niedergang und Mitternacht. 1. Nord-West zu Westen. 2. Nord-West. 3. Nord-West zu Norden. Drey zwischen Mitternacht und Aufgang: 1. Nord-Ost zu Norden. 2. Nord-Ost. 3. Nord-Ost zu Osten.

R. Von dem Saturno.
[arrow up]

DEn Saturnum wollen Etliche / daß er von dem Himmel / Etliche von (Natalis Comes.) dem Meere / Etliche von der Erde entsprungen: Andere aber / daß er von dem Himmel / und der Vesta, durch welche sie nichts anders als (ad Lib. 1. Georg. Virg.) die Erde meinen / gebohren worden sey. Servius stehet in denen Gedancken / daß man vor Alters die jenigen / welche von grossen Tugenden gewesen / und sie eigentlich nicht gekennet / Kinder des Himmels genennet / damit bey denen Nachkommen / oder in ihrem Geschlechte / solche Ehre von Zeiten zu Zeiten fortgestammet werden möchte / gestalt man denn weiß / daß man gewisse Berge / Flüsse und Seen dem Männlichen Geschlechte an Nahmen beygeleget. Dem sey aber / wie ihm wolle / so wird durch den Saturnum ein sehr kluger und verständiger Mann vorgestellet / welcher nach etlicher Meinung in Aegypten / oder in Lybien regieret. Nachdem er aber / wie allbereit oben angeführet / von seinem Sohne dem Jupiter des Landes vertrieben / sich in Welschland begeben / und mit dem Jano daselbst des Regiments angemasset / so haben die Poeten die damahlige Zeit die güldene genennet / von welcher Tibullus also saget: Quàm benè Saturno vivebant Rege, prius, quàm Tellus in longas est patefacta vias. Nondum coeruleas pinus contempseratundas, effusum ventis praebuert???; Sinum. Nec vagus ignotis repetens Compendia terris, presserat externâ navita Merce Ratem: Illo non validus subiit juga Tempore Taurus; non domito froenos ore momordit Equus: Non domus ulla fores habuit, non fixus in agris, qui regeret certis Finibus arva, Lapis. Ipsae mella dabant quercus, ultro???; ferebant obvia securis Ubera lactis oves.
|| [180]
Non Acies, non Ira fuit, non Bella, nec Enses immiti saevus presserat Arte Faber, Wie / als Saturnus noch dasselbe wohl regieret / gieng es doch glücklich her? das Land war unbekannt. Es hatte nie kein Schiff die See also berühret / das frembde Wahren trug von ferne nach dem Strand. Zu der Zeit durffte nicht der Stier am Joche gehen; Es war dem kühnen Hengst kein Ziegel angelegt: Man sahe sonder Thor die Häuser offen stehen / und keinen Stein gesetzt / der Rhein und Gräntze hegt. Der süsse Honig floß von Bäumen unberühret: Es both das milde Schaaf die Milch gar willig dar. Kein Zorn ward da vermerckt / noch strenger Krieg geführet / Dahero niemand auch bekannt war die Gefahr. Des Saturni Kinder sollen Pluto, Chiron, Ficus, Neptunus, Jupiter (Saturnalia.) tertius, Cromis, Vesta, Ceres, und Glauca gewesen seyn. Ihm hielt man zu Rom zu Ehren entweder fünff oder sieben Tage lang gewisse (Macrobius l. 1. Saturnal. c. 10.) Fest-Tage / welche man Saturnalia nennete / und von den Römern mit grossen Freuden begangen wurden / und hub sich der erste Tag solcher Saturnalium den 17. Decembris an. Solche Saturnalia sollten nichts anders / als die Zeit bedeuten / indem Saturnus von den Griechen Chronos oder die Zeit selbst genennet wurde. Das Gröste / was an Ihme gerühmet / ist / daß er das rohe / unbändige und wilde Volck gebändiget / und zu einem erbahren Leben angeführet / welches man auch durch diejenigen Kertzern / so man an seinem Fest: Tage verschenckte / zu erkennen gegeben / und daß man zur Zeit seiner Regierung gleichsam aus der Finsternüs in das Liecht gesühret worden wäre. Wohin auch der Poete zielet / wenn er von einem weisen Fürsten also schreibet: Da wohnt der Weißheit Chron / wo weisses Fürsten-Haar bey wildem Volcke blüht: Es stehet wohl im Lande: Das Schiff ist in den Port: Das Guth liegt auf dem Strande / und hat die Furcht ersäufft / die vor verhanden war. Und findet sich auch gleich noch offters mehr Gefahr / die bald ein Wetter dräut mit einem rothen Brande / so bringet kluger Kath / und Tugend / es zum Stande / Daß einst der Scepter gläntzt / und machet alles klar. Glückselig ist das Volck: Wenn dieß ein Printz erlangt / Daß in der Blühte Erden Silber-Schnee läßt scheinen / und um und neben sich aufwachsen sieht die Seinen / So hat er das / wormit er hier und dorte prangt. Unter andern soll er insonderheit gelehret haben / wie man Bäume pflantzen / psropsen und aufziehen solle / weswegen man Ihm auch als einem Erfinder des Ackerbaues die Sense zugeeignet / und Er mit selbiger vorgebildet worden. Die Poeten haben hiervon die Gelegenheit dieses von Ihm zu dichten bekommen / daß / als er seinen Vater entmannet / [181] (Zvving. Theat. tit. Agricult. Magistri. Saturnal. 1. c. 10.) habe er die Sense auf die Erde geworffen / welche in Sicilien an den Orth gefallen / so nach dem Griechischen Worte [Greek words] eine Sichel oder Sense heisse. Macrobius will ein anders / und saget / daß die Poeten die sonderbare Fruchtbarkeit des Landes Sicilien darzu veranlasset. Die wahrhafftige Meinungscheinet wohl diese zu seyn / daß die Insel wegen Ihrer Gestalt / als eine Sichel oder Sense / dahero den Nahmen bekommen. Nebenst diesem soll er auch die Latiner den Wein zu bauen gelehret haben / (Alex. ab Alex. genial. dier. lib. 2. c. 22. Macrob. Saturn. l. 1. c. 7.) wie Dionysius die Aegyptier / welchen sie unter dem Nahmen Osiris verehret. Deßgleichen wird er für einen Erfinder deß Honigs gehalten. Die Poeten verstehen auch durch Ihn die Zeit / dahero gekommen / daß die Mahlerdenselben in Gestalt eines alten Mannes gemahlet. In der Hand hat er eine Sense / nebenst einer Schlange / so ihren Schwantz in sich sasset / welches nichts anders bedeut / als die Ewigkeit / und Gewalt der Zeit / nach welcher sich gleichsam alles abmeyet. In dem Rachen hat Er eines von den Kindern stecken / welches Er verschlungen / und wieder ausspiehe / weil nehmlich die Zeit alles darvon führet / gleichsam tödtet / (Apud Tholosan. Comment. in Artem mirab. l. 4. c. 5.) und wieder neugebohren herfürbringet. Welches vielleicht den Justinianum dahin gebracht / daß Er durch den Saturnum die Natur verstehet. Wiewohl Macrobius durch Ihn auf die Sonne ziehlet / weilbey demselben die Elementa mit vorgestellet / Gestalt man auch dem Saturno zweene Knaben und zwey Mägdlein zugesellet / welche die Elementa (Natal. Comes.) gewiesen. Die meisten aber gehen auf die Zeit. Und gleichwie die Aegyptier / und Phoenicier alle ihre Götter mit Flügeln abbildeten: Also theileten Sie auch dem Saturno viere derselben zu / von welchen ihrer zwey herab hingen / die andern zwey aber sich empor schwungen: Zu dem so hatte Er vier Augen / welche denn sonder Zweiffel denen Nienschender Zeit ihre unvermeidete Flucht vor Augen stellen sollten / als welche unter dem Schlaffe zu wachen / und unter dem Wachen zu schlaffen gewohnt wäre. (in ???ololat. l. 1. c. 18.) Der gelehrte Vossius ist der Meinung / daß unter diesem allem / was von dem Saturno zu lesen / nichts anders / als Adam der erste Mensch zuverstehen sey. Dieser / als er von dem Himmel / das ist / von GOTT / und der Erden / das ist / aus einem Erden-Klosse an das Liecht dieser Welt gebracht / habe zuerst den Ackerbau gewiesen / und zu der rechten güldenen Zeit gelebet; Letzlich / so haben auch die Astronomi Ihn als einen Stern wegen sienes langsamen Lauffs benennet / indem Er nach der meisten Meinung fast in dreyssing Jahren / oder in zehentausend neunhundert fünff und funffzig Tagen / und 12. Stunden seinen Creyß / und Lauff erst vollendete. Sie haben Ihm gleicher Gestalt eine Sense zugetheilet / wodurch Sie dieses Sterns schädliche Wirckung bey der untern Welt angedeutet haben wollen / als welcher / nach ihrer Meinung / wo Er anders bey der Geburth eines Kindes nicht wegen seines widrigen Enflusses von einem gütigern Planeten gemindert würde / demselbigen den Todt dreuete. (Der Streit zwischen der Natur un̅ Kunst) Bey dieser des Saturni Vorstellung hat man auch der Natur ihre Art / Gewonheit / Eigenschafft / und Streit mit der Kunst zu beobachten. Die Natur ist / die uns nackend lässet gebehren / und nackend sterben / und in der man isset und trincket / wächset und schläffet / hungert und durstet / redet und schweiget / dahero die Frage / ob die Natur / oder die Erfahrenheit der Künste mehr zu leisten vermöge. Die Natur wiese dem Saturno, wie er sich und die Seinigen / nachdem er verjaget / in der Fremb [182] de ernehren / das Land bauen / und derselben in allen nachleben sollte. Beyderseits sind zu rühmen: Künste vermögen alles / und niemand hasset dieselbigen / als der sie nicht kan. Sie sind Zehr-Pfennige / an denen man nicht schwehr träget / und die man weder rauben noch stehlen kan: Ihre Geschicklichkeit ist dem Golde vorzuziehen: Denn durch Sie wird die gantze Welt erleuchtet: Sie sind Zierathen im Glücke / und Beschützerinnen (Plato.) im Unglücke: Das Jenige Regiment bestehet wohl / wenn entweder Potentaten in Künsten erfahren / oder geschickte Leute umb sich haben: Das Lebender Menschen ohne Kunst und Geschicklichkeit ist nichts anders als ein Todt / und lebendiges Begräbnüs / da hingegen diese die Jugend erhalten / die Alten belustigen / die Traurigen erfreuen / und niemals keinen keine Hinderung in den Weg streuen. Als sich eines Tages der Cardinal Julianus in den Büchern erlustigte / sagte ein ander zu Ihm: Was liegstu unter denen / die längst verstorben / worauf Ihm Jener zur Antwort gabe: Hi Famâ vivunt, tu verò ne???que Nomine, ne???que Re vivis: Diese leben annoch wegen ihres guten Gerüchts / du aber hast weder einen guten Nahmen / noch gutes Lob an dir. Gleichwie aber nicht ohne / daß der Krieg und die Veränderung des Glücks alles verzehret / ausser die Kunst nicht. Also ist doch gewiß / daß diese ohne die Natur blind / stumm und taub. Denn was diese thut / das muß der Mensch thun / er thue es gleich willig oder unwillig: Auf ihr wächst weder Schimmel noch Rost: Sie verkehret und ändert alle Dinge in der Welt. Das Gestirne an dem Himmel gehet auf und nieder: Der Tag folget der Nacht: Das Meer brüstet sich auf und leget sich wieder: Die Sonne Scheinet / und der Himmel donnert. Der Mensch lachet und weinet. Wie der wese Anaxagoras hörete / daß sein Sohn todt / sagte Er / was ist das neues / mein Sohn ist sterblich / darumb hat Er auch sterben müssen: Die Natur hat allen lebhafften Dingen ein gewisses Ziel bestimmet / und zum sterben eine gewisse Zeit gestecket. Was Sie dem Menschen eingiebet / das bedarff nicht viel Kopffbrechens: Sie giebet einem Jedem Thiere zu verstehen / was gut oder böse ist / dahero dasselbe das jenige wahrnimmet / und meidet / wormit man es verletzen / hauen / stechen / schlagen oder tödten kan. Sie ist die / was Sie dem Menschen an einem Gliede benimmet / das ersetzet Sie Ihm an einem andern. Denn weil sie sich in allen Dingen eines ungesparten Fleisses bedienet / und nichts vergebliches verordnet: So ist auch ihr Ruhm in Fortpflantzung des Menschlichen Geschlechts / in Empfängnüs in Mutterleibe / in Bildung / in der Geburth / und Nahrung desto höher. Gleichwie aber die Kunst ohne Sie nichts: Also hält Sie auch eines übernatürlichen Dinges innerliche Krafft verborgen / und lässet die Menschen so lange darnach grübeln / bis Sie solche durch fleissiges Nachfinnen erforschen. Es scheinet zwar / als wenn die Kunst mehr wichtigere Dinge / als die Natur selbsten herfür brächte. Denn worzu nützet ein unpolierter Diamant? Worzu das ungeschmeltzte Gold? Worzu das rohe Silber? Worzu das gifftige Metall? Worzu die Wolle des Viehes? Worzu das Kraut und Gewächse? Worzu die Wälder / und worzu das zahme und wilde Vieh? Wenn der Diamant nicht geschliffen / das Gold zur künstlichen Arbeit verwendet / das Silber geschmeltzet / das Kupfer getrieben / das Eisen gehärtet / die Wolle gesponnen / das Graß genutzet / das Holtz verarbeitet / und das Vieh gezähmet würde. Wann [183] man aber beyde ansiehet / so muß billich die Kunst der Natur weichen / weil Jene ohne diese nichts künstliches herfür zu bringen vermag. Denn weil die Kunst von dem Menschen / und der Natur Geschöpffe herrühret / so muß vorhero solche durch Fleiß und Mühe erlernet / hernacher der Natur beygesellet / und vermittelst deroselben Werck-Zeuge besser ausgearbeitet werden. (Je mebr Kegenten an Jahren zunehmen / je mebr sie der Laster sollen müssig geben.) Hier weiset uns auch Saturnus, wie sich Potentaten sollen in der Jugend / und denn im Alter verhalten: Es ist bey dem JOVE gedacht / daß Er sich in seiner Jugend mit gewisser Bedingung des Reichs verziehen / und solches seinem Bruder aus Unbedachtsamkeit überlassen / auch hernach seinem Sohne dem JOVI selbst nach dem Leben gestanden / und darüber des Landes verlustiget / auch hernach zu einem klügeren Leben gebracht worden: Wann die Jugend / sagt man / so verständig wäre / als das Alter / so würde viel Thorheit unterbleiben: Seltenruhet dieselbe / und die Weißheit unter einem Dache. Denn wenn die Kinder-Schue zerrissen / so legt man erst die Stiefeln an: Nur allein die jenigen Anschläge sind heilsam / welche von dem Alter der Weißheit unterbauet werden: Böse Gesellschafften verderben auch die edelsten Gemüther. Die jenigen thun wohl / wenn sie dieselben mit der Schärffe erhalten / damit sie das jenige / womit sie sich die Zeit ihres Lebens ernehren sollen / desto eher begreiffen. Gleichwie aber Zucht und Tugend / Kunst und Geschicklichkeit dieselbe zieret: Also pfleget auch das Alter dahin seine Zuflucht zu nehmen. Was kan aber verkehrter gefunden werden / als wenn man aus dem Alter umkehret / sich gleichsam wieder in die Jugend wirfft / und mit derselben allerhand Laster anmasset. Keiner wird das widersprechen / daß beyde Alte und Junge ein reines und tugend hafftes Leben zu führen verpflichtet; Es wird aber in diesem Stücke Einem die Schuld mehr / als dem andern beygemessen. Denn obgleich die Jungen einen Excess begehen / so geschiehet doch solches aus Unwissenheit / der Alte aber thut es aus Bsoheit. Wer will alt seyn / der muß sich so halten / wie einem Alten gebühret: Mässig im Leben: Erbar in Kleidung: Behutsam in Reden: Verständig im Rathen: Löblich im Regimente: Gedultig im Widerwärtigkeit und rein von Lastern. Die Jugend weiß offters nicht / was sie wissen sollte / dahero kein Wunder / daß sie der Welt folget / weil es aber die Alten besser verstehen / so haben sie die Laster desto eher zu meiden. Kein grösserer Betrug ist / als wenn der Mensch sich selbst betreugt. Die Welt ist viel schlimmer als wir: So offt als wir von den Lastern / von unsern Begierden / und von unserem Fleische hintergangen werden: So offt gehen wir wieder daran / die Welt aber ist so schlimm / daß sie uns ohn Unterlaß berücket / und wenn sie uns unterwürffig gemacht / so nöthiget sie uns / daß wir thun müssen / was wir nicht gerne wollen. Als Saturnus seine Jugend-Mängel erkannte / kehrete er um / und begab sich zu einem weisen Leben: Ebener Gestalt soll ein Weiser und Verständiger bedencken / was er thue / rede / anfahe / und wem er sich vertraue: Unsere angeerbte böse Natur ist nichts anders / als eine Zerstörerin unsers Verstandes / unser Verstand ein Richter / unsere Begierde ein Hencker der Jungend / die Jugend eine Verführerin des Alters / und das Alter ein Verkündiger des Todes: Der Mensch veral [184] tet an allen seinen Gliedern / nur am Hertzen und der Zunge nicht. Denn das Hertze dencket allezeit auf was böses / und die Zunge / wie sie allerhand Boßheit verüben möge. Der Tyrann Phalaris schrieb einsmahls seinem guten Freunde also: Ich verwundere mich / daß du von Jahren so alt / und von Lastern so jung bist / da du doch bey dir erwegen solltest / daß man vorzeiten mehr zu einem Alten umb seines Privileg???i willen / als zu einem Altare geflohen ist. Die Zeit ist kurtz / sie ist aber schädlich / wo Sie übel angelegt: Der Ruhm ist der letzte Geist aller Thaten / welches sich bey einem lasterhafftigen Alter niemahls befindet: Soll derohalben das Alter wohl angelegt seyn / so muß es sich mit der Jugend nicht vergleichen: Das Contrafait eines lasterhafftigen Potentatens ist eine Vorstellung seiner Laster / wenn es aber mit der Tugend gezieret gewesen / so weiset man / was daran gelegen. Wie nun die Menschliche Gestalt baufällig; Also sind auch die Bilder vergänglich / wann sie nicht mit der Tugend untergestützt. Unter allen Römern war der Welt-Weise Cato der einzige / welcher nicht verstatten wollte / daß in dem Capitolio zu Rom seine Statua aufgerichtet werden möchte. Und weil sich viel Leute darüber verwunderten sagte Er: Es ist besser / daß man das jenige / was ich in meinem Leben gutes verrichtet / aufsuche / und darnach lebe / als daß man mir zu Ehren eine Statua setze / die umb einer geringen Ursache willen hinwiederumb eingerissen / und weggeworffen werden kan. Bleibet dahero darbey / ein aufrichtiges Gemüthe / eine warhafftige Rede / und ein beständiger Mund ist nach dem Tode eine der besten Kundschafften. Darum wer nach einer höheren Freude trachtet / der lerne in irrdischen Unfällen großmüthig überwinden / verachte das Zeitliche / und lerne durch Weißheit das Ewige suchen. Wirckung der sämmtlichen sieben Planeten. WIr wollen aber die unter dem vorhergegangenen Aufzuge hin und wieder zertheilten Planeten kürtzlich zusammen ziehen / und annoch deroselben himmlische Wirckungen / auch die dadurch vielen Völckern betrügerischer Weise an die Hand gegebene Abgötterey / und eingebildeten Aberglauben mit wenigen beschauen. (Eintheilang der Himmel. Confer Alstedii Encyclopaed. Tychode Brach.) Was sonst Astronomicè von Wirckung der Sieben Planeten / und deroselben Häusern zu halten / so ist nicht ohne / daß nur ein Himmel / welchen man das Firmament, oder die Feste des Himmels nennet / zu finden sey / gleichwohl aber theilet man denselben in zehn unterschiedene Sphaeras, oder Himmel / von welchen Einer immer höher als der Andere stehet / nehmlichen die unterste Sphaera ist Luna, die nechste Mercurius, Venus, Sol, Mars, Jupiter und Saturnus, welchen der Neunte Himmel / oder Coelum Crystallinum, der allein aus seinem Lauffe erkannt wird / folget / und dann der Zehende / oder das primum Mobile, der alle Sphaeras vom Aufgange bis zum Niedergange mit Sich herumbführet. Dieser erste Motus, primum mobile, oder Zehende Himmel läufft innerhalb vier und zwanzig Stunden Circulrund umb die Welt / und bringet durch solchen ihren Lauff zu wege / daß die Sonne / der Mond und das Gestirne auff- und niedergehet / und [185] zwischen Tag und Nacht eine Gleichheit hält. Der neunte Himmel nimmt seinen natürlichen Lauff von Untergang gegen Auffgang dem Lauff des zehenden Himmels entgegen / hat seine eigene Polos, und Axem, und durchschneidet Axem Mundi in dem Mittel creutzweise. Sein Motus ist dermassen langsam / daß ihn auch die Alten nicht beobachtet / und dahero nur neun Sphaeren gesetzet: Der achte oder gestirnte Himmel hat vor sich seine eigene und natürliche Bewegung / welche sich von Mitternacht gegen Mittag / und von dannen gegen Mitternacht erstrecket. (??? Saturnus.) Auf diesen folgen nun die sieben Himmel / oder Planeten / welche alle ihren natürlichen / wiewohl ungleichen Lauff von Abend gegen Morgen unter dem Zodiaco der achten Sphaerae haben / daß sie aber dem zehenden Himmel mit gleichem Lauffe nicht alle entgegen kommen / ist / daß dieser die / so ihme am nechsten / viel geschwinder mit sich herumbreisset / als die Andern / welche zu tieff von Ihm gesetzt sind / zudem / so hat ein Planete immer einen kleineren Umbkreis / als der Andere. Und weiln Saturnus der Höchste / der die Andern Planeten in seinem Umbkreisse beschleusst / so vollbringet er seinen Lauff gegen den Zehenden Himmel desto langsamer / nehmlich in dreyssig Jahren / da hingegen der Mond / als der kleineste unter den Planeten / den Seinigen binnen vier Wochen vollziehet. Es ist aber Saturnus, wie gesagt / der Oberste und Höchste Planete / den man wegen seiner Höhe selten siehet / und des Tages nur zwey Minuten / in einem Jahre aber zwölff Gradus, zwölff Minuten / und sechs und vierzig secunden läufft. Dahero ihn auch die Astronomi für melancholischer und irrdischer Art achten / als welcher in seiner Wirckung schwer / und langsam / und in allen seinen Aspectibus schädlich fiele / regiere nnr über reiche / geitzige / sorgfältige / neidische / listige und verschmitzte Leute / insonderheit aber über Bley / Ertz / und dergleichen / und verursache mit dem Monden allerhand böse Kranckheiten / Zorn / Haß / Aussatz / Gicht / und schwere Noth. Seine Häuser sind der Steinbock und Wassermann. (??? Jupiter) Nach Ihm ist Jupiter der andere Planet / welcher in Jahr und Tag dreyssig Grad, neunzehen Minuten / und ein und vierzig Secunden, und in zwölff Jahren den Zodiacum durchläufft. Man nennet Ihn unter allen Planeten den Gütigsten / ist warmer und feuchter Complexion, hat eine anmuthige Influenz, wodurch man zu allerhand Ehre / Hoheit / und (Comes Natal.) Menschlicher Glückselichkeit fähig / und geschickt wird. Von Ihme meldet man / daß Er seinen Vatter aus dem Reiche verjaget / wordurch man nichts anders verstehet / als daß Er mit seinem guten Temperament des Saturni Boßheit / das ist / seine Kälte vertriebe / und dieselbe umb ein gutes Theil vergeringere. Er giebet einen solchen Schein von sich / daß man fast seinen Schatten verspühret / und ist ein Freund der Menschlichen Natur / gestalt man dann unter Ihn alle Geistliche hohe Standes-Personen / ingleichen Reichthumb / Ruhm / Ehre / Weißheit / und Aufrichtigkeit rechnet. Seine Häuser sind der Schütze / und die Fische. (??? Mars.) Mars, dessen Häuser der Widder und Scorpion / ist seiner Art nach Cholerisch / heiß / trucken / läufft durch die zwölff Himmlische Zeichen in zwey Jahren / und gleichet sich am Scheine der VENUS: Sein Einfluß ist widerwärtig / dem JOVI entgegen / und [186] was dieser gutes würcket / das unterstehet sich Jener zu hintertreiben. Was unter ihm gebohren wird / ist meistentheils jachzornig / frech / kühne und streitbar. Ihme sind alle die Jenigen / welche mit Krieg / Kriegerischen Gedancken / Wehr und Waffen / Eisen und Feuer umgehen / wie auch alle unverschämte Menschen unterworffen / deßgleichen rühren auch von Ihm alle gifftige Drüsen / Geschwäre / und andere hitzige Kranckheiten her / in Summa / alles / was man in der Stunde Martis anfahe / das soll unglücklich seyn / und alle Traurigkeit / Schrecken und Furcht zu wege bringen. (??? Sol.) Sol, so der König aller Planeten / nach welchem sich die Andern alle mit ihrem Lauffe richten / und der den Löwen zum Hause hat / ist warm und trucken / läufft den Tag über vor sich / da hingegen andere Planeten hinter sich lauffen / Sie streicht täglich 29. Minuten / und 8. Secunden fort / und vollbringet ihr gesetztes Ziel in Jahr und Tag / so Annus solaris (Jacobus Milichius.) genennet wird. Man hat ausgerechnet / daß dieselbe in einer Minute 4500. Teutsche Meilweges lauffe / woraus erscheinet / daß Sie / weil iede Stunde 60. Minuten hat / alle Stunden 270000. Meilen lauffe. Daß Sie uns in unserem Gesichte klein zu seyn bedüncket / das macht ihre Weite / und überaus grosse Höhe von der Erden. Sie ist eine solche feurige Kugel / die sich selbsten nicht verzehret / und gleichwol allen Creaturen eine solche lebendige Krafft mittheilet / daß sie nicht allein alles auf dem Erdboden erwärmet / sondern auch durch ihre Hitze allerley Gewürme zeitiget und lebendig machet. Die Poeten / wie an seinem Orthe soll gesagt werden / haben durch die Veränderung der Sonnen-Wärme in der Fabel von ihrem Wege / welchen Phaëthon ohn Unterlaß mit vier Pferden herumbführe / gar artlich die Veränderung der Natur zuverstehen gegeben / indem Eous, oder Bosphorus die erste feurige Klarheit / Pyrois die scharffe Hitze / Aethon die brennende / und Phlegon die nachlassende Hitze bedeute. Man nennet sie auch das Auge / und die Seele der Welt / indem Sie allen natürlichen Dingen Krafft und Leben giebet. Sie theilet vom Aufgang bis zum Niedergang allen Sternen ihr Liecht mit / scheinet durch den ganzen Zodia cum, und vollstrecket / wie gesagt / ihren Lauff in 365. Tagen. Sie herrschet über alle Keyser / Könige / Potentaten und Obrigkeiten / auch über alle stoltze / kluge / und ehrgeitzige Leuthe / welche in grossen Ansehen seyn wollen / und hat am Menschlichen Leibe das Gehirne / die Augen / und das Hertz inne. (??? Venus.) Der Veneris Eigenschafft ist / daß sie von Natur kalt / und feuchte / und gleiche Verwandtnüs mit dem Jove, auch den Stier / und die Wage zu Häusern hat. Was nun Jupiter dem Menschen an Tugend / Geschicklichkeit und Kunst einflösset / darzu giebet die Venus ihre besondere Anmuthigkeit / und zierliche Gestalt. Sie läufft mit dem Mercurio täglich so weit als die Sonne / wird theils eine gewisse Zeit Lucifer, oder Morgen- und dann Hesperus der Abend-Stern genennt. Man hat ihr wegen ihrer schönen Gestalt / und weil sie / dem Ansehen nach / ausser der Sonne und den Mond der allergröste Stern am Himmel zu seyn scheinet / den Nahmen der holdseeligsten Venus gegeben. Sie geht der Sonnen vor / strahlet / wie Mercurius, wider die Welt / verrichtet ihren Lauff durch den Zodiacum in 365. Tagen / und siehet dem Marti am Scheine allerdings gleich. Sie herrschet über die fröliche und lustige Jugend / und über alles das / was Freude und Wollust erwecket / insonderheit aber bey dem Menschen über die Nieren / Lenden / und andere Geburts-Glieder.
|| [187]
Mercurius nimmt eines ieden Planeten / mit dem er sich gesellet / (??? Mercurius.) Natur und Eigenschafften an sich / und hat zu seinen Häusern die Zwillinge und die Jungfrau. Von den Metallen eignet man Ihm das Quecksilber / und unter den Steinen den Magnet zu. Sein Stern ist klein und liechte / hell und weiß / der der Sonne am nechsten stehet. Er verrichtet seinen Lauff / wie die Venus und die Sonne / und wird für den zwey- und zwanzigsten Theil des Erd-Creysses geschätzet. Seiner Beschaffenheit nach ist er ein unbeständiger Planete mit gutem gut / und mit bösem böse / auch feuchte und truckenes Wesens. Er ist ein Herr über alle hurtige / und sinnreiche Künstler / freye Wissenschafften / Handlungen / und Erfinder aller neuen Dinge / auch beherrschet er das Gedächtnüs / die Zunge und das Gehirne. Der Lunae Haus ist der Krebs / hat über uns / weil er der nechste (??? Luna.) Planete nach der Erde ist / mehr zu wircken / als die anderen alle / vollbringet seinen Lauff in dem Zodiaco fast in 28. Tagen / und durchläufft denselben des Jahrs 12. mahl. Er scheinet menschlichen Augen so groß / als die Sonne / weil er dem Erdboden viel näher / als dieselbe / nimmt seinen Schein von der Sonne / und hat seinen Ab- und Zugang. Denn wenn der Mond bey der Sonne stehet / so scheinet dieselbe von oben herabwerts auf den Mond / da denn die Strahlen wieder zurücke hinauf springen / und der Mond das finstere Theil seiner Kugel zu uns wendet / so man den neuen Mond nennet. Wenn aber der Mond von der Sonnen gemachsam fortgehet / so beginnet er auf seiner runden Kugel oder Scheibe einen blancken / und hörnichten / hernach einen halben und vollen Schein zu bekommen. Dafern nun der Mond / gegen dem Morgen zu / der Sonnen hinwieder entgegen läufft / so drehet sich sein Glantz gemachsam wieder in die Höhe / und nimmt also der Mond wieder ab / biß er halb und hörnicht scheinet / und letzlich / dem Bedüncken nach / gantz vergehet. Es ist sich aber billig über diesen der Planeten Gang zu verwundern. Denn die Sonne ist gleichsam unter ihnen ihr König: Venus hält so wohl Abends als Morgens die Wache: Mercurius gehet als ihr Cantzler bey ihr her: Luna verrichtet das Ambt eines fertigen Postiglion: Mars, Saturnus und Jupiter aber steigen / sobald sie sich zu ihnen genahet / in das höchste Theil ihrer Circul / und gehen ihr gleichsam als die Vornehmsten vor: Wenn sie sich aber von Ihnen wegbegiebet / so folgen sie ihr langsam nach / und stehen nachmahls gleich als wenn sie sich von ihr absegnen wollten / von ferne stille / kehren hierauf zurücke / biß die Sonne gegen Ihnen recht überstehet / und lassen sich alsdann in ihren Circuln auf das niedrigste herab / woraus klärlich zu sehen / wie die Göttliche Weißheit uns Menschen durch die Ordnung der Sterne an dem grossen Himmels-Gebäude auch das Weltliche Regiment vorgestellet und abgebildet. (Der Planeten Höhe und Grösse.) Von der Grösse und Höhe der Planeten aber / wie hoch Jeder von dem Mittel-Puncte der Erde stehe / rechnet man also: Von der Erden stehen: (Erasmus Schrekenfuchs. Co̅ment. in Sphaer. Joh. de S. Busto. pag. 47.) Luna. - - 28359 Teutsche Meilen. 0. Minuten Mercurius. 55141. - - - - - 37. Venus. - 142652. - - - -0. Sol. - - 927238. - - -38. Mars. - - 1010615. - - - - -0. Jupiter. - 7074306. - - -0. Saturnus-15091338. - - - -2.
|| [188]
Aus diesen suchet man die Dicke eines ieden Planeten / als die Stärcke Lunae ist - 26782. Teutsche Meilen / 37. Minuten. Mercurii - 87510. - - -23. Veneris - 784586. - -38. Solis - - 83376. - -22. Martis - - 6063691. - - -0. Jovis, und - 4244412. - - -22. Saturni - - 4772619. - - 40. Solchem Gemässe ist der Umb-Creiß Lunae - - 346605. teutsche Meilen / 27. Minuten. Mercurii - - 899813. - - 0. Veneris - - 5828359. - - 50. Solis - - 6354437. - -1. Martis - - 44467066. - - 0. Jovis, und - 71146228. - - - 0. Saturni. - 94859839. - - 0. Ist demnach / wie die Astronomi rechnen / grösser als die Erde / Saturnus - - 91. mahl. Jupiter - - 95½. Mars - - - 1 1/3 Sol. - - - 166. oder / wie andere wollen / 162. mahl. Hingegen sind kleiner als die Erde / Venus - 37. mahl. Mercurius - 3143. und Luna - - 39. Diese vollbringen ihren Lauff umb den Erd-Creyß. Saturnus ohngefehr in 30. Jahren. Jupiter. - - - 12. Mars. - - - - 2. Sol. - - - - - 365. Tagen. Venus. - - - 265. Tagen. Mercurius, - - 1. Jahr. Luna. - - - - 27. Tagen. (Urspru̅g der erste̅ Abgötterey. Hospinianus in Relig. Ethnic.) Hierbey hat man sich auch der entstandenen Abgötterey / und wie sie ihren Anfang gewonnen / gleichmässig zu erinnern. Es ist aber Abgötterey und der Aberglaube nichts anders / als eine Tochter / und Sohn der Aufgeblasenen Hoffarth / und der falschen Einbildung. Dieser Irrthum ist bey den Heiden gemachsam eingerissen / und hat nachmahls / nachdem sie den wahren Dreyeinigen und unsterblichen GOTT / der durch seine eigene Weißheit aus nichts alles erschaffen / aus den Augen gesetzet / so gar / überhand genommen / daß sie sich zu den stummen und tauben Götzen / die doch nur von Holtze / und Steinen / oder anderer sterblichen Menschen Händen gewesen / gesellet / und für Götter aufgeworffen / So viel aber die Weissagungen / welche von ihen herrühreten / belanget / so geschahen dieselben nicht durch sie / sondern durch Andere / die sich in ihre Bilder verkrochen / oder durch die unreinen Geister selbsten / welche die Leute da [189] durch hinter das Liecht sühreten / und in ihrem Irrthume verstärcketen. Wie nun dahero alle Abgötterey ihren Anfang gemachsam zugenommen / und der Teuffel mit der ungewissen Weissagung seine Gauckeley gehabt / also wollen wir solche mit wenigen melden. Es haben die Juden von Ankunfft und Ursprung der Abgötterey ihre sonderbahre Meinung gehabt / und vorgegeben / daß Ißmael der Erste / welcher aus Leime ein Bild gemacht / und den Leuten dasselbe anzubeten fürgestellet: Hingegen sind die Heyden der Meinung / daß Prometheus der erste Bildschnitzer gewesen / und von Ihme die Andern ihre Kunst-Bilder / und Seulen aufzurichten gelernet: Der rechte Anfänger aber alles dieses Bösen ware / nach Anweisung der wahrhafftigen Historien und Geschichten / König Ninus in Assyrien / welcher seinem Vatter dem Belo, der etwas zeitlich mit Tode abgangen / ein herrliches Begräbnüs anstellete / und Ihm zum ewigen Gedächtnüs ein Bild / das seinem Vatter in allen gleichte / aus purem Golde aufrichten liesse / damit / so offt er es sahe / Er sich dessen erinnern könte. Endlich befahl Er gar / ihn für einen Gott zu verehren / und anzubeten / immassen er dann seinen Unterthanen den Assyrern einbildete / als ob sein Vatter in Himmel gefahren / und daselbst zu einem Gott gemacht worden wäre. Dannenhero es auch mit der Zeit dahin gerieth / daß der böse Geist sich in solch Bild verbarg / und denen / so Bericht von Ihm begehrten / Bescheid gab. Etliche machten aus dem Belo hernach Beel / Baal / Baalpheor und Baalsebub. Diesem Exempel folgten nachgehends auch andere Heyden / machten aus denen verstorbenen Menschen / die bey ihren Lebezeiten etwas sonderliches verrichtet unterschiedene Götter / und verehreten / dieselben auf Göttliche Art und Weise. Ihr erster Gott war Saturnus, der bey seinem Leben ein König in Creta / und nachdem er verstorben / vermeineten seine Unterthanen / er wäre gen Himmel entzuckt / und zum Planeten worden. Welcher bis auf den heutigen Tag den Nahmen von Ihm hat / weßwegen sie hernacher denselben anbeteten / und Ihm göttliche Ehre erzeigten. Andere schreiben / und dichten von Ihm / daß er ein weiser / verständiger und gelehrter Mann gewesen / und habe aus der Sternen-Kunst so viel erkundiget / daß sein Weib schwanger / ihm einen Sohn gebähren / von dem Er aus dem Reiche verstossen / und in das Elend verjagt werden würde: Darumb Er auch seinem Weibe befohlen / daß / wenn sie das Kind gebohren / es ihm alsbald sollte zu fressen geben. Nachdem aber die Mutter einen Sohn zur Welt gebracht / habe sie das Kind verborgen gehalten / und dem Vatter an statt desselben einen Stein / den Er auch verschlungen / gezeiget. Es soll ihm aber dieses sein Weib drey Söhne / nehmlichen / den Jovem, Neptunum, und Plutonem, und eine Tochter die Junonem, welche allzumahl von den Heiden für Götter geehret worden / gebohren haben. Dem Jovi eignete man auch einen besonderen Planeten zu / nennete ihn Jupiter, und erhub ihn hernach über andere Götter. Nach diesem warffen sie den Martem für einen Gott des Krieges auf / erwiesen der Sonne / welche auch Apollo genennt / in der Insul Delos göttliche Ehre deßgleichen der Veneri, wie auch dem Mercurio, den Sie für des Jovis Sohn hielten / und endlich dem Mond / den man sonst Diana nennete / und für deß / ???pollinis Schwester ausgab. Gleichwie man nun an diesem sich nicht vergnüget achtete / Also brachte man auch in unterschiedenen Ländern und Oerthern andere und neue Götter herfür / daß [190] dahero ein Jegliches Land und Volk seinen eigenen und sonderlichen Gott hatte. Denn in Aegypten war es Isis, in Cretâ Jupiter, bey den Mohren Juba, bey den Latinern Faunus, bey den Römern Quirinus, zu Athen Minerva, in Cypern zu Paphos die Venus, zu Delos, und Delphis Apollo, und andere mehr / also daß Ihm ein Jeder / seiner Andacht und Meinung nach / einen besonderen Gott erkiesete. Die Christen aber wissen aus Göttlicher Schrifft ein bessers / und daß allein ein GOTT im Himmel / der alle Dinge erschaffen / und daß nebenst anderen Geschöpfen das Erste und Herrlichste die Engel seyn / welche doch alle in der Warheit nicht bestanden / sondern etliche unter Ihnen / und zwar die Vornehmsten aus Hoffarth und Vermessenheit / wieder von GOTT abgefallen / in die Hölle gestürtzet / und zu Feinden GOttes und aller Menschen worden. Weßwegen dann dieselben aus Neid und Haß wider das menschliche Geschlechte sich an unsern ersten Eltern / und zuförderst an die Evam / als einen schwachen Werckzeug gemacht / aus der Schlange mit ihr geredet / sie verführet / und betrogen / und dadurch auch alle Menschen in die äuserste Noth gebracht / wodurch also die Erkänntnüs GOttes bey den Menschen gemachsam erloschen / daß sie aus Unverstand der Natur nicht gewust / wie der rechte GOTT zu erkennen / zu verehren / und zu lieben sey. (Ob der Teufel Wunder thun könne.) Es ist kein Zweiffel / daß der Teuffel aus Göttlichem Verhängnüsse und zur Straffe der Welt Wunder thun könne / Denn bey dem Mose lieset man / daß durch Mitwirckung des Teuffels die Zauberer den Göttlichen (Exod. c. 7. 8.) Wercken durch Lügen-Zeichen sehr nachgeahmet / und GOTT verbeuth selbsten / daß man den falschen Propheten nicht Glauben zustellen solle. (Deut. 13.) Unterstehet sich nun der Teuffel nebenst GOttes Wercken auch sein Affen-Spiel zu haben / wie vielmehr bey denen abergläubischen Menschen / die insonderheit ihr Heil und Vertrauen auf einen verstorbenen Menschen / (Herodotus l. 2.) oder todtes Bild setzen. Da König Amasis in Egypten wegen nicht Leistung der Ehelichen Pflicht einen Argwohn auf seine Gemahlin warff / und Sie dahero zu tödten bedrohete / ruffte sie aus abergläubischer Einbildung die Venerem umb Beystand an / verhieß Ihr zur Danckbarkeit ein gantz gülden Bild in dem Tempel zu Cyren auffzurichten / und erlangte dadurch / ihrem Vorgeben nach / daß ihr Gemahl Sie erkannte. Wie (Valerius M. l. 1. c. 8.) der Römische Feld-Herr Furius Camillus die Vejer in Hetrurien bezwungen / befahl er der Juno Bildnus des Jupiters Schwester von dannen nach Rom zu führen / nachdem aber einer zu solchem Bilde schertzweise sagte: Willstu mit nach Rom? habe dasselbe geantwortet: Ja. Wornach man nicht allein solches mit Verwunderung dahin gebracht / sondern auch der Junoni zu Ehren / als welche vom Himmel gekommen / und sich in dieses Bild gesetzet hätte / auf dem Berge Aventino einen Tempel erbauet. (Val Max. l. 1. c. 8.) Die Brutier und Lucaner trugen gegen der Stadt Thurium eine verbitterte Feindschafft / und vermeinten dieselbe zu vertilgen / es nahmen sich aber die Römer ihrer an; indem sie nun in Sorgen stunden / ob sie die Feinde angreiffen sollten oder nicht / trat ein unbekannter Jüngling herfür / und ermahnete Sie zum Streit; wie Sie aber nicht wohl dran wollten / nahm derselbe eine Sturm-Leiter / stieg darmit auf der Feinde Bollwerk / und rieff überlaut: Sehet / das ist der Anfang eures Sieges. Da dan̅ hierauf die Römer von den Feinden 25000. Mann nebenst ihrem Generale dem Statio Statilio erschlugen / und 23. Fähnel gefangen bekahmen. Des andern Tages ließ man durch das gantze Lager nach dem Jünglinge fra [191] gen / da Sich aber Niemand angab / gerieth man auf die Gedancken / daß es Ihr Gott Mars, zumahln da man sein Helmlein mit den zwey Spitzen gefunden / müsse gewesen seyn. Dahero dann Fabricius befahl / daß man Ihm zu Ehren ein grosses Fest halten / alles Kriegs-Volck auf den Häuptern Ehren-Cräntze tragen / und solchem wegen des geleisteten Beystandes öffentlich dancken sollten. (Fulgosus.) Dem Abgott Vulcano hatte man nicht weit von Agrigent einen Tempel und Altar erbauet / auf dem man Ihn anbetete / und grün Holz legete; wenn man nun / wie man vorgabe / mit Andacht sein Gebeth verrichtete / so zündete sich das grüne Holtz selbsten an / geschahe aber das Gebeth kaltsinnig / so blieb das Holz auch ohne Feuer. (Sabellicus l. 2. c. 5.) Als die Sabiner die Römer in die Flucht schlugen / und Sie König Romulus nicht zurücke zu halten vermochte / that Er dem Jupiter ein Gelübde / daß / wo sein Volck sich wieder erhohlete / Er Ihm in Rom einen herrlichen Tempel aufrichten lassen wollte / welches nach erlangtem Siege auch geschahe. (Pausanias in Corinthiacis.) Die Sicyonier stiffteten dem Apollini zu Ehren / weil er ihre Schafe für den Wölffen befreyet / einen schönen Tempel auf dem Marckte / deßgleichen thaten auch die Athenienser wegen der Pest / daß Sie derselben vermittelst des Apollinis entübriget zu seyn vermeineten. Des Saturni Saturnalia, des Martis Quirinalia, des Mercurii Mercurialia, und der Sonnen Mitriaca sind bekannt / welche alle solche Heydnische Feste waren / an welchen man Ihnen zu Ehren / als vermeinten Göttern / auf unterschiedene Arten Opffer anstellete. (Lactantius.) Nachdem die Carthaginenser von dem Agathocle geschlagen / meineten Sie / es wäre Saturnus über Sie erzörnet / und opferten ihm deßwegen zweyhundert der edlesten Jünglinge / allermassen denn bey Ihnen (Plutarchus in lib. de Superstit.) ohne diß der Gebrauch / daß der Jenige / welcher keine Kinder hatte etliche von ihren Eltern erkauffte / und Sie in beyseyn deroselben dem Saturno opferte. Damit man aber deroselben Winseln und Wehklagen nicht hörete / schlug und bließ man die Paucken und Pfeiffen bey währendem Opfer. (Comes Natal.) Dem Jovi wurde nichts als Menschen-Blut / dem Marti ein wilder Stier / der Sonnen ein Pferd / der Venus eine Taube und weisse Ziege / dem Mercurio Milch und Honig / wie auch die Zunge von dem geschlachteten Vieh / und der Lunae eine Saue / oder Farre geopffert / so gar hat der Teuffel / theils durch diese blinde Zeichen / theils auch durch solche teuffelische Opffer die Menschen zur Abgötterey geführet / daß (Abgötterey / was sie heisse.) dadurch viel tausend Seelen in ihrer Blindheit dahin gefahren. Unter andern ist auch die Abgötterey das / was man für GOTT dichtet / oder Sich etwas ohne GOTTES Wort zum GOttes-Dienste erwehlet / worinne weder Krafft noch Trost zu befinden / gestalt dann die Heiden (Varro. Augustin.) unter Sich dreyssig tausend Götzen / und die Perser und Chaldaeer das Feuer für ihren Gott hielten / indem Sie gehöret / daß der Alt-Väter gethanes Opffer durch das Feuer vom Himmel verzehret worden: Etliche zogen die Göttliche Verheissung von des Weibes Samen auf den Abgott Priapum, Etliche des Messiae Opffer auf den Abgott Moloch / welchem Sie ihre Kinder verbrenneten / und demselben opferten. (Genes. ???.) In der Schrifft findet man / daß der falsche Gottes-Dienst von Cain und seinem Geschlechte angefangen / und nach der Sündfluth von [192] (Genes. 11. Num. 23.) Chams seinen Nachkommen fortgepflantzet worden. Denn die Babylonier verehreten / wie gesagt / den Bel, die Sydonier, Phoenicier und (2. Reg. 1.) Moabiter den Baal / die zu Ekron den Beelzebub / welchen der König Ahasia in seiner Kranckheit vergebens umb Rath fragen ließ: Die (1. Sam. 12. 1. Reg. 11.) Philister und die Abtrünnigen Israeliter den Dagon un̅ Astharoth: Die Kinder Ammon Moloch / und Milcom: Die Moabiter den Chamos: Die Römer die Vestam, Cybelen, und Junonem: Die Sicilianer den Apollinem: Die Megarenser die Dianam: Die Griechen die Minervam und Isidem: Die Aegyptier den Vulcanum, und andere mehr. (Deut. 5. 6.) Wider diese hat von Anbeginn die Göttliche Majestät / insonderheit aber bey seinem Volcke vielfältig geeifert / und gesagt / sagt es auch noch bis auf den heutigen Tag: Ich bin der HERR dein GOTT / du sollt neben mir keine Götter haben: Du sollt dir kein Bildnus / noch (c. 34.) irgend ein Gleichnus weder von oben im Himmel / noch unter der Erden (Deut. 27.) zurichten. Verflucht sey der / welcher dergleichen als ein Greuel des HERRN / ein Werck der Werckmeister Hände aufrichtet / und setzet (Psalm. 96. Esaiae 42.) es in das Verborgene. Alle Götter der Völcker sind Götzen / der HERR aber hat den Himmel gemacht / und dessen Tempel bleibet ewiglich. (Alle Völker haben ihre Religion.) Es ist kein Volck unter der Sonnen / das nicht seine eigene Religion habe. Wie nun das Gesetze der Natur Einem ieden einpräget / daß ein unsterblicher GOTT ist: Also gebeuth auch dasselbige / wie man Ihn dienen / ehren / und fürchten solle. Wie aber solches geschehen müsse / das hat GOTT durch sein Wort offenbahret: Der Glaube ist der Grund der Religion, so mit der eifrigen Gottesfurcht verbunden ist. Wer nun den HERRN nach seinem Gesetze in rechter Demuth (1. Sam. 2.) dienet / den will Er wieder ehren / und ihn seiner ewigen Herrlichkeit mit theilhafftig machen. Was aber GOTT sey / das kan man nicht besser als aus seinem Worte wissen: Wer nun Ihm / und seinen Worten glaubet / der gehet auf keinem Irrweeg. sc. (Der Weltlichen Ehre Nichtigkeit) Aus diesen / und dergleichen erzehlten Sachen allen / siehet man nun endlich alles Fleisches / und der weltlichen Ehre / Hoheit / und Standes Flüchtigkeit. Denn aller Stand ist vergänglich: Alle Hoheit fleucht dahin: Alles Reichthumb ist nichtig / und alle Ehre flüchtig. Wann das Glücke Einen gehling erhebet / so schmeisset es Ihn auch gemeiniglich zu Boden: Wir Menschen sind insgemein schwach: Schwach werden wir gebohren: Schwach erzogen / und in Schwachheit fallen wir wieder dahin; Jedoch sind wir nicht so schwach / daß wir / wenn wir wollen / nicht denen Lastern entgehen können. Wo das Leben am süssesten / so klopset der Tod am Ersten an: Crux priùs, & Lacrymae, simul & Tentatio mordent quemlibet in mundo: Confert Solamnia CHRISTUS per verbum, sequitur Requies, demùm itur ad Astra. Durch Creutz und Noth wird man bewährt eh' man sich recht zu GOtt bekehrt / dann folgt der Trost aus GOttes Wort / der Glaub ergreiffet Christi Hort:
|| [193]
Der Tod verschafft die Ruh zur Hand / worauf erfolgt das Vaterland / wodurch man kommt zur Herrlichkeit / Da Ehr und Wonne ist bereit. Wann wir der Welt-Freude am besten verhoffen / so stürtzet sie uns am meisten in des Teuffels Netze. König Philippus des Alexandri Magni Vater / als er auf einen Tag drey ansehnliche Schlachten erhielte / hub seine Hände gen Himmel und sagte: Oihr barmhertzigen Götter / Euch bitte ich / daß ihr mir diesen Sieg und diese Ehre nicht wollet in eine Strasse verwandeln. Der grosse Pompejus pflegte offters zu sagen / daß er das Römische Reich ohne Hoffnung überkommen / und da er es erlanget / hinwieder verlohren / ehe er sich dessen am wenigsten versehen. Niemahls ist der menschliche Stand so sicher / daß er nicht täglich der Gefahr unterworffen. Keyser Constantinus ließ dem Hortensio umb einer übel-geschnittenen Feder willen den Kopf vor die Füsse legen. Keyser Commodus dem Cleander, um daß er geharnischt in das Keyserliche Zimmer getreten / tödten. Keyser Alcamenes den Pannonium über dem Ballschlagen enthaupten. Alexander Magnus den Craterum, Diocletianus den Patricium, Domitianus den Rufinum, und Pyrrhus den Fabatum hinrichten. Der Poet und Welt-weise Euripides gab dem Könige Demetrio, als er von der menschlichen Schwachheit und Kürtze des Lebens gefraget wurde / dieses zur Antwort: Es ist in diesem gantzen Leben nichts sicheres / nichts Beständiges / noch Vollkommenes / alldieweiln alle Dinge der Veränderung unterworffen. Niemand soll sich veracht halten / als der zuvorn berühmt gewesen / und niemand unglückselig / als der / welcher zuvor in grossen Ehren geschwebet: Keiner ist kräncker / als der stets gesund ist: Keiner steckt in grösserer Gefahr / als der sich niemahls darinne befunden: Keiner ist ärmer / als deme niemahls nichts gemangelt. Denn wenn er vermeinet / er ist am sichersten / so geräth er am ersten in Unglück. In diesem Leben ist nichts gewissers / als daß alles ungewiß: Viel Leute findet man an Fürstlichen Höfen / die in ihren Lastern eher veralten / als daß sie dieselben sollten ablegen. Es ist auf dem gantzen Erdboden kein Alter / keine Zeit / kein Stand / kein Königreich / kein Volck und kein Mensch / der nicht erfahre / was Widerwille oder Unglücke sey. Denn erweget man bey sich den Verlust der Seinigen / die Beraubung seiner Güter / die Undanckbarkeit des Nechsten / die Aufsätzligkeit seiner Feinde / das Absterben der Freunde / und andere vorlauffende Widerwärtigkeiten / so wird man das armselige Leben mehr betauren / als desselbigen sich lange wündschen. Alle Dinge unter dem Himmel sind wandelbar. Und ob schon die Gerechtigkeit und GOTTES-Furcht zwey Grund-Seulen / worauf sich das Gebäude der Politica lehnet: So ist doch nichts desto weniger dasselbige zu erhalten / eine übernatürliche That. Eine Zerrüttung zeiget der andern den Weg. Ein Königreich kömmt auf / das Andere fällt dahin: Einer herrschet / der Andere stirbet: Einer wächset / der Andere grauet. Also gehet alles dahin / woher es seinen Anfang genommen. Keiner wird glauben / daß der niedrige Stand dem jenigen um deßwegen seine Ehre und Tugend bemackele / weil ihn die Natur [194] nicht höher erhoben. Eine grosse Narrheit ist es / wann Einer sich einbildet / er sey aus einer bessern Materia gemacht / als ein Anderer: Eine noch grössere Thorheit aber / wenn ein Reicher vermeinet / er sey um seines Reichthums willen besser als der Andere. Wir Menschen spielen mit den irdischen Gefässen / als wie die kleinen Kinder mit Tiegeln und Töpfen / welche in einem Augenblicke zerbrechen: Wir machen unsere Rechnung auf viel Jahre / theilen unser Vermögen ein / und suchen wie wir uns täglich empor heben mögen / und sind doch dessen nicht eines Schrittes weit versichert. Die Grentzen sind uns gesetzt / ob wir schon das Ziel nicht wissen: Wie ein Glaß zerbricht: Also sind auch unsere Fälle: Wir führen ohn Unterlaß an uns / was in uns täglich zerbricht. Wir sterben / und alle Tage fähret ein Theil unsers Lebens hinweg. In der Kindheit handeln wir / wie die Kinder / in Mitten des Alters leben wir der Welt zu gefallen / im Alter aber / wollten wir gerne das ersetzen / was uns zu thun unmöglich. Die Sonne hält ihren richtigen Lauff / wo sie sich endiget / da fänget sie wiederum an: Des Menschlichen Lebens Anfang ist auch sein Ende: Das Ende der Zeit ist der Anfang zu der Ewigkeit. Hat man nun wohl gelebet / so ist der Tod des Lebens Anfang / ist aber das Leben böse gewesen / so folget das Ende seinen Wercken. Wohl derowegen dem / der seine Zeit also vollbringet / daß er nach dem Tode auch die unverwelckte Ruhe geniessen möge.
|| [ID00221]

Die vormahls an dem gestirneten Himmel Hellgläntzende / anietzo aber auf denen irrdischen Befilden Jagt-beflissene DIANA, benebenst Ihrem Lehr und Beschicht-reichen Jäger-Walde.
[arrow up]

|| [ID00222]
|| [197]
Uber die Diana. WEr hat Lust mit hinaus ins Feld? Diana hat zur Jagt geblasen; Sie hat den Wald schon umbgestellt / die Stäuber stehen auf den Rasen / Und sehn begierig nach dem Wilde: den Knechten geben Sie zu thun / Sie zu erhalten im Gefilde; Sie mögen für den Raub nicht ruhn. Und wenn Ihr nun der gantze Tag / der überschönen Himmels-Dirne / Zur Jagt nicht mehr zulangen mag; So stellt Sie sich an das Gestirne; Sie jaget durch die Sternen-Häuser / bis auch die Reise wird vollbracht; Giebt einen treuen Wege-Weiser dem Wanders-Mann bey tunckler Nacht: Hat Sie was übrig noch von Zeit; So fährt Sie nach der Burg der Höllen / Ins Hauß der trüben Ewigkeit / dem düstren Schatten sich zu stellen. Sie ist ein Muster mancher Tugend; drum hat das alte Heydenthum Sie dargestelt zum Bild der Jugend / um zu erlangen Ehr und Ruhm / Und gläubest du nicht meinem Wort; so lies die Zeilen / die nachgehen / Du wirst gewiß an deinem Orth mir Beyfall geben / und gestehen
|| [198]
Daß hier kein Blat umsonst geschrieben / das nicht nach eitel Tugend schmeckt: Wer sich im Guten nur will üben / dem wird ein Ziel hier aufgesteckt / Es stellen sich zu Lehrern auf auch selbst die grausamwilden Thiere / Als Tugend- und der Laster-Hauf; die Wölffe / Büffel / Farren / Stiere / Die Hirsche / Luchsen / Bären / Hunde / die Haasen / Füchse / wilde Schwein / Und was führt scharffe Zähn im Munde; theils treue / theils auch schädlich seyn: Der weise Schöpffer hat sie ja Uns zum Exempel lassen werden / Deßwegen sind Sie alle da / Uns / die wir wallen auf der Erden / Zu weisen / daß derselben Leben / so zwar ist mehrentheils was frey / Zur Richtschnur / von Ihm aufgegeben / daß unser Wandel erbar sey. Die Faulheit / Zorn und Grausamkeit sambt andern Lastern an sich tragen / Die setzen billich wir beyseit / allein dem Guten nachzujagen / Ich schliesse / Leser / sage wieder / wenn du es durchgeblättert hast / Wieviel du / und mit dir einjeder von Gutem habet aufgefasst?
|| [ID00225]
|| [ID00226]
|| [199]
Wie das Jagen ein Vorbild des Krieges / also ist auch (Des Jagens Unterscheid.) die stille Einsamkeit eine Abbildung des Friedens: Alle Leibes-Ubungen / so nicht wider GOTT und die Natur / sind unverbothen / worunter auch das Jagen nicht eines von denen Geringsten. Die Alten theileten das Jagen auf dreyerley Weise ein / als da war das Jagen der Menschen / die man von einem Orte zu dem andern triebe / sie unterdrückte / und zur Dienstbarkeit nöthigte / wie bey der ersten Babylonischen Monarchi geschahe: Das Andere nennete man das Kampff - Jagen / woselbst man / wie hiebevorn gedacht / die zum Tode verurtheileten auf dem aufgerichteten Schau-Platz mit den Löwen Bähren / Panther - Thieren / und andern grausamen Thieren so lange auf den Tod kämpffen liesse / bis entweder die begierigen Zuschauer sich an dem Menschen - Blute genugsam gesättiget / oder zum Mitleiden / und Barmhertzigkeit bewegt wurden. Und ob schon dieses sehr Unmenschlich schiene; so funden sich doch ihrer Etliche / die sich nicht allein um der Ehre / und des Gewinstes willen / darzu willig gebrauchen liessen / sondern auch solche / welche viel Unkosten darauf wendeten / inmassen bekannt / daß Keyser Nero 600. der tapffersten Römer hierzu verordnete / und ins gemein zu solchem Kampffe die stärckste junge Mannschafft gebrauchte. Keyser Caligula nöthigte zu solchem Schauspiele auch armselige / und schwache Leute / desgleichen Keyser Domitianus etliche Weibespersohnen / und Keyser Titus viel gefangene Juden. Das dritte Jagen aber so noch heutiges Tages bey uns üblich / war das Wild entweder im Holtze / oder freyen Felde zu hetzen / und zu fällen / und ist dasselbe der hohen Obrigkeit / oder denen / die es Macht / auf ihres / oder eines andern Grund und Boden zu thun erlaubet / und zwar um soviel desto befugter / wenn solches ohne Verhinderung des GOTTES-Dienstes / ohne Nachtheil des Nechsten / und ohne Schaden des Land-Mannes geschiehet. (dessen Befügnis) Bey den Alten wurden die Jäger / so wohl männliches als weibliches Geschlechtes für heilige Leute gehalten / sie jagten ohne anderer Leute Schaden / und ehe sie sich mit ihren Hunden auf die Spuhr nach dem Gehöltze zogen / rufften sie zuvor den Apollo, und die vermeinte Jäger-Göttin Diana an / erbothen sich von dem gefangenen Wildprete ihnen zu opfern / und (Joh. Oisalius in Numismatib.) wurden die Jagten gleichsam mit öffentlicher Andacht beschlossen. Auf etlichen Römischen Müntzen findet man die Diana in Gestalt einer anmuthigen Jungfrau / dero Haubt wohl ausgeputzet / mit Bogen / Köcher / und (p. 3000.) Pfeilen gepreget. Diana altè succincta Venatrix, dextrâ hastile Sinistrâ Arcum tenes, ante pedes Hinnulus saliens. Man mahlete auch die Diana in Gestalt einer hurtigen Jägerin / welche in der rechten Hand einen Wurff-Spieß / in der licken einen Bogen führte / und für welcher ein Rehbock einhersprunge. Von diesem ihrem Habite meldet der Poete dieses: (Ovid. lib. 3. Amor.) Talia pinguntur succinctae Crura Dianae, cùm sequitur fortes, fortior ipsa, Feras. Die Alten hielten darfür / daß das Jagen der Kriegs - Ubung nicht ungleich sey: Denn diejenigen / sich dergleichen befliessen / erlangten da [200] durch eine ziemliche Stärcke / wurden frisch und munter / achteten / wann sie sich solten mit ihrem Jäger - Zeuge zu Felde begeben / weder des bösen Weges / der rauhen Lufft / noch des hungers. Waren bey Ausspührung des Wildes auf der Erde zu schlaffen gewohnet / und was man befahl zu thun bereit: Stellete man sie im Kriege an die Spitze so gedachten sie nicht an die Flucht / sondern griffen vielmehr den Feind behertzt an: Riesse der Feind aus / so folgten sie demselben / weil alle Winckel und Wege wusten / auf dem Fusse nach: Lieffe die Schlacht übel ab / so schlugen sie sich in das Gebirge / und (Xenophon. lib. 8. de Paedia Cyri.) Wildnüsse / und erhielten dadurch das Leben. Der Persische König Eyrus stund jederzeit für Tage auf / erdultete Hitze / und Kälte / übete sich mit Ringen und Lauffen / und lernete nicht allein das Wild mit Pfeilen / und Schäfflinen zu fällen / sondern auch die allergrausambsten Thiere zu bestehen. Als der Römische Feld-Herr Appius Claudius sahe / daß die Römer bey einbrechenden Winter von den belägerten Vejetiern ablassen / und sich nach Hause begeben wollten / nahm Er ein Gleichnüs von der Jägerey / und sagte: Lieben Spieß-Gesellen ihr sehet wie diejenigen / so sich der Jagt befleissigen / weder Schnee noch Reiff / weder Frost / noch Kälte / weder Berg noch Thal scheuen / biß sie ihren Zweck erreichen / wieviel weniger aber sollte euch dieses zu entgegen seyn / wenn ihr durch ein wenig Geduld / Frost / und Kälte mit der Feinde Belägerung anhieltet. Von dem Jagen kommen (Olaus Magnus lib. 18. c. 41.) offtermahls die hurtigsten Kriegs-Leute her / und sind demselben iederzeit Potentaten wohl beygethan gewesen / indem sie dadurch den Müssiggang beyseite geschaffet / ihre Kinder desto härter gewehnet / und zu andern Leibes-Ubungen besser geschickt gemacht. Dahero denn der Alten ihre Jagten (Julius Caelar lib. 6.) also eingerichtet / daß sie wusten / wie sie nicht allein die Thiere fällen / und ihre Nahrung darvon suchen / sondern auch ihr Leib und Leben für das gemeine Wesen und denen Ihrigen zum besten in Gefahr setzen sollten. Nam. Commune His Studium, venari, equitare, vagari, atq??? suum varias victum quaesisse per Artes. Es gieng der Teutschen Muth und Sinn nur auf das / was da war gemein / Einjeder suchte sein Gewinn / was Ihm bedünckte gut zu seyn / Das Jagen / Reiten und der spieß / und was Ihm sonst zur Nahrung brachte / Das machte / daß Er sich befließ / und nichts als auf die Ubung dachte. (Lycosthenes in Apophtegmatib.) Als Keyser Heinrich der Andere sahe / daß viel Fürsten und Herren in den Wollüsten ersoffen / und nichts als Fressen / Sauffen / Spielen / und Tantzen vornahmen / so sagte Er zum öfftern: Es ist das Jagen nur eine männliche / das Tantzen aber eine weibliche Ubung. Nachdem auf eine Zeit dem Tyrannen Dionysio in Sicilien zu Sparta ein Lungen-Muß zu essen fürgesetzt wurde / sagte Er: Es schmeckte ihm nicht; worauf ihm der Koch zur Antwort gab: Es wäre kein Wunder / weil es an der besten Würtze mangelte / und da Jener weiter fragte / welches dann die rechte Würtze sey? sagte Dieser / die Ubung entweder im Gehen / Lauffen / Jagen / oder Reiten. Alle Kurtzweile / und Ergetzung aber haben ihr Maaß und Ziel / weswegen auch Agapetus zu dem Keyser Justiniano nicht unbillig sagte: [201] Wann du deinen Begierden wirst Einhalt thun / die Lüste bändigen / und über dieselben herrschen / so bist du erst mit der Crone der Mässigkeit gezieret / und mit dem Purpur der Gerechtigkeit bekleidet: Denn alle Gewalt / sie mag so groß seyn / als sie wolle / wird durch den Tod weggerafft / die Herrschafft (Xenophon lib. 1.) aber über die böse Lüste und Begierden tauret ewig. Wann die Alten auf die Jagtzogen / nahmen sie ihr gewöhnliches Morgen-Brod zu sich / verzoge sich die Jagt / so war es ihre Mittags- oder Abend-Mahlzeit / jagten sie aber bis den andern Tag gegen Abend / so muste ein wilder Salat / und ein frischer Trunck Wassers ihr bestes Tractament seyn. (Sein Absehen.) Der erste Zweck des Jagens ist nicht die Wohllust / sondern daß man aus Noth Löwen / Bähren / und andere grausame schädliche Thiere aus dem Wege räume / und die Seinigen darfür bewahre / also siehet man / wie Meleager dasselbe grosse Schwein / welches den Bürgern zu Calydon in Feldern grossen Schaden zufügte / gefället / sie darvon befreyet / und Hippolytus die Wölffe in Peloponnes vertrieben / dahin auch der Alten ihre Reime ziehlen. Man fange weg das grimme Wild / und achte nicht / was es gleich gilt; Wer jagt nach Lust mit armen Leuten / mit dem wird der Teuffel beuten. Der ander Zweck ist / daß man seinen Staat / Stand und Haußhaltung dadurch mit versehe. Der weise Plato rühmet solches und saget: daß die Vertilgung der überflüssigen wilden Thiere eine sehr nothwendige Sache / und hingegen / wo dasselbe allzu viel geheget / ein Verderb des Landes / und eine Unterdrückung der armen Leute sey. Denn es erfordere die Billigkeit / daß / wann die Unterthanen ihre Renthen / Zinsen / Dienste / und Frohnen geben und thäten / sie auch nicht unbillich für solchen Bestien bey ihrer Nahrung geschützet werden / und nicht mit gleichsam gebundenen Händen / ihre Felder / und Früchte zertreten / gefressen / und vernichtet sehen müsten. Da der weise Socrates gefragt ward / wodurch man reich würde / antwortete arm ist. Von dem Hippolyto des Thesei Sohne / und dem Melanione lieset man / daß sie sich wegen Vermeidung des Müssigganges des steten Jagens beflissen / ebener Gestalt dichten die Heiden / wie die keusche Diana ohne Unterlaß in den Wäldern gelegen / und daselbst gejagt hätte; Wodurch sie anzeigen wollen / daß diejenigen / welche sich aller Wollüste entschlagen / und eintzig und allein der Keuschheit nachstreben wollen / alle müssige Laster fliehen und meiden müssen. (Der Dianae Eigenschafft.) Es ist allbereit bey des Nimrods Auszuge gedacht / wie die Göttin Diana / und Apollo des Jovis und der Latonae Kinder gewesen; durch welche Fabel man den Uhrsprung der Welt andeutete. Denn als zuvor die Materia als gleichsam eine Last / unförmlich / dunckel / und verborgen / so nennete man nachgehends dieselbe Finsternis / woraus Jupiter den Phoebum / und Lunam / oder die Dianam gezeuget / mit der Latona / also / daß Phoebus / und die Diana Uhrheber des Liechts / und wodurch die Erschaffung der Welt ihren Anfang genommen hätte. (Ovid. in Metamorph. l. 3. c. 7.) Nechst diesem / so legte man ihr zu / daß sie jederzeit mit ihren Nymphen sich in den Wäldern bey den klaren Wasser-Quellen aufgehlten / und allen geilen Lüsten entschlagen. Und als sich der Jäger Actoeon mit seinen Hun [202] den / und Jägers-Genossen auf die Jagt begeben / und sie unversehens an einem Brunnen da sie badete angetroffen / und er aus Begierde dieselbe nackend zu sehen / sich allzunahe hinzu gefüget / hätte sie demselben / weil sie ihren Bogen und Pfeile nicht bey der Hand / mit Wasser bespritzet / daß Er darüber in einen Hirsch verwandelt / und von seinen eigenen Hunden zerrissen worden wäre. Ferner wird von ihr erwehnet / wie sie sich eines Tages bey grosser Hitze gebadet / und weil damahls eine von ihren Nymphen Nahmens Calisto / so sich von dem Jupiter schwängern lassen / sich nicht für sie / aus Beysorge / es möchte offenbahr werden / entblössen wollte / so hätte sie ihren Gespielinnen dieselbe zu entkleiden anbefohlen / und nachmahls da sie schwanger befunden / aus ihrer Gesellschafft verstossen: Es wäre aber folgends darauf die Calisto eines jungen Sohnes mit Nahmen Arcas genesen / und weil die Göttin Juno gegen sie aus Haß wegen ihres Gemahls des Jupiters erbittert / und dahero sie in einen wilden Bähr verwandelt / so hätten hernacher sie die Götter aus Barmhertzigkeit / damit sie von ihrem leiblichen Sohne nicht in der Wildnis erschossen werden möchte / an das Firmament gezucket und zum Sieben-Gestirn gemacht. (Ihre vermeinte Rache.) Und nachdem auch hiebevorn die Sidonier allen Göttern / ausser dem Phoebo, und der Dianae, jährlich an Wein / Korn / Oel / und Früchten zu opfern gewohnet; So wäre es dieser dermassen verdrießlichen gefallen / daß sie daher ihnen in ihrer Landschafft zur Straffe ein ungeheures Schwein geschicket / welches alle dergleichen Früchte hefftig verderbet / bis endlich der tapfere / und mit Bogen und Pfeilen wohl geübte Jüngling Meleager dasselbe gefället / woraus aber nichts als Tod / Verbitterung / und Mord entstanden. Denn als Meleager / wie man sagt / solches Haubt seiner Buhlerin der Atalante zum Geschencke verehrete / verdroß es seiner Mutter Brüdern dem Plexippo / und Toxeo / schützeten ihr daranhabendes Jäger-Recht vor / und rieß ihr Plexippus den Kopff mit Gewalt aus den Händen; Meleager erzürnete sich darüber / und erschoß nicht allein den ersten / sondern auch aus Sorge der Rache / den Toxeum todt. Da dieses die Mutter Meleagri die Althoea / nebenst des Plexippi / und Toxei Schwester erfuhr / suchten sie gleichsam rasende sich zu rächen / nnd nachdem die Mutter alle kindliche Liebe beyseite gesetzet / nahm sie aus Zorn denjenigen Stab / welchen sie zur Zeit seiner Geburth von den drey Göttinnen mit dem Bedinge empfangen / daß so lange derselbe wohl in acht genommen / es auch dem Meleager glücklich ergehen würde / und warff ihn in das Feuer / wormit also Meleager gleicher Gestalt mit Schmertzen sein Leben endigte; Als aber dieses denen darbeystehenden zwey Schwestern sehr zu Hertzen gienge / wurden sie vor Leid / und Traurigkeit / und zwar die Eine in eine Linde / und die andere in eine Eiche verwandelt / die Mutter aber erstach sich aus Bekümmernüs selbst mit einem Messer. (Lehrë sind Spiegel der Tugenden un̅ Laster.) Dieses alles sind sinnreiche Lehren / wodurch uns Ovidius die in menschlichem Leben / sich mit eräugneten Tugenden / Laster / Unkeuschheit / Rache / Erbarmnis / Mord / Todtschläge und jämmerliche Verfolgungen gleichsam in einem Gemählde zeigen wollen. Der Dianae Einsamkeit prüfete ihre / und ihrer Nymphen Tugenden: Denn weil sie ihr in stets-währender Keuschheit zu leben vorgesetzt / so vermeinte sie / wann sie von allen Mannspersohnen in wilden und wüsten Wäldern abgesondert wäre / desto eher ihre weibliche Begierden zu dämpfen / und unterzudrücken. Die Keuschheit wird auch in der Schrifft für eine der vornehmsten Tugenden gezehlet: Hippolytus Königes Thesei / zu [203] Athen Sohn / wurde von seiner Stieff-Mutter täglich mit unzüchtigen Geberden angesehen / und weil er der Blut-Schande nicht anders als durch die Entziehung sich entbrechen kunte / vertriebe er seine Zeit mit Jagen / und kahm ihr niemals wieder zu Gesichte. Auch den Heyden fiel durch Eingebung der Natur / und der Vernunfft die Unzucht verdächtig / dahero sie dafür hielten / daß weder die Götter / noch ein ehrlicher Mann von denen die unrein / und voller Unzucht stäcken / eintzige Gaben / noch Geschencke annähmen / indem das beste Opfer selbsten ein reines Hertze / und ein von allen bösen (Basilius Magnus.) Begierden befreyetes Gemüthe seyn müste. So lange die Seele unverletzt bleibet / so ist auch der Leib unbefleckt / wann aber die Seele mit bösen Gedancken umgehet / und es das äuserliche Ansehen hat / als sey der Leib unversehrt / so bleibet doch die Seele einen Weg wie den andern besudelt. Alle diejenigen begehen Sünde / welche sich einbilden / wie sie eine und die andere Wohllust geniessen wollen / und obwohl der Leib noch nicht beflecket / so ist doch das / was das Hertze bemackelt / für keine rechte Keuschheit zu achten. Wie König Ptolomoeus Philadelphus in Egypten die heilige Schrifft aus der Hebräischen in die Griechische Sprache übersetzen liesse / und die 72. Ubersetzer alle Morgen sich bey demselben einstelleten / und gewöhnlicher Massen begrüsseten / wuschen sie hernach ihre Hände aus dem Meere / verrichteten ihr Gebet / und giengen an ihre Arbeit / nachdem man sie aber fragte / warum sie vorhero die Hände wüschen / antworteten sie / daß es zum Zeugnisse ihres Beweises geschehe / indem Ihnen nichts böses / so sie den vorhergehenden Tag begangen / wissend wäre. Ein unkeusches Hertz und böses Gewissen ist offtermahls selbst unser Zeuge / unser Richter / unser Peiniger / und unser Gefängnis / das uns selbsten anklaget / das Urthel fället / und verdammet. Denn wie der Leib sündiget / also sündiget auch die Seele / und sind ihre Laster Zorn / Haß / Neid / Feindschafft / Hurerey / Ehbruch / Geitz / böse Lust / und Begierde. (Die beflissene Keuschheit.) Züchtige Weibespersohnen begnügen sich offters an ihrem Stande / und Natur: Als die keusche Juditha zur wieder-Verheuratung angestrenget ward / hielte sie ihr hährnes Kleid viel höher / zoge die Mässigkeit der Begierde / die Wachtsamkeit dem Schlaffe / und die Arbeit dem Müssiggange (Sabelli???. Plutarchus.) vor. Wie die Syracusanische Jungfrau Cyane von ihrem trunckenen Vater sich der Jungferschafft beraubet sahe / ergrieff sie Ihn eines Tages bey den Haaren / zog damit solchen zum Altare / und tödtete allda denselben / an statt des Opffers / damit dadurch / dem Vorgeben nach / die dahero entstandene Schande hinwiederum aufhören möchte. Da die Griechin Hippo zu Schiffe gefangen / und vermerckte / daß die Schiffleute ihr heimlich (Saxo lib. 7.) nach ihrer Ehre / und Keuschheit stünden / stürtzte sie sich des Nachts in das Meer / und wollte lieber keusch sterben als geschändet leben: Des Königs Sinaldi in Dännemarck Tochter die Syritha war so keusch / daß sie sich auch von denenjenigen / die sie wegen ihrer Schönheit zur Gemahlin begehreten / nicht einmahl sehen lassen wollte. Tugend / sagt man / giebt Reichthum / und ein sittsames Gemüthe ist mehr zu lieben und zu ehren / als ein Lasterhafftiges. Die Penelope des Icari Tochter / wollte sich weder durch Verheissung / noch liebkosende Worte bereden lassen / daß sie ihre Keuschheit an den (Eusebius) Nagel hienge. Da die edele Römerin Sophronia des geilen Fürsten Decii gewaltsame Schändung nicht entgehen kunte / ergrieff sie mit Genehmhaltung ihres Eheherrens das Schwerd / und durchstach ihn und sich darmit. (Sabelli???.) Die Thebanische Timoclia / nachdem sie von einem Barbarischen [204] Fürsten in Thracia mit Gewalt geschändet / rechnete sie sich an demselben also: Sie verbarg endlich den Haß / stellete sich / als wisse sie einen Ort / wo viel Gold verborgen lege / und führete ihn zu einem tieffen Brunnen / welcher in dem äussersten Theile des Hauses anzutreffen war. Wie nun derselbe sich hinein legte / und nach dem Schatze sehen wollte / stieß sie ihn geschwinde rücklings hinunter / und bedeckte dessen Cörper mit lauter Steinen. Damit man dort die keusche Euphrosyna nicht ferner zum Heyrathen nöthigen möchte / verkleidete sie sich in Manns-Gestalt / und verließ heimlich ihres Vaters Hauß; Dergleichen that auch die Eugenia / des Philippi Vice Bürgermeisters zu Alexandria Tochter: Denn nachdem sie sich befahrete / daß sie von Keyser Commodo möchte geschändet werden / zog sie eine Mönchs-Cappe an / und blieb darinne unbekannt. Also haben fromme Hertzen an bösen und unzüchtigen Thaten niemahls keinen Gefallen / sondern erstarren gleichsam darüber / wann sie dieselben nur erzehlen hören. Alle diejenigen / so nach Tugend streben / kämpfen wider verbotene Laster. Einem guten Gerüchte soll man von Jugend auf bis in den Tod nachhängen. Denn was ist doch aller Menschen Thun / Wesen / Wohlleben / und Fleisches-Lust anders (Camerar. in horis succis. cent. 3. c. 38.) / als Koth und Unflath / der wie Staub vergänglich. Dahero man auf eines Königes in Franckreich Grab-Schrifft / die gleichsam das menschliche Leben abbildet / dieses Denckwürdige lieset. Ich lachte / und nun weine ich: Ich war / und bin ietzo nichts: Ich lebte in Mühe / und Sorgen / ietzo ruhe: Ich spielte / und nun höre ich auf: Ich sang / ietzo schweige: Ich speisete meinen Leib / und nun bin ich der Würme Speise: Ich wachte / nun schlaffe ich: Ich grüsste die Menschen / und nunmehro sage ich zu ihnen: gehabet Euch wohl: Ich zoge viel Güter an mich und nun bin ich selbst ein Raub. Ich überwand / und bin überwunden: Ich führte Krieg / und nun habe ich Ruhe: Ich kam in die Welt / und starb derselben wieder ab; Ich widersetzte mich nicht dem / für dem ich mich zu setzen nicht vermochte; Ich war Erde / und bin nun wieder Erde. Und weil ich nichts als Staub und (Die Ruhe des Gemüths.) Asche bin: So lebe / Welt / wie du willst / ich ruhe und schlaffe wohl. Wer sich umb anderer Leute Thun und Wesen wenig bekümmert / sondern nur dahin trachtet / wie Er ein unsträffliches Leben führen möge / der empfähet in seinem Gemüthe eine sichere Vergnügung / und in seinem Hertzen eine angenehme Ruhe. Als Einer einen Rabbi fragte / wie man ein ruhiges Leben führen könnte / gab dieser zur Antwort: dafern du dich nicht über die Besitzung der zeitlichen Güter allzusehr erfreuest / und über den Verlust derselbigen zu hefftig betrübest / so hast du dasselbe. Der Dianä selbst-erkieseter Auffenthalt in den Wäldern lehret uns / wie man unzeitige Begierden fahren lassen / und in seinem Standen / und Beruffe verbleiben solle. Nichts hilfft Einem etwas / der sich nicht mit deme / was er hat vergnüget. Wenn das Wasser den Durstigen nicht für dem Durst bewahret / so ist der Durst unersättlich; Ein Verständiger bleibet bey seiner Weißheit / ein Thörichter aber verändert sich / wie der Mond. In einem Gemählde findet man ein lauffendes Pferd / um welches eine Wespe flieget / mit dieser Uberschrifft: Frustrà curris, dein Lauff ist vergebens. Nicht derjenige / der viel vermag / ist für glückselig zu preisen / sondern der welcher dasselbige wohl gebraucht / und anwendet. Alle diejenigen / so man von aussen / und nicht inwendig anschauet / und für gesegnete Leute hält / sind für Vermummte / und Angestrichene zu achten. Nur der ist recht glückseelig / welcher alles in der Welt mit gesunder Vernunfft ansichet / und [205] dasselbige als vergänglich betrachtet. Denn worfür sich andere Leute fürchten / das soll man verachten / was Andere begehren / soll man meiden / und was von aussen gleisset / als äuserlich / hindansetzen / und auf nichts als auf die Gaben des Gemüths sehen. Durch die äusserlichen Güter werden die innerlichen am besten betrachtet; Wie geschwinde ein grünes Reis verdorret / so geschwinde fället auch ein Mensch dahin. Aller Anfang ist an das Ende geknüpfet. Die Stunde / welche uns das Leben giebt / die nimmet auch dasselbe wieder hinweg. So viel Kranckheiten der Mensch am Leibe hat / so vielerley Anfechtungen und Widerwärtigkeiten ist er auch unterworffen: Die Ruhe des Gemüths fället in einem stillen und einsamen Stande weit besser / als die so bey vielen Geschäfften vorläufft / Sie pfleget von dem Blecken der Hunde / das ist / von den Neidern und Mißgönnern / von dem Munde der Verläumder / von der Hand der Boßhafftigen / und von der Feder der Aufmercksamen befreyet zu seyn. An denen Oertern / da die Menge vieler Menschen anzutreffen / finden sich unter andern zweyerley / nehmlich / die Hoffnung etwas zu erlangen / oder zum Tode. Viererley Menschen haben sich auch für viererley zu fürchten / als da ist der Räuber für dem Hencker / der Soldat für dem Rumormeister / der Dieb für der Wache / und ein Geiler für der Brunst. Eine böse Gesellschafft verderbet wohl eher eine gantze Gemeine. Und weil die Ruhe und Einsamkeit gegen der eitelen Sorge und Mühsamkeit der menschlichen Handlungen für eine Glückseligkeit zu achten / so schätzte auch die Diana alles dieses für nichts / sondern hielte durch solche Entfernung auch ihr Wald- und Land-Leben viel höher / als die allerbesten Pallaste / und daß es demjenigen / welcher sich einmahl zur Tugend / Frömmigkeit und Keuschheit gewöhne / nachzuhängen nicht schwer falle. Der weise Pythagoras riethe seinen guten Freunden / daß sie sich das beste Geschlechte des Lebens erwehlen sollten / und ob es schon das mühsamste / so würde es doch durch die Gewonheit das lustigste. Als der weise Diogenes eilf Jahr an des Königs Dionysii Hofe gewesen war / und sich wieder auf das Land begab / kahm ein anderer weiser Mann dahin / fand ihn grün Kraut waschen / und sagte zu demselben: Wärest du an des Königes Dionysii Hofe geblieben / so dürffte dich nicht anietzo die Noth Kraut zu essen drücken. Diogenes aber gab zur Antwort: Wann du dich / wie ich an solchem vergnügen liessest / würdest du des Dionysii Hof nimmermehr begehren. Denn es ist besser / sich in dem Seinigen behelffen / als zu Hofe beschämt leben. Die junge Welt getrauet ihr selbst offt alles besser zu treffen / als ein erfahrner Alter; Ein Alter und Weiser aber / ärgert sich nicht so bald an ihren Spott-Reden. Und gleichwie die Thörichten alles das / was sie gerne hören / zum willigsten glauben; Also gebrauchet gegentheils ein Kluger seinen Verstand / und bedencket durch reiffliches Nachsinnen den Ausgang aller Dinge. Es ist an grosser Herren Höfen offters / als wie ein Unerfahrner / der auf dem Eise gehet; dafern derselbe nicht zwey Steltzen im Fall der Roth übrig / so muß er vielmahls darüber untergehen. Vor Alters sagte man: Es gienge Diana auf dreyerley Weise einher / als in Gestalt des Mondens an dem Himmel / in Gestalt einer Jägerin auf dem Erdboden / und in Gestalt der Proserpina in der Hölle / und hätte Jupiter zwischen ihrer Mutter / und dem höllischen Pluto / der sie aus Liebe mit Gewalt entführet / diesen Vergleich getroffen / daß sie sich die Helffte des Monats an dem Himmel / und die andere Helffte bey dem Pluto in der Hölle befinden sollte / welches alles auf die Abwechselung des Mondens / und seiner Eigenschafft zielet: Die [206] Ceres ward bey den Heyden für eine Göttin der Früchte geachtet / wodurch alle Königreiche / Länder und Provintzien erhalten würden. Die Proserpina / oder also genannte Diana ihre Tochter bedeutete die Fruchtbarkeit / und ist ein Allegorie / daß der / welcher seinen Neben-Menschen auf den Noth fall mit Früchten beystehet / hinwiederum Gutes zu gewarten haben solle. Pluto ist ein Gott der Höllen / und wird offters auch für den Gott des Reichthums genommen / daß er aber der Cereri ihre Tochter die Proserpina entführet / darunter verstehet man Tyrannen und solche Potentaten / die den armen Unterthanen das Gesetze brechen / sie in ihren Röthen Hülff-loß lassen / und das Ihrige mit Gewalt entziehen / sie mögen gleich in solchen ihren Nöthen schreyen / weheklagen und seufftzen / wie sie wollen. (Die unersättliche Begierde.) Man hielte die Diana für eine Göttin der Keuschheit oder Jungferschafft. Züchtige Frauen und Jungfrauen meiden gerne den Verdacht und bösen Schein. Wer zur Wohllust geneigt ist / dem reichet es gemeiniglich zur Traurigkeit / hingegen aber wer eines unbefleckten Gemüths seyn will / der muß die Zeit / den Ort und die Gelegenheit wohl in acht nehmen: Die Zeit / darinnen man Böses und Gutes entscheidet: den Orth / wo man sein gut Gerüchte unversehrt behält: die Gelegenheit / dadurch man seine Ehre und guten Nahmen nicht verschertzet. Gleich wie man aber von tugendhafften Personen das Beste hoffet: Also siehet man gegenfalls / wieviel träge und geile Gemüther in den Lastern der Unkeuschheit ersoffen / und sich aus der vergänglichen Lust in die ewige Reue stürtzen. Niemahls belustiget die Wohllust ohne Traurigkeit und Nachtheil des Gewissens / und niemahls begiebet sie sich wieder von dem Menschen ohne Hinterlassung der Reue. Denn was mag wohl ärger und boßhafftiger genennet werden / als wen̅ man sich über das / was man ohne (Valerius Maximus. Propert.) Sünde nicht erlangen kan / erfreuet. Xerxes, König in Persien war so geil / daß er diejenigen / welche eine und die andere Art zur Wohllust erfanden reichlich beschenckte. Von der Pasiphae der Sonnen Tochter / und des Königs Minos in Creta Gemahlin meldet man / daß sie heimlich mit einem Stier zugehalten hätte / wodurch die Poeten nichts anders / als dieser Königin unersättliche (Plinius lib. 29. c. 62.) Begierde andeuten wollen. Keysers Claudii Gemahlin die Messalina erwehlte ihr zu dergleichen Venus-Streite eine Weibespersohn / die ohne dies von dem Huhren-Solde lebete / und übertraff dieselbe Tag und Nacht 25. mahl an Beyschlaffe. Die Lais zu Corintho war wegen ihrer Schönheit und Unzucht dermassen beruffen / daß ihr fast gantz Griechenland zu gefallen nachzoge; Schöne Weibesbilder sind verführische Irrwische / und vergleichen sich einer unrichtigen Uhr. GOtt giebt Schönheit als eine gute Gabe; die bösen Menschen aber bedienen sich ihrer zum Mißbrauche. Die Thais lockte zu Athen meistentheils die Jugend durch ihre verbuhlerische Gebehrden und Liebe (Gellius lib. 6. c. 7.) an sich. Die Römische Flora trieb dieses Handwerck so viel und öffentlich / daß sie nachmahls die Römer wegen ihres hiedurch erlangten grossen Reichthums zu Erben einsetzte / und diese ihr zu Ehren die Floralia (Sacra Florae) aufrichteten: Die Rhodope in Egypten erwarb durch ihre Hurerey so viel Geld und Guth / daß sie darvon eine sehr herrliche und prächtige Pyramiden oder Begräbnis-Seule allda erbauen liesse. Was aber ist zu sagen von der vor Alters zu Thespis beschriehenen Glyeerium; der verhurten Sinope; der von ihrem Vater Erisichthon aus Armuth zur Unzucht genöthigte̅ Metra der liebkosenden Aspasia / der verführischen Timandra / der geilen Cyrene / welche ihre Liebes-Wercke auf zwölferley Arten zu verrichte̅ wusten; der freywilligen Alces / der wohllüstigen Antiopa / Hermia / Mannulia / Faucula / Lamia / Geathera / Capra / Leaena / Pyrrhine / Sicyone / Aphias / Baryne / Niceta / Lycisca / und [207] der unersättlichen Afra in Creta / und Eutropia ihren Leib um des Geldes willen männiglichen darboth? Sie alle hatten die schätzbarsten Leiber / und den vortrefflichsten Verstand / gleichwohl aber kunten sie ihre Begierden in denen viehischen Wohllüsten nicht zähmen. Was aber ist es anders / als daß man solche / die ihre Zeit mit dergleiche̅ schnöden Lastern zubringen / dene̅ Verurtheileten / die man auf einer anmuthigen Wiese von der Justiz zum Tode führet / vergleichet? Bey aller solcher Welt-Freude ist der Anfang dem Ansehen nach / das beste / das Mittel die sündliche Beharrung / und das Ende so dann das bitterste / woran sich gemeiniglich die Menschen / wenn sie bey Zeiten nicht darvon abstehen / als an einem vergiffteten Zucker den Tod zu fressen pflegen. (Der Dianae geheiligte Oerter.) Der Dianä heiligte man zu Ehren unterschiedene Oerther: schlachtete Opfer / und hielte gewisse Gebräuche. Ihre geheiligten Oerther waren der Fluß Parthenius in Paphlagonien / (Valerius Flaccus lib. 5. Argon.) der in der Insul Delos herfürragende Berg Cynthus / in welcher Insel sie mit dem Apollo gebohren; die Stadt Ephesus in Jonien / oder Lydien / in welcher man ihr zu Ehren einen Tempel erbauet / und den man hernach unter die sieben Wunderwercke der Welt gerechnet. Mit diesem bracht Asien 220. Jahre zu / und setzte denselben / damit ihm in Zukunfft kein Erdbeben schaden möchte / an einen pfüligten oder morastigen Orth: Seine Länge war 425. Schritte / und die Breite 220. der Seulen 127. so unterschiedliche Könige verfertiget / von denen ihrer 36. in die Höhe erhoben / und künstlich ausgehauen gewesen. Uber dieses verehrete man sie in der Stadt Baveon in Attica / auf dem Berge Aventino / und Algide / in Italien / und auf dem Scythischen Gebürge Tauro. Alle Abgötterey hat einen gewissen Anstrich. Es ist mit dem gemeinen Pösel meistentheils also beschaffen / daß es dasjenige / was er nicht verstehet / für heilsam achtet. Denn wann bey diesen der Schein der Religion darzu kömmt / so ist ihre Abgötterey und Aberglaube gleich einer Fluht / die alles überschwemmet / und mit der Gewalt nicht aufzuhalten ist. Die Heyden vergnügten sich nicht an dem Jove, Apolline, Saturno, Plutone, Sole, Baccho, Mercurio, Marte, Hercule, Neptuno, Vulcano, und an der Göttin Cybele, Venere, Junone, Cerere, Themide, Minerva, Diana, Proserpina und Vesta, sondern sie geriethen auch in diese Thorheit / daß sie nebenst solchen die allervergifftigsten Thiere / Schlangen und Drachen für Götter verehreten. (Ihre schlacht-Opfer.) Der Dianä pflegte man eine Hindin oder Rehe zu opfern / weswegen der Poete saget: (Ovid. lib. I. Fastorum.) Quae semel est triplici pro virgine caesa Dianae, nunc quoq; pro nullâ virgine Cerva cadit. Manhat Dianen sonst ein munters Reh geschlachtet / Weil sie für andern ward dreymahl so hoch geachtet / Jetzt aber will ein Reh man opffern auch der Jenen / Die sich zum Jungfer-Stand nicht länger will bequemen. (Virgilius lib. 3. AEneid.) Es ist bekannt / daß des Königs Agamemnons / und der Clytemnestra Sohn / wegen seiner Mutter so er umgebracht / rasend / und hernach bey der Diana Altare in Taurica wieder ausgesöhnt worden sey / wie ferner hiervon der Poete meldet. Et Scelerum Furiis agitatus Orestes: Woraus man der Heyden vermeinte Andacht / und zugleich auch verübte Danckbarkeit siehet: Es hat die abergläubische Andacht ein Gleichnis mit den [208] schönsten Gemählden / welche man nach Gefallen ausputzet / und bald wieder hinweg nim̅et. Die Heyden vermeinten / daß sie ihre Laster bey den Göttern eher / als für den Menschen verbergen / und zudecken könten: die unzeitigen Rathschläge ersticken in der Geburth / und auf solche böse Wercke und Vornehmen (Deut. 32.) zielet auch Moses / wen̅ er saget: O daß sie weise wären / und verstünden / was ihnen hernachmahls begegnen würde. Den̅ es ist ein Volck / da kein Recht / und in ihnen kein Verstand zu finden ist. Unter diese Anzahl der Abergläubigen gehören auch alle Gottlosen / welche vor und nach der Sündfluth gelebet. Denn sie setzten nicht allein aus unzeitiger Halsstarrigkeit / und besonderer Einbildung alle heilsame Lehren und Vermahnungen Gottes aus den Augen / sondern sie hielten auch der Propheten ihre Weissagungen für nichts / lebeten nach ihrem Bedüncken / und erwehlten Götter / wie sie ihnen zu Sinne kamen. Und weil sie bey ihrer Alten und vom Teufel herrührenden Gewonheit blieben / und alles was von dem wahren GOTTE und Heylande der Welt gemeldet wurde / für Spott und lauter Unwarheit heilten / so war auch die Rache Gottes desto hefftiger. Es wird von denen Welt-weisen eine Frage aufgestellet / was bey so vielen unzehlbaren menschlichen Verrichtungen am schweresten zu schätzen sey / und am meisten Klugheit und Verstand erfordere? Etliche sagen die Verwaltung eines Königreichs / oder Landes: Etliche die Geschicklichkeit eines Feldherrns / wan̅ er eine Armee von soviel tausend Mensche̅ wohl anführe / sie bey Gehorsam behalte / und so bald nicht zu grunde richten lasse: Etliche aber das Gebeth / wenn man dasselbe ohne irdische Gedancken zu dem (Paulusad Rom. 8. v. 26.) Allerhöchsten abschicke. Dahin auch der Apostel Paulus zielet: wir wissen nicht was wir bitten sollen / und wie es sich gebühret; die angenom̅ene Art und Weise zerschmeltzet wie der Schnee. Alles Menschen-Thun und Wesen ist erdicht / betrüglich und für nichts als Larven-Werck zu achten. Tota Hominum vita est simulatio, Fictio, Deceptio, & Larva Histrionis. Sobald sich der Teufel in einen Scheinheiligen verstellet / da gehet der Betrug und die Verführung an: Es gehen nicht alle Betens halben in die Kirche / und wenn es ja deswegen geschiehet / so redet vielmahls der Mund dieses / das Hertze aber dencket inzwischen auf was anders. Der Teufel ist bey solcher menschlichen Gleißnerey wie ein Kirschner / und Beutler / welcher Etlichen das Rauche heraus kehret / Etlichen aber die garstige und heßliche Gestalt / das ist / ihrer vielen erzeiget er sich als ein sanfftmüthiger Gott / wann sie aber den Betrug wahrnehmen / weiset er ihnen seine unflätige Klauen. Jederman will für den gehalten seyn / der doch derselbe nicht ist. Wo die Frömmigkeit blühet / darein wirfft offt der Teufel eine Raupe / welche die Frucht zernichtet. Dafern die Menschen sowohl auf den wahren unsterblichen GOtt gesehen / und ihr Gebeth mit gleichmässiger Andacht / als bey der Dianae Opfer geschehen / zu ihrem eigenen Heyle eingerichtet hätten / so wäre ihre Gottesfurcht der beständigste Grund aller Tugenden gewesen / also daß die Boßheit dadurch der Frömmigkeit Platz machen müssen. Wer für Wohlthaten danckbar ist / der hat vielmahls mehr zu gewarten / als Er vermeinet. Nicht allein GOTT / sondern auch die Menschen tragen an der Danckbarkeit ein vergnügtes Gefallen. Es vermeinten die Heyden / daß der / so die Wohlthaten zu vergelten begierig / auch für dankbar zu achte̅ sey / in Warheit / wann dieser Leute Absehen nicht abergläubisch gewesen wäre / so hätten sie ihnen auch den Himmel unter andern mit ihrer Danckbarkeit zu wege gebracht. Denn das ist ein Gesetze der Natur / so offt der Mensche Athem [209] schöpfet / soll er dem Allerhöchsten für die Ihm verliehene Wolthaten dancken. Der Mensch ist das Edleste unter allen Geschöpffen / und der Hund eines von den unedlesten / gleichwohl aber erweiset sich dieses Thier offters viel danckbarer als der Mensch / wirfft man ihm ein Stücke Brod vor / so kennet Er einen lange Zeit / und giebet im vorbey gehen ein mercksames Zeichen für das / was er genossen / wofern man aber einem Undanckbaren die Zeit seines Lebens Gutes thut / und wirfft ihn einmahl aus der Wiege / so währet die Feindschafft ewig. Gleichwie aber Einer ohne Feder ein Schreiber genennet werden kan / also auch Einer ein Undanckbarer / ob er sich gleich nur mit Worten / und nicht an dem guten Willen danckbar erzeiget. Ein solcher soll einem guten Acker gleich seyn / welcher nicht allein den Saamen / sondern auch die Früchte vielfältig wieder giebt. GOttes Güte begnadiget uns mit vielen Wohlthaten. Darum sind wir Ihme auch hinwiederum alles was was wir haben und besitzen herzugeben schuldig. Und gleichwie von einem / der danckbar / alles Gutes herköm̅et / also (Plautus.) schüttet man auch bey einem Undanckbaren Wasser in den Sand. Improbus Homo est, qui Beneficium scit sumere, & reddere nescit. Wer Gutes mit Bösen vergilt / ist ein schlim̅er Gesell. Undanck ist der heutigen Mensche̅ bester Lohn: Auch die Bestien kan man durch Gutes thun zahm machen; da hingegen wir unbesonnene Menschen weder durch Wohlthaten noch andere leibliche Gaben zu GOTT zu bringen sind / viel weniger seine Geschencke / als da ist Verstand / die Gesundheit / Ehre / Reichthum / Hoheit / und dergleichen / mit gehührender Schuldigkeit beobachten / wir sind gegen GOTT / wie das tumme Vieh / sobald als dasselbe sich satt gefressen / oder gesoffen / so tritt es das übrige Futter mit Füssen / und fehret dem Wasser den Rücken zu. Der Danckhab so heutiges Tages bey uns gewöhnlich / ist Hohn / für Lohn / und Gestanck für Danck. Die Welt ist nichts als ein Haus voller undanckbarer Aussätzigen / welche alle Gutthaten für eine Schuldigkeit erachten. Uber alle Laster hat man gewisse Gesetze verordnet; wofern man aber den Undanck nachdrücklich abstraffen sollte / müsten alle Häuser zu lauter Gefängnissen / alles Eisenwerck zu Fesseln / und meiste Menschen zu eigenen Henckern gebraucht werden. Wer derowegen GOTTES / und nicht enines Abgottes / Güte mit danckbarem Hertzen erkennet / dieselbe rühmet / und sich desselbigen Gnade und Barmhertzigkeit in schuldigem Gehorsam unterwirfft / der vollbringet ein GOTT angenehmes Opfer. (Ihre Versöhnung.) Die Diana versöhnte man mit Menschen-Opfer: Und nicht allein diese / sondern es geschahen auch dergleichen Unmenschliche Thaten dem Diomedi in der Insel Salamine / dem Dionysio in der Insel Chios / und der Palladi in Laodicea zu Ehren / und war solche Grausamkeit auch bey den Carthaginensern / Lacedaemoniern / Phoeniciern / Griechen / Arabern / Atheniensern / Scythen / Thessaloniern / un̅ viel andern Völckern gar gemein / ja man wendete auch in Erwehlung der Opfer gegen die falschen Götter einen solchen Fleiß (Ovid. lib. 1. Fastor.) an / also daß man erlichen ihren so genan̅ten from̅en Göttern weisses Vieh / denen bösen aber schwartzes / ingleichen was män̅liches Geschlechtes män̅liches / un̅ was weibliches / weibliches Geschlechte schlachtete un̅ aufopferte / als dem Erboden eine trächtige Kuh; der Proserpina das / was unfruchtbar war; dem (Homerus.) Baccho einen Bock; der Cereri die Erstlinge der Früchte / der Son̅en wege̅ ihres (Ovidius.) schnellen Lauffes ein muthiges Roß; dem Jupiter eine̅ Widder; dem Apollo / und der Juno eine Kalbe; dem Fauno eine Ziege; dem Aesculapio des Phoebi (Macrobius.) Sohne einen Ha???n; dem Herculi eine̅ Farren; der Isidi des Inachi Tochter eine Gaus; der Majae eine trächtige Saue; der Minervä eine Ziege; der Nacht einen [210] Hauß-Hahn; und dem Priapo einen Esel. Denn als dieser vermeinte Gott eine schlaffende Nympha heimlich nothzüchtigen wollte / und von dem garstigen Geschrey eines Esels an seinem Vorhaben verhindert / die Nympha (Ovidius l. 1. Fastorum.) auch darüber aufgewecket / und sich von ihme loßgerissen / ist er von allen denen / die darzu gekommen / ausgelacht worden / dahero der Poete dieses von ihme schreibet: Caeditur & rigido Custodi ruris Aselius, causa pudenda quidem, sed tamen apta Deo. Priapus der verbuhlte Mann / so sonsten hütet Feld und Auen / pflegt einen Esel / den man ihm zu einem Opfer dargebracht / Op schon es ein verächtlich Ding / dennoch mit Willen anzuschauen / und scheint / als wann dergleichen Gab' Er gleichsam wohl vergnügt anlacht. Saurer Wein giebt sauern Essig: die abgöttischen Welt-Kinder sind in Fortpflantzung ihrer Boßheit viel emsiger als offters die / welche in ihrem Christenthume besser gegründet zu seyn vermeinen. Alles Unglück / so auf dem Erdboden geschiehet / daran ist allein der Unglaube schuld: Bey den Werckheiligen ist der Teufel am allersubtilesten / der auch die Klügesten / und Verständigsten mit dem Giffte der Abgötterey bezaubert. Es ist nicht genug / daß man sich selbsten einen Abgott erwehlet / sondern was der Dreyeinige GOTT befohlen / deme soll man in Furcht und Demuth nachkommen; Der Mensch hat sich nicht allein für den groben Lüsten / das ist / selbst-ertichteten Abgötterey / sondern auch / daß er die Einigkeit des Glaubens nicht zerreisse / und allerley wider die Vernunfft lauffende Dinge einführe / fürzusehen. Unter allen Gefährlichkeiten ist keine gefährlicher / als wenn Einer der Göttlichen Majestät durch seine Vernunfft einen Eingriff zu thun sich unterstehet. Alle Gaben / so wir Menschen haben / sie mögen gleich geistlich oder weltlich seyn / sind auser dem Glauben nichts anders / als Wercke des Teuffels. Unser eigner Wille ist das grösste Ubel / so wir an unserem eigenen Leibe und Seele begehen. Alle Heydnische Lehren sind vergifftet / der Götter gesuchte Ehre verflucht / und ihre erzwungene Frömmigkeit wegen der öffentlichen bekannten Sünde für GOTT verbannet. Denn GOTT ist also gesinnet / daß Er ferne von den Welt-klüglingen / und nahe bey den Unweisen / und die vor der Welt unrecht haben müssen / zugegen sey. Der ohne Glauben lebet / ist gottloß genug / ob er schon äuserlich ein erbares und scheinheiliges Leben führet. Und gleichwie ein Werck-Gesinnter nimmermehr gewahr wird / was er thut; Also fasset hingegen ein Rechtgläubiger den rechten Kern / was GOTT in seinem Worte gegründet; wer allein in geistlichen Sachen von der Vernunfft urtheilet / der ist in der Vernunfft todt / der Geist aber ist dißfalls der einige Richter. Es gebühret sich nicht mit dem Munde GOTT loben / und im Hertzen sagen / ich weiß von keinem GOTT sondern das ist die grösste Kunst / den wahren und sich selbst geoffen bahrten GOTT erkennen / und denselben ohne andere erdichtete Götter verehren. Lieber / was ist doch die Welt anders / als ein Meer voller Boßheit und Schalckheit / welche mit nichts als falschen Farben / und Scheine ausgeputzet? Wer dahero in diesem Leben sicher zu leben gedencket / der sene durch den wahren Gottesdienst zu / daß Er heute stehe / und morgen nicht liege / heute recht gläube / und morgen nicht in Irrthum falle / heute hoffe / und morgen nicht verzweifele; Den̅ der Teufel ist scheinheilig / und siehet uns nicht [211] mit groben Sünden / sondern mit dem Unglauben an / so bald er nun den Glauben umgestossen / so hat er alsdann erst gewonnen Spiel / und erlanget / was er zu haben begehret. (Ihre Jägerey und übrige Verrichtungen.) Letzlich so dichten auch die Poeten / daß die Diana sich eintzig der Jägerey befleissige. Wodurch man lehrete / daß insonderheit die / welche ein keusch und reines Hertz führen / und ihre Ehre wohl bewahren wollten / sich für der Trägheit fürsehen sollten. Denn wie Seneca saget: Amor juventae gignitur Luxu; atiô nutritur inter laeta fortunae bona. Von Ihr sagt man / daß die Jungfrau Arethusa deroselben im Jagen stets mit ihren Pfeilen Gesellschafft geleistet / und daß ihr Jupiter 60. Meer-Jungfrauen / und 20. Andere zugesellet / welche ihr Bogen und Pfeile / Kleider und Schuh zugetragen / sie gewartet / und ihre Hunde gefüttert. Sie ward zu einer Regentin der Jägerey verordnet / und zugleich über Felder und Wälder / über Fluren und Seen gesetzet. Warum sie aber für eine Vorsteherin (Confer. Natal. Com.) der Jägerey gehalten / erzehlet man von ihr dieses: Es hätte sich einesmahls die Nympha Britomartis / oder Britimartys unter dem Jagen in ein Netze verwickelt / und weil sie darüber wegen der wilden Thiere in Leib und Lebens-Gefahr gerathen / der Dianae ein Gelübde gethan / daß wann sie dieselbe von solcher Gefahr errettete / sie ihr zu Ehren einen Tempel erbauen wollte / welches sie auch hernacher werckstellig gemacht hätte. Andere wollen / daß weil sich die Diana in dem Jagen stets belustiget / so sey sie dahero eine Vorsteherin der Jägerey genennet worden / und habe in ihrem Schilde (Callimachus.) und Wapen einen Bogen geführet. Etliche aber geben vor / daß nachdem die Diana das Meer verlassen / und gesehen / was ihre Mutter bey ihrem Hebammen-Ambte ausstehen müste / sie ihren Vater den Jupiter um folgendes angeflehet: Da mihi, perpetuò ut sim virgo, da, Pater alme! Liebster Vater / daß ich worden eine Jungfrau / danck ich dir / Daß ich auch in solchem Orden möge leben für und für / So erhalt durch deine Krafft mich bey meiner Jungferschafft. Der Dianae Geschäffte und Verrichtungen waren / wie man vorgiebt / auch diese / daß sie mit den Jungfrauen / welche nunmehro ihrer Jungfrauen ihrer Göttinnen / unter deren Schutz sie bishero gelebet / dadurch verursachten Zorn entgehen möchten / brachten sie ihre Opffer der Göttin in dem Tempel in Körben / und begehrten dißfalls zu heyrathen Erlaubnis / es wurde aber keiner Jungfrau dergleichen Opfer dahin zu tragen erlaubet / es sey dann / daß sie ihre männliche Jahre erlanget / von welcher Gewonheit unter andern auch Theocritus in Pharmaceutriâ also schreibet: Wann eine Jungfrau geschwängert / und nunmehro ihren gewöhnlichen Gürtel / den sie damahls truge / nicht welches bey den Atheniensern so viel heisse / als Zonam solvere, den Gürtel ablegen / und die begangene Schmach öffentlich bekennen. Der Dianae ward auch die Herrschafft über die Fischerey zugeeignet / [212] und gedencket Pausanias / daß ihr zu Eleus ein Bild aufgerichtet / welches in der rechten Hand einen Leoparden / und an der lincken einen Löwen hielte / wohin auch der Poete zielet. Mein Blut das ist in mir nicht feige / Ich fürchte keinen grimmen Behr / Der Leue / wann ich mich ihm zeige / legt mir den Mähn zun Füssen her / Das Eisen fängt nach meinem Willen / ich siege / wann es mir beliebt / Der grüne Forst und seine Stillen / die machen meinen Leib geübt / Daß ich als eine Königinne stets eine neue Schlacht gewinne. (Euripides.) Man nennete sie auch der Sonnen Wage / oder Morgenstern / und eignete ihr die Macht und Gewalt zu / daß sie nach Gefallen Einen jeden abzustrafen vermöge. (Callimachus.) O miseri, quibus ipsa gravem tu concipis Iram, Nam morbus depascit Oves, segetemq; pruinae, orbanturq???; senes natis, & Foeminae obortum mox pariunt. Wohl dem / da dein Liecht stets glimmet / Weh dem / da dein Zorn ergrimmet? Denn durch deinen Grimm erstirbet alles Schaaf-Vieh: Es verdirbet auch die Saat: Es muß drauf gehen manches Kind / das noch das Liecht in der Welt nicht kann besehen / auser was sonst mehr geschicht. (Plutarchus in Vita Arati.) Man erzehlet / daß vor Zeiten bey den Pellenensern der Dianoe Wunderns-würdige Bildnüs sey gesehen worden / welches zwar zu andern Zeiten nichts gethan / oder vorgenommen / wohin es aber der Priester getragen / da hätte es niemand angesehen / sondern vielmehr das Anschauen aller Dinge vermieden. Denn es wäre desselbigen sein Angesichte nicht allein denen Menschen sehr furchtsam / und grausam vorgekommen / sondern es hätte auch die Bäume unfruchtbar gemacht / und die Früchte von den Bäumen / (Strabo lib. 12.) wenn es wäre dahin gelegt worden / herab geworffen. Ferner so gedencket man / daß in einem Städtlein in Sicilien ein Tempel der Dianoe Persicae gewesen / woselbst die heiligen Weiber mit unverletzten Füssen auf glüenden Kohlen herumgegangen: Hinter dem Teufel und der Welt steckt offt einerley Betrug. Wieviel Welt-Kinder lassen es sich offters blut-sauer werden / nur daß sie mit ihrer Abgötterey / und deren falscher Erdichtung zum Teufel fahren. Denn wie der Frommen GOttes Wohnung; also besitzt auch dieser Jene leiblich / und geistlich. Herodotus in Meipomene giebet vor / daß man hiebevor in Asien / wo der Dianae Tempel gewesen / alle diejenigen Griechen / so durch Schiffbruch daselbst hingekommen / der Dianae aufgeopfert / oder / wie Andere wollen / allda von einem erhabenen Orthe wären [213] herabgestürtzet worden. Diesem nach opferte man ihr auch ein weises Reh / einen Ochsen und alle Erstlinge / so die Erde herfür brachte / wie aus dem Euripide dieses zu ersehen. Ego quod Annus optimum produxerit vovi immolare Luciferae certè Deae. Welche Frucht ich werde heben dieses Jahr / die soll allein Dir / Diana / seyn ergeben / die du uns giebst Liecht und Schein / Dir will ich das Beste wehlen / und zu deinen Opfer zehlen. Der Teuffel bleibet einen Weg wie den andern Gottes Affe / der des Höchsten Ambt / und vormahls anbefohlene Opfer zum ärgesten verkehret: Er ist ein Betrüger / und Lügner von Anfang gewesen / und hat noch bis auf den heutigen Tag die Gewonheit ansich / daß er demjenigen / welcher für ihn fliehet / nachjaget / und den / so er in seinen Klauen zu haben vermeinet / in Sünden verstärcket. Wie dahero die Rechtgläubigen den wahren GOTT aus seinem geoffenbahrten Worte erkennen; Also ehren die Unglaubigen einen unbekandten Gott nach ihrem eigenen Bedüncken / bleiben jederzeit in den Fußstapffen der Finsternis stecken / und gehen ihm / als einem blinden Wegweiser nach. Es ist eine allgemeine Regel / daß die Menschen von Natur mehr zum Bösen / als Guten / und mehr zum Aberglauben / als dem wahren Gottestesdienste geneiget sind; wer seinem Verstand zu viel trauet / der folget leicht einem Blinden. Keine handeln thörichter / als die Gottes Werck nach ihrer Vernunfft messen. Da die heydnischen Einwohner zu Lystra sahen / daß der Apostel Paulus einen Lahmen aus ihren Mitteln gesund machte / gaben sie vor die Götter hätten sich unter die Menschen gemischet / und wären ihnen gleich worden / nenneten Barnabam den Jovem / und Paulum den Mercurium / weil er den Vortrag thate / und das Wort führete / des Jupiters Priester aber brachte Opfer und Cräntze herbey / und wollte ihnen opfern / welchen aber diese beyde widersprachen / und sie an den wahren GOTT / der Himmel und Erden erschaffen / nach seinem Worte und Evangelio zu dienen verwiesen. GOttes Güte ist langmüthig / daß Er auch die Heyden in ihrer Finsternis mit reichem Segen / zeitlichen Gütern / und Wohlthaten begabet. Es ist nicht ein ungemeines / wenn man sich an anderer Leute Lob oder Unehre spiegelt: Wo zuweilen die Gewalt zu schwach / da soll man sich der zulässigen List / und des geschwinden Raths gebrauchen. (Actaeons Verwandelung.) Der Dianä Ehre schiene mit ihren Nymphen auch in der Einsamkeit gefährlich zu seyn. Actaeon des Königes in Arcadien Sohn / ein Jüngling von schöner Gestalt und grosser Liebhaber des Jagens / sahe dieselbe baden / und eilete begierig dieselbe näher zu beschauen. Die Tugend hat offters viel Freyner / kaum unterstand sich Actaeon seine lüsternde Augen aufzusperren / da wurde ihm der Lohn gereichet / in einen Hirsch verwandelt / und seinen eigenen Hunden zu Theile. Wer zuviel begehret / der muß offters eines mit dem Andern entbehren. Die alten Heyden und Römer glaubeten daß das Kind Cupido ein Gott der Liebe und Begierde sey / und zwar darum / alldieweil auch erwachsene und alte Leute / ob sie gleich die Kinder-Schuh zerrissen / und selbst bedencken sollten / was Ihnen schädlich oder nützlich / vielmahls in der [214] Kinder-Haut bis in den Tod stecken. Der seine Begierden nicht zähmen kan / deme ist nicht zu rathen. Viel der Sterblichen trachten in der Jugend nach nichts als lauter Wohllüsten / in dem mittlern Alter nach Hoheit und Ehre / und in dem Alter nach Reichthum / welches alles uns aber / wen̅ man es beym Liechten besiehet / vielmehr verunruhiget / als in einen ruhigen Stand setzet / also daß wir nicht wissen was wir verlangen / und wie sehr wir von Jugend auf von den bösen Begierden geplagt werden. Hunde halten an grosser Herren Höfe ist nichts ungewöhnliches / alldieweil man sich ihrer theils zum Nutzen / theils zur Verwahrsamkeit gebrauchet / hier aber müssen diese wider ihren eigenen Herren wüten / und ihn in Stücken zerreissen; Der seines Muths ein Herr ist / der ist stärcker / als der / welcher Städte gewinnet. Derjenige / welcher sich nicht selbst zu regieren weiß / der gleicht einem Blinden / welcher ein Liecht trägt / und sich selbsten damit nicht leuchten kan. Alle Wohllüste führen mehr Gall als Honig in sich. Wann das Feuer einmahl angeblasen / so ist es so bald nicht zu leschen: Es weiß offters Einer / der sich verliebet / zwar wohl / was er verlanget / nicht aber / was für ein unersetzlicher Schade daraus erfolget. Es ist ein gemein Sprichwort: Buhler und Jäger trachten jederzeit nach deme / was sich nicht wohl fangen lässet. Visus & Eloquium, Tactus, post oscula factum; Ni fugias Tactum, vix evitabitur Actus. Niemahls pfleget auf ein freundliches Anschauen und verliebtes Anreden etwas Gutes zu erfolgen / dahero dann öffters erfolget / daß auch die Creaturen selbsten zu Vollstreckung der göttlichen Rache gebraucht werden. Fingitur Actaeon nova Cornua sumere Cervi, dum videt, & Comites, & sine veste Deam: Scilicet Ingenio consvescunt esse feroci, Quos nimium sylvae, praedaq; capta juvant. So bald Actäon sieht die keusche Göttin baden / Da wird zu seinem Fall mit Hörnern er beladen / Wer von dem Guten wird zum Bösen abgeleit Und thut nicht was er soll / den frisset auch die Zeit. Alle Wohllüste verzehren sich selbst. Der junge Actoeon hielte mehr auf das Jagen und seine Hunde / als die Erhaltung der Unterthanen / das Frohnen gieng fort / die Imposten blieben nicht zurücke / und der Arme mochte sich schmiegen und biegen wie er wollte / so muste man der Gewalt ihren Willen lassen. Und weil derselbe / wie gedacht / alle seine Sinne und Gedancken auf das Weydewerck legte / so hielte man ihn auch für den / womit er umgieng. Denn wie Dionysius saget / so ist die Liebe eine Krafft / welche einen jeden Liebhaber in das / was er liebet / verwandelt; (Ovidius.) Si venerem tollas, rustica sylva tua est: Es gehet auf dem Jagen so genau nicht her / man springet zuweilen über die Klinge. (Der Dianae schätzbarkeit.) Die Heyden heilten die Diana als eine Göttin in den grösten Ehren / und die Griechen nennten sie [Greek words], uberibus suis omnia alentem: Eine die mit ihren Brüsten alles ernehrete. Von dem Griechischen Feldherrn Agamemon wird gedichtet / daß als er einesmahls unwissend der Dianae Hirsch erschossen / sie dermassen auf ihn erbittert worden / daß sie auch den Winden [215] Einhalt gethan / damit er seine vorhabende Reise zu Schiffe nicht fortsetzen können. Nachdem aber derselbe das Oraculum fragen lassen / wie er die Göttin wieder versöhnen möchte? habe er zur Antwort bekommen: durch sein Geblüthe; worauf er den Ulyssen zu seiner Gemahlin abgefertiget / seine Tochter die Iphigeniam von ihr abzuholen / sie schlachten / und der Dianae aufopfern zu lassen; Es hätte sich aber die Diana über sie erbarmet / und verschaffet / daß an ihrer Statt ein Hirsch aufgeopfert / und die Tochter von ihr in die Landschafft Taurica wäre gebracht / und also dardurch beym Leben erhalten worden. Es soll aber der Dianae Hirsch / welchen Agamemnon wider seinen Willen erschossen / dieser gewesen seyn / den Hercules gefangen mit einem güldenen (Aller Verdacht ist zu meiden) Halsbande und verguldeten Hörnern gezieret / und welchen die Diana von der Taygeta des Atlantis Tochter geschencket bekommen hätte. Niemand soll sich leichtlich eine böse Nachrede aufbürden lassen / sondern dieselbe meiden / so viel möglich. Sobald wie gedacht / Diana erfahren / daß Calisto schwanger / so bald kam sie solchem bösen Nachtlange zuvor. Diese Königliche Prinzessin Calistowar / wie die Poeten melden / des Königes Lycaons Tochter / welcher zuvor wegen seiner Grausamkeit in einen Wolff war verwandelt worden / und weil sie mehr in dem Weyde-Wercke / als weiblicher Zucht und Arbeit ihre Lust und Ergötzlichkeit suchte / beschlieff sie Jupiter / und machte sich darvon: Nichts leichter ist der Veränderung unterworffen / als die Jungferschafft / wenn diese / als das beste Kleinod hinweg / so achtet niemand den übrigen Theil / als der / welcher es nicht weiß. Selten entstehet aus unkeuschem Geblüte was Gutes: Die geschwängerte Calisto gebahr einen wilden Schützen / der ihr selbst beyzugestossenem Unglücke nach dem Leben stunde; Die Göttin Juno wird um des begangenen Ehbruchs willen ihr abgesagter Feind / so gar / daß sie auch dieselbe (Solinus.) aus Haß in einen Bär verwandelte. Von den Bären sagt man / daß sie sich nicht / wie die andern vierfüssigen Thiere / begatteten / sondern wie die Menschen sich zu vermehren pflegen / weswegen man die Calisto einer Bärin verglichen / die nichts menschliches als Fürwitz / Laster / böse Begierde / und Unkeuschheit an sich gehabt. Ihr Sohn Arcas trug mitlerzeit an statt eines Königlichen Titels nichts als einen wilden Nahmen darvon / gerieth endlich in der Wildnis an seine leibliche Mutter / und vermeinte sie / als eine Bärin / zu fällen. Jupiter aber verwandelte sie beyde in Sterne / welche man Arctos, Bootes, Arctophylax, den Bär / den Heer-Wagen / oder das Sieden-Gestirn nennet. Der Nutzen aber dieser Fabel ist nichts anders / als daß man daraus siehet / wie die verbotene Liebe schwärtze / unser Fleisch durch ihre verführische Lust in Bestien verwandele / und wie man zuweilen seine Huren-Kinder viel höher als die natürlichen herfürzubringen trachte / auch die unrechte Ehe wider alle Billigkeit / Zucht / und wider die Natur selbsten lauffe / dahero auch die Poeten tichten / daß die Göttin des Meers alle Sternen auf und annehme / und sie bis wieder aus ihrem Gebiete begleite / ohne allein des Jupiters Kebs-Weib den Bär oder das Sieben-Gestirn nicht. (Die Keuschheit des Hertzens.) Die Fabel von der Calisto giebet uns Anleitung zu Widerstrebung aller fleischlichen Wohllüste; Scipio Africanus wollte bey Eroberung der Stadt Carthago dasjenige schöne Weibesbild / so ihme als eine Gefangene zugeführet wurde / nicht ansehen; Kein Feind ist uns aufsätziger / als unsere eigene Begierde: derjenige Krieg / den man mit seinem Feinde führet / ist gefährlich / noch gefährlicher / der zwischen Mann und Weib / am allergefährlichsten aber / den man mit seinem eigenen Leibe / Fleisch und Blut führet. (Plutarchus.) Die Römer hielten diese Weibes-Persohnen / so ihre Jungserschafft [216] bewahreten / dergestalt in Ehren / daß sie ihnen auch Ehrensäulen anfrichteten / indem sie vorgaben / daß der / so im Fleische lebete / und doch keine fleischliche Wercke begienge / mehr göttliches als menschliches Geschlechts (in Vitis Patr.) seyn müsse. Als dem frommen Abt Efrem ein unkeusches Weib Unzucht zumuthete / sprach er / ja komm mit mir / wie sie aber an einen Orth gelangeten / da viel Volcks zugegen war / sprach er: nun hast du Lust / so mache dich fertig? Sie aber gab ihm zur Antwort: Es kan nicht seyn / denn wir allebeyde würden für dem Volck zu schanden. Wohlan / wiederholete er: schämest du dich anietzo für denen Menschen / wievielmehr soltest du dich gegen GOTT scheuen / als welcher in das Verborgene siehet / und das Verbrechen öffentlich zu straffen pfleget. Ein junger Geselle sagte zu einem Alten / der wäre glückselig / wenn er das / was er liebete / bekäme / darwider dieser sagte: das sey viel ehrlicher / wenn man dasjenige nicht begehrte / was sich nicht geziemete. (Sabellicus lib. 4. c. 8.) Die schöne Lucia stach ihr zu Erhaltung ihrer Ehre die Augen aus / und die keusche Brasilla wollte sich lieber tödten / als schänden lassen; Da (Valerius Maxim. lib. 6. c. 2.) Cajus Marius wider die Teutschen siegete / und darunter etliche Teutsche Weiber gefangen bekahm / baten ihn dieselben / daß er sie der Göttin Vestae zur Keuschheit überlassen möchte / in dem sie daselbst eben so keusch / als ihre Nonnen leben wollten / wie Er ihnen aber dasselbe abschlug / erhencketen sie (Sabell: lib. 5. c. 6.) sich die folgende Nacht. Nachdem von den Hunnen die Stadt Aquileja erobert / und daselbst Einer von denenselben ein schönes Weibesbild gefangen bekam / nahm er ihm vor dieselbe zu schwächen. Die Weibesperson bat er möchte sie doch an einen heimlichen Ort führen. Wie sie nun voran in das Zimmer hinauf gieng / ersahe sie ihr einen Ort aus / worbey ein Wasser floß / kehrete sich zu dem Hun̅en / und sagte: so du meiner geniessen wist / so folge mir nach / stürtzte sich hierauf in den Fluß / und erhielt dadurch ihre Keuschheit. Bey einem Spanier hat man vordessen über seiner Wohnung dieses zu lesen gefunden: En la Guera, qve posseo, siendo miser contrasi: Pies yo mismo me Guerreo defienda me Diosdemi! In dem Kriege / welchen ich führe / ist nichts / das wider mich streitet / als mein eigener Wille / derowegen vertritt du mich (Die späte Reue.) O Höchster / wider mich selbst. Jemehr man sich aber unterstehet / die sem Laster nachzuhangen / je grösser Gefahr läbet man sich auf den Hals: Allen Ungebührnissen kan man entgeben / ohne allein durch unser eigen Fleisch und Blut werden wir an meisten gefangen: Der Geitz regieret allein bey den Reichen: Die Hoffart bey den Gewaltigen: Der Zorn bey den Ungedultigen / und der Neid bey denen / die es Andern an Geschicklichkeit nicht nachthun können; die Wohllust / und die Sünde des Fleisches aber lässet sich gemeiniglich bey Allen finden. Vorwitz macht die Jungfern theuer: Calisto war Königlichen Geblüths / grossen Vermögens / schöner Gestalt / noch vermochte sie ihrem Willen nicht zu widerstehen. Viel Könige verliehren darüber ihre Königreiche. Viel ihre eheliche Pflicht / und viel Geistliche ihre Gelübden. Es lebet zwar ohne Straucheln Niemand / iedoch ist die Reue öffters die (2. Sam. c. 12. v. 13.) Stütze / daran man sich wieder lehnet: König Davids Busse war das eintzige das ihn nach beschehenen Ehebruche erhielte. Absolon verschertzte durch seine (2. Sam. c. 18. v. 14.) Schönheit das Lehen: Samson durch die Conversation eines Weibes seine Stärcke: Marcus Antonius durch die Cleopatra in Egypten: Hannibal / Pyrrhus / Ptolomoeus und andere ihre Länder. Als die Lydischen Gesandten (Judic. 16. v. 19.) einesmahls in des Herculis Camer kamen / funden sie ihn in seiner Liebhaberin Schoß liegen / welcher ihre Haube auf seinem Kopffe / sie aber seine Crone auf ihrem Haubte hatte. Wie die Lust / so ist auch die späte [217] (Genes. c. 34. v. 2.) Reue: Jacobs Tochter die Dina gieng die Töchter deß Landes und Sichem zu sehen / und kehrete mit vernützter Ehre wieder zurücke: Je hefftiger die angehende Liebe / je grösser die Feindschafft: König Davids Tochter / die (2. Sam. c. 13.) Thamar / ward von ihrem eigenen Bruder geschändet / und aus Haß gegen sie verstossen. Der streitbare Held Hercules ward bezauberet / und vergifftet / daß er sich selbsten auf einen Holtz-Hauffen setzte / und verbrennete. Die Liebe ist blind und thöricht: Ihrer viel haben ihr Vermögen nicht zu Hofe / nicht in Städten / nicht bey den Spielen / nicht durch zartes Wohlleben / sondern allein durch die unersättliche Buhlschafft durch die Gurgel gejaget; die Reue aber ist hernacher zu späte / wann das grösste Reichthum hinweg / und der Verschwänder an den Bettelstab gerathen. Es ist ein gefährlich Werck um die Jungferschafft: Die unerbare Liebe entzündet sich bald / sie beklaget aber hernacher das / wornach sie so sehre verlanget. Eine frische Rose bricht sich leichtlich ab / man hüte sich aber für ihren Dornen. Die Liebe vergleichet sich mit ihr. Denn wenn dieselbe zur Uppigkeit wird angewendet / so wachsen aus ihr stachlichte Dornen / von welchen entweder gelähmte Glieder / trieffende Augen / stinckender Athem / wurmichtige Wangen / und Aschen-farbige Angesichter / oder ein leerer Beutel / leeres Gedächtnus / schnöde Verachtung / und eine späte Bereuung zu folgen pfleget. Wie nun letzlich Diana jederzeit eine Jungfrau verblieben; also siehet man / was die Keuschheit für Verstand und Weisheit nach sich ziehe. Nicht unbillig wird die Keuschheit der Unzucht entgegen gesetzt. Die Poeten geben vor / daß Pallas / oder Minerva eine Göttin der Weisheit / deß Streits / und auch der Keuschheit sey / wordurch sie andeuten wollen / daß die Weißheit eine göttliche Gabe / vermittelst derer man den Streit wider seine Feinde / und sein eigen Fleisch und Blut erhalten könne. Dafern dem Leibe sein Wille gelassen wird / so verfinstert er die Sinne / deßwegen man auch den Liebes-Gott bey den Heyden blind gemahlet / indem die jenigen / so sich solchen unzüchtigen Begierden ergeben / für stockblind zu achten sind. Weiber und Wein bethören die Weisen: Salomon war der Weiseste / und begieng bey seiner Weisheit die grösste Thorheit. Vernunfft und Vorsichtigkeit gehöret zum Kriege / und wo die Gewalt ohne Vernunfft ist / da wird sie dem Riesen Polyphemo verglichen: Es ist kein grösserer Krieg als der / welchen wir mit unserem eigenen Fleische und Blute führen. Bedienen wir uns nun hierinnen nicht der gesunden Vernunfft / so setzen wir unsere eigene Ehre / und guten Namen auf die Spitze der Gefahr / und vergifften uns gleichsam selgst / wie hiervon Claudianus saget: Membra???ue Circéis effoeminat acriùs Herbis. (Wie man die Diana verehret.) Damit wir aber wieder auf unsere Diana / als eine vermeinte Göttin der Jägerey / kommen / so verwahreten / ehreten / und beteten die Lacedämonier nicht allein deroselben ihre Bildnus / welches Iphigenia / und Orestes aus der Landschafft Taurica dahin gebracht / in einen geflochtenen (Camerar. in hor. succis. 2. p. c. 10. pag. 54.) Korbe an / sondern man zeigte auch theils der Dianae Bildnus in Arcadien / und ihren Tempel / theils auch der Minervae mit einem verbundenen Schienbeine: Wodurch sie vorgaben / daß sie von dem Aro / oder Fürsten dem Theuto wären verwundet worden / indem sie nicht länger in Griechenland hätten verbleiben wollen. Unter andern Oertern / so man der Dianae geheiliget / (Valerius Flacc. lib. 5.) war / wie gedacht / der Fluß Parthenius in Paphlagonien / der hohe Berg Eynthius / und Taurus. Denn weil sie eine Göttin der Jägerey [218] (Deß Jagens Ursprung / und was ihm anhängig. Eusebius lib. 1.) bedeuten sollte / so muste ihr nothwendig Berg und Thal / Holtz und Wasser zugeeignet werden. Man hält dafür / es hätten die Phönicier / oder / wie etliche wollen / die Thebaner das Jagen erfunden / von welchen es hernach auf die Phrygier gebracht worden wäre; Allein wenn man die heilige Schrifft ansiehet / so sind Cain / Lamech / Esau / Ismael / und Nimrod die Uhrheber desselben gewesen. In der Schrifft wird das Wort Stricke / Netze / Garn / und Jagen (Psal. 91. Mich. 7.) auf unterschiedene ungleiche Weise gebraucht / als wie dort stehet: Der HErr errettet mich von dem Stricke deß Jägers: Ein jeglicher jaget den andern / daß er ihn verderbe; denn durch das Jagen und Hetzen wird fürgebildet die Verfolgung / so die Frommen von den Gottlosen ausstehen müssen. (Varro lib. 4. p. 25) Das Wort Jagen / oder Venatio rechnet man / wie etliche vorgeben / à vento, von dem Winde / da gleichsam der Jäger mit seinen Hunden ein wildes Thier in die Flucht jaget / oder von den venis Terrae, Erdgängen / oder Wild-Bahne / welche der Jäger mit seinen Hunden durchsucht / oder man verstehet dadurch öffters eine solche Jagt / die man mit Hunden verrichtet / oder da eine tyrannische Obrigkeit die armen Unterthanen wegen der grossen Auflagen von Haus und Hof verjaget. Wann die Egyptier einen Betrug / oder eintzige Schmeicheley andeuten wollten / mahleten sie einen Hirsch / den einer mit einer Pfeiffe zu sich lockte. Nahm man eine vergebliche Arbeit vor / so hiesse es / es ist nicht alle Tage gut jagen / oder Wildpret fangen. Und gleichwie man die Undanckbarkeit mit einem alten Hunde abbildete; also verglich man auch einen ruchlosen / und unzüchtigen Menschen demjenigen / der stets dem Jagen nachgienge. Was aber unsere löbliche und zuläßliche Jagens-Lust anbelanget / so ist dieselbe nirgends in der Schrifft verbothen; die Heyden hielten darfür / die Jägerey wäre von den Göttern erfunden / und hätte man denenselben zu Ehren vielmals Hirschhörner / und wilde Schweins-Zähne an die Thüren / oder Thoren gehefftet. Man giebt vor / daß das Jagen nach den Kriegs-Exercitien / (Belisarius??? de venat. c. 1.) nach Erläuterung der freyen Künste und Sprachen / nach Ertheilung Bürgerlicher Rechte / und gepflogenen heilsamen Rathschlägen das angenehmste sey / so die Menschen am meisten belustigte / und wieder erquickte. Und gleichwie die tapffersten Gemüther es nur mit denen / bey welchen gleichfalls eine Stärcke verspühret würde / annehmen / sich mit Behertzten im Rennen und Lauffen einliessen / denen Stärckern im Ringen nichts nachgäben / und denen Listigen und Verschlagenen mit gleicher List und Klugheit begegneten: Also machten es auch die / so mit dem Jagen umgiengen; Wiewohl bey diesem nicht wenige Ungelegenheit mit unterlieffe / indem man so wohl Tages / als Nachts / im Schnee und Regen / durch Berg und Thal viel dulden / und ausstehen müste / offt in höchste Leib- und Lebens-Gefahr geriethe / und wenn man die beschlossene Thiere fangen wollte / vielmals selbsten von ihnen gefangen / und umgebracht würde. Die so genannte Wild-Bahne an sich selbst ist nichts anders / als ein solches Recht / über welches man in Jagt-Sachen allerhand Ordnungen / Gebot und Verbot zu machen pfleget. Die Bestellung der Jägerey-Bedienten / und was für Hunde / und Jagtzeug man bey einer Jagt vonnöthen / ist heutiges Tages bekannter / als daß man davon sagen soll. Die Forst-Gerechtigkeit ist die / welche man an einem gewissen beschriebenen Umkreiß von unterschiedenen Bergen / Thälern / Gehöltzen / Tieffen und dergleichen inne hat / mit dem Holtze seinen Nutzen schaffet / und dasselbe entweder vor sich gebrauchet / oder an andere Leute verkauffet / und verflösset. Und obschon die hiebevor natürliche Freyheit allen Menschen über die Thiere in Wäldern und Feldern / über Fische und Vögel zu herrschen / sich
|| [ID00247]
|| [ID00248]
|| [219]
dero zu bemächtigen / und zu seiner Nahrung / und Unterhalt zu gebrauchen verstattet: So ist sie doch von Zeiten zu Zeiten allein der hohen Obrigkeit / Städten / Ländern / und denen jenigen / welchen es erlaubet / anheim gefallen. Es bestehet aber das Weyde-Werck / oder die Jägerey / in allerhand Wilden / vierfüssigen / und geflügelten Thieren / und macht man zwischen denenselben / was zur hohen / Mittel- und Nieder-Jagt gehöret / einen Unterscheid. Der Jägerey Eigenschafft ist / daß man verstehe / wie nach seiner Art das Wildpret aus zuspühren / zu suchen / zu besteigen / und zu fällen / oder zu fangen sey. Und weil man heutiges Tages sich der Pirsch-Büchsen / deß Zeuges / unde anderer Vortheil bedienet / so weiß man / wie man das Wildpret mit Hunden aufsuchen / mit Tüchern und Netzen umstelle̅ / die Schweine mit dem Eisen fange̅ / die Haasen hetze̅ / dem Flügelwercke mit der Büchse / Vogelheerden / Schlingen / Garn und dergleichen nachstellen / mit den Falcken aber die Raub- und andere Vögel beitzen solle. Angelus Politianus beschreibet eine Jagt also: Sparge si tutta la bella Campagna Altri hà le Reti, Altri hà la via stretta: Chi serva in Copia i Can', chigli scampagna. Chi già il suo amette, chil richiama ed alletta. Es ward das freye Feld mit Netzen gantz umstellet. Die Hunde führte man zusammen paar und paar: Der hetzte munter drauf: Dort ward das Wild gefället: Ein jeder that darbey / was seines Amtes war. Die Römer hatten vor Zeiten ihre eigene Thier-Gärten / Hälter / Teiche und Vögelhäuser / worinne sie nach Lust und Gefallen allerhand Wildpret / Fische und Vögel hielten. (Allerhand Art zu jagen. Jul. Caes. l. 6.) Wann die alten Teutschen nicht mit Kriege begriffen / so lagen sie dem Jagen stets ob: In Indien erhielten sich die Lyrcae einzig und allein davon. Denn ein jeder hatte einen Hund und ein Pferd bey sich / und weil es daselbst viel hohe Bäume gab / stiegen sie darauf / und gaben acht / wo das Wildpret herkam / (Joh. Bohemus l. 2. c. 9. de Moribus Gentium.) im̅ittelst aber war das Pferd gewöhnet auf dem Bauche zu leigen. So bald nun derselbe ein Wildpret erblickte / schoß er dasselbe mit seinem Pfeil / sprange vom Baume geschwinde auf das Pferd / und jagte ihm mit dem Hunde nach. In Engelland pflegt man auf eine besondere Weise bey dem Monden-Scheine Caninichen zu fangen: Man hat Hündgen / welche man Tomuler nennet / von diesem Eines führet man an den Ort / da Caninichen zu seyn (Wilh. Neymaeger in Itin. Joh Ernesti Ducis Saxoniae de A. 1613. pag. 208.) pflegen: der Hund machet sich unter sie / spielet mit ihnen / in einem Hui aber nimt er eines / und läufft darmit zu seinem Herrn / legt es nieder / läufft so dan̅ wieder unter sie / macht es auf vorige Art / und bringet also eines nach dem andern herzu geschleppet. Man hat auch die Gewonheit / das Wildpret in Gruben / Fallen / Schleiffen / und mit anderer dergleichen Behendigkeit mehr zu fangen. Die Alten meinen / das Jagen begriffe vielerley Vortheil in sich / als da wäre die Ausrottung der schädlichen Thiere; die Verstärckung seiner Haushaltung; die Lust und die Gesundheit. Denn es hatte bald anfangs die Noth denen ersten gelernet / wie sie sich nicht allein der grausamen Thiere / als Löwen / Panther / Parther / Tieger / Bäre / Luxe / und Wölffe erwehren / sondern auch der andern / nemlich Hirsche / Schweine / Hasen / und allerhand Geflügelwercke zu ihrem Unterhalte bemächtigen könten. Hernach hat man auch / zur Erleichterung der Sorgen und allerhand Verdießlichkeiten / allerley Thiere zu hetzen / zu beitzen und zu jagen angefangen. Denn weil nach dem Fall deß Menschen alle Thiere sich für demselben gescheuet und geflohen / so hat er auch / damit er seine Meisterschafft erhielte / allerley Gewalt / Lust / Behändigkeit / und Räncke / theils in der Lufft / theils im Wasser und Lande erdencken [220] (A. C. 1671.) müssen. Vor wenig Jahren suchte König Ludowig der 14. in Franckr. seine Ergötzlichkeit zu Chantylly in einer Hirsch-Jagt / welche deß Nachts angestellet war: Printz Conde tractirte ihn nicht weit davon auf das beste: Die Bäume waren allenthalben mit Laternen und brennenden Lichtern behänget / welches nebenst dem angezündeten Feuerwercke wohl anzusehen / wiewol es (Liebhaber der Jägerey.) ohne Mord nicht abgienge. Das Jagen ist keines Weges zu verwerffen / wenn es mit Nutzen geschiehet. Es schmecket auch / sagt man / kein Hase besser / als der / welchen man gefange̅. Xenophon führet in seinem Jagt-Buch unterschiedene berühmte Jäger an / und gedencket dabey / daß sie beydes die Eigenschafften der Thiere und Vögel wol gewust / und dann auch einen hohen Verstand / und Erkäntnus der Kräuter / und andern Creature gehabt hätten. König Alexander Magn??? / König Darius in Persien / Fürst Epaminondas / Printz Jason in Thessalien / Selonus deß Herculis Sohn / Pelopidas / Ferdinand / König in Arragonien / und viel Andere mehr / ware̅ nit allein wege̅ deß Jagens Wissenschafften / sondern auch ihrer Tugend halben / die jene weit übertreffen / (Virgilius. Ovidius.) berühmt. Keys. Marcus Antoninus / und Alexander Severus belustigten sich vielfältig mit derselben. Hippolytus / deß Thesei Sohn / Adonis / Endymion / Helymus / und Panopes / ingleichen die Calisto / Arethusa / Procrina / Hippon deß Chirons / und Annimon deß Danai Tochter hat man alle für geübte Jäger (Xenoph. lib. 1. Paediae.) und Jägerinnen gehalten. Die Könige in Persien schätzten alle das Jagen sehr hoch / indem sie vermeinten / daß dasselbe ein Bild deß Kriegs wäre. Denn ehe man das Wild fienge / müste man solches umstellen / ihm einen und den andern Vortheil ablauffen / hernach / wenn es gehetzt / selbigen mit Gewalt begegnen / und hierauf / wen̅ es alles erleget / gleichsam als in einem Triumphe mit (Hedion. Chron.) heulenden Hunden / und blasenden Hörnern abziehen. Keys. Heinrich der Erste war darin̅en so geübet / daß er zuweile̅ / auch bey der geringsten Jagt / 40. wilde Thiere aufbrachte. Keys. Albrecht pflegte zu sagen: Die Jagt wäre eine män̅liche (Cuspinianus.) / das Tanßen aber eine weibliche Ubung. Keys. Maximilianus der Erste legte sich auf dieselbe gar sehr / daß er zuweilen die Gemse auf den höchsten Bergen (AEneas Sylvius.) verfolgete / und darüber in Leibs- und Lebens-Gefahr gerieth. Vordessen ward der Hertzog von Cärnthen / deß Reichs Jägermeister genannt / für welchem alle Streitigkeiten in Jägerey-Sachen musten erörtert und entschieden werden / und wann er für das Keyserl. Gericht erfordert ward / er nicht anders als in Schlavonischer Sprache zu reden / und darin̅e Antwort zu geben schuldig war. Kürtzlich / es waren vordessen die Troglodyten / Melossini / Lucaner / Thyssageten / Seythen / Herodes Magnus / Quintus Sertorius / Keyser Adrianus / Keyser Conrad / Ferdinand und Alphonsus / beyde Könige zu Neapolis / (Deß Jagens Zuläßlichkeit.) Boleslaus / Uladislaus die Könige in Pohlen / Bogoris der Fürst in der Bulgarey / nnd viel Ander mehr dem Jagen auf das euserste beygethan. Man sagt zwar / wer das Wild zu sehrer liebet / wird darüber zum Wilde. Es bestehet aber in allen Dingen eine gewisse Masse. Dort lieset man: (Gen. 1. 28) Herrschet über die Fische im Meere / über die Vögel unter dem Him̅el / und über (Levit. 17. v. 13. Gen. 27. v. 3. 4. 1. Reg. 4. v. 23.) alle Thiere so auf Erden kriechen. Eine mässige Ubung im Jagen ist besser / als eine verfaulte Wollust: GOtt selbst schreibet denen Menschen besondere Jagt-Gesetze vor. Der alte Isaac befahl seinem Sohn Esau / daß er seinen Zeug / Köcher und Bogen nehmen / auf das Feld gehen / ein Wildpret fahen / und ihm darvon eine Speise zurichten sollte. König Salomon muste täglich 100. gemästete Rinder / 20. Weyde-Rinder / 100. Schaffe / ohne die Hirsche / Rehe und Gemse / und das andere gemästete Vieh haben. Alexander Magnus brachte offtermals nach gehaltener Mittags-Mahlzeit den übrigen Tag mit Jagen zu; und Keys. Marcus Antoninus Philosophus erhohlete / wie gedacht / sie Gemüte / welches er durch die vielfältigen Reichs- Geschäff [221] te geschwächet hatte / hinwiederum dadurch. Es wird aber dasselbe sündlich / wenn man das / was GOtt einem anvertrauet / hinden ansetzet / hingegen sich demselben stets ergiebet / und den Beruff seines Werckes darüber versäumet. Die Zeit / das Amt seiner Verrichtung / und die Lust kan zugleich und auf einmal nicht beysammen stehen. Alles beruhet auf einer Abwechslung. Keysers Trajani grösseste Sorge war / daß er mit viel geschickten Männern weislich regierte / bey vorfallendem Kriege mit behertzten Soldaten stritte / und bey ereigneter Ruhe und Ergötzlichkeit bescheidene Leute um sich hatte / damit seinen Unterthanen dadurch keine Uberlast / Zwang / noch andere Beschwerung zugezogen werden möchte. Denn der Wohlstand eines Fürsten bestehet nicht in listigen und nachtheiligen Vorschlägen / sondern auf redlichen / verständigen und wohlgeübten Leuten. (Dessen Nutzbarkeit.) Gleich wie aber das Lesen ohne Verstand zu nichts dien lich; also ist auch das Jagen ohne die Erfahrung nichts. Dahero man auch solches in vielen Stücken mit dem Kreigeverglichen. Den̅ man gewohnet in demselbe̅ gemachsam der Arbeit / deß Hungers und Durstes / und der Kälte / deß Reisens und Laufens / denen Bestien mit unerschrockenem Muthe entgege̅ zu gehen / und sie mit Vortheil und Vorsichtigkeit zu fällen; ja was das allernöthigste / so lernet ein grosser Herr dadurch sein Land und Leute ken̅en / erfähret / ob dasselbe Berg und Thal in sich / und was darinne für Flüsse und Gehöltze zu befinde̅ / welches alles er sich auf bedürffenden Fall und fürfallenden Kriegsläufften zu Nutze zu machen / (Ranzov. de conserv. Valetud. c. 9. Jul. Pollux lib. 5. Onomastic.) und sein Heer mit Vortheil auszuführen / und gegen den Feind zu lägern hat. Es trägt aber das Jagen 3. sonderbare Nutzbarkeiten / nemlich die Stärcke deß Leibes / die Ubung zur Gesundheit / und den Vortheil zur Nahrung an sich. Dem Keyser Com̅odo rieth man / daß er sich in dem Jagen / als in einem adelichen und heroischen Exercitio, welches dem Leibe nützlich / dem Gemüthe zuträglich / und der Tapferkeit anständig / wohlüben sollte. Der Poet Homerus rathet denen jungen Leuten / daß sie sich derselben befleissigten / damit sie darüber andere Wollüste vergessen / und dadurch vorsichtig / starck und zur (Lammerm. in Idea Principis c. 19.) Arbeit munter und keck gemacht werden möchten. Keyser Ferdinand der Ander eignete der Jagt nicht mehr als die Woche über / und zwar zu gewissen Zeiten / einen Tag zu / damit er durch solche Leibes-Ubung desto besser seine Gesundheit erhalten / sich etlicher Massen erfrischen / und hernacher wieder denen Reichs-Geschäfften obliegen möchte; Worbey er aber dieses im Gebrauche / daß er den Tag zuvor / ehe er auf die Tagt ritte / oder fuhre / alles zu unterschreiben pflegte / welches er sonst den andern Tag hätte thun sollen. Man hat aber von dem Jagen / wie an dem Exempel Salomonis zu sehen / (Xepoph. lib. 1. de Cyri Paedia.) noch einen mehrern Nutzen zu gewarten. Denn dadurch werden grosser Herren Tafeln mit allerhand Speisen von Wildprete besetzt. Dahero sich auch von der Tagt die Alten / das ist / von Bogen und Pfeilen allein fast ernehrt. Bey dieser / wie gedacht / entschläget man sich nicht nur allerley Sorgen / sondern man macht auch dadurch den Leib desto frischer und stärcker / und bringet sich eine gute Gesundheit zu wege / also daß auch die jenigen / so sich dergleichen / (Cuspinianus.) und sonsten befleissigen / mehr sehen und hören als Andere. Weßwegen der löblichste Keyser Carl der Grosse auch sie in seinem Alter für eine nöthige / gesunde und heilsame Sache hielte / und scheuete dißfalls weder Schnee noch Regen / Hitze noch Frost / Berg noch Thal. Der Poet lobet dasselbe an dem Ascanio / und streichet ihn als einen Jäger in folgendem Verse heraus: Optat Aprum, & fulvum descendere Monte Leonem. Er wündschte / daß Er sich am Hauer möge reiben / Und aus der schwartzen Grufft den braunen Leuen treiben. Die Exempel geben / wie vielfältig grosse Herren sich an dem Jagen be [222] lustiget / (Kellerus lib. 2. c. 19 de offic. judic. Polit.) indem sich nicht allein in demselben eine heroische Tapferkeit spüren / und sehen lasse / sondern es hat auch solches mit unterschiedlichen Krieges-Verrichtungen eine ziemliche Verwandschafft; zudem so ist das Jagen auch öffters eine Ursache und Gelegenheit / worbey man hochwichtigen Sachen / und denen Gedancken desto freyer und ungehinderter nachsinnen könne. (Miß brauch.) Die jenigen / welche den rechten Gebrauch eines Dinges durch Mißbrauch verderben / sind gleich denen / die Einem die Zunge um deß willen / weil sie ein böses Wort fahren lassen / aus dem Halse reissen wollen Et utile laedit. Auch das / was nützlich / fällt zuweilen am schädlichsten. Est ist kein Zweifel / daß bey den Jagten nicht unterschiedene Mißbräuche mit unterlauffen / als wenn man Aecker / Wiesen und Felder durchrennet / die Zäune zerbricht / die Früchte zertritt / das Getreydigt zerschleifft / und der Unterthanen Saat und Aecker verwüstet / wenn man Wälder und Fluhren / die doch ein Stücke der Unterthanen Nahrung sind / zur Unzeit verbeut. Wenn man zu weit um sich greiffet / und die armen Leute über die Gebühr beschweret: Wenn man dabey GOttes Wort nicht allein vor sich hinten ansetzet / sondern auch Andere / die bey dem Jagen aufwarten müssen / von solchem (AEneas Sylvius c. 13.) Gottesdienste abhält. Von dem letzten König Suatacop in Mähren meldet man / daß er sich an einem Festtage auf die Jagt begeben / immittelst aber befohlen / daß man so lange mit dem Gottesdienste warten sollte / bis Er wiederkäme. Nachdem es sich aber bis gegen dem Mittag verzogen / und der Geistliche seinem Amte nach gelebet / hat es Ihn dermassen verdrossen / daß Er auch mit einem Wald-Geschreye / blasenden Hörnern / und gleichsam jagenden Hunden bis vor das Altar gekommen / den Geistlichen daselbst mit Worten übel angelassen / und nicht viel gefehlet / daß Er sich nicht gar an ihm (Johann Stumpfi??? l. 5. c. 37.) vergriffen. GOtt aber hat bey solcher Unbilligkeit gemeiniglich auch die Hand darbey. Als Bischoff Hugo zu Costnitz auf eine Zeit mit seinen Hof-Bedienten Lust- und Jagens halber denen Unterthanen zu Klettgau durch das Getreyde ritte / erhub sich unversehens ein hefftiges Donnerwetter / schlug alsbald (S. Ambr. in serm. 33.) ein Roß zu tode / und ihrer achte zu Boden. Der heilige und fromme Ambrosius urtheilet hiervon gar vernünffig / nnd saget: Was hilfft Einem ein leibliches Beten und Fasten / wenn man aus Wollust jaget / das Gesinde oder die Unterthanen zu ungelegener Zeit auf die Jagt zwinget / die Garn und Netze stellet / die Hunde aus führet / Wälder und Höltzer durchziehet / die Seinigen von dem Gottesdienste abhält / seine eigene mit anderer Leuten Sünde häuffet / und nicht achtet / ob er dadurch die Seinigen in Grund verderbet / lieget den gantzen Tag auf der Jagt / ruffet und schreyet / fähet er etwas / so ist die Freude häuffig / gehet es ihme aber nicht nach (Ob Geistlichen das Jagen zugelassen) Wundsch / so sind die Flüche desto gemeiner. Es ist unter andern auf dem gehaltenen Concilio zu Orleans in Franckreich denen Geistlichen das Jagen gäntzlich verbothen / und auch in dem Geistlichen Rechte versehen / daß wann ein Jäger allbereit ein Priester wäre / so sollte er um seines Jagens willen hinwiederum deß Amts entsetzet werden. Den Geistlichen kömmt / armen / breßhafftigen / und unvermögenden Leuten Gutes zu thun / und GOtt für aller Stände Wohlfahrt emsig zu bitten / und nicht nach vielfältigen Jagen / und Krigen zu trachten / zu. (Sabellic??? lib. 8. c. 7.) Man gedenckt eines Bischoffs / der aus Begierde zum Jagen eine grosse Menge Hunde gehalten / welche man gleich denen Heerden Vieh eingetheilet / (Volater. lib. 3.) und ihrer besser als die Menschen gewartet habe. Nichts destoweniger ist denenselben durch ihre Jagt-Bedienten auf ihren Gebiethe entweder jagen zu lassen / oder zuweilen zu Erfrischung ihres Gemüths denen Jagten selbsten beyzuwohnen erlaubet / wann anders kein Excess mit unterläufft. [223] Hertzog Withold in Littauen ließ die zum Tode Verurtheileten in eine Bären-Haut nehen / und sic mit Hunden hetzen; dergleichen that auch der Thessalische König Alexander Pherenius / welcher hernach zur Belohnung für die verübte Tyranney im Bette erstochen ward. Viel anders machte es Pabst Felix der Fünffte. Denn nachdem er von etlichen ausländischen Legaten gefraget / ob Er auch viel auf ansehnliche Hunde hielte? Ja / sagte er / zeigete denenselben deß andern Tages darauf eine Menge armer Leute / und sprach: Sehet diß sind meine Hunde / welche ich täglich ernähre / und durch die ich das Himmelreich zu erjagen verhoffe. Das Wildpreth will gepfeffert seyn. Aus der Lust soll man keine Unlust machen: König Mithridates in Ponto lage dem Weydwercke stets ob / so gar / daß er gantzer 7. Jahr unter kein Dach kam. Jener Klügling sagte / es wäre sein Beruff / die Gaben Gottes zu erwürgen. (Paulus Oderbornius.) Von dem grausamen Tyrannen Johann Basilide Groß-Fürsten in Moßkau erzehlet man / daß er zu seinen Jagten niemals weder Jäger / Schützen / noch Pferde / sondern zu den Bären und anderer grausamen wilden Thier-Jagten seine Gefangene gebraucht / welche sich nun gegen die Bestien männlich gewehret / und etliche deroselben umgebracht / die beschenckte er / die Andern aber büsseten darüber ihr Leben ein. Hier heisst es nicht unrecht / der Teufel blaset bey solchen Jagen den Rüden ab. Viel sanfftmüthiger erzeigte sich hierinnen Hertzog Alphonsus von Ferrara. Denn ob er gleich das Wildschiessen bey Leib- und Lebens-Straffe verboth / so straffte Er doch keinen / sondern wann Einer dadurch das Leben verwircket / ließ er ihm für seine Wohnung Hirschhörner aufhencken / damit Er denen Andern ein Schrecken einjagte. Als Keyser Domitius noch die Provintz Sicilien verwaltete / ließ er um einer gefällten Saue willen einen Hirten kreutzigen / ob er gleich dieselbe nicht genossen. Keyser Adrianus fiel in diesem Stücke seinen Unterthanen zum höchsten beschwerlich. (Besold. in thes. practico. Cambdenus.) Das Jagen ist zwar / sagen die Politici / eine Königliche Lust / die allen Stands-Personen wol anständig / man soll aber die Unkosten / den Verlust / und den Schaden seiner Unterthanen wohl überlegen / und erwegen. Der Türckische Keyser Amurath der Erste hatte nicht allein eine grosse Anzahl Falcken / sondern auch viertzig tausend Hunde. Keyser Bajazeth der Dritte hielte stets sieben tausend Männer / so ihm seine Habichte warteten / und bestellte seine Jagten mit sechstausend Jagt-Hunden. Als Churfürst Johannsen zu Sachsen von Etlichen gerathen worden / daß er seine Söhne nicht zu viel in der Schulfüchserey erziehen / sondern sie bey Seite stellen / und vielmehr zum Jagen / Reuten / und andern ritterlichen Tugenden abrichten lassen sollte / gab er zur Antwort: Dieses / wie man sich der wilden Thiere erwehren / ein Pferd wohl tummeln / und andere adeliche Exercitia vor die Hand nehmen solle / das weiset die Ubung; Wie man aber löblich leben / Christlich regieren / und seinem Land und Leuten wohl vorstehen könne / darzu werden gelehrte Leute / gute Bücher / und eine geraume Zeit erfordert. (Cambdenus in descript. Britanniae.) Niemand soll die Thiere hegen / und die Unterthanen beleidigen. Vom Könige Guilielmo Normanno in Engeland wird gemeldet / daß er zu Erweiterung seines Geheges in der Provintz Hantshiere an die dreyssig Meilweges in Umkreise gantze Städte / Kirchen und Dörffer ausrotten / und die Unterthanen davon aus Begierde zum Jagen vetreiben / und auf die / welche einem Wilde nachgestellet / eine harte Geld- und andere Straffe setzen lassen; Es hieß aber / wie gesündiget / so gestrafft: Denn sein Sohn Richard ward nachgehends in eben demselben Walde unversehens mit einem Pfeile durchschossen / (A. C. 1676.) der ander Sohn aber Guilielmus Rufus bekam die Pest / daß er starb. Mahomet der Vierte Türckische Keyser soll einesmals auf der Jagt [224] nicht mehr als 16. Haasen / und 2. Hirsche gefangen / darüber aber wegen der eingefallenen grossen Kälte / und deß tieffen Schnees an die 500. Personen eingebüsset haben. Gleicher Gestalt miesset man König Carln dem Neunten in Franckreich bey / daß er durch das stete Jagen und Blut der wilden (Wolf. T. 2. lect. memorab. f. 920) Thiere nachgehends auch nach dem Blute der Menschen sehr begierig worden sey. Der Ertz-Bischoff zu Saltzburg / Namens Michael / ließ einen Unterthanen / welcher einen Hirsch / so ihm zu Schaden gegangen / niedergemacht hatte / in die Hirschhaut stecken / auf den Marck tragen / und (Doct Timotheus Kirchnerus in Oratione) von Hunden zerreissen. Churfürst Ludowig am Rhein / schonete sein Wildpreth / und vergaß darüber seiner Unterthanen Schaden. Es unterstund sich aber Einer von seinen Hof-Leuten / und redete den Churfürsten also an: Es ist / gnädiger Herr! wegen deß gehegten Wildprets bey dero Unterthanen ein grosses Weheklagen / Heulen und Winseln / und dafern sie solchen Ubel nicht abhelffen / so werden sie nicht mehr für Sie zu GOtt bitten / sondern vielmehr seufftzen. Dieses rührte dem frommen Churfürsten dermassen sein Hertze / daß er alsobald zur Antwort gab: Wie / soll ich meiner Unterthanen Gebet meissen / daß sey ferne? Ich will lieber deroselben Nutzen suchen / (Und Gefährlichkeit.) als auf solche Weise meiner Jagt-Lust nach folgen. Gleichwie aber die Jenigen / so sich in Gefahr setzen / gemeiniglich darinnen umkommen: Also geschiehet es auch öffters hierinnen. Fulco König (Robert??? Abbas in Chronic.) zu Jerusalem jagte einem Haasen nach / stürtzte aber unversehens mit dem Pferde / und brach darüber den Hals. Der Longobarder König Astulfus ward auf der Jagt von einem wilden Schwein umgebracht. König Woldemar (A. C. 1251.) in Dennemarck aber von den Seinigen mit einem Pfeil erschossen. Keyser Adrianus that einen Fall / daß er die Zeit seines Lebens hinckete. Wie (Sigebert. Semblacensis.) Keyser Johannes Maurus zu Constantinopel einen wilden Eber fällen wollte / verletzte er ihm selbst die Hand / daß er in wenig Tagen starb. Auf König Diedwehrten in Teutschlande strich auf der Jagt ein wilder Stier / als sich aber der König hinter einen Baum beschirmen / und seinen Bogen (Herodotus lib. 1.) und Pfeil auf den Stier richten wollte / lieff derselbe mit solcher Ungestümmigkeit an den Baum / daß er umfiel / und den König erdrückte. König Crösi in Lydien Sohn Atys wurde aus Unvorsichtigkeit von dem Adraste getödtet. (Aventin. lib. 4. Annal. Bojor.) Denn als dieser mit dem Pfeile ein wildes Schwein tödten wollte / erschoß Er Ihn. Da Carolomannus in Franckreich auf der Jagt von einem hauenden Schwein überwältiget / und ihm sein Leib-Knecht mit dem Eisen zu Hülffe kommen wollte / ist er von demselben tödtlich verwundet worden / damit aber der Unschuldige nicht wieder möchte getödtet werden / sprengte man aus / als ob ihn das Schwein erhauen. Hertzog Bogislaus den Zehenden in (A. C. 1231.) Pommern verletzte ein Hirsch mit dem Geweihe / daß er an Lung und Leber verwundet. König Woldemars in Dennemarck Sohn Woldemar / der sonst nach deß Vatern Tode in die Königl. Regierung getreten / ward gleicher Gestalt (Ritterschus. Exeg. g. p. 5. p. 6.) auf der Jagt von Einem seiner Hof-Bedienten mit einem Pfeile in den Schenckel geschossen / daß er daran starb. Keyser Maximiliani deß Ersten Gemahlin / Hertzog Carls in Burgund einzige Tochter / fiel auf der Jagt / da sie (Fabrici??? de Origin. Saxon. l. 2. p. 142.) zum fünfften mahle schwanger gieng / von Pferde / daß sie nebenst der Frucht blieb; dergleichen wiederfuhr auch seiner andern Gemahlin der Blanca Maria von Meyland. Keyser Otto der Erst stürtzte / als er einem Wilde nacheilete / (A. C. 1532.) mit dem Pferde / und verwundete sich tödlich. Keyser Carl der Fünffte brach auf der Jagt in der Pfaltz ein Bein. Landgraf Wilhelm der Jüngere (Xenoph. l. 1. de Paedia Cyri.) in Hessen fiel sich vom Pferde zu tode. Amadeus der Zehende Hertzog in Saphoien aber brach auf der Jagt den Hals. Da König Astyages in Meden vermerckte / daß sein Enckel / der junge Cyrus / grosse Lust zum Jagen [225] (Xenoph. lib. I. de Paedia Cyri.) hatte / gab er ihm seiner Mutter Bruder / und andere wohlberittene Leute zu / die auf selbigen acht haben sollten. Eyrus fragte unterwegens seine Begleiter / an welches Wild man sich am sichersten machen könne? dem sie zur Antwort gaben / daß sich zwar ihrer viel an Parder / Bäre / und wilde Schweine gemacht / es hätten aber ihrer Etliche darüber die Erden keuen müssen. Darum so wäre das Hirsch-Gemsen-Reh- und Wald-Esel-Jagen von diesen das leidlichste. Kaum hatte man dieses ausgeredet / da sahe Cyrus eine schöne Hindin daherspringen; eilete ihr dahero nach / und hatte wenig (Johannes Justinianus.) gefehlet / daß er nicht Ferdinandi Sohn / begab sich einsmals in dem Königreich Granata auf die Jagt / eilete einem Hirsche nach / und kam darüber in der Wildnus von seinen Leuten. Nachdem er aber biß gegen die Nacht in der Irre herum ritte / traff er letzlich ein Hirtenhaus an / und ersuchte den Hirten / daß er ihn beherbrigen möchte. Der Hirte war in seinem Hause selbst sechse / nemlich sein Weib / sein Sohn / seine Tochter / seines Sohnes Weib / und ein starcker Schäferknecht. Der Hirte muthmassete aus der Kleidung / daß dieses ein reicher und wohlhabender Herr seyn müste / rathschlagte deßhalben mit denen Seinigen / wie sie ihn in geheim ermorden möchten. Da Maximilianus gessen / zeigte man ihm ein Bette in einer engen Cammer / woran eine alte zerbrochene Thüre hinge / und weil sich der Hirte inzwischen geschäfftig erwiese / verfügte sich deß Sohns Verehlichte aus Mitleide̅ zu dem König / offenbahrte ihm den mörderlichen Vorsatz / und bath / daß er sich theils wohl in acht nehmen / theils auch sie nicht melden wolle. Maximilianus danckte ihr für die gegebene Nachricht / verfügte sich in die Cam̅er / und schobe daselbst einen grossen Kasten für die Thür / machte sien Pirsch-Rohr fertig / und erwartete der Mörder unerschrocken. Indem nun der Hirte vermeinte / daß sein Gast wegen Müdigkeit schlieffe / verfügte er sich heimlich an die Cammerthüre / und versuchte sie aufzumachen / da er sie aber verriegelt befand / begehrte er / daß man ihm die Thüre eröffnen / indem er was Nothwendiges aus dem Kasten langen wollte; Maximilianus aber wiese ihn mit Worten ab / worüber der Hirte sehr ungedultig wurde / und weil er sahe / daß sein Vorhaben nicht wollte von statten gehen / unterstund er sich die Cam̅er zu eröffnen / rieff die Andern herzu / und legten also ins gesamt Hand an. Maximilianus richtete hierauf sein Rohr nach der Thüre / schoß durch dieselbe / und traff den Hirten / daß er tod dahin fiel / rückte nachmals den Kasten wieder hinweg / sprang mit blosser Wehre hinaus / erlegte deß Hirten Sohn / und jagte den Schäferknecht / hinweg. Mittler Zeit fieng das Weib an zu schreyen / und verursachte / daß die umherwohnende Hirten mit ihrem Gewehre herzukamen / das Haus umringeten / und mit Gewalt den Thäter haben wollten. Maximilianus wehrete sich so lange / bis der Tag anbrach / und er ihnen sagen kunte / wer Er Wäre. Und obschon dieser Pöfel Ihm keine̅ Glauben beymessen wollte / so schoneten sie doch seines Lebens / nahmen Ihn gefangen / und führeten denselben gebunden zu dem im nächsten Flecken wohnenden Hauptmann. So bald nun seine Diener auch dahin kamen / uud gewar wurden / wie man mit ihrem Herrn umgienge / wollten sie alsbald die wütenden Hirten anfallen; Maximilianus aber verboth es ihnen / erzehlete hernach den Hendel / und vermeldete / wer an dieser bösen That schuldig. Wornach der Schäferknecht gerichtet / und deß Sohns Verehligte wegen ihrer bewiesenen Treue reichlich begabet ward. Woraus man siehet / daß es viel sicherer / sich an Anderer Gefahr bespiegeln / als sich selbst muthwillig darein stürtzen. (Apulejus lib. 8.) Viel Laster suchen bey dem Jagen auch wohl ehemals ihren Deck-Mantel: Einer / mit Namen Trasyllus / liebete deß Leopolemi Weib / und [226] damit er ihrer desto eher theilhafftig werden möchte / lude er ihn auf eine Jagt ein. Leopolemus ließ sich hierzu bereden / so bald aber die Hunde ein wildes Schwein gewahr wurden / und zu belle̅ anfiengen / eilete dasselbe anfangs gegen die Hunde / schlug einen hie den andern dort zu Boden / zerrisse Netz und Garn / und wandte sich hierauf gegen den Leopolemum / welchen albereit Trasyllus unter dem Schein / als wenn er das Schwein fällen wollte / über den Hauffen geren̅et / und hieb demselbe̅ die Kleider vom Leibe / nachdem aber Leopolemus den Trasyllum um Hülffe anschrie / ritte dieser zwar hinzu / allein er stieß ihm das Eisen in das Eingeweyde / daß er erbärmlich auf dem Platze tod blieb. Der Griechische Keyser Basilius hatte an seinem Hofe einen Mönch / Namens Santabarenus Theodorus: Diesem wer deß Keysers Sohn Leonius seiner Fuchsschwäntzerey willen hefftig feind / daß er ihm auch dasselbe öffters vorwarff. Dem Mönch verdroß solches / gedachte auf Rache / und rede te einsmals den Keyserl. Printzen also an: Es stehet eurer Durchl. sehr übel an / daß sie sich mit dero Herrn Vater ohne Gewehr auf die Jagt begeben: Denn wie bald kan Ihr ein Wild / oder ein anderer Zufall aufstossen / da sie dessen höchst bedürfftig. Derowegen wäre mein Rath / Sie bedienten sich dessen ehestes. Der junge Herr ließ sich hierdurch bereden / nahm wider das Herkommen einen Dolch zu sich / und verbarg solchen im Stiefel. Der treulose Verräther machte sich hierauf zu dem Keyser / und sagte: Eurer Maj. hale ich eine Sache zu offenbaren nöthig; Es ist dero leiblicher Sohn / welcher Ihr nach dem Leben trachtet / und zum Beweiß dessen / so führet er auf der Jagt einen Dolch in geheim bey sich. Der Keyser erschrack darüber / stellete anderweit eine Jagt an / ließ de̅ Printzen dazu erfordern / und da er sich eingestellet / als bald besuchen / und den Dolch herfürbringen. Und obgleich der Printz sich zum besten entschuldigte / so half doch alles nichts / sondern der Keyser wollte schlechter Dings haben / daß man ihm die Augen ausstechen sollte / und wäre auch geschehen / dafern nicht der Patriarche / und der Rath zu Constantinopel vor ihm eine Vorbitte eingeleget. Daraus siehet man / was man öffters mit Gewalt nit zu thun vermag / das kan ein Heuchler und Fuchsschwäntzer zu wege bringe̅. Die Gefahr deß Jagens ist eine von den grössten: Deß Atlantis / und der Anthere Sohn ward auf der Jagt von einem Leuen / und Adonis von einem wilden Schweine umgebracht: Der berühmte Jäger Nycias fiel über dem Jagen in eine Kohl-Grube: Keyser Basilius Macedo blieb an dem Geweyhe eines Hirsches hängen / und hätte darüber sein Leben einbüssen müssen / dafern Ihm nicht sein Diener Einer den Gürtel abgehauen / und hinwieder gerettet. König Robert in Schottland ward von einem wilden Stiere tod gestossen. (Johann Gastius lib. 3. convival. Sermon.) König Gottfrieden zu Jerusalem stieß einesmals auf der Jagt ein ungeheuerer Bär auf / welcher bald anfangs sein Pferd erwürgte / Ihn selbst in den rechten Schenckel biß / und hiernächst sich aufwarts gegen den König setzete: Der König ergrieff den Bär im Nacken bey den dicken Haaren / hielte ihn so fest und harte / bis er mit der rechten Hand sein Schwert auszoge / und denselben durchstach / Er behielte aber den Bären-Biß / so lange Er lebete. König Ludowich der Neunte in Franckreich verboth allen Frantzösischen Herren das Jagen / es sey dann daß er Einen und den Andern darmit bebgnadigte. Es entstunde aber nachgehends daraus ein solcher Aufstand / daß die Vornehmsten um deß willen von Ihme abfielen / sich wider Ihn verbanden / und Mord und Todschlag erfolgte. Es wird in deß Poggii-Fabeln erdacht / wie unter andern zu Meyland ein Medicus gewesen / der sich durch folgende Cur die Thörichten und Wahnsinnigen wieder zu rechte zu bringen unterstanden. Er hätte eine stinckende Pfütze in seinem Hofe gehabt / darein er solche Aberwitzige theils bis [227] an die Knie / Nabel / und Hals gesetzet / sich darinne baden / und hungern lassen bis sie wieder gesund worden. Nun wäre auch einer gewesen / den er auch zu rechte gebracht / und als derselbe eines Tages vor der Thüre gestanden / da gleich einer mit zweyen herbey lauffenden Hunden / und einem Habichte auf der Hand vorbey geritten / hätte er denselben / weil ihm sein Gedächtnus wegen der gehabten Kranckheit abgelegt / gefragt / wie das heisse / worauf er sitze? und da ihm der Reuter geantwortet: Es sey ein Pferd / habe er weiter gefragt / was dan̅ das wäre / so er auf der Hand führete / und das / was bey ihm herlieffe / da habe er ihm abermals zur Antwort gegeben / es sey ein Habicht / womit er Vögel fange / un̅ seine Hunde / mit welche̅ er allerhand Wildpret jage? Worauf derselbe anderwerts gefraget: Lieber / was sind wol die Vögel werth / die du das Jahr über fängest / und so viel Mühe daran wendest / und da dieser vorgab / zum wenigsten 6. fl. fragte er ferner / was kostet wol das Pferd / der Habicht und die Hunde? Zum wenigsten / sprach der Jäger / 50. fl. O so mache dich / wiederhohlete der annoch halbwahnsinnige / nur bald aus dem Staube. Denn wann dich der Medicus allhier ergrieffe / so setzte er dich als den grössten Thoren in die Pfütze bis über die Ohren / und liesse dich nicht eher aus dem stinckenden Pful / bis er dich zur gesunden Vernunfft gebracht. Was derowegen das Jagen für Mühe / Sorge und Gefahr auf sich / darvon nimt auch der Apostel Paulus eine Ursache / wiewol in ungleichen Verstande / die Gläubigen zu vermahnen / daß sie nicht weniger / gleichwie diese / Fleiß und Arbeit anwenden sollten / damit sie die Tugend ergriffen / und der Gerechtigkeit / der Gottseligkeit / dem Glauben / der Liebe / der Gedult / und der Sanfftmut nachjagen (S. Augustin. in Matthaeum.) möchten. In gleichem Verstande vermahnet auch der H. Augustinus zur Brüderlichen Liebe / und saget: Gleich wie ein Jäger von Frost / Hitze / Kälte / Hunger / Durst / viel Gefahr ausstehen / und viel Wesens haben muß / ehe er ein Wild bekommet: Also auch die Liebe alles leichte / wenn man Lust darzu hat. (Fischerey was sie auf sich.) Die Alten haben nicht allein auf die Fischereyen grosse Mühe / Arbeit / und Kosten gewendet / sondern / auch die schönsten Teiche / Fischweyher und dergleichen in ihren Vorwegen und Gärten angerichtet / und solche alle mit (Veit Ludowig vo̅ Seckendorffs Teutscher Fürsten-Staat 3. p. pag. 219.) denen seltzamsten und köstlichsten Fischen angefüllet. Und ob wol vordessen / und nach Anleitung der Natur die Fischerey in Strömen / und gemeinen Wasser einem jeden freygestanden / und hernacher sich die Obrigkeit jedes Orts dessen allein angemasset / inmassen man auch die Einkünsfte von den Fischereyen unter die Regalia in Keyser Friedrichs Constitution mit zeblet / und dahero von den gemeinen Strömen deß Landes / vermöge derselben zum wenigsten ein Gewisses darvon der hohen Obrigkeit gebühret / auch die Erfahrung bezeuget / daß gantze Königreiche und Länder wegen der Fischerey uf dem Meere / so einem und dem Andern am bequemsten lieget / gegen einander Krieg zu führen / in Gewohnheit. So ist es doch nunmehro durch die Einführung dahin gekom̅en / daß die Fisch-Nutzungen so wohl in stehenden und zwischen gewissen Thäm̅en beschlossenen Teichen / als auch in offenen freyen Wassern / Seen / Strömen / und Bächen / nicht allein dem Lands-Herrn / und denen Er es anderweit zu Lehen reichet / sondern auch Privat-Personen / oder gantzen Gemeinen in Städten und Dörffern / da die Wasser und Bäche durch / oder vorbey fliessen / zuständig. Und weil die Fischereyen unter die köstlichste Nahrung deß Menschen mitgerechnet werden: So habe̅ die Alten nit umsonst die Stadt Capernaum / Magdaluni / Tiberias / Julias / Bethsaida / un̅ Anderer mehr / theils um dieser / theils auch anderer Bequemligkeit willen / an das Galil. Meer gebauet. Und gleichwie der Mensch ohne Ackerbau und Viehzucht nicht lebe̅ kan; Also wirfft auch nebenst dem Jagen die Fischerey eine̅ grossen Nutzen [228] ab / und wem ist nicht bekannt / wie bald anfangs sich die Menschen an die Seen / Teiche / und Wasser-Ströme gehalten / daselbst ihre Nahrung gesucht / und dabey Städte / Flecken / und Dörffer erbauet. Der Fischerey Anfang ist (Ps. 104. v. 25.) sonder Zweifel von Anbeginn der Welt gewesen; denn es stehet dort: In dem Meer wim̅elt es ohne Zahl / beyde groß und kleine Thiere. Sind nun von Anfangs Fische gewesen / so müssen sich nothwendig die Menschen dahin beflissen haben / wie sie dieselben mit aller Geschicklichkeit / List Betrug gefangen / un herfür gebracht / auch hernacher zum Vorrathe fernerweit versetzet haben. (Jüdische Fabel.) Von dem Sebulon deß Jacobs Sohne träumet man in einem Jüdischen Büchlein von den Testamenten der Kinder Jacobs / als der erste Schiffer und Fischer gewesen seyn solle. Denn nachdem er in Canaan auf das Meer gekommen / hätte er seinen Vater mit Fischen versehen / und ob ihrer gleich viel ertruncken / so sey er doch jederzeit übrig geblieben. Uber dieses wäre er der erste gewesen / welcher ein Schiff erbauet / das Segel daran ausgebreitet / und also auf solchem das Meer durchwandert / und gefischet / bis er mit denen Seinigen in Egypten gekommen; fünff Jahr hätte er gefischet / und einem jeden hiervon mitgetheilet / auch hiedurch seines Vatern Haus zur Gnüge versorget: Im Herbste wäre seine Fischerey / im Winter aber seine Viehweyde mit seinen Brüdern angegangen. Allein dieses alles hält nicht den Stich / weil (Genes. 9. v. 2.) ihm Noah mit seiner Arche / und seinen Söhnen im Wege stehet. Den̅ nachdem Gott nach der Sündfluth seinen Segen wiederholete / so bestätigte er auch denenselben allerseits von neuen die Herrschafft über alle Thiere / und sagte: Euer Furcht und Schrecken sey über alle Thiere auf Erden / über alle Vögel unter dem Himmel / und über alles / was auf Erden kreucht / und alle Fische im Meere seynd in eurere Hände gegeben? Wohin auch der Poete zielet / wenn er in Folgenden einen Fischer aufführet: Die Erde bereitet mir mancherley Tische / bald wehl ich den Rasen / bald such ich das Mooß / das Wasser vergönnt mir die platschernde Fische / die Trachten sind köstlich / die Gänge sind groß / die rieselnde Quellen vertreiben mein Dürften / dardurch übertreff ich die herrlichsten Fürsten. Es gehet aber mit dem Fischen und Fischereyen zu / wie in allen andern weltlichen Dingen / da man Maaß und Weise zurücke setzet / und das Ziel überschreitet. (Ravisius in officina.) Der Römer Vedius Pollio ließ zuweilen einen von seinen leib-eigenen Knechten schlachten / und das Fleisch seiner Murene / die Er in einem besonderen Fischweiher hatte / vorwerffen: Keyser Nero fischte mit einem güldenen Netze / an welchem die Leinen von Purpur-farbener Seide gemachet waren. Der Römer Hortensius hegete in seinem Weiher eine Murene / die er also liebete / daß / als sie gestorben / er um dieselbe etliche Tage trauerte; Noch eiteler war die Römische Antonia / welche gar ihrer Murene die Perlen / so sie an Ohren trug / an den Hals hienge. Woraus wir lernen / daß nichts unerwogen vorzunehmen / und daß eines Weisen Vorsatz allezeit dahin eingerichtet seyn solle / wie er die Vernunfft zur Beherrscherin über die Begierden bestelle. Denn aus den Affecten kennet man gar leicht / was an dem Manne zu thun sey. (Die weise Vorsehung Gottes.) Gott ist wunderbarlich in seinen Wercken: Aus etwas eine gewisse Sache verfertigen / ist zwar menschlich; Aus nichts aber etwas machen / das gehöret allein der göttl. Weisheit zu. Gott schuff das Licht ohne Licht / setzte eine [229] Feste zwischen den Wassern / nämlich die Gränzen der Lufft besamete den Erdboden / und schloß den Cörper der Sonnen wunderbar zusam̅en. Ehe un̅ bevor Er Ihm aber den Menschen zum Bilde machte / musten die Wasser mit Fischen / die Lufft mit Vogeln / und die Erde mit Viehe / Thieren und Gewürmen erfüllet / und des Menschen Haußhaltung richtig bestellet seyn. Den̅ nachdem der Schauplatz dieses herrlichen Gebäudes fertig / führete Gott den Mensche̅ drauf / damit Er daselbst weder müssig noch unvergnügt leben möchte. Arbeit un̅ Ruhe sind zwey Mittel / wodurch derselbe sich erhält; Man saget ins gemein / Gott giebet zwar die Nüsse / Er beisset sie aber nicht auf / das ist / Gott giebet dem Menschen zu seinem Unterhalte Mittel / derselbe aber soll sie durch Arbeit suche̅. Der Fleiß und der Verstand sind zweene Flügel / mit welchen wir unser Leben empor schwingen; die Ruhe abe ist unsere Stütze. Den̅ wer nicht zuweilen ruhet / der kan die Arbeit in die Länge nicht ausstehen; Wer aber stets ruhet / der ist aller Arbeit unfähig. Alles Geschöpfe stehet zu des Menschen Dienste: Wer angelt / der fänget Fische: Der Vogler muß auf bequeme Mittel denken / wen̅ er den Zug vergrössern will; Also auch / Wer jaget / der jage auf solche Weise / daß er nicht eher abblase / er habe den̅ was gefangen. Hier bedarff es nicht: die Erfahre̅heit scheinet gleichsam hierinne der Natur vorzugreiffen. Den̅ was sonsten die Alten mit grosser Mühe in den Wäldern und Wildnüssen gejaget / gehetzet und gefället / dessen Lust kan man sich auch anietzo sonder Mühe und Verdruß in den Städten / Schlössern und offenen Plätzen bedienen / gestalt denn solches an denen vorhergehenden Jagten zu sehen. Nachdem aber vom Jagen allbereit geredet / So hat man darbey der jenigen Thiere / welche bey solchen angestellten Jagten sind gehetzet worden / Arten / Natur / und Eigenschafften auch mit wenigen zu erwegen. (Eigenschafft des Hirsches. Gasparis Schotti Physica curiosa. p. 846. Joh. Jonstoni Thaumatographia naturalis Class. VII. cap. X. p. 302. Plinius. Aristoteles lib. 2. Hist. Animal. c. 15.) So viel nun den Hirsch an sich selbst belanget / so ist derselbe an Klauen ein zerspaltenes Thier / von Haaren weich / und ob schon die meiste Art von Farben bräunlicht / so findet man doch auch weisse / worvon des Römischen Soldatens Sartorii Hindin gewesen seyn solle / welche er bey den Spaniern für eine Weissagerin ausgegeben. Unter allen Thieren hat dieser die grösten Hörner: Wenn er zwey Jahr alt / beköm̅t er erstlich gerade Stangen / hernacher aber nach den Jahren ie mehr und mehr Enden: Wann Er krank / soll er mit seinem Athem die Schlange herfür ziehen / sie mit den Läuften zertreten / un̅ dieselbe fressen / auch bald darauf / damit er nicht zerschwelle / nach dem Wasser eilen / und selbiges in sich schlucken: Er pflegt alle Jahr sich im Frülinge zu hären / und gleichsam eine neue Gestalt des Leibes anzunehmen / er soll aber um dieselbe Zeit / wen̅ er seine Hörner abwirfft / sich so lange verkriechen / und des Tages nicht viel auf der Saat sehen lassen / bis sie ihm wieder gewachsen. Man sagt / er habe an der Leber keine Galle / sondern / an dem äusersten Eingeweide / weswegen die Hunde wegen solcher (Jonston.) Bitterkeit nicht gerne darvon fressen / es trüge den̅ der grosse Hunger darzu. (Gesner???9.) Die Jäger nennen desselben Geblüte Schweiß: Den hintern Theil des Rückens den Zimmobel: Die Gleichen Kröpfe: Die Seiten Wände: Das Herzbein ein Creutze: Die Beine / Läuffte: Die Füsse Klauen: Die Hüffte (Seine Brunst.) Schlegel / und die Schultern Buche. Er hat zur Zeit der Brunst viel Hindin̅en bey sich / bey welchen er Tag und Nacht bleibet / und lässet keinen seines gleichen zu ihnen; Will sich aber einer mit Gewalt zu ihm gesellen / so kämpfet er mit demselben so lange / bis einer todt bleibet / oder das Feld räumen muß / ausser derselben aber ist er furchtsam / entsetzet sich für der (Plinius l. 18. c. 23.) Stim̅e eines Hundes / oder Fuchses / stehet offters unter dem Lauffen stille / und wan̅ sich ein Roß / oder ander Thier zu ihm nahet / siehet er dasselbe stete [230] an. Mit dem Haselhuhne hat er eine verborgene Verwandschafft / und führet mit dem Adler / Geyer / Schlangen / Tieger / Widder und Fuchse eine besondere Antipathi. Wan̅ er scharf hören will / recket er seine Ohren empor / so er aber dieselben fallen lässet / soll er fast taub seyn. Sobald die Saat herfür köm̅t / wirfft er seine Hörner ab / und verkreucht sich so lange / bis sie ihm wieder gewachsen. Plinius will / daß er das rechte Horn / weil daraus die beste Arzeney würde / verberge / und wan̅ er geschnitten / falle ihm kein Horn ab / würde er aber geschnitten / wann er noch keines hätte / wüchse ihm auch keines. Wan̅ die Hindin acht Monat trächtig / so setzte sie nicht eben in de̅ dikesten Wäldern / sondern an solche Oerter / da sie vermeinte für den andern wilden Thieren sicher zu seyn: So das Kalb ein Jahr / wachsen ihm an der Stirne 2. kleine Beulen / un̅ hernacher 2. einfache Hörner mit Haut un̅ Haren überzogen / in 3. Jahren beköm̅t es ein Geweide mit 3. Enden / un̅ so fort. (Alter. Plinius.) Der Hirsch soll sein Alter auf viel Jahr lang bringen / gestalt man erfahren / das Einer dasselbe auf 85. Jahr gebracht. Denn nachdem Alexander Magnus etliche junge Hirsch Kälber auf fangen / ihnen güldene Halsbänder anlegen / und sie hierauf mit dieser Uberschrifft wieder lauffen lassen: Lieber Jäger / laß mich leben / Alexander hat mich frey gegeben; So (Columella.) hat man bey ihnen die Zeit und das Alter am Halse gefunden. König Agathocles soll gleicher Gestalt einen Hirsch bekom̅en haben / dessen Leib er in dem Tempel Jovis aufgeopfert / das Hals Band aber der Göttin Dianae (Nicolaus Perottus in Cornu Copiae. AElianus. Plinius.) zugeeignet. Der Hirsch soll auch vornemlich eine besondere Lust an der Pfeiffe / und Stim̅e des Menschen haben / und wird dahero ein Vorbild der Heuchler und Schmeichler genan̅t: Den̅ gleich wie er von der Music und Lieblichkeit der Stim̅e betrogen wird. Also ergehet es auch grossen Herren von ihren Fuchsschwänzern / die sie bey Hofe auferziehen / un̅ von ihnen sich zu weit (Wie er un̅ seines gleichen über das Wasser schwimmen. Plinius.) verleiten lassen. Ein Stücke der sonderbaren Einigkeit merket man dahero an diesem Geschlechte / indem / wann dieselbe über eine See schwim̅en wollen / sie einen voran schicken / auf dessen Rücken der ander seinen Kopf aufleget / sie fahren aber nicht geraden Weges dem Gestade zu / sondern dem Geruche nach: Die Läuffte dienen ihnen an statt der Ruder / und ihre Hörner an statt des Segels / ehe sie sich aber in das Wasser begeben / nehmen sie den Wind / und die Ungestümigkeit des Meeres wohl in acht. Denn sie werden sich niemahls / wie die Erfahrung bezeuget / zu schwimmen unterstehen (Gesnerus) / wann nicht das Meer ruhig und stille. Vom Könige Mithridate in Ponto erzehlet man / daß wan̅ er sich zur Ruhe gelegt / er sich nicht allein von seiner Guardie / sondern auch von einem Stiere / Rosse und Hirsche bewachen lassen / also daß wan̅ sich iemand herbeygenahet / der Stier gebrum̅et / (unterschiedene Arten.) das Roß gewiehert / und der Hirsch zu brüllen angefangen. Es sind aber der Hirsche unterschiedene Arten / so man Brocardos oder Spieß-Hirsche / Tragolaphos, Brand- oder Bock-Hirsche / weil sie um dem Hals etwas zotig / Cervos palmatos, Palmen-Hirsche / Damas, Dam-Hirsche / und Hipolachos (Gesnerus) o??? Pferde-Hirsche / nen̅et. Die Spieß-Hirsche führen dahero den (Aldrovandus.) Namen / weil ihr Geweide niemahls keine Enden bekom̅en. Der Brand-Hirsch wird deßwegen Tragolaph??? genen̅et / alldieweil er einem Hirsch und Bock auf gewisse Mase gleichet: Des Palmen-Hirsches sein Geweide ist nicht allein oben / sondern auch unten in viel Spitzen zertheilet / und vergleichet sich einer Hand mit ausgespan̅ten Fingern. Der Dam-Hirsch ist ??? Natur und Eigenschafft seines Fleisches mit dem Gemse nicht ungleich: Die Griechen nennen ihn Platyceros; In den Fürstl. Thier-Gärten findet man derer / und zwar insonderheit der weissen eine grosse Menge: Die Pferde-Hirsche / so ein fremdes Wild / und mit dem Kopfe einem Pferde gleiche̅ / soll [231] man im Königreich Norwegen / und zwar in einer gewissen Landschafft daselbst finden. Es hat / sagt Gesnerus, lange / rahne und geschlancke Beine / ??? Kopf und das Maul vergleichet sich mit einem Maul-Thiere / sein Obermaul henget ihm über das untere / wie dem Elend / mit dem Halse siehet es einem Pferde gleich / von dem Kopfe an und über den Rücken bis auf den Schwanz hat es länglichte aufgereckte Haare / unten am Rachen einen Bart / über die Schultern lange über sich stehende Haare / und einen kurzen Hals / deßwegen wenn es fressen / oder aus einen Geschirre sauffen will / es sich auf die fördern Füsse niederlassen muß. Sein Fleisch ist schwarz / und grob / wie Rindfleisch / iedoch wenn es wohl zubereitet / hat es einen besseren Geschmack als das Hirsch-Wildpret. (Seine Nutzbarkeit. Becherus) Des Hirsches Nutzbarkeit hat man in folgenden Versen beschrieben: Wer von gebrannten Horn des Hirsches nimmet ein / dem stärcket es das Hertz / und machts von Giffte rein; das Hertz-Bein man zerstösst / daß es ein Pulver sey / von diesen wird das Hertz von aller Kranck heit frey / wer so ermüdet ist / daß er kein Glied mehr rührt / dem hilfft es / wenn er sich mit Hirschen-Unschlit schmiert / die Thränen von dem Hirsch / so man sie recht antrifft / mit Mithridat vermischt / die helffen widern Gifft / das Hirsch-Marck ist sehr gut / es heilt und ziehet an / Man weiß auch was das Blut gedörrt verrichten kan / die Glieder der Geburth / wenn sie gepulvert seyn / die machen / daß der Mensch am Saamen werde rein / Der Stein von einem Hirsch / so man ihn pülvern thut / schafft / daß das gantze Blut im Menschen werde gut. König Franciscus in Frankreich soll ein Pferd gehabt haben / welches forne eine Pferd / und hinten ein Hirsch gewesen / so von einer Hindin erzeuget. In (Apollonius Schotti Physica curiosa.) Indien giebt es weisse Hirsche / darvon man die Hindin so zahm und kürre mache / daß man sie einspannen und darmit fahren könne; Wie auch in Seythien / und etlichen andern Ländern in Asien gebräuchlich. Anno Christi 1545. verehreten die Grafen von Stolberg Erz-Herzog Maximiliano in Oesterreich auf dem Reichstage zu Augspurg einen Hirsch / welcher nicht allein sich zähmen / und ein Gebiß ins Maul legen / sondern auch wie ein ander Pferd reiten ließ. Wie nun Keyser Carl der Fünffte eines Tages einen Wett-Lauf mit den Rossen anstellete / rennte derselbe mit seinem Reuter auch mit / und übertraff an Geschwindigkeit auch die Spanischen Rosse / worüber sich der Keyser und die Herumstehenden zum höchsten verwunderten. Denen Hindinnen wachsen / wie bekant / keine Geweihe / wiewohl etliche der Meinung / daß sie gehörnte Hindinnen gesehen: Diese aber haben an ihren Euter vier Striche wie die Kühe. (Der Fabeln Nutzen.) Fabeln sind nichts anders / als der Menschen Sitten / Lehren / Laster / und Tugenden mit den unvernünfftigen Thieren durch Einbildung eines Wesens zu vergleichen. In dem Buch der Richter findet man / daß die Bäume einen König begehret / und deßwegen mit dem Oel- und Feigen-Baume / Wein-Reben und Brombeer-Stauden geredet; Wodurch nichts anders / als die Sitten und Gemüther der Menschen verstanden werden / und daß man durch erdichtete Dinge näher zu der Warheit tretten / und entweder die Menschlichen Laster oder Tugenden dadurch desto besser abbilden möge. Denn gleichwie von dem Wolffe erdichtet wird / daß er anderer Gestalt mit dem Hirten nicht eher Friede machen wollte / er hätte denn seinen Hund abgeschaffet: Also haben die Weisen dadurch an den Tag [232] geben wollen / daß wann Regenten / oder die Vornehmsten in einem gemeinen Wesen / die sonst vor den Riß stehen müssen / hinweg / so wäre es auch leichte umb die Heerde / oder übrige Gemeine geschehen. Auf dergleichen Schlag begehrte auch dort König Philippus in Griechenland von den Atheniensern / da Er dieselbe Stadt belägerte / daß wen̅ man ihme Zähne der weissesten Leute aus Athen zuschicken würde / Er alsdann von der Stadt abziehen wollte. Von dem Hirsche wird gedichtet / daß da er einesmals aus einem kleinen Brunnen getrunken / und beydes seine schöne Geweihe und unflätige Füsse gesehen / habe er die ersten gelobet / und die andern verachtet / indem er sich aber also betrachtet / höret er des Jägers Stim̅e / fliehet dahero vermittelst seiner behenden Füsse darvon / köm̅t in einen engen Wald / und bleibet daselbst mit denen breiten Gehörne stecken / bis ihn die Hunde ereilen / und fangen. Woraus zu sehen / daß man offters das / welches doch den grösten Nutzen bringet / vernichtet / uud gegentheils das jenige lobet / was Einem höchst nachtheilich / und endlich den Untergang verursachet. Es ist nicht eine geringe Thorheit / wenn wir uns selbst liebkosen / und verlassen uns auf das / was uns Schaden bringet. An Andern finden wir bald etwas zu tadeln; In unseren eigenen Lastern aber sind wir blind. Ebener massen erzehlet man von einem Hirsche / daß derselbe von eine̅ Schafe in Gegenwart eines Wolffes / der dessen Zeuge seyn sollte / ein Maas Korn gefordert / und weil das Schaf für dem Wolffe erschrocken / bekennet es die Schuld / und begehrt zu dessen Abstattung eine gewisse Frist / nachdem aber dieselbe vorbey / fordert der Hirsch das / was ihm versprochen / das Schaf aber weigerte sich dessen / und sprach: Daß ich mich zu solcher Schuld verstanden / das machte die Furcht / nachdem aber der Wolff hinweg / so gestehe ich dir nichts / weil du mich betrogen; hiermit anzeigende / daß gezwungener Eyd weder binde / noch die ab gedrungene Zusage zuhalten schuldig sey. (Reheböcke.) Die Reheböcke fähet man mit Hunden / oder Netzen wie die Hasen: Ihr Gesicht ist scharff / und ihre Stim̅e durchdringend / dahero locken sie die Jäger mit grünen Blättern / pfeiffen darmit / und schiessen oder fangen sie hernach wie sie wollen. Wege̅ ihres schnellen Lauffes verlieret ihr Fleisch die übrige Feuchtigkeit / damit es um so viel desto zärter / und niedlicher zu essen / wie dann ein Rehebraten nicht schlim̅ ist; Aristoteles meinet / wenn sie von Einem mit einem Pfeile getroffen werden / so ässen sie Poley / dadurch (Von Hunden insgemein.) schwäre ihnen der Pfeil wieder aus dem Leibe. Wo man jaget / da müssen Hunde seyn: Die Alten hatten vor Zeiten / gleich wie wir noch heutiges Tages / allerhand Arten von Hunden / insonderheit aber wurden die Caspischen Hunde für sehr grausam gehalten: die (Valerius Flaccus.) Indianer bande̅ ihre Hunde des Nachts über / in die Wälder an / dz sie theils die Tieger zerrisse̅ / oder sich unterweilen mit ihnen belieffen. Es sind unterschiedene (Joh. Jonstoni Thaumarographia naturalis. pag. 303.) Dinge / welche bey den Hunden merkwürdig / als da ist dessen Geburt / Geschwindigkeit / Gebiß / Gelehrsamkeit / Treue un̅ anders mehr. Die Hündin bringt ihre Hunde blind herfür / welche / ie länger sie saugen / ie langsamer sie sehen / ins gemein aber bleiben sie sieben Tage blind: Der / welcher am ersten siehet / oder welchen die Hündin zuförderst in das Lager trägt / soll (Columella. Plinius.) der beste seyn. Sie haben unter der Zunge eine Spann-Ader / welche man für einen runden Wurm ansiehet / wann diese ihnen benommen / so werden (Solinus Polyhistor. c. 23.) sie nicht rasend / können niemand tödtlich beissen / noch / wie zuvor / so hefftig bellen. Von dem Alexandro Magno lieset man / daß ihm der Albanische König einen Hund verehret. Nachdem er ihn nun an die Bäre und wilden Schweine hetzen lassen / und er solche Thiere als gleich [233] (Plinius l. 8. Natural. Historiar. c. 40.) sam verächtliche / nicht anfallen wollte / befahl Er solchen zu tödten. Da dieses der König in Albanien erfuhr / überschickte Er dem Alexandro einen andern / und ließ ihm darbey vermelden / wie seine Hunde nur starcke Thiere anzugreiffen gewohnet: Alexander ließ hierauff den Hund zu einen Löwen / welchen er bald darnieder rieß / hernacher aber zu einem Elephanten / den er anfangs grausam anbellete / hernacher aber mit solcher (Dero Treue.) Geschwindigkeit anfiel / und so lange ängstigte / bis er zu Boden fiel. Kein Thier / sagt man / ist dem Menschen getreuer / als ein Pferd / und Hund. Als zu Rom Einer mit Namen Titius Sabinus in das Gefängnüs geworffen (Plinius lilb. 8. c. 40.) ward / und darinnen umkam / ließ dessen Hund nicht von Ihm / sondern blieb für dem Gefängnusse / heulete / und wollte nichts fressen / sondern / wann ihme die Leute aus Erbarmnüß ein Stücke Brod vorwarffen / nahmer solches / und legte es seinem todten Herrn für den Mund. Nachdem man aber den Titium gar in die Tieber warff / sprang er demselben (Confer Schotti Phis. curios. pag. 830.) nach / ersoffe darinne / und blieb ihm also bis in den Tod getreu. Da der tapfere Jason umkam bekümmerte sich sein Hund über dessen Tod / daß er sich selbst erhungerte: Von dem Vertriebenen Garamanten Könige lieset man / daß ihn seine bey sich habende Hunde wieder in sein Königreich gesetzt; Also weisen auch die Geschichte / daß wenn etliche Herren der Hunde gestorben (Plinius 19. ibi.) / sie sich auf ihr Grab geleget / und auf demselben erhungert. König Lysimachus hatte einen Hund / welcher / Ihme beydes uf der Jagt / und in den Schlachten folgete. Dieser / da er sahe / wie man seinen verstorbenen Herrn auf einen Holtzhauffen legte / und denselben anzündete / sprang er mit heulen und winseln in das Feuer / und verbrannte sich selbst. Man sagt / daß die Hunde Freunde und Feinde kennen. Denn nachdem die Stadt Thessalonich von den Sicilianern erobert / hätten die Hunde keinen todte̅ Cörper der Römer angegriffen / hingegen aber der Sicilianer ihre zerrissen / und sie gar (Plutarchus.) aus den Gräbern gescharret. König Pyrrhus in Epyro traff unterwegens einen Hund bey einem todten Cörper an / und da Er erfahren / daß der Hund etliche Tage bey demselben ungegessen liegen geblieben / befahl er den Cörper zu begraben / un̅ den Hund mit sich zu führen. Etliche Tage darnach musterte der König sein Kriegsvolk: Sobald der Hund / so bishero bey dem Könige stille gesessen / die Mörder seines Herrn erblickte / sprang er mit Ungestümmigkeit herfür / bellete sie an / und sahe allewege gegen dem Könige / also daß man bald auf dieselben einen Verdacht warff; Nachdem man sie aber einzoge / und über diese Mordthat befragte / bekenneten sie endlich (Andreae Brunneri Chronic. Bavar. A. C. 1126.) den Todschlag / und wurden wiederum hingerichtet. Vordessen ward Graf Otto von Dachau zwischen den Wassern Amper un̅ Wurm ermordet. Sein Hund / welcher alleine bey Ihme gewesen / nahm des Grafens abgehauene Hand in das Maul / bracht sie nach Hause / und legte solche mit grossen winseln zu den Füssen dessen Mutter. Die Gräfin erkannte an einem Ringe bald ihres Sohnes Hand / schickte mit dem Hunde etliche Diener an den Ort / da die That geschehen / fand den Leichnam daselbst auch / und ließ hernacher zum Gedächtnüsse eine Capelle dahin bauen. Was man sonst den Hund heisst / das thut er willig: Schlägt man ihn / so gehet es demselben zu Herzen: Liebkoset man ihm / ist er desto freundlicher. Lobet man solchen / wenn er sich wohl gehalten / gefällt es ihm wol: Gehet man zu Schiffe / so folget oder schwim̅et er mit. Kälte und Hitze ist ihm einerley: Wo man hinwandert / da bleibet er nicht zurücke. Niemals verlässet er seinen Herrn / auch mitten unter den Feinden: Wer ihm feindselich begegnet / dem widersetzet er sich: Wenn man jagt / und hetzt / thut er sein Bestes: [234] Was er fället / das lässet er liegen / oder bringet es seinem Herrn. Lässet man ihn ledig / ist er zu frieden / legt man ihn an / leistet er Gehorsam / und bewachet beydes das Vieh und das Haus. Er zerstöret der Diebe Anschläge / begnüget sich an Wasser und Brodt / und ist mit allem deme / was sein Herr will / zu frieden. Dahero die Frage entstanden / ob die Hunde etwas (Ob Hunde vernünfftig?) von Vernunfft haben? Plutarchus will solches mit etlichen Gründen darthun / und zwar durch das Wüten eines tollen Hundes. Denn gleichwie ein Rasender keine vollkommene Vernunfft / noch Gedächtnus; Also verliehre auch ein wütender Hund seinen Verstand und Vernunfft / so viel er nach seiner Art an sich hätte / durch diesen Zufall so gar / daß er auch seinen Herrn / und seine beste Freunde / die er ehmals geliebet / bisse und angriffe. Daß aber ein ziemlicher Verstand in denselben seyn müsse / ersiehet man daraus / wie sie mit den Augen mercklich zu verstehen geben / was sie wollen / hernach mit ihren Geberden und Bellen / und dann dadurch / daß Sie / wann sie satt / das Ubrige verscharren / darbey aber sich wol fürsehen / daß niemand darüber komme. Die Alten haben den Regenten die Wachsamkeit und Beschützung der Unterthanen durch die Hunde vorgebildet / daß sie für ihre Unterthanen wachen und sie wider ihre Feinde beschützen sollen / wie solches Plato weitläufftig ausführet / dannenhero auch die Egyptier ihren Mercurium Trismegistum / so ihr Fürst gewesen / mit einem Hunde-Kopfe abgemahlet / weil Potentaten sich vornemlich in ihrer Regierung der Weißheit / Stärcke und Klugheit gebrauchen sollen. (Wer andern mißgünstig ist / der kan ihm selbst nicht viel gutes gönnen.) Der Neid wird offters einem Hunde verglichen / welcher dem hungerigen Ochsen sein Futter nicht gönnet / und kan nicht leiden / daß ein anderer sein Liecht bey dem Seinigen anzündet. Er machet / daß wir unseren Nechsten auch das nicht gönnen / was wir nicht bedürffen: Seine Blüth und Blätter ragen zwar groß herfür / sie tragen aber nichts als unnütze Früchte. Und ob man schon denselben durch fleissige Arbeit etlicher massen übergehet / so ruhet er doch nicht lange / man kan sich aber desselbigen nicht besser entschlagen / alswenn man allen Hochmuth meidet / Stuffen-Weise zu Ehren kömmet / und sich beydes der Ehre und des Reichthumbs mit Masse bedienet. Als sich zu Zeiten König Carls des neunten in Frankreich / etliche vornehme Herren umb das Schwerdt zancketen / welches dem Könige sollte vorgetragen werden / sprach Er: Ich bin starck genug / mein Schwerdt kan ich wohl selbst tragen. Viel Menschen leben in der Welt / die denen Anderen auch das nicht gönnen / was ihnen selbsten nicht zu gute kommen kan: Alte Leute / und alte Hunde / geniessen in der Welt / wenig Danck. Denn an statt / daß man ihre Thaten und Wercke in der Jugend gelobet / hält man sie im Alter verächtlich; Es ist aber eine gemeine Regel: Wer begehret alt zu werden / der ehre das Alter / damit Er auch im Alter geehret werde / und obgleich ein Alter nicht löbliche Thaten mehr wircket / so soll man doch die guten Wercke seiner Jugend betrachten. Ein Dieb both bey nächtlicher Zeit einem Hunde ein Stücke Brodt daß er schwiege; Der Hund sprach zu dem Diebe: Giebest du mir das Brod aus Freygebigkeit / oder begehrest du / daß ich dadurch meines Herren Haus bestehlen lassen solle? Aus Mildigkeit kan es nicht seyn: Denn du hättest dadurch des Tages mehr Gelegenheit / als des Nachts hierzu. Darumb mache dich fort / oder ich fange an zu bellen. Was ist boshafftiger / als ein Betrüger / und unverschämter als ein Schmeichler? Gleichwohl aber ist ihre Menge unzehlbar. Alle Heuchler sind der Art / daß sie [235] einen Lohn suchen / den sie doch durch ihre Lügen nicht verdienet. Wie der Hund offters einem Wolff gleichet: Also ähnlichet auch ein Schmarutzer und Schmeichler einem guten Freunde. Ein Hund verfolgte einesmahls einen Hasen / ertapte ihn im Lauffe / und biß ihn wund / als er nun das Blut an dem Hasen sahe / leckte er denselben / der Hase aber sprach: Zuvor verfolgtestu mich / als wenn ich dein Feind / antetzo aber leckestu mich / als wenn ich dein Freund wäre; Also gehen offters gute Worte aus falschen Herzen. König Alphonsus in Arragonien hatte in seinem Gemache einen Bienstock mit dieser Uberschrifft gemahlet: Wehe dem jenigen Königreiche / in welchem die Wespen verzehren / was die Bienen eintragen. Der Mund des Heuchlers heget Rosen / und sein Hertze spitzige Dorner; Er ist wie ein Lahmer / dessen Gebrechen man am Tische nicht siehet; wenn er aber aufstehet / so erkennet man erst seinen krummen Gang: Er vergleichet sich einer Sonnen - Rose / die sich in allen nach der Sonnen Lauff richtet. Der Hund ist eines von denen schmeichelichsten Thieren; Wer ihm was giebet / dem liebkoset er; wer ihm aber nichts giebet / den bellet er an. Dergleichen Art sind auch die Schmeichler / welche zwar ihren Herren am meisten mit deme / was sie insonderheit / gerne hören / liebkosen / sie aber hiterwerts am ersten wieder verleumbden. Es ist kein Regente / der nicht offters von den glatten Worten dergleichen Leute betrogen werde. Dahero sagt man / daß gleichwie die Raben denen / die auf dem Rade lägen / oder am Galgen hiengen / zum ersten die Augen ausfrässen; Also blendeten auch diese denen Potentaten die Augen ihres Verstandes. Da der Weltweise Bion gefraget wurde / welches auf dem Erdboden das allerschädlichste Thier wäre? sagte Er: Unter denen Menschen ist das grimmeste ein Tyranne / und das gelindeste ein Fuchsschwäntzer / der auf beyden Achseln träget; Wölfe / Hunde / und Heuchler scheinen offters einander ähnlich zu seyn / ihr Wille / und Vorhaben aber macht zwischen ihnen einen Unterscheid. Als Phocion von dem Antipatro ersuchet ward / daß er ihm aus alter Freundschafft das jenige / was sonst mit der Gerechtigkeit nicht übereinstimmet / wollte zu wege bringen helffen / sagte Er: Es ist unwöglich / daß ich zugleich eines Freundes und Heuchlers Stelle vertretten kan. Wenn ein verzagter Soldate die Noth und Gefahr für Augen siehet / so greiffet Er bey Zeiten nach der Flucht. So lange nun dergleichen Heuchler / Schmeichler nnd Betrieger das Gute geniessen / halten sie Stand; Wenn aber dasselbe vorbey / so greiffen sie nach dem Hasen-Paniere / und lauffet ihr gantzes Thun und Wesen / auf nichts anders als Verleumbden hinaus. (Des Luchses Natur.) Es ist kein Thier / wie die Natur-Kündiger dafür halten / das ein schärfferes Gesicht / als ein Luchs / habe. Denn wo anders dem Poeten zu glauben / so soll er mit seinen Augen auch solche Dinge durchdringen / die sonst nicht durchsichtig seynd: Er lebet vom Jagen: Die kleinen Luchse setzen den Hasen nach / und die grossen den Hirschen / auch andern Wildprete: Sie sollen ihnen das Blut ohne Schaden des Fleisches aus dem Leibe saugen / Etliche sind der Gedancken / es versteckten sich dieselben / als sehr listige Thiere / in- und auf die dicken Bäume / sprängen auf das Wild / so vorüber gienge / frässen demselben das Gehirne aus dem Kopfe / und thäten dem übrigen Leibe keinen Schaden / das andere kleine Wildpret aber verzehreten sie gantz und gar. Wenn er harnet / soll er solches verscharren / daraus der Edel gestein Lyncurius wüchse. Es stehet aber Einem [236] ieden solches zu glauben frey: Sonst ist er Katzen Art. Der bekannte Busbequius schreibet / es habe ein zahmer Luchs seinen Diener Einen so lieb gehabt / daß Er fast stets umb denselben seyn wollen; Dann wenn er zugegen / hätte er sich gar freundlich gestellet / demselben umb den Hals gefallen / und gleichsam geschlichtet / wenn er aber von ihme weggegangen / hätte er ihn mit den Klauen bey den Hosen gefasset / wohin er gegangen / nachgesehen / und sich so lange traurig gestellet / bis er wieder gekommen. (Der Hasen Unterscheid.) Die Hasen sind den Ländern nach / unterschiedlich. Etliche kleiner / Etliche grösser / Etliche schwartz / Etliche weiß / Etliche braunlicht / Etliche aber / so sich auf den Bergen aufhalten / sollen des Winters weiß / und (Gesnerus. Pausanias̅.) des Sommers braun seyn / allermassen man auch aus Lybien in Arcadien gantz weisse Hasen bringet. Die Landschafft Ithaca trägt keine derselben / sondern sobald sie dahin gebracht werden / sterben sie; in den Balearischen Inseln aber hat man vor Alters eine solche Menge gefunden / daß man sich auch ihrer mit gewaffneter Hand erwehren müssen. Bey dem Bocharto findet sich ein Arabischer Text / daß unterweilen das Weiblein / das Männlein besteige / indem nemlich die Mutter aus Geilheit aufschwelle / und ein Jahr ein Männlein / das andere aber ein Weiblein sey. Etliche der alten Scribenten geben vor / daß in dem Hasen-Geschlechte eines sey das Männlein alleine / und das andere auch das Weiblein alleine / gleichwie sonst die Natur alle andere Thiere erschaffen. Etliche aber führen (Jonstoni Thaumatograph. naturalis pag. 317.) das Gegenspiel und sagen: Es habe ein ieder Hase beyderley Geschlechts seine natürliche Glieder an Ihm: Etliche schreiben hingegen solches dem Männlein alleine zu. Denn es würden Hasen gefangen / welche Junge trügen / an denen doch in geringsten nicht kein männliches Glied zu finden / woraus sie schliessen / daß unter den Hasen keiner männliches Geschlechts alleine / sondern mit beyderley Gliedern versehen wäre. Albertus aber wiederleget solches / und saget: Man hätte Hasen gefangen / welche Junge im Leibe / nicht aber ein Männliches Glied gehabt. Diesen Streit können allein die / so täglich mit solchen Thieren umgehen / am besten erörtern. (Seine Natur.) Die Naturkündiger melden / daß der Hase ein gut Gehör und Gesichte habe / und obwohl dieses Letztere nicht so gar scharff / so werde er doch von dem steten Umbschauen nicht müde / allermassen er auch mit gleichsam verschlossenen (Xenophon.) Augen-Brauen sehe / und mit offenen Augen schlaffe. Wenn die Egyptier ein scharffes Gehör abbilden wollten / mahleten sie einen Hasen: Ihre Lager-Statt ist gemeiniglich in engen Büschen / dicken gesträuche / oder wo sich der Boden von einander reisst. Des Tages über ruhen sie / des Nachts aber streichen sie auf die Weyde. Ihre Jungen zerstreuen sie an viel Orthen / damit sie von dem Jäger und Füchsen sicher seyn; Das glaubwürdigste aber ist vielmehr / daß sie die Natur bald anfangs selbst darzu gewehnen. Sie gebähren / wie man sagt / und ernehren / und werden wieder tragend: Denn wann sie ihre Junge ernehren / und aufferziehen / so haben sie andere im Leibe / welche bereit mit Haaren umbwachsen / hernacher Andere / so noch gantz nack end und bloß / und über diese noch mehr / (Christoph. Wirsung p. I. c. 12. fol. 123.) die erst zu wachsen anfangen. Der Hafensprung / insonderheit der aus dem lincken Fuße / soll gepulvert gut wider das Gifft seyn. Inauspicatum iter obvius facit Lepus: Von dem Hasen giebet man aus / daß wenn (Joh. Petri Chro̅. Holsat. p. 2. fol. 63. A. C. 1289.) derselbe denen Reisenden oder andern übern Weg lieffe / es ein unglück seeliges Zeichen wäre / und führet man dahero Graf Heinrichs und Johannis von Hollstein unglückseligen Zug in Ditmarschen zum Exempel an. Denn [237] als sie mit ihrem Volcke gegen die Feinde zogen / lieff ein Hase für Ihnen über den Weeg / die fördersten rufften / da läufft ein Hase. Da dieses die Hintersten höreten / meineten sie / man r. effe / daß man lauffen sollte. Derohalben begaben sie sich auf die Flucht / die Mittelsten folgeten Ihnen / und die Födersten wurden gleichfalls / da sie sich zu schwach befanden / zum fliehen genöthiget. (Hasen-Streit. Petrus Justian. in Chronic. Venetor. lib. 4.) Cardinal Johannes / Herzog Cosmi zu Florentz Sohn / begab sich mit seinen beyden Brüdern dem Ferdinando und Gratio auf die Jagt. Als Ihnen nun ein Hase aufstieß / und ihre Hunde denselben erhaschten / wollte ein ieder / sein Hund hätte das Beste gethan / bis letzlich der Cardinal dem Gratio eine Maulschelle gab. Deser aber wollte den Schimpf nicht verschmertzen / zog von Leder / und hieb den Cardinal in den Ober-Schenkel / daß er in wenig Stunden darauf starb. Wie König Arnolphus dem Beringerio wider die Stadt Rom zu Hülffe kam / und dieselbe belägerte / (vermittelst eines Hasens gehr Rom über. Sigebert. Gemblacensis.) wurde ein Hase von dem Geschrey der Soldaten aufgetrieben / und lieff gegen der Stadt zu. Diesen verfolgeten die Soldaten mit Hauffen. Wie nun solches die Römer auf den Mauren sahen / meineten sie nicht anders / es wollten dieselbe die Stadt stürmen / und weil sie sich / ihrem Bedüncken nach / zu schwach befanden / verliessen sie insgesammt die Mauren / da dieses die von aussen wahrnahmen / trugen sie ihre Sättel und reisige Sachen an die Mauren / bestiegen dieselben / und eroberten die Stadt ohne sonderbaren Widerstand. (Ein Furchtsamer vertreibet de̅ andern.) Bey dem weisen Esopo lieset man / wie eines Tages sich die Hasen zusammen betagt / und einander ihren mühsamen Zustand / und wie sie denen Vogeln zum Raube und der Beute dienen müsten / geklaget / und dahero für rathsam erachtet / daß sie lieber auf einmahl behertzt sterben / als länger in solcher Furcht leben wollten / und damit sie desto eher von ihrem Unglücke kommen möchten / würde das beste Mittel seyn / sich alsobald in dem nechsten Wasser zu erträncken. Diesen Vorschlag liessen sich die andern alle gefallen / und nachdem sie eilends mit einander nach dem Teiche zulieffen / sprungen die in dem Grase sitzende Frösche häuffig in das Wasser / worüber die Hasen stutzeten / und der Aeltere also zu ruffen anfieng: Stehet stille / lieben Brüder / und ersäuffet euch nicht muth willig / unser Zustand ist noch so elende und böse nicht / als wie ihr euch wohl einbildet. Denn es sind noch andere Thiere / die sich für uns fürchten. Der Mensch gleichet sich in vielen Stücken diesen Hasen / indem Er offtermahls umb nichtiger Ursache willen in steter Furcht lebet / sich mit vergeblicher Einbildung schlägt / und an seinen Zustande nicht vergnügen lässet. Es ist zwar die Furcht allen Menschen und Thieren angebohren; Wer aber alle Gefahr überwegen will / der bleibet gemeiniglich hinter dem Ofen sitzen: Ein Furchtsamer stirbet wie der Hering vom Blitze. Nichts ist schmertzlicher / als in steter Furcht seyn / alle Dinge werden von ihr übel ausgeleget / und wer selbst die Flucht ergreifft / der ist leicht zu jagen: Des Menschen Zustand gleichet sich einem Uhrwercke / das niemahls ruhet: Niemahls ist der Mensch unruhiger / als in sich selbst: Bald hat er zu viel / bald aber nicht genug: Bald sorget er / da er ohne Sorge leben möchte. Bald schätzet er sich vor unglückselig / da er doch der Glückseligste seyn könte. Als (Plutarchus.) König Agiges das Oraculum Apollinis befragte / wer der glückseligste Mensch auf Erden? gab es zur Antwort: Aglaus? Wie nun der König durch gantz Griechenland nach solchem fragen liessen / befand sich / daß derselbein Arcadien ein armer Gärtner war / welcher sich alleine von seinen [238] Früchten ernehrete / und daran vergnügte. Viel glück seliger sind die / welche offters einen höhern Stand verachten / als daß sie darnach streb en. Im vielen Besitzen und Haben / bestehet keine Ruhe / und kein Unglück ist hefftiger / (Glücke was es sey.) als wenn mann täglich seinen Stand zu verändern suchet. Von dem Glücke dichtet man / es sey eine Göttin / welche mit denen Menschen und ihren Wercken umzugehen Macht hätte / darbey aber wäre es blind / unbeständig / und ein unversehener Ausgang eines ieden Dinges. Und dieses sind der rohen und sicheren Welt-Kinder ihre Gedancken; Die Klügeren aber halten es für eine Versehung und wunderbahre Schickung Gottes / welche der Menschen Vorhaben und Anschläge anders richtete / als er sich dessen einbildete. Weil nun der erste Theil der Menschen in dem Wahne lebet / daß / wann er nicht reich / noch vermögend / er auch dahero nicht glückselig wäre / und hingegen der / so mit Gütern erfüllet / für selig zu schätzen; So folget hier aus / daß Jener gleichsam in steter Verzweifelung / dieser aber in täglichen Hochmuth schwebet / sich auf das Glücke verlässt / und dadurch Andere neben sich verachtet: Ihrer viel haben sich aus Thorheit um ihres grossen Glückes willen für selig gepriesen / und sind doch hierüber in das gröste Unglück gefallen. Wie derohalben das Glücke nimmermehr keine beständige Vollkommenheit mit sich bringet; Also ist auch bey demselben niemahls in der Welt ein vollkom̅ener und glücklicher Stand zu finden / sondern es behält sich der Himmel einzig und allein diese Vollkommenheit bevor. Man findet hin und wieder Gleichnussen von den Thieren / die auf eine böse / gottlose / tyrannische / zaghafftige und furchtsame Art ausgelegt / und erkläret werden / als wann nicht allein der Teufel / sondern auch die erste Monarchie einem Leuen verglichen wird. Also waren auch gemeiniglich die Monarchen daselbst sehr blutgierig und muthig. Die Schrifft nennet die Hohenpriester Ochsen / und die Phariseer Hunde. Wie der Leue brüllet / und ein Bär hungerig: Also ist auch ein gottloser Fürst gegen seine Unterthanen gesinnet. Die Tyrannen nennet man Leuen / und die furchtsamen gelehrte Hasen / dahero die Fabel entstanden / daß die Hasen denen Leuen zwar predigen / iedoch täglich in Furchten stünden / damit sie nicht von ihren zerrissen werden möchten / welches auf Fürstliche Räthe / und Hose-Prediger zu ziehen / die denen Regenten nicht einreden / was gut oder böse / oder öffentlich straffen dürffen; Es wendet sich aber zuweilen das Blat / daß die Hasen / das ist die Unterthanen / wenn sie zu sehr mitgenommen / oder sonsten übermüthig werden / sich in Leuen und Tieger verwandeln / und mit Gewalt der Bothmässigkeit entbrechen. Es erhub sich zwischen denen Hasen ein Streit. Die Hasen rufften die Füchse umb Hülffe. Diese aber entschuldigten sich / und sagten: Wann wir euch nicht kenneten / und derer wider Euch streitenden Gewalt wüsten / so wollten wir euch solches nicht abschlagen. Ihrerviel haben ein Leuen-Maul / und wenn es dazu kömmet / führen Sie ein Hasen-Hertze in dem Busen. Es ist der Natur eingepräget / daß ein Geringerer sich wider den Mächtigern nicht auflehne. Wer die Gewalt in Händen / wider den pflegt sich auch zuweilen das Recht nicht zu legen. Ein Krebs stirbet vom Donner / und ein Furchtsamer von der eingebildeten Gefahr. Wer den Rauch fürchtet / der bekömmet niemahls das Feuer zu Gesichte. König Heinrich in Castilien sagte: Er fürchte seiner Unterthanen Fluch mehr / als das gröste Heer seiner Feinde. Wir Menschen lieben insgemein mehr einen bösen oder zweiffelhafftigen Zustand. Wer nun in der Welt sich mit nichts als furchtsamen Gedanken schläget / der wird niemahls kei [239] ne tapsere That begehen. Hitzige und gehlinge Rathschläge lauffen selten wohl ab. Alles zeitliche Wesen soll man mit Gedult ertragen; Die Weisen haltendarfür / daß man Einem / der mächtiger als ein anderer sey / durch Glimpff nachgeben solle. Denn wann dessebigen Arm gleich von Silber / und der Bogen von lauter Stahl wäre / so würde seine Hand doch wenig wider Ihn ausrichten / wenn aber die Zeit käme / daß das Blat sich mit solchen wendete / so sey es ein leichtes ihn zu binden. Die Vermessenheit ist ein unbedachtsames und hitziges Vornehmen / da die Unvorsichtigkeit wider die Vernunfft mit unterläufft Einem Unbedachtsamen geht es / wie deme / der auf einem ungezäumeten Pferde sitzet / welches denselben über Stock und Stein mit sich davon führet. König Jacobus der Vierte in Schottland brachte sich und die Seinigen durch allzu unzeitigen Rath in die äuserster Gefahr. Consilium prae cox Autori pessima res est. Allen denen jenigen / so grosse und wichtige Sachen wollen vornehmen / lieget ob / das jenige / was sie im Sinne haben / reifflich zu überlegen. Nichts ist in Rathschlägen gefährlicher / als wenn man eilet; und nichts thörichter / (Alle Dinge in der Welt ändern sich.) als wenn man sich an seinem Stande nicht vergnüget. Alles menschliche Thun und Wesen ist mühsam / und unbeständig. Als der weise Simonides den Lacedämonischen König Pausanias erinnerte / daß er sich / weil Er ein Mensch wäre / nicht allzusehr erheben sollte / und er solches in den Wind schlung / ward Er etliche Zeit darnach in der Göttin Minervae Tempel versperret und eingeschlossen. Und da Er vermerckte / daß Er numehro Hungers sterben müsse / rieff Er überlaut: O Simonides, Simonides, deine Warnung begreifft anietzo viel in sich / die ich damahls aus Stoltz und Hochmuth nicht achtete. Niemahls kan sich ein Mensch besser erkennen lernen / es sey dann / daß er bedencke / wie er sterben müsse. So viel Krankheiten der Mensch im Leibe hat / so vielerley Anfechtungen / Unglücke / und Widerwillen ist er auch innerlich unterworffen. Die Natur eräuget sich gegen uns als eine Stieff-Mutter. Die Gesunden haben so wohl ihre gewisse Anstösse als die Krancken: Die Krancken wegen ihres Leibes / die Gesunden aber wegen ihres Standes Unvergnügsamkeit / wegen der Ehrsucht / wegen des Geitzes / wegen Hasses und Neides / wegen vielerley Wollüsten / und anderer Laster. Der Mensch / sagt der Prediger Salomon / weiß seine Zeit nicht / sondern wie die Fische gefangen werden mit schädlichen Hamen / und die Vogel mit den Stricken; Also auch die Menschen. Wer begehret lange zu leben / der begehret nichts gutes / weil man sich nur in solchem Leben in dem Zeitlichen vertieffet / und nicht einmahl an das Ewige gedencket. Dannenhero so ist in der Welt alles flüchtig / und hat ein ieder Mensch was / worüber er sich zu beschwehren und zu klagen. Als König Johannes der Andere in Arragonien numehro sterben wollte / sprach Er zu denen Herumstehenden: O wie nichtig und flüchtig sind doch aller Menschen Gedancken / und wie eitel sind doch die Menschen / welche nach nichts so sehre / als nach einer eitelen Ehre / eitelen Herrschafft / und eitelen Reichthume so hefftig streben / und wie glückselig sind doch hingegen die Armen / welche ihre Nahrung in sauern Schweiß und Mühe suchen / und lassen sich darmit begnügen. Was haben mir elenden Menschen so viel Land und Leute anders für Nutzen gebracht / als einzig und allein Sorge / Gefahr / Kümmernus und Arbeit? Wehe mir Unbedachtsamen / daß ich der Welt Betrug nicht eher / als anietzo / da ich sterben muß / wahrgenommen! Omnia Vanitas: Es ist alles Eitel: Eitel in der Ehre: Eitel in der Hoheit: Eitel in der Pracht / und Hoffart: Eitel in Reichthum: [240] Eitel in Schönheit: Eitel im Ruhme: Eitel in Wissenschafften: Eitel in Freundschafft: Eitel in Kräfften: Eitel in Macht und Gewalt: Eitel in Wohlleben: Eitel in Feindschafft / Neid und Haß: Eitel in Rache-Eitel in Widerwärtigkeit: Eitel in Ungedult: Eitel in guten Tagen: Eitel in Verschwendung grosser Güter: Eitel in Lust: Eitel in betrügerischer Hoffnung / und endlich Eitel alles was sich reget / und einen Athem hat. (Bieber / Gesnerus.) Der Bieber / Fiber, oder Castor ist ein Thier / welches Theils in dem Wasser und auf dem Lande lebet: Seine Haare gleichen sich einem gelinden / und dick gleissenden Sammete. der Schwantz ist eine gute qvere Hand breit / und dreymahl so lang mit schuppichter Haut überzogen: Er hat kleine Ohren / und ein scharffes Gebiß: Die fördersten Füsse / so niedrig / sind den Hunde-Füssen / und die Hintern den Gänse-Füssen fast (Matthiol???.) gleich / wormit er zum lauffen und schwimmen geschickt. Das Weiblein soll nur einen Ausgang haben / wodurch es gebähre / und zugleich auch seine Nothdurfft verrichte. (Wo er anzutreffen.) Der Bierber wohnet insonderheit gerne in den Flüssen / Teichen und Wassern / wo es Fische und Krebse giebet: Wenn er sein Nest an dem Ufer des Wassers machet / gräbet er von der Höhe herab gegen den Wasser zu / nimmt die abgehauene Reiser / bauet zwey / dreye und mehr Fache übereinander / daß das niedrigste fast hab in das Wasser reichet / die anderen aber im truckenen stehen / Wann nun das Wasser über sich schwillet / begiebet er sich gleich einer Stiege von einem Neste in das andere / nimmt aber das (Dessen Art und Rahru̅g.) Wasser ab / so steigt er hinwieder nach der Tieffe. Seine Nahrung ist Fische / Krebse / und dann die Weydene / Erlene / und Aspene grüne Rinde. Wann er seine Zähne an einen Baum setzet / lässet er nicht nach / bis er ihn umgehauen / und so er meinet / daß er bald umfalle / führet er seine Streiche (Wie er gefangen.) über sich / damit der Baum nicht über ihn falle. So der Bieber von dem Bieberfänger ausgespähet / gräbet er von oben gegen dem Loche zu / und wo er den Gang findet / lässet er ein Hündlein hinein / und spannet sein Netze gegen dem Wasser zu auf. Wann nun der Bieber zu seinen untersten Ausgange heraus läufft / und in das Netze fällt / schlägt er ihn entweder zu tode / oder fänget solchen / wenn aber der Hund den Bieber in dem untersten Neste im Wasser antrifft / beisst er sich mit demselben so lange herum / bis er weichen / und die Flucht geben muß. Und weil er nicht lange der Lufft und des Athems halber unter den Wasser bleiben kan / wird er leichtlich erschossen / oder mit langen Stadeln erstochen. (Sein Nutzen.) Der gantze Bieber ist zu vielen Dingen nütze. Denn in den Bieber-Balck kleidet man sich / und macht Stiefeln wider das Podagra daraus:(Plinius.) Das Fleisch hält man für gesund: Den Schwantz kochet oder bratet man (Avicenna.) mit den hintern Füssen: Sein Harn widerstehet dem Giffte: Seine Galle dienet in der Artzney / und seine Gummi stillet die fallende Seuche: Die Medici halten das Biber-Geil sehr hoch / allermassen dann auch der ganze Bieber in folgenden Versen beschrieben wird. (Becher???.) Der Bieber ist ein Erd- und auch auch ein Wasser-Thier / Drey Stücke giebet es zur Arzeney herfür: Das Fett / die Bieber-Geil / und auch die Bieber-Haut / sind / die man mit Gewinst von diesen Thiere schaut. Das rechte Bieber-Fett dient für den Schlag und Fluß / und machet / daß vom Glied die Lähmung weichen muß.
|| [241]
Des Bieber Geils Geruch ist unannehmlich zwar / Doch stillt er Mutter-Weh / hilfft vielen aus Gefahr / Und wann in Bieber-Fell der Mensche sich bekleid / so kan das Glieder-Weh ihm niemahls bringen Leid. Den Testicul des Biebers nennet man Bieber-gell / ist nach des Galeni Meinung eine edle Auzney / dereh Gebrauch übern obigen noch zu viele Sachen gut. Ihre Art und Eigenschafft ist an sich selbst trucken / und einer erwärmenden Krafft; Un weil dieselbe für andern Arzneyen subtil / so ist sie auch denen andern als heißtruckende̅ vorzuziehe̅. Wer ausführliche̅ Bericht vo̅ dem Bierbergeile / un̅ dessen Nutzen zu wissen begehret / der lese den Gesneru̅ redivivu̅. Wann letzlich die Egyptier einen Menschen / welcher ihm selbsten schädlich wäre / anzeigen wollten / mahleten sie einen Bieber / der sich das Gemächte abbisse: Ein Mensch / der das Seinige unbedächtig vor die Hand nim̅t / der erwecket ihm selbst die gröste Reue: der Jenige / welcher weder sich noch Andern nützet / ist besser todt als lebendig / dahin auch der welweise Demonar zlelete / als er ihrer zweene disputiren hörete / deren Einer ganz albere Dinge vorbrachte / der Ander aber sie ganz ungeschickt beantwortete / indem er mit diesen Worten heraus fuhr / und sagte: Ich sehe wol der Eine milket den Bock / und der Ander will die Milch mit dem Siebe auf fassen. (Fisch-Otter.) Der Fisch Otter / so Lutra genennet / ist aus des Biebers Geschlechte. Hat seine Nahrung in dem Wasser / und kan gleichwohl ohne Lufft nicht leben. Seine Jungen gebieret er in einem Loche ausserhalb des Wassers: Er macht seine Wohnung von Aesten / un̅ Rinden damit er darauf truck en sitzen kan: Er jagt den Fischen nach / und ob er wohl unter dem Wasser nicht lange tauret / so ist er doch demselben sehr schädlich. In Fangung der Fische ist er geschwind / und füllet sein Loch dermassen an / daß es zu Zeiten daselbst (Petrus de Crescent.) sehr stinket: Er ist listig / und boßhafftig: Die gröste Nutzbarkeit / so man von ihm hat / ist der Balck: Das Fleisch wird selten zur Speise gebraucht: Wenn er in das Wasser kreucht / scheusst er geschwinde nach dem Grunde / ertappet und frisset / was er bekömmet / fähret alsdann eilends wieder in die Höhe / stecket das Maul aus dem Wasser / und hohlet mit einem Brausen Athem. Er befindet sich gemeiniglich des Nachts in den Gewässern / und leget sich des Tages / wenn er satt in die Wiesen / Ufer / oder an fruchtbare Oerter / da Erlen anzutreffen. Des Winters hält er sich am meisten bey den schnellen Flüssen und Bächen auf / die in der mitten nicht zugefrieren / des Som̅ers aber kreucht er den grossen Seen oder Teichen nach / und (Aristoteles.) wird offters unterwegens ertappet und erschlagen. Man beschreibet noch eine andere Art / so sich mit dem Fisch-Otter gleichet / und zugleich in den Wassern und auf der Erde lebet / als da sind die Thiere Sathyrium, Satherium, und Latax. Dieses letztere soll sehr harte / und etwas breitere Haare als der Otter / auch starke Zähne haben / wormit es des Nachts die nechsten Zweige / welche es fassen kan / abnaget. (Art und Eigenschafft der wilden Schweine Gesner???.) Unter allen vierfüssigen Thieren ist keines / welches / was die innerlichen Glieder anbelanget / dem Menschen gleichförmiger als ein Schwein. Es wird selten ein Thier anzutreffen seyn / das um und bey dem Menschen sich aufhält / davon nicht auch eine wilde Art gefunden werde. Die wilden Schweine sind in Europa / vielmehr aber in Teutschland / als von einer (AElianus) Provinz derselben / und in den Gehegen nicht unbekannt. Man hält dafür / daß die jenigen wilden Schweine / welche in Macedonien anzutreffen / kein Geschrey machen / sondern gleichsam stumm seyn sollen.
|| [242]
(Olaus Magnus. Marcus Poluslib. 3. c. 35.) In Schonland sollen wilde Schweine von zwölff Schuh lang / in Asien aber so groß / als ein Ochse / und ihre Back-Zähne von zwölff Pfunden gefunden werden. Wann iede Lügen diesem Autori einen Zahn ausstösse / würde er die meisten verlohren haben. Es soll sonsten am Gehöre der Eber die meisten Thiere übertreffen. Seine Natur ist hitzig / und feurig: liegt gerne auf hohen Bergen / Wäldern / Pfützen / Moraste / und an kleinen Seen: Er ist stark / kühn / verwegen und zornig / und gleichsam ihme angebohren / daß er keine andre Art als die Seinige um sich leide. Wann das Schwein sich begehet / ist es am grim̅esten / und wan̅ die Bache färkelt / am bessigsten. Sobald die unter sich beissenden Sauen eine̅ Wolff / o??? Hund erblicken / der auf sie loß gehet / werden sie wieder eins / und fallen denselben ins gesamt an. Ihre Zähne sollen sie an den Bäumen oder Steinen schärffen / welches man auch von dem Elephanten / und Rhinocerote saget: Fünfferley Thiere sind; die uns an unsern fünff Sinnen übertreffen / nemlich: Aper Auditu, Aranea Tactu, Vultur Odoratu, Lynx Visu, Simia Gustu: Der Eber am Gehöre / die Spinne am Fühlen / der Geyer am Geruche / der Luchs am Gesichte / und der Affe am Geschmacke. Wie Grimmig und verwegen dieses Thier sey / das wissen die / welche es mit dem Eisen fangen. Denn sobald sie sich demselben zeigen / da widerstehet es ihnen mit voller Gewalt / also daß man zweiffelt / wer von beyden die Oberhand behalten werde / und daher heisset: Frisch gewagt und nicht gescheut / giebt die allerbeste Beut / wohl / so sey es dann gewagt / wer weiß / wer den Andern jagt? (Närrische Gelübde.) Es hat ein Wild-Schütze in Italien der Göttin Dianae ein Gelübde / daß er von allen dem jenigen Wilde / so er fangen würde / ihr das Haubt / und die Füsse zueignen / und iedesmal zusammen hengen wollte. Nachdem (Diodor??? Siculus lib. 4. c. 3.) er nun eines Tages ein über aus grosses Schwein fällete / überschritte er die Gelübde. behielt die Füsse / un̅ hieng den Kopff allein an den Baum. Aldieweil er aber müde / legete er sich darunter schlaffen / im̅ittelst risse das Band / daß der Kopf herunter fiel / und ihn todt schlug. Also belohnet der Teuffel seine Anbeter / und also wird der / wo man hiervon Christliche Gedanken haben sollte / welcher nicht Treue un̅ Glauben hält / auch hinwiederum mit Untreue (Ovidius in Methamorphos. lib. 30. c. 12.) belohnet. Von dem Adonide / der Myrrhae unächtigen Sohne / erzehlen die Poeten / daß sich die Venus in denselben verliebet / und nicht allein miteinander im Jagen / sondern auch in der schnöden Liebeslust ergötzet. Es verhält sich aber die Poetische Erzehlung also: Ein berühmter Bildhauer Pygmalion hatte aus einem Helfenbeine eine schöne Weibes Person verfertiget / un̅ weil er sich ie länger iemehr in dieselbe verlibet / hat ihm solche die Venus lebendig gemacht / aus der er auch einen Sohn mit Namen Cinyras geboren. Dieser / als er zu seinen männlichen Jahren gekommen / und sich auch verheyrathet / hat gleich falls mit seinem Weibe eine Tochter Namens Myrrha gezeuget. Und nachdem de???se auch nach ihrer Mutter Tode erwachsen / verliebete sie sich / wie man sagt / in ihren eigenen Vater / un̅ bekam eine Lust bey Ihm zu schlaffen / welches auch / vermittelst einer alten Kupplerin / zu wege gebracht ward. Wie aber die Myrra sich an dem Beschlaffe nicht erfättigte / war Cinyras dieselbe begierig zu sehen / ließ ein Liecht ausschlagen / und erkennete / daß es seine Tochter war. Alldieweil Er nun dieselbe aus Eyfer durchaus hinzurichten begehrete / ergrieff Sie die Flucht in die Wildnüs / erwegte daselbst ihr Unrecht / und ward nach ge [243] haltener Reue von den Göttern in einen Myrrhen-Baum verwandelt / da Sie denn erst den Sohn Adonidem gebahr: Diese Lehre gehet nach deß Chrysostomi Meinung dahin / quod mulier sit necessarium Malum, naturalis Tentatio, Domesticum Periculum, & delectabile detrimentum: Daß ein Weib ein nöthiges Ubel / eine natürliche Anfechtung / eine einheimische Gefahr / und belustigte Schädlichkeit sey. Nachdem nun Adonis erwachsen / und die Venus mit ihme vielfältige Liebe gepflogen / hinterließ sie ihm endlich bey ihrem Abschiede diese Warnung / daß er sich für Löwen / Bären / und wilden Schweinen wohl vorsehen sollte. Adonis schlug dieses in den Wind / traff auf der Tagt ein hauendes Schwein an / und wollte dasselbe erlegen; Das Schwein aber warff ihn unter sich / und brachte denselben also umb sein Leben. Die Mutter des Adonidis kunte eher nicht gebähren Sie war dann in einen Baum verwandelt / das ist / ehe und bevor sie Reue und Leid über ihre Sünde trug / und ihr kein Mensch mehr ihre Thorheit vorwerffen kunte. Die Venus verließ umb des Adonidis willen ihren Himmel / und begaß sich auf den Erdboden: Ihrer viel verscherzen umb der schnöden Wohllust willen das Ewige / und kleben an dem Irrdischen. Der Mißbrauch des Weydewercks gehöret zur Wohllust. Alle die jenigen / weiche sich mit der Veneris Buhlen in Welt-Lüsten zu sehr vertieffen / die fallen endlich in die Stricke des Untergangs: Mit der schönen Atalanta läufft die Welt dem Bedünck en nach eines klugen und geraden Weeges / wenn man aber den Lauff eines ehrlichen und frommen Wandels vor sich nehmen solle / da ist man zum gehen lahm / zum sehen blind / und zur Nachfolge hokkericht und bocklicht. Bey dem Dritten Jagen hat man oben gesehen / wie unter andern auch Wölffe / Füchse und Dachse gehetzet worden. (Des Wolffs Eigenschafft. Aristoteles. Plinius. Barth lib. 18. cap. 69.) Der Wolff ist eines von denen rauberischen / schädlichsten und freßhafftigsten Thieren / schlucket das Fleisch fast mit Haut und Beinen in sich / daß er offters solche Stücken wieder von sich geben muß: Wenn er einmahl satt / kan er etliche Tage Hunger leiden: Er hat sehr scharffe / und feurige Augen / ein scharffes Gebiß / siehet scheel über Ecke / und seine Stärcke bestehet in dem fordersten Theile des Leibes / in den Schultern / Brust / Beinen / Hals und Haupte. Er beläufft sich auf Art der Hunde des Jahrs über einmahl und zwar nach Weihenachten. Er ist kühne / listig und räuberisch: Wann ihn hungert / würget er alles / was er antrifft / wenn er aber satt / thut er leichtlich keinen Schaden. Wenn er umschlossen / so ist er gantz furchtsam und verzagt. Denn es wird ergehlt / wie (Historia von ihm. Justin??? Goblerus) ein altes Weib unversehens in eine Wolffs-Grube gefallen / und darinnen einen Wolff und Fuchs vor sich gefunden; Alle dreye wären aus Furcht an ihren Oertern sitzen blieben / nachdem aber des Morgens der Haus-Herr die Grube besichtiget / hätte er den wunderlichen Fang erblikket / hierauf der Frauer zugeruffen / und weil er gesehen / daß sie noch gelebet / an einer Leiter hinunter gestiegen / den Wolff und Fuchs erschlagen / und der halb-verstorbenen Frauen wieder herauf geholffen. Die Thiere / so Hörner haben / greifft er von hinten zu an / und damit auch die Wölffe / wenn sie über einen Fluß schwimmen / nicht von den Wellen zerstreuet werden / so soll einer den andern mit seinem Gebisse bey dem Schwanze fassen / und also nach der Ordnung hinüber schwimmen. Alle Thiere / wie bekan̅t / haben ihre Feinde / für denen sie sich gleichsam von Natur fürchten / oder zwischen denen eine natürliche Widerwärtigkeit zuseyn [244] seyn scheinet: Als da ist die Krähe mit der Katze / der Wolff mit dem Igel / das Pferd mit dem Wolffe / der Hirsch mit der Schlange / die Schildkröte mit dem Salamander / der Leue mit dem Hahne / der Elephanten mit der Spitzmaus / der Delphin mit dem Wallfische / un̅ der Rabe mit dem Weyhen. Wann die Römer vor Alters eine Wolff in ihrer Stadt lauffen sahen / hielten sie es für ein unglückseliges Zeichen / und weihete dahero (Gesnerus) die Stadt von neuen. Die Alten hielten es hingegen für ein gutes Zeichen / wenn Einer auf der Reise einen Wolff über den Weg lauffen fahe / und bey einem Hasen für ein böses. Denn weil ein Jeder lieber siehet / daß der Wolff für Ihn lauffe / und der Hase stille stehe / so ist hernachmahls aus diesem Sprichworte bey vielen ein Aberglaube worden.(Strabo.) Von Einem / der gerne für andere Leute Bürge wurde / erzehlet man / daß / als derselbe einesmahls zu den Jägern gekommen / welche einen Wolff umstricket hatten / sie ihn gefragt / ob er für den Wolff der künftigen Gefahr halber auch Bürge wollte werden / habe er solches mit ja beantwortet: Und nachdem er losgelassen / solle er ihm hierauf zur vermeinten Danckbarkeit eine ganze Heerde Mutter-Pferde in den Stall getrieben / und denenselbigen kein Leides zugefüget haben. Dahero der Bürge zum Gedächtnüs die Stutten alle zeichnen / und einen Wolff daraus brennen lassen. (Falsche Gemüther stellen sich offt freundlich.) Von dem Wolffe erzehlet man lehrweise / daß als derselbe einesmals von dem Jäger ausgespüret / und gejaget worden / er sich zu einem Hirten begeben / und denselben gebeten / damit er ihn möchte verbergen. Der Hirte sagte zu den Wolffe / du darffst dich nichts böses befürchten / ich will ihn schon abweisen. Nachdem aber der Jäger auch hinzu kam / und von dem Hirten zu wissen begehrte / wohin der Wolff gelauffen wäre / zeigte er mit der linken Hand auf den Weg / mit den Augen aber winckte er ihm nach der Höhle / worinnen der Wolff verborgen lag. Wie nun der Jäger es nicht verstunde / und vorbey / sagte der Hirte zu dem Wolffe: Wie meinestu / habe ich nicht gnugsamen Dank verdienet? Der Wolff aber sprach / deiner Zunge sage ich zwar grossen Danck / alleine deinen falschen Augen wündsche ich / daß sie verblinden müsten. Wenn das Herze voll / zo geht der Mund über: Süsse Worte und süsser Wein sind selten rein zu befinden. Ein gepfeffertes Herze / und eine verzuckerte Zunge verderbet das Geblüte / un̅ erwecket Galle. Keyser Albrecht der Erste pflegte zu sagen / Er hielte dreyerley Menschen lieb und werth / als züchtige Weiber / fromme Geistliche und tapfere Kriegs-Leute / hasse aber hingegen nichts hefftigers / als falsche Zungen / und heimliche Verleumbder. Die Zunge ist des Hertzens falscher Zeuge / und wer gutes redet und böses gedenket / der begehet nichts menschliches. Als Einer sich beklagte / wie er von denen / die sich am allerfreundlichsten gegen ihm stelleten / verachtet würde / sagte ein sich am aller freundlichsten gegen ihm stelleten / verachtet würde / sagte ein anderer zu ihm: Dieses sind eben die ärgsten Feinde / welche Einen mit der einen Hand umfahen / un̅ mit der andern Dich in das Verderben zu stürzen suchen. Was der Mensch am Schilde führet / das erkennet man durch die äuserlichen Geberden: Ein Heuchler führet zwo Larven / und zwey Herzen mit sich. Die Kleidung ist ein Schaafes-Fell / und seine Galle / die Galle eines Wolffes; Seine Gewohnheit ist / die jenigen verachten / welche eher empor kommen / als Er. Seine Reden verwandeln sich gerne in ein stinkendes Lob / und wann seine Zunge lachet / so weint sein Herze / lacht aber sein Herze / so stellen sich die Augen / als wenn sie sich über ihren Nechsten betrübeten. (Schönheit ist) Der Wolff fand unverhofft auf dem Felde ein wol-geschnitztes Bild / dar [245] (vielmahl??? ein stummer Betrug.) über er sich verwunderte / daß dasselbe weder Verstand / noch Vernunfft hätte / und sagte: Ist das nicht ein schönes Bild / und hat doch gleichwohl kein Gehirne? Ein berühmter Mahler mahlete eine Korn-Aehren / Stengel / und Lerche darauf so natürlich / daß man solches auch für ein berühmtes Meister-Stücke hielte. Es trug sich aber zu / daß ein Bauer dasselbige Gemählde ansichtig ward / und solches nebenst Anderen lobete / ohne allein dieses / daß der Halm zu einen solchen Vogel zu schwach wäre: Worauf der Mahler sagte: Nun erkenne ich / daß zwischen der Kunst / und dem Verstande ein grosser Unterscheid sey. Viel Menschen leben in der Welt / die zwar ein äuserliches / und wolgestaltes Ansehen / darnebenst aber weder Kunst / Witz / Weißheit noch Verstand an sich haben. Es sind viel kluge Leute / welche fürgeben / das Herze könne mehr Widerwärkigkeit ausstehen / als das Auge bey einer eingebildeten Schönheit. Als bey einer Verliebten die schöne Gestalt vorbey / und sie gleichwol von ihrem Buhlen geliebet / un̅ bedienet seyn wollte / derselbe aber ihr die Veränderung ihres Gesichts entgegen setzte / sagte sie: Ich weiß nicht / was meinem Gesichte schadet / ohne allein / daß dasselbe einen gefaltenen Traur-Schleyer / die verlohrne Schönheit dadurch zu beklagen / angezogen. Worauf Jener zur Antwort gab: Eure Rose ist numehro abgefallen / und der Dorn / von welchem sie gewachschen / annoch übrig; der Schatz ist hinweg / und die Schlange annoch vorha̅ben. Bey der Schönheit ist stets was böses zu vermuthen. Und gleichwie die Gewinste zur See unschätzbar / wann die Gefahr nichtwäre. Also er äugnete sich auch dergleichen bey dieser. Die Rosen sind wohl lieblich / ihre Dornen aber stechen desto hefftiger. Es ist die Schönheit des Leibes nicht allemal ein Zeichen der Schönheit des Gemüths: Ein verbuhltes Gemüthe gleicher sich einem Erden-Klos / ein keusches aber mit der äuserlichen Schönheit der Erden / da die allerheilsamsten Kräuter / Blumen / un̅ Früchte wachsen. Schönheit ist ein vollkommenes Wachsthum / und fällt wieder hinweg / wenn sie ihre höchste Vollkommenheit erlanget. Soll dieselbe nicht ein Schiff / sondern Steuer-Mann seyn / so muß sie die Keuschheit und Freundlichkeit zur Gefertin haben. Wie das Meer gesalzen / und im Grunde auch süsse: Also verhält es sich auch mit Jhr. Das Auge und das Ohr sind bey denen Menschen die Einnehmer; Die Zunge und Hände aber vollbringen die Werke / sie mögen gleich gut oder böse seyn. Ein Ungeschickter ist gleich einem unpolierken Spiegel / der ohne Mühe und Arbeit nicht kan helle gemacht werden; un̅ gleichwie der / so nichts gelernet / für ein todes Bild zu achten; Also ist hingegen die Geschicklichkeit eine Crone der Ehre / eine Zierath der Alten / und ein Aufenthalt der Jungen. (Von Füchsen. Sextus Platon.) Wann der Fuchs die Gänse lehret / so geht der Kragen verlohren: Der Fuchs / Vulpes, quasi Volupes ist ein betriegliches / verschlagenes und tückisches Thier. Denn den Hasen betreugt er durch sein Scherzen / un̅ wann ihn hungert / so leget er sich an den Ort / wo die Vogel meinen / daß er da (Joh. Jonstoni Thaumatographia na turalis fol. 336.) als ein Aas liege; wenn sie sich nun zu ihme machen / und am sichersten seyn wollen / frisset er sie auf: Wofern er dem Hund nicht zu entkom̅en vermag / beseicht er seinen Schwanz / und besprenget denselben damit / daß er ihn wegen seines garstigen Gestankes desto eher verlassen muß. In Spanien giebet es weisse / in Armenien schwarze / in Moscau und Schweden aber schwarze und weisse Füchse. Die gröste Feind schafft soll er mit dem Dachse wegen des Lagers haben: Er ernehret sich von Zahmen und wilben Viehe / frisst junge Hase̅ / Caniniche̅ / Hüner / Mäuse / Gänse / Vogel un̅ Fische. Man̅ er dem Igel nicht beykom̅en kan / beseichet er ihn / daß er darüber stirbe. Er [246] foll auch ein scharffes Gehöre haben: Dann wann er zu Winters-Zeit über das Wasser seiner Nahrung nachgehen will / soll er vorhero hören / ob das Wasser tieff unter dem Eise lauffe / und wann es nicht (Ein Thier vertreibt das andere.) dikke genung / zurücke bleibe. Und gleichwie ein Thier dem andern aufsätzig zu seyn pfleget; Also wird auch der Fuchs von dem Habichte verfolget / und von dem Wolffe gejaget / der Fuchs aber vertreibet hingegen den Igel / der Igel den Otter / der Otter die Steinfletzschen / der Sperling die Heuschrecke / die Heuschrecke die Wespe / die Wespe die Biene / die (Der Füchse Verwandschafft. Thucydides.) Biene die Mücke / und die Mücke die Schnecke. Mit den Füchsen werden nicht unbillig verglichen alle listige / verschlagene und furchtsame Leute. Dahero man saget / daß List und Betrug / keinem Menschen wohl anstehe. Und wie ein iedes Thier seines Balges wartet: Also nim̅t auch ein Fuchsschwänzer alles / was zu seinen Nutzen dienet / wahr. Des Alexandri Magni Diener Medius brachte es durch seine Heuchelcy dahin / daß er den König beredete / und in den Argwohn brachte / als stünde man ihme nach dem Leben / darüber die gantze Königliche Regierung / welche doch mit denen allergelehrtesten / und geschicktesten Männern versehen war / in Unordnung gerieth / und deßwege̅ die tapfersten und ansehnlichsten Kriegs-Obristen / als Callisthenes / Philotas / Parmenio / und Andere die (Psal. 64.) Erde kauen musten. Jhre Zunge / sagt David / schärffen sie wie ein Schwerd: Mit ihren gifftigen Worten schiessen sie die Frommen ohne Scheu: Sie sind kühne mit ihren bösen Anschlägen: Erdichten Schalckheit / halten es heimlich / sind verschlagen / und haben geschwinde Räncke. Der Fuchs ist eines von denen schmeichelhafftigsten Thieren / wenn er unter der Gewalt (Rheink. in Axiomat. lib. 2. Axiom. 71.) ist. Die Schmeichler sind gleicher Gattung. Herzog Johann Albrecht zu Mecklenburgk / befahl seinen Sönen im Testamente / daß sie sich vornehmlich aller Ohrenbläser / Winkelstörer / und Verleumbder / wie auch derer / welche mit weitläufftigen neuen Anschlägen umgiengen / gäntzlich entschlagen sollten. Da der Philosophus Epictetus sahe / daß Einer die Heuchler und Schmeichler gerne hörete / sprach er zu Jhme: Die Raben hacken den Todten die Augen aus; Dieser aber / den du ehrest / blendet auch die jenigen an ihrem guten Gesichte / daß sie das / was recht und wahr ist / nicht erkennen. Und gleichwie ein Fuchs iederzeit hincket / so sehr er es auch verbirget; Also machet es auch ein Heuchler / welcher zugleich seinen Herrn anlachet / und auch mit List und Betrug hintergehet. (Betrung und List haben keinen beständigen Grund.) Ein Fuchs und Listiger gehören in einen Karrn / un̅ wird offters List mit List vertrieben. Ein hungeriger Fuchs kam zu einem mit seiner Henne auf dem Baum sitzenden Hahn / grüssete denselben freundlich / und sprach zu ihm / warumb sitzestu so hoch auf dem Baume / weistu nicht / daß ein ewiger Friede unter allen Thieren ist gemacht worden / also / daß keines das andere weder durch List / noch Betrug zu beschädigen / sondern Ein iedes in Sicherheit zu wandeln befugt seyn solle? Der Hahn merckte bald des Fuchses List / und gab ihm zur Antwort: Du bringest wir und meinem Geschlechte eine fröliche Zeitung / reckte den Hals hierauf empor / und fieng an zu krähen. Der Fuchs fragte / was dieses bedeutete? Ich sehe / sagte der Hahn / zwey Hunde dort hergelauffen kommen / die uns vielleicht auch dergleichen Friede verkündigen wollen. Nein / sprach der Fuchs / es wird besser seyn / daß ich die Flucht ergreiffe / als ihrer erwarte; Einem ieden trauen ist eine Thorheit; Niemand aber vertrauen ist tyrannisch. Wer zuviel glaubet / der stürtzet sich in die Gefahr. Niemand soll sich einen beständigen Freund erwehlen / er habe dann dessen Treue bey eräugneter [247] Noht erfahren. Der Betrug ist zweyerley / gut und böse: Böse bey denen / die andere Leute heimlich oder öffentlich hinter das Liecht führen: gut / wenn man dem schädlichen Betrug durch Vorsichtigkeit zuvorkömmet / oder es dem / so man betreugt / zum besten gereicht / als wie die Eltern die Kinder / die Lehrer die Jugend / und die Aertzte die Krancken. Wenn der Fuchs / und der Storch einander zu Gaste laden / so betreugt unfehlbar Einer den Andern. Wenn man die Menschen sobald aus den Worten erkennete / als den Raben an seinem Geschrey / so würde Mancher nicht betrogen werden. Denn der Andere nicht betreugt / der mercket auch selten den Betrug am Andern. Man sucht keinen / sagt man hinter der Thüre / er habe dann selbst zuvor darhinter gestecket. Der Fuchs wurde von dem Wolffe Diebstahls beschuldiget. Der Fuchs leugnete: Beyde erwehleten darüber den Affen zum Richter / und beschuldigte nach angestellter Verhör Einer den Andern seiner begangenen Untreue / Bubenstücke / und Schalckheit. Da das der Affe hörete / gab er diesen Bescheid. In Sachen beschuldigten Diebstahls glaube ich / daß du Wolff hierunter nichts verlohren / du aber Fuchs / ob dirgleich der Diebstahl anietzo nicht beygebracht werden kan / so ist dir doch das Stehlen und Mausen angebohren; darum so bleibet Freunde wie zuvor / es ist euch beyden wenig zu glauben. Wie die Katze das Mausen nicht lässet: Also pfleget auch ein Dieb so lange dem Stehlen nachzugehen / bis Er ertappet wird. Jener Dieb rühmete sich / daß / so offte er sich hinweg begeben / die Leute darüber geweinet / die Ursache aber war diese / daß er nirgend ohne Stehlen darvon gieng. In Holland machten zweene Diebe auf einen Geitzigen einen Anschlag / und verkleidete sich der Eine als ein Engel / der ander aber als ein Teufel aus. Diese beyde stiegen an einer Leiter zu bem Reichen in die Cammer / und so sehr der Eine ihn quälete / ie tröstlicher erschien ihm der Ander zu seyn / biß er endlich anfieng um Hülffe zu ruffen / da dann die Nachbaren herzukamen / die Diebe auf fingen / und man sie nachmahls an Galgen hieng. (Wie die Wercke / so ist das Lob.) Niemand hat sich in denen Dingen herfürzubrechen / die er weder verstehet / noch zu vollbringen vermag: Der Frosch rühmete sich einsmals der Arzeney völligen Wissenschafft / und wie er damit grössere Thaten / als der beruffene Paeon / der doch die Götter selbsten unsterblich gemacht / ausrichten könne. Die einfältigen Thiere glaubeten solches / als aber der Fuchs darzu kahm / spottete er ihrer aller / und sprach: O ihr Narren / wie möget ihr doch daran gedencken / daß dieser Frosch die geringste Kranckheit heilen könne / Jhr sehet ja selbst / wie er mit der gelben Sucht beladen / dafern er nun an sich selbst mit der Arzeney den Anfang machte / wollte ich es glauben / alldieweil es aber nicht geschicht / so lasset euren Wahn fahren. Denn dadurch wird sein eigenes Lob in seinem Maul um so viel desto stinkender werden: Wer sich selbsten lobet / der besudelt sich vielmehr: Wer eine Sau grauet / die legt sich darüber in Koth / und wann der Fuchs den Raben heuchelt / so kömmet er umb seinen Käse. Bey einem guten Weine bedarff man kein Zeichen. Jhrer viel sind also beschaffen / daß ihnen durch das zugelegte Lob / oder durch ihre eigene Einbildung darüber Esels-Ohren wachsen. Jener lobete die an dem Altare gemahlte vier Evangelisten un̅ sagte / daß an de̅ Luca nichts mehr mangelte / als daß er nicht rede̅ könte. Ein Ameyse kroch auf ein Ochsen-Horn / und da man sie fragte / was sie allda mache / sprach sie: Ich treibe den Ochsen zum Pfluge. Nichts neues ist es / daß sich unbesonnene Leute selbst rühmen / und Närrische selbst schelten. Unfruchtbare Bäume machen iederzeit mit ihren grossen Aesten und Blät [248] tern ein grösser Geräusche / als die Fruchtbaren. Als Laosthenes die Athenienser wider die andern Griechen aufhetzete / und seine eigene Person darbey mit ausstriche / sagte zu Jhm Phocion: Deine ruhmsüchtige Reden kommen mir vor / wie die Cypressen. Denn ob sie schon groß / und hoch / so geben sie doch keine Früchte von sich. Da König Ludowig der Dreyzehende in Franckreich von etlichen Bearnensern / bey denen doch nichts als Hochmuth / und Trägheit zu befinden / ihren Adel rühmen hörete / sagte Er: Es ist ein einziges Schwerd für zehen dergleichen Edelleute genug / und diese wollen so viel Wessens und pralens von ihrem Abel machen? Einer rühmte sich / wie er so wacker sauffen könte / und würde gleichwohl darbey nicht voll / zu dem sprach der weise Aristippus: Mein Freund / rühme dich was besseres / denn solches kan auch ein Esel und Ochse thun. Wie Marcus Livius dem Römischen General Marco Fabio die Stadt Tarentum übergab / wollte Jener darfür eine Vergeltung haben / worüber die Herumstehenden lachten / Fabius aber sagte zu Jhm: Es ist nicht ohne / daß ich die Stadt durch dich bekommen; Allein wann du dir dieselbe besser angelegen hättest seyn lassen / und sie männlicher beschützet / so wäre sie auch nimmermehr von mir erobert worden. Wie derowegen ein Ruhmräthiger einem Pfauen gleichet / der seiner Schönheit halber stoltz und aufgeblasen / wenn er aber die Füsse ansiehet / selbst nichts mehr von sich hält: Also achtet sich auch Jener / so lange Er mit der Decke der Einbildung verblendet / für was besonderes / wenn aber dieselbe hinweg / so siehet er keinen elendern und untüchtigern Menschen als sich selbst. (Vom Dachse.) Taxus, Meles, oder ein Dachs hat kurtze Füsse / ein hartes Gebiß / und einen kurtzen zotigten und gestreiffelten Schwantz: Er empfänget und träget die Jungen wie die Füchse / und gebieret nach dreyen Monaten im Herbste. Und weil ihre Füsse klein / und unvermögend geschwinde zu lauffen / so halten sie sich nicht weit von ihrer Höhle auf. Im zunehmenden (Plinius lib. 18. c. 19.) Monden sollen sie zu- und im abnehmenden abnehmen. Wie die Dachse gefangen werden und ihre Nahrung suchen / das wissen die Jägerey-Verständigen am besten / zu Zeiten sind ihre Gebisse gifftig / sehr (Arnold???.) schädlich und unheilsam. Denn weil sie allerhand Roß-Käser / Hornissen / und andere auf Erden kriechende Thiere fressen / werden dadurch ihre Zähne (Morale.) vergifftet. Von denen / die eines dicken und fetten Leibes / verschlagen / zanksichtig / oder eingezogen sind / sagt man / sie wären so fett als ein Dachs: Schlieffen / bissen / und hielten sich wie ein Dachs eingezogen / und kämen nicht unter die Leute. (Des Dachses Nutzen. Becherus) Deroselben Nutzen zur Artzeney beschreibet man also: Man pflegt den ganzen Dachs zur Asche zu bereiten. Er dient zur Lungensucht / und bey dergleichen Leuten. Das Dachs-Schmaltz giebet auch dem Schweinen-Schmaltz nichts nach / Es lindert / stillet bald der Nieren Ungemach; Das Blut nach Kunst gemacht bewahret für die Pest / Es giebet zugericht dem Aussatz seinen Kest. (Von wilden Katzen. Gesnerus) Die Wilden Katzen haben ihre Wohnungen in den Wäldern auf den Bäumen: Man jagt sie mit Hunden / oder scheusst sie mit Büchsen: Jhr Fleisch ist gleich den Hasen: Etliche meinen / es sey anmuthig zu essen. Etliche tragen einen Abscheu wegender Mäuse darfür. Das Fett davon lindert / wärmet / und vertreibet die Schmerzen / und das Reissen in den [249] Gliedern / und Gelencken: Man fänget sie aber unter andern auch in einer Lade / wore in man entweder ein todtes Huhn / Eyer / oder was anders leget. Denn man macht qver über die Lade ein länglicht Holtz / gleich einem Mäuse-Kasten. Wann nun die Katze hineinspringet / und das quer-Holz (Pietro della Valle.) anrühret / so fänget sie sich selbst. In Persien hat es eine sonderbare Art derselben / welche sehr subtil / zart / glänzende / und weich / wie Seyde / von Haaren sind. Das schönste an ihnen ist der Schwantz / welcher gemeiniglich lang / und viel Haare hat. Diesen legen sie wie die Eichhörner (Christophori Füreri Itiner.) über den Rücken / und strecken sich in die Höhe. Man findet zu Alexandria / und Cairo, auch an anderen Orthen gewisse Secten / welche man Santoni nennet / so fast gantz nackend einher gehen / und man für heilige Leute hält. Diese bauen ihnen gewisse Tempel und Capellen / darein sie Katzen (Bandier en l histoire de la Cour du Roy dela Chine.) setzen / und solche täglich unterhalten / da hingegen dieses bey den Chinesern eines von der grösten Schmach und Schande / wenn man Einen ein Katzen-Auge heisset. Von der Katze erzehlet man eine Fabel / daß sie den Hahn beschuldiget / als ob er so wohl Tags als Nachts die Menschen beunruhigte / und mit seiner Mutter / Schwester und Angehörigen Unzucht triebe / als aber der Hahn versetzte / wie er durch seine Wachsamkeit die Menschen zur Arbeit aufweckte / und durch die menge seiner Weiber dem Hauß-Herrn viel Eyer zu wege brächte / ergrieff sie ihn bey den Halse und sagte: So bin ich doch nicht gewohnet / daß ich lange faste! Man bricht offt eine Ursache von Zaune / damit man kan seines Nechsten Haab und Güter überkommen; Wen̅ man Einem übel will / so findet man gar leichte einen Stiel zur Axt. Wie der Gröste will / so muß es gehen / und sollte gleich alles über den Hauffen fallen; Die Welt ist ein Nahme aller Boßheit / welche mit schönen Farben ausgeschmücket / und wer in ihr von Natur böses / tükkisches / und leichfertiges Gemüthes ist / der lässet von seiner Boßheit nicht ab / sondern erfindet iederzeit etwas / wormit er dieselbe beschöne. Vom Elthier. Gesnerus Das Elthier / Iltis oder Ildnüs ist ein abgesagter Feind der Hühner / und thut nicht weniger auch den Bienen-Stöcken Schaden. Es soll aber dasselbe übel hören / und gegentheils sehr scharff sehen: Sein Balk stinket / und ist eines der gemeinen Peltz-Werke. Es wohnet in grossen Gebäuden / Ställen / hohlen Bäumen / Wäldern / woselbst es alles / was es kan / und ihm zu seiner Nahrung dienlich / zusammen trägt. Bey dem obigen Vierten Lust- und Kampf-Tagen / hat man folgender Thiere Eingenschafften mit zu erwegen: (Des Bärs Eigenschafft und Natur. Aristoreles. Pliniu???. Plutarchus. AElianus. Galenu???. Isidorus. Albertu???.) Es schreiben die Natur-Kündiger viel von des Bären Art und Eigenschafft / und wollen / daß er wegen seiner flüssigen / kalten / schleimichten / und frostigen Natur / wann er sich mit dem Weiblein vermische / einen solchen Saamen von sich lasse / welcher in der Behr-Mutter nicht formirt werde / wann es nicht des Frühlings geschehe. Das Weiblein / oder die Bährin gebähre zur Zeit / da es inne läge / und schlieffe / und zwar / seiner grösse nach / die kleinesten Thiere / welche Anfangs blind. An den Füssen / und Gliedern sehen sie so unförmlich / als ob sie ihre vollständige Glieder nicht hätten / weshalben die Alten sie lecken / und stets im Schoß behielten / damit sie ihnen mit ihrer natürlichen Wärme zu Hülffe kämen; Etliche aber haben gar dafür gehalten / die Bärin gebähre anfangs nur ein Stücke rohes Fleisch / dasselbe wärme und brüte sie an ihrer Brust aus / und lecke es (Matthiol???. Scaliger. Camerarius. Vossius.) so lange / biß es die Gestalt eines jungen Bäres bekäme. Viel besser erklären es andere / und sagen / daß die jungen Bäre zwar aussehen / wie ein Stücke Fleisch / es rührete aber solches daher / daß iederzeit die Bärin in einer [250] starcken Nach-Geburt läge / welches sie hernacher durch lecken und beissen von den jungen Bähren hinwegbrächte / und sie also ihre rechte Gestalt bekämen. Der Bär / insonderheit aber die Bährin / ist an sich selbst ein geiles und unkeusches Thier / dahero man von denen / die in den Wollüsten ersoffen / das Sprichwort gemacht / daß sie geiler als die Bären wären. Sie tragen zu ihren Jungen grosse Liebe / suchen ihren Schutz auf das beste / und werden gleichsam rasend / so ihnen eines von denenselben (Oseas.) entführet wird. Dahero der Prophet Oseas von ihnen das Gleichnüs genommen / und im Nahmen des HERRN zu den Israeliten gesagt: Ich will sie anfallen wie eine Bährin / derer ihre Junge geraubet. Deß Bärs Feinde sind der Lötte / Auer-Ochse / Stier / Esel / Pferd / und das Meer-Kalb / welches er am meisten fürchtet. Nachdem die Länder / und Wildnüsse / nachdem findet man auch grosse und kleine Bäre. Aus Littauen hat man einesmahls Keyser Maximiliano einen Bähren zugeschicket / welcher 22 1/2 Schuh lang / und so breit gewesen seyn solle. In den Mitternächtischen Ländern finden sich weisse Bäre / welche das Eis aufbrechen / und die Fische herfür suchen / ingleichen in Moscau / und andern Oertern mehr / so grossen Schaden in dem wilden Honige thun. Insonderheit aber frisst der Bär nebenst dem Honige auch Obst / Hierse / Kraut / und allerhand Saat von dem Getreyde / auch bey grossen Hunger / das neue ausgeschlagene Laub / und junge Schößlein von den Bäumen. Er säufft nicht / wie ein ander Thier / sondern beisset in das Wasser / wie in die Speise. Wenn er sich überfüllet / soll ser einen Ameyß-Hauffen suchen / seine geifrige Zunge darein stecken / und so sie voller Ameyssen / zurükke in den Rachen ziehen. Er ist von Natur tückisch / und ob man schon ihrer viel findet / die den Ansehen nach zahm gemacht / so lassen sie gleichwohl / ehe man sich dessen versiehet / ihre Tücke zuweilen blicken; So es gegen dem Winter gehet / macht er sich eine Hütte / oder Lager von Reissige / schläfft darinne ganzer 14. Tage / und wird darüber gantz fett und feiste / setzet sich hernacher auf die Hinter-Füsse / und sauget die Klauten oder Tatzen: Beyde das Weiblein und Männlein sollen ihr besonderes Lager haben. Wie sie gefangen werden / das wissen die in diesen Chur-Sächsischen Landender Tägerey zugethane am besten. In Churland macht man / gleich wie an andern Orten auch gewisse Bähren-Gruben. Denn man füget etliche Balken zusammen / hänget einen grossen mit Steinen beschwehrten Block daran / und bindet an denselben ein Aas. Sobald nun der Bär darvon fressen will / und das jenige Zünglein / so den Block hält / berühret / fällt er zu / und tödtet entweder den Bär / oder schlägt ihm ein Bein oder Tatze hinweg. Von dem Bäre führet man etliche Sprichwörter: Wann nemlich Einer Widersinnig / oder mit sich selbsten redet / so sagt man: Er brumme wie ein Bär: Desgleichen wenn man sich eines Dinges rühmet / und vermag dasselbe nicht auszuführen / so spricht man: Er verkaufft die Bären-Haut / und hat den Bär nicht gestochen: Die Egyptier / wann sie ein unförmliches Kind sahen / so hernacher schöner ward / und dasselbe abbilden wollten / mahlten sie eine trächtige Bärin / wodurch sie anzeigen wollten / daß dieses Thier unzeitige Jungen gebähre / welche sie durch das Lecken formieren / und gleichsam von neuen zeitigen müste. Von einem Bauer in Moscau will man erzehlen / daß / als er auf einen Baum gestiegen / und darinne Honig gesucht / sey er in denselben biß über die Brust gefallen. Wie er nun an die zwey Tage lang daselbst gesteckt / und sich aller Hülffe verziehen / wäre ein Bär auf den Baum gestiegen kommen / und habe allda [251] auch den Honig kosten wollen: Der Bauer hätte den Bär erwischt / sich an demselben feste gehalten / und angefangen überlaut zu schreyen / daß er darüber erschrocken / sich zurücke begeben / und also den Bauer wieder herausgezogen. (Der Dianae unbedachtsames Opfer.) Die Athenienser hatten unter andern ein Gesetze / daß wan̅ Einer seine Tochter verheyrathen wollte / sie vorhero der Göttin Dianae das im Januario angestellte Opfer abstatten muste. Wann nun eine solche Weibes-Person opfern wollte / muste sie in einem gelben Schäublein erscheinen / es trug sich aber zu / daß Eine von dergleichen Jungfern mit einem zahmen Bäre / welche der vermeinten Göttin Dianae zugeeignet war / in etwas zu viel schertzte / worüber derselbe sich erzürnete / und sie beschädigte. Da solches der Jungfrau Bruder ersahe / verdroß es ihn / und schoß den Bär todt. Es fiel aber nachgehends ein Theurung ein. Dahero die Götzen-Pfaffen weissageten / als ob die Göttin wegen des ertödteten Bäres erzürnt / die Theurung erweckt / und könte anderer Gestalt nicht versöhnt werden / als mit einer Jungfer / die man ihr opfern sollte. Nun stack des Teufels Betrug in einem Griechischen Worte / welches zugleich eine Bärin / und auch eine Jungfer bedeutete. Es fand sich aber nachmahls Einer mit (Plutarchus.) Nahmen Emborus / der versprach / daß / wofern man ihm / denen Seinigen / und seinen Nachkom̅en das Pfaffen-Ambt eigenthümlichen verleihen würde / er alsdenn seine eigene Tochter aufopfern lassen wollte / welches man demselben auch verheissen / er soll aber nachgehends einer Ziege seiner Tochter Kleider angezogen / und sie an statt derselben geopfert haben. (Bäre lieben die Weibs-Bilder.) In dem Saphoischen Gebürge soll ein Bär eine schöne Jungfrau entführet / sie darinne fleischlich erkannt / und ihr täglich zu ihrer Nahrung Holtz-Aepfel zugetragen haben. So offt er aber aus der Höhle gegangen (P. Caspar Schottus in Physica curiosa lib. 8. c. 76. p. mihi 929.) / habe er dieselbe mit einem grossen Steine verwahret / damit sie ihm nicht wieder entgehen möchte / Und nachdem also solcher Gestalt die Jungfer etliche Tage lang eingesperret gehalten / hätten die Eltern sie letzlich in der Höhle verwahret gefunden / und sie mit grosser Gesahr erlöset. Das Maulthier / oder Maul-Esel ist einem Esel gleicher als einem (Maul-Thiere Erfindung.) Pferde / wie an den langen Ohren / Creutze zwischen den Schultern / rahnen Beinen / Schenkeln / Füssen / und dünnen magern Leibe zu sehen; In der Schrifft findet man / daß des Esaues sein Schwager Ana / da derselbe seines (Genes. c. 36. v. 24.) Vatters des Zibeon Esel in der Wüsten hütete / die Art / den Esel mit den Pferden springen zu lassen / aufgebracht. Der weise Democritus sagt: Es wäre der Maul-Esel kein Werck der Natur / sondern eine Menschliche Erfindung / welches man ihr durch Nachsinnen abgestohlen. Denn nachdem eines Tags in Medien eine Pferde-Stutte mit Gewalt besprungen / und dieselbe darvon geladen / hätte man nachgehends diese beye Thiere zusammen gelassen / und von Zeiten zu Zeiten die Maul-Esel in der Welt gesehen / welcher von seiner Art entsprungen wäre / dahero man dieses von ihme schreibet: (Camerarius) Dem Vater gleich ich nicht / Wohin ich mich auch richt: Der Mutter auch nicht recht / Ich habe kein Geschlecht / Ich komme zwar von zwey / Doch fragt man / was ich sey? Ich bin ein selzam Thier / Es kömmt Niemand von mir.
|| [252]
Varro sagt / daß als auf eine Zeit ein Wolff unter einem Hauffen Maul-Esel gerahten / sie ihn zu tode geschlagen. Zur Arbeit / zum Last tragem / und Reiten sind sie sehr dienlich und starck. Und wie der Maul-Esel zum Saumen und tragen am tauglichsten: Also ist die Maul-Esel in zum (AElian??? Plutarchus.) Reiten desto geschickter. Man giebt vor / als ob das Maul-Thier etwas Merck samkeit an sich habe. Denn da einesmahls dasselbe mit Salze beladen in das Wasser gefallen / und das Salz darvon etlicher massen zergangen / und geleichtert / hatte es solches beobachtet / und so offte es mit solcher Wahre dahin gekommen / sich iedesmahls untergetaucht / nachdem man aber den Possen wahr genommen / hätte man an statt des Salzes in das Trag-Gewonheit nach / sich wieder in das Wasser geleget / hätte es bald verspühret / daß die Bürde schwehrer / als die vorige / dahero wäre solches folgends so zahm und bedachtsam durch das Wasser gegangen / daß es seiner (Plinius lib. 8. cap. 44.) gleichsam selbsten geschonet. Zu Athen hatte man ein Maulthier / das 80. Jahr alt / dieses aber aller Arbeit frey und überhaben; Es trug sich aber zu / daß Pericles in dem Schlosse der Gött in Minervae einen (Aristoteles.) Tempel zu Ehren erbauete / dahero so gieng besagtes Maul-Thier iederzeit mit denen Andern / so Bau-Materialien zutrugen / auf und nieder / und wiese sie gleichsam mit seiner Begleitung zur Arbeit an / und ab / welches dann den Atheniensern so wohl gefiel / daß sie ihm einen freyen Unterhalt / so lange es lebete / verschafften. (Keine Maul-Eselin gebieret.) Wann die Alten eine Sache für unmöglich hielten / so sagten sie: Es würde geschehen / wenn die Maul-Eselin ein Füllen würffe. König Crösus in Lydien schickte einesmahls zu dem Abgott Apollini gen Delphis / und ließ ihn fragen / wie lange sein Reich bestehen würde? worauf Er zur Antwort bekam: (Herodotus lib. 1.) Wann sich ein Maul Thier wird in Medien eindringen / Und dieses grosse Keich mit leichter Macht bezwingen / So flieh dann Medien / wenn du es ja wilst wissen / Mit allem was du hast / nach Hermus schnellen Flüssen. Hierauf ward Crösus sehr hochmüthig / und meinete / daß sein Geschlechte die Zeit seines Lebens über Lydien herrschen würde / indem es ihm unmöglich bedünckte / daß ein Maulthier an statt eines Menschen König seyn könnte. Die Wahrsagung aber gieng nicht auf das Maul-Thier / sondern auf den Cyrum / welcher von zweyerley Geschlechte / nehmlich von seiner Mutter der Mandane als ein Meder / und von seinem Vatter dem Cambyse / als ein Perser herstammete. Der Ausgang aber wiese ein anders / denn nachdem er mit dem Cyro Krieg führete / und von demselben (Anno Mundi 3425. Vor Christi Geburt. 546.) überwunden / und endlich zum Scheiter-Hauffen gebracht wurde / erkennete er seinen Fehler / rieff deßwegen überlaut: O Solon, Solon, Solon! Und als er über diese Worte zu Rede gesetzt / gestand Er / daß sich nach des weisen Solonis Auspruche kein Mensch für seinem Ende glückselig zu achten hätte / indem ihme vor dem Tode gar leichte ein / und das andere Unglück begegnen könnte. (Das beste Leben ist ein vergnügter Stand.) Eine Lehre hiervon giebet uns auch der Esel. Derselbe / wie man dichtet / suchte einen Herrn nach dem Andern. Bey dem Gärtner beklagte er sich über das schlechte Futter: Bey dem Töpfer über das Tragen: Bey dem Müller über die starke Arbeit / und bey dem Lohe-Gärber über die stinkende Häute. Derowegen wündschte er letzlich bey allen solchem seinen Diensten / daß er wider an den ersten Ort un̅ Stelle gelangen möchte; Nach [253] dem aber Alters halber nicht mehr tragen kunte / zogman Jhm die Haut über die Ohren. Einjeder soll sich viel lieber an seinem Stande begnügen / als des Reichen Uberfluß verlangen / so durch Unrecht gewonnen. Es ist un streitig / daß denen / die viel begehren / auch viel mangelt. Wen das Glücke einmahl zum-Esel macht / der bleibet dabey. Das Leben worinne man sich an denen Seinigen begnüget / ist gleich einem lustigen Wege / der Einem nicht sauer zu gehen wird. Wer viel Handwercke kan / oder vielerley Handthierung vor sich nehmen will / der ist gewiß dem Bettelstabe am nechsten / das ist / wer nichts rechtschaffenes gelernet / der hat auch keinen beständigen Grund. Wer nach allen Dingen zu greiffen sich unterstehet / der ist nicht wohl klug / also auch ein solcher / der sich um unnöthige Dinge bekümmert. Dieses kan auch auf den Ehrgeitz und auf die / welche nach grosser Ehre und Hoheit trachten / und die doch letzlich die Hoffnung betreugt / gezogen werden. Es ist nichts gemeiners / denn daß / wormit Einer umgehet / er desselbigen überdrüssig / und nach fremden Dingen trachtet. Wer arm ist / der verlanget Reichthum. Werreich ist / hat nicht genug: Wer keine Kinder / der will dieselben haben: Wer ihrer hat / der wäre sie gerne loß; Der Verehlichte verlanget Ehe-loß; Der Unverehelichte aber verehelichet zu seyn: Eine Privat-Person schämet sich seines Standes / und der in einem Stande ist / will höher hinaus. Ein Soldate klaget über Hitze / Hunger / und Frost / und wünschet daß er zu Hause bey den Seinigen sey; Die aber noch in dem häußlichen Köfigt stecken / deren Verlangen stehet heraus: Die Obrigkeit beschweret sich über die vorlauffenden mühsamen Händel; Der Unterthane aber / daß er unter eines andern Gewalt seyn muß: Ein Mühsamer empfindet seinen Verdruß / und ein Müssiggänger sein einsames Leben. Ein Kauffmann hält den Bauer für glückselig / weiler nicht reiset / sondern bey denen Seinigen sicher lebet: ein Bauer aber einen Kauffmann / weil er mit Gütern überfüllet; und nachdem also kein Stand sich an deme / was er hat begnüget / so findet sich auch Jederman über das / was er besitzet / beschweret. (Der Vernunfft un̅ der Geitzigen Gleichnisse und Eigenschafften mit dem Esel.) Als GOTT allerhand Thiere zu opfern befahl / verschonete er des Esels / und muste an statt seiner ein Lamm geopfert werden. Der Esel bedeutet den Menschen / und alle seine Wercke sind Opfer / die für GOTT nicht gelten: Darumb so muß auch das unschuldige Lamm für ihn sein Blut hergeben. Die Vernunfft gleichet dem Esel / welche offters nicht thut was sie soll / und begehrt was sie nicht soll: Darnach Einer ein Gehirne hat / so wird er auch geachtet. Eine glüende Kohle fasset man mit der Zange und nicht mit den Fingern: Also verrichtet auch der Glaube das / was die Vernunfft nicht zu erreichen vermag. Dort wollte Abraham / da er auf GOTTES Befehl seinen Sohn den Isaac opfern sollte / den Esei nicht mit sich auf den Berg Moria steigen lassen / sondern er muste zurücke bleiben. Grobe und Unvernünfftige können ohne den Glauben durch die Vernunfft nicht zu der Göttlichen Erkäntnis kommen. Wie ein Schütze der Scheibe fehlet: also auch der / welcher seiner Vernunfft zuviel einräumet; GOTTES Ordnung mit der Vernunfft ergründen / ist / als wenn man die Sonne mit einer Laterne wollte erleuchten. Das Kraut Cicuta / Schürling / oder Wüntzscherling macht / wenn man dessen viel geneust / nicht allein die Thiere gantz starrend / sondern auch dermassen schlaffende / daß sie fast keine Empfindligkeit mehr haben. In Hetruria hatte sich ein Esel mit diesem Kraute also angefüllet / daß man ihn auch mit dem stärckesten Prü [254] gel nicht aufzuwecken vermachte. Sein Bauer wuste von dieser starcken Wirckung nichts / sondern meinte / der Esel wäre durch einen Zufall gestorben / fieng dahero an dem Esel das Fell über die Ohren zu ziehen. Der Esel / so nunmehro das Kraut verdauet / und dieses seltzamen Grauens ungewohnet / erwachet darüber / sprang für Schmertzen auf / und lieff mit halb gestreiffter Haut darvon: Der Bauer wuste für Schrecken nicht / was er thun sollte / gieng seinem Esel nach / und fand ihn nach dreyen Tagen in einer Höhle todt. Unterthanen gehet es vielmahls nicht anders: Man schläffert sie durch allerhand Vorwendungen ein / bindet ihnen die Hände / und milcket sie / wie der Wolff das Schaff. Bey der heutigen Policey läufft gemeiniglich Boßheit und Betrug mit unter / und achtet man weder GOTT / weder Gerechtigkeit / noch die allgemeine Pflicht: Sie vermeinet / daß ihr alles / das zu dero Erhaltung / und Aufnehmen dienet / zugelassen / und weil sie allgemein / so müssen dergleichen Griffe nothwendig unter sich selbst streiten / und einander mit grossem Verluste der Unterthanen zu nichte machen; Weit besser aber ist es / wenn man von der Natur lernet / wie man eine jede Sache nicht zu hoch / und auch nicht zu gelinde treiben solle. Und gleichwie sich ein Hirte seiner Heerde Milch und Wolle also gebrauchet / daß er solche nicht gantz und gar biß auf das Blut aussauget: Also soll auch eine Obrigkeit das gemeine Wesen / als das Seinige dergestalt verwahren / damit solches im Fall der Noth für das Seine zu achten sey. Ein Land-Mann lässet sein bedürffendes Holtz nicht bis auf die Wurtzel umhauen / sondern die Aeste also behauen / daß sie wieder ausschlagen / und frischen Wachs bringen können. Die jenige Obrigkeit ist keine / welche sich nur selbst weidet / und nicht zugleich mit sür die Seinen sorget; sorget sie aber darfür / so erweget sie die Gleichheit der Ursachen / die Zeit / die Beschaffenheit der Auflagen / und gehet nicht mit denenselben um als mit einem Leibe / der mit Jhr sterben / sondern in den Nachkommen ewig bleiben soll / und weil sie von denenselben jährliche Früchte zu hoffen hat / so bewahret sie solche auf das beste / als eine Schaß-Cammer ihres Vermögens. König Alphonsus in Arragonien sagte: Ich schätze die für meine getreueste Unterthanen / welche sich / wenn es mir übel gehet / mehr fürchten / als wenn es ihnen durch mich übel ergehen möchte. Die Harmoni aller Regimenter in der Welt bestehet im Guten und Bösen / in Tugenden und Lastern / und muß in gleichem Klange erhalten werden. Eine freundliche Regierung / und ein lieblicher Sonnen-Schein macht alles lebhafftig: Jene dienet zu Aufnehmung und Beförderung des Menschen Wohlergehens / und dieser zu desselbigen Unterhalt / und Nahrung. Von einem Geitzigen / sagt man / er sey Salomons Esel / weil ein Geitziger nicht unbillich demselben verglichen wird. Der Esel ist grob / frisst was er bekömmet / nehret sich mit Stroh und Disteln / trägt auf dem Rücken eine schwere Last / und verrichtet die Arbeit worzu man ihn antreibet; Wenn er todt / ziehet man ihm die Haut über die Ohren / spannet sie zur Paucke auf / und macht sich also Einjeder / wenn sein Fell gerühret wird / entweder zum Schertze / oder Ernste fertig. Ein Geitziger / ob er schon bey der Vernunfft / so blendet ihn doch die Geldsucht so sehre / daß er / wie ein Esel mehr auf das irdische / als ein besseres Leben siehet / er suchet seinen Himmel im Kothe; was er hat / das braucht er nicht / und was er nicht hat / darnach trachtet er. Alle Laster nehmen bey dem Menschen ab / ohne allein die Begierde zu Gelde und Gütern nicht. Man sorget für das / was man nicht hat / und was [255] man besitzet / leget man hin. Und gleichwie ein mit Geld beladener Esel gleichwohl Kraut und Disteln frisset / also thut auch ein solcher unersättlicher Mensch weder seinem Leibe / noch der Seele Gutes: Er ist wie ein Dieb / der Andern das Geld aus der Küste stielet / und sich darneben das Marck aus den Beinen verzehret. Die Poeten dichten / daß der höllische Pluto auch ein Gott des Reichthums / darbenebenst aber ein Gott der Blindheit sey: Die Blindheit des Geitzigen ist allen Menschen verhasst / und gereicht ihm selbst zum Tode. Ein solcher ist / wie ein Esel niemahls frölich / er schläget sich Tag und Nacht mit der Bauch-Sorge / er fürchtet / wessen er sich nicht zu befürchten / und scharret zusammen / daran sich Andere sättigen könnten; Kein Schlaff kömmet in seine Augen / und keine Ruhe in sein Hertz / und wann Ihme also die Kräffte entgangen / so ist zwischen Ihm und dem Esel nach seinem Tode nur der Unterscheid / daß er die Haut annoch mit in das Grab nimmet. Die Menschen haben in diesem Leben zwey Haubt-Feinde nehmlich den Geld- und Ehr-Geitz / was Einer sammlet / das zerstreuet der andere. Wie nun dergleichen Leute keine Uhr bedürffen / weil ihre unzeitige Sorgen ihr Stunden-Zeiger sind; Also machen sie sich auch in diesem Leben eine gutwillige Hölle / behalten sich wie zur ewigen bevor. (Von Büffel. Gesnerus.) Der Büffel / oder Büffel-Ochse ist schwartz-grau / von dünnen Haaren / und zwey starcken breiten Hörnern / hänget den Kopff unter sich: der Halß und die andern Glieder sind den Ochsen gleich / ohne daß sie grösser / jedoch nicht so feiste und dicke / sein Schwantz aber ist lang / fast ohne Haare / und hinten etwas niedriger / als forne. Wann er noch jung / so ist er zahm / und schertzhaftig / so bald er aber erwachsen / wird er tückisch / und böse. Denn sobald man ihn erzürnet / so brüllet / scharret und stampset er mit den Füssen. Und ob er schon nicht scharff läuffet / rennet er doch zuweilen im Zorne durch Feuer / Waffen und Schwert / und beschädiget den / welcher ihm in Weg kömmet. Die rothe Farbe ist sein Feind / worüber er grimmig wird. Wann er ermüdet / sucht er Wasser / Pfützen und Bäche / und lässet sich auch mit keiner Gewalt darvon abhalten / biß so lange er abgekühlet. Die Kuh säugt kein ander Kalb als das ihrige / und so man ihr ein anders beybringet / stösset sie es von sich / es sey dann / daß man dasselbe mit Büffels-Kothe beschmiere. Von dem Büffel hat man ein gemeines Sprichwort; wenn man nemlich einen ungeschickten / tollkühnen / und unverschämten Menschen nennen will / so heißt man ihn einen groben / bösen / und ungeschickten Büffel / oder wenn man sich in seinem Vorhaben abwendig machen / und zu unbilligen und nachtheiligen Dingen bereden lassen / da sagt man: Diesen oder Jenen führt man / wie einen Büffel bey der Nasen herum. (Von Farren.) Zwischen den Farren und einen andern Ochsen ist dieses der Unterscheid / daß dieser geschnitten / Jener aber ungeschnitten / und ins gemein ein Stier / Bull-Ochse / Farre oder Bremmer genennet wird / welchen man zur Zucht gebraucht. Er ist aber an Gestalt viel heßlicher / grimmiger und zorniger / siehet auch viel kecker / und munterer als ein Verschnittener aus / hat kurtze Hörner / und forder-Hüffte / also daß er auch an demselbigen Orte die gröste Last seines gantzen Leibes hat. Er ist von Natur frech / stoltz und zornig: trägt seinen Kopf empor: hat seine Stärcke im Halse und in den Hörnern / und läßt seinen Zorn mit den fördersten Füssen mercken. Wann er gar zu wild / so schneidet man ihn / alsdann wird er feige / träge / demüthig / und lässet sich in den Pflug spannen. In Indien soll es roth-gelbe [256] (Plinius lib. 8. cap. 22.) wilde Ochsen geben / welche auf den Füssen viel schneller und behender / eine viel härtere Haut / wodurch man schiessen könne / als andere Ochsen haben. Es vermögen aber die Jäger solches Thier auf keinerley Weise (Isiodorus lib. 12. auch) zu fangen / als in den Gruben / worinne man Wölffe und Füchse fänget / und wann es hinein fället / soll es für Zorn offtermahls sterben. (Niemand soll seinen Feind verächtlich halten.) Alle Macht und Gewalt hat seine umschränckte Masse. Von dem Stiere wird gedichtet / daß / als er in dem Stalle in seiner Ruhe gelegen / da sey eine Mauß aus ihrem Loche gekommen / und habe denselben von hinten her so lange genaget / und gebissen / bis er zum Zorn beweget / und ihr hefftig gedrohet / wornach die Mauß zu ihm gesagt: Ob du wohl von starcken Leibeskräfften / so hast du doch nicht so viel Macht / daß du dieselbe an mir vollstrecken kanst. Ein Rauch steigt hoch empor / als wann er die Sonne bedecken wollte / und wird doch von einem kleinen Winde zertheilet. Ihrer viel sind an Macht und Gewalt den grossen Riesen / und am Verstande und Klugheit den Zwergen gleich: Was man durch Zwang treibet / das wird leichte wurmstichig. Ie grösser die Last / ie ehe schläget sie darnieder. Der Hase / und Fuchs läufft offters für einem Hunde / und kommen weiter / als wenn sie sich ihme unbesonnener Weise widersetzten. Und gleichwie ein Schiff mit Vernunfft und Gewalt regieret werden muß; Also kömmet auch denen zu / die sich einer Botmässigkeit und Herrschafft anmassen wollen. Es ist keiner so keck und kühne / er findet seines gleichen / wo nicht an Macht und Gewalt / doch an List und Verschlagenheit. Die Stärcke behält sonst gemeiniglich die Oberhand. Nachdem zwischen denen Archwern und Lacedaemoniern in Grentz-Sachen eintzige Strittigkeit vorfiel / zog Lysander sein Schwert aus der Scheide / und sagte: Welcher mächtiger ist / als dieses Schwert / der urtheile nun von unseren Landes-Grentzen? Hingegen rühmeten sich die Thebaner / daß sie gewaltiger / als die Lacedoemonier waren / denen verwies es höfflichen Einer mit Nahmen Cotys / und sagte: Ich habe zum öfftern die geringsten Bäche höher / als die grösten Wasser empor steigen sehen / alleine es hat ihre Gewalt nicht lange gewähret. Da man den weisen Diogenes fragte / was gestalt man unter Einem / der höher und grösser wäre / leben könte / sprach er: daß / gleichwie / wenn man sich zum Feuer allzusehre nahet / man sich verbrennet / also gebühret es sich auch mit einem solchen Menschen umzugehen / davon man keinen Schaden / noch Untergang zu gewarten hat. Niemand frolocke über den / welcher kleiner und geringer ist / als Er / denn es schadet offters ein kleiner Feind mehr / als ein grosser. Die Fabel vom Ochsen / und der Mauß lehret uns / wie wir unsere Kräffte selbst erwegen und nicht allemahl auf die Stärcke bauen sollen. Dann wo es zum äusersten kömmet / da eräugnet sich offters eine kleine Macht viel mehr / als man vermeinet. Ein Krieges-Heer ist nicht nach der Vielheit / sondern (Genes. 4. v. 14.) nach den Eigenschafften und Tugenden zu erkennen. Als der Ertz-Vater Abraham hörete / daß vier Heydnische Könige seinen Vetter den Loth gefangen hinweg geführet / nahm er 318. der Seinigen zu sich / schlug die Feinde / so mächtiger waren / als Er / verfolgte sie bis gen Dan / und nahm ihnen den Raub wieder ab. (2. Par. 14. v. 9. &c, Jud. 7. v. 16.) Assa der Dritte König in Juda / ward von dem Mohrenländischen König Serah mit zehenmahl hundert tausend Mann bekrieget / nichts desto weniger aber schlug und zerstreuete Er dieselben mit gar wenigen Volcke. Der Israelitische Fürst Gideon nahm 300. der Seinigen zu sich / [257] gab einem jeglichen eine Posaune / ledige Krüge und Fackeln in die Hand / gieng damit wider seine Feinde die Midianiter / schlug sie / und fieng zweene ihrer Fürsten den Oreb und Seb. Daraus erscheinet / daß dem Allerhöchsten einerley / ob Er mit wenigen oder vielen / den Bedrängten zu Hülse komme. (Man hat sich im Kriege nicht allemahl auf seine Macht zu verlassen. Justinus.) König Xerxes in Persien führete aus demselben Königreiche ein grosses Krieges-Heer in Griechenland / Er ward aber von 300. Lacedoemoniern bey dem Gebürge Thermopyle zurücke getrieben / hernach von dem Themistocle in der Schlacht bey Salamin überwunden / und endlich von dem Pausania gäntzlich geschlagen / und erleget: Alexander Magnus bezwang / so zu sagen / fast die Welt mit einem kleinen Krieges-Heer. Denn als er Orient bekriegte / so hatte er nicht mehr als 40000. bewehrte Mannschafft / und gleichwohl war er darbey so glücklich / daß er in dreyen Schlachten / als in der Einen bey dem Flusse Granico / bey Isso und Arbela gantz Orient eroberte / da doch der Feinde so viel waren / daß König Darius in Persien allein wider Ihn zehenmahl hundert tausend Mannschafft auf den Beinen hatte / also daß sich auch derselbe rühmte und sagte: wie er ihrer zehene gegen (Plutarchus. Dresserus in Millenario quarto. Eutropius. Dio.) des Alexandri Einen und drüber zu rechnen hätte. Der Römische Schultheisse Lucullus hatte kaum gegen dem Könige Tigranen in groß Armenien den zwantzigsten Theil / und nichts desto weniger richtete er der Feinde hundert tausend zu Rosse hin / da der Römer kaum hundert verwundet / und fünffe getödtet worden. Pompejus der grosse überfiel des Nachts den König Mithridatem in klein Armenien im Lager / und erlegte derselben viertzig tausend / da der doch nicht stärcker als zwantzig tausend Mann war. Keyser Carl der Fünffte verließ unter andern seinem Sohne / König Philippsen dem Andern / auch dieses zur Lehre: daß Ex eine Armee von einer gewissen Anzahl / die nicht zu groß / noch zu klein wäre / jederzeit auf den Beinen halten sollte. (Anton. Sab. lib. 6. c. 7.) Der Athenienser Feld-Herr Miltiades erschlug in dem mit den Persern geführten Kriege deroselben hundert tausend zu Fusse / und zehen tausend zu Rosse. Der Römische General Fabius Aemilianus war kaum dreyssig tausend Mann starck / und erlegte gleichwohl bey dem Flusse Rhodano zweymahl hundert tausend derjenigen Völcker / welches heutiges Tages Franckreich genennet wird. Streiche geben wieder Streiche / und ist offtmahls die Reihe kurtz: Von dem Eyro lieset man / daß ihn die Scythische Königin Tomyris endlich mit allen seinen Völckern dergestalt erleget / daß nicht Einer wäre übrig geblieben / der denen Seinigen solche Niederlage verkündiget hätte. Denn der Angriff wäre an einem solchen Orte geschehen / da keiner darvon (Plutarchus in Lacon.) kommen können. Non oportet percontari, quot sint hostes, sed qui sint: Man soll / sagte der Lacedämonische König Agis / nicht nachforschen wie viel der Feinde / sondern was für Leute / Hertzen / und Gemüther sind. (Panor. lib. 3. de Rebus gestis Alphonsi.) Als dem Könige Alphonso in Arragonien von Einem seiner Räthe zugemuthet wurde / daß / wann er 2000. fl. darauf wagte / wollte er verschaffen / daß der Venetianer ihr Schiffzeug zusamt ihren Schiffen / verbrenet werden sollte / sagte er: Betrug und List hättenzwar grosse Krafft / Er wollte aber lieber / die Venetianer mit Mannheit ehrlich bekriegen / oder es gar bleiben lassen. Es endigen sich nicht alle Kriege glücklich / allwo man eine grosse Menge Volckes bey der Hand / sondern diejenigen verrichten es / welche tapfer und mannlich sind: Der Thebanische Fürst Epaminondas (Font. lib. 4. c. 2.) überwand mit vier tausend Mann / darunter nur vierhundert Reuter / [258] das Lacedaemonische Krieges-Heer / welches doch am Fuß-Volcke vier und zwantzig tausend Mann / und sechzehen hundert Reisige starck ware. (Des Menschen Krieg mit sich selbst.) Wie nun der Mensch äusserlich seine Feinde / und nebenst solchen bald über die unfruchtbare Erde / bald über die Gefährlichkeit des Meeres / bald über die strenge Lufft / bald über die dürre Hitze / bald über die falschen Freunde / bald über das unbeständige Glücke / und bald über die flüchtige Zeit klaget: Also pfleget er auch mit sich selbst einen innerlichen Krieg zu führen / und wann derselbe gegen Jenen auf die Wag-Schale gelegt wird / so hat dieser letztere den allergefährlichsten Anfang / und ist eins von denen schwehresten / dadurch den Sieg zu erlangen. Denn wer in demselben sieget / der lieget unten / und welcher unten lieget / der sieget ob. Dieser Krieg wächst in dem Hertzen / und wann er daselbst ein Ende nimmet / so dienen die Thränen an statt der Büchsen / die Seufftzer an statt des Geschützes / und das Weinen an statt des Kampffes. Hier streitet die Liebe gegen die Furcht / die Mässigkeit gegen die Wohllust / die Verschwiegenheit gegen die Verläumdungen / die Freygebigkeit gegen den Neid / die Sanfftmuth gegen den Zorn / die Barmhertzigkeit gegen die Tyranney / die Frömmigkeit gegen die Boßheit / die Tugend gegen die Laster / die Gedult gegen die Rache / und der Fleiß wider die Faulheit. Man kämpffet nicht wider einen Hauffen der Feinde / sondern wider sich alleine / nicht öffentlich sondern heimlich / nicht auf offenem Felde / sondern in den Häusern / nicht mit blancken Schwertern / sondern mit den Gedancken / nicht mit deme / was man siehet / sondern was man empfindet / und welches das allerschwerlichste / so muß man sich lassen überwinden / wofern man sich anders des Sieges rühmen will. Und in diesem Kriege sind gewesen und umkommen alle fromme und tugendhaffte Menschen. Nichts kan in der Welt für grösser gehalten werden / als ein Hertze / welches alles Weltliche verachtet: Wenn wir bedencken / was wir sind / so ist unser Anfang die Vergessenheit / das Mittel die Mühe / und das Ende ein Schmertzen. Unser Leben ist nichts anders als ein Irrweg zum Gehen / eine Grube zum Fallen / ein Strick zum Berücken / und eine Falle darinnen man ermordet wird / also daß die Wenigsten zu dem gelangen / wohin sie begehren. Viel wissen ihre Feinde herzurechnen / und vergessen sich darbey selbst: Ein Narr ist in diesem Fall klüger / als der sonst Allerklügeste / alldieweil er sich an seinem Zustande begnügt / und gilt ihm gleich ob Er Armuth leide oder nicht; Wie der Philosophus Neotides gefragt ward / welches der beste Rath sey / antwortete er: Es kan dem Menschen nichts heilsamers wiederfahren / als wann er Andere um Rath fraget / und sich selbst nicht zu viel begrüsset. Dann ein Mensch kan keinen grössern Schatz finden / als wann er sich selbsten findet / und keinen grössern Verlust leiden / als wenn er sich selbsten verlieret / Er wird von seinem Leben betrogen / von den Wohllüsten überfallen / von Freunden verlassen / von Sorgen geängstiget / von mancherley Widerwärtigkeit angefochten / und endlich vom Ehr-Geitze begraben. Niemand empfähet von Einem mehr Leides / als Einer von sich selbst. Denn die vermessene Thorheit setzet uns uf die Höhe der Hoffart / der Neid und Ehr-Geitz vergifftet unsere Hertzen / der Zorn bläset [259] in dem Eingeweide das Feuer der Rache auf / die Wohllüste verführen uns zu denen allerverderblichsten Sünden / die Begierde zum Reichthume hält uns den Armen Gutes zu thun ab / und unser eigen Hertz lässet dem Fleische selbst zu / daß es sich wider die heiligen Gedancken auflehne. Wenn man die unkeusche Helena / die verliebte Cleopatra / die wohllüstige Camilla / und die freundliche Polyxene fragen sollte / über wen sie sich am meisten zu beklagen / so würden sie ihren Unfall / oder Unglückliches Ende / nicht so wohl ihren Buhlern / als ihren Begierden selbsten / denen sie zu viel gefolget / die Schuld beymessen. Die streitbaren Helden Pyrrhus / Hannibal / Marius Sylla / Marcus Antonius / Pompejus und Julius Cäsar wären viel glückseliger gewesen / wann sie sich selbsten nicht zu viel getrauet. Als König Demetrius den Welt-weisen Alchimium fragte / worinne des Lebens Mühe bestünde / sprach Er: In nichts / als in einer Unruhe. Einjeder trägt nach einem Könige / Fürsten / Bischoffe / Prälaten / Herrn / Edlen und Reichen ein Verlangen / und wann es möglich / daß er alle Stände durchgienge / so würde er doch in keinem kein rechtschaffenes Vergnügen empfinden. Der Philosophus Plautus lieff in seiner Jugend in den Krieg / ward ein Becker und Schneider / trieb Kauffmanschafft / und legte sich hernach wieder auf die Philosophi; da man ihn aber letzlich fragte / was demselben von diesem allen am besten bedünckte? sagte Er: Es ist kein Stand / der nicht verkehret / keine Hoheit ohne Gefahr / kein Reichthum ohne Mühe / keine Ehre ohne Sorge / kein Wohlleben ohne Bitterkeit / und da ich ja eintzige Ruhe gefunden / so ist es geschehen / da ich mich der weltlichen Händel / und Geschäffte entzogen / und zu den Büchern gewendet habe. So lange wir in der Welt sind / so tragen wir nach allen eine Lust und Begierde / wenn wir aber alles versucht / so ermüden wir uns darüber / und werden desselbigen alles überdrüssig. Wir suchen eine Sache zu erlangen / und bemühen uns hernach / wie wir dasselbe wieder loß werden mögen. Einem frommen Menschen ist kein Ambt böse / und einem Bösen kein Ambt gut: Saul war böse / und David fromm / und hatten doch beyde einerley Königreich. Der Priester Mathatias und Alcimus; die Räthe Achitophel und Cusi; der Apostel Petrus und Judas bedienten einerley Aemter / und befanden sich unter ihnen Böse und Gute. Da dem frommen Job Hauß und Hof einfiel / das Seinige verbrennte / und er um seine Söhne kahm / klagte er über nichts als über sich selbst. Der heilige Augustinus redet von solchem innerlichen Kriege also: O wie offt bin ich nicht mit Eisernen Ketten / sondern mit meinen eigenen Begierden gebunden worden? Wie offt habe ich nicht über meine leibliche Feinde / sondern über mich selbst / geschryen und geweinet / alldieweil ich dem Teufel meinen Willen gelassen. Wo soll ich hinfliehen / weil ich mir selbst zuwider bin? Der heilige Bernhardus redet hiervon dieses: Ich bin mir selbst eine Last / der Hunger machet mich unkräfftig / die Kälte verschrumpfet mich / die Wärme erhitzet mich / die Einöde betrübet mich / die Gesellschafft verdreußt mich / und welches das ärgste / so bin ich mit mir niemahls zu frieden.
|| [260]
Der Mensch ist sich selbst eine Last / wenn er sich so wohl Tages als Nachts mit Gedancken schläget / in der Hoffnung verzweifelt / in Haß und Zorn fortfähret / in Faulheit versauert; in Hoffart vertieffet / in Wohllüsten verharret / in Unzucht veraltet / in Guten verziehet / und nicht eher zu sündigen anfhöret / bis die Zeit vorbey / das Alter vor der Thüre / und das Leben für dem Tode erzittert. Aus welchem zu schliessen / daß der Mensch keinen grössern Feind als sich / und Niemands weniger / als sich selbst zu trauen hat. sc.
|| [ID00291]

Das Hiebevor in der Churfürstlichen Sächsischen Residenz
[arrow up]

Von denen damahls anwesenden Durchlauchtigsten Chur- und Hoch-Fürstlichen Personen repraesentirte, Nunmehro aber mit den Palmen des Eriedens / und Lorbeer der Gerechtigkeit / Weißheit / Hoheit und Ehre / umschränckte / und mit allerhand annehmlichen Lehren / nützlichen Exempeln / und politischen Gleichnüssen abgebildete Königreich.
|| [ID00292]
|| [263]
Uber das Königreich. REich / Scepter / Cron / un̅ Thron ist zwar gar bald gesagt Ein Königs-Huth scheint auch gar leichte seyn zu tragë / doch wer es recht bedenckt / wird es so leicht nicht wage̅ / Er habe denn zuvor sich wohl darum befragt. Die Cronen gleichen sich dem schönen Rosen-Blut / das mit dem Dornen-Strauch ist um und um umgeben: Ein rechter König seyn / heist auch recht elend leben / Indem er keinem recht und nach Gefallen thut. Alphonsus sagte dort von seiner Königs-Cron: Ach! wenn dir nur bekannt / was hinter Ihr recht stecket / Und legt' ich sie in Roth besudelt und beflecket / Du hübest Sie nicht auf / und giengest bald davon. Doch müßen Häubter seyn bey dieser großen Welt / Die Königreiche sind von GOTT erst zugelaßen / Es mag sie wer da will / aus Eigen-Sinn gleich haßen / Es muß auch uns gut seyn / was einmahl GOTT gefällt. Der setzet Cronen auf / und nimmt sie wieder ab / wird jetzt der Königs-Thron auch noch so hoch erhöhet / So ist es um ein Nun / daß er nicht mehr bestehet / Es ist gleich Andern Ihm bereitet auch das Grab. Hat ein Monarche sich auf seinen Stuhl gesetzt / So wird von ihm verlangt untadelhafft zu leben: Es wird Ihm Buch und Schwerd in seine Hand gegeben / dadurch das Gute lebt und Böse wird verletzt. Denn dieses muß Ihm ja seyn allerdings bekannt / Daß alle Reiche sind aus Gottes Händen kommen / Und daß sie auch von ihm bald werden weggenommen. Wohl / wer nur recht gebraucht der gleichen hohen Stand. Ist der Regente gut / so folgt ihm Hoff und Reich / Er ist der Sonnen gleich / hoch über all' erhoben / Scheint er mit Tugend vor / so ist er hoch zu loben / Und kömmt in aller Welt an Ruhm ihm Niemand gleich. Durch eines Herren Hoff wird auch das Haubt erkannt / Wann GOTTES-Furcht und Zucht in solchen Gärten blühet / die Falschheit / Heucheley bey Zeit aus selben ziehet / Was ist glückseliger als solch ein Herr und Land? Und wie ein Potentat / wie groß auch seine Macht / nicht allenthalben kan / was es zwar will / bestreiten / Er muß auch seinen Fuß von andern lassen leiten / Sonst stößt er vielmahl an / und tappet in der Nacht:
|| [264]
So muß Ihm Hülffe thun ein treugesinnter Rath; Denn Räthe kan umsonst man Augen nicht vergleichen / wodurch ein Fürste sieht; Soll anders nicht einschleichen was Land und Leute stürtzt / und man besorget hat. Ein kluger Schiffer ist zu suchen stets gefaßt gescheides Bootes-Volck; Ein Fürst muß Räthe wehlen die Zeit und Noth geprüfft; die Häupter die hier fehlen / verliehren bey dem Sturm Schiff / Ancker / Ruder / Mast. Wenn nun der Friede blüht dem Lande lunge Zeit / daß Cammern / Keller / Feld / von Vorrath übergehen; So wird es einem Herrn so übel nicht anstehen / wenn einen reichen Schatz zu sammlen Er gebeut. Damit wenn Noth hergeht / und Krieg und Unglück tobt / Man Lan und Städten Hilfft / doch nicht von Schweiß und Blute der Armen ausgepreßt / denn das kömmt nicht zugute / der Seelen eines Herrn / und wird auch nicht gelobt. Was für Gefährlichkeit stößt einem König für / zu mehren Reich und Land durch gantz verbothne Kriege / Gesetzt auch / es erfolgt erwündschtes Glück und Siege / So steht das Unrecht doch Ihm stetig für der Thür. Drum wird ein Potentat belieben keinen Krieg / Er sey auch wie er sey / vielmehr wohl überlegen / ja mehr denn tausendmahl; als laßen sich bewegen. Denn nichts mehr zweifelhafft in Kriegen als der Sieg. Und weil es anders nicht will seyn zu dieser Zeit / Als sich bald hier und da in Bündnüs einzulaßen / So wird durch treuen Rath man wißen sich zu faßen / Damit in Untergang nicht falle Land und Leut. Dahero stehet wohl zu keisen einen Mann / der das Gesandschaffts-Recht wieß treulich aus zuführen / Daß also Herr und Reich ja möge nichts verlieren / So steh Er für den Riß / so vieler immer kan. Zuletzt / so ist der Fürst beglückt / und Segens-voll / Wenn Fried und Einigkeit sich stets im Reich ausbreiten / Und gar zu keiner Zeit man hört von Krieg und Streiten / So wiß' Er wie Er GOTT nicht sattsam dancken soll. Die Feder ist zuschlecht ein gantzes Königreich zu faßen in ein Blat; drumb / wird dir / Leser / geben die nachgesetzte Schrifft / was sey des Königs Leben. Doch wer schreibt allen recht? Wir sind nicht alle gleich.
|| [ID00295]
|| [ID00296]
|| [265]
Alle Lönigreiche haben / gleich andern weltlichen Dingen / ihr bestimmtes Ziel. MAs einen Anfang / dasselbe hat auch ein Ende. Und dieses siehet man beydes an denen leb- und unlebhafften Creaturen und Gewächsen. Der Mensch wird gebohren / er gehet auch wieder zu Grunde. Die Blume wächst (Seneca in Epist. 91.) und verdirbt hinwieder. Alles was von sterblichen Menschen herrühret / das ist vergänglich / unbeständig und hinfällig. Der Mensch bringet öffters in vielen Jahren die grösste Arbeit vor sich / und / wenn man vermeinet / daß sie am langsten stehen sollte / so wird sie in einem eintzigen Tage vertilget. Was war herrlicher als Troja / was prächtiger als Carthago / was besser als Corinth / und was Majestätischer als das alte Rom? Wo aber findet man dieser letzteren ihre kostbarsten Amphitheatra? wo ihre ungewöhnliche Bäder? wo ihre so überflüssige aufgeführte Wassergänge? wo ihre stattliche Triumph-Bögen? und / wo ihre andere ansehnliche Gebäude? Die Erfahrung bezeuget es / daß sich die vormals grössten und gewaltigsten Königreiche heutiges Tages wegen ihres Unterganges kaum einem Fürstenthume oder geringen Herrschafft vergleichen. Denn gleichwie der Mensch in seiner blühenden Jugend / in seinem männlichen Alter / und erlebten Jahren zuweilen ein Gedächtnus nach sich verlässet / vielmals auch gar ohne Ruhm dahin stirbet: Also ist es auch mit allen Königreichen / Fürstenthümern / und Herrschafften beschaffen / welche ihren gewissen Anfang / Mittel und Ende haben / also daß derselben anjetzo / wo nicht gar / doch wenig mehr gedacht wird. Keyser Ferdinand der Andere hatte öffters in Gewohnheit zu sagen: Es hätten alle weltliche Dinge ihr gestecktes Ziel / und wäre nichts Neues / wenn auch das Keyserthum bey dem Hause Oesterreich aufhörete. Niemand wird leugnen / daß alle Königreich / Herrschafften und Republiqven natürlicher Weise wieder untergehen. GOtt setzet durch seine unerforschliche Weisheit einem jeden Königreiche seine Zeit / und bestimmet sie wie lange solches währen solle. Er machet Könige / und setzet sie auch wieder ab. Alle Gewaltige sind für Jhm nichts. Er bringet den Nierdrigen zum (2. Chron. 13. V. 11. 13.) Konigreiche / und stösset die / welche darinnen gebohren / davon. Der Jüdische König Manasse ward von dem Könige in Assyrien mit Fesseln gen (Judic. 6. V. 11.) Babel geführet. Der Held Gideon wurde aus einem Drescher ein Richter und Fürst in Israel: Saul aus einem Eseltreiber / und David aus einem Schaff-Hirten ein König und Gesalbter. Die alten Römischen Könige Servius Tullius / Servius Hostilius und Tarquinius Priscus waren alle geringen Standes. Keyser Probus / Aurelianus und Justinianus Bauern- und Hirten-Söhne. Keyser Vespasianus ein Gefreyeter: Keyser Macrinus ein Leibeigener: Keyser Basilius ein reisiger Knecht: Keyser Leo Isauricus eines Handwercks-Manns: Keyser Mauritius eines Advocaten / und Maximinus Papienus eines Messerschmids Sohn. Die Könige zu Og / Basan und Al waren alle aus Königlichem Geblüte / und wurden nichts desto weniger verstossen. Der König zu Babel Nebucadnezar war gewaltig und mächtig / seine Gewalt und Hochmuth aber erstreckte sich nicht so wiet / daß er selbst sein Reich erhalten kunte. Den Macedonischen König [266] Perseum führete P. Aemilius zu Rom in einem Triumphe auf; nachdem ab er derselbe zu Rom in dem Gefängnusse Hungers starb / wurde sein Sohn Alexander von dem Römischen Senatu zur Schule gehalten / und endlich ein Schreiber des Raths; der Andere aber lernete das Schneider-Handwerck. König Dionysium in Sicilien verjagte man wegen seiner Grausamkeit / und weil er Nichts zu leben lehrete er / gleich einem andern Schulmeister / zu Corintho die Knaben. Keyser Valerianus ward ein Gefangener des Königes in Persien / und in dem 70sten Jahre lebendig geschunden. Keyser Carl der dikke erlohr die Crone / und starb in einem Closter armseelig. Keyser Heinrichen Tacitus. den IV aber bekriegte und überwand sein eigener Sohn. Allers Weltwesen ist gleichsam ein Circul / welches ein Ring herum läufft. Ein Geschlechte gehet auf / das andere unter. Ein Königreich kömmt herfür / das andere gehet zu Grunde. Eine Stadt und Land nim̅t zu / ehe sie aber ihre Vollkommenheit erreichet / spinnet sie wieder ab. Ein Geschlechte geräth bald in den höchsten Stand / bald aber in die gröste Verachtung. Fatum, ut animantibus, ita etiam Regnis Civitatibusque inevitabile. Wie Alles / was ein Leben hat / auch dasselbe zu seiner Zeit wieder lassen mus: Also sind auch die Königreiche / Länder und Städte der Veränderung unterworffen. Es ist ein Gesetze der Natur / daß das / was jetzo im Schwange / bald wieder mit seinem Wesen vergehe. Nicht nur der Mensch / sondern auch alle Creaturen endigen sich. Ist es denen bestimmet / wie vielmehr denen Königriechen und Herrschafften dieser Welt / welche so vergänglich als die jenigen sind / so sie entweder mit Gewalt aufgerichtet / oder auf andere Weise an sich gebracht haben. Die Politici geben vor / es wären bey allen Königreichen viererley Fatal-Stücke / das ist göttliche Verordnungen / die weder der Mensch / noch dessen Rath und Stärcke zu hintertreiben vermöchte. Als 1. die Bestättigung desselben; die 2. die Satzungen / Erhaltung und Erweiterung dessen Grentze; die 3. Zeit und Jahr; und 4. die geführte böse Regierung der Jenigen / denen GOtt über andere zu herrschen gestattet. Die Chronologisten und Geschichtschreiber sind der Gedancken / daß die vornehmsten Königreiche nur an 500. Jahr / ohne etwas drüber / getauret / hernacher aber allgemach abgenommen / oder wohl gar untergangen sind; Etliche aber um ihrer Boßheit und (Sirach. 10. v. 4.) Sicherheit willen kaum die Helffte erreichet. Dahero auch der weise Mann saget: Wie in den Händen GOttes das Regiment stehe / damit der Mensch erkenne / wie GOtt über der Menschen Königreiche Gewalt habe / giebet solche / (Daniel. 4. v. 14.) wem Er will / und erhöhet die Niedrigen zu denenselbigen. Ist nun die Zeit der gehabten Herrschafft vorbey / und der König lebet mit seinen Unterthanen gotttlos / so begin̅et auch der Könige Ansehen zu wancken. Es ereignen sich Feinde: Es entstehet Aufruhr: Es stirbet das Königl. Geblüte hinweg: Das Land wird zertheilet / und eine jede Veränderung des Reichs beut der (Plutarch. in vita Alexand. Magni.) andern die Hand. Der Griechische König Alexander Magnus war nicht allem vor sich weise / sondern er hatte auch zur Zeit seiner Regierung die weisesten und verständigsten Leute um sich / deßwegen es auch nicht anders seyn kunte als daß Jhm Alles nach Glück und Wunsch gehen muste. Dafern aber Potentaten ihrem Königreiche nicht gnugsam vorstehen / sich von ihren verständigen Räthen nicht einreden lassen / den Lüsten ergeben sind / der Rache und dem Geitze nachhängen / die Jhrigen mit unnöthigen Steuern und Satzungen bedrengen / bey ihrer einmahl gefassten üblen Meinung verbleiben / und hitziger Leute Rathschlägen folgen / so entstehet daraus nichts als Boßheit / Schand und Laster / man führet verkehrte Consilia, die Gemüther der Unterthanen werden verbittert / es entspringen daraus [267] heimliche Verbündnüsse / allerhand Zwiespalt / Aufruhr / Eyfer / Ungerechtigkeit / und endlich der Untergang und Ruin aller Königreiche und Fürstenthümer. (Was bey einer Königl. Regierung nöthig.) Der Römische Scipio wollte dem gemeinen Gebrauch nach / in seinem Gebete nicht diese Worte Dii! augete Rempublicam, sondern dasselbe hinzusetzen: Conservater Rempublicam: O ihr unsterblichen Götter! euch bitter Ich / erhaltet das Römische Reich bey deme / was es jetzo besitzet. Da Julius Caesar in der Pharsalischen Schlacht den grossen Pompejum überwunden / hat man Jhm hernach sein Bildnus auf eine Welt-Kugel / in der Rechten ein Schwert / und in der Lincken ein Buch mit dieser Uberschrifft gemahlet: Ex utroque Caesar. Wodurch man andeuten wollen / daß man nicht allein durch Wehr und Waffen / sondern auch durch die freyen Künste und heilsame Rathschläge regiere. Sobald an statt des Fleisses und der Arbeit die Nachlässigkeit und Trägheit / an statt der Gerechtigkeit die Unbilligkeit / an statt der Vorsichtigkeit die Unbesonnenheit / an statt der Demuth / Pracht und Hoffarth / und an statt der Pietät die Ruchlosigkeit getrieben wird / da wendet sich das Blat eines Königreichs. Wie man den Lacedämonischen König Agesilaum Magnum fragete / ob die Tapferkeit oder Gerechtigkeit einem Königreiche am besten anstehe? Gab Er zur Antwort: Wofern nicht die Gerechtigkeit darbey / so ist die Tapferkeit wenig nütze. Wie man ein Königreich an sich bringet / auf solche Weise muß es auch erhalten werden. Die Hertzen der Unterthanen hat man also zu lencken / daß sie entweder gerne / oder wider ihren Willen / beym Gehorsam verbleiben. Eines geschiehet durch die Sanfftmuth und Gelindigkeit / das andere aber durch Zwang und Schärffe. Gebrauchet nun ein König hierunter sein Ansehen / so werden sie beyde gleichsam zusammengefesselt / und mit einander verbunden. (Sirach 10.) Der weise Mann saget: Ein Königreich wird wegen seiner Gerechtigkeit von einem Volcke auf das andere gebracht. (Warum Königreichs verderben.) Alle Länder gehen zu Grunde / welche von den Unerfahrnen regieret werden. Salomons Sohn verlohr auf einmahl / wegen der unverständigen Räthe Rathgeben / zehen Königreiche. Der weise Solon sagte: Es ist keine Kunst ein Herr über ein Königreich zu seyn / wohl regieren aber rühret von den Göttern. Die Uneinigkeit im Regimente brachte die Römer zur Dienstbarkeit. Ein Reich / das viel Herren hat / dauret nicht lange. Wenn GOTT ein lasterhafftes Königreich straffen will / so beraubet Er den Obern die Vernunfft / macht die Unterthanen / daß sie gleichsam rasend werden / und verkehret sie in ihrem Sinne und bösen Anschlägen. Wenn Könige wohl regieren / so ist es eine Gabe GOttes; mißhandeln sie aber / und deß Volckes Verbrechen kömmet darzu / so hängen beyderseits Sünde aneinander. Wie sich die Unterthanen verhalten: also verändern sich auch Potentaten. Ist ein Volck böse und ruchlos / so mißlinget auch die Obrigkeit / und die / welche sich zuvor wohl angelassen / werden zu bösen Regenten. Hält der Mächtige das gemeine Volck übel / so begehret der Pöbel die Gewaltigen zu überfallen: Will der Gewaltige sie drücken / so suchen diese sich zu rächen. Sind nun das Haupt und die Glieder uneins / so folget auf Eines und das Andere der Länder Untergang. Zwey Dinge sind in disem Leben / welche dem Menschen sehr nüßlich. Das Eine ist das gute Glücke / das Andere ein weiser Rath. Wo diese beysammen / da stehet ein Königreich feste. Wenn man aber sein eigenes Wesen nicht wohl versorget / vielweniger kan man Land und Leuten wohl vorstehen. Als hiebevor der Tartar Cham die Schlacht wider den Groß-Fürsten in Moscau erhalten / [268] hat er aus desselben Hirnschale ein Trinck-Geschirre machen / und diese Worte hinzu schreiben lassen: Aliena appetendo propria amisit: Indeme dieser anderer Leute Länder begehrete / hat er darüber seine eigene verlohren. (Strabo.) Es ist schwerer eine Provintz erhalten / als eines Andern Land darzu machen; Und wie man mit Macht und Gewalt ein Königreich gewinnet: also kan man es anderer Gestalt nicht als mit Recht und Billigkeit erhalten. Soll aber ein Regiment wohl bestellet / und beständiger als Andere seyn / so erfordert es hierzu eine grosse Klugheit und Vorsichtigkeit. Man muß hierinnen Personen haben / die von guter Experienz und Erfahrung sind / welche die Dinge wohl abfassen / und zugleich auch solche wollziehen können. Und / wie ein unbändiges Pferd sich nicht alsobald nach deß Bereiters willen zähmen und satteln lässt: Also gehöret auch zum Zwang und Gehorsam der Unterthanen Schärffe und Gelindigkeit. Greiffet man zum Kriege / so erfordert derselbe eine militarische Wissenschafft / und wie man solchen offensivè und defensivè führen solle. Will sich ein Regent bey dem Volcke beliebt machen / so muß Er wohl reden. Die Sprachen und erlerneten freyen Künste schärffen nicht allein desselben Verstand / sondern sie ziehen auch in denen Regiments-Sachen den grösten Nutzen nach sich. Hat ein Herr über viel entlegene Länder zu gebieten / so soll Er dererselben natur / Sitten und Gewohnheit wissen / damit Er sie in schuldigem Gehorsam behalte. Fallen zweifelhafftige Dinge vor / so soll man auf solche Mittel dencken / wie denenselben am besten möge geholffen werden. Niemals soll man sich in fremde Händel mischen / es geschehe denn / daß man darbey interessiret. Allezeit mit dem Kopfe hindurch ist gefährlich / sondern man soll dißfalls nachgeben / und sich als ein verständiger Schiffmann bey ereignetem Ungewitter erzeigen. Alle Neuerungen sind schädlich / und einer mercklichen Gefahr unterworffen. Darum ist es sicherer Etwas gemachsam vornehmen / als damit zu geschwinde verfahren. Nichts hat man ohne Berathschlagung zu thun / noch bey antretendem Königr. sich zu etwas bereden zu lassen / ehe man sich in der Regierung feste gesetzet / und dieselbe beständig unter sich gebracht. Will man von Einem so wohl als dem Andern geliebet und geehret seyn / so bezeuge man sich gegen einem jeden geneigt und gewogen. Denn welchen man einmal aus der Wiege geworffen und beleidiget / dem traue man nicht zu viel. Ereignet sich zwischen Ihme und dem Lande ein Mißverstand und Unwillen / so setze man sich nicht gerade darwider / sondern man verziehe so lange / bis sich hierzu eine bessere Gelegenheit ereignet / damit man mit desto weniger Gefahr und geneigterm Willen der Unterthanen zu dem abgezielten Zwecke kommen könne. Und daferne auch wichtige Sachen / daran dem Lande viel gelegen / unter der Hand / soll man sie reiflich überlegen / und keine Zeit / solche werckstellig zu machen / (Vellejus Paterculus lib. 2.) vorbey lassen / wo nicht / so ergehet es wie den Römern. Den̅ nachdem Scipio Africanus den Hannibal geschlagen / und die Stadt Carthago unter der Römer Bottmässigkeit gebracht / eröffnete Er zwar den Römern den Weg zu der grösten Macht und Hoheit / allein der andere Scipio machte Ihnen Thür und Thor zu allerhand Wollüsten / Pracht und Uppigkeit angelweit auf / und weil sie vermeinten / sie wären nunmehro Herren der Welt / so wiechen sie allgemach von den Tugenden ihrer Vorfahren ab / stürtzten sich gleichsam lebendig in die allerschändlichsten Laster / verliessen Zucht und Tugend / geriethen von der Wachsamkeit in den Schlaff / von den Waffen zur Wollust / und von ihrem tugendhafften Wandel in denschnödesten Müssiggang. (Der Königreiche Ursprung.) Damit wir aber sehen / wie alle Königreiche ihren Ursprung und Veränderung haben / auch von GOtt gekom̅en sind / so wollen Wir dasselbe nicht [269] allein gleich in einem kleinen Gemählde abbilden / sondern auch / wie Könige wohl regieren / und hingegen wir uns gegen sie verhalten sollen / (Guevara in Epist. c. 2.) auf das kürtzeste vorstellen. Vor Zeiten nenneten die Alten / und zwar die Aegyptier / ihre Könige Pharaones / die Bithynier Ptolomeos / die Parther Arsacitas / die Lateiner Muranos / die Albanenser Sylvios / die Siculi Tyrannen / und die Achiver Reges. Der Königliche Stand war vorzeiten keine Dignität / sondern ein Amt / da man Einen zu einem Stadthalter erwählete. Anfangs nennete man die Jenigen / welche man über (Plutarch. de Republie.) ein Land oder Stadt gesetzet / Tyrannen; nachdem man aber sahe / daß diese die Regierung mit Gewalt auf die Ihrigen brachten / und mit den Unterthanen ihres Gefallens lebeten / bekamen die bösen Regenten den Nahmen Tyrannen / und die Frommen den Nahmen der Könige. Dahero auch Isocrates saget: Ein König soll allezeit dahin trachten / daß Er frömmer (Dionysi??? Halicarnasseus.) erfunden werde als die Jenigen / denen Er zu gebieten hätte / und weil dieses ein natürliches Gesetze / daß die Frömmsten über die Andern herrschen sollten / so müsten auch diese den Andern vorgehen / diese aber sich an Jener Leben / Wandel und rühmlichen Thaten bespiegeln. Die Achiver meineten der erste König wäre Pharoneus / die Greichen einer mit Nahmen Dador Laomon gewesen. Cedrenus hält dafür / daß um das Jahr der Welt 1800. zur Zeit der Väter Regu und Seru die Leute hätten angefangen über einander mit Gewalt zu herrschen / und wer den Andern am meisten zu unterdrucken vermocht / der wäre König genennet worden. (Nimrod wird für den ersten König und Monarchen gebalten.) Siehet man aber die Schrifft / die Zeit und Geschichte an / so ist das Regiment sehr alt / und hat sich bald nach der Sündfluth mit dem Nimrod zu Babel und seinen Nachkommen angefangen / auch nachgehends die Nahmen der Könige in den Ländern dermassen vermehret / daß sie bis auf den heutigen Tagverblieben. Dieser Nimrod / so deß Chus Sohn / fieng an / sagt die Schrifft / ein gewaltiger Herr auf Erden / und ein gewaltiger Jäger (Gen. 10. v. 9. 10.) für dem HERRN zu seyn / und der Anfang seines Reichs war Babel / Erech / Arad und Chalne im Lande Sinear. Etliche geben vor / daß derselbe nicht ohne Ursach zu solcher Herrschafft gelanget. Denn nachdem Er gesehen / daß ein Jeder gethan was Er gewollt / weder Friede noch Einigkeit geliebet / sondern allerhand Zwiespalt / Feindschafft / Todschlag / Hader / Zanck und Empörung angerichtet / so habe Er nothwendig darein greiffen / und sich einer solchen Bottmässigkeit / Zwang und Gehorsam anmassen müssen. Andere aber behaupten das Gegenspiel / und sagen: Daß Nimrod aus einem besondern Frevel / Ehrgeltz und Hoffart über Andere zu herrschen sich unterstanden / einen Anhang gemacht / und durch solche seine Gewalt sich der Menschen bemächtiget / die unter sein Joch gebracht / und zu dem Ende Städte / Schlösser und Festungen gebauet / damit / wenn sich etliche Völcker wider Ihn auflehneten / Er und die Seinigen darinnen sicher seyn / sich allda beschützen und Sie daraus bekreigen / und Er Ihme / wie die Schrifft meldet / mit Erbauung solcher gewaltigen Städte / insonderheit deß Thurns zu Babel / einen unsterblichen Nahmen machen / und also männiglichen dadurch eine Furcht einjagen möchte Und darum nennet Ihn auch die Schrifft einen gewaltigen Jäger für dem HERRN / alldieweil Er an seinem Erbe und Eigenthum nicht begnüget gewesen / sondern weit um sich gegriffen / die Menschen und Länder an sich gezogen / Sie von den Ihrigen verjagt und vertrieben / mit gewissen Satzungen und Auflagen beschweret / Dienste und Fröhnen auf den Hals gebürdet / und also für und wider den Herren ein gewaltiger Jäger alle die Jenigen / [270] so sich nicht unter sein Joch bücken wollen / zu jagen und zu plagen gepfleget. (Josephus l. 1. Antiq. Judaic. c. 9.) Er ist nicht allein ein freudiger / kühner / frecher / starcker / und ansehnlicher Held / sondern auch ein verständiger / spitzfindiger / verschlagener / auch in der Philosophi / Astronomi / und Magia erfahrner Mann gewesen / der sich durch solche seine Kunst etwas bedüncken lassen / und dahero (Methodius??? in lib. Revelat.) für seine Person sicher / verwegen / hoffärtig und gottlos / wie nicht weniger Andere darzu angereitzet / die von dem wahren GOTT verführet / neue Gottesdienste angerichtet / und die Leute genöthiget / das Feuer anzubeten. (Der I. Monarchie Anfang und andere darinnen entstandene Königreiche A M. 1718.) Dieses ersten Königreiches Urheber war nun / wie gedacht / dieser Nimrod. Es wird aber von diesem Königreiche nicht verstanden / als wäre damals das gantze menschliche Geschlecht allein von Ihme regieret worden / sondern weil dasselbe viel Land und Leute in sich begriffen / und die andern Könige in Zaum halten können / so hat man es höher als die andern geachtet / und sind immittelst neben dem beruffenen und streitbaren Aegyptischen / (A. M. 1861.) das Sicyonische / so sich 104. Jahr nach der Sprachen Verwirrung (A. M. 2093.) zu Peloponnes anfieng / der Argiver in der Landschafft Pelopon̅es / dessen erster (A. M. 2124.) König Inachus war: Das Teutsche unterm König Hermann / einem Sohn Ingevons / deß Manni Enckel / und deß Ascanis Uhr-Enckel: Das (A. M. 2371.) Thessalische von dem Thessalo deß Pelasgi Sohn: Das Atheniensische / (A. M. 2488.) Dardanische oder Trojanische / Phrygische / Syrische / Lateinische / Corinthische / Cretensische / Lydische / Albanische / Spartanische / Moabitische / Hethitische / Israelitische / Tyrische / Zidonische / Macedonische und andere Königreiche mehr aufgekommen. Bey diesen Aegyptischen und Assyrischen beyden Königreichen hat die Kirche GOttes nicht wenig Drangsal erdultet / indeme unter dieser Monarchie die Abgötterey dermassen über Hand genommen / daß auch GOtt den Ertz-Vater Abraham aus Chaldaea berieff / und Ihn um solcher Abgötterey willen zu seinen Vorfahren / den Sem / und andern Ertz-Vätern brachte. So lange das Königreich Israel die Abgötterey hassete / da bliebe es für dem Chaldäischen und Assyrischen Reiche mit Krieg unangefochten: Nachdem aber dieselbe auch bey Ihme einrieß / und seine Könige unter sich selbst einen Mord und Aufstand nach (2. Reg. 18.) dem andern anrichteten / da straffte GOtt solches / daß durch den Assyrischen König Salmanassar das gantze Königr. Israel oder Samarien eingenommen / (2. Reg. 24. Jerem. 19. v. 25.) und die zehen Stäm̅e Israels in Assyrien hinweg geführet worden. Und nachdem auch das Königr. Juda durch ihre Könige einen und den andern falschen Gottesdienst anstellete / die Abgötterey hegete / und hingegen die reine Lehre GOttes hindan setzete / erzörnete sich GOtt gleicher Gestalt über dasselbige / ließ die Stadt Jerusalem durch den König von Babel einnehmen / und das beste Volck gefangen gen Babel hinweg führen / welches 133. Jahr nach der Zerstörung deß Königreichs Israel auch erfolgete. Gleichwie aber der Allerhöchste bey seinem grösten Zorn die gröste Barmhertzigkeit sehen lässet: Also ließ Er auch / um deß verheissenen Messiä willen / durch den Propheten Jeremiam / Zephoniam / Habacuc und Ezechiel denen gefangenen Jüden diese Vertröstung geben / daß sie nach 70. Jahren wieder aus der Babylonischen Gefängnus sollten erlöset / der Tempel gebauet / und das Jüdische Regiment wieder aufgerichtet werden. Welches auch nachgehends durch den König Nebucadnezar / und desselbigen Sohne Evilmerodach / als Werckzeuge seiner Wunder geschahe. Nachdem aber König Belsazar / deß Evilmerodachs Sohn den wahren GOtt auf einem Panquete lästerte / die jenigen heiligen Gefässe / welche sein Großvater Nebucadnezar [271] von Jerusalem hinweg geführet / verunehrete / und sie zu einer Füllerey (Xenoph. lib. 7. de Paedia.) mißbrauchete / ward er deß Nachts bey seinem Fressen und Sauffen überfallen / und von ihrer zweyen / Gobrya und Godata erstochen / also daß hierdurch nachgehends dieses Königreich / nachdem es bald die Chaldoe??? er / bald die Assyrer / bald wieder die Chaldoe??? er oder Babylonier besessen / von den Medern auf die Perser gebracht worden ist. Von dem Könige Belsazar aber lieset man folgende Verse: Splendida dum celebrat positis convivia mensis Belsazar, imperii regia Sceptra tenens. Dum mentem exhilarat magnâ Babylonis in aulâ, Evacuans largo pocula plena mero, Invitatque??? suas Baccho Uxores???que, Lupas???que, Foedè conspurcans vasa sacrata Dei. En! Cyrus, vasti siccato fluminis alveo, Sese infert intra moenia victor ovans. Belsazar ipse luit dignas pro crimine poenas, Et manus Evantum Marte peremta cadit. Sic nox Chaldaico regno tulit unica finem, Aurati Capitis quod priùs instar erat. Ipse???que (fata Deo sic disponente) Darius, Cum Cyro ad Persas transtulit Imperium. Da Belsazar sein Reich und Krone wenig achte / und seinen Fürsten gab ein Königlichen Schmauß; Da Er sich auf der Burgk zu Babel lustig machte / und leerte die mit Wein gefüllten Schaalen aus: Da Er sich eben mit den Huren vollgesoffen aus dem / was sonsten GOtt zuvor geheilget war; hat Cyrus einen Furt durchs Wasser angetroffen / und bald darauf die Stadt erstiegen ohn Gefahr. Hier sollte Belsazar für seine Bosheit leiden: Hier wurde seines Heers im Streite Er beraubt / und must' in einer Nacht von seinem Reiche scheiden; So gieng auf einmal weg das vormals güldne Haupt! Bald wurde Scepter / Cron von Babylon geführet; Darius / Cyrus nahm die Länder vollends ein / und weil man GOttes Hand hierinnen klar gespühret / so muste dieses Reich der Perser eigen seyn. (Der II. Monarchie Anfang A. M. 3412.) Regenten sind GOttes Wercke. Er setzet Könige ein und ab / um der Gewalt / Unrecht / und deß Geitzes willen kömmt ein Königreich von einem Volcke auf das andere. Darum sollen sich Potentaten hieran spiegeln / daß sie lernen fromm / gottsfürchtig und mässig seyn. GOtt selbsten begabet Regenten mit Weisheit und Tugend. Er rüstet sie / dem menschlichen Geschlechte zum besten / mit Wohlstand / Recht und Gerechtigkeit aus / [272] und verschaffet / daß das jenige / was für menschlichen Augen unmöglich zu seyn scheinet / zu Wercke gesetzet werde / wie solches alles an dem ersten Persischen Monarchen dem Cyro zu sehen. Denn nachdem dieser nach vielen harten Kriegen die Jonier und Lydier unter sich gebracht / so hat er auch folgends das Chald???ische oder Assyrische Reich erobert / und ein Regiment daraus gemacht. Dem Ursprung nach war Er eines Persischen Fürstens Sohn / seine Mutter deß Königes Astyagis / in Meden Tochter / und hatte zu seinem Rathe den Propheten Daniel. Sobald er sich dessen Königreichs bemächtigte / verstattete er dem gefangenen Jüdischen Volcke wieder in ihr Vaterland zu ziehen / die Stadt Jerusalem und den Tempel zu bauen / und verordnete Ihnen hierzu gewisses Einkommen; also / daß hierdurch deß Propheten Propheceyung der 70. Jahre vollendet worden. Nachdem aber Cyrus eilff Jahr darauf die Scythische Königin die Tomyris bekriegte / und in der Schlacht umkam / hintertrieb sein Sohn Cambyses / als ein gottloser und boshaffter König / den Bau zu Jerusalem / bis König Artaxerxes Longimanus Cyri Edict wieder herfür suchen / die Gebäude in der Stadt und den Tempel-Bau verstattete / nud sieben Jahr darnach viel Geschencke dahin senden ließ. Dieses Königr. bestunde in 10. aufeinander folgenden Königen / als den Cyrum / Cambysem / Darium / Hystaspen / Xerxem / Artaxerxem Longimanum / Darium Nothum / Artaxerxem Mnemonem / Artaxerxem (Thucydides.) Ochum / Arsamem / und Darium Codomannum. Cyrus herrschete nach Darii Königes in Meden Tode über Assyrien / Meden / Persen bis an das Jonische Meer / bezwang die Jonier und Lydier / und brachte sein Alter auf 70. Jahr / als er 30. Jahr regieret hatte. Sein Sohn Cambyses bekriegte das Königreich Aegypten / war ein berühmter Kriegesmann / darbey sehr lasterhafftig / und hatte bey weitem deß Vaters Tugenden nicht an sich; ließ seinen Bruder und Schwester um Verdachts willen hinrichten: Dem Richter Sisamnes die Haut über die Ohren ziehen / sie über den Richter-Stuhl spannen / und seinen Sohn zum Richter drauf setzen. Darius Hystaspis erlangete durch seines Stallmeisters List die Regierung / croberte durch Treue deß Zopyri die Stadt Babylon / bekriegte die Athenienser / welche Ihm aber bey Marathon in die zehen tausend erschlugen. Sein Sohn Xerxes überzog Griechenland mit zehenmahl hundert tausend Mann / die Athenienser aber schlugen Ihn bey der Insul Salamin. Er ließ aus Hochmuth das Meer peitschen / weil sich dasselbe sehr ungestüm̅ erwiese / und vermeinete es mit Fußeisen zu bändigen / und nachdem er auch bey Platea von dem Pausania und Aristide zu Lande war geschlagen / kehrete er mit schändlicher Flucht zurücke / und soll sich aus Kummer selbst vergeben haben. Artaxerxes Longimanus machte hernach mit den Griechen Friede. Darius Nothus aber ist der / welcher sich seiner Buhlschafft der Parysatis Tod so hefftig zu Gemüte gezogen / daß er sich auch nicht wohl wollte trösten lassen. Nachdem aber der Philosophus Democritus sich gegen Ihm heraus ließ / daß er Ihm / wenn er dreyerley benöthigte Mitte hierzu verschaffte / die Verstorbene wollte wieder zu wege bringen / ward Er / der König / hierüber froh / und befahl / er sollte begehren was er wollte / es sollte Ihme damit gewillfahret werden. Democritus begehrte dreyerley Namen der Menschen / welche die Zeit ihres Lebens ohne Weinen / Trauren und Unglück gelebet hätten / damit Er dieselben auf der Verstorbenen Grab legen möchte. Als aber der König solches nicht werckstellig zu machen vermochte / sprach Democritus: So handele er thöricht / wenn er das / was der Natur zuständig / und dieselbe wieder zu sich zöge / wollte wiedet??? [273] sordern. Artaxerxes Mnemon brachte seinen Bruder Cyrum den Jüngern unter sich. Denn nachdem er in klein Asien und Lydien herrschete / und sich mit seinem Antheil nicht vergnügete / führete er wider den König die Waffen / und wurde auch / wie gedacht / darbey überwunden und ermordet. Seine Armee bestund damahls in zwölffmal hundert tausend Mann / und 200. Sichelwägen. Nachdem Mnemon besaß Ochus / so aus dreyen der jüngste war / das Reich / welcher unter andern grausamen Thaten auch seine zwey Brüder ermordete / die Stadt Sidon durch Verrätherey eroberte / und sie nicht allein / als Ihm die Unterthanen einen Fußfall thaten / und Gnade begehreten / anzündete / sondern auch darinnen viertzig tausend Menschen verbrennen liesse / bis Er von Einem seiner Unterthanen und Fürsten / Bagoas genannt / umgebracht / und Darius Codomannus das Reich bekam. (Sleidan9. Plutarch. in Alex. Justin. Matthiae Theatr. Histor.) Dieser Darius geriethe mit dem Macedonischen König Alexandro Magno in einen Krieg / und zwar so geschahe der erste Angriff / oder die Schlacht / durch seine Generals-Personen / bey dem Flusse Granico in klein Myseien; die andere bey der Stadt Isso in Cilicien / nicht weit von dem Berg Amano; und die dritte bey Gangamela. Ehe die erste Schlacht angieng / hielte Darius hierüber mit seinen Fürsten Kriegs-Rath. Einer mit Nahmen Memnon Rhodius riethe / daß man den Feind nicht in deß Reichs Grentzen kommen lassen / sondern vielmehr mit gesamter Hand den Feind selbst in seinem Lande suchen sollte; es wollte aber dieser Rath nichts verfangen / indem König Darius hochmüthiger Weise sich auf seine Macht / welche damahls hundert tausend Fuß-Völcker / und tausend Reiter / des Alexandri aber nicht mehr als 32000. zu Fusse / und fast 5000. zu Pferde bestunde / verliesse / sich einen König alle Könige / einen Bluts-Verwandten der Götter / und den Alexandrum seinen Diener und Knecht nennete / auch darbey seinen Generalen befahl / daß Sie dem unbesonnenen Jüngling dieses sein kindisches Vornehmen ernstlich verweisen / und Ihn / wenn Sie denselben geschlagen und überwunden / in einem Purpur-Kleide überantworten sollten. Der Ausgang aber war dieser: So bald als Memnon und andere Persische Fürsten bey dem Flusse Granico ihr Läger aufschlugen / und Alexander mit grosser Tapferkeit hinüber kam / fielen Sie denselben an. Alexander hielte sich männlich / triebe deß Darii Eydam / den Mithridatem / und dessen Bruder den Rosacem / und andere berühmte Persische Herren / wiewohl nicht mit geringer Gefahr / zu rücke / bis daß die Perser die Flucht nahmen / (Plutarch. Diodor9 Siculus.) so gar / daß derselben zwantzig tausend zu Fusse / zwey tausend fünff hundert zu Rosse erleget / und an die zwantzig tausend gefangen worden / auf Seiten deß Alexandri Magni aber gar wenig geblieben. Die andere (Praeliun. ad Issum.) Schlacht geschahe / wie gedacht / bey Isso: Denn / nachdem Darius und die Seinigen geschlagen / beschloß Er persönlich wider den Alexandrum zu (Diodor9 Siculus.) ziehen; Dannenhero Er vierhundert tausend zu Fusse / und hundert tausend zu Rosse verschriebe / welche ihren Muster-Platz um Babylon hielten. Als aber Alexander Magnus eine so überaus grosse Menge Volcks in dem engen Gebürge einherführen sahe / bedünckt es Ihm / wenn er den Feind daselbst angrieffe / am bequemsten zu seyn. Derhalben brach er dem Feind zur Seiten ein / und brachte Ihn / nachdem man zu beyden Theilen tapfer (AElianus.) gestritten / zur Flucht. Wie deß Darii Armee getrennet / flohe Er gleichfalls auf einem Mutterpferde / welches um ihres hinterlassenen Füllens willen desto hefftiger forteilete / davon. In welcher Schlacht denn die tapffersten Persischen Fürsten / nebenst hundert und dreyssig tausend erleget / [274] da man gegentheils von des Alexandri Magni Kriegesheere nicht mehr als 33. zu Fusse / 150. zu Rosse vermisset / und 504. verwundet worden. Es wurden auch in den Gezelten des Darii Mutter die Sisygambis / dessen Gemahlin die Statira / ihr sechsjähriger Sohn Ochus / und 2. mannbare (Plutarch.) Töchter / samt dem Königlichen Hause / gefangen; und schreibet man / daß König Alexander in das Königliche Gezelt kommen / und die grosse Pracht und Herrlichkeit daselbst gesehen / Er zu denen Seinigen gesagt: Quid? Num hoc est regnare? Und obwohl Darius hierauf dem Alexander grosse Vorschläge that / und Ihme die Helffte sienes Königreiches zuentbieten ließ / so wollte doch dieser solches nicht annehmen / sondern gabe vor / daß gleichwie die Welt nicht zwey Sonnen / also könte auch ein Reich nit zwey (Dritte Schlacht) Herren haben. Wie nun Darius durch dieses Mittel den Frieden nicht erlangen mochte / verneuerte Er den Dritten Krieg / brachte ein starckes Heer auf die Beine / und ward / als er abermahls geflohen / in der Flucht von Besso seiner Kriegs-Obersten Einem erstochen. Da denn mit diesem Könige zugleich auch das Persische Reich / welches über 206. Jahr gestanden hatte / untergangen. (Der III. Monarchie Anfang.) Auf diese gehlinge Veränderung erfolgete die dritte / nemlich die Griechische Monarchie / welche der jetzt-besagte Macedonische König Alexander Magnus aufrichtete. Dahero man siehet / daß Alles / was unter dem him̅el ist / auch seine Zeit hat. GOtt setzet ab und ein. Er erwecket Helden / die die Regimenter auf dem Erdboden erhalten / und die Hoffarth der Menschen abstraffen. Er zerstreuet die gewaltigen Monarchen / und wirfft ihre Städte und Königreiche über den Haufen / damit sie gedemüthiget / ihre Schwachheit erkennen / und Recht und Gerechtigkeit wieder aufgerichtet werde. Alexander stillete bald anfangs die Illyrier / Geten und Triballen / vertilgete die Stadt Theben / zerstörete die Stadt Tyrus / nahm das mächtige Königreich Aegypten ein / und bekriegete / nach andern erlangten Königreichen / auch Indien. Gleichwie aber auf zeitliche Hoheit / Ehre und grosse Glückseeligkeit gemeiniglich Stoltz / Hochmuth und Verachtung Anderer nebenst sich zu folgen pfleget / wie hiervon der Poet saget: Luxuriant animi rebus plerunque secundis. Wo das Glücke eingezogen / wird das Hertz zur Lust bewogen. Also befliesse sich auch Alexander hernacher aller Wollüste / legete sich auf das tägliche Panquetiren / ließ etliche seiner vornehmsten Kriegs-Räthe erwürgen / und wollte auch letzlich gar für einen Gott geehret seyn. Und als Er viel Ungewöhnliches und Hochmüthiges vornahme / ist Er / nachdem Er gen Babylon gekommen / von einem Fieber / oder / wie Etliche wollen / vom Giffte / in dem 33sten Jahre seines Alters / und 12ten seiner Regierung aufgerieben worden. Nach seinem Tode aber theileten sich die vornehmsten Kriegs-Häupter in diese Monarchie / also / daß Seleucus das Königreich Syrien / Ptolomeus Aegypten / Antigonus den vördern Theil Asiens / und Cassander Macedonien und Griechenland überkam. Worbey dieses zu mercken / daß alles menschliche Wesen und Vornehmen nichts als unbeständig und wandelbar. Alle menschliche Dinge fallen (Alles verändert sich.) dahin / und zerfliessen wie Wasser. Kein Regiment wird also standhafftig verwahret / daß es für der Unbeständigkeit sicher / sondern es hat GOtt und die Natur ein Jedes also geordnet / daß es sich zum Untergange weider schicken muß. Glück und Ehre haben den Neid zu Gefärten. Nicht nur die Könige vergnügten sich damahls nicht mit ihren König [275] reichen / sondern es warffen auch nunmehro die gewaltigen Städte Rom und Carthago ihre Augen auf die Königreiche / und weil sich eine jede von Ihnen bedünckte / daß sie der Andern zu Erlangung mehr Provinzien im Wege stünde / so bekriegete eine die andere / bis endlich Carthago / nachdem sie an die 700. Jahr gestanden / nach sechstäglicher Bestürmung erobert / (Orosius.) ausgeplündert / und in die Asche geleget wurde. Und obwohl nach gehends die Stadt Rom durch ihr grosses Glücke die tapfersten Thaten verübete / und durch ihre Gerechtigkeit und wahre Tugenden auf den höchsten Gipfel der weltlichen Hoheit stieg / viel Königreiche / Länder und Städte unter ihre Gewalt brachte / und so mächtig wurde / daß sich die gewaltsamsten Könige für sie entsetzeten / so ward sie doch durch ihre in sich selbst zur Zeit deß Marii und Sylloe / Pompeji und Julii Coesaris ereignete Empörungen nicht wenig verderbet / also / daß man hieraus siehet / was Gestalt es mit denen grossen Königreichen / Ländern und Städten nicht anders hergehet / als mit den Menschen / welche alle dem Tode unterworffen / und mit der Zeit untergehen müssen. Wie solches alles der Augenschein an denen gewesenen Assyrern / Medern / Persern / Griechen und Römern gnugsam an den Tag giebet. (Der IV. Monarchie Anfang A. M. 3902.) Nachdem nun bey den Römern ein und der andere innerliche Krieg / insonderheit deß Pompeji mit dem Julio Coesare gestillet / und die Römer weit und breit die Länder bezwungen / hat man die vierte Monarchie auf die ermeldten Römer gebracht / und ist dieser Julius Coesar derselbe erste Monarche gewesen. Wie aber diese Monarchie bald zu- und ab-genommen / bald gestiegen und wieder gefallen / bald bekrieget / bald obgesieget / bald verkleinert / und bald vermehret worden / würde weitläufftig zu erzehlen seyn. Gleichwohl aber soll man wissen / daß obwohl der Anfang derselben (Daniel. 7.) von dem Propheten Daniel grausam abgebildet / daß sie nemlich die Welt härter denn die andere drücken / auch vielerley Anstosses haben werde / so soll sie doch nicht gäntzlich umgestossen / sondern bis an das Ende der Welt behalten werden. Erschrecklich nennet sie der Prophet / indem sie in der Zeit grosse und erschreckliche kriege geführet / viel Königreiche bezwungen / und offt wider die Lehre GOttes zum hefftigsten gewütet hat / und saget darbey / daß unter ihr die Kirche GOttes die gröste Verfolgung leiden / und die Monarchen selbst mit Ihr tyrannisch umgehen / sie ängstigen und drücken würden. Es werde der Engel / bezeuget derselbe / zehen Hörner / das ist / zehen Königreiche / nemlich / wie Etliche wollen / das Königreich Syrien / Aegypten / Asien / Africa / Griechenland / Spanien / Franckreich / Italien / Teutschland / und Engeland in sich begreiffen. Das kleine Horn sollte drey Hörner von den fördersten zehen Hörnern abstossen; das ist / der Türcke sollte Aegypten / Asien und Griechenland einnehmen / und sie von dem Römischen Reiche mit Gewalt hinweg reissen. Das kleine Horn würde Augen und ein Maul haben / grosse Dinge fordern / und wider die Heiligen streiten. Wodurch man nichts anders als das Saracenische oder Türckische Reich zu verstehen pfleget / welches öffentliche Lästerungen wider den Sohn Gottes ausstreuet / verwirfft die Schrifft / zwinget die Völcker mit Gewalt unter sich / und führet wider die Christen / als dessen abgesagte Feinde / ohne Unterlaß Krieg. Und daß dieses wahr / so setzet Daniel die Zeit / nemlich wenn das Römische Reich in das Abnehmen / wie A. Christi 623. geschehen / gerathen werde. Und dann seine Lehre. Es habe / saget Er / dasselbe Horn ein Maul / und lästere wider den Allerhöchsten. Der Alcoran thut solches wider den Sohn GOttes. Ferner / so meldet Er seine Gewalt / wie [276] es mächtig gestiegen / und den Ort / wo es sich angefangen / die Römischen Provinzien eingenommen / und nach und nach weiter um sich gegriffen / bis es (Ezechiel. cap. 38.) im Jahr Christi 963. auch in Europam kommen. Es zeuget auch der Prophet Ezechiel und der H. Johannes / daß in der letzten Zeit Gog und Magog / so man die Türcken nennet / kom̅en / die Kirche GOttes verwüsten / und auf den Bergen Israelis erliegen werde. Das ist / sie werden die Christliche Kirche verfolgen / darnebenst aber dieselbe und das Römische Reich nicht unterdrücken / sondern ihre Macht wird am Ende der Welt aufhören und vergehen. Bey welcher des Daniels Prophezeyung denn GOtt denen Menschen zum besten die Zukunfft seines Sohns in das Fleisch: Den Anfang und das Ziel der vornemsten Königreiche auf dem Erdboden / das Ende der Welt / den jüngsten Tag oder das Gerichte des HErrn / die Auferstehung der Todten / die ewige Straffe / oder Pein der Gottlosen / und die unaussprechliche Herrlichkeit aller Frommen und Gläubigen geoffenbahret. GOtt stösset die Gewaltigen vom Stuhl / und erhebet die Niedrigen. Er zerstreuet die hohen Bäume / daß sie nicht gros wachsen. Die Geschichten weisen es vom Anfang der Welt / daß der Allerhöchste mit den Königen und Regenten / wenn sie frech / stoltz und aufgeblasen sind / tyrannisch nach Gefallen umgehet. Das Amt eines Königs geschicht nicht eben durch den Glücks-Fall / sondern auch durch die göttliche Versehung / da der Höchste es also verordnet / daß die (Esaiae 44. v. 45.) Jenigen / so Er erheben will / Könige werden. Gestalt Er denn nicht allein den Persischen König Cyrum schon 210. Jahr zuvor / ehe derselbe gebohren / durch (Cap. 8. v. II.) den Propheten zum Könige benennet / sondern auch durch den Propheten Daniel den Griechischen Monarchen Alexandrum Magnum 200. Jahr vorhero eigentlich verkündigen und beschreiben lassen. Alle Obrigkeit ist von GOtt. Der Natur nach gilt kein Mensch mehr für GOtt / denn der Andere. Und gleichwie ein Rechenpfenning dem Wesen nach nicht besser ist / denn der Andere; nichts desto weniger aber / wenn Er auf dem Rechentuche gebrauchet wird / immer Einer höher als der Andere geschätzet wird: Also verhält es sich (D. Keysersberger.) auch mit den Menschen. Wir sind einerley Wesens / und einerley Natur. Wie hoch uns nun GOtt leget / so viel desto mehr gelten wir gegen Andern. Diese vier grösten Königreiche der Welt stellen uns die Unbeständigkeit aller zeitlichen Ehre und Herrlichkeit für Augen. Denn / siehet man sich in dererselben Begebenheiten um / so wird man gewahr / daß nicht allein die höchsten Personen und Regenten / sondern auch offt gantze Rönigreiche und Länder plötzlich zu- und abgenommen haben. Die Geschichte deß mächtigsten Königes Nebucadnezars lehret Könige und grosse Potentaten / daß sie einen gewaltigern Richter über sich haben / der sie / wenn sie stoltz / ihres Beruffs vergessen / und die Unterthanen drücken / bald züchtigen / und dieselben / wenn sie vermeinen am höchsten zu sitzen / bald wieder herabstürtzen kan. Ihrer viel erhebet das Glück zu dem Ende / daß sie desto höher fallen. Wer stoltz und hoffärtig bey seiner Regierung ist / der gehet gemeiniglich zu Grunde. Keyser Valerianus wütete aus Hochmuth wider die kleinen Kinder der Christen / ließ sie auf allerhand Art und Weise tödten / und meinete / es würde dadurch sein Reich desto länger bestehen: Indem aber der Christen Blut in seinen Händen gleichsam noch naß / kam Ihm ein anderer Tyrann / nemlich der Persische König Sapor / über den Hals / entzohe dem Römischen Reich eine und die andere Provinz / bis er Ihn gefangen bekrm / und mit Ketten gebunden in Persien führete. Ein Reich zu regieren bedarff die gröste Mühseeligkeit. Je ärmer der Mensch / je weniger Sorge. Je reicher an Ländern / je mehr Bekümmernus in Erhaltung [277] dererselben. Einer stellet dem Andern nach dem Lande; ein Anderer nach den Leuten / dieser nach dem Leben / und für diesen allen muß man stetige Vorsorge tragen; wer nun bey dergleichen Regierungs-Last nicht GOTT zum Freunde hat / der kan nicht fügliche solcher Gewalt widerstehen. Daferne der Mensch nicht den Sünden-Fall begangen / so wäre der Regenten-Stand nicht nöthig gewesen; nachdem aber derselbe geschahe / so brach die Tyranney / Ungerechtigkeit / Gewalt und Boßheit häuffig herfür / also daß GOtt nothwendig die Obrigkeit verordnen muste / damit sie das Gute belohnete / und das Böse abstraffete. Die weltliche Regierung / sagt man / ist eine herrliche und vortreffliche Gabe Gottes. Es erhalte einem jeden seinen Leib für dem Mord und Todschlag: Sein Weib und Kind / daß es nicht geschändet / dem Mord und Todschlag: Sein Weib und Kind / daß es nicht geschändet / sein Hauß und Hof / daß man darinnen nicht frevele / und seine Aecker und Vieh / daß dieselben nicht beraubet noch gestohlen werden. Damahls als kein König / Regente noch Obrigkeit in Israel / da that einjeder das / was ihm bedünckete / alle Laster / als da waren die Abgötterey / Hurerey / Raub / Gewalt / und Unrecht giengen im Schwange / und es war Niemand weder seines Leibes noch Lebens / viel weniger seines Vermögens versichert. Daferne GOtt einem Lande oder Königreiche wohl will / so ertheilet Er ihnen auch vernünstige Regenten. So lange Moses / Josua / Assa und Josia das Volck wohl regiereten / (I. Maccab. 14.) da erhielten sie wider ihre Feinde Sieg und Glück / und gieng ihnen alles wohl von statten. Gleichwie aber der Maccabaeer Simon durch seine Vorsichtigkeit das Land Juda in Fried und Ruhe erhielte: also setzet auch GOTT / wenn das Sünden-Maß des Volckes voll / böse und gottlose Könige zu Regenten. (Levit. c. 26. 17.) GOTT / stehet dorte / gab ihnen einen König im Zorne. Er lässet über ein Land einen Heuchler regieren / damit er das Volck um ihrer Boßheit wille̅ (Hof. I, II Hiob. 34. 30.) züchtige / und giebet Ihnen Fürsten / die kindisch über sie herrschen müssen. So bald als die zehen Stämme von dem Hause David abfielen / geriethen sie an einen abgöttischen König / der sie zu gleicher Sünde verführete. König Achabs Abgötterey aber brachte den Israeliten so viel zuwege / daß Sie mit Dürre und Hungers Noth geplaget wurden. (Die gefährliche Regierung.) Diejenigen / so sich offters um ein Königreich oder Land wohl verdienen / tragen vielmahls den grösten Undanck darvon. Viel Regenten sind stecken blieben / wenn ihnen die Zeit und die Gelegenheit nicht darvon geholffen. Menschen regieren / ist eines der schweresten Dinge. Der weise Demosthenes zu Athen pflegte zu sagen / wenn man wüste / was für grosse Gefahr / nemlich Neid / Haß / Feindschafft / Verfolgung und heimliche Nachstellung die Regierung nach sich zöge / und es stünden einem zweene Wege offen / also / daß Einer zu der weltlichen Regierung / der andere aber zu einem und dem andern Unglück gienge / so würde man sich lieber diesen Letztern als den Ersten erkiesen. Da der Philosophus Chrysippus gefraget wurde / warum er sich nicht zur Regierung gebrauchen liesse? sagte er: Regierete ich übel / so mißfiele es den Göttern; regierete Ich aber wohl / so gefiele es den Bürgern nicht. Diejenigen / welche die Art und Natur des Meers nicht wissen / sind / wenn sie zu Schiffe gehen frölich / so bald sie aber abgestossen / und sich der geringste Sturm-Wind ereignet / so werden sie kranck / erbrechen sich / und wündschen nicht mehr / als daß sie sich der Schiffarth bald entbrechen möchten. Nicht viel anders gehet es auch denen die sich in dem Regier-Stande befinden. Denn wenn sie sich darinnen vertieffen / und die Bürde der Regierung anfänget zu drücken / so sehen sie erst / was für Ungemach bey derselben anzutreffen. Je höher der Mensch / je mehr Last und Beschwerung Er [278] auf sich leidet. Aller Herrschafften Thun und Wesen ist voller Mühe. Man regieret mit Sorgen: Träget die schweresten Sachen des Landes / und wenn man es beym Lichten besiehet / so ist die Crone mühsam / der Scepter beschwerlich / und das Schwerd gefährlich. Wann Pabst Adrianus der Fünffte seinen Feinden etwas Böses wünschete / sagte Er: Utinam Papa essent! Wolte GOtt / sie wären Päbste zu Rom! Keyser Tiberius meinete / es wäre die Beherrschung eines Reiches keine übermässige Gewalt / sondern eine hellgläntzende Dienstbarkeit. Alle die / welche regieren / sind Ziele oder Scheiben / wornach Andere ihre Pfeile richten. Die Welt hält es für die gröste Glückseeligkeit / wenn Einer (Diogenes de Alexandro.) zu Königlichen Ehren erhoben wird / damit aber die Perser solchen Leuten dergleichen Thorheit benehmen möchten / so stelleten sie jährlich ein Fest an / liessen an demselbigen einen Gefangenen / der auf Leib und Leben saß / loß / setzten Ihn mit Königlichen Kleidern auf einen Königlichen Thron / liessen Ihn solche Zeit über herrschen / und bey allem Wohlleben seinen Willen / so bald aber das Fest zu Ende / zogen sie ihn aus / striechen denselben mit Ruthen / und henckten ihn endlich an den Galgen: Wordurch sie nichts anders zu verstehen gaben / als daß zum öfftern närrische und böse Menschen eine solche Gewalt und Nahmen erlangen / eine Zeitlang darinnen übermüthig leben / und hernach in solcher schnell und unverhofft untergehen. Der eitele Ruhm stirbet offters für dem Tode dahin. Kein Mensch kan (Euripides in Hercule furioso.) hadern mit dem / was Ihm zu mächtig ist. Als Lycus den Thebanischen König Amphytrion seines Reichs beraubete / und derselbe nunmehro sollte zur Schlachtbanck geführet werden / sprach er zu denen Zuschauern: Aspicite me, qui eram conspicuus mortalibus praeclara peragens; nunc dejecit fortuna veluti plumam ad aethera unâ die: Sehet allhier den an / der zuvor bey allen Menschen berühmt / und die tapfersten Thaten begangen / Denselben hat nunmehro / an einem eintzigen Tage / das Glücke wieder herab gestürtzet / und / gleich einer Feder in der Lufft / darvon geführet. Dionysius der Jüngere / war der beruffenste König in Sicilien / und muste gleichwohl / als er gefangen / letzlich einen Schmarutzer abgeben. Gemeiniglich tragen diejenigen Regenten / welche doch die gröste Gefahr ausstehen / und offt vielfältig ihr Haab und Gut / Ehr und Blut in die Schantze schlagen / den grösten Undanck darvon. Der kluge Themistocles brachte durch seine weise Anschläge so viel zu wege / daß sich der mächtigste König Xerxes mit seiner grossen Armee wieder aus Griechenland begab. Nachdem Er aber die ausgebrandte Stadt Athen durch seinen Fleiß wieder aufbauete / und dem gemeinen Wesen viel gute Dienste erwiese / so ward er nichts desto minder wegen vieler beschuldigten Dinge / (Plutarchus. Seneca.) in das Elend vertrieben / daß Er letzlich aus Armuth sich mit dem Ochsen-Blute ernehren muste. Obschon der tapfere Miltiades sich um die Stadt Athen wohl verdient machte / des Persischen Königes Darii Armeen von hundert tausend zu Fusse / und zehen tausend zu Rosse in die Flucht triebe / und denen Atheniensern hernach ein und die andere Insul und Stadt abnahm / so ward er doch letzlich in das Gefängnis geleget / und darinnen bis an sein Ende behalten. Da man den berühmten Hauptmann Phocyon zu Athen gantz unschuldiger Weise zum Tode führete / und Ihm Einer seiner guten Freunde mit Namen Emphiletus begegnete / und zu Ihm weinend sagte: Ach! wie so gar unschuldig und [279] unverdienet stirbst du doch! Sprach Phocyon: Ich sterbe aber nicht unversehens; Denn gemeiniglich tragen ehrliche Leute einen solchen Lohn darvon. Viel sind dieser Meinung / insonderheit der gemeine Mann / daß es um einen König / Regenten / Potentaten ein herrlicher Stand sey. Einjeder wündschet sich dergleichen Ehre zu haben / in gleichem Glück zu leben / und mit solchem Purpur umgeben zu seyn: Siehet man aber um sich / und lieset die Königlichen Geschichte / so befindet man / daß man öffters nach der grösten Verräherey / nach dem stärcksten Gifft / nach dem grausamsten Mord / und nach der allerschädlichsten Unruhe greiffet. Wie Niemand weiß wo Einen der Schuch drücket; Also weiß auch keiner was die Last der Regierung mit sich bringet ohne allein der / welcher sie träget. Keyser Saturninus, sagte zu den Seinigen: Ihr meine Freunde wisset nicht was es für eine beschwerliche Sache um die Regierung sey. Denn man ist auch vielmahls nicht sicher für denen / die einen bewachen sollen. Spieß und Schwerd liegt einem solchen Regenten täglich auf dem Halse. Man vermag weder mit Appetit zu essen noch zu schlaffen: Alle Kriege fallen Ihm beschwerlich: und wenn die Waffen ruhen / so ruhen bey Ihme am wenigsten die Sorgen: Ist er alt / so wird er für untüchtig gehalten: Ist er aber jung / so verlacht man sein unbesonnenes Vornehmen: Nimmet er sich nicht in Acht / so trachtet man Ihme mit Giffte nach dem Leben / und mit einem Worte / ob er täglich viel Trabanten um sich / so ist er doch für der Gewalt nicht sicher. Wie mit mehrern aus folgenden Versen zu sehen: Semper habet varias immensa potentia curas, Et refici placido membra Sopore vetat. Non prodit Princeps, nisi milite cinctus & armis, Infelix aliquo semper ab hoste timet. Vescendum est quoties, aliquis praegustet oportet, Praebibat atq; prius, quàm bibat ille merum. Esse parum tutum declarant talia Regem, Quàm grave sustineat magna tyrannis onus. Nempe satellitium metuendos judicat hostes, Toxica praegustans ille cavenda monet. Ergo metu quisnam vacat hic locus? Illa timorem Quae pellunt, eadem plena timore vides. Wo grosse Macht sich findt / da giebt es viel zu schaffen / Und wo ein hohes Ambt / da läßt es sich nicht ruhn: Der Fürste kömmt nicht aus / als unter Volck und Waffen / gleich hätt Er jederzeit mit Feinden nur zu thun: So offt Er speiset / muß vorhero man es kosten: Eh Er den Trunck ansetzt / credentzt man Ihm den Wein / Zu zeigen / daß ein Fürst nicht steh auf sichren Posten / und was Regieren muß für eine Last doch seyn?
|| [280]
Die Guarden zeigen Ihm / wie Er sich stets zu hüten: Der Gifft / daß Er bey sich zu trincken stehe an. Was für ein Ort kan nun die Furcht doch Ihn entschütten / Weil das auch voller Furcht / was Furcht vertreiben kan. Es ist aber dieienige Königliche Regierung für glückselig zu achten / darinnen man sich nicht erhebet die Gewalt zur Ehre GOttes anwendet / GOTT als den grösten König und Monarchen ehret / leichtlich verzeihet / und denen bösen Affecten dermassen Einhalt thut / damit daraus nichts ungeziemendes entstehe. (Die tüchtigste Regierung. Plato.) Je mächtiger ein Königreich / desto löblicher / weiser und verständiger soll desselbigen König seyn. Ein strenger Regente macht strenge Unterthanen. Man duldet zwar seine Laster; wenn er aber denselben ihre Nahrung abstricket / so verleuert Er alle Gunst. Diejenigen Königreiche aber bestehen am besten / darinnen weise Leute regieren / und deren (Roterod. de Institut. Princip.) Regenten nach Kunst und Weißheit trachten. Denn gleichwie bey einer angestellten Schiffarth nicht demjenigen das Schiff / welcher am Geblüte und vornehmen Geschlechte / an grossem Reichthum und gewaltigen Gütern an Schönheit und Gestalt Andere übertrifft / sondern dem / der gute Wissenschafft um die Schiffarth hat / und dessen Bedachtsamkeit / Treue / Fleiß und Aufrichtigkeit bekannt / anvertrauet: Also soll man auch demjenigen / der andern am Verstande / Weißheit / Gerechtigkeit / Freundlichkeit / Bescheidenheit und Vorsichtigkeit vorgehet / das Regiment befehlen. Es ist nicht genug / daß einer ein Regente / sondern Er muß wissen / wie Er in seinem Lande gute Ordnung und Policey halte / das Rechte und Unrechte unterscheide / das Gute erhalte / das Böse abstraffe / GOTT als den Schöpfer aller Dinge fürchte / sein heilig Wort lerne / sich darnach richte / es rein und unverfälscht in seinem Lande fortpflantze / und falsche Lehre / Abgötterey und Gotteslästerung ausrotte. König Alphonsus in Spanien / ließ einen Pelican mit etlichen Jungen mahlen / der mit dem Schnabel sich in die Brust hackete / damit dieselben an dem heraus fliessenden Blute ihre Nahrung haben möchten / und dieses hinzu schreiben: Pro Lege & pro Grege. Für das Gesetze und das Volck. Wodurch Er anzeigete / daß ein König oder Potentat um der Religion und um der Unterthanen willen auch sein Blut aussetzen sollte. Soll eine Regierung desto tieffer wurtzeln / so muß des Regenten Zunge und Feder einerley Krafft haben. Der weise Isocrates sagete: Es soll ein Fürst dasjenige was er mit blossen Worten zusaget und verspricht / so treulich und feste halten / als wenn Er Brief und Siegel darüber gegeben hätte. Je gelahrter und erfahrner ein Regent in freyen Künsten ist / ie höher und vortrefflicher wird er gehalten. Alexander Magnus pflegte zu sagen / er wollte lieber von guten Künsten als an Land und Leuten reich und vermögend seyn. Wie die Obrigkeit: also richten sich auch die Unterthannen darnach. Stellet ein Potentate seine Regierung gerecht / löblich / klug und weise an / so muß dieses alles sich auch nothwendig auf die Unterthanen erstrecken. Begehet er einen und den andern groben Fehler / und weichet von dem rechten Regierungs-Wege ab / so folget gemeiniglich der Unterthanen Verderben / Schade und Nachtheil daraus. Sicut enim per Principem, cum benefecit, plurimorum vitae, & Saluti consulitur; Ita & error Principis ad multorum perniciem pertinet. Und ist [281] dieses an einem grossen Herrn das allergröste Regiment wenn Er sich selbst wohl regieren und mässigen kan. Insonderheit aber hat er wohl darauf Acht zu geben / damit Er sich in solchen Stücken übe / welche zu Erhaltung der menschlichen Gesellschafft / des allgemeinen Wesens Nutzen / Aufnehmung des Friedens und der Gerechtigkeit erträglich sind. Lässet sich aber derselbe durch andere regieren / da dringen sich offters solche Leute mit ein / die mehr ihre / als die gemeine Wohlfarth sich offters solche Leute mit ein / die mehr ihre / als die gemeine Wohlfarth beobachten / woraus denn denen Unterthanen nichts denn Schade zuwächset. Der Jenige / welcher seine Unterthanen in Gerechtigkeit / Friede und Ruhe erhalten will / ist vieler Gefahr unterworffen. Seine Arbeit ist der Unterthanen Ruhe / seine Gefahr ihre Sicherheit / seine Wachsamkeit ihr Schlaff / und endlich hanget an einer unbeschrenckten Freyheit der Unterthanen die gantze Wohlfarth eines Reichs. Je weniger Boßheit / und böse Zuneigung bey den Alten: Je weniger Straffe und Zwanck hatte man damahls; Nachdem aber die Boßheit zunahm / so muste man auch auf gewisse Zwangs-Mittel dencken / also / daß dahero gewisse Herrschafften entstunden. Anfangs herrschete einjeder in seinem Geschlechte: Hernach machten ihnen die Menschen selbst gewisse Häubter / welche andere an Tugend und Aufrichtigkeit übertraffen / biß daß die Regierung bald an ihrer vielen / bald an einen kam / den man mit Scepter / Crone und Schwerdte zierete / zum Zeichen / daß Er solte aufrichtig / gerecht / männlich / und tapfer seyn / und einem jeden Recht und Gerechtigkeit wiederfahren lassen. Ein König ist das Hertz und die Seele einer Gemeinde. Denn gleichwie die Seele in des Menschen Hertzen bestehet / und durch solche der Leib lebet: Also auch die Gerechtigkeit in dem Könige / so das Leben / und die Erhaltung des Volcks ist. Die Gesetze entschuldigen alle scharffe Verordnungen: Sie sind gemacht / damit vermittelst ihrer der Künheit Einhalt gethan / die Unschuld von der Boßheit unter scheiden / der Regente bey seiner Hoheit und Würde erhalten / und ein Unterscheid zwischen Ihm und den Unterthanen gemacht werden möge. Potentaten sind der Unterthanen Mauren und ihre Augen richtige Zeiger der Einigkeit. Wenn man aber denen Gesetzen das Maul stopfet / die alten Freyheiten zernichtet / die guten Gebräuche abschaffet / so eröffnet man der Boßheit und allen Lastern Thür und Angel. Soll nun ein Königreich wohl regieret werden / so muß der König zu Friedens-Zeiten mit Recht und Gerechtigkeit / zu Krieges-Zeiten aber mit einer besondern Hertzhafftigkeit und Helden-Muthe angethan / mit Gelehrten versehen / und (Augustinus in Psalm. 118.) mit Kriegs-erfahrnen Leuten umgeben seyn. Es werden nicht unbillich fromme Potentaten nach der Schrifft Könige genennet / alldieweil sie über die Bewegung ihres Fleisches zu herrschen / und bald die Begierde der Völlerey zu zäumen / bald die Hitze des Geitzes zu mässigen / bald die Ruhmsichtigkeit der Ehren zu beugen / bald den herfürragenden Neyd zu dämpfen / und bald das Feuer des Zorns zu leschen wissen. Ein wohl bestellt Regiment muß durch Sorge regieret / und durch Mühe und Kümmernis erhalten werden. Denn gleichwie der Leib nicht gesund / wo nicht die andern Glieder auch wohl auf sind: Also geschicht es auch bey den Königreichen. GOtt hat in der Welt unter andern auch zwey Dinge mit eingeführet / nemlich die Regierung und den Neyd. Wer diesen zu sehr fürchtet / der ist nicht geschickt zu regieren. Es ist nichts gefährlichers als der Ungehorsam: selten [282] dauert man in gutem Wohlstande. Regenten und Unterthanen haben allhier dieses zu mercken: daß sie nicht alleine weise / verständig und gütig seyn / die Unterthanen aber hingegen Ihnen Gehorsam und allen schuldigen Respect / Liebe und Treue erweisen sollen. Gute Regenten vergleichen sich guten Hauß-Vätern / deren Ambt ist / daß sie die Ihrigen in Gehorsam behalten. Einem jeden gebieten / was er thun solle. Die Frommen mit Wohlthaten belohnen / und die Bösen andern zum Exempel abstraffen. Diejenigen / so über viel Dinge Macht und Gewalt haben / sollen für allen Dingen ihr eigenes Gewissen reine halten / damit sie / wenn sie anderer Leute Mängel und Gebrechen abstraffen wollen / selbst darinnen nicht betreten werden / indem es ein grosser Fehler über andere regieren / und sich selbst lasterhafft befinden. Wenn ein Glied aus der Kette gerissen wird / ist es nichts nütze. Nicht eben erbet ein Königreich das andere / sondern die Uneinigkeit macht / daß / was man in tausend Jahren gebauet / man in weniger Zeit wieder zerstöret. Alle Länder und Herrschafften haben ihre Fälle. Die Chaldaeer verfolgeten die Palaestiner; die Idumaeer die Chalaeder; die Assyrier die Idumaeer; Die Perser die Assyrier; Die Argiver die Perser; Die Athenienser die Argiver; Die Lacedaemonier die Athenienser; Die Sidonier die Lacedaemonier; Die Rhodiser die Sidonier; Die Scythen die Rhodiser; Die Hunnen die Scythen; Die Alaner die Hunnen; Die Wenden die Alaner; Die Balearen die Wenden; Die Sardinier die Balearen; Die Africaner die Sardinier; Die Römer die Africaner; Die Dacier die Römer; Die Gothen die Dacier / und also biß auf diesen Tag / immer ein Königreich / Land und Provintz die Andere. Wie die angenehme Ruhe der Unterthanen den Regenten zur grossen Ehre gereichet / und durch die Einigkeit kleine Sachen zunehmen: Also nehmen gegentheils durch Zanck und Uneinigkeit die grösten und ansehnlichsten Dinge ab. Eine Stadt ist eine Vereinigung der Bürgerschafft und Einwohner / deren Wandel aufrich tig seyn solle. Leben sie untereinander erbar / ehrlich und aufrichtig / so müssen sie auch einig seyn / alldieweil die Einigkeit die Stütze ihrer Wohlfahrt ist. Nichts wird unter ihnen nachtheiliger gefunden / als wann sie unter sich selbst uneinig. Die gewaltige Stadt Babel ward anderer Gestalt nicht / als durch der Bürger Uneinigkeit gewonnen / Carthago eingeäschert / das Königreich Juda gestöret / und die Lacedcemonier geschwächt. So lange als Rom in Einigkeit lebete / da blühete es; So bald die Griechen unter sich uneins / da geriethen sie unter des Königes Philippi in Macedonien Joch. Als die Stadt Numantia von den Römern eingeäschert / fragte Scipio der Jüngere den Fürsten Tiresia / wodurch die Stadt sich so lange hätte halten können? Worauf dieser Ihme zur Antwort gab / durch die Einigkeit / so bald aber dieselbe zutrennet / so hätten sie sich den Römern nicht widersetzen können. Gleichwie nun Einigkeit / Fried und Ruhe die vornehmsten Seulen eines Regiments sind: Also ist einem gemeinen Wesen / Lande oder Provintz kein schädlicher Gifft als die Uneinigkeit / dadurch alle gute Ordnungen zerrüttet / die Gerichte aufgehoben / die Gesetze verspottet / die Obrigkeit verachtet / Furcht / Ehre / Liebe / Treue und Glauben auf die Seiten gesetzet / und dadurch ein wüstes und wildes Leben eingeführet wird. (Der Monarchen Stand.) Es werden aber dreyerley Arten auch zu einer Regierung gebrauchet / als da ist die Monarchi / Aristocrati und Democrati. Daß vor Al [283] ters und annoch eine Monarchi / worinnen nehmlich Fürsten / Könige und (Justinus lib. 1. Salustius in Catil.) Keyser regieret / dasselbe ist bekannt. Denn es war bey Vermehrung der Völcker und angehenden Landschafften bey den Königen ein Reich / und dieser Reichs-Nahme ist fast bey allen Völckern iederzeit für gut / und im üblichen Gebrauch gehalten worden. Gestalt denn bey der ersten Monarchi oder Reiche der Assyrier / Babylonier und Meder neun und viertzig Könige: Bey der andern und Persischen zehne / als Cyrus / Cambyses / Darius Hystaspis / Xerxes / Longimanus / Darius Nothus / Artaxerxes Mnemon / Artaxerxes Ochus / Arsames und Darius Codomannus: Bey der Dritten und Griechischen Alexander Magnus / und als dieser verstorben / und die Monarchi zertheilet / in Macedonien Aridäus des Alexandri Magni Bruder / Cassander / Philippus / Antipater / Demetrius Poliorcetes / Pyrrhus / Lysimachus / Ptolomoeus Ceraunus / Meleager / Antipater / Sosthenes / Antigonus Gonatas / Demetrius der Andere und Perseus: In klein Asien Antigonus und Demetrius: In Syrien Seleucus Nicanor / Antiochus der Erste / Antiochus des Andere / Seleucus Callinicus / Seleucus Ceraunus / Antiochus Magnus / Seleucus Philopator / Antiochus Epiphanes / Antiochus Eupator / Demetrius / Alexander Bala / Demetrius Nicanor / Antiochus Entheus / Tryphon / Antiochus Sidetes / Demetrius Nicanor / Alexander Zebenna / Antiochus Grypus / Antiochus Cyzicenus / und Tigranes. In Egypten Ptolomaeus Lagi / Ptolomaeus Philadelphus / Ptolomaeus Evergetes / Ptolomaeus Philopator Ptolomaeus Epiphanes / Ptolomaeus Philometor / Ptolomaeus Physcon / Ptolomaeus Lathurus / Ptolomaeus Alexander / Ptolomaeus Lathurus / Ptolomaeus Auletes / Ptolomaeus Dionysius / und Cleopatra des Ptolomaei Auletae Tochter. Bey der Vierdten und Römischen aber / bis auf den jetzigen unüberwindlichsten Römischen Keyser Leopoldum 126. Keyser gewesen / zugeschweigen derer unter diesen vier Monarchien aufgekommenen andern vielfältigen Königreichen / worunter das Cappadocische / Aeolische / Amazonische / Abyssinische / Bulgarische / Apulische / Dacische / Cumanische / Aethiopische / Cochinische / Ost- und West-Gothische / Scythische und Tartarische mit begriffen; und die Frantzosen von dem Könige Pharamundo; Die Athenienser von dem Cecrope / biß auf Codrum / die Lacedaemonier von dem Lelege bis auf den Cleomenem; die Ungarn von dem Attila; die Spanier von dem Athalarico: England von dem Brittone: Pohlen von dem Lecho: Böhmen von dem Zecho: Dännemarck von Dano / Schweden von Mogosa; Schottland von Fregusio, und andere von andern sind beherschet worden / welches dann auch mit dem Lauffe der Natur übereinkömmet. Denn dieses siehet man nicht alleine bey den Menschen / sondern auch an denen unvernünfftigen Thieren. Die Bienen haben ihren König: Die Heerden ihren Führer / und das Vieh ihren Regierer. Unter den Kranichen ist der ein Führer oder ein Fürste / der durch die Einwilligung der andern erwehlet wird. Und gleichwie die Theile der Menschen in einem Hertzen wachsen: also auch die Theile einer Stadt / unter einem König. Als König Croesus über die Lydier herrschete / und seinen Bruder zum Mit-Regenten annahm / sagte ein alter Lydier zu ihm: Gleichwie / O König! den Erdboden eine eintzige Sonne erleuchtet / also können auch die Lydier nur einen König / nicht aber ihrer zweene leiben. König Alexander warff solches denen Persischen Gesandten des Darii mit solchen Worten für: Mundum â duobus solibus non posse regi: und sagte: daß die [284] Welt von zweyen Sonnen nicht könnte regieret werden. Es gereichet (Tacitus.) auch dieser Stand zu einem ersprießlichen Friede / wenn alle Macht und Gewalt auf einer Person beruhet. Ja es ist niemahls kein besser Mittel bey einem unruhigen und streitenden Vaterlande als dieses gewesen / wie wir dessen ein Exempel an dem Cajo Octavio / als bey der grösten Verwirrung die höchste Gewalt und Herrschafft an Ihn gefallen / zu sehen haben / indem Er durch seine Weißheit und Fleiß bald den erschrockenen und verwirreten Leib des Reichs wieder zu rechte brachte / welcher sonsten ausser diesem nimmermehr vereiniget und vertragen hätte werden können / wann Er nicht von einem eintzigen Gemüthe regieret worden wäre. Uber dieses so ist auch diese Form / Art und Weise zu regieren / nicht allein geruhig / sondern auch beständig / und wie die andren der Veränderung nicht so geschwinde unterworffen. Einer allein wird selten mit ihm uneins / ihrer viel aber gar leichtlich. Und ob wohl ihrer viel die Kunst zu regieren besser als Einer verstehen / so fallen sie doch einander gemeiniglich wegen der Begierde alleine zu herrschen / hinderlich. Das Regiment gehöret von Natur denen Vortrefflichsten und Weisesten / die Tyranney aber denen unvernünfftigen Wüterichen. Wenn die Könige witzig / weise und verständig sind / da ist dieselbe Regierung für glückselig zu schätzen. Ein guter König und Regente muß die Stärcke mit der Sanfftmuth und Gütigkeit haben / damit man Ihn um seiner Mildigkeit halber um so viel desto eher verehre. Er soll bedencken / daß er ein Mensch / von GOTT aber die Gewalt zu regieren überkommen habe / Gött- und weltliche Rechte ausübe / und sich gegen seine Unterthanen freundlich erzeige: Wie nun ein Göttliches Haubt die Häubter der Erden aufgerichtet; Also ist auch das Monarchische Haubt unter allen das beste. (Die gewönhliche Aristocratia.) Die andere Art ist die Aristocratia, allwo in einem Regimente die Höchsten regieren. Mit gewisser Bedingung pfleget offters einem und dem andern Staat eine andere Verfassung in dem Policey-Wesen zuträglicher zu seyn / und zwar wo entweder die Höchsten oder das gantze Volck Herren vor sich sind. Die höchste Regierung in einem gemeinen Wesen ist um so viel desto mehr herrlicher / um wie viel dererselben Nutz edler ist. Denn es ist sowohl bey Regierung eines Eintzigen / als bey Herrschung aller ins gemein vonnöthen / daß man die geheimden Dinge und vornehmsten Sachen entweder denen klügesten Räthen oder Verständigsten anvertraue / indem von denen Besten und Klügesten im Reiche auch die heilsamsten und besten Rathschläge herkommen. Dahero auch viel Völcker bewogen / daß sie diese Art zu regieren in ihre Städte eingeführet. Die Römer trugen denen Vornehmsten im Volcke / als die Könige bey ihnen aufhöreten / dergleichen (Schönb. in Politic.) Regierung auf / wie auch die Spartaner und heutiges Tages noch die Venetianer / und andere Republiquen mehr. Man hat aber bey dieser Art zu regieren etliche Staats-Stücken in Acht zu nehmen. Deren Eines ist / wenn die Patritien und vornehmsten Geschlechter ihre Ehre / Würde und Hoheit unverletzt erhalten / und sich mit denen gemeinen nicht in Ehestand einlassen / alldieweil solche Verbündnisse nichts als einen befleckten Nahmen und schädliche Verwirrung der Geschlechter nach sich ziehen / also daß dadurch nichts reines verbleibet / sondern aller Unterschied aufgehoben / und keines der andern Geschlechte mehr känntbar gemacht wird. Zudem so haben auch solche vermischte Ehe-Verbindnüsse keinen andern Effect oder Gewalt / als daß dadurch die fast [285] viehische Art des Volckes und der Väter oder Vornehmsten Beyschlaff gemein gemacht werde / und der so daraus gebohren nicht weiß wes Geblütes / und ob Er aus einem gantzen oder halben Geschlechte entsprungen sey. (Livius.) Alle Zusammenkunfft des Volckes soll man vors 2. und zwar bey nächtlicher Zeit verbiethen / damit es nicht irgend einen schädlichen Aufstand wider die Vornehmsten erwecke / und solcher Gestalt hielte der Rath zu Rom den gemeinen Pöfel im Zaum. Gehen 3. etliche Geschlechte unter / so soll man an statt derselben neue aufbringen / welche in dero Würde und Fußstapfen treten / nach dem Exempel des Claudii / welcher einen jeden von altem Stamme oder Herkommen in die Zahl der Patritien aufnahm. Hiernächst soll man 4. denen Patritien einen und den andern Ort zu befestigen nicht verstatten. Zu Rom durste kein Patricius auf dem Schloße oder Capitolio wohnen. Als Valerius an dem hohen Ort Velia einen Bau aufführete / brachte er sich nicht wenig in Verdacht / als stünde er nach der Regierung. Reichthum hat in vielen Dingen den Vorzug und die Oberhand / indem man offters an dem Meere die herrlichsten Gebäude / auf den Bergen die erhabnesten Schlösser / und in den Städten aus zweyen / oder mehr Häusern Eins aufrichtet / und die grösten Unkosten darauf wendet / allein diese Bausucht thut dermassen dem gemeinen Manne / und denen Armen Nothleidenden welche / daß sie um des und anderer Dinge willen mehr zum Aufruhr / und den Waffen greiffen. Es sollen auch 5. die Vornehmsten / wenn der Pöfel einen Aufstand erwecket / die Stadt oder den Staat nicht verlassen. Denn als das Römische Volck in der Vejer Stadt und Landschafft (Cicero lib. 8. ad Attic. Ep. I.) wegziehen wollte / legten sich die Vornehmsten darwider / und wollten ihren uhralten Sitz auch in der äusersten Gefahr nicht fallen lassen. Solche Regiments-Forme aber schlägt öffters aus der Art / in eine andere Gestalt / da ihrer wenig nur regieren / dessen Schaden Catilina gar hoch aufzumutzen weiß / und saget Cicero / daß gleichwie die Monarchi in eine Tyranney (Salust. in Offic.) verwandelt wird: Also werden auch solche dahin bewogen / daß / wenn sie in dergleichen Regiersucht und Ehrgeitz gerathen / sie darüber endlich die Gerechtigkeit vergäsen. Hierunter aber sind ehrliche und aufrichtige Männer / welche in Vollziehung des gemeinen Wesens Geschäffte ihr Absehen auf einerley / nemlich auf der Stadt Bestes und Glückseligkeit richten / nicht zu verstehen. (und die gefährliche Democratia.) Die britte Art ist die Democratia, in welcher alle Stände mit zu gebieten und zu bewilligen haben. Wie vor Alters zu Rom da zugleich der Rath / die Ritterschafft und die Gemeine regierten / alldieweil man dafür hielte / daß es der Billigkeit gemäß / daß diejenigen / welche alles zur Wohlfarth des Vaterlandes beytrügen / auch solche Aembter besässen / zumahl da auf solche Art durchgehends die Gesetze eingeführet / und dadurch die Freyheit der gantzen Bürgerschafft auf festen Grund gesetzet würde. Unter andern Gesetzen war auch dieses / daß man keinen Römischen Bürger tödten durffte. Dahero man denn auch den Römischen Bürgermeister Ciceronem / als Er die Feinde des Vaterlandes am Leben straffete / in das Exilium vertriebe. Thut man aber die Augen recht auf / so herrschen gemeiniglich bey einem solchen Regimente aufwieglerische und unruhige Köpfe / die auf ihre Beredtsamkeit sich verlassen / das gemeine Volck aufwiegeln / und wider die Höhern verhetzen. Wie solches an dem Demosthene zu Athen / Demade / Pericle / Alcibiade / und denen Zunfft-Meistern zu Rom [286] zu sehen / welche / nachdem sie der Vornehmsten ihre Authorität geschmählert / und sie derselbigen entzogen / hernach solche gerichtlich angeklaget / (Valerius Maximus lib. 8. c. 9.) und entweder sie verjagen / oder zum Tode verdammen lassen. Uber dieses ist dieser Staat gemeiniglich zur Neuerung Aufruhr und Zwitracht geneiget. Welches aus dem dreyfachen Wegzuge des Römischen Volcks deren Einer auf den Montem Sacrum, der Andere auf den Berg Aventinum, und der Dritte in die Stadt Janiculum geschahe / erhellet. Dannenhero auch dasselbe nicht wieder zurücke kehren wollen / biß man durch das Hortensische Gesetz beschloß / daß in Zukunft des Volckes Gutachten die Krafft eines Gesetzes haben sollte. Letzlich so werden auch des Pöfels Gemüther durch die Begierde zu herrschen nicht wenig angefrischet / also daß hierdurch nichts schädlichers oder nachtheiligers zu finden ist. (Georgius Lauterbeck. in Speculo Princip.) Bey den Gelehrten fallen unterschiedene Meinungen vor / welche unter diesen Regierungen die beste. Etliche billigen die Democrati; Etliche aber schliessen dahin / daß des Pöfels Regiment so wohl als die Tyranney zu verwerffen / indem man sich bey demselben selten etwas Gutes zu getrösten / und so wenig als es möglich / daß alle in einem Hause zugleich regieren könnten / so wenig wäre es auch möglich / daß alle ins gesammt in einem Lande oder Stadt das Regiment zu haben vermöchten. Etliche halten die Aristocrati / darinnen man etlichen weisen und verständigen Leuten die Regierung befiehlet / für die beste: alldieweil nach des Aristotelis Meinung ihrer Zweene oder Etliche / mehr sehen und verrichten können als Einer alleine. Dahero sich auch Agamemnon gewündschet / daß Er zehen solcher Räthe / die dem Nestor an Weißheit gleich wären / haben möchte. Etliche aber die Monarchi. Denn gleichwie die Bienen nicht mehr als einen König / Regenten und Heerführer / desgleichen der Himmel nicht mehr denn eine Sonne hätte / also sollte auch nicht mehr denn ein Regente seyn. Wohin dann auch Homerus zielet / wenn er saget: Nec multos regnare bonum, rex unicus esto, Unicus Imperium cui Jupiter aurea magnus Sceptra dedit, jussit??? suis dare jura tuendis. Viel Köche versaltzen gemeiniglich die Speise. Wo viel Herren das Regiment führen / da ist nichts als Zanck / und Uneinigkeit / und ein jeder beruhet auf seinem Kopfe. Also daß Einer dieses ein Anderer aber was anders befiehlet. Lebet man aber unter einem eintzigen Regiments-Haubte / und dasselbe liebet in Reichs-Geschäfften / und andern wichtigen Regierungs-Sachen / die Weisen / Gelehrten / und Erfahnen / So lebet man darunter sicherer als bey denen andern. Gleichwie nun aber das Gemüthe eines Regenten bey einem Königreiche oder Lande ein grosser Zierath: Also wollen wir auch eines Königes Potentaten und grossen Herrns Qualitäten / Eigenschafften und gebührendes Amt mit wenigen besehen.
|| [287]

Der mit Recht und Berechtigkeit auf dem Throne sitzende König / und dessen darbey sich ereignenden Königlichen Tugenden / löblichsten Verrichtungen / und herrlichsten Thaten.
[arrow up]

DEmjenigen Könige / welcher seinen Leib mit Vernunft zu regieren weis / mangelt nichts an Macht und Gewalt: Er sitzet an statt des Allerhöchsten auf seinem Throne: handhabet die Gerechtigkeit: belohnet die Frömmigkeit: straffet die Boßheit: stehet seinen Unterthanen als ein guter Hirte wohl vor / und beschirmet sie wider alle anfallende Feinde. Gleichwie aber die meiste und gröste Glückseligkeit eines Landes oder Königreiches auf dem beruhet / wenn dasselbe mit einem frommen und gerechten Regenten versehen ist: Also erfordert hingegen der Nahme und Titul desselbigen nicht ein geringes. Das erste ist / wenn ein Herr durch rechtmässige Mittel sein Reich und Land besitzet. Denn wenn die Regierung an und vor sich selbst gut seyn soll / so muß man vor allen Dingen einen guten und lobwürdigen Nahmen haben. Daferne nun ein Regente rechtmässiger weise zu seinem Reich gelanget / und dessen versichert / so soll er ferner auf desselbigen gute Regierung bedacht seyn / und zwar also / daß er nicht nur zu regieren / löblich anfange / sondern auch darinne beständig fortfahre. Es ist nichts neues / daß es unter einer neuen Obrigkeit denen Unterthanen anfangs wohlergehe / dernacher aber / wenn sich die angemaßte Freundlichkeit und Sannfftmuth in eine Tyranney verwandelt / und die simulirten Laster herfürbrechen / desto beschwerlicher falle. Die gewisseste Richtschnur aller Thaten eines Königes ist die allgemeine Nutzbarkeit und Wohlfarth eines gantzen Reichs. Wie nun diese zwiefach / geistlich und weltlich: Also erfordert auch die Nothwendigkeit / daß die Tugend eines Regenten gleicher Gestalt doppelt seyn soll / und ein König sich so wohl um den GOTTES-Dienst / als um die Bürgerliche (Weil Könige ihr Regiment von GOTT haben / so gebühret ihnen / die Religion und die Gottes-Furcht zu beobachten.) Regierung bekümmern solle. Mit Ihme gehet die GOTTES-Furcht um / welche sich gleichsam in drey Aeste theilet / indem Sie nicht allein an GOTT zu gläuben / und was dessen heiliges Wort erfordert / lehret / sondern auch klärlichen weiset / wie man darnach leben solle. In beyden gehet Er seinen Unterthanen mit guten Exempeln vor. Ist Er nun ohne Heucheley gotts fürchtig so führet Er ohne Zweifel eine solche Tugend an sich / daß alle sein Thun und Wesen nach den Götlichen Geboten / und sein vornehmster Zweck auf die Ehre GOTTES eingerichtet. Als da sind die Sorgen und Liebe zur Religion und dem wahren GOTTES-Dienste: zur Erbarkeit in Sitten und Wandel: zur Treue und Glauben in Worten: zur Standhaftigkeit / in Thaten und Wercken: zur Tapferkeit in Gefahr: zur Aufrichtung der Gesetze: zur Demuth gegen GOTT: zur Freundlichkeit und Sanftmuth gegen die Unterthanen: zur Vorsichtigkeit im Regimente: zur Gerechtigkeit im Urtheilen / und wa??? dergleichen mehr. Als dem Römischen Bürgermeister Lucio Albino cine Vestalische Jungfrau mit ihrem vermeinten Heiligthum aufstieß / hieß Er sem Weib und seine Kinder absteigen / und nahm [288] dieselbe zu sich auf seinen Wagen. König Melissaeus in Creta führete nicht allein gegen seine Götter eine besondere Andacht / sondern Er verehrete sie auch mit den ansehnlichsten Opfern. Der weise Solon rühmete es von sich selbst / daß Er es durch Hülffe und Beystand der Göttin Minervoe weiter als der tapfere Pisistratus mit seinen Waffen gebracht hätte Lucius Sylla führete aus besonderer Andacht allezeit das Bildnis Apollinis in seinem (Die Religion ist der Grun̅ aller Reiche.) Busen. Haben die Heyden eine solche Andacht gegen ihre Abgötter / warum sollen nicht vielmehr Christliche Regenten nach der wahren Religion streben? Ein König ist zwar das Haubt seines Volcks / nichts desto weniger aber auch verbunden GOTT zu dienen. Die Wissenschafft GOTTES / und daß ein Göttliches Wesen seyn müsse / das alle Creaturen übertrifft / ist von Natur denen Menschen eingepflantzet. Dahero auch der weise Heyde Cicero saget: Nullam gentem tàm feram atq; barbaram fuisse, quae non aliquam divini Numinis Notitiam habuerit. Der Heyde Halicarnassoeus behauptete die Unsterblichkeit der Seelen / und die Belohnung des Guten in jenem Leben. Da Aristoteles sterben wollte / rief Er: O ens entium miserere mei! O du Wesen aller Wesen erbarme dich meiner! Der Apostel Paulus saget / es wäre den Heyden des Gesetzes Werck in ihr Hertze geschrieben / und daß sie dahero in ihrem Gewissen überzeuget wären. Wo keine Religion / da ist auch keine Gottesfurcht: wo keine Gottesfurcht / da lebet man in Schand und Laster; wo Laster / da sind keine Tugenden; wo keine Tugenden / da kan auch keine beständige Herrschafft noch Policey seyn. GOTT schriebe dem Jüdischen Volcke bald anfangs ein Gesetz-Buch vor / darinnen die Religion nebenst der Policey enthalten. Gleichwie aber die Menschen von Natur mehr zum Aberglauben und Abgötterey / als zur wahren (Jerem. c. 2. v. 9. c. 11. v. 13.) Religion geneigt / wie mit mehrerm an dem Jüdischen Volcke / an dem Jerobeam / Achab / und ihren Nachkommen zu sehen / welche unterschiedene abgöttische Altäre aufrichteten / und dem Baal räucherten. Also ist die in Gottes Wort gegründete Religion / wie man GOTT nach seinem Wesen und Willen recht erkennen / Ihn allein verehren / und die ewige Seeligkeit erlangen soll / die beste / und wann dieselbe gerecht und einerley / so verbindet sie die Gemüther der Unterthanen gegen ihre Obrigkeit um so viel desto fester; hingegen wo sich um derselben Willen Zwitracht / Mißtrauen und Krieg ereignet / folget gemeiniglich eine Zertrennung darauf. Sobald der (Jos. c. 22. v. 10.) Stamm Ruben und Gad / benebenst dem halben Stamm Manasse auf der Rück-Reise bey dem Jordan einen Altar zu bauen anfiengen / mißfiele solches denen übrigen Stämmen Israel / und machten sich zun Waffen fertig. Wie der Regente in der Religion: also pfleget gemeiniglich das (2. Reg. c. 12. v. 28. 32.) Volck nachzuahmen. Da König Jerobeam die zehen Stämme den GOTTES-Dienst zu Jerusalem zu besuchen abhielte / und den Kälber-Tantz zu Bethel und Dan einführete veränderte bald darauf das Volck auch die Religion. Hingegen / wenn fromme / Gottsfürchtige und der reinen Lehre GOTTES zugethane Könige regieren / so haben sie jederzeit den falschen Gottes-Dienst abgestraffet und den wahren angerichtet / und das Volck zugleich auch zu demselben angeführet. Es soll aber jederzeit der GOttes-Dienst dem Wort GOTTES gemäß seyn. Sobald als Moses dort auf den Berg Sinai stieg / und daselbst etwas verzohe / erwehleten (Exod. 32.) ihnen die Kinder Israel einen neuen Gottes-Dienst / richteten ein gegossenes Kalb auf und opferten demselben. Der Richter und Regente über Israel (Judic. 8. 27.) Gideon / lies sich einen besondern Leib-Rock machen / führete einen neuen Gottes-Dienst in die Stadt Ophra ein / und verursachete / daß [289] sich das ganze Volck Israel daran verhurete / worüber er sich aber an Gott hefftig versündigte / und seine Kinder und Nachkommen deßwegen harte gestraffet wurden. Die Gottseeligkeit bestetiget die Reiche / hat dieselbe ein König an sich / (Worauf unwieder treiblich die Gottseeligkeit un̅ Frömmigkeit zu bauen.) so ist solche die beste Herrlichkeit an seinem Scepter / und der schönste Diamant an seiner Königlichen Crone. Wer GOTT von Hertzen fürchtet / der nimmet nichts ungereimtes vor sich: Er bestehet mit Ehren / und Ihm wiederfähret kein Leib / wenn Er angefochten wird. Ein Jeder gedencke an seinen Schöpfer von seiner Jugend auf / und halte alle Königreiche und Reichthümer dieser Welt gegen die Gottesfurcht für nichts. Menschliche Ehre und Hoheit ist etwas; Betrachtet man aber dieser ihren Nutzen / so siehet dieselbe auf GOTT / auf das Zukünfftige / auf das Ewige und Unvergängliche. Man eignet Ihm zwey Theile zu / nämlich GOTT / als das höchste Gut wissen / und dasselbige auch verehren. Alle Weißheit des Menschen bestehet in dem / daß Er GOTT erkennet / und Ihn allein liebet und ehret. Die Weißheit aber gehet vor / worauf die Religion und Gottesfurcht und Frömmigkeit folget / diese sind eine Stütze des Reiches / und bringen einem Potentaten nicht wenig Ansehen und Gehorsam zu wege. Alle Könige sollen wissen / daß sie ihr Reich von GOTT haben / ob sich wohl Etliche mit Gewalt zu dem Scepter gedrungen haben. Niemahls aber ehren und gehorsamen einem Könige mehr die Unterthanen / ohn allein / wenn sie wahrnehmen / daß derselbe mit (Aristoteles lib. 3. Politic. c. 2.) grössern und vortrefflichern Gaben als Andere versehen ist. Vor Zeiten waren bey etlichen Völckern auch die Könige Hohe-Priester / führeteten Kriege / sprachen das Recht / und hatten in Göttlichen Dingen volle Macht und Gewalt. Da Keyser Septimius sterben wollte / sprach Er zu seinen Söhnen: Ich hinterlasse Euch ein beständiges Reich. Werdet Ihr nun fromm und gottfürchtig seyn / so wird dasselbe bis auf eure Nachkommen tauern / wo aber nicht / so habet Ihr desselben Untergang unfehlbar zu gewarten. Ein König soll iederzeit seine Augen auf das ewige Liecht richten / von welchem Er sein Liecht / sein Leben / seine Crone und Scepter hat. Und obwohl der Mond des Sonnen-Liechtes muß beraubet seyn / so lencket Er sich doch deßwegen nicht von der Sonnen ab. Hat ein König stets seine Augen auf die Tugend der Gottesfurcht / ob gleich ein und die andere Trübsal / Hindernis und Verdunkelung zuweilen darzwischen drehet / so wird die Göttliche Vorsichtigkeit dennoch Ihnen zu rechter Zeit wieder erblicken. Es ist kein grösser Monstrum / als wenn ein grosser Herr sich fromm und gottesfürchtig stellet / und führet eine gleißnerische Frömmigkeit / darunter aber nichts als Tyranney und Laster stecken. Einer bekannten bösen Natur ist leicht zu weichen / einer erdichteten und falschen aber am schwehrsten. Alle Scheinheiligkeit und Betrug zielet auf einen bösen Zweck. Alle Laster werden von dem Menschen gar leichtlich vertragen / ohne alleine die Gleißnerey / alldieweil man durch dieselbe nicht nur sich selbst / sondern andere Leute betreugt. Nicht die Boßheit / sondern die Frömmigkeit und GOttesfurcht eines löblichen Regenten findet einen gnädigen GOTT. Es ist nicht ein schlechtes / wenn man einen grossen Herren bereden will / daß Er sich in Glaubens-Sachen nach Gefallen verhalten möge. Denn dadurch sind öffters die Scepter und Cronen in Stücken zersprungen. Wer die Reiches-Feste wohl bestehen will / der brauche die Gottesfurcht zum Eckstein / so wird es Ihm am Grunde seiner Regierung [290] nicht mangeln. Als die Athenienser sich wegen ihrer Feinde aus der Stadt begaben / schickten sie ihre Schätze gen Delphis in den Tempel: setzet man auf GOtt sein Vertrauen / und ergiebet Ihm sein Hertze / so sind Länder und Königreiche wohl bestellt. (Eines Regenten Amt. 1. Sam. 8. & 9.) Als das Volck Israel auf einen König drang und des alten Samuels getreue Warnung nichts verfangen wollte / da sagte der HERR selbsten zu dem Samuel / daß Er Ihnen einen Mann aus dem Stamme Ben-Jamin schicken wollte / der sein Volck erlösen sollte. Wordurch Er mit dreyerley Worten das Amt eines Königes andeutete / nehmlich / daß Er ein Herr über das Volck seyn / dasselbe beschützen / und wie ein Hirte seine Heerde weyden werde. Setzet nun GOtt einen auf den Thron / so soll er zuförderst gegen demselben 1. seine Schuldigkeit erweisen / Ihn von Hertzen fürchten und ehren. 2. Die Unterthanen mit Recht und Gerechtigkeit regieren / und 3. Sie durch seine Tapferkeit vertretten. Das erste gehet GOtt an / das andere und dritte aber die Unterthanen / denen Er das Recht sprechen / und sie für aller feindlichen Gewalt beschützen solle. Ob wol der Keyser Trajanus die Erkäntnis Gottes als ein Heyde nicht wuste / so verehrete Er doch von Jugend auf seine Götter / und übergab bey Antrettung seiner Regierung dem Richter das Schwerd der Justitz mit diesen Worten: Daß Er dasselbe wider die Verbrecher des Gesetzes / und wider Ihn selbst / wenn Er eintziges Unrecht begienge / führen sollte / gestalt Er dann einsmahls an den Römischen Senat unter andern auch diese Worte schriebe: Fürchtet für allen Dingen die Götter / urtheilet nach den Rechten und der Billigkeit / und versorget Wittben und Waisen! Uber dieses so war Er auch von solcher Tapferkeit / daß das Römische Reich damahls mehr zu als abnahm. König Jacobus Almansor ließ neben seinem Thron dieses hinzu schreiben: Die Gerechtigkeit soll über die Könige / und die Liebe über die Reichen herrschen. Mit den Armen soll man Gedult tragen. Die Macht soll die Eitelkeit dieser Welt betrachten: Die Keuschheit die Jugend zieren / und der König sich für den Himmel fürchten; wordurch Er zu verstehen geben wollen / daß einer kein König seyn solle / wenn Er nicht wohl regiere. Ein grosses ist es / wenn Einer in einer Königlichen Hoheit lebet / ein noch grösserers aber / wenn Er durch seine Tugenden derer sich würdig machet. Ein frommer König ziehet fromme Unterthanen. Lieben dieselben GOTT / so segnet sie derselbe auch hinwiederum. Ist er aber gegen GOTT und den Seinigen und anck bar / so wird an es nicht allein an seiner eigenen Person / sondern an denen Unterthanen und ganzem Lande gewar. Es ist nicht genug für sich selbst fromm seyn / sondern (2. Reg. 18, 4.) man muß auch sein Land mit solcher Frömmigkeit versehen. Nachdem der fromme König in Juda Ezechias feines Vatters des Achabs Abgötterey wieder ausgerottet / un̅ dieselbe zerstörete / ließ Er den Tempel wieder eröffnen / und öffentlich Gottes-Dienst halten / und denen Priestern alles das geben / was GOTT Ihnen im Gesetze verordnet hatte. Der glückselige König Josaphat in Juda / setzte in seinem Lande Gericht und Gerechtigkeit ein / ertheilete den Richtern gottseelige Befehliche / und that (2 Chron. 19.) diese Worte hinzu: Sehet zu / was Ihr thut! Ihr haltet das Gerichte nicht dem Menschen / sondern dem HErrn / und Er ist mit Euch im Gerichte / daß Er dem Gerechten helffe und selbsten Rächer sey / was die Richter spreche̅. Die Gaben & Fröm̅igkeit un̅ Gottesfurcht sind bey allen Regenten die grösten un̅ höchsten / welche darzu dienen / daß man bey denenselben die Furcht Gottes aufnehme / und desselbigen Wort gehorche. Keyser Gratianus that [291] gegen dem Bischoffe / dem Heiligen Ambrosio / zu Meyland sein öffentliches Glaubens-Bekäntnüß. Der Christliche Keyser Valentinianus schlug einen heydnischen Pfaffen darumb ins Gesichte / weil Er Ihn im Eingange der Kirchen / worinnen Julianus seinen Götzen opferte / mit dem so genannten Weyh-Wasser besprengete. Keyser Theodosius der Andere blieb iederzeit bey den reinen und unverfälschten Symbolis, und begab Sich hernach / als Er die Gothen und Perser in zweyen Schlachten überwunden / nicht / wie man pfleget / auf gute Tage und allgemeine Wohllüste / sondern machte heilsame Gesetze / schrieb gen Ephesum einen Christlichen Synodum aus / und ließ auff (Deut. 17.) demselben deß Nestorii Lehre verdammen. GOTT sagte dort zu Mose / du sollt aus deinen Brüdern einen zum Könige über dich setzen / und keinen Frembden / und wenn Er König worden / soll Er nicht viel Rosse halten / noch das Volck wieder in Aegypten führen. Er soll auch nicht viel Weiber nehmen / damit sein Hertze nicht abgewendet / und Ihnen nachgezogen werde. Er soll keinen Uberfluß an Silber und Gold sammlen / sein Hertz nicht in Hoffarth über seine Brüder erheben / noch weichen von den Geboten weder zur Rechten noch zur Lincken. Es ist besser ein einheimischer frommer König / als ein Ausländischer / der frembden Göttern dienet. Viel Rosse bedeuten viel Uberfluß / Pracht / viel unnützes Gesinde / und viel Verschwendung bey einer Hoffstatt. Es ist nichts ungewöhnliches / daß an Königlichen und Fürstlichen Höfen viel aus- und eingehens / da viel Leute und Diener müssen unterhalten werden / da ein grosser Aufgang ist / da viel ungebührliches mit unterläufft / da die unorde̅tlichen Ausgaben weit die überflüssigen Einkünffte übersteigen / und die Unterthanen dadurch desto härter gedruckt und ausgesogen werden. Die Wiederkehrung in Aegypten bedeutet nichts anders / als daß man / wie in Aegypten / keine Abgötterey mehr treiben / sondern dem einigen wahren und unsterblichen GOTT alleine dienen / und nicht wieder in die vorigen Sünden fallen solle. Damit nun ein König sein Land wohl regiere / gebühret Ihme die offenbahren und muthwilligen Sünder abzustraffen / sein Volck in aller Gottesfurcht zu regieren / und alles dahin zu richten / daß Ihn die Bösen fürchten / und die Frommen loben. Daß ein König nicht viel Weiber haben solle / geschicht um deß Aergernisses willen. Denn / wie der Herr / so sind die Unterthanen wenn man Ihnen mit bösen Exempeln vorgehet. Die Gelegenheit / sagt man / macht sündigen. Und solches sahe man an dem Könige David / Salomon / Achab / Assa / und Jerobeam / wiewohl an dem Alexandro Magno / Scipione / Marco Aurelio / Augusto / und andern das Gegenspiel erhellet. Wie ein rechtschaffenes ehrliches Weib ihre Liebe und Treue bis in den Tod bewahrt: Also verursachen viel Beyschläfferinnen viel Verwirrungen und Stricke zu allerhand Fällen. Die Zucht un̅ Scham einer Weibes-Person verbergen zwar viel Gebrechen / hat man aber deren bey Hauffen / so darff man sich nicht viel nach Unglück umsehen. Schöne Weiber / und süsser Wein führen eine besondere Anmuthigkeit in sich / geneust man ihrer aber zu viel / so lassen sie ihre Tücke nicht. Wie der Mond / also auch die Weibs-Bilder. Wer viel zu zancken begehret / der nehme mehr als ein Weib: Und dieses ists / wohin der Geist GOttes gezielet. Schätze sammlen ist unverboten. Denn wer reich ist / den heisset man einen gnädigen Herrn. Wer aber aus anderer Leute Gut und Vermögen Geld presset / und leget es bey Hauffen / der leidet darbey Schaden. Wer sich allzuviel um [292] Reichthum bewirbet / dem fällt offters der Staub in die Augen. Wo allzugrosses Geld und Gut / da wächset viel Hader / und der es hat / dem stellet man am meisten nach. Reichthum ist zwar eine Gabe Gottes / als wie man siehet an dem Könige Salomon / welcher alle seine Schätze / Weißheit / und Verstand von GOTT hatte / allein desselbigen Mißbrauch ist verdammlich. Gemeiniglich folget aus Vielheit der Schätze der Geitz / und die Geldsucht. Einem Kaufmann ist das Geldsam̅len unverboten / einem Könige aber stehet die Sparsamkeit und Freygebigkeit zu. Die Freygebigkeit des Alexandri Magni streicht man so hoch als seine Tapferkeit hinaus. Wenn man Ihn heutiges Tages noch lobet / so sagt man nicht / der glückselige oder reiche / sondern der Freygebige Alexander. Wer allzuviel Geld liebet / der wird deß nimmer satt / und der Geitz wächset mit demselben. Wie der Hund nach dem Wasser schnappet / und darüber öffter das beste Stücke Fleisch verliehret: Also gehet es auch dem / der zu seinen grossen Gütern derer mehr an Sich zu ziehen gedencket. Nichts fället denen Menschenfeindlicher / als die / so alles allein zu Sich reissen / dahero nennet man Sie Stränge der Seelen. Wie nun meistentheils auf Uberfluß an Gold und Silber die Hoffarth folget: Also verbeut GOTT auch / daß Sich ein König darinnen nicht überheben solle. Das Alter der Hoffarth stirbet nicht / sondern es besamet sich auch unter den besten Gewächsen der sonst edelsten Gemüther. GOTT stieß die erste Hoffart vom Himmel / und weil dieselbe noch täglich empor zu schwingen bemühet / so ist der Teufel der nächste / welcher hierzu Garn und Stricke drehet. Wenn der Mensch die Wahl hat / so will Er lieber mit einem Narren / als Hoffärtigen zu thun haben. Denn Jenem kan Er bereden was er will / dieser aber gläubet durch seine Einbildung nicht / was Andere vor Ihm gewesen. Wie eine aufgeblasene Blase in dem Wasser über sich schwim̅et: Also bläset sich auch ein Hoffärtiger durch seine̅ Reichthum auf / sticht aber Gott ein Loch darein / so lieget Er mit allem / was er hat / zu Boden. Wie derohalben es iederzeit fromme und gottsfürchtige Regenten gegeben: Also hat man Fromme gefunden / welche zu letzt aus der (1. Reg. 12.) Art geschlagen. König Salomon war unter allen Regenten der löblichste / Er ließ sich aber durch die Begierden der Weiber verführen / und verstattete abgöttische Tempel zu bauen. Worauf das Reich Israel sich zertrennete / in zwey Theile theilete / und zwischen beyden gleichsam ein ewiger Krieg entstunde. So lange als Joas der König in Juda des Hohen Priesters Rath pflegete / so war er fromm und gottsfürchtig / nach desselben Tod aber ward er abgöttisch / und ließ dessen Sohn den Zachariam (2. Chron. 24, v. 20. 22.) erbärmlich steinigen. Der König Assa thät das dem HErrn wohlgefiel / zerbrach die frembden Altäre / Höhen / und Hayne / bauete feste Städte / opferte dem HErrn / und machte einen Bund mit dem Volke / daß / wer des HErrn Wort nicht suchen würde / der sollte sterben / nachdem Ihn (2 Chron. 14, 15. 16.) aber Baesa der König in Israel bekriegen wollte / machte Er ein Verbündnüß mit dem Könige in Israel / und als der Prophet Hanani Ihn deßwegen / daß Er sich auf einen fleischlichen Arm / und nicht auff (1 Reg. 15.) GOTT verliesse / straffete / befahl Er denselben ins Gefängnis zu werffen / und druckete Etliche mehr aus dem Volke unter. So fromm der König Amazias in Juda war / so abgöttisch wurde Er hernach / also daß Er nachgehends / da Er wider der Propheten Einrathen einen unnöthigen Krieg anfieng / geschlagen / der Tempel geplündert / und Er von den Seinigen in der Flucht zu Lachis erstochen ward. Bey dem Ale [293] (Curti9. Plutarchus.) xandro Magno ereigneten sich Anfangs die grösten Tugenden / Er war ein streitbarer Held / glücklich im Siegen / gütig gegen die Feinde / Ehrerbietig gegen die Priester GOTTES / züchtig und mässig / gerecht in der Regierung / also / daß an Ihm nichts annehmlichers und gewündschters zu sehen / als seine Königliche Person: Sobald Er aber die gewaltige Stadt Babylon eroberte / ward Er der Lasterhafftigste: Er soff mit andern um die Wette: Er erstach bey dem Truncke den tapferen Clytum: Wollte als ein Gott verehret seyn / und ließ deßwegen den Callisthenem unschuldig in einen vergitterten Bauer setzen / und endlich denselben tödten / und damit ja kein Böses unterbliebe / so muste auch der löbliche Fürst Parmenio daran / biß Er letzlich zu Babylon in ein hitziges Fieber fiel / und daselbst sein Leben aufgab. Worbey wir erinnert werden / daß / wenn es uns wohlgehet / wir nicht zu gottlos seyn / und unsern Begierden allzusehr nachheygen / sondern GOTT fürchten / und uns seinem gnädigen Willen unterwerffen sollen. (Gottlose Regenten sind nicht selzam.) Wie die Frommen die Warheit lohen: Also gebräuchen sich offters die Gottlosen einer verkehrten Meinung / oder Einbildung von GOTT / da Sie vermeinen es sey keiner / oder da ja Einer / daß Er auf der Menschen Thun nicht Acht habe. Keyser Caligula bildete sich (Svetoni9 de Caligulâ.) ein / oder wollte zum wenigsten doch andere bereden / als wenn Er in dem Capitolio zu Rom mit dem Gott Jupiter Gespräche hielte / und bedrohete Ihn zum öfftern wohl gar. Heliogabalus spottete der Götter (Caelius lib. 3.) / und vermählete den Mond mit der Sonnen. Einer mit Nahmen Psaphus lernete einer Dolen diese Worte nachschwatzen: Psaphus ist ein Gott / wordurch viel Boßheit und Aberglaube entstanden. Des Aeoli Sohn Salmoneus wollte seine Unterthanen bereden / daß Er gleichfalls ein Gott wäre / und erdichtete zu dem Ende vermittelst deß Schweffels und Salpeters einen irrdischen Blitz: Dieses sind heydnische Exempel. Sehen wir uns nach bösen Regenten um / so sind derer häuffig in der Welt gewesen / die weder an GOTT noch an den Teufel (Polybius.) geglaubet. König Antiochus Epiphanes in Syrien / unterwand sich mit seiner Armee GOTT die Spitze zu bieten / und seine Kirche auff (Josephus.) Erden zu vertilgen. König Ptolomeus Lathurus lies in Galilaea dreyssig tausend Juden erwürgen / die Todten kochen / und die Gefangenen damit speisen. König Ptolomeus Physcon in Aegypten nahm seine eigene Schwester zum Weibe / erwürgete dieselbe hernach / und gab Jhr vorhero ihres eigenen Sohnes Fleisch auf einem Panqvete zu essen. Der Römische Keyser Cajus Caligula wuste anfangs seine Laster und Tücke meisterlich zu verbergen / endlich aber ward Er stoltz und aufgeblasen / begehrte / daß man Ihm opferte / ließ seinem Bruder dem Tiberio vergeben / ihrer Etliche vom Rathe tödten / und beschlieff drey seiner Schwestern. Keyser Claudius Nero / vergaß alle Tugend und Erbarkeit; gesellete sich zu leichtfertigen Sängern / fochte mit Fechtern / lief des Nachts vermasqvet einher / befließ sich täglich der Völlerey / schändete Eheweiber und Knaben; Beschlief seine Mutter die Agrippina / ließ sie hernacher tödte̅ / wie auch seine̅ Lehrmeister den Senecam / zündet aus Boßheit die Stadt Rom an / und trieb solche Gottlosigkeit / bis Ihn der Raht für einen Reichs-Feind erklärete / und er sich selbst mit einem Messer erstach. Keyser Commodus befleckte sich mit allen Lastern / war eines grimmigen / verhurten und bübischen Gemühtes / [294] Er legte sich auf alle Boßheit / verkauffete die Römischen Ehren-Stellen um Geld / hatte dreyhundert Kebs-Weiber und saß offtermahl bey öffentlichen Schau-Spielen in Weibs-Kleidern / bis man Ihn mit einem Strange erwürgete. Keyser Maximinus ein Mensch von groben und ungeberdigen Sitten / tyrannisirte unter den Römischen von Adel auf das hefftigste / ließ Etliche an das Creutz schlagen / Etliche den wilden Thieren fürwerffen / Etliche aber / sie möchten Standes seyn / wie sie wollten / mit Prügeln und Knütteln erschlagen / bis man Ihn wieder in seinem Lager für Aquileja aufopferte. Keyser Justinianus der Dritte zu Constantinopel führete iederzeit ein wildes und wüstes Leben; Erwiese sich weder (Chronic. Carionis.) GOTT noch denen Menschen beständig; Brach das mit den Saracenen und Bulgaren getroffene Verbündnis; Lebte in der Religion nach seinen Gefallen; Verübte die grösten Grausamkeiten durch seine Befehlichhaber gegen die Bürger und Einwohner. Darüber Er aber auf Anstifften des Raths-Herren zu Constantinopel Leontii / und mit Genehmhaltung des Patriarchen Gallinici gefangen / des Keyserthums entsetzet / die Nase abgeschnitten / und des Reichs verwiesen wurde. Hierauf flohe Er zum Könige in Beyern / und in die Bulgarey / durch dessen Hülffe Er mit Heeres-Krafft das Keyserthum wieder bekam. Fieng von neuen an grausam zu tyrannisiren / ließ Leontium und Tiberium / welche ihn des Reichs und der Nase beraubet / für Männiglichen tödten / dem Patriarchen das Gesicht verderben / und deren Freunde durch allerhand Marter umbringen / schickte hernach seinen Feld-Herrn den Mauritium gen Chersona / woselbst er sich als ein Vertriebener eine Zeitlang aufgehalten / und befahl demselben / daß Er alle die Jenigen Manns-Personen / welchen der Bart gewachsen / sollte ermorden / alldieweil sie Ihn dem Leontio und Tiberio zu gefallen / wo Er nicht bey Zeiten die Flucht ergriffen / hinzurichten im Sinne gehabt. (Plutarchus.) Gleichwie nun die Wölffe / wen̅ sie einmahl Menschen-Fleisch gefressen / sich dessen hernacher nicht sollen enthalten können: Also werden auch offters Gewaltige zu Bestien / und gerathen in eine unmenschliche Grausamkeit / wenn sie die Boßheit und Gottlosigkeit übereilet. (Die Weißheit und Vorsichtigkeit eines Königes.) Daß man weißlich handelt / darzu gehören unter andern auch dreyerley Stücke; als die gute Anstalt zu einer Sache / daß man das / was man vorhat / wohl bedenke / und dem Künfftigen mit guter Vorsichtigkeit begegne. Ein Weiser soll lange Ohren und eine kurze Zunge haben: Es ist nicht ein schlechtes / wenn man sich selbsten erkennen lernet / ehe man über Andere ein Urtheil fällen will. Weißheit ist keine Weißheit / wo kein Fleiß darbey. Der ist weise und verständig / der seinem Verstand nicht zu viel trauet. Allen Regenten ist die Weißheit und Vorsichtigkeit am (Prov. 13, 16.) nöthigsten: Denn / weil sie Alles mit guter Vernunfft thun / fürchsichtiglich wandeln / aus ihrem Munde guten Rath streuen / und ehe sie was anfangen / wohlbedächtig es vornehmen sollen / so muß nothwendig ein guter (16/8. 16.) Rath / und kluge That beysammen seyn. Der Weißheit Arbeit ist lauter Tugend / ihre Lehre Zucht / und durch sie regieren die Fürsten auf Erden. Der Verstand ist die rechte Kunst zu herrschen / ohne dem Niemand regieren mag. Zwey Stücke werden an einem Könige erfordert / nemlich die häußliche Gottesfurcht / und die im Fall der Noht einheimische Macht (I. Reg. 4, 31.) und Gewalt. Zu beyden aber gehöret die Weißheit. Salomons Weißheit übertraf aller Menschen Weißheit auf Erden. Wer Sie hat / der denke / (I. Cor. 4, 7.) er habe sie nicht von sich selbst / sondern Er erwege / daß Er sie von Gott habe. Je mehr Kunst und Weißheit / ie mehr Demuth. Der Poete Pin [295] darus saget: Ein weiser Herr sey gleichwie ein Löwe / welcher bey aller sich ereignenden Gefahr austaure / hingegen gleiche Er sich einem Fuchse / der auf allerhand kluge Anschläge gedächte. Eine Regierung ist gleich einem einzigen Menschen / bey deme Weißheit / Rath / und Verstand zu finden ist: Hingegen der Leib gleich einer Gemeine / die offters über kluge und weise Rathschläge herrschen will. Weise Gemüther / denen nichts böses bewust / verachten das Bellen der Hunde. Von dem Marco Antonio (Dion.) Philosopho / hernach Römischen Keyser / meldet Dion / daß Er ein weiser und tugendhaffter Herr gewesen / der sonderliche Policey-Ordnung und Gesetze / auch darbey herrliche Erinnerungen / als der Weißheit / Gerechtigkeit / Gedult und Gutthätigkeit gemacht. Keyser Severus war ein Herr / dem am Verstande nichts mangelte / geschwinde und von fürtrefflichen Rathschlägen. Er liebte die Künste / und beförderte dieselben / und war darbey selbsten wohl gelehrt. Gegen seine Freunde erwiese er sich willig / gegen (Lib. Sapient.) seine Feinde aber gestrenge und ernsthafftig. Die Liebe zur Weißheit macht ein beständig Reich / und die Menge der Weisen erhält die gantze Welt. Wenn die Alten die Weisheit wollten abbilden / machten sie ein Gemählde oder Bild / das einen Jeden / ermochte stehen auf welcher Seiten er wollte / mit den Augen ansahe. Die jenigen Königreiche / Länder und Städte sind für die seeligsten und besten zu achten / derer Regenten nach Kunst und Weißheit trachten. Wenn die Gewaltigen klug sind / so gedeyet die Stadt / da gegenfalls ein wüster König Land und Leute verderbet. Ein Herr hat sich im Reden mässig zu halten. Denn braucht Er der Zungen zu viel / so macht er sich durch die Vielheit seiner Wörter verächtlich. Er entdeckt dadurch die Geheimnisse / die sonst verschwiegen blieben / entblösset was Er in Gedancken führet / und vergleichet sich einer Glocke / die alle Unterthanen im Lande hören. Niemand ist / der nicht auf seine Natur / Art / Verstand und Zuneigung Achtung giebet. Alles wird auf das genaueste an ihme beobachtet / und auf das unterschiedlichste ausgeleget. Ein iedes Geschirr erkennet man an dem Klange: Also auch die Rede an den Menschen. Die Worte sind die nächsten Werckzeuge: Alle Ehre / Thorheit und Schande / Leben und Tod beruhen auf demselben. Die Natur hat die Zunge nicht vergebens mit den Lippen und Zähnen umzäunet. Sie hänget an dem gefährlichsten Orte / da sie bald lieget / bald stehet. An dem Steuer-Ruder ist das ganze Heil des Schiffs gelegen. Der Gewalt eines Pferdes muß durch das Gebiß Einhalt gethan werden / der Zunge aber durch die Vorsichtigkeit. Die Römischen Keyser tractirten ihre wichtigsten Dinge lieber schrifftlich als mündlich / alldieweil sie der langsamen Feder nicht so viel Gefährlichkeit als der fertigen Zungen zutraueten. Wer sein Gemüth durch allzugrosse Weitläufftigkeit eröffnet / der geräth in Gefahr: Kurze Gespräche sind die besten / welche doch nichts desto weniger ein grosses Nachbenken verursachen. So lange ein Thörichter schweiget / solange wird er für klug gehalten / sobald er aber das Maul aufthut / so gucket Ihm der Jecke zum Halse heraus. Nichts ist ansehnlicher als wenig reden / und viel hören / auch gebühret sich nicht weniger mit Vernunfft zu schweigen / als zu reden. Eine besondere Ernsthafftigkeit ohne Verdruß / eine Anmuthigkeit ohne Falsch / eine Beständigkeit ohne Boßheit / und eine Freundlichkeit ohne Heucheley wircket mehr / als ein allzuvielfältiges Gespräche. Viel zusagen / wenig halten / macht einen verdächtigen Glauben. Viel Kriege entstehen nicht so wol wider die zugefügte Schmach / als daß man das / was man zugesagt / nicht gehal [296] ten: Bey allen fällt dieses Laster verächtlich. Denen Oberen ist es ein Nachtheil / bey denen Mittlerern wird es für eine Ungerechtigkeit / und bey denen Unterthanen für eine Tyranney geschätzet. Keines Menschen Ehre soll Gefahr leiben. Siehet man die Laster herfür blicken / so soll man sie straffen / und die kleinen Fehler verbessern / Selten aber das / was (Die freye̅ Künste stehen einem Potentaten nicht weniger als die Lesung der Geschichte an.) man einmahl für billich erkennet / widerruffen. Wo die freyen Künste im schwange gehen / so ist es eine Anzeigung eines blühenden Regiments. Nullus est cui sapie̅tia magis conveniat, quàm Principi, cuj9 doctrina omnib9 debet prodesse subjectis; Niemand ist / dem mehr Weißheit un̅ Verstand anstehet / als einem grossen Herren / dessen Geschicklichkeit alle̅ Unterthanen zu Gute köm̅et. Das ist ein glückseliges Land / da weise / erfahrne / und gelehrte Männer regieren. König Salomon bate GOTT nicht um viel Länder / sondern um Weißheit. Keyser Gordianus war sorgfältiger für seine Künste / als für seine grösten Schätze. Keyser Severus befliesse sich von Jugend auf / der freyen Künste / liebte die Gelehrten / und fürchtete sich (Vegetius dere militari.) auch für ihnen / damit sie von ihm nach seinem Tode nichts Widriges schrieben. Das Lob eines Menschen ohne Kunst und Geschicklichkeit ist nichts anders als ein Schatten. Denn sobalde das Glücke hinweg / so ist es auch mit demselben geschehen / wer aber was gelernet / das bleibet Ihm unversehret / und weichet nicht von Ihm / bis er stirbet. Da König Carl der Grosse zu Paris die Schule besichtigte / die Jugend examiniren hörete / und gewahr ward / daß die Stadt- und Land-Kinder die Adelichen übertraffen; sagte Er zu denen zweyen ersten: Fahret in eurem Fleisse fort / wie Ihr angefangen / Ich will euch nicht nur Geld und Gut verschaffen / sondern auch mit reichen Pfründen versehen: Euch Edlen aber / die Ihr Euch auf eurer Eltern Reichthum / Stand und Ehren verlasset / und nur dem Müssiggange nachhänget / will ich zurücke setzen / wo ihr euch aber bessert / und denen Studien / gleich ihnen / embsig oblieget / so sollt Ihr / eurem Stande gemäß / auch für andern für gezogen werden. Als sich des Königes Alphonsi in Arragonien Trompeter einsmahls mit ihren Trompeten zu viel hören liessen / und Er gleich etliche Schrifften vor sich zu lesen / befahl Er Ihnen aufzuhören / alldieweil Er mit einem und dem Andern was nützliches zu reden hätte. Da der weise Thales Milesius gefragt ward / wer der glückseligste in der Welt wäre? Sprach Er: Der / welcher einen gesunden Leib / starke Glieder / und mit allerhand Wissenschafften begabet ist. Gute Künste sind die beste Geleits-Leute. Und ob schon die Bildnisse des Leibes die schönsten Denckmahle / so sind doch die Gemählde des Gemühts / nämlich die Geschicklichkeit und Künste / welche man in denen wohlgefasten Schrifften am besten schauen mag / viel höher zu achten. In der Welt gehet es zu wie auf dem wilden Meer / welches ab und zulaufft / und dessen Ungestümmigkeit das Schiff bald bis an den Himmel erhebet / bald aber in die Tieffe hinab wirfft / und Etliche darinnen sich befindliche Personen erträncket / Etlichen aber wieder darvon hilfft. In der Welt steigen bald die grösten Häupter empor / bald aber fallen sie wieder dahin. Keiner ist so glückselig / so mächtig / so reich / so gros / welcher nicht der weltlichen Gefahr unterworffen / und zwar meistentheils darum / alldieweil sie sich ihrer Gewalt überhoben / sich gegen die Unterthanen grausam verhalten / und ein sicheres Leben geführet. Dafern Sie aber ihre Gebrechen erkennet / ihre Mängel zeitlich bereuet / und ihren Reichen mit heilsamen Mitteln wieder aufgeholffen / sind sie wieder zu ihren vorigen Würden und Hoheit gelanget. Nirgends besser sind derglei [297] chen Tugend und Laster / die einem König bald auf den höchsten Thron der Glückseligkeit geholffen / bald aber in das euserste Verderben gestürzet / zu befinden / als in den alten Geschichten. Dieses sind Tugend un̅ Laster-Spiegel / darinne man Gutes und Böses siehet. Des Menschen verrückte Natur ist blind / unbesonnen / und vergeßlich / und weis nicht aus was Veränderungen ein und das andere Regiment entsprungen: Warum sich Ein un̅ das Andere zugetragen / wan̅ Er nicht die Geschichte gelesen. Nichts im Alter von den Sachen wissen / die sich vor diesen zugetrage̅ haben / scheinet mehr kindisch als man̅bar zu seyn. Es ist nicht ein geringer Vortheil / wenn man aus Historien siehet / was sich von Jahren zu Jahren begeben. Was die Alten für Fehler in ihrem Leben begangen: Was für Anschläge sie geführet / wie sie dieselben gebessert / und auf den heutigen Staat gerichtet. Es sind dieselben Zeugnisse der vergangenen Zeit / Liechter der Warheit / Lehrer des Lebens und Athem des Gedächtnisses. Sie unterrichten uns in dem bürgerlichen Leben / zeugen den geistlichen Stand / erklären die Schrifft / befördern die Menschliche Weißheit / bessern die Wohlberedenheit / und sind eine Ausübung vieler Wissenschafften. Demetrius Phalereus riethe dem Ptolomeo Könige in Aegypten / daß Er seine Historien / so Er von einer königlichen Regierung geschrieben / nicht ungelesen lassen sollte. Die Römer hielten den Jüdischen Geschichtschreiber Josephum nicht allein in grossen Ehren / sondern richteten Ihm auch / wegen seiner geschriebenen Jüdischen / und anderen Geschichten zu Ehren / eine besondere Statuam auf. Der weise Aristoteles war um des willen dem Alexandro Magno: Erathosthenes dem Könige Ptolomaeo Evergetae / Hellanicus Militensis / dem Macedonischen Könige Amyntae sehr lieb. Da man den weisen Socratem fragte: Was auf dieser Welt das allerlieblichste? sagte Er: Die gute Zeit / die wahre Tugend / und die Geschichte. An grosser Herren Höfe giebt es grosse Thürne / und auch hohe Sprünge. Je geschwinder einer empor kömmet / ie behender und tieffer wird er offters zu Boden geworffen. Beydes siehet man aus den Geschichten / und die lernen zugleich / wie man mit beyden behutsam soll umgehen. Sobald als Julius Caesar des Alexandri Magni tapfere Thaten und Geschichte laß / eyferte Er gleichsam über dessen Tugenden. Wie aber der Türckische Keyser Selim dierühmliche Thaten lase / bemühete Er sich gleichfalls in dessen Fußstapfen zu treten. Keyser Carl der Fünffte wollte nicht allein bey dieser Nachwelt / für einen berühmten Helden angesehen seyn / sondern / der auch in den vergangenen Geschichten wohl bekannt und beruffen sey. Denn Er hielte darfür / daß man sich dadurch theils klug und hurtig / theils auch unsterblich machen könte. Nicht allein denen Alten / sondern auch denen Jungen dienet diese Wissenschafft. Denen Jungen / daß sie ihre Fehler und Gebrechen darnach richten / der Tugend nachhangen / und darfür halten / als hätten sie schon vor langen Zeiten in der Welt gelebet. Daß Sie Jhre Tugend / Aufrichtigkeit / und löbliches Regiment bis in das Grab verwahren / und Ihnen nach dem Tode nichts böses nachgeschrieben werde. Und / was kan auch nöthiger und nützlicher gefunden werden / als die Historia und Geschicht? Sie entzündet die Gemüther zur Tugend / erschrecket die Untugend. Machet die Tugend hafften nach dem Tode wieder lebendig. Beweget die Traurigkeit und Freude. Ehret die Gelehrten / schändet die Laster: Richtet die Gerechtigkeit und Billigkeit / die Weißheit und Standhafftigkeit / die Gedult und Tapferkeit / die Liebe und Freundlichkeit / die Sanfftmuth und Keuschheit / die Sparsamkeit und [298] Freygebigkeit empor; und verwirfft hingegen den Hochmuth / den Unverstand / die Ungerechtigkeit / die Hoffarth / die Grausamkeit / Ungedult / Neid / Rache / Verschwendung / und Alles / was schädliche Laster nach sich ziehet. Kein Mensch ist so grausam und barbarisch / welchen sie nicht zum wenigsten erlustige. Sie vergrössert die Vorsichtigkeit / erwecket adeliche Tugenden: Tröstet die Betrübten: Unterrichtet die Unwissenden: Stärket die Furchtsamen; Ermuntert die Verzagten: Erzehlet das Alter: Preget Gutes und Böses: Eröffnet die Länder: Weiset dererselben Thaten und Anschläge: Macht das denckwürdigste kundbar: Scheidet das Gerechte von dem Ungerechten: Das Verzagte von dem Tapfern: Das Starke von dem Schwachen: Das Standhafftige von dem Ungewissen: Die Thorheit von Klugen / und zeiget / wie die Tapferkeit sich in Verrichtungen / die Vorsichtigkeit in Rathschlägen / und die Bedachtsamkeit in allerhand gefährlichen Fällen verhalten solle. Denn / gleichwie hierdurch die Zucht und Erbarkeit bald müssen herfürbrechen: Also werden auch durch Sie die Tugenden und Laster entdecket. Der meiste Theil der Menschen ist also gesinnet / daß er sich lieber mit Exempeln / als guten Gesetzen und Geboten unterrichten lässet. Jene haben mehr (Cornelius Tacitus.) Krafft die Gemüther zu bewegen / als die strengesten Worte. Die gröste und beste Frucht der Historien ist / daß man die Tugend und Tapferkeit preise / und wiederumb das / wordurch man übels gehandelt / für Augen stelle / damit sich die Nachkommen der ersten zu befleissigen / der Andern aber müssig zu gehen haben. Die Tugend ist nirgends besser zu recommendiren / als wenn man die ärgsten Laster / die weibischen / und unverschämten Gebärden des Königes Sardanapali / des Keysers Heliogabali / die Tyranney des Phalaris / die unglückselige Heyrath des Masinissae / und der Sophonisbe / die schändliche Entführung des Paridis / den Vater-Bruder- und Schwester-Mord / die verdächtige Liebe / den verbotenen Ehebruch / und die Blut-Schande / den Ungehorsam der Unterthanen gegen ihren König / die Grausamkeit gegen die Unterthanen / der Kinder Boßheit gegen die Eltern / die Falschheit der Potentaten wider ihres Gleichen / der Knechte Untreu gegen ihre Herren / und der Freunde Mißgunst gegen die Andern entgegen setzet / die Laster aber am meisten zu verfolgen / wenn man der Tugend einen Thron bauet. Denn wenn man die Laster an Andern betrachtet / und nachgehends sein eigen Hertz und Gemüthe ansiehet / so nimmet man nicht unbillich Ursache sich selbst zu hassen. Alles findet man daselbsten gleichsam mit Fingern gezeiget / was zu thun oder nicht / was ehrliche Thaten für Lob und Ehre / und was die Gottlosen für erschreckliche und abscheuliche Fälle nach sich ziehen. Wie Etliche von geringem Stande so wunderbar herfür gestiegen / zugenommen / gewaltig / reich / und zu hohen Ehren gekommen. Wie / und wenn GOTT der Allerhöchste die erschrecklichsten Straffen ergehen lässet: Wie man offters das Gute dem Bösen / das Böse dem Guten vorgezogen / und wie Einer den Andern unter dem verdeckten Scheine betrogen. Lieset dieses ein Regente / so wird Er in sich schlagen / seine Register anders einrichten / und bedencken / daß Er so wohl ein Leben / und eine Zeit / als ein Anderer zu sterben hat: Er wird betrachten und gleichsam augenscheinlich sehen / wie die bösen und gottlosen Tyrannen in ihrer Grausamkeit ein mühsames Ende genommen: Wie auf Tyranney / Zanck und Zwietracht / nichts als die grösten Veränderungen / Zerrüttungen und Untergang der mächtigen Königreiche / Länder und Provinzen erfolget: Was der Zorn für unmensch [299] liche Thaten ausgerichtet: Wie der Israelitische König Saul um des willen die Stadt Nobe angezündet / und Keyser Theodosius etliche tausen Thessalonier erschlagen lassen. Wie viel tapfere Helden um ihrer Thaten wegen ein unsterblich Lob erlanget. Wie die Mässigkeit und Standhafftigkeit / der Römer Reich zum höchsten erhaben / und vielmahls die Hoffarth / der Geitz und die grosse Pracht zu Grunde aus verderbet: Wie Etliche dererselben das gröste Reichthum verachtet: Sich mit wenigem begnüget: Die / wann Sie alle das Jhrige verlohren / Sich am wenigsten darum bekümmert: Wie Etliche die Furcht des Todes / der doch von Natur grausam / nicht gescheuet: Wie man die Freyheit des Vatterlandes auch mit Verlust des Lebens gesucht: Ihsonderheit aber giebet Uns die Historia Anlaß / was eines Potentaten Ambt sey / wie Er Land und Leute wohl regieren / und seinen eigenen Nutzen nicht dem gemeinen Wesen vorziehen; Wie Er auch mit Gefahr seines Leibes über die Gerechtigkeit halten; Die denen Seinigen angethane Schmach rächen: Die aufgebürdeten Kriege mit Gewalt hintertreiben / Kirchen und Schulen fortpflantzen / und sein Land mit guten Gesetzen / Sitten und Policey versehen solle. Dafern man aber dieses alles in Regierungs-Sachen nicht beobachtet / weder weiß / noch lieset / der erfähret endlich mit seinem eigenen Schaden / was Er zu Seinem und der Seinigen Nutzen und Besten hätte wissen / und in Erfahrung bringen sollen. (Die nutzbare Berathschlagung vor sich und mit den Gelehrten.) Es ist nicht genug / daß ein Regente vor Sich alleine weise und klug sey / sondern Er soll sich auch mit den Gelehrten und Weisen befragen / Viel Augen sehen mehr als ihrer zwey: Die Weißheit hat ihren Sitz in der Vernunfft / und ist die jenige / welche viel Köpfe unter einen Hut bringet / Je höher aber der Verstand und die Verrichtung / ie näher man der Gefahr stehet. Gleichwie uns aber die Geschichte die verflossene Zeit / was darinnen nützliches vorgegangen / und die Fehler derer / so damahls regieret / vor Augen stellen: Also soll man sich auch Gelehrte erwehlen / deren man sich in warhafftigen Dingen / wichtigen Handlungen und Rathschlägen gebrauchen könne. Diese sind gleich denen See-Karten / vermittelst derer man auf der Regierungs-See glücklichen fähret / und bey ereigneten Sturm-Winden / das ist / allerhand Regiments-Lasten / wieder an einen sicheren Port gelanget. Die alten Zeiten weisen Uns / wie die Länder geblühet / und die Regenten darinnen geherrschet / die gegenwärtige Zeit aber / und diese / sind die / so das innstehende verbessern helffen. Keyser Severus besetzte seine Aemter mit gelehrten und solchen Leuten / die in den Geschichten wohl erfahren waren. Und gleichwie alle Bücher nicht gute Rathgeber; also sind auch die / welche viel gelesen / nicht allezeit die Besten im Ratschlägen / sondern die / so ein untadelhafftiges Leben führen / sich der Gottesfurcht befleissigen / und darbey die Göttlichen Gesetze beobachten. Es ist sehr schwehr / daß sich eine Sache zutrage und begebe / wie die Andere. Darum ist auch unmöglich / wenn man Alles nach den vorigen Begebenheiten einrichten wollte. Will man wohl regieren / so soll man Ihme selbst nicht zuviel trauen / sondern auch Anderer weise Rathschläge mit anhören. Die gröste Menschliche Weißheit tappet zuweilen im Finstern. Man vermeinet offters / man wolle vor sich selbst den besten Rath schmieden / und geräth darüber in das gröste Verderben. An grosser Herren Höfen soll man solche [300] Leute erwehlen / welche tüchtig sind die aufgetragene Geschäfte abzuhandeln. Nicht ein Jeder ist zu einer ieden Verrichtung tüchtig und geschickt. Gleichwie nicht alle Werckzeuge zu einem Wercke mögen gebrauchet werden. Etliche Gemühter findet man / die sind gewaltsam / etliche mißtraulich / etliche furchtsam / etliche grob und unartig / etliche wissen sich nicht nach Anderer Sitten und Naturen zu richten / etliche aber sind bessere Erfinder / als Unterhändler in Geschäfften. Die Jenigen sind sonder Zweiffel zu deren Berathschlagungen am tüchtigsten und geschicksten / welche so wohl von Ansehen als im Gespräche ein warhafftiges und auffrichtiges Gesichte haben / bey denen von Natur keine Verschlagenheit noch Argwohn anzutreffen: Die alle Dinge bis zu ihrer Zeit verschweigen: Sie mit Bescheidenheit vorbringen: Mit Gedult Eins und das Andere anhören: Das Unbillige widerlegen; Das Kluge und Weise vorstellen: Sich einem Jeden mit Freundlichkeit verbinden; Sich in ihren Verrichtungen nicht übereilen / und sonst deme / was sie vollnziehen und beschliessen sollen / klüglichen nachkommen. Viel Königreiche sind mehr durch die Untüchtigkeit der Räthe und Bedienten / als durch Ihre Regenten selbsten in das Verderben gebracht. Und / gleichwie an Erhaltung eines Reiches nicht wenig: Also ist auch an diesem ein Grosses gelegen. Denn / wenn diese mit ihren Rathschlägen der Warheit abbrechen / so geschiehet im Lande die gröste Verwirrung. Alles / was Regenten vornehmen / darüber sollen Sie rathschlagen. Je reifflicher man eine Sache überleget / ie einen desto besseren Ausgang gewinnet Sie. Nichts ist in wichtigen Dingen gefährlicher / als die Ubereilung und Geschwindigkeit in Rathschlägen. Denn / wenn dieselben einmahl geschehen / so folget hierauf gemeiniglich eine spate und unwiederruffliche Reue. Maximè sunt contraria consilio Festinatio & Ira: Alle Dinge haben ihre Maasse / nicht zu geschwinde / nicht zu langsam. Ehe man ein schönes Bild abmahlet / so entwirfft man solches zuvor. Der edle Römer Fabius Maximus fügte mit seinem cunctiren oder Aufhalt dem zu Felde liegenden Hannibal mehr Schaden zu / als wenn Er Ihm eine Schlacht geliefert hätte. Jedoch ist hinwieder unter den Berathschlagungen / wo man Zeit und Gelegenheit darzu hat / und unter geschwinden Krigs-Resolutionen / und andern Gefährlichkeiten / welche keinen Verzug leiben wollen / ein Unterscheid zu machen / also / daß es hier heisset: Die geschwindeste Erklärung ist die beste. Gleichwie nun die Weißheit und der kluge Verstand eines Regenten / sich mit weiser Leute Rathschlägen verdoppelt: Also wird auch durch beyderseits Zuthuung der Unterthanen Stand um so viel desto mehr befestiget. Keyser Leo gab seinem Sohne folgende Lehre: Was in Gemein zu thun und zu lassen ist / das berathschlage mit vielen: Was du aber zu thun gesinnet seyest / das eröffne Jhrer wenigen / und was du aus allen vorhergehenden Berathschlagungen für einen Schluß gefasset / das behalt bey dir / damit dein Feind solches nicht erfahre / und du nicht hinder das Liecht geführet werden mögest. Was man für Andern will in Geheim und verschwiegen halten / von demselben schweige man anfänglich stille. Kluge Herren eröffnen nicht eher Jhr Gut-Achten / vielweniger lassen Sie Sich dessen mercken / wohin Sie zielen / daferne Sie nicht vorhero ihrer Räthe Meinung (Jovius.) eingehohlet. So offte als Pabst Paulus der Vierdte von denen Seinigen einen auffrichtigen und getreuen Rath begehrete / brachte er die [301] Sache mit gewissen Umständen für / begehrete hierauf der Cardinäle ihr Bedencken / und machte folgends einen gewissen Schluß daraus. Keyser Carl der Fünffte rathschlagete nicht allein die vornehmsten Dinge mit seinen Räthen / sondern Er überlegete auch solche selbst bey sich / und erlaubte keinem binnen solcher Zeit vor sich zu kommen / bis Er sie zu Wercke gerichtet. Dannenhero man öffters darfür hielte / daß Er entweder tod / oder an einer gefährlichen Kranckheit darnieder läge. Alte Räthe / sagt man / sind gut zu behalten. Wer aus vielerley Erfahrung / und alter Gewohnheit der Regierung kundig / dem fällt die Verrichtung leichter / als dem Jenigen / welcher erst darzu gekommen. (Cominaeus lib. 6. c. II.) König Ludewig der Eilffte in Franckreich / verließ bey seiner antretenden Regierung seines Vaters alte Räthe und Diener / und ward darüber bald / wegen der allzu unzeitigen geführten Rathschlägen seines Königreiches verlustiget / wie Er aber sterben wollen / vermahnete Er seinen Sohn Carln / daß Er nach seinem Tode seine hinterlassene Räthe und treue Bediente keines weges abschaffen / sondern sich ihrer bey aller Gelegenheit mit Rath und That gebrauchen sollte. (Die rechte Zeit der Klugheit.) Nechst diesem / so hat auch ein Herr die Zeit / etwas Wichtiges zu betrachten oder vorzunehmen / wohl zu beobachten nöthig. Denn bey solchen muß GOTT / der aller Menschen Hertzen regieret / sie in ihrem Stande und Wesen erhält / durch dessen allein weisen Rathschlag Alles zu einem gewündschten Ende gelanget / die Hand mit im Spiele haben. Und gleichwie die Weisheit / Vorsichtigkeit und Erfahrenheit / darunter aber die Arglistigkeit / Betrug / und die Räncke / welche täglich was Neues auf die Bahn bringen / nicht zu verstehen / ihr jederzeit tapffere und Heroische Thaten auszuüben vorsetzet: Also hat man sich auch hierbey der Gelegenheit / nemlich der Zeit / darinnen man sich befindet / wohl und klüglichen zu gebrauchen. Man soll / sag Ich / auf dieselbe gute Acht haben / und zuweilen über den Verzug nicht ungedultig werden. Man kan zwar auf gewisse Mase nach derselben trachten / nicht aber sie mit Gewalt / sondern durch sonderbahre Vorsichtigkeit suchen. Denn / was man mit Gewalt erzwingen will / das gewinnet gemeiniglich einen unglücklichen Ausgang. Woferne sich aber die Gelegenheit selbst / oder durch ein kluges Nachdencken ereignet / so hat man sie keines weges zu verabsäumen. Ein Exempel dessen giebet uns der tapfere Hannibal / und der unerschrockenen (Livius lib. 22. cap. 12. seqq.) Feldherr Fabius. Denn / nachdem Jener das Römische Kriegs Heer zweymahl geschlagen / und nicht ein geringes Schrecken in die Römer gejagt / wollte Fabius mit denen wieder zusammen gebrachten Römern denen Feinden keine offene Feldschlacht liefern / sondern hieng sich dem Feinde mit Vortheil der Höhen und Berge so lang an die Seite / bis Er sahe / daß Er demselben genugsam gewachsen war. Weil nun Fabius in allen seinem Vorhaben von Natur behutsam war / so gelückte Ihm auch damahls solche seine Behutsamkeit / welche mit der Gelegenheit der Zeit übereinstimmete / daß sie auf Seiten Seiner sehr wohl ablieff. Nachdem sich aber die Zeiten änderten / und ein schneller Feldzug in Africa / der weder Verzug noch weitläufftige Berathschlagung bedurffte / vor die Hand gekommen / und der Feind eilends angegriffen werden muste / blieb dieser Fabius bey seiner Gewohnheit / und bemühete sich auf das euserste solchen eilfertigen Zug / welchen doch Scipio hernach glücklichen ausführete / zu verhindern. Worbey man siehet / daß / obschon Fabius ein tapfe [302] rer Kriegsmann / nichts desto weniger Er die Zeit und Gelegenheit nicht in Acht genommen / sondern stets bey seiner Gewohnheit verblieben / obgleich die Sache keinen Verzug leiden wollte. (Die zugelassene Dissimulation.) Qui nescit dissimulare, nescit imperare: Wer nicht weiß durch die Finger zu sehen / der weiß auch nicht zu regieren. Dieses scheinet zwar wider die Warheit und Aufrichtigket zu lauffen: Denn wie der Herr / so sind auch die Unterthanen. Ein Regente soll seinen Unterthanen mit guten Exempeln vorgehen / sich der Redlichkeit und Tugend befleissigen / und dieselben zu einem bessern Gehorsam und Unterthänigkeit bringen. Erweget man aber dieses genauer / so führet die End-Ursache dessen den grösten Nutzen in sich. Denn ehe man zu einem Ziel und Zweck gewisser Rathschläge kömmet / muß man sich öffters wider seinen Willen stellen / als wenn einem eine Sache weder angenehm noch zuwider wäre. Uber dieses soll man einem Jeden seine Gemüths-Meinung nicht entdecken / sondern sich in allen Sachen der Zeit und Gelegenheit bedienen / alldieweil es wider die Gesetze der Klugheit und der Weisheit laufft. Obwohl Keyser Friederich der Dritte zwischen seinen Räthen die Simulation und Dissimulation zu unterlassen begehrete / weil dadurch in Rathschlägen niemals würde die rechte Warheit gesaget werden / so ist es doch mit Regenten ein anders / welche / dadurch hinter die rechte Warheit zu kommen / sich dessen angelegen seyn lassen sollen. Vielmahls wird durch die Dissimulation ehe was verbessert / als durch die allzugrosse Schärffe. Von (Plinius.) dem Keyser Trajano wird gerühmet / daß Er die Gemüther mehr durch Gutthaten / als Sturm ausgeforschet habe. Denn durch diese entstehen öffters viel Kriegs-Consilia und Stratagemata, da man sich stellet / als wollte man dort hinaus / und nimmt ein Anders vor die Hand: Oder / wenn Einer weiß / daß man Ihm hinterlistig nachstellet / und thut / als wenn Er solches nicht wüste / nimmet sich aber derselben Hinterlist zu entgegen in Acht. König Sigismundus in Ungarn zoge jederzeit die Gedult bey seinen Feinden der Rache vor / bis Er seine Gelegenheit / sie mit (Bonfini9 in Reb. Ungaric.) gleicher Müntze zu bezahlen / sahe. Als die Königin in Ungarn Maria vermerckte / daß Carolus Parvus unter dem Schein der Hülffe wider ihre Feinde sich in das Königreich Ungarn einzudringen vermeinete / Sie sich aber an Macht Ihme zu widersetzen nicht vermochte / gebrauchete Sie sich einer Gegen-List / rüstete sich mit den Ihrigen auf das beste aus / und zog Ihm nicht als einem Feind / sondern als ihren Bruder zu empfahen / entgegen. Alle Dinge haben ihre Maase: Also auch das Simuliren und Dissimuliren. Wendet man aber solches zum Betrug und Falschheit an / so ist es keine Tugend der Weisheit / sondern ein Laster der Thorheit. Weit besser wuste es König Matthias in Ungarn bey seiner angehenden Regierung. Er regierete vernünfftig / war in seinem Vornehmen scharffsichtig: konte das Jenige / was einer am Schilde führete / mit einer sonderlichen Manier heraus locken: die widerwärtigen Consilia warnehmen / und die Gemüther der Menschen dergestalt erforschen / daß Er nicht leichtlich betrogen werden kunte. Es hat aber allhier die Meinung nicht / daß / wenn die Löwen-Haut nicht gilt / man den Fuchsschwantz zu der Hand nehmen solle / sondern daß man sich insonderheit auch in diesem Stücke wohl fürsehe / damit sich nicht die Macht der Unterthanen in eine Tyranney oder Aufstand verwandele. Die Klugheit muß offene Au [303] gen / und auf ihre Erhaltung wohl Acht haben. Jene / nemlich die listige Verstellung / welches ein böses Ende giebet / soll man fliehen; diese aber (1. Reg. 21, 13. 16, 2.) als eine nutzbare behalten. Die vor dem König Achis erdichtete Thorheit deß Königes Davids / und die vorgewendeten Opffer deß alten Samuels waren zugelassene Verstellungen / indem sie keine Bosheit in sich / sondern damit man dadurch das verbarg / was Andere nicht alsbald wissen sollten. Jedesmahl die rechte Warheit heraus sagen / ist eine gefährliche Aufrichtigkeit. Einem grossen Herrn kömmet die Unwarheit zu sagen nicht zu; sondern vielmehr die Warheit zu verbergen / durch das Stillschweigen / welches eines von den vornehmsten Königlichen Merckzeichen ist. Wer viel gesehen und gehöret / der glaubet und trauet desto weniger. Welchen die Erfahrung / die Ubung / und das Nachdencken klug machet / der ist nicht zu verdencken / wenn Er zu rechter Zeit weiß hinter dem Berge zu (Die Gedancken deß Hertzens.) halten. Wer Allen trauet / der verleuert leicht seinen Scepter. Die Königliche Aufrichtigkeit will auch ein Königliches Hertze haben. Wie man der Schlange an ihrem Gange nicht ansiehet / wo sie hinaus will: Also gebühret Regenten ihre Anschläge in geheim zu halten / damit Niemand wisse / wohin sie gerichtet sind. König Philipp der Andere in Spanien hielte den Zweck und Absehen seiner Anschläge auch für denen Gesandten in Geheim / und wendete das vor / das Sie gläubeten / und Andere darzu beredeten. Und dieses geschahe darum / damit man sein Hertz und Gedancken dardurch nicht ergründen / und Er sich um so viel desto mehr aus seiner Widerwärtigen Händen reissen könnte. Die Natur hat das Hertze nicht vergebens in den innersten Theil deß Leibes verschlossen / und zwar darum / damit man nicht schuldig sey einem Jeden dasselbe zu eröffnen. Alle unbewuste Rathschläge dauren am längsten / und helffen die Sünde am meisten verwirren. Bey grosser Weisheit muß auch grosse Verschwiegenheit seyn. Clares befliesse sich jederzeit die Zunge zu übermeistern. Der weise Simonides sagte: Das Schweigen gereue Ihm nicht so offt / als das Reden. Weit besser ist ein verschlossenes Hertze / als die grösten Küsten voll Goldes haben. Von einem Abte / mit Nahmen Hor / wird gesagt: Daß Er niemahls gelogen / niemahls Einem etwas Böses gewündschet; noch niemahls geredet habe / es sey denn nöthig gewesen. (Das Bedencken eines Potentaten.) Wir lassen dem verschwiegenen Regenten die Gedancken deß Hertzens / und werffen das Auge auf die Vermehrung seines Reichs. Unter allen Fürsten und Herren / und denen / welche in der Welt leben / ist kein Unterscheid: Sie werden gebohren / Sie leben und sterben eben auf die Art wie die Andere / und indem Sie zunehmen / so nehmen sie auch wiederum ab; darum ist es billich / daß Sie auch auf das Ihrige Acht haben. (Salustius.) Man erfähret in der That / daß alle Reiche / Völcker und Städte so lange sind glückseelig gewesen / so lange der gute Rath und die getreuen Anschläge Platz gehabt; nachdem aber solche durch die übele Verwaltung / Trägheit und Uppigkeit verdorben / so hat auch ihre Wohlfahrt bald darauf abgenommen / und ist entweder die Herrschafft verlohren gegangen / oder in ein Dienstbarkeit gerathen. Nicht weniger glückseelig ist das Reich / wenn der Wille in dem Fürsten sich nach der Macht / die Macht nach der Vernunfft / und die Vernunfft nach dem Ausgange richtet. Die Freyheit deß Gewissens hilfft öffters nicht wenig zu dem Untergange eines Landes: Ein Aufruhr entstehet gemeiniglich daher / wenn entweder [304] ein Herr die Unterthanen verachtet / oder Sie Ihme wegen der nachlässigen Regierung hinden ansetzen. Eine nicht wenige Kranckheit in einer Gemeine ist die Geilheit und Unzucht derer / so da regieren / woraus gemeiniglich die Aenderungen der Reiche / ein Aufruhr und Uneinigkeit nach der andern zu entstehen pfleget; indeme dardurch ihren Vielen die Ehre benommen und abgeschnitten wird: Denn es ist kein Mensch so träge / der nicht nach Ehren trachtet / und / wenn Er derselben beraubet / es nicht höchlich empfinde. Aemter mit Ausländischen und Frembden besetzen / und den Eingebohrnen allen Zutritt hierzu benehmen / ist so gefährlich / als es nützlich zu seyn scheinet. Die Furchtsamkeit eines Hauptes / wenn nemlich die Gemeine sich von demselben nicht wohl beschützet siehet / dienet beydes zum Aufstande und Verkleinerung desselben. Die allzu leichte Verschwendungen der Einkünffte des Reichs veranlassen zum öfftern den Verlust des Reiches / zugleich auch des Lebens. Der Geitz ist eines der gefährlichsten Dinge / der verursachet Theurung / das Verzweiffelste / und die leichte Müntze / das Nachtheiligste. Alle Länder gehen gerne zu Grunde / wenn der / welcher dieselben beherrschet / alle Sorge von sich leget. Die Wasser halten sich allein durch ihre Bewegungen / und wo Ihnen solche abgehen / da werden sie stinckend. Die jenigen Länder / worinnen gute Zucht und Policey im Schwange gehen / dauern am längsten. Sich ohne Krieg im Krieges-Waffen / oder andern zulässigen Thaten üben / oder eine gewisse Handthierung treiben / sind Mittel wider die Faulheit. Hat man keine Ubung in den Waffen / so nehme man was Rühmliches vor / darbey man gleichwohl in einer guten Meinung verbleibe. Ein Königreich kömmt um der Gewalt / Unrechts und Geitzes willen auf das Andere. Wie man das Land vergifftet / wenn man die Eingesessenen vor nichts als lauter dienstbare Leute hält: Also verwandelt sich dasselbe in Liebe / Eintracht und Einigkeit / wenn man dieselben liebet und schützet. Soll die Laute wohl klingen / so müssen die Saiten übereinstimmen. Regieret ein Herr sein Land / wie es nach denen Landes-Gesetzen eingetheilet / ändert nichts darinnen / ausser dem was nöthig / nimmet die Unterthanen ihrem Stande nach in Acht / und weiß zwischen Ihnen einen Unterscheid zu machen / der führet den Scepter weislich. Die Einigkeit ist die / welche das Haupt und Glieder zusammen hält: Die Gerechtigkeit aber / die dieser das Leben mittheilet: Beyde leben in ihr glückseelig. Mischet sich aber die Sicherheit mit unter / so geräth das Haupt in Wollust / aus der Wollust in andere Laster / aus andern Lastern in Tyranney / aus Tyranney in Hoffarth / aus Hoffarth in Verachtung seiner Glieder / und von seinen Gliedern stürtzet er sich selber ins Verderben. Zwischen dem höchsten Wohlstande und gefährlichsten Untergange ist öffters ein kleiner Raum. Die Tugend schwebet jederzeit empor / da hingegen die Laster unten liegen Die Arbeit erhöhet / der Müssiggang erniedriget: Die Vorsichtigkeit waffnet / und die Neuerung wirfft hinwiederum das / was die gute Ordnung angerichtet / über den Hauffen. Nichts macht die Majestär ansehnlicher / als die Eintracht und Liebe / die Ehrerbietung gegen die Ihrigen / die billiche Schärffe / und der Gehorsam gegen die Unterthanen. Je mehr sie die Ihrigen schützet / je mehr man sie ehret: Je verächtlicher aber sie die Ihrigen hält / je mehr Haß und Gefahr ladet dieselbe auf sich. Ihre Demuth ist ihr Leben: Ihre Weisheit ihre irrdische Gottheit / und ihre Freygebigkeit das beste Gerichte. Ist sie aber im Heucheln unartig / [305] an statt der Danckbarkeit undanckbar / mit Worten behertzt / in der That verzagt / in geringen Dingen erzürnet / in vielen Sachen vermessen / in Widerwärtigen furchtsam / und bey Barmhertzigen unbarmhertzig. Mißbrauchet die Schärffe / beschützet das Böse / verachtet das Gute: Hasset das Gegenwärtige / und liebet das Zukünfftige / so ziehet sie Ihr nichts als Haß und Neid nach sich. Stimmet sie aber die Saiten ihrer Regierung wohl an / liebet das Reich / ehret die Weisen / erhält die Gemeine mit Gerechtigkeit / schärffet die Gesetze durch Furcht / und heget Haab und Gut mit Frieden / so ehret und lobet sie Männiglich in ihrem Stande. Wie die Biene die Wissenschafft ihres erbaueten Bezircks künstlich zu verdecken weiß: Also richtet man auch die Fürstlichen Rathschläg darnach ein. Die Verschwiegenheit ist in Verwaltung der Geschäffte eines der besten Mittel. Die Römer hatten einen Gott / den Sie Consum nenneten / und Ihm einen Altar unter der Erden aufrichteten / dadurch anzuzeigen / daß man alle Rathschläge in Geheim halten sollte. Glückseelig ist die Gemeine / welche Herren von guter Verschwiegenheit / und Räthe von Treue und Aufrichtigkeit hat. Wenn man Rathschläge abhandelt / daß es Weiber wissen / so gehen die Geheimnusse zu feilen kauffe. So bald als Simson seiner Buhlschafft der Delila die Stärcke offenbahrete / du verlohr Er dieselbe. Die Geheimnusse sind gleich denen Riesen / welche vor Aller Augen groß geachtet / wenn man aber darhinder kommet / so ist die Furcht desto kleiner Alle Königreiche und Länder / welche ihre Actiones in Geheim halten / haben das gröste Ansehen / so bald sie sich aber lassen darein sehen / scheinen sie nicht so groß zu seyn. Ein tieffer Strom ist viel schöner als ein seichter anzusehen. Das jenige / was in der Einbildung bestehet / schätzet man am höchsten. Will man / daß Anschläge verschwiegen bleiben / soll man sie mit Weisheit bedecken. Das zarte Pappier ist durchsehend: Also ist auch die Liebe ein erleuchtend Feuer / welche die Heimligkeiten deß Hertzens eröffnet. Es ist der Zorn / die Unbeständigkeit deß Gemüths / die Hoffnung / dadurch zu etwas Höhern zu gelangen; die Furcht der Straffe / die eitele Ehre / die Trunckenheit und die Bosheit / welche vielmahls herfür bricht / und saget Alles / was sie verborgen träget. Wie derohalben diese alle Schlüssel zum Hertzen: Also soll man sich so leicht Niemand vertrauen. Alles was man vornehmen und beschliessen will / darbey hat man das Ende zu bedencken. Nichts ist schädlichers als ein ungleiches Vornehmen / wann der Anfang nicht mit dem Ende übereinstimmet. Was kan spöttlicher seyn / als wenn man mit Sorgen zur Regierung schreitet / und lässet hernacher dieselbe durch Nachlässigkeit sincken. Ein grosses Versprechen / und wenig Halten / ist mehr zu schänden als zu loben. Es ist nicht genug eine angefangene Verrichtung loben / sondern man soll sie auch ausführen. Drey Dinge werden zum Beschluß einer Sache erfordert; Klugheit in Rathschlägen / die Geschickligkeit in der Ordnung / und die Beständigkeit in der Vollnziehung. Was man offt mit Gewalt nicht erlanget / darzu dienet der Glimpck. Anschläge soll man nicht nach den Fällen / sondern nach der Klugheit urtheilen. Drum hat man bey diesem das Einige zu beobachten / was leichtlich / billig / und nützlich ist. Denn alle Grosen / so sich grose Dinge auszuüben unterfangen / sollen darfür halten / daß ihr Vorhaben nützlich / Ihnen rühmlich / und denen Unterthanen auszuüben möglich seye Ist das Ende wohl bedacht / so vollziehe man / das man reiflich beschlossen. Aristoteles saget: Das Bedencken soll langsam seyn / das Fort [306] setzen aber einer Sache desto geschwinder. König Ferdinand in Spanien erwegete alles das / was Er Ihme in seinem Hertzen vornahm / und wenn Er solches genugsam überleget / so grieff er dann das Werck mit besonderer Behendigkeit an. Der kluge Demosthenes erwies den Atheniensern / daß sie auf ihre vorhabende Sachen allzuviel Zeit spendiereten / und darbey die Gelegenheit nicht beobachteten. Alles der Römer Thun und Wesen bestunde auf der Bedachtsamkeit / und wusten Alles mit Gedult zu überwinden. Einem tapferen und beständigem Gemüthe fällt nichts zu schwer: Da hingegen einem trägen nichts als lauter Hindernüsse in den Weg kommen. Und / obwohl allen Menschen das Irren angebohren / so ist es doch einem grossen Herrn keine Schande / wenn er in deme / darinnen er geirret / es verbesset. Keyser Philipp der Dritter hatte in Gewonheit zu sagen: Was man übel angefangen / soll man sich zu ändern nicht schämen. Wenn grosse Herren sehen / daß das / was sie angeordnet / schädlich / und gleichwohl solches nicht ändern wollen / die leben mehr dem Schatten der eitelen Ehren / als der Warheit selbsten / Keyser Carl der Fünffte sagte: Ich will lieber meine Hand als Seele zerreissen. Ein gebesserter Irrthum verbessert alle Dinge / daß man hernach nicht in einen grossen Irrthum falle: Denn die Schwachheit unsers Verstandes ist dermassen unvollkommen / daß wir vielmahls unsere eigene Irrthümer zu Lehrmeistern haben müssen. Weil nun keine Weisheit so gros / die sich nicht in deme / was einmahl beschlossen / vielmahls wieder ändern mus: Also ist auch niemahls keine Regierung oder kein Regiment so gros und mächtig gewesen / das nicht seine Fehler erkennet / und dem gemeinen Wesen zum besten geändert. (Die Königliche Gerechtigkeit.) Wie der Mensch zwey Hände: Also hat auch die Gerechtigkeit das Straffen und die Belohnung. Wer keinem keine Gerechtigkeit erweist / dem kan auch hinwieder keine wiederfahren. Man vergleichet dieselbe nicht unbillich mit dem schnellen Wasser / welches je mehr man es aufhalten will / desto mehr Schaden verursachet es einem Lande. Sie ist das höchste Kleinod in der Welt; Eine Königin aller Tugenden / und wo dieselbe nicht ist / da werden auch die Königlichen Wohnungen zu Raubhäusern gemacht. König Ludwig der Heilige genennet / gab seinem Sohne Philippen diese Lehre vor seinem Tode: Liebe GOTT von Hertzen / beleidige Niemand / und dulde lieber alles Ungemach / ehe du in eine Ungerechtigkeit willigest! Der weise Simonides sagte zu dem Atheniensischen Fürsten Themistocle: Ich würde ein schlechter Mann seyn / wenn ich die Gesetze meiner Kunst nicht beobachtete / und du würdest ein einfältiger Fürste seyn / wenn du die Gerechtigkeit aus den Augen setzen solltest. Es ist besser straffen / als denen Missethätern durch die Finger sehen. Als auf eine Zeit König Agesilaus zu Sparta gefraget wurde / welche unter der Stärcke und Gerechtigkeit die vornehmste Tugend sey? Gab Er zur Antwort: Wenn man gerecht / so bedarff man der Stärcke nicht. Der Philosophus Architas zu Tarento vergliche die / so mit der Gerechtigkeit zu thun / denen Altären / wohin die Bedrengten / als zu einer Freystadt / die Zuflucht nehmen / und sich daselbst für Gewalt beschützeten. Da der Lacedämonische König Agis von seinen Eltern einsmahls ersuchet ward / daß Er Ihnen in einer Sache / welche nicht die beste war / beyständig seyn möchte / wegerte er sich dessen / nachdem sie aber ferner bey Ihm anhielten / sprach er: Weil ich bey euch zu Hause war / da wuste ich von keinem Rathe / nachdem ihr mich aber dem Vaterlande übergeben / und in den väterlichen Gesetzen unterweisen lassen / so bleibe ich bey dem / was recht ist. Je höher ein Amt / je schwerer die Verrichtung. [307] Ein König soll allezeit ein Auge und eine Hand bey dem Rechte haben / damit er das Recht besehe / und die Bosheit abstraffe. Da der weise Antisthenes gefraget wurde / durch was vor eine Sache die Regierung zu Grunde gienge? Gab er zur Antwort: Wenn man zwischen Frommen und Schälcken keinen Unterscheid hält / sondern die Ungerechten so viel als die Gerechten gelten lässet. Wordurch er zu verstehen geben / daß kein Reich beständig / wo nicht eine gute Policey anzutreffen sey / da man die Tugend ehre / und das Unrecht abstraffe. Denn / weil aus (Homer???.) dem Brunnen der Gerechtigkeit alle Unschuld / Freundschafft / Gottseeligkeit / Eintracht / und alle Erbarkeit herfür fleusst / so soll man mehr auf dieselbe / als aus die Kriegs-Rüstung und Eroberung Land und Leute Acht haben. Der weise Cato sagte: Er wolle lieber eine Sache für eine Wolthat verlieren / als ein Ubel ungestrafft lassen. Denen Indianischen Priestern war vordessen kein Opffer von den Göttern zu schlachten erlaubet / sondern es musten solches die Weisesten unter ihnen thun / man durffte aber nichts anders von denenselben bitten / als alle in die Gerechtigkeit. Die Heyden mahleten vordessen dieselbe in Gestalt einer schönen und wohlgestalten Jungfrau / mit unfreundlichem und ernstem Gesichte / hellen und scharffen Augen / und tapferen Ansehen / damit sie lehren wollten / daß ein König oder Herr mit seinen frommen Unterthanen aufrichtig handeln / mit den Bösen scharff umgehen / und dieselben ohne Ansehen der Person / sie sind gleich hohen Standes / edel oder unedel / zur Straffe ziehen solle. Zur Zeit Hertzog Carls in Burgund brachte einer von Adel Einen zur gefänglichen Hafft; für diesen Gefangenen bath sein Eheweib inständig / daß er wieder möchte auf freyen Fuß gestellet werden. Der von Adel verhieß ihr solches / daferne sie bey Ihm schlaffen würde. Das Weib war from̅ und ehrlich / gieng hin zu ihrem Mann und fragte / ob sie wider die eheliche Treue handeln / und Ihn dadurch vom Tode befreyen sollte. Der Gefangene war dessen zu frieden. Nachdem nun der von Adel mit dem Weibe seine fleischliche Lust gebüset / ließ Er des andern Tages darauf ihrem Mann den Kopf für die Füsse legen. Das Weib klagete solches dem jetzterwehnten Hertzog Carln / welcher den von Adel zu sich forderte / und diese Frau zur Ehe zu nehmen auferlegete. Wie solches geschehen / ließ Er dem von Adel den Kopf gleichfalls hinweg schlagen / die Frau aber setzete Er in alle seine Güter / und straffete also hinwiederum den / der sich dessen am wenigsten versahe. GOtt saget zu dem weisen Salomon: Ich habe dich zum Könige gesetzet / damit du Recht und Gerechtigkeit handhabest. Und dieses ist auch nöthig. Denn ohne die kan nicht allein keine Regierung / sondern auch nicht die geringste Gemeine bestehen. Von ihr kommet her der Völcker Friede / die Beschützung deß Vaterlandes / die Erhaltung der Unterthanen / die Freyheit des Volcks und die Freude aller Menschen. Fromm und warhafftig seyn behüten den König / und sein Thron bestehet durch Frömmigkeit. Wo (Prov. 20.) nun Frömmigkeit / da muß auch Gerechtigkeit seyn. Die alten Könige in Thracien hatten wegen ihrer geführten gestrengen Gerechtigkeit ein groses Lob. Der König stellete aus eigener Gewalt kein Urtheil / sondern wenn Er auf dem Königlichen Richter-Stuhl saß / hatte Er jederzeit viertzig alte weise und verständige Männer um sich. Was nun dieselben für Recht hielten / das vollzoge derselbe unabsetzlich / und dafern Er Jemand wider Recht und Billigkeit beschwerete / muste Er auch selbst sterben / nicht eben / daß man an Ihm Hand anlegete / sondern man benahm demselben alle Königliche Gewalt / und ließ solchen verhungern.
|| [308]
König Ferdinand in Arragonien hatte zu einem Bruder König Heinricum in Castilien; Nachdem aber dieser mit Tode abgienge / und nach sich einen unerzogenen Sohne verliesse / stunde derselbe dem Königreiche so löblich für / das Jhn endlich die Reichs-Stände bey allgemeiner Versammlung zu einem Könige in Castilien aufnehmen und erwählen wollten. Wie nun der Tag zu der Wahl bestimmet / erschien Ferdinand in einem langen Königlichen Rocke / worunter Er seines Brudern Sohn verborgen hatte / und als die Castilier vermeinet / daß Er nunmehro für ihren König erkläret werden sollte; nahm Er den Königlichen Printzen unter dem Rocke herfür / hub Jhn auf seine Arme / und sagte: Sehet / hier ist euer rechtschaffener König! König Antiochus der Dritte schrieb an alle Städte in Griechenland / daß / wenn sie von Jhme Brieffe oder Befehliche bekämen / die denen verordneten Gesetzen zuwider / so sollten Sie denenselben weder Glauben zustellen / noch gebührend gehorchen. Als Antipater von dem Phocyon ersuchet / daß Er Jhm in einer ungerechten Sache eine Freundschafft erwiese / sprach Er: Ich bin nicht zu gleich dein Heuchler / und auch dein Freund. Denn ein guter Freund begehret das jenige von seinem Freund / was Ehrlich und Gerecht ist / und nicht / was mit der Ungerechtigkeit überein stimmet. (Macrobius.) Justitia est unicuique servare, quod suum est: Die Gerechtigkeit ist nichts anders / als wenn man einen Jeden bey dem Seinigen erhält. Gleichwie nun in dieser alle Tugenden begriffen: Also entspringen auch aus der Ungerechtigkeit allerhand Laster. Die meisten Königreiche gehen (2. Sam. 5. v. 2.) durch die Ungerechtigkeit unter. GOTT sagte nicht zu David: Du sollst über mein Volck Israel herrschen / sondern du sollt mein Volck (Jer. 22. v. 13.) Israel hüten. Wehe dem / spricht der HERR / der sein Haus mit Sünden / (Die meisten Königreiche und Länder vergehen durch ihre eigene Ungerechtigkeit.) und sein Gemach mit Unrecht bauet / der seinen Nächsten mit Unrecht arbeiten lässet / und giebet Jhm seinen Lohn nicht / und dencket: Wohlan! Ich will mir ein grosses Haus bauen / und grosse Palläste. Hat dein Vatter Hiskias / spricht Er zum Könige Jojakim / nicht auch gegessen und getruncken / und hielte dennoch über das Recht und die Gerechtigkeit. Vor denen Königen war unter dem Volcke GOttes die Regierung bey dem Stamme Ephraim / diese führeten den Harnisch / so bald Sie aber den Bund GOttes nicht hielten / Sünde und Ungerechtigkeit begiengen / da ward von ihnen dieselbige genommen / und das Scepter in Juda aufgerichtet. Sage dem Könige Jojachin / und der Königin seiner Mutter / spricht der HERR durch den Propheten Jeremiam: Setzet Euch herunter / denn die Crone der Herrlichkeit ist von euerm Haupte gefallen. Wie nun die Gerechtigkeit aller Königreiche / Herrschafften / und der Welt Grund-Veste: Also ist auch die Ungerechtigkeit / und Alles das / was man durch Gewalt begehet / die Quelle aller Unruhe / dadurch die Länder (Ezech. 22) verderbet / zerstöret / und an Frembde gebracht werden. Jhre Fürsten / saget der Prophet / sind reissende Wölffe / welche um deß Geitzes willen Blut vergiessen / und die Seelen umbringen. Wo der Betrug Kläger / und der Unverstand Richter ist / da kan die Unschuld zu keinem (Herodot.) Rechte gelangen. König Cambiises ließ den ungerechten Richter Sisamnem schinden / und seinen Sohn mit der Bedrohung auf den Richterstuhl setzen / daß / da Er dergleichen thun würde / Er eben mit solcher Straffe beleget (Alexand. ab Alex.) werden sollte. König Darius befahl den Sandacem / Einen seiner Hauptleute / weil Er falsche Urtheil gesprochen / an den Galgen zu hencken. (Cedren.) Den Griechischen Keyser flehete Einer eines Tages an / und klagete / [309] wie Jhm Einer aus den Raths-Personen mit Gewalt sein Weib genommen und geschändet / und ob Er wohl solches bey dem Unter-Richter geklaget / so hätte Er doch solches zu keinem Verhör bringen können. Der Keyser that hierauf Befehl / daß man den Kläger / Thäter und Richter zur Stelle brächte. Wie Er nun alle dieselben Dinge verhöret / straffete Er den Thäter am Leben / entsetzete den Richter / weil er solche Ubelthat nicht gestrafft / seines Amts / ließ Jhn mit Ruthen hauen / und des Landes verweisen. (Xiphilin. in Caesare.) Von dem Julio Caesare meldet man / daß als Ersich eintziger Partheyligkeit zwischen der Aegyptischen Königin Cleopatra / die Er liebete / und ihren Bruder / theilhafftig gemacht / und der Königin zu Gefallen ein ungerechtes Urthel gesprochen / habe das gemeine Volck sich hierüber hefftig erzürnet / mit Hauffen zusammen rottiret / und denselben bey nahe erschlagen / woferne Ernicht in das Wasser gesprungen / und se in Leben dadurch mit Schwimmen (Deut. 16. v. 18.) errettet hätte. Gerichte heisen Stätte und Stellen deß Gerichts und Gerechtigkeit / da man das Volck mit Recht richtet / da die Gerechtigkeit mit verbundenen Augen / blosen Schwert / und einer unpartheyischen Wagschalen sitzet / siehet man aber zuweilen ihre Stätte an / so gehet daselbst mehr Unterdrückung der Unschuldigen und Armen vor / als daß man sollte Schutz und Schirm haben: Da vielmahls das höchste Recht sollte seyn / ist das höchste Unrecht. GOTT hat zwar Anfangs Richter und Regenten zu dem Ende auf dem Erdboden angeordnet / daß sie seinet wegen Gerichte halten / ohne Ansehen der Person / Geschencke und Gaben das Recht sprechen; Jedem zu seinem Rechte helffen; die Gerechtigkeit handhaben / und Männiglich wider offene Gewalt schützen sollen. Meistentheils aber sehen Richter und Regenten die Personen an: Lassen sich bestechen: Lauffen denen Mächtigern um der Gewalt / Gunst und Adfection willen am Seile: Verkehren den Geringern das Recht / thun Jhnen Gewalt und Unrecht / und unterdrücken Sie bey ihrer gerechten (AEneas Sylvius lib. 2. de Rudolphi Gestis) Sache. Salomo aber sagte: Es ist noch ein Höherer über diese alle. Und dieses betrachtete auch bey sich der löblichste Keyser Rudolph der Erste: Denn / nachdem Er sahe / wie sich der gemeine Mann häuffig zu Jhm drange / und denselben seine Trabanten mit Gewalt zurücke trieben / rieff Er überlaut: Ich bin deßwegen Keyser / daß man mich nicht in eine Küste schliesse / lasset sie zu mir kommen. Uber dieses pflegete Er auch zu sagen: Daß Ich zu Zeiten allzu scharff und strenge gewesen / das ist mir Leid; daß (Cato de Repub. lib. 4.) Ich mich aber milde erzeiget / hat mich niemahls gereuet. Wofern dem Menschen die Vernunfft nicht angebohren / und Er nicht nach der Billigkeit regierete / so wäre Er unter allen Bestien die verachteste Bestia. Democritus sagete / die Welt würde von zweyen Göttern regieret / nemlich von der Belohnung und von der Straffe. Man siehet / daß man täglich hencket / köpffet und rädert / und gleichwohl / wenn alle die jenigen / so mißgehandelt / an Galgen sollten gebracht werden / so würden die Hencker viel zu wenig seyn. (Guevara in Horolog. Princip.) Das Amt eines gerechten Regenten ist / daß Er das gemeine Wesen verthädige / für die Unschuldigen Sorge trage / den Gerechten helffe / dem Geitz widerstrebe / den Armen Gutes thue / und gebe einem Jedweden / was Jhm von Rechts wegen gebühret. Es ist nicht wenig daran gelegen / wenn ein grosser Herr ein gerechtes Leben führet / sich mit seinem Hof-Staate eingezogen hält / und dadurch bey der Justitz ein Ansehen gewinnet / wenn Er warhafftig in seinen Worten / rein in Leben / gerecht in seinem Thun und Vornehmen / und ob Er schon zuweilen in seiner [310] Landes-Regierung strauchelt / so hält man Jhn doch bey Männiglichen entschuldiget / daß es nicht von seiner Boßheit / sondern von den verführischen Rathschlägen hergerühret. Der Unterscheid zwischen einen guten und bösen potentaten ist dieser / daß der Eine nur gehorsamet / der Andere aber nicht allein gehorsamet / sondern auch geliebet wird / und dahero kömmt es / daß der Fromme / vermittelst seiner Frömmigkeit und Gerechtigkeit / alle schwere Sachen leichte; der Böse aber / vermittelst seiner Boßheit / die leichte Dinge schwerer macht. Wie nun Jhme die Gerechtigkeit zu verwalten / die Unschuldigen zu retten / die Mörder tödten / die Aufrührer verjagen / und die Missethäter vom Leben zum Tode Bringen zu lassen gebühret: Also soll Er auch für seine Person gerecht / in seiner Hofhaltung sorgfältig / in der Regierung eiferig / und am Gewissen zart seyn. (Man soll hören und nicht hören.) Man saget ins gemein: Wer regieren will / der soll zuweilen sehen und nicht sehen / hören und nicht hören. Wenn man jederzeit Alles nach der Schärffe verfechten wollte / müste man das Schwert niemahls einstecken. Alle Herrschafften / darinnen man allzuviel Schärffe brauchet / bestehen nicht in die Ferne noch Länge. Denn / welchen man soll zuviel fürchten / den hasset man / und welchen man zuviel hasset / der sollte lieber todt / als lebendig seyn. Allen das Maul stopffen / ist mehr närrisch / denn weislich. Als einsmahls Alexander Magnus einen Meer-Räuber / mit Nahmen Diomedes / gefangen bekam / fragete Er Jhn / wie Er so kühn und verwegen seyn dürffen / daß Er andern Leuten das Jhrige auf dem Meere geraubet? Worauf Jhm Diomedes unerschrocken zur Antwort gab: Ich habe / O König! nicht mehr / als ein Schiff auf dem Meere / und muß für einen See-Räuber gehalten werden: Dich aber / der du nicht allein zur See / sondern auch zu Lande alle Leute beraubest / und Jhnen gantze Königreiche abnimmest / muß man noch einen gewaltigen König heißen. Zwischen unsern beyderseits Thaten ist kein Unterscheid. Du bist ein grösserer Rauber als Ich. Du thust alles mit Gewalt / darzu dich doch keine Noth / sondern allein deine unersättliche Geld-Begierde / deine Ehrsucht und Hoheit treibet; Mich aber hingegen drücket das Armuth und die Schmälerung meiner Nahrung. Hätte Ich dein Glücke / so wollte ich mich des Raubens wohl enthalten / und gerne mit deme / was du hast / vergnüget seyn. Was das Gesetze nicht zu Rauben anlanget / so bist du hierin̅en auch ärger als Ich: Denn / ehe Ich einen beraube / so beraubest du ihrer tausend. Du verübest dein Rauben mit Gewalt und Tyranney / und stössest das Gesetze mit Füssen. Ich / der Ich nur ihrer Etliche ein wenig / und zwar aus Armuth / und wegen meines Aufenthalts / beleidiget / soll ein Rauber seyn / und auch deßwegen sterben? Uber diese Klugheit verwunderte sich Alexander / ließ Jhn nicht allein ungestraffet los / sondern befahl auch denen Seinigen solchen unter seine Diener zu rechnen. Da der fluge Diogenes in des Königes Philippi in Macedonien Kriegs-Heer / womit Er die Griechen überziehen wollte / kam / und der König seiner ansichtig wurde / rieff Er: Sehet! das ist ein Kundschaffer? Worauf Jhm Diogenes antwortete: Es ist wahr / König Philippe! du hast es errathen: Denn / Ich bin eben zu dem Ende hieher kom̅en / mich zu erkundigen / ob du / wie man von dir saget / unsinnig seyest / oder nicht / indem du in deinem Königreiche eine sichere Ruhe haben köntest / und lehnest dich gleichwohl mit nicht geringer Gefahr deines Königreiches wider die Griechen auf. Welche Rede Philippus mit grosser Gedult aufnahme / und denselben / sonder Verdruß wieder von sich ließ. Woraus zu sehen / daß [311] man öffters ein Ding hören muß / welches man nicht gerne höret / und gleichwohl in demselben die Warheit nicht unter die Banck gestecket ist. König (Cominaeus lib. 8. c. 28.) Carl der Achte in Franckreich pflegete an gewissen Tagen alle derer Jenigen Klagen / so sie bey Jhm vorzubringen gesonnen / gedultig zu hören: Dergleichen that auch König Ludewig der Vierte in Franckreich / welcher ein besonderer Liebhaber der Gerechtigkeit war / einen Jeden ohne Ansehen der Person hörete / und denselben das Recht sprache. (Der Einheimische̅ und der Fremden Recht soll gleich seyn Levit. 19. v. 33.) Wann ein Frembder / spricht der HERR / bey Euch in eurem Lande wohnen wird / denselben sollet Jhr nicht schinden / sondern Er soll unter Euch wie ein Einheimischer wohnen / und Jhr sollet Jhn lieben / wie Euch selbst: Verflucht sey der / welcher das Recht der Frembdlingen beuget: Abraham war auch ein Frembdling in dem Lande Gerar / und Isaac zog / als ein Fremder / in Aegypten / und bey denen Cananitern einher. Da Salomo den Tempel des HErrn bauete / fande man in dem Königreiche hundert und funfzig (2. Chron. 2. v. 17.) tausend / drey tausend / sechshundert Fremdde. Es ist nichts Neues / daß ein Volck zu dem andern ziehet / und suchet daselbst seme Nahrung; man soll aber dasselbe deßwegen nicht neiden / drücken / von öffentlichen Aemtern ausschliessen / und das Recht versagen. Der Römische Keyser Maximinus war der Geburt nach ein Thracier; Keyser Gordianus ein Africaner; Keyser Philippus ein Araber; Maximianus ein Dalmatier; Constantinus Magnus ein Engeländer; Jovianus ein Ungarer; Angstasius ein Macedonier / und Käiser Leo ein Asier Das Recht der Natur ser aller Vatterland. Dahero auch David saget: Die Erde ist deß HErrn / und alles was darauf wohnet. (Gnade und Recht gehören zusam̅en. Ps. 101.) Wo Recht ist / da muß auch Gnade seyn. Denn / gleichwie die Sonne und der Mond das Firmament deß Himmels zieren: Also auch diese beyde einen Regenten / welche dadurch GOTT am nächsten kommen. Von Gnade und Recht will ich singen / saget König David: Eitel Gnade verursachet die gröste Ungnade / und das allzustrenge Recht das gröste Unrecht. (Esr. 1.) Beyde müssen gemässiget seyn; Jedoch hat die Gnade den Vorzug. Der Persische König Cyrus ließ Gnade für Recht gehen / und das gefangene (1. Sam. 10.) Jüdische Volck wieder gen Jerusalem ziehen. Als Saul zum Könige gesalbet / funden sich Etliche / die Jhn verachteten / und keine Geschencke brachten: Dahero Etliche aus dem Volcke sie wollten getödtet wissen. Saul aber stellete sie / weil es ohne Verletzung der Rechte und Gesetze GOttes geschahe / auf freyen Fuß. Wo aber GOttes Gebote im Wege / als wenn der Mensch stielet / tödtet / einen blutigen Aufstand und dergleichen erreget / da hat die Gnade nicht statt. Nichts ist so gut / daß man nicht demselben eine Gestalt geben / und eine äuserliche Farbe anstreichen könne. Der Unterschied unter den Rechten ist das Unrecht / unter der Gerechtigkeit die Ungerechtigkeit / unter der Klugheit die Arglistigkeit / und unter der Warheit der Betrug. (Die Gerechtigkeit aber hat die Ratio status zur Stief-Schwester.) Wird nun die Ratio Status durch das Recht und die Gerechtigkeit gegründet / so ist sie eine vernünfftige und kluge Uberlegung und Beobachtung eines Jeden / welcher die hohe Verwaltung auf sich / oder durch rechtmässig und billige Mittel / Land und Leute erhält / sie mit vernünfftigen Rathschlägen schützet / und alle künfftige Gefahr von ihnen abwendet. Damit die Gibeoniter unter dem Volcke Israel nicht zu groß und mächtig werden möchten / machte der Fürst Josua alle dero Obersten / und die gantze Gemeine zu Hotzhauern und Wasserträgern. (Josuae 9.) König Abi [312] (Gen 21. v. 22.) melech richtete im Lande Gerar mit dem Patriarchen Abraham / welcher an Mannschafft / Vieh und Vermögen sehr zunahm / um seiner anderen Ursachen willen ein Bündnus auf / damit keiner den Andern beleidigte. König Salomo befahl / zur Versicherung seines Staats / den aufrührischen Bruder Adonia / der wider GOttes Verordnung Jhm mit seinem Anhange nach Scepter und Crone trachtete / hinzurichten. Wenn aber die vermeinte Ratio Status viel Land und Leute durch List und Geschwindigkeit an sich zu bringen / unter dem Vorwand der Religion / deß gemeinen Bestens / mit Gewalt und Tyranney wider Aufrichtigkeit und gegebene Treue und Glauben gebraucht wird / so ist ein Betrug und Schalcks-Rath / welcher den Gewaltigen rathet / daß sie nach Gefallen leben / und ihre Gräntze wider Recht und Billigkeit erweitern sollen. Cain war der Aelteste / und Abel der Jüngere / weil aber Abels Opfer bey GOtt angenehmer als deß Cains / machte sich dieser die Rechnung / Er würde für der Welt geringer geachtet / und vor kleiner gehalten werden / schlug also seinen Bruder den Abel todt. Die Erbauung deß Babylonischen Thurns / hatte keinen andern Zweck / als daß man sich dadurch einen unsterblichen Nahmen zu wege bringen wollte. Durch die Liebe deß Jacobs gegen dem Joseph vermeineten die andern Brüder deß Vorzugs halber verletzet zu seyn / und stenden Jhme deßwegen nach dem (Judic. 9.) Leben. König Abimelech liesse 70. seiner Brüder erwürgen / aufdaß (Gen. 19. v. 31.) Er allein Herr über Israel seyn möchte. Die Töchter Loths liessen sich darum von ihrem alten Vater bey dem Truncke schwängern / weil sie vermeinten / es wäre Sodom und Gomorra / und das gantze Land mit Schwefel und Pech verderbet / damit sie von ihrem Vater Saamen erhielten. Die Vermehrung der Kinder Israel in deß Pharaonis Reiche erweckete bey Jhnen den Verdacht und den Rath / daß / damit ihrer nicht zu viel würden / die Wehemütter alle Israelitische Knäblein sollten (2. Sam. 3.) hinrichten. Joab brachte den Held Abner darum um / weil Er denselben bey dem Könige David in grossen Gnaden stehen sahe. Was für Königreiche / was für Länder / Provinzien und Republiqven sind nicht durch diese Staats Raison untergangen? Die Königin Athalia ließ ihres leiblichen Sohnes Ahasice Kinder / bis auf den verborgenen Joas / umbringen / damit sie deß Königlichen Throns und ihres Staats desto besser versichert (1. Maccab. c. 6. v. 62. &c.) seyn möchte. König Antiochus der Jüngere befahlum eines blosen Verdachts willen / wider die denen Maccabaern gegebenen Treue und Glauben / der Stadt Bethzura Mauren umzureissen. Er wurde aber bald darauf von dem Demetrio des Seleuci Sohn seines Reiches beraubt / und zu Antiochia von den Soldaten gefangen und umgebracht. Da Zabdiel der König in Arabien deß Königes Ptolomaei grosse Gewalt sahe / handelte Er wider das Gast-Recht / ließ deß Ptolomaei Feind / den König Alexandrum / welchen Er in der Flucht aufgenommen / tödten / und schickte demselben das abgeschlagene Haupt zu. Woraus man siehet / daß die ungerechte Ratio Status weder Vater noch Mutter / weder Kinder noch Geschwister / weder Freunde noch Verwandte / weder Treue noch Glauben / weder Christliche noch weltliche Gesetze zu schonen / sondern durch List / Falschheit / Tyranney / alle Rechte unter zu drucken / die Nachkommen in das (Regenten sind an die Gesetze verbunde̅.) Elend zu stürtzen / sie aber endlich selbsten ein erschreckliches Ende zu nehmen pfleget. Darum ist es nicht unbillich / daß auch Regenten an die Gesetze verbunden. Ulpianus setzet zwar: Princeps ipse legibus solutus: [313] (In L. digna vox Cod. de Leg. & Constit. Princ.) Der Fürst ist von allen Rechten entbunden / welches aber dahin zu verstche̅ / daß die Unterthanen keinem Regenten Gesetze / sondern vielmehr Er ihnen dergleichen fürzuschreiben befugt. Das jenige aber / was sich eine hohe Obrigkeit mit ihren Unterthanen vergleichet / dasselbe ist man zu beyde̅ Theilen zu halten schuldig. Ein König oder Herr darf sich nicht schämen / daß er an die Rechte gebunden / indem alle seine Gewalt und Authorität von denenselben herrühret. Denn / will man einem Königreiche oder Lande wohl fürstehen / so muß sowol der Herr / als die Unterthanen denen Rechten verpflichtet (Socrates.) seyn. Die Natur des Menschen ist also beschaffen / daß wenn er auch der fröm̅este / und über alle Leute in der Welt zu gebieten hätte / so würde er doch darbey unvergnügt / hochmüthig und hoffärtig seyn / auch sich nicht in den Schranken der Mässigkeit behalten / wo Ihm nicht durch die Gesetze Einhalt gethan würde. Das Land wird am besten regieret / da sich der Höhere und der Niedrige an gleichem Recht vergnüget / und keiner vor dem Andern einen Vortheil hat. Da der König zu Sparta Demarotus gefragt ward / warum Er sich seines Königreichs hätte entsetzen lassen? Gab Er zur Antwort: Darum daß das Recht eine grössere Gewalt / als das königliche Amt in sich führet: Wodurch er anzeiget / wie die oberste Gewalt nicht eben am Regenten / sondern an dem Rechte gelegen / und daß keinem (Plinius.) Regenten Etwas wider das Recht fürzunehmen gebühre. Und obwol Könige in ihren Häusern Alles nach sich ziehen / nnd nicht gerne iemand folgen / so stehet Ihnen doch wol an / wenn sie in ihren Vorhaben nicht weiter um sich greiffen / als das Recht und die Billigkeit mit sich bringet. Die Begierde wird mit Uns gebohren / und die Vernunfft folget etliche Zeit darauff. Und ob schon diese die Oberhand in dem Willen hat / so wird sie doch / wenn sich die Vernunfft durch das Alter erhohlet / durch die Gerechtigkeit gedämpfet. Unsere Laster erkennen wir selten / der Andern aber sehen wir täglich. (Sollen eine Sache Urtheilen wie sie an sich selbsten ist.) Diese dünken Uns wie Riesen / die Unserigen aber wie Zwerge. Will man klug seyn / so soll man das Billige von dem Unbilligen / das Gerechte von dem Ungerechten / das Nützlichste von dem Unnützlichsten lerne̅ zu scheiden. Von Niemand soll man weder zu Liebe noch zu Leide urtheilen. Alles lege man auf die Goldwage / und urtheile von Allen aufrichtig und unpartheyisch. Daferne aber die Zuneigung statt findet / oder / wenn nicht Alles mit der Wage der Vernunfft überträget / so wird die Wage nimmermehr gleich stehen. Bedenket man / wie viel Königreiche gefallen / wie viel Regierungen sich geändert: Wie viel Könige gestürzet / wie viel Potentaten um das Leben bracht / so wird man befinden / daß die Begierde oder die böse Zuneigung allen Gehorsam verworffen / un̅ die kluge Vernunfft hinden angesetzet. Es ist keine tödtlichere Krankheit / als wenn man sich etwas einbildet / ??? ein Jeder nach Belieben sich etwas Grosses vorsetzet / und ziehet nicht die gesunde Vernunfft darzu zu Rathe. Man lebe also / daß man weder dem Menschen in seinem Unbefugnisse / noch den Begierden diene. Wenn König Carl der Fünffte den Zügel seines Zorns wollte zu weit schiessen lassen / pflegte Er solches von allen Menschen abgesondert zu thun. Nichts soll man aus besonderer Zuneigung vornehmen / sondern Alles nach der Vernunfft erwegen / un̅ nicht aus eigenem Kopfe und Sinne / sondern aus Kunst. Die Sitten sollen ehe Politisch / als natürlich / die Rathschläge vernünfftig / und der Gemeine Bestes vor Augen seyn. Wie nun ein kluger Herr über sich selbst herrschet: Also lieget ihm eine Sache / wie sie an sich / klar zu urtheilen / ob. (Ibr Ansehen mit der Gerechtigkeit bestätigen.) Die Augen der Potentaten vergleichen sich mit den Augen der Adler / welche wegen ihrer Schärfe alles übesehen. König Alphonsus der VII. rä [314] chete an einem Spanischen Edelmanne das / was Er an einem Land-Manne begangen / so geschwinde / daß derselbe es nicht eher gewahr wurde / bis Er an Ihm Hand anlegen ließ. Da König Ferdinand in Spanien vor Medina zu Felde lag / begab Er sich in aller Stille nach Salmantica / und zoge den Rodericum Maldonatum / der in der Vestung Moleon viel Grausames verübte / zur gebührenden Straffe. Einen Kranken mit vielen beschwerlichen Artzeneyen belästigen / ist gefährlich. Mit Bescheidenheit und Glimpff richtet man offters mehr / als mit Gewalt aus. König Petrus in Spanien meinete allenthalben mit der Schärffe durchzudringen / befand sich aber dahero sehr betrogen / und erlangete dadurch den Nahmen eines grausamen Prinzens. Und / obwohl die Gerechtigkeit nur eine Tugend / so ist sie doch von unterschiedenen Wirckungen. Denn vielmahl wird sie von dem gemeinen Mann bannisieret: Vielmahls aber schlägt sie solche Mittel vor / dadurch sie ihre eigene Freyheit verlieret. Will man nun hierunter sein Ansehen behalten / so straffe man etliche Verbrecher aus der (Bey ereigneten Aufstande.) Gemeinde / sind aber ihrer viel daran Schuld / so verzeihe man es Ihnen. Eine andere Art zu straffen / und dadurch sein Ansehen spüren zu lassen / gebrauchete sich König Ferdinand der Vierdte in Spanien. Denn / nachdem Etliche von Adel in Gallicien einige Empörung aufrichteten / berief Er Sie zu sich / tractirete sie freundlich / und schickte sie in Krieg. Da denn Etliche dererselben von den Feinden erschlagen / und Etliche daselbsten gedemüthiget / das Land aber dadurch in Ruhe gesetzet wurde. Wer sein Ansehen selbst verkleinert und an seinen Meriten zweifelt / der trauet Ihme in seiner Verrichtung nicht / und giebet Männiglichen Anlaß / daß man Ihn verachtet. Gleichwie man aber durch die Gerechtigkeit sich die Frommen verbindet: Also machet man sich auch durch die Güte die Bösen zu Freunden / und weil Jene die Furcht zum Gehorsam treibet / so erwecket hingegen diese nichts als Liebe. (Die Königliche Gutthätigkeit / Freundlichkeit und Bescheidenheit.) Der Gerechtigkeit ist die Tugend der Gütigkeit / Sanfftmuth und Freundlichkeit am nähesten. Und gleichwie Gott viel gütiger und sanfftmüthiger / denn die Creaturen: Also gebühret auch denen Höhern und Gewaltigern / daß sie Andere mit Gutthat und Sanfftmuth übertreffen. Das beste und beständigste Reich ist dieses / wann es die Unterthanen bey ihrer Pflicht und Schuldigkeit mehr mit Güte und Wolthat / als mit der Schärfe erhält. Denn jenes geschicht aus Liebe / dieses aber aus Zwang und Furcht. Die Gelindigkeit wird allemahl der Schärfe vorgezogen / zumahlen (Dionysius Halicarnass. lib. 6.) zu der Zeit / da man sich bey einer Regierung noch nicht in eine beständige Sicherheit gesetzet. Als dem Keyser Constantino eines Tages angedeutet wurde / wie man sein aufgerichtetes Bildnis mit Steinen geworfen / sein Haupt daran übel beschädiget / und dahero Er die Thäter zur Straffe (Baronius Tom. 3.) zu ziehen Ursach hätte: Belachte solches der Keyser / grief an sein Haupt / und sagte: Ich fühle an meinem Gesichte noch keine Verletzung / und ist nicht allein mein Haupt an mir gantz unversehrt / sondern es sind auch mei??? Glieder frisch und gesund. Soll aber die Strenge den Vorzug haben / so muß es theils wegen des gemeinen Nutzens / theils auch wegen der groben (Car. Sigon.) eingerissenen Laster geschehen / die / wann sie nicht aus dem Wege geräumet / bald wie der Krebs um sich fressen / und endlich auch die Gesunden anstecken. Da der Gothen König Totilas gebeten wurde / daß Er Einen / welcher mit Gewalt ein Weibes-Bild geschändet / der ordentlichen Strafe erlassen sollte / sagte Er: Der jenige / welcher die Straffe wegen eines begangenen Lasters zu verhindern gedencket / ist nicht besser / als der / so [315] das Laster begangen. Darum / so muß entweder dieser seine verwirckete Straffe ausstehen / oder das Gothische Regiment zu Grunde gehen. Da König Alphonsus gefragt wurde / warum Er gegen die Bösen und Unverdienten sich so gütig und sanfftmüthig erwiese / sagte Er: Ich bin wegen der Gerechtigkeit gegen die Guten / nnd wegen der Sanfftmuth gegen die Bösen freundlich. Denn die Bösen und Gottlosen werden eher durch Sanfftmuth und Gelindigkeit / als durch Stränge und Grausamkeit zu einem bessern Leben gebracht. Anfänglich regierte König Antigonus sehr strenge / nachdem er aber Aelter / sehr sanfftmüthig. Wenn man nun sich darüber verwunderte / sprach Er: Im Eingange meiner Regierung / ersorderte dieselbe eine Strenge / anietzo nun / da mein Königreich in einen guten Stand gebracht / so ist die Sanfftmuth das beste Mittel solches im Friede und Ruhe zu erhalten. Aus Gütigkeit entstehet eine gewisse Sicherheit. Es ist nicht eine geringe Anzeigung eines tapferen und hohen Gemüthes / wen̅ Einer die Schmach und Unrecht mit Gütigkeit zu vertragen weiß. Nichts ist löblichers / nichts grössers / nichts vortrefflichers / als die Versöhnung un̅ Sanfftmüthigkeit. Da man dem Keyser Augusto verwiese / warum Er die / so Ihn schmäheten / nicht straffete? sagte Er: Es ist Mir lieb / daß mich sonst Niemand verletzet / als die mit Worten verleumden. König Agrippa wurde von dem Hohen Priester zu Jerusalem Simon beschuldiget / als zerstörete und verkehrete Er das Jüdische Gesetze. Wie nun der König Ihn öffentlich fordern ließ / und denselben deßwegen / wider welches Gesetze Er gehandelt / zur Rede setzete / fiel Simon aus Furcht für demselben zu seinen Füssen / und bat demüthig um Verzeihung. Der König aber ergrief Ihn bey seinen aufgehobenen Händen / richtete denselben auf / und verziehe Ihm (Erasm???9 lib. 8. Apophth.) nicht allein Alles sondern Er beschenkete Ihn auch reichlich. Keyser Theodosius der Jüngere wollte nicht gestatten / daß man die Jenigen / so Ihn schmäheten / und alles Böses nachredeten / am Leben straffen sollte / sondern wündschete vielmehr / daß er auch die Verstorbenen und Todten wieder könte (Fulgentius lib. 5. c. 1.) lebendig machen. Renatus Herzog in Lothringen ward vom Herzog Carin in Burgund aus seinem Fürstenthum verjaget / als er aber durch Hülfe seiner Freunde Herzog Carin in einer Schlacht überwand / ließ Er nicht allein dessen ertödteten Cörper mit Fleiß suchen / sondern auch denselben gen Nancy führen / und in die S. Georgs Kirche begraben; Er selbst aber folgete mit seiner ganzen Hosstatt der Leiche in schwarzen Kleidern nach / un̅ erwiese sich / (Trebellius Pollio.) als wen̅ Ihm Einer seiner besten Freunde gestorben wäre. Keyser Gallieni des Jüngern Gemahlin kaufte von einem Landbetrieger falsche Edelgesteine / an stat der guten. Als es aber offenbar / klagte sie solches ihrem Gemahl. Der Keyser ließ den Thäter greiffen / und befahl ihn verstellter Weise den Löwen vorzuwerffen. Wie nun der Betrieger durch solchen Tod zu sterben vermeinete / und das Volk mit Verlangen darauf wartete / kam endlich ein Kaphan herfür getreten / un̅ als man sich mit Lachen darüber verwunderte / hieß der Keyser durch den Herold ausruffen: Imposturam fecit & passus est! Es hat numehro dieser Betrieger seine Strafe erlitten. Kein Sieg kan glückseelig genen̅et werden / der nicht mit der Clemenz und Gütigkeit begleitet ist. Alexander Magnus / Julius Caesar / Augustus / Titus und Trajanus legten durch Ihre Mildigkeit mehr Ehre ein / als durch die Schlachten / so sie anderwerts erleget hatten. Das überwinden ist Menschlich / das Verzeihen aber Göttlich. Obschon ein herrliches Gemüthe beleidiget wird / so ist ihme doch nicht erlaubet / daß selbigem das jenige gereue / was es Eine̅ Gutes erwiesen. Die Freyheit im Geben / und die Gütigkeit im Verzeihen / [316] ist so lieblich / als würdiger Einer ist / an dem es angewendet wird. Die Scythen / worfen dem König Alexandro Magno / als Er Sich was Göttliches bedüncken ließ / öffentlich vor / und sagten: Willstu ein Gott seyn / so solltestu denen Menschen nicht Land und Leute rauben! Bistu aber ein Mensch / so bedencke / was du bist / indem es thöricht / nach andern Dingen trachten / und darbey Sich selbst vergessen! (Philippus Cominae???9.) Der Türckische Keyser Mahometh klagte und betaurete in seinem Testament nichts höhers / als daß Er Seine Unterthanen einsmahls mit allzu grossen Tribut und Satzungen beleget. Keyser Severus hatte ein Register / darein Er alle die jenigen / welchen Er eintzige Wohlthat erweisen wollte / aufzeichnete / und wenn Er von einem aufrichtigen und ehrlichen Mann hörete / ließ Er Ihn vor Sich beruffen / und sagte zu demselben: Warum bittestu nichts von Mir? Willstu / daß Ich dein Schuldner seyn soll? Bitte was / damit Du dich über mich zu beklagen nicht Urfach haben mögest. Des Vespasiani Sohn Titus sagte Jedermann viel zu / aber Er hielte das wenigste. Und / als Ihm solches einsmahls von Seinen guten Freunden Einer aufrückete / gab Er zur Antwort: Man mus nicht einen Jedweden von des Keysers Angesichte traurig hinweg gehen lassen. Diese Rede ist gar löblich; Die That aber ungeräumt / denn einem Jeden stehet frey / was Er verschencken oder versagen will. Viel wegschencken / Sich selbst aber darbey vergessen / und es hernach von den Unterthanen wieder fordern / ist eine Unbedachtsamkeit. Auch die Heyden hielten die Leutseeligkeit für eine Tugend. Als König Antigonus deß Scipionis Sohn gefangen bekahm / ließ Er Ihn ohne Rantzion wieder loß. König Pyrrhus stellete die Römer auf sreyen Fuß. Hannibal der Carthagonische Fürst / ließ den todten Leichnam des Römischen Bürger-Meisters Aemilii Pauli ehrlichen zur Erde bestatten. Wie Lucius Aemilius Paulus / des ietzgedachten Aemilii Sohn / den Macedonischen König Perseum überwunden / weinete Er über Ihn / und hieß denselben nebenst Sich niedersetzen. Antoninus Pius war so sanfftmüthig / daß / als Er merckete / daß Ihn das Römische Volck wegen Mangel des Getreydichtes gar steinigen wollte / so bemühete Er Sich doch vielmehr den Aufstand zu stillen / als Sich zu rächen. Wie die Mässigkeit eine Meisterin der Klugen / und die Hochgebohrnesten auch für verächtlich hält / wenn Sie Sich der Unmäßsigkeit ergeben: Also ist auch die Freundlichkeit eine Beherrscherin der Hertzen / eine Stütze der Unterthanen / ein Trost der Dürfftigen / und eine Ergötzung in der grösten Betrübnis. Der Hertzog zu Venedig Marcus Barbadicus befahl / daß alle die Jenigen / welche bey Ihme Audientz begehreten / man zu Ihm lassen sollte / wer nun der Erste / Andere und Dritte war / Er mochte gleich reich oder arm seyn / der hatte den Vorzug / wordurch Er denn bey Männiglichen einen guten Nahmen erlangete. Titus Vespasianus war bey den Seinigen so beliebt / daß Sie Ihn eine Ergötzlichkeit des Menschlichen Lebens nenneten. Ein Hertzog in Schwaben saß eines Tages bey Einer gewissen Zusammenkunfft bey Andern seines gleichen an der Tafel. Als nun Einer bald Seine Herrschafft / der Andere sein grosses Reichthum / Sein Land / Seine stattliche Berg-Wercke und ansehnliche Vestungen rühmete / schwieg dieser gantz stille; Da man Ihn aber fragete / was hierüber auch Sein Bedüncken wäre / sagte Er: Er wüste Sich [317] zwar solcher Dinge am allerwenigsten zu rühmen / iedoch aber sey Er versichert / daß Er so wohl Tages als Nachts / und zwar in offenem Felde / und mit entblößtem Haupte in dem Schosse seiner geringsten Unterthanen sicher / und unversehret schlaffen könne. Worüber Sich die andern alle veswunderten / und einmüthig gestunden / daß diese Glückseeligkeit denen Andern allen weit vorzuziehen sey. Keyser Trajanus setzete offters seine hohe Majestät hinden an / und besuchte seine Hoff-Officianten / wenn sie kranck waren. Wie derohalben denen Regenten die Freundlichkeit wohl anstehet; Also erwecket sich auch ein Unfreundlicher bey denen Unterthanen nichts als Ungunst / Aufruhr / Haß / und Neid. Myrrhische Herren ziehen lauter Widerspenstigkeit an sich / und ie unfreundlicher man ist / ie mehr Verdruß und Widerwillen ladet man sich auf den Hals. (Der Zorn und die Unbedachtsamkeit sind bey einem Könige die zwey schändlichsten Rathgeber.) Je mehr man Wasser in einen Hauffen Kalck schüttet / ie hitziger Er wird: Je hefftiger der Zorn: ie grösser der Dampf. Alles was mann in Ungedult und Zorn vornimmt / das geräth in einen verwirrten Stand. Wo Zorn ist / da verlieret sich die Vernunfft. Wie der Rauch die Augen verdunckelt: Also auch dieser den Verstand. So lange als ein Verständiger klug und verständig: So lange fasset Er keinen Zorn. Dafern Er Sich aber über eine Sache ergrimmet / so ist nichts verständiges an Ihm. Niemahls aber kan man der Könige Zorn besser entgehen / als wenn man sich vor denenselben eine Zeitlang verbirget. Wer sein Haus vorsetzlich anzündet / der ist unbesonnen; Weit aber unbesonnener der / welcher seine Seele mit Zorn beflecket. Sey nicht so schnellen Gemüths / sagt der weise Mann / denn der Zorn (Seneca de Ira cap. 1. pag. 20. Marc. 3, 11. Exod. 11, 8.) ruhet in dem Hertzen des Narren. Es ist aber derselbe Zweyerley / nehmlich ein rechtmässiger / da man in einer gerechten billichen Sache eyfert / als wie da war der Eyfer unsers Seligmachers CHRISTI / der die Pharisäer im Zorn ansahe. Mosis Zorn wider den Pharao / und wider das gegossene Kalb. Wenn hohe Obrigkeit Ubelthäter bestraffet: Wenn man die Versammlung der Boßhafftigen hasset / und die Jugend sich nicht ziehen lässet. Denn nicht zörnen / da zu zörnen ist / und zörnen / da nicht zu zörnen ist / heisset Sünde mit Sünde häufen. (Bernhardus in Epist. 69.) Die andere Art des Zorns aber ist / wenn man ohne bewegliche Ursachen wider GOTTES des Allerhöchsten Befehl / aus eigenen Privat-Eyfer / Neid / Rache / und Widerwillen seinen Nächsten im Zorn fasset / sich selbsten in seinem Gemüthe einnehmen / und durch unruhige Affecten gleich einem Mastlosen Schiffe hin und wieder treiben lässet. Ein erzünetes Gemüthe giebet offterr seine Gottlosigkeit / Boßheit / und Unglaubigkeit zu erkennen. Seine Gottlosigkeit / weil Er wider GOTTES Ordnung seinen Bruder in dem Hertzen hasset / und sein Zorn und Wüten ein Greuel für dem HERRN ist. Seine Schändlichkeit / weil Er dadurch als ein Unsinniger daher gehet / der weder Witz noch Verstand hat / nicht siehet / höret noch erkennet / was recht oder unrecht / was sich geziemet oder nicht. Denn gleichwie der scharfe Rauch den Menschen in die Augen beisset / daß Er nicht siehet / was Er vor sich liegen hat: Also blendet auch der Zorn demselben dergestalt seine Vernunfft / daß Er nicht weis / was Er vornimmet / noch wie Er sich selbst regieren soll. Er ist nicht in / sondern ausser seinem Leibe: Er stellet sich ungebährdig: Sein Gesichte läufft Ihm auf: die Augen funckeln wie ein Basiliske: die Zunge stam̅let: der Mund beisset um sich wie ein rasender Hund: [318] Er knirrschet mit den Zähnen wie ein Eber: Die Nase bleicht wie ein Toden-Kopf: Die Hände gaukeln: Die Füsse stampeln wie ein unbändiges Pferd: Man schreyet wie ein brüllender Löwe / und brummet wie ein schnausender Bär: Man sprieet / und spritzet wie eine Katze: Reisset und blecket wie ein tobender Wolff. Nichts ist schädlicher und beschwerlicher als ein schnelles Gemüthe: Sand und Steine sind zwar eine Last / aber des Narren Zorn ist viel beschwerlicher. Homo dum irascitur, insanire (Hieron. in Epist. ad Demetr.) creditur. Sobald der Mensch anfänget zornig zu werden / so hält man Ihn für unsinnig. Ist desselben Verstand und Gemüthe dahin / so ist auch sein bestes Kleinod hinweg. Er beschwehret das Herze mit der bittersten Galle / mit dem grösten Neyde / mit dem gifftigsten Hasse / mit dem schädlichsten Grolle / und der allerärgesten Rache. Er belästiget das Gewissen / wenn man GOtt auf das erschrecklichste fluchet. Er lästert / wenn man seinen Nächsten verdammet / und lässet sich solcher abscheulichen Worte vernehmen / daß Ihm dasselbe hernacher um des willen Tag und Nacht plaget. Er richtet Hader und Zanck an. Er erwecket Schmäh-Worte: Die Schmäh-Worte Streiche / die Streiche aber verwunden. Selten wird eine Mord-That begangen / wenn sie nicht aus Zorn geschiehet. Alle Stösse / Striemen / Beulen / Wunden / und / was das meiste / Jammer und Elend / rühret von demselben her. Nichts ist so bitter und hesstig / als dieser; Und dieses siehet man an dem Cain gegen dem Abel; An den Kindern jacobs gegen den Joseph. An Saul gegen dem David / und an dem Könige Herode gegen die Bethlehemitische Kinder. Er zerstöret die Gesundheit / verursachet die schwere Noth / erwecket die Gicht / wircket Fieber und Ohnmachten / und schaffet den jählingen Tod. Letzlich so verletzet Er nicht allein den guten und ehrlichen Nahmen / sondern Er bringet auch vielmahls den Meyschen um Leib und Leben. Die Seele leidet Noth / wenn der Mensch vermittelst Seiner wider seinen Bruder Rache suchet / und dißfalls des Gerichts schuldig wird: Er ererbet das Reich GOTtes nicht / ist lebendig todt: Zum Tode verurtheilet / und muß unter den beissigen Hunden in dem Höllischen Pfuhl mit unendlicher Qvaal und Marter liegen. Es ist zwar der Zorn allen Menschen angebohren / wie man siehet an dem Mose und seinem Weibe der Zipora / an dem Saul / Nebucadnezar und vielen andern. Nichts desto weniger aber soll man demselben Einhalt thun / den Zügel nicht zu weit schiessen lassen / und Ihn bey allen Gelegenheiten meiden. Wo die Affecten Richter sind / da hincket die Vernunfft / und wo eine hitzide Rachgierigkeit zu finden / da ist keine temperirte Gerechtigkeit. Man verkehret das Recht in einem Augenblick / und will einen Schluß machen / ehe man eines andern Meinung höret. Fürstliche Gemüther sind bald in Harnisch zu (Was der Zorn nach sich ziehe.) bringen. Landgraff Willhelm der Vierdte in Hessen / entrüstete sich sehr leichtlich / sobald aber der Zorn vorbey / so gereuete es Ihn. Und / wenn Er vermeinete / daß Er Jemand beleidiget / so vergalt Er es Ihme gedoppelt / also / daß Er von den Seinigen gefürchtet und geliebet wurde. König Ferdinand in Spanien sagte: man kennete einen Klugen an dreyerley Dingen / nehmlich / wenn Er den Zorn zu mässigen / sein Haus-Wesen wolzu regieren / und einen guten Brieff zu stellen wüste. Denn aus dem Ersten sehe man die Affecten / aus dem Andern den guten Wandel / und aus dem Dritten den klugen Verstand. Nimmermehr kan der sich / welcher einmahl von Zorn übereilet / sobalde von demselben wieder loßwirken. Derohalben ist es nicht ein geringes / sondern eine Kunst den Arg [319] wohn zu bändigen / und den Zorn mit Vernunfft zu überwinden. Es ist eine Tugend / wenn man was ungleiches höret / darbey seiner Zunge nicht zu viel Freyheit zu reden verstattet / und bey Verantwortung einer Sache nicht gar zu schnelle verfähret. Da Keyser Friedrich denen Türcken eine Festung abnahm / sprach Er: Dieses / was geschehen / ist ein grosses: (AEneas Sylvius lib. 2. de Gest. Alpho̅s.) Eins aber ist noch übrig / daß wir Uns selbsten überwinden / und der Begierde uns zu rächen den Zaum anlegen. Quo major, eò placabilior. Ie höher / ie versöhnlicher. Als Keyser Aurelianus die Stadt Thyana in Bythinien belägerte / und die Einwohner darinnen sich wehreten / schwur Er hierauf im Zorn / Er wollte darinne nicht einen Hund leben lassen. Wie nun die Stadt übergieng / ließ er nicht mehr als den Verrähter Heraclammonem tödten. Da man Ihn aber seiner gethanen Rede / und daß er numehro die Stadt Preis geben möchte / erinnerte: sprach Er: Ich habe geschworen keinen Hund darinnen leben zu lassen; wollet ihr sie aber erwürgen / das möget Ihr thun / denen Bürgern aber füget kein Leid zu. Aus einem kleinen Anfange macht offters des Menschen Zunge den grösten (Plutarchus de Ira c. 14.) Zanck. Nichts ist einem verständigen rühmlicher / als / wenn Er das / womit Er angestochen; gedultig erträget. König Ptolomaeus der An dere in Aegypten schertzte eines Tages mit einem Halbgelehrten / und fragte denselben / wer des Pelei Vatter gewesen? Dieser verstund ungleich / sagte hinwieder zu dem Könige / wenn Er Ihm zuvor melden würde / wer des Lagi Vatter gewesen / so wolte Er Ihm auf das Erste auch antworten / wodurch Er dem Könige sein schlecht Herkommen verdeckt vorwarff. Wie nun dieses die Hoffleute sehr aufmutzeten / und den König zur Rache vermahneten / sprach Er: Woferne das nicht königlich ist zu erdulden / wenn man einen mit Worten antastet / so ist auch das nicht königlich / wenn man Ihm darzu Anlas und Gelegenheit giebet. Da der weise Demosthenes von Einem mit Worten übel angelassen wurde / sagte Er: Ich will mich mit dir in keinen solchen Kampf einlassen / da der Uberwundene besser / als der Uberwinder ist. Pittaeus stellete Einen auf freyen Fuß / der Ihm Gewalt zugefüget / und sprach: Es ist besser verzeihen / denn Rache üben: Es ist ein grosses den Zorn überwinden / ein viel grösseres aber sich vor demselben hüten. Ein König befahl einsmahls im Zorn einen unschuldig hinzurichten. Als aber diese keine Hoffnung zum Leben mehr übrig / gebrauchte Er sich allerhand verzweiffelter Worte. Der König fragte Einen seiner Räthe / was dieser Verdam̅te redete? Deme dieser zur Antwort gab: Er saget / Gnädigster König! Das Paradies gehöre alleine deme zu / welcher sich in seinem Zorn zu mässigen wüste. Wodurch der König den gefaßten Zorn in Barmherzigkeit verwandelte / und Ihm das Leben schenckete. Drey Dinge / sagt man / werden nirgends anders als an dreyen unterschiedenen Orten erkennet / als ein kühner Held im Kriege / ein Weiser im Zorn / und ein Freund in der Noth. Keyser Ferdinand der Erste erzürnte sich eines Tages über Einen sehr hefftig / und befahl Ihm die Augen auszustechen. Nachdem Er sich aber besonnen / hies Er solches einstellen / und sagte: Ich kan nicht begreiffen / daß Ich Einen das jenige berauben sollte / welches Ich Ihme / wofern Er sich bessert / nicht wieder zu geben vermag. Alle Dinge soll man empfinden / als ein Mensch / und überwinden als ein Verständiger Verletzt uns einer an unsern Ehren / so ist es besser verzeihen / als eine gefährliche Rache suchen. Zwischen der / und dem Zorn hält man diesen Unterscheid / indem der Zorn aus einer erweckten Ursache / die Rache aber aus einer bösen Eigenschafft herrühret. Der Zorn / sagt Plato / sey an [320] nichts schuldig / sondern das Jenige / worüber man sich erzürnet. Ein narr / spricht Salomo / hat das Herze in der Zunge / ein Weiser aber die Zunge im Herzen. Da der weise Solon Solonius gefragt ward: Wer für einen zornigen Menschenzu achten? Gab Er zur Antwort: Der jenige / welcher seinen Freund um ein geringes hinden ansetzete. Den Zorn zwingen ist eine Tugend; Denselben aber gantz vertilgen und ausrotten / ist die allersicherste. Viel Dinge stehen anfänglich in unserer Macht / ob wir sie wollen verbannen oder nicht; Wenn sie aber bey Uns eingewurzelt / so wollen sie sich nicht gerne vertreiben lassen. Gleiche Beschaffenheit hat es mit dem Zorne. Lassen wir Ihm einmahl seinen Willen / alsdenn fähet Er an aus unsern Willen den seinigen zu machen. Könige und Potentaten tadelt man nicht so sehr wegen ihres ungerechten Straffens / als wegen ihres geführten Zorns und Hasses. Denn ob sie schon das Böse zu straffen befugt / so kömmet Ihnen doch nicht zu / gegen die Ihrigen Haß und Zorn zu führen. Die Jenigen / so sich an Etwas versündigen / sollen billich zur Straffe gezogen werden; Es soll aber nicht das Ansehen haben / als geschehe es aus Rache / sondern um der Gerechtigkeit willen. Der berühmte Lycurgus befahl seinen Beamten / daß sie zwar alle Verbrechere bestraffen / gegen keinen aber keine Rache ausüben sollten. (Die Mittel dafür.) Das beste Mittel aber dafür ist / daß man die erzürnte Zunge bezäme: die Rache verschiebe; Sich geduldig erweise / und der Zeit erwarte. Denn gleichwie diese Eisen und Stahl / Berge und Thal / Gutes und Böses / Gefährliches und Sicheres verzehrete: Also soll man auch schweigen und übersehen / so lange bis diese auch allen Zorn und Hoß hinweg frisset. (Save dra 65. Embl.) Derowegen soll kein Potentate sich den Zorn überwinden und einnehmen lassen / daß Er über Ihn herrsche. Denn der jenige Fürst und Herr / welcher bald zornig wird / der übergiebet die Gewalt über sein Hertz gleichsam einem Ander / und unterwirffet sich muthwillig desselben Ausspruch. Wie nun der Zorn eine kleine Unsinnigkeit; Also hat man auch demselben die reiffe Bedachtsamkeit entgegen zu setzen; und ist unter andern keine bessere Arzeney darwieder / als die weise Berathschlagung im Gemüthe. Gestallt den̅ Regenten nicht eher in einer wichtigen Sachen zu verfahren haben / bis sie dieselbe mit Rath wohl überleget / und da ja der Zorn allzuhefftig / so schiebe man die Vollziehung auf. Keyser Theodosius verordnete ein Gesetze / daß man ein gesprochenes Urtheil / welches den Tod betraff / nicht eher bis auf den 30. Tag vollnziehen sollte. Ein Jeder sey schnell zu hören / langsam im Reden / am langsamsten aber zum Zorn. Des Jupiters Bildnis in der Insul Creta hatte keine Ohren / und sonder Zweifel darum / weil Potentaten offters im Rechtsprechen mehr schädlich als nützlich. Weil nun derselbe nicht eher für lobwürdig zu achten / es sey denn / daß solche mit der Weißheit gemildert: so soll man auch nicht eher zu denselben greiffen / es geschehe denn mit Vernunfft und Bescheidenheit / oder um einer andern wichtigen Ursachen willen. (Die Königliche Authorität.) Autoritas est salus & Custodia Principis. Grosse Herren können mit einem Qvintlein Authorität und Ansehen mehr ausrichten / als ein Anderer mit einem Centner Goldes. Wann Regenten und Officirer nicht bald bey ihren Unterthanen sich ein Ansehen machen / so gehet es hernach schwehr her. Keyser Maximilianus der Erste sagte: Ein Herr wäre Land und Leute zu regieren nicht geschickt / wenn Er an Tugenden / Justiz / Clemenz / Weißheit / Demuth und Andern nicht ansehnlicher als Andere sey. (Bion) Die Mohren trugen vor Alters den königlichen Scepter alleine dem [321] (Strabo.) auf / der das schönste Ansehen und beste Gestalt hatte. Wenn die Indianer einen König erwehleten / sahen sie iederzeit auf die schöne und anmuth???ge Gestalt des Leibes. Nun thut zwar die Schönheit etwas / weil Etliche dafür halten / daß / wie sie euserlich; also auch eine Anzeigung der innerlichen Gaben seyn solle; Allein / wo sie nicht mit Tugend begabet / so ist sie nichts als eine leere Haut. Könige erlangen gemeiniglich ihren Respect bey der Welt von GOtt. Da Abraham noch zu Ur in Chaldaea (Gen. 12.) wohnete / wuste man von Ihme wenig; sobald Ihn aber GOtt zu einen Patriarchen machte / da wurden alle gesegnet / die Ihn segneten / und verflucht die Ihn verfluchten / also daß Er nachmahls ein gross??? Ansehen bekam. (1. Sam. 10, 6.) Saul war nichts anders als ein Anderer / sobald Ihn aber GOtt durch den Propheten Samuel herfür suchen / und zum König über Israel salben liß / da ward Er ein andrer Mann. König David hielte man unter seinen Brüdern für den Unansehnlichsten / ward aber der ansehnlichste (2. Reg. 9.) und beruffneste König. König Jehu hatte nicht mehr denn eine Haupt-Manns-Stelle zu verrichten; Wie aber der Prophet Elifa von den Propheten Kindern Einen zu Ihm schickete / und denselben auf GOttes Befehl zum Könige beruffen und in Geheim salben liesse / auch solches Jehu seinen Cameraden nur anzeigete / bekam Er alsobald ein solches Ansehen / daß ein Jeder von Ihnen seine Kleider nahm / Ihn auf die hohen Stuffen unterlegten / als einen König verehreten / un̅ solches durch den Posaunen(Ludovicus Vives.)-Schall öffentlich verkündigen liessen: Authoritas Principum est rerum gerendarum Telum. Die Authorität eines Fürsten thut offters mehr als die Macht. Potentaten werden auf Erden Götter genennet. Denn weil GOTT die höchste Majestät / für welchen beydes Menschen und böse Geister erzittern / auch die unvernünfftigen Thiere / wenn Er seine Donner-Stimmehören lässet / erschrecken: So hatten auch die Ihr Ansehen von demselben. Dahero man siehet / daß einem einzigen Menschen so viel Länder gehorchen / und so viel tausend Unterthanen fürchten und ehren. Sobald Salomo für dem ganzen Israel ein Urtheil fällete / fürchteten sie sich für dem König. Wie nun Könige nicht allein geliebet / sondern auch gefürchtet werden sollen: Also gebühret Ihnen auch dahin zu trachten / daß man Sie wegen der Gelindigkeit lieben / und wegen Abstraffung der Laster fürchten könne. Woraus zu schliessen / daß man seinen Respect und Ansehen nicht mit Tyranney / wie der Tyranne Phalaris in Aegypten / Dionysius zu Syracusen / Nero / Cajus Caligula / Claudius / Aulus Vitellius / und Basilius der Gros-Fürst in Moscau thate / sondern mit Furcht und Liebe zu erhalten habe. Wenn ein König seine Unterthanen drücket / und sie gleichsam mit Füssen tritt / der reisset sich selbst den Scepter aus der Hand / und indem Er sie gleichsam mit seiner spitzigen Crone verwundet / so wächset ihm gleichsam eine Dorne dargegen auf dem Haupte. Wie man den Tyrannischen Keyser Maximinum erschlug / da sagte man / daß man von einem bösen Geschlechte auch nicht einen Hund übrig lassen sollte. Das Fürstliche Ansehen bestehet nicht in deme / daß man sich der Unterthanen Augen entziehe / und wie die Gefangenen in die Palläste verschliesse. Aller Obrigkeit Hoheit hanget an dem / daß Sie (Jos. 3, 7.) GOtt fürchten / und in dessen Geboten einher wandeln. Heute / sprach der HERR zu Josua / will Ich dich für dem ganzen Israel groß machen. Die Tapferkeit thut hiebey ein Grosses / wie solches an dem Alexandro Magno / Julio Caesare / Keyser Constantino dem Vierten / Carolo Magno und Ottone dem Grossen wahrzunehmen / bey denen Menschen aber [322] die tyrannisiren ist eine Art der Bestien. Weißheit / Fleiß und Gerechtigkeit / soll das vornehmste in einer Crone seyn. Es wird die Authorität auch dergestalt erhalten / wenn grosse Herren nicht einem Jeden mit gleichsam ungewaschenen Händen vor sich lassen. Die höchste Gewalt mit keinem gemein machen / sondern allein vor sich behalten. Sich nebenst der Freundlichkeit einer gebührenden Gravität gebrauchen: Die vornehmsten Verrichtungen über sich nehmen / und mit Vertrauungen ihrer Insiegel behutsam umgehen. Wie nun eines Potentaten Authorität in der Weißheit / hohem Verstande / in der Gerechtigkeit / Gnade / Güte / und Barmherzigkeit / in Beob???tung seines von Gott ihm verlieheuen Amtes / in Heroischer Tapferkeit / Keuschheit / Mässigkeit und Warheit / wie nicht weniger in dem / daß Er sein Thun ud Vornehmen nach Wundsche hinausführet / glücklich bestehet; Also fället hingegen dieselbe gemeiniglich hinweg / wenn er sein hohes Amt nicht gnugsam in Acht nimmet: Von seinen Räthen un̅ Dienern sich nicht einreden lässet / die Gemüther der Unterthauen von sich lenket: Denen Wollüsten nachhänget. In seiner Regierung gar zu gelinde und nachlässig: Denen überhand nehmenden Lastern bey Zeiten nicht steuert: Ein iedes übersiehet: Einem und dem Andern allzu grosse Gewalt verstattet: Sich der Regiments-Last entschläget / und mit vielen allzu gemein machet. Köm̅t es nun dahin / daß sein Ansehen aus ein und der andern (Tacit. lib. 4. Annal.) Ursachen in Verachtung geräth / oder um des willen von den Unterthanen angefeindet wird / so kan man leichtlich die Rechnung machen / daß es an heimlichen und öffentlichen Nachstellungen / entweder gegen seine eigene Person / oder nach seinem Lande und Leuten nichts ermangeln werde. Und ist in diesem Falle die Hinterlist gefährlicher / als die öffentliche Nachstellung / da man Einem mit gleicher Macht und Gewalt hinwieder begegnen kan. (Der gute Name.) Das Gerächte / oder ein guter Name / ist gleich einem Flusse / welcher die Eigenschafft des Metalles an sich nim̅et / wodurch Er zu flüssen pfleget. Da man den Agesilaum fragete / wie man einen ehrlichen Namen überkäme? sprach Er: Wenn man iederzeit redet was recht / und für Göttern un̅ Menschen ehrlich ist / auch unsträfflich daher gehet. Nicht das natürliche Leben / sondern wol wissen zu leben ist für glück seelig zu nennen. Das Leben wird nicht nach der Zeit / sondern nach dem Gebrauch desselbigen gerechnet. Die Wolthaten / welche man dem gemeinen Wesen erweiset / und das Gute / so darvon entstehet / werden für Tage des Lebens gerechnet: Wer aber von denen beyden nichts nach sich verlässet / der geräth in die ewige Vergessenheit. König Petruß in Portugal sagte: Der jenige / der nicht täglich dem gemeinem Wesen einzige Wolthat erwiese / wäre nicht werth ein König zu seyn. Keine Regierung ist so kurz / darinne man nicht etwas löbliches begehen könne; Die Zeit aber / vermittelst derer man dasselbe vollbracht / nen̅et man nicht unbillich ein Leben. Wer durch das Sterben das Leben durch de̅ Ruhm verwechselt / der höret zwar nicht mehr zu seyn auf / iedoch lebet Er in dem Gedächtnisse fort. Die Tugend streitet allein wider die Natur; Sie machet was vergänglich / rühmlich / und / was sterblich / unsterblich. Die jenigen betrügen sich sehr / welche sich durch die Gemählde abbilden / und in einen harten Stein aushauen lassen; Viel beständiger und unwandelbarer aber sind die Jenigen / derer Thaten aus den Werken bestehen. Alles / was Reichthum und Vermögen nach sich ziehet / das ist weltlich / der Ruhm aber eines guten Namens / und eines guten Gerüchts führet eine unsterbliche Gestalt mit sich. Potentaten haben keine Obrigkeit / denn GOtt / und bey ihrem Amte einen ansehnlichen Ruhm. Für beyde̅ hat man sich zu fürch [323] ten. Tritt man Gottes Gerechtigkeit zu nahe / und verharret bey denen angemaßten Lastern / so weis man aus seinem Gesetze schon das Urtheil. Verscherzet man aber bey seiner erlangten Hoheit alle zeitliche Ehre / so ist der Nachklang desto abscheulicher. Die gröste Macht / die ein Potentate bey seiner Herrschafft hat / ist die / wenn Er die Seinigen liebet / und wieder von Ihnen geliebet wird. Der Leib beschätzet das Haupt / und das Haupt den (Niemand hat sich zu sehr auf seine Macht zu verlassen.) Leib; Beydes muß beysam̅en stehen. Die Majestät kan für sich alleine nichts thun / sondern die Zuneigung der Unterthanen gehöret darzu / und / wenn diese nicht auf ihrer Seite / so hat sie keine Kräffte sich wider den Feind zu stellen. Der Leue bedeutete bey den Aegyptiern die Wachsamkeit / und man hält dafür / wenn Er schlaffe / so halte Er die Augen offen. Kein Potentate soll die Meynung nicht von sich spüren lassen / als ob Er in seinem Lande nicht wachsam wäre. Er soll schlaffen / wen̅ andere vermeinen / daß er wache / und wachen / wenn seine Feinde Ihn gedenken einzuschläfen. Keine Mauren sind so dicke / und keine Vestungen sind so verbollwerket / die nicht durch List könne̅ übermeistert werden. Je grösser ein Herr / ie mehr Sorge soll Er für sein Land tragen. Die Macht eines Königes bestehet vornehmlich in dem Reichthum und Waffen / mißbrauchet Er beydes / so vergeringert (Herodotus.) sich auch allgemach seine Gewalt. Hochmuth köm̅t vor dem Fall. Da der gewaltige König Crösus das Oraculum zu Delphis fragte: Welcher gestalt Er der glückseeligste Mensch werden könte? Gab es Ihm zur Antwort: Si te ipsum cognôris: Wenn du dich selbst recht ken̅en lernen wirst. Gleichwie nun gemeiniglich der Donner in die höchsten Gebäude schläget / und das niedrige Erdreich verschonet: Also schläget auch der Allerhöchste stolze und aufgeblasene Gemüther viel eher zu Boden / und richtet hingegen die Niedrigen empor / welches auch die Heyden verstanden / da die Göttin Minerva den Ulyssem also anredete: Non insolentèr te geras, si plusculum qvàm caeteri, dextra vel duro polleas, Mortalium res auget, vel premit dies, Amant modestos, execrantur Dii malos. Erzeige dich nicht stoltz / wann dich das Glück anlacht / indem es manchen hat zur höchsten Ehre bracht: Es ist wie Sonnen-Schein / und gleich Aprilen-Wetter / nur die bescheiden sind / die lieben auch die Götter. (Die Königliche Gedult.) Nemo sapiens, nisi patiens. Keiner ist weise der nicht Gedult hat. Keyser Augustus sagete: Man soll das Gegenwärtige ertragen / es sey auch wie es wolle. Die Gedult ist wie ein edler Stein in Bley gefasset / welche aber deßwegen ihren Werth nicht verlichret / sondern den Glanz vielmehr vermehret. Niemahls wird das Meer von einem Steinwurffe getrübet: Niemals hat ein Weiser / der sich durch eine zugefügte Schmach entsetzet / einen festen Grund. Da Thomas Aqvinas gefragt wurde / was Er thun wollte / wenn Ihm Einer ein Leid zufügete? sagt Er: Was ich thun sollte / das lehret mich die Schrift; Was ich aber thun würde / das stehet bey Gott. Eine kleine Gedult bringet offters einen beständigen Frieden. Sie ist eine (Gvev. in Horol. Princ.) Vestung / darinnen man für allen feindlichen Anfällen sicher leben kan. Als man den Keyser Octavianum fragte: warum Er es liede / daß seine Mißgünstigen Ihm so übels nachredeten? Gab Er zur antwort: Man soll wissen / daß der jenige / welcher die Stadt Rom von ihren Feinden befreyet / auch die Zungen der Bösen dadurch aufgelöset hätte / damit sie nach ih [324] ren Gefallen reden könten. Denn es wäre unbillich / wenn die Steine auf den Gassen sich ihrer Freyheit berühmten / und die Zungen der Menschen sollten hingegen gebunden seyn. Von dem Keyser Antonino Pio wird gemeldet / daß Ihn Etliche aus dem Römischen Senat sehr werth gehalten / Etliche aber dermassen zuwider gelebet / daß sie auch die Gemeine aufrührisch gemacht / welches Alles Er aber mit einer besondern Mässigkeit übertragen / also daß seine Freunde dadurch weder betrübet / noch seine Feinde unvergnügt darvon gegangen. Themistocles sagte: Der Mensch hätte in der Welt nichts schwehrers zu empfinden / als daß Er sehen müste / wie seine Ehre in eines Frembden Gutthaten bestünde. Keyser Marcus Aurelius sagte offters von sich selbsten / Julius Caesar hätte das Römische Reich durch das Schwerd erlanget / Cajus Octavius Augustus ererbet; Claudius Tiberins Nero aber durch seine Tyranney / Cajus Caligula um seines Vatern willen / Titus wegen des eroberten Judaea / Trajanus durch seine Tapferkeit / und Er durch seine Gedult überkom̅en. Langmuth ist besser als (Prov. 16. 32.) Hochmuth: Sich selber überwinden ist der beste Sieg. Der weise Mann sagt: Ein Geduldiger ist besser als ein Stärkerer / uud der seines Muths Herr ist / als der / so viel Städte gewinnet. Gleichwie aber Potentaten etwas zu übersehen / ehe sie sich rächen / zukom̅et: Also ist bey dene̅selben auch (Tertullianus.) die Ungedult eines von denen schändlichsten Lastern. Sie ist ein Brunnen / daraus unterschiedene Quelle derer Laster entstehen: Alle Sünden sind ihr zuzuschreiben: Der Unruhige klagt über die Ruhe. Der Unkeusche über die Zucht: Der Gottlose über das Gute: und der Böse über das Fromme. Da hingegen ein gedultiges Gemühte in dem sich ruhig erweiset. Den̅ / ob es schon zur Ungedult gereitzet / dennoch nichts Böses weder gedenket noch (Lipsius in monitis Politic. 12. c. 15.) vornim̅et. Keyser Rudolph der Erste wurde eines Tages zu Maynz von eines Beckers Weibe hefftig geschmähet / und mit Rauch und Asche aus dem Hause getrieben. Keyser Sigismud sagte einsmals zu dem Ungarischen Palatino: Ihr stehet in den Gedancken / daß weil kein Todter keinen Krieg machet / daß man unsern Feind soll umbringen; Ich aber bin einer andern Meinung. Den̅ / wen̅ Ich Ihm verzeihe / so bring Ich denselben um / und wen̅ ich solchen erhebe / so mache ich mir ihn zum Freunde. Keyser Rudolph wurde in der jenigen Schlacht / welche Er mit dem Böhmischen Könige Ottocaro hielte / von einem seindlichen von Adel so hefftig gestossen / daß Er vom Pferde fiel. Nachdem man aber denselben nach erhaltene̅ Sieg zur Abstraffung vor Ihn brachte / sagte Er: Es wäre Schade und dem gemeinen Wesen nachtheilig / wenn ein so tapferer Soldate sollte um das Leben gebracht (Die böse Nachrede.) werden. Kein Werkzeug wird gefunden / welches ohne Zuthuung des Meisters Etwas vollkom̅en auszuarbeiten vermag. Ein iedweder Potentate verlässet entweder nachsich einen guten oder bösen Name̅. Einen guten / wen̅ er mit solchen Werken / die Ihm wolanständig / umgehet. Einen bösen / wen̅ er Laster heget / und dieselben zu seinen Werckzeuge gebrauchet. Die jenigen / welche nicht in den Schranken ihres Beruffes bleiben / werden offters duch die Nachrede darzu angehalten: Und / obwol dieselbe an sich selbsten böse / so ist doch solche zum Theil auch gut. Denn / es ist in der Welt nichts grössers / das mehr über grosse Herren hält / als Sie. Sie ist die / für der man sich fürchtet / die offters die Grenzen der Warheit überschreitet / un̅ lässet sich kein Schloß für das Maul legen. Es ist vergebens / wen̅ man sich einbildet / deß man mit der gegenwärtigen Macht dessen Gedächtnis zu vernichten gedenket. Denen Heuchlern und Schmeichlern kan man zwar vorbeugen / niemahls aber dieser. Keyser Vitellius wollte nicht haben / daß man zu Rom von seinem bösen Beginnen reden sollte; Je mehr Er aber sol [325] ches verboth / ie mehr nahmen sie Ursache darvon ihre Gedancken zu eröffnen. Sich in seinem eigenen Lobe erheben / ist ein Zeichen der Schwachheit; Sich bey einer jeden Sache beleidiget befinden / stehet keinem Verständigen zu. Man soll also das Lob und die Nachrede vermengen / damit man sich an dem Einen nicht kützele / noch bey dem Andern unterliege. Ein böses Gewissen entrüstet sich wider den / welcher Ihm Böses nachredet / ein gutes aber schlägt solches in den Wind. Als Keyser Carin dem Fünfften etliche Klage-Schrifften wider diejenigen / so von seiner Regierung Ubels redeten / übergeben wurden / und man uf die Abstraffung derselben drunge / erzürnete Er sich über die / so es anbrachten / und warf solche Klag-Schrifften in das Feuer. Es ist zwischen denen eiteln und lasterhafften / und zwischen denen bösen Reden und bösen Thaten oder Vornehmen nicht unbillich ein Unterscheid zu machen. Zu Rom straffete man nur die bösen Thaten / nicht aber die Reden. Gleichwie es nun einem Fürsten sehr nöthig zu wissen / was andere Leute von Ihme Ubels reden: Also gereichet es Ihm nicht zum geringen Nachtheil / wenn Er Verleumbdern und Fuchs-Schwäntzern gerne Gehör giebt. (Beydes ein Verleumbder / und der ihm zuhöret / führet Gift auf der Zungen und im Hertzen.) Was man einem mit löblichen Thaten nicht nachzuthun vermag / das besudelt man mit der Verleumbdung. Eine böse Zunge und ein böses Ohr haben gleichen Effect. Da man den Welt-weisen Apollonium fragete: Wie man friedlich regieren könnte? gab Er zur Antwort: Wenn man wenigen gläubete. Keiner kan zugleich ein beständiger Freund / und boßhaftiger Schmeichler seyn. Da Jener einen gedultigen Mann beleidigte / sprach dieser: die scharffen Dörner vermögen nichts anders / denn zu ritzen und zu stechen. Als der tapfere Feldherr Aëtius der Hunnen König Attila aus dem Felde geschlagen / ward Er bey dem Keyser Valentiniano in das Saltz gehauen / als stünde Er Ihm nach der Crone und dem Leben. Worüber sich der Keyser entrüstete / Ihn vor sich bringen ließ / und unschuldig durchstach. Gleichwie aber die Verleumbdung an sich selbsten starck genug Ihr selbsten eine Grube zu graben: Also thut auch ein Verleumbder / wenn Er ehrliche Leute beleidiget / nichts anders / als daß Er in die glünende Asche bläset / und sich durch die Funcken die Augen selbst verletzet. Wer Böses von andern Leuten redet / der giebet dadurch zu erkennen / daß es Ihm nur an der Gelegenheit auch Böses zu thun ermangele. Eine böse Zunge tödtet offtermahls ihrer Dreye zugleich: Nemlich den / der sie höret / die so sie beleidiget / und endlich sich selbst. Alle Elementa lassen sich vergifften ausser das Feuer nicht: Alles verunreiniget eine lasterhafftige Zunge / ohn allein die wahre Tugend nicht. Nichts ist bey grosser Herren Höfen schädlicher als Verleumbder und Ohren-Bläser. Ein Dieb ist ein schändnlich Ding / ein Verleumbder noch viel schändlicher. Er ist verflucht / weil Er den Frieden verwirret / und verachtet / weil Er alles in Gefahr setzet. Es funden etliche Hunde ein Löwen-Fell in dem Walde / welches sie hin und wieder zerreten. Da dieses ein Fuchs gewar ward / sprach er: Wenn dieser am Leben / so würdet ihr inne werden / daßseine Klauen schärffer als eure Zähne wären. Wodurch man zu verstehen geben wollen / daß mancher nach seinem Tode auch sich schänden und lästern lassen mus / da man Ihm bey seinem Leben nicht einen sauren Blick gegeben hätte. Wenn ein Verleumbder noch so viel Wesens macht / so ist er nichts desto weniger unmächtig / und wenn er in Ge [326] genwart Anderer Etwas reden soll / so verstummet Er gemeiniglich / ob Er schon hinter dem Rücken viel Geschwätzes gemacht. Ein Wäscher ist nichts anders als eine Schlange die unbeschworen sticht. Dem tapferen Bellisario wurden um eben dergleichen Verleumdungen willen die Augen ausgestochen. Und als Er endlich das Allmosen für ander Leute Thüren suchen muste / gebrauchte Er sich dieser Worte: Gebet dem Bellisario Etwas / den zwar seine Thaten erhaben / die falsche Nachrede aber üm sein Gesichte gebracht. Keyser Domitianus lies alle Verläumder und Achselträger aus Rom jagen / und gab darbey vor / daß / wenn ein Potentate dergleichen Leute nicht abstraffete / Er vielmehr allerhand übels verursachte. Keyser Macrinus lies sie / wenn sie das / was sie Einen Bezüchtigten / nicht über führen kunten mit dem Schwerd tödten. Wie nun solche Ohren-Bläser mit betrüglichen Lefftzen umgehen: Also gebühret einem grossen Herren an statt Ihrer / die (Der gefürchtete Neid.) Tugendhafftigsten herfürzusuchen. Sind die bey Seite / so meide Er den Neid / als seinen selbst-eigenen Mörder. Alle Laster haben ihren Ursprung entweder von einem guten Scheine / oder von einer sonderbaren Belustigung; dieser aber rühret alleine von Haß / und wegen eines Andern Wohlergehen her. Er wütet in seinen eigenen Gliedmassen / und ist dem schädlichen Unkraute gleich / welches die Saat ergreifft / da dieselbe schon gros / und bald reiff zu werden beginnet. Zur Zeit Keyser Friedrichs hielten Etliche in Beyseyn Seiner ein Gespräch / durch was Mittel man das Gesichte schärffen könte? der Eine meinete durch den Fenchel / der Andere durch die Brille / und der Dritte durch die Reinigung des Haubts. Der Keyser sagte: Nichts ist das schärffer sehen macht / als der Neyd. Denn Er vergrössert alles / als es an sich selbsten ist / und übertrifft in diesem Stücke die Brillen-Gläser sehr weit. Keinem ist Er gehässiger / als deme / welcher auf dem Throne sitzet / wiewohl Er Ihrer viel auch erhoben hat. Rom wäre so bald nicht gestiegen / wenn nicht Carthago Sie mit einem scheelen Auge angesehen. König Abimelech und die Philister neideten den Isaac / darum / daß Ihn GOTT segnete / und triebe denselben deswegen aus dem Lande. Also siehet man / wie Cain den Abel / Esau den Jacob / Saul den David / Haman den Mardachai / Alexander Magnus den Perdicam: Simmias den Periclem / Clodius den Pompejum un̅ Andere Andere um ihrer Hoheit / Großmüthigkeit / Kriegs-Erfahrenheit und Tugend willen gehasset und verfolget. Keyser Tiberius befahl aus Misgunst gegen der Kunst denjenigen Künstler zu tödten / welcher ein zerbrochenes Crystallen-Glaß wieder gantz gemacht hatte. Keyser Cajus Caligula bemühete sich die alten Römischen adelichen Geschlechter gantz auszurotten / und wollte um ihres Ruhms und Nutzens willen alle Schrifften / Bücher und Bildnisse abgeschaffet wissen. Ihrer viel haben sich / dem Neyd zu entgehen / ein ander Leben erkieset. Valerius Publicus zündete sein eigen Haus an / damit man sein Thun und Wesen nicht mehr beneidete. Der Römische Bürgermeister Fabius entschlug sich um deswillen des Bürgermeister-Ambts / und sagte: Nunmehro wird der Neid das Fabische Geschlecht unangefochten lassen. Sollten aber alle Regenten um des willen abdancken / so würden ihrer wenig in der Welt gesunden werden. So lange die Sonne zum höchsten am himmel stehet / giebet sie keinen Schatten / wenn sie sich aber erniedriget / so erstrecket sich derselbe weit hinaus. Der Neyd belästiget nur denjenigen am meisten / welcher begin̅et zu fallen: weil nun grosser Herren Stand viel höher als anderer Leute / so haben sich dieselben vornemlich in acht zu [327] nehmen wie sie denselben überwinden / und Ihm nicht zu viel Gehör geben mögen. (Die Königliche Mässigkeit und Zucht.) Für unerbaren Thaten hat man sich sowohl / als für unerbaren Reden zu hüten / wer Maß und Weise übertritt / dem eckelt auch endlich für den allerbesten Dingen. Als der weise Themistocles das Regiment über sich nahm / enthielte Er sich alles Panquetirens: Kein angefüllter Bauch macht subtilene Sinne. Die Gebehrden werden verstellet / der Leib geschwächt / und der Vorrath verschwendet. Aus einem starcken Leibe wird ein schwacher / aus einem leichten ein schwerer / aus einem gesunden ein siecher / und aus einem Vollkommenen ein baufälliger. Der Prediger Salomo saget: Wehe dem Lande dessen Fürsten früh essen. Essen / trincken / und dem Leibe Gutes thun / ist keine Sünde / denn dasselbe bringet der hohe Stand mit sich / und ist eben so wenig verwerfflich / wenn man in der gebührenden Masse bleibet / (Syrac. 31. 36.) als wenn Andere nach Nothdurfft essen. Den Wein nothdürfftig trincken / erfreuet Seel und Leib. GOTT giebt zeitliche Güter und Reichthümer / und theilet sie nach seinem Rathe und Willen aus / damit die Menschen derselben in rechter Masse und Ordnung brauchen / auch andern Nothleidenden darmit helffen können. Es heisset aber allhier früh essen / wenn man des Morgens früh zu fressen / zu sauffen / und zu panquetiren anhebet / und bis in die Nacht in dem Wohlleben verharret / Schlemmen und Demmen für das gröste Gut hält / und alle Sorge auf die Seite stellet. Wenn nun dergleichen in einem Lande gefunden werden / die solchem Fressen und Sauffen nachhängen / Tag und Nacht darüber zubringen / Land und Leute an den Nagel hengen / und sich um die Regierung wenig bekümmern / so geschiehet einem solchen Lande wehe / und begegnet demselben ein Unglück nach dem andern. Huren / Wein / und Most machen toll: Der Gerechte gebraucht sich seines Gutes zum Leben / der Gottlose aber zur Sünde. Wäre Loth nicht truncken gewesen / so hätte Er keine Blut-Schande begangen. Da die Kinder Israel in der Wüsten lüstern wurden / luden sie des HERRN Grimm auffich. Wehe denen / die Helden in dem Sauffen / und Krieger in der Füllerey sind. Der Römische Bürgermeister und Dictator Cornelius Ruffinus wurde um des Schlemmens und Sauffens willen aus dem Rathe gestossen: Holofernes in der Füllerey erwürget. König Belsazar erschlagen / und Amnon getödtet. Alle diejenigen / so sich zum üppigen Fressen und Sauffen / und Wohlleben halten / nicht auf die Wercke des HERREN sehen / und ihre anvertrauete Geschäffte verrichten / derer Tempel (Tertullianus.) ist ihre Lunge / der Priester ihr Koch / und das Trinck-Geschirr ihr Altar. Ihre gantze Liebe die siedet gleich fam in einem Koch-Topfe: Ihr Vertrauen stehet auf der Küche / und ihre Hofnung in einem guten Gerichte. Bey welchem keine Erküntnis GOTTES / bey dem ist auch keine Zuversicht des Hertzens. Wo keine Anruffung / da ist auch kein Glaube / keine Erhörung und kein Seegen. Wo nun nichts als tägliches Schwelgen / wie kan da ein Seegen / ein Glaube / und eine vollkommene Gottesfurcht seyn? Allen Menschen in der Welt ist befohlen / das Gesetze des HErrn zu lesen / und darnach zu thun. Thun sie es nicht / so sollen Land und Leute verflucht seyn. Durch Unmässigkeit entstehet auch die Ungesundheit des Leibes. Keyser Sergius Galba bekahm dadurch die Gicht / daß Er an den Schenckeln und Leibe nichts mehr leiden kunte. Wo der Wein eingehet / da gehet der Witz und Verstand heraus. Man versaufft das Gedächtnis / das Gehirne wird schwach / und die Gedancken [328] nehmen ab. Es ist die Füllerey / wie Pythagoras saget / eine muthwillige Unsinnigkeit / welche verursachet / daß der Mensch sich selbst nicht kennet. Gleichwie aber ein Fuhrmann / der die Art zu fahren nicht weis / vielmahls den gantzen Wagen über den Hauffen wirfft; Also begehet auch ein voll Gemüthe viel Irrthümer. Man verkehret das Recht in Unrecht; Fraget weder nach Recht / noch nach der Billigkeit: Achtet weder Scham noch Schande / bringet sich um sein Ansehen / und verderbet auch die Seinigen darbey. Keyser Maximinus befahl offters beym Truncke solche Dinge / deren Er sich hernacher schämete. In Vino Venus. Keyser Heliogabalus saß Tag und Nacht unter dem Frauenzimmer / lag der Regierung wenig ob / und brachte allein nur seine Zeit mit denenselben zu. Alexander Magnus erstach beym Truncke seinen besten Freund den Clytum. König Cambyses fraß seiner eigenen Diener Fleisch. Wie das Glantz-Ertzt ein Spiegel der Gestalt: Also ist der Wein ein Spiegel des Hertzens. Es ist unmöglich / daß man im Truncke das / was man nüchterner (AEschylus apud Stoaebum. Fulgosus lib. 2. I. Reg. 20. 16. 21.) Weise sonst verschwiegen hält / verbergen könne. Wann die Lacedaemonier ihren Kindern dieses Laster vorbilden wollten / saufften sie ihre leibeigene Knechte voll / führeten sie auf den Marckt / und liessen sie daselbst ihres Willens pflegen. König Benhadad aus Syrien tranck / und wurde im Gezelte mit drey und dreyssig Königen / die mit ihme zum Streite und Beystande ausgezogen waren / truncken / und mit seinem gantzen Krieges-Heer erschlagen. Alexander Magnus brachte sich wegen seines überhäufften Fressens und Sauffens um das Leben. Der Persische König Darius führete eine überaus grosse Pracht in Essen und Trincken / hatte viel Köche und Pastetenmacher in seinem Lager / und wurde endlich des Persischen Reiches beraubet. Claudius Tiberius Nero saß offters Tag und Nacht über dem Sauffen / nahm sich der Regierung am wenigsten an / und verlohr hierdurch viel Provintzien. Keyser Vitellius hielte des Tages vier Mahlzeiten. Dionysius soll einesmahls neuntzig Tage aneinander truncken blieben seyn. Wie der Lohn / so ist die Arbeit. Keyser Constantinus Monomachus verderbete sich durch die Wollüste dermassen daß er an Händen und Füssen lam ward. König Theodebertus in Franckreich / Königes Clotarii Sohn / war beydes ein grosser Fresser / Säuffer und Buhler / und tried dergleichen Lüste so lange / bis er in den Armen seiner huren starb. Keyser Valentinianus zog seinem vornehmsten Rath einem dem Maximo / den Petzschir-Ring schertzweise vom Finger schickte ihm zu desselben Weibe im Nahmen des Maximi / und ließ ihr sagen / wie sie alsobald zu der Keyserin kommen sollte: Als sie sich nun einstellete zwang er sie mit Gewalt zu seinem Willen. Nachdem aber solches das Weib ihrem Manne klagete / erkauffte Maximus zweene Kriegs-Knechte / die den Keyser heimlich hinrichteten. Wie nun die Exempel Spiegel der Menschlichen Fälle sind: also hat man auch an anderer Leute Schaden klug zu werden billiche Ursache. (Die besten Gemüther sind die / so Zucht un̅ Scham in sich führen. Plato.) Die Zucht und Scham in Gebehrden ist eine Tugend / so sich für dem entsetzet / und dasjenige meidet / was einen bösen Nahmen nach sich ziehet. Pudor & Justitia sunt Civitatum vincula & ornamenta, & Amicitiae Conciliatrices. Diese Tugend ist eine Quelle aus der viel andere herrliche Tugenden entspringen / welches unter andern auch da hero warzunehmen / daß aus denen Gemüthern / so unverschämt und unkeusch / die grösten Fälle zu entstehen pflegen. Derjenige ist der tugendhaffteste / so sich für sich selb [329] sten schämet. Denn wenn er solches thut / so wird er für andern nicht schamhaftig gemacht. Die Zucht und Scham fänget an den Augen an / und wird durch die guten Sitten erhalten. Da des Aristotelis Tochter die Pythias gefragt wurde: welches die schönste Farbe wäre? antwortete sie: diejenige / welche züchtigen Gemüthern im Angesichte ausbricht. Wo keine Zucht / da ist auch keine Scham: und wo keine Scham / da spielen die Laster des Meisters. König Cyrus wollte die schöne Königin Panthea nicht ansehen / und als sie Einer mit Namen Aruspus gegen Ihn rühmete / und sie eine Augen-Lust der Könige nennete / sprach Cyrus: desto mehr hat man sich ihres Anschauens zu enthalten. Denn / wenn ich deinem Rath solgete / und sie öffters anschanete / würde ich in Liebe gegen sie entzündet / wollte stets um sie seyn / und verwarlosete dadurch meine Reichs-Geschäffte. Nicht eher wird die böse Begierde in dem Menschen erwecket / als durch den Uberfluß der Speisen und des Getränckes / durch den überflüssigen Schlaff / durch den Müssiggang / durch das Spielen / faule Geschwätze / Hoffarth und Pracht in allzugrosser Kleidung. Des Potiphars geiles Weib warff ihre Augen auf den keuschen Joseph / Joseph aber hütete sich / daß er nicht nahe bey ihr schlieff / noch um sie war. Zu Athen hatte man zu Erhaltung der Zucht und Erbarkeit ein Gesetze / daß / wo man sich auf den Gassen im Gehen oder Stehen ungebührlich verhielte / man eine gewisse (Dion.) Geld-Straffe erlegen muste. Als des Keysers Augusti Gemahlin die Livia eines Tages nackete und unverschämte Mannspersonen einhergehen sahe / sagte Sie: Ehrlichen Matronen gebühret / unverschämbte Menschen nicht anders als gemahlte und geschnitzte Bilder anzusehen. Der kluge Xenophon tadelte unter andern an der Wohllust auch dieses: daß sie sich offters nach ihrem eigenen Schatten umsähe / und die Augen hin und wieder fliegen liesse. In des Romuli Gesetze war unter andern auch dieses versehen / daß derjenige / welcher sich nackend von einer Weibesperson sehen ließ / des Todes schuldig seyn sollte. Wenn die Unkeuschheit und die Entblössung des Leibes keine Schande / so hätten Adam und Eva ihre Scham nicht mit Feigen-Blättern bedecket. Die Heyden / absonderlich die in der Stadt Gaza / hatten mitten auf einem Scheide-Wege der Venus Bildnis nackend im Steine ausgehauen aufgerichtet: dieses / sagten sie / gebe einemjeden im Schlaffe zu verstehen / an welche Person er sich glücklich verheyrathen sollte. Es trieb aber der Teufel hierunter sein Affenspiel / daß gemeiniglich diejenigen / so dißfalls zusammen heyratheten / einander Spinne-feind wurden / und sich hinwiederum scheiden liessen. Dem Keyser Tiberio / Heliogabalo und andern mehr / musten offters nackende Weibesbilder vor der Tafel auswarten / und zuweilen gleich den Pferden ihre Careten ziehen. Wer seinem eigenen Leben nicht wohl vorstehet / der (Die unachtsame Verschwendung.) kan auch andere nicht wohl regieren / noch sie beym Leben erhalten. Viel Menschen sind also gesinnet / daß sie nichts mehr ersparen / als was sie täglich bedürffen. Ein grosser Hauffe wird durch das langwierige Zusammentragen vermehret / in einem Augenblick aber hinwieder verschwendet. Da der weise Socrates gewar wurde / daß Einer männiglichen mit seinem Gute willfahrete / ward er über denselben ungehalten / und sprach: Man soll die reiche Gaben der Natur nicht wie die Huren so gemein machen. Viel Regenten / Grosse und Gewaltige überkommen des Jahres überschwengliche Reichthümer zu ihrem Unterhalt / sie wissen aber nicht einmahl dieselben durch Kunst zu behalten. [330] Der Philosophus Chilon zu Lacedaemon sahe einen verschwenderischer Weise seine Güter verschencken / zu dem sprach er: Wo es nicht nöthig / da verschenckest du das Deine / wo es aber nöthig / da theilest du geringe Gaben aus / und wirst darüber endlich selbst zum Bettler. Da der Griechische Geschicht-Schreiber Plutarchus einen reichen Verschwender sahe Oliven essen / und Wasser trincken / sprach Er zu demselben: hättest du jederzeit also gelebet / so dürftest du jetzo dich mit einer so geringen Mahlzeit dich nicht abspeisen lassen. Der bekannte Epicurus sagte: Welchem Menschen das Wenige und Geringe nicht genug / dem sey auch nichts genug. Wordurch er zu erkennen gab / daß diejenige / welche alles vollauf haben / gleichwohl damit nicht zu Frieden / sondern sich täglich mehr Einkommens wündschen / und wenn sie dasselbe überkommen / so bemühen sie sich / wie sie das Erworbene verschwenden / und durch die Gurgel jagen mögen. Die Agyptische Königin Cleopatra war so verschwenderisch / daß sie auch auf einem Panquete zweyhundert und funftzig tausend Gülden soll verthan haben. König Alphonsus in Arragonien hatte einen Edelmann an seinem Hofe / welcher ohne Unterlaß Etwas vor sich ausbettelte / so bald er aber etwas bekahm / so bald verschwendete er auch solches. Da man dieses für den König brachte / verwiese er ihm solches / und sprach: dafern ich dir jederzeit / wenn du was von mir begehrest / willfahren sollte / so würdest du mich eher zum Bettler / als dich zum reichen Manne machen. In der Hand eines Verschwenders bleibet das Reichthum / wie das Wasser in einem Siebe. Des Groß-Hertzogs zu Florentz Coßmi Magni Schatz-Meister beklagte sich eines Tages gegen Ihn / wie desselben Printz so freygebig im Wegschencken wäre. Worauf der Hertzog befahl / daß er ihm zwar nichts abschlagen / jedoch aber demselben alles Geld selbsten zuzehlen / und in seine eigene Hände liefern sollte; wodurch er so viel zu wege brachte / daß derjenige Herr lernete Geld (Plinius lib. 33. Nat. Hist. c. 3.) kennen / und wuste was das Verschwenden wäre. Keyser Nero lies des Pompeji Theatrum mit gantzem Golde bedecken / Keyser Caligula / da er / als Keyser / zum ersten mahl nach Rom kahm / nahm aus der Römischen Schatz-Kammer sechs und zwantzig Blatten Goldes / dreyhundert Pfund Müntze / und lies sie zu oberst der Juliae Tempel unter das Volck werffen: Verspielete auf einmahl funfzehenmahl hundert tausend Gold-Gülden / verthat (Suetonius l. 4. in Vit. Caligulae. c. 37.) in einem eintzigen Jahre sechs hundert und fünf und siebentzig Tonnen Goldes / und weltzete sich öffters in seinem Saale im Gelde herum. Wie nun alle diejenigen mit deme / was ihnen GOtt gönnet nicht zufrieden; Also ist ihnen auch / wie die Exempel bezeugen / nicht zuviel / wenn sie allerhand Bubenstück und Laster begehen. (Die nutzbare Sparsamkeit.) Was man ersparet / das ist auch gewonnen. Wie der Geitz seine Mängel: also hat auch die Sparsamkeit ihren Nutzen: Magnum est certe Vectigal Parsimonia. Mann saget zwar: was man ersparet / das kommt für die Hunde / alleine wer weis nicht / daß die Sparsamkeit der Wohllust Hab und Güter abgekaufft? Alle Dinge dieses Zeitlichen soll man mit Vernunft und nicht nach dem Uberflusse gebrauchen. Was Einer ersparet / das ist sein Gut / und sein Gewinst; zertheilet er aber dasselbe ohne Noth / so hat er sich die Schuld selbsten / wenn er darbet / beyzumessen. Alles was wir Menschen an zeitlichen Gütern besitzen / das haben wir von GOTT. Wir haben nichts / das wir nicht empfangen. Die Ameisen lernen und weisen uns / wie wir sammlen sparen und zu ra the halten sollen. Was man in der Jugend sammlet / das findet man im Alter. Ein guter Ausheber giebet einen guten Dargeber. Sparsamkeit ist eine [331] Mutter des Reichthums / eine Gebährerin der Tugend / und eine Schwester der zeitlichen Wohlfarth. Wer ein Weniges nicht zurücke hält / der nimmt täglichen ab. Zu Zeiten Salomonis war allenthalben gute Ruhe und Friede im Lande; Einjeder gieng seiner Nahrung nach; Man wohnete unter den Weinstöcken und Feigen-Bäumen sicher / und war des Silbers zu Jerusalem so viel als der Steine. Wenn eine Sache am allerunwerthesten ist / so soll man solche am fleissigsten aufheben. Joseph sammlete in sieben fruchtbaren Jahren so viel an Speise und Getreyde / daß das Land und auch andere Ausländische die andern sieben Jahre zu leben hatten. Den Stall zu machen / wenn die Kuh hinweg / und im Alter sparen wollen / ist viel zu spät. Wer sammlen will / der sammle wenn er noch starck und jung / und spare / daß Er im Nothfall zu leben habe. Zeit und Stunden / vielmehr Tag und Jahre sind ungleich. Es kan sich das Glücks-Blat in einem Augenblick verkehren / und aus einem Reichen Croeso in einem Augenblick ein Irus und armer Bettler gemacht werden. Es ist nicht genug daß man spricht: Ich bin reich / habe Land und Leute / und ein grosses Vermögen / sondern man soll darbey gedencken / daß man wieder könne arm werden. Denn wo sind ietzo die mächtigsten Bahylonischen und Assyrischen Reiche? wo der Griechen / ? wo derer Römer? Jhre Pracht ist verschwunden / und ihr Aufgang hat ein Ende genommen. Geitz und Karckheit wird hier nicht gemeinet / da eher alles verdirbet / ehe man den Armen Gutes thut. Hat man viel / so gebe man reichlich; hat man wenig / so gebe man das Wenige mit treuem Hertzen. Man thue Gutes denen Freunden / und auch denen Feinden. Der Reiche gebe nach seinem Vermögen / und der Willige / was er hat. Giebet man nun auf solche Art und Weise / so wird man wieder empfangen. (Esai. 22. 15.) Wo nicht / so heist es: Siehe / der HERR wird dich wegwerffen / wie ein Starcker einen wegwirfft / und dich zuscharren. Er wird dich herum treiben / wie eine Kugel auf dem weiten Lande / damit du sterbest. Daselbst werden deine köstliche Wagen bleiben / und ich will dich / sagt der HErr / von deinem Stande stürtzen / und von deinem Amte setzen. (Die Königliche Freygebigkeit.) Niemand soll freygebiger seyn / als sich sein Vermögen erstrecket. Die Feygebigkeit eines Potentaten vergleichet sich mit der Sonnen / welche etliche Dinge hart / etliche aber weich machet. Weich werden die Gemüther durch die Wohlthaten / etliche aber bleiben durch ihre Boßheit verhärtet / (Seneca lib. 2. de Beneficiis) ob sie wohl die grösten Wohlthaten geniessen. Da Einer einsmahls von dem Alexandro Magno eine Ritterzehrung begehrete / schenckete er ihm eine Stadt: als aber dieser vorwandte / er hätte so viel nicht begehret / sagte er: Ich frage nicht was du annehmen sollest / sondern was Mir als einem (Xenephon.) Könige zu verschencken wohl anstehet. König Cyrus gab für / die besten Schatz Kammern wären diejenigen / so er beschenckete. Denn / wenn er ihnen Gutes erwiese / so würden sie zu lauter Augen und Ohren / die alles sehen und höreten. Denenjenigen wohl thun / die es verdienen und bedürftig / ist so wohl Christlich als löblich. Wenceslaus Ottogarus der Andere in Böhmen pflegte zu sagen: Einem Freygebigen fliesse alles hinwiederum reichlichen zu. Die Königin Elisabeth in Spanien Ferdinandi Catholici Gemahlin ließ täglichen hundert Cronen austheilen / wodurch sie aber nicht ärmer sondern reicher wurde / indem sie mit ihrem Gemahl das Königreich Cyranora in Spanien / und das Königreich Neapolis in Italien bekahm. Die Freygebigkeit bestehet nicht darinnen / daß / was Einer hat / Alles hinweg schencket / sondern in dem / das er besitzet / sich seinen Einkünften nach / milde erweise. Maaß und Weise ist in allen Dingen gut. Aus [332] allzugrosser Freygebigkeit erfolget gemeiniglich eine Verschwendung. Geschicht nun solches / und man hat in der Schatz-Kammer kein Geld / so greiset man zu andern Mitteln. Man belegt die Unterthanen mit mehr Contributionen, und erfindet unterschiedene Arten Geld zu machen. Woraus denn allerhand Unheil entstehet. Der Herr wird arm / der Diener reich. Der vormahls Freygebige wird veracht / und der / welcher die Vohlthaten genossen / brüstet sich empor. Weit besser aber ist es / wenn man seinen Reichthum also gebrauchet / daß man sich dadurch seinem Stande gemäß erhalte / und von ihm sagen könne; was ich verschencket / das hab ich noch / und was ich behalten / das gereuet mich nicht. Da der berühmte Lacedaemonische König Agesilaus gefragt wurde / welches das allerherrlichste Wort wäre / so man zu einem Könige sagen könnte? gab er zur Antwort: Ein Potentate soll sich über keine Sache so sehr erzürnen / als wenn man ihn für einen reichen Herrn schilt / und über keine Sache so sehr erfreuen / als wenn man zu ihm sagte: er sey arm. Denn die Ehre eines solchen bestünde nicht in vielen Schätzen / die Er gesammlet / sondern in der grossen Gnade / die Er ausgetheilet. Da des Alexandri Magni guter Freund Perdiccas warnahm / daß derselbe alle dasjenige / was er mit so grosser Mühe erobert / hinwieder so leichtlich verschenckete / sprach er zu demselben: Sage mir / O König! was wilst du endlich für dich behalten? Alexander antwortete hierauf: Es ist genug / wenn ich den Ruhm und die Ehre desjenigen Dinges / so ich verschencket / und die Hoffnung dessen ein mehrers zu gewinnen / übrig habe. Sollte ich aber wissen / daß man mich in den Verdacht zöge / als ob ich dasjenige / was ich durch meine Faust erobert / um Geitzes Willen thäte / so wollte Ich keine eintzige Festung mehr stürmen / noch keinen Zug mehr verrichten / ob Ich schon die gantze Welt gewinnen könnte. Denn meine Meinung gehet dahin / daß Ich mir dadurch allein eine Ehre will erjagen / und denen Andern meine erlangte Schätze mittheilen. Es begiebet sich offters / daß man einen Menschen der wenig giebet / für freygebig / einen Andern aber der viel giebet / für karg achtet / der Mangel aber desselbigen bestehet nicht in vielen oder wenigen Geben / sondern in der Kunst / wie man etwas verschencken solle. Zwischen einem Kargen und Freygebigen ist dieses der Unterscheid / daß dieser / was er giebet / ihrer vielen giebet / der Andere aber nur Einem. Worfür sich Potentaten insonderheit zu hüten. Denn obschon ein eintziger Mensch dessen Freygebigkeit lobet / so sind doch ihrer viel / die dessen Kargheit zum hefftigsten tadeln. Es ist nicht genug / wenn grosse Herren viel verschencken / sondern sie müssen auch wissen / wie / warum / und was Gestalt sie etwas freywillig weggeben. (Gvevara in Horolog. Principum P. 3. c. 26.) Vielmahls träget es sich zu / daß man in Anstheilung der Gnaden / milde und freygebig ist. Wenn man aber die Persohnen betrachtet / so lebet man in den Gedancken / daß man es denen Wohlverdientesten schencke / da doch dieselbigen die Allerunwürdigsten / und Undanckbarsten sind / also / daß man durch solche Geschencke nicht allein des Einen Freundschafft / den man beschencket / nicht erlanget / sondern auch um deswillen sich viel andere / die es hergeben müssen / zu Feinden machet. Wenn die Menschen ihr Geld und Gut verlohren / oder es sonsten durch das Spielen / Panquetiren und dergleichen hindurch gebracht / so ist nicht unbillig / daß sie sich schämen / wenn sie aber dasselbe als grosmüthige Leute verwendet / so soll es ihnen nicht tauren / indem man sich nicht über das / was man wohl angewendet / sondern über dasjenige / was übel angewendet / betrüben solle. Als Keyser Severus an des Jani Feste beydes seinen Dienern und Fremden unterschiedene [333] Geschencke austheilete / und er deswegen von männiglichen gerühmet wurde; Sprach Er: O Jhr Römer! meinet Jhr / daß Ich eintzige Freude über derjenigen Gnaden / so Ich Euch anitzo erwiesen / noch an dem Lobe welches Jhr Mir zuleget / empfinde? Nein! sondern Ich schwere / daß Ich mich nicht so sehr wegen deßjenigen / so Ich euch geschencket habe / erfreue / als Ich mich / um / daß Ich Euch nicht kan mehr geben / bekümmere! Die allerbeste Art zu regieren ist / wenn ein Herr freygebig in Tugenden und karg in Worten ist. Wohlthun / und männiglichen mittheilen sind Opfer die GOtt gefallen. (Ist der Potentaten eigentliche Tugend.) Der Hertzog Amadeus in Savoyen wurden einsmahls von einem gefragt / ob Er auch Jagt-Hunde hätte? Ja sagte Er: komm morgen wieder / so will Ich dir Sie zeigen! Des andern Tages lies Er ein grosse Menge armer Leute zu sich landen / Sei zu Tische setzen / und mit Speis und Tranck versehen. Pabst Gregorius Magnus verschonete um der Armen willen auch der Kirchen-Schätze zu Rom nicht. Keyser Antoninus Pius theilete unter seine Freunde und Soldaten den grösten Theil seines Schatzes aus. Keyser Probus behielte nach so vielen erhaltenen Siegen alle Waffen und Pfeile vor sich / das andere aber überlies Er denen Soldaten. Pabst Anastasius der Vierdte war so freygebig / daß er von seinen eigenen Mitteln das Armuth / weil damahls durch gantz Europa ein Hunger entstund / unterhielte. Diejenigen / welche Geschencke geben / sind jedermans Freunde / die hohen Häupter aber / so gleichsam stets springende Brun̅en / dadurch ihre Freygebigkeit herfürflüsset / nahen sich durch solche Tugend GOtt am nächsten. Niemahls unterwirffet sich Einer eher dem Andern / als wenn Er mit Wohlthaten angesehen wird. König Carls zu Navarra Gutthätigkeit machte / das Ihn männiglich liebete. Gleichwie aber allen Menschen die Freygebigkeit / insonderheit denen Königen und Potentaten wohl anstehet / wenn Sie sich derer zu rechter Zeit zu gebrauchen wissen: Also ist sie auch schädlich / wenn man darbey weder Ziel noch Masse führet. Denn wo man die Renth-Cammern ausleeret / und dieselben wieder anzufüllen / auf neue Schatzungen und Anlagen gedencket / so wird sie für einen herrlichen Raub gehalten / dafür die Unterthanen den grösten Abscheu tragen. Alles was über das Vermögen läuft / das scheinet eine Verschwendung zu seyn. Wenn nun die Einkünffte nicht zulangen / so siehet man sich nach solchen Mitteln um / die zwar dem Einen / der sie geniessen soll / zutheilig / dem Andern aber / der sie hergiebet / höchstbeschwerlichen fallen. Das Geben soll man nach der Herrschafft / und nach dem allgemeinen / und nicht nach eines jeden besondern Nutzen erwegen. Etlichen gebühret etwas um ihrer Frömmigkeit willen / Etlichen aber / damit sie nicht böse werde̅ / zu geben. Gleichwie nun allzufreye und verschwenderische Unterthanen sich selbst verderben: Also auch Regenten. Niemahls werden die Intraden und Einkünste zulangen / wenn man mehr wegschencket / als einnimmet / was man aber verehret / das soll für die gemeine Nothdurfft geschehen. Will derohalbe̅ man gegen männiglich gutthätig seyn / so gebe man allen / jedoch mässig / damit man Ihm selbsten die Macht zu geben nicht benähme / und vergnüge Alle / die man in der That / und würcklich vergnügen sollen. (Die Königliche Sanftmuth.) Unter allen Menschen gebühret keinem mehr die Sanftmüthigkeit / als Königen und Gewaltigen. An der Sanftmuth erkennet man die Weißheit / und an dem Zorne die Thorheit. Wie man das rohe Eisen mit einer zarten Feile glatt machet: Also pfleget man auch gleichsam ein hartes und steinernes Hertze mit diesem zu erweichen und zu gewinnen. Nihil est tàm regium, tam liberale, tamq??? magnificum, quàm opem ferre supplicibus, excitare afflictos, dare salutem, liberare periculis homines. Als Keyser [334] Augustus die Stadt Alexandria mit Gewalt eingenommen / und die Unterthanen nunmehro sich nichts als ihren Untergang befahreten / trat Augustus mit dem Ario so ein Bürger zu Alexandria war / und bey Ihme in grossen Gnaden stunde / öffentlich auf / und sagte zu den Bürgern / daß Sie gutes Muths seyn sollten / alldieweil Er Sie und ihre Stadt um ihrer Schönheit um des Alexandri Magni / als Stiffters derselben / und um des Arii seines guten Freundes willen / verschonen wollte. Und nachdem Er auch seinen Feind den Antonium biß in die besagte Stadt verfolget; Antonius aber nach verlohrner Schlacht sich mit dem Schwerte erstochen / und Er dasselbe gesehen / ist Er beyseits gegangen / hat des Antonii Tod bitterlich beweinet / und beydes Ihn und die Cleopatra königlich zur Erden zu bestatten befohlen. König Alphonsus hielte darfür / es wären die aufrührischen Gemüther nicht eber zur Einigkeit zu bringen als durch die Sanstmüthigkeit. Keyser Rudolph war anfangs in seiner Regierung etwas strenge: hernacher aber gegen seine Unterthanen sehr gelinde / und nachdem Er des wegen gefragt wurde / sagte Er: daß Ich Anfangs strenge gewesen / hat mich offters gereuet / daß Ich anitzo (Syrac. 33. 30. Ist zu allen Dingen nöthig.) aber sanftmüthiger worden bin / wird mich nimmer mehr gereuen. Der weise Mann saget: halte Maß in allen Dingen / und sey nicht ein Löwe in deinem Hause / noch ein Wüterich gegen dein Gesinde. Zu wündschen wäre es / daß einjeder ohne. Fehl lebete / es ist aber alles an uns mangelhaftig. Und weil wir nichts Vollkommenes zu Poltzen drehen können / so ist in allen die Milderung / Linde / Gütigkeit / und Gedult das Beste. Ein zorniger Mensch zündet Hader an: Wenn des Holtzen zu viel ist / so wird des Feuers desto mehr. Wenn die Gewalt zu groß / so wird der Zorn desto grösser / wer aber dieses zu Hertzen nimmet / der gehet in sich / und erweget bey sich / daß Er auch ein Mensch sey. Als ein Bezechter einesmahls auf den Atheniensischen Regenten Pisistratum heftig schmähete / und Ihn die Seinige vermahneten / daß Er denselben möchte zur Straffe ziehen / sprach Er: Ich bin über Ihn nicht anders erzürnet / als wenn Er mit verbundenen Augen auf mich zugelauffen wäre. (Seneca lib. 3. de Ira c. 44.) Wer bin Ich / saget der weise Heyde Seneca, daß man Mir nicht Böses nachreden soll? haben nicht ihrer viel ihren Feinden verziehen / und Ich wollte allen denen waschhafftigen Mäulern nicht verzeihen. Den Knaben entschuldiget sein Alter; das Weibesbild ihr Geschlechte: den Ausländer seine Freyheit / den Haus genossen seine Gemeinschafft / beleidiget Uns nun dieser Einer / so sollen wir bedencken / daß Er uns hiebevorn angenehm gewesen. Ist Er ein Freund / so hat Er gethan was Er nicht gesollet; Ist Er ein Feind / so hat Er gethan was Er nicht gesollet; Ist Er ein Feind / so hat Er gethan / was Ihm zukömmet. Dem Weisen soll man weichen / dem Thörichten verzeihen / und einem jeden dieses zur Antwort geben / daß auch die weisesten Leute ihre Gebrechen an sich; Keiner ist so vorsichtig / dessen Fleiß Ihm nicht einmahl selbst entfalle; Keiner so erwachsen / dessen Ansehen nicht bey eintziger allzugeschwinden That / durch einen Unfall anstosse / und keiner für Beleidigungen so furchtsam / der nicht / wenn Er sie mercket / darein falle. (Die Hoffarth ist eine Mutter des Neides.) Gleichwie nun diejenigen sanfftmüthig / gütig / und barmhertzig sind / welche ihren Aufrückern weichen / dem Ubel nicht widerstehen / daß Böse mit dem Guten überwinden / und wann sie darzu angereitzet / nichts desto weniger nichts Böses gedencken noch thun: also macht die verdammliche Hoffarth die Menschen zu Teufeln. Sie ist der Vernunst Wassersucht / und besudelt alle Tugenden / welche Jhr zu nahe treten. Sie gehet für dem Falle her / und dafern sich dieselbe in das Regiment mischet / so schlägt alles zum übelsten aus. Alle Schand und Laster sind ihre Geleits-Leute. Es ist / sagt man / die [335] Hoffarth dreyerley / nemlich die / welche aus kindischem Verstande herrühret; Eine Bäurische so von grober Gewonheit und bösen Sitten entstehet / und eine Geistliche / die von dem Teuffel / als dem Vater aller Hoffärtigen / innerlich gebohren wird. Mit dieser plaget sich der Mensch selbsten. Je höher Er ist / je mehr Sorge / Mühe / Gefahr und Mißgunst ladet Er dißfalls auf sich. Seine Augen wendet Er stets auf den Stoltz / Er hänget sein Hertz an den Pracht / und ist gleich denen Wassersüchtigen / je mehr sie trincken / je mehr sie trincken wollen; wie brennend Stroh / daß eine Schütte nach der andern verzehret / und wie ein Krebs / der so lange um sich frisset / bis kein gesund Fleisch mehr an dem Menschen zu finden ist. Keyser Caligula trieb die gröste Pracht in den Kleidern / und gieng täglich in lauter Golde / (Suetonius lib. 4. c. 52. lib. 6. c. 30.) Perlen / und Edelgesteinen gesteckt einher. Keyser Nero trug aus Hochmuth nicht mehr als Zweymahl ein Kleid: redete mit niemand persöhnlich / sondern durch die Seinigen; Er grüste auch niemand / und wenn man ihn gleich grüste / so danckete Er doch keinem wieder. Die Hoffarth hat viel Töchter: als da ist die Mißgunst / der Neid / die Verachtung / der Haß / die Begierde / die Ehrsucht / und andere mehr. Will man nun / daß sie keine Töchter mehr zeugen solle / so zerstöre man ihre Brut / und das / woraus sie dieselbe gebieret. Nichts ist unbesonnener / als wenn man sich bey seinem Reiche überhebet / auf seine Hoheit und Macht trotzet / und alle Andere zu seinem Fuß-Schemel zu haben vermeinet. Die Könige zu Babel und Assyrien waren gewaltig. Der König zu Tyro und Pharao stoltz: König Antiochus Epiphanes hochmüthig: Croesus wegen seines Reichthums einbildsam: Annibal wegen der vielfältigen Siege übermüthig: Cnejus Pompejus aufgeblasen: Keyser Domitianus lies sich einen Gott nennen / und Keyser Maximinus denen Römischen Raths-Herren Händ und Füsse binden. Niemahls kan das Laster der Hoffarth aufhören / wofern derjenige / so damit behaftet / es nicht von sich leget. (Plutarchus.) Demetrius war so aufgeblasen / daß Er sich nicht allein Königlich bedienen / sondern auch für einen Gott anbeten hies / und keinem frembden Abgesandten Audientz verstatten wollte / wenn Er nicht wie ein Priester gekleidet einher gieng. König Jerobeam besaß zwölff Königreiche / und gleichwohl trieb Ihn die Hoffarth dahin / daß Er seinen Unterthanen nicht die geringste Erleichterung der Dienste wiederfahren lies. Die vornehmsten zwey Häupter zu Athen Aristides und Themistocles lebten der Regierung wegen in steter Uneinigkeit / also / daß Einer den Andern ohne Unterlaß zu drücken suchte / bis endlich Themistocles in Gegenwart des Volckes mit diesen Worten herausfuhr und sprach: Ihr Athenienser sollet wissen / dafern Ihr nicht meine Vermessenheit / und des Aristidis Ehrgeitz und Hoffart bey Zeiten steuret / so werdet Jhr die Götter erzürnen / die Tempel zerstören / das Einkommen erschöpfen / und die gantze Republig über den Hauffen werffen. Julius Caesar ware mächtig / indem Er viel Länder und Völcker bezwang; Er war gütig und sanftmüthig / weil Er allen seinen Feinden verziehe: Er war freygebig / wiel Er königliche Geschencke austheilete: Er war gelehrt / indem Er viel Bücher schrieb: Er war glückseelig / weil Er viel Königreiche bekriegete / und dieselben auch unter das Römische Reich brachte. Bey diesen allen mangelte Ihm nichts als die Demuth. Alldieweil aber bey demselben die Hoffarth / indem / wann der Römische Senat Ihm eintzigen Reverentz erwiese / Er hingegen nicht die geringste Gegen-Mine von sich gab / allzusehr überhand nahm / wurde Er endlich mit drey und zwantzig Wunden auch von seinen vermeinten guten Freunden hingerichtet. Keiner soll sich in seinem Stande erheben / Er sey auch so boch als Er [336] (Und ein Anfang alles Ubels.) wolle. Durch Ubermuth und durch die Begierde eitler Ehre / verliehret mancher zugleich Leib und Seele. Dem Xerxi benahm die Hoffarth allen Sinn und Vernunfft / daß Er nicht wuste / was Er für derselben vornehmen sollte. Obwohl der Römische Marius die herrlichsten Thaten verübete / so verderbete Er doch durch seinen unzeitigen Ruhm sein wahres und beständiges Lob / und weil Er Ihme dasjenige selbsten / was Er von andern hätte hören sollen / zuschrieb / so verlohr Er hierdurch auch dasselbe. Wen Pracht und Hoffarth gleichsam überhand nimmt / und bey hochtrabenden Gemüthern gleichsam für eine Tugend geachtet wird / so müssen auch (Aristoteles.) die Schätze / und endlich Land und Leute herhalten / worauf nichts als Armuth und allerhand Veränderungen in einem Reiche folgen. Nicht eher wird ein gemein Wesen verändert / als wenn die Menschen hoffärtig leben / und dadurch das Jhrige verzehren. Denn solcher Art Leute trachten nach neuen Händeln / streben entweder selbst nach dem Regiment / oder bemühen sich / daß sie andere / von denen sie einen Genieß / und Vortheil zu gewarten haben / darzu befördern. Dahero sagt auch Sallustius / daß diejenigen / welche nichts mehr zu verzehren haben / auch ehrlichen und frommen Leuten ihre Nahrung nicht gönnen. Denn die nichts taugen / erheben sich / was alt ist / das dienet Ihnen nicht / und was zu jung / das verwerffen sie / und weil ihre Sache keinen gewissen Grund hat / so wollen sie alles verändern (Plato.) und verkehren. Nicht unrecht sagt jener Weise: Reichthum ist neben der Hoffarth blind / wo keine Weißheit und verstand darbey ist: Hingegen (köm̅t vor dem Fall.) hat dasselbe ein scharffes Gesichte / wo der Verstand mit unterläufft. Wo ein hoch müthiger und stoltzer Mensch einmahl von GOtt abgesetzet / so beunruhiget Er hernach alle / also / daß Er nicht alleine ihm selbsten / sondern auch einem gantzen Lande alles Unglück über den Hals ziehet. Und / obgleich bey einem sochen aufgeblasenen Menschen die göttliche Rache sich so bald nicht einstellet / so bleibet doch letzlich die Straffe nicht aussen / sondern kömmt hernach desto hefftiger. Dahin auch der weise Salomo zielet / wenn Er saget: Wer zu Grunden gehen soll / der wird zuvor stoltz / und stoltzer Muth kömmt vor dem Fall. Gemeiniglich folget auch auf Hochmuth / daß man entweder verkehrete Rathschläge führet / dadurch man in den grösten Schaden geräth / oder alles was man vornimmet / wird Krebs-gängig / oder GOtt tritt selbsten ins Mittel / und schicket um deswillen in ein Land Krieg / Theurung / Pestilentz / und andern Untergang. Weil nun dieses ein verderbliches und höchstschädliches Laster ist / so soll einjeder bey sich selbst erwägen / wer Er sey? Worvon Er seinen Anfang und Ursprung genommen / Wie armseelig Er gebohren / und was für ein Ende es endlich mit Ihm gewinnen werde. (Der Hoffarth Art.) Die Hoffarth heißt eigentlich das / wenn man GOtt ausser Augen setzet / sich auf seine eigene Heiligkeit / Weißheit / und Gewalt verlässet / die menschlichen Kräfte und Schwachheit nicht betrachtet / grosse Dinge ausser seinem Beruff vornimmt / oder Menschen neben sich verachtet / dero Vornehmen hindert / und also sich wider GOtt und die Menschen setzet: Sie entstehet daher / daß die Menschen ihre eigene Gebrechen nicht erkennen / sich ihrer Gaben / Kunst / Weißheit / Reichthums und Gewalt erheben / die Gottes furcht aus den Augen setzen / und wann selbige hinweg / sie allen ihren Begierden den Zaum zu weit schiessen lassen / und thun was sie wollen. Xenophon saget: die Menschen können schwerlicher gutes Glück als Unglück ertragen. Denn das gute Glück machet die Menschen hoffärtig; das Unglück aber erhält sie bey der Zucht. Und gleichwie einem vollen Menschen alle Dinge gedoppelt vor den Augen zu seyn scheinen; Also bilden sich [337] auch die Hoffärtigen ein / Jhr Verstand erstrecke sich höher / als Er an sich selbsten ist: Man soll aber wissen / daß ein stolzes Herze für dem Herren ein Greuel ist / und / wenn der Stolze sein Nest noch so hoch / als (Jerem. 4, 9.) ein Adler / machte / so kan Ihn doch der HERR / wie den Nebucadnezar und König Belsazer herunter stürzen. Darum ie höher man ist / ie höher man sich demüthigen soll / so wird Einem der HErr hold seyn. (Die Königliche Großmütigkeit.) Das Lob der Tugend bestehet nicht in den Worten / sondern in den Werken. Die Großmüthigkeit ist der Anfang aller wichtigsten Dinge. Es liegt nicht allezeit an der Menge der Feinde / sondern an behertzten und streitbaren Helden. Und / gleich wie einen Boßhafftigen und ungetreuen Menschen die Straffe eines verübten Bubenstückes selten eher / als Er vermeinet / betrifft; Also ehret und liebet im Gegentheil einen unerschrockenen Helden ein Jeder. Wer die Hände in den Busen stecket / und das Schwerd auf den Rücken henget / der scheinet wenig Hertz zu haben; Die Großmüthigkeit und Tapferkeit aber jaget das Glück in den Harnisch. Nichts macht Regenten ansehnlicher als ein tapferes und unerschrockenes Gemüthe / wodurch sie Ihnen nicht allein ein grosses Lob / sondern auch bey denen (Titus Livius.) Nachkommen ein ewiges Gedächtnis erwecken. Da Fabius Maximus in der Schlacht wider die Carthaginenser fünffhundert Soldaten verlohr / Er auch selbsten tödtlich verwundet / drange Er mit solcher Tapferkeit auf den Hannibal ihren Feldherrn / daß Er demselben / ehe Er vollends (Plinius.) zu Boden fiel / den Helm vom Kopfe rieß. Die Römer schickten einsmahls Cnejum Popilium / des Krieges und Friedens halber / zu dem Könige Antiocho. Weil nun dieser Sich mit einer zweifelhafftigen Antwort und langem Bedacht aufzuhalten vermeinete / machte jener mit einem Stabe einen Circul um Ihn / und sagte mit einer besonderen Goßmüthigkeit: Er sollte auf sein gethanes Vorbringen kurtz und rund antworten / ehe Er aus diesem Circul gienge. Worauf Antiochus erschrack / und in (Aristoteles Ethic. lib. 4. c. 3.) das / was Er der Römer wegen begehrte / alsbald einwilligte. Der Jenige ist vor tapfer und großmüthig zu halten / welcher Sich weder bey allzugrosser Glückseeligkeit erhebet / noch bey ereigneter Widerwärtigkeit allzusehr betrübet. Das Glück ist rund; Bey diesem scheinet und gewinnet es vielmahls das ansehen / als wenn Alles über sich gehen wollte / und kein Mittel dem Ubel zu begegnen vorhanden / Wenn man aber desselben Umstände betrachtet / so verkehret und verändert sichs dergestalt / daß gleichwie es zuvorhero das Ansehen zum endlichen Untergange gehabt (Polybius lib. 3. Histor.) / es nachmahls zum besten hinausgeschlagen. Der jenige / wer einmahl das zu handengestossene Unglück mit standhafftigen Gemüthe erduldet / dem gereichet es offters zum Besten. Dahero soll man auch in solchen Fällen weder den Muth noch die Hoffnung sinken lassen / sondern iederzeit (Tacitus lib. 4. Histor.) bey sich erwegen / daß tapfere und heroische Gemüther sich bey allem Unglücke stets auff die Hoffnung eines besseren zu gründen und zu getrösten pflegen. Da Einer den Atheniensischen Könige Themistoclem fragte / ob Er lieber der tapfere Held Achilles / oder der beruffene Poet Homerus seyn wollte? fragte Er hinwieder: Ob Er lieber ein General oder ein Trompeter zu seyn begehrte? Der Malteser Orden bringet mit sich / daß Sich die Ritter desselben Ordens vor den Tod nicht fürchten / sondern demselben unerschrocke̅ unter die Augen treten sollen. Je mehr Feinde / ie mehr Glücke. Jedoch hat man sich ohne Noth in keinen Krieg zu mischen / damit der Unschuldige nicht um das Seinige kom̅e / die Wolverdienten nicht übel belohnet werden / noch der gemeine Soldate in ein ruchloses [338] Leben gerahte. Alle andere Tugenden widerstehen den Lastern; Die Tapferkeit aber widerstehet auch dem Glücke. Als die Assyrische Königin Semiramis eben zu der Zeit / da Sie sich die Haare anflechten lies / vernahm / daß die weitberuffene Stadt Babylon empöret / und von Ihr abgefallen wäre / liesse Sie die Helffte ihres Haares ungeflochten / machte sich alsbald mit denen Ihrigen auf / und lies nicht nach / biß Sie die abtrünnigen Bürger wieder zum Gehorsam gebracht hatte. Alexander Magnus war wegen seiner Tapferkeit / und nicht wegen des Müssiggangs berühmt. Denn weil aus diesem und den Wollüsten nichts mehr als eine verlorne Zeit / ein befleckter Nahme / und eine Verschwendung der zeitlichen Wohlfarth entstehet; So ist hingegen die Großmüthigkeit der Anfang eines ieden wichtigen Werckes. Audaces fortuna juvat: Wo Mannheit / da ist auch Glücke. Durch Heroische Tugenden und Thaten steigt man empor / bringet sich in ein Ansehen / und erwirbet einen immerwährenden Ruhm und Ehre. Potentaten lassen wegen ihrer schönen Gestalt / oder wohlausgeputzten Kleidung kein ewiges Gedächtnis hinter sich / sondern wegen ihrer ritterlichen Thaten. Der ietztgedachte Alexander Magnus / war weder schöner noch wohlgestalter als Andere / Er hatte einen kurzen und dünnen Hals / einen grossen Kopf / braun Angesichte / trübe Augen / einen kleinen Leib / und unformirte Gliedmassen / nichts destoweniger aber einen solchen Muth / daß Er nicht allein den mächtigsten Persischen König Darium überwand / sondern auch viel Gewaltige vertrieb / viel feste Schlösser und Städte eroberte / und gleichsam Ihm die Welt unterthänig machte. Als der Thebanische König Epaminondas bey Mantinea die Lacedämonier geschlagen / und sich tödtlich verwundet sahe / fragte Er: Ob sein Schild noch unversehret / und die Feinde flüchtig; Nachdem sie Ihm aber mit Ja geantwortet / und man demselben den tödtlichen Pfeil oder Wurffspies aus dem Leib gezogen / starb Er als ein Sieger getrost und unerschrocken. Die Mannheit und Tapferkeit ist zu nichts anders / als zu Beschützung der Ehre Gottes / der Gerechtigkeit des Vaterlandes / der Unterthanen / der Seinigen / und seiner selbsten zugebrauchen. Abraham wapnete sich mit drey hundert und achzehen Knechten / welche in seinem Hause gebohren / jagte daimt seinen Feinden nach / schlug Sie / und errettete damit seinen Bruder und dessen Haabe. Wie der Streit seine Zeit: Also hat man auch mit Vernunfft (Dion.) Krieg zu führen. Zu des Keysers Domitiani Zeiten erregete Decebalus einen schweren Krieg wider die Römer. Von diesem schreibet man / daß Er ein tapferer Held gewesen / der Sich auf alle Kriegs-Händel wohlverstanden / die Faust männlich gebraucht / und die rechte Zeit zum Treffen / wenn Er nähmlich schlagen oder wieder abziehen sollte / gewust habe. Keyser Trajanus führete als ein Held vornemlich drey Kriege / als / den ersten / wider den ietztgedachten Decebalum / welchen Er in der Schlacht überwunden und geschlagen. Den Andern gegen Orient / worinnen Er Armenien erobert / rückte in Assyrien / bis in Arbela / und schlug die Parther zurücke. Den dritten wider die Juden / welche in Aegypten / Cyrene und Cypro bey vierzig tausend Menschen ermordet / und der Erschlagenen Fleisch gefressen / und mit ihrem Blute die Angesichter bestrichen. In dem Marco Marcello war eine solche Tapferkeit / daß Er die Franzosen bey dem Po mit wenig Reisigen angrief / sie todtschlug / und zum (Sigebertus in Chron.) theil ihre Waffen dem Jupiter opfferte. Von dem Könige Arturo in Britannien wird gemeldet / daß Er mit seiner eigenen Hand in der [339] Schlacht vierhundert und siebenzig Feinde umgebracht haben solle. Keyser Heinrich der Dritte hat zwey und sechzig Schlachten gethan. Und / ob Ihm schon viel Widerwärtigkeiten aufgestossen / so konte man solchen doch niemahls kleinmüthig und verzagt machen. Hertzog Albrecht zu Sachsen wurde des Reiches rechte Hand genennet / weil Er nicht allein in Anschlägen klug / an Tapferkeit behende / und im Streite strenge / sondern auch / nach erhaltenem Siege / gelinde und sanfftmüthig war. Marg Graf Albrecht zu Brandenburg wurde vom Pabst Pio dem Andern der teutsche Achilles genannt. Er war allenthalben in solchem Ansehen (AEneas Sylvius) / daß man auch im Römischen Reiche berathschlagete Ihme für Andern den Krieg wider die Türcken anzuvertrauen / indem Er offtermals mitten in die Schlacht-Ordnung / da die Feinde am dicksten / hineindrang / mit seiner Hand / was Ihm vorkahm / darnieder schlug / und bey ereigneten Sturme gemeiniglich der Erste uf der Mauer gewesen. Keyser Otto der Grosse hielte nicht allein durch seine Tapferkeit das Keyserthum bey den Teutschen / und brachte wieder zu demselben Lothringen / Braband / und Burgund / sondern Er dämpfete auch in Welschland die Beringarier / so sich mit Gewalt für Römische Könige wollten aufwerffen / eroberte die Reiche Sicilien / Calabrien / Apulien und ???ie Lombardey / und führete wider seine Feinde grosse und gewaltige Kriege. Hertzog Heinrich von Mechelnburg / der Löwe genannt / siegte durch seine Mannheit glücklichen / hielte sich wider die Türcken tapfer / nahm dem Könige in Dennemarck Wismar und Rostock ab / und bekriegete die Fürsten in Pommern / und die zu Magdeburg / Hertzog Otten zu Braunschweig / den zu Schwerin und Visilanum zu Rügen / glücklich. Zu Zeiten Otto des Dritten regierete in Polen Boleslaus / welcher von diesem Keyser zum Könige gemacht wurde. Dieser nahm wider die Böhmen / Reusen / Pommern und Cassuben grosse Kriege für die Hand / nöthigte die Preussen / daß Sie Ihm Tribut geben muste / und richtete zum Zeichen (Künheit ist offters der Unbesonnenen Wegweiser.) seines Sieges hin und wieder eiserne Seulen auf. Es soll aber dergleichen Großmüthigkeit gewisse Schrancken haben / damit man nicht um des eitelen Ruhms willen / oder zu Erlangung eines vermeinten unsterblichen Nahmens mächtige Kriege / und andere ungereimte Dinge vornehme / woraus nichts als Schaden und Nachtheil zu entstehen pfleget / denn es ist weit besser eine furchtsame Vorsichtigkeit / als eine unbesonnene Kühnheit. Die Stärcke der Jugend ist allezeit grösser als die Vernunfft / und die Verwegenheit führet offters viel Gemüther mit Sich in Irrthum. Denn gleichwie Bestien und Menschen / wenn sie nicht bey Zeiten gezähmet werden / an Grausamkeit und Untugenden zunehmen: Also ergehet es auch denen / die zwischen der Tapferkeit / und der kühnen Vermessenheit keinen Unterscheid zu machen wissen. Denn / wo keine Weißheit und Verstand / da ist auch keine Stärcke. Des Sauls Unverstand und Zaghafftigkeit in der Noth verursachte / daß Er sich aus Furcht für den Philistern selbst erstach. So keck und verwegen als König Rehabeam war / so verzagt ward Er / als die zehen Stämme Israel von Ihme abfielen. Niemand soll sich auf die Menge der Tapferen / Gewaltigen und Mächtigen verlassen: Denn sie mögen so gewaltig und unerschrocken seyn / wie sie wollen / so ist doch ein einziger Weiser / Er sey so schlecht und geringe Er wolle / stärcker denn Ihrer zehen. Soll nun ein Weiser stärcker denn Ihrer zehen seyn / was können die Gewaltigen thun / die nichts als ein zerbrechliches Rohr sind. Wohl dem derohalben / [340] dessen Hülffe und Stärcke der GOTT Jacob ist / dessen Hoffnung auf den HERRN seinen GOTT stehet / der Himmel / Erden / und das Meer gemacht hat / und welcher Glauben hält ewiglich. (Die Königliche Standhafftigkeit.) Alle Tugenden müssen sich an den Stab der Standhafftigkeit oder Beständigkeit halten. Ein König soll gleich einem hohen Felsen in dem Meere seyn / an welchen die Wellen zwar schlagen / Ihm aber am wenigsten schaden können. Da der Heilige Athanasius von dem abtrünnigen Juliano hefftig verfolget wurde / und Männiglich mit demselben ein Mittleiden hatte / rieff er dem Volke zu und sagte: Lieben-Freunde / seyd getrost! Es ist um eine kleine trübe Wolke / so ist das böse Wetter vorbey. Keyser Constantinus hatte in seinem Rinck-Kragen ein güldenes Herz / um welches unterschiedene Arten der Marter mit dieser Beyschrifft hiengen: Nihil, Nihil: das ist: Nichts könte sein Herze von GOtt abwendig machen. Als dem Keyser Gallieno eines Tages die Zeitungen hinterbracht wurden / daß ganz Aegypten von Ihm abgefallen / sprach Er mit standhafftigen Muthe / so können wir nichts desto weniger ohne den Aegyptischen Koth leben! Die Standhafftigkeit ist nicht allein eine Fürstl. Zierath / sondern auch eine Tugend in Fortsetzung des Erkäntnisses Gottes / und des wahren Glaubens an Christum / da wir an Ihm bis an das Ende beständig beharren / und dadurch die Crone des Lebens darvon tragen. Ohne beharrliche Beständigkeit erhält weder der / welcher kämpfet / den Sieg / noch die Palmen die Ehren. Die Krafft der Stärcke ist der Tugend Vollendung. Sie ist eine Ernehrerin des Verdienstes / eine Mittlerin der Gaben / eine Schwester der Gedult / eine Tochter der Standhafftigkeit / eine Freundin des Friedens / ein Band der Einigkeit / und eine Vestung der Heiligkeit. Schafft man diese aus dem Wege / so hat weder der Gehorsam eintzige Belohnung / noch die Wolthat / Gunst und Tapferkeit einziges Lob noch Ruhm zu gewarten. Hertzog Ludowich der Aeltere in Beyern / wurde von Marg-Graff Albrecht zu Brandenburg gefangen. Wie man nun ein grosses von Ihm begehrte / schlug Er solches standhafftig ab: Nachdem man Ihn aber bedrohete / daß man Ihn im Fall der Verweigerung / gar in seiner ärgsten Feinde Hände liefern wolte: Sprach Er mit beständigem Gemüthe; Ihr könnet von Mir nichts mehr haben als meinen Leib / weil Ich euer Gefangener bin / das Gemüthe aber behalte Ich mir bevor! Keyser Titus Vespasianus / ließ sich / nachdem / Er die jenigen / die Ihm nach dem Leben getrachtet / gefangen bekommen / mitten unter Sie setzen / und besahe eines Jeden sein Schwerd / wie scharf es war: Als sie aber darüber erschracken / sprach Er: Anietzo sehet Ihr / daß alle Herrschafften alleine von GOTT kommen / derowegen habet ihr euch diese schändliche That zu begehen / vergeblich bemühet! Auch in Göttlichen Dingen hat (Dan. 3.) die Standhafftigkeit ihren Ruhm. Dort sagten die drey Männer / welche in den feurigen Ofen geworffen wurden / zu dem Könige Nebucadnezar: Siehe unser GOtt den wir ehren / kan Uns wohl aus dem glüenden Ofen / und darzu noch von deiner Hand erretten: Will Er es aber nicht thun / so solltu gleichwol wissen / daß wir deine Götter nicht ehren noch das güldne (2. Maccab. 6. c. 7. Die wahre Beständigkeit in Unglücks-Fällen. Vtlerius Maximus.) Bild anbeten wollen. Der alte Eleazar wollte lieber sterben / als von dem göttlichen Gesetze abfallen / und wie eyfrig ermahnete doch die Mutter darbey ihre sieben Söhne / daß sie an der Beständigkeit GOTTES halten sollten! Als die Griechische Stadt Prieneerobert / gantz ausgeplündert / und unter andern auch des weltweisen Mannes Biantis Weib umgebracht / seine Söhne gefangen / und Er darüber um all sein Vermögen kam / [341] (Gvevara in Horolog. Princip. part. 1. c. 15.) flohe Er gen Athen / ließ sich daselbsten nicht die geringste Traurigkeit merken / sondern erwiese sich vielmehr srölich. Nachdem sich aber Etliche darüber verwunderten / sprach Er: Die Jenigen / welche meinen / daß Mir durch den Verlust meines Weibes / meiner Kinder und meiner Güter Etwas abgegangen / die wissen nicht / was das Glücke noch die Philosophie sey. Der Verlust der Seinigen kan für keinen Verlust gehalten werden / wo der leib gesund und die Ehre unbeflecket. Denn / weil die Götter verhänget / daß die Stadt Plane in der Feinde Hände gekommen / so ist ja solches nicht unbillich / und ob schon die Meinigen erschlagen und gefangen / so weiß Ich doch / daß solches ohne der Götter Verhängnis nicht geschehen ist. Denn / sobald der Mensch gebohren / so bald wird ihm auch ein Ziel zum Leben gesetzet. Derowegen / wer wollte nun ihren Tod beweinen / weil die Götter Ihnen Ihr Leben bis dahin verlängert? Die jenigen Menschen / welche lange leben wollen / halten den Tod für plötzlich / und vermeinen / daß das Leben durch Ihn allzuschnelle verkürzet werde / welches aber eine Art der Eitelkeit zu reden ist. Denn der Tod sucht die Menschen heim nach dem Willen der Götter. Das Leben nimmt von Uns wider unsern Willen Abschied. Anlangende meine Söhne / so sind dieselben Philosophi und Weltweise / und ob sie schon in der Feinde Hände / so sind sie doch nicht gefangen / indem die jenigen / welche die Philosophie gelernet / wenn sie gleich in Eisen und Banden geschlagen / nicht für Gefangene / sondern vielmehr höher als die / so mit allerhand Lastern behafftet / zu achten sind. Mein Haus und Hof ist zwar verbrennet / aber mein Muth in geringsten nicht. Jenes war alt / wurmstichig / und vom Regen und Wetter verfaulet / also / daß ich täglich in Sorgen stunde / damit es mir nicht auf den Hals falle: Dieser aber blieb auch bey der grösten Widerwärtigkeit bey Mir standhafftig. Will man es dem Feuer beymessen / so ist dasselbe eines von denen edelsten Elementen / welches Mir die grösten Unkosten / mein Haus zu erneuren / ersparet / und daß Ich an dessen Statt ein besseres Haus hätte bauen müssen. Wollte man gleich sagen / daß Ich durch den Verlust meiner Haab und Güter der zeitlichen Nahrung entsetzet / dessen beschuldiget man mich unrecht. Denn das zeitliche Glücke übergiebet niemahls denen Menschen die zeitlichen Güter eigenthümlich / es sey denn / daß Sie dafür halten / als ob Sie von demselben gleichsam zur Lehen verliehen. Ich kan mit Bestande der Warheit nicht sagen / als ob Ich etwas verlohren / indem Mir das Glücke viel herrliche Gaben verliehen / vermittelst derer Ich alle meine Güter erblich besitze. Wollen der Regenten und Potentaten geführte Rathschläge nicht stets nach ihrem Wundsche ergehen / so sollen Sie sich hierüber nicht erzürnen / sondern vielmehr hierinne großmüthig erweisen / un̅ darauf bedacht seyn / wie sie denen ereigneten Fällen bey Zeiten abhelffen mögen. Gestalt denn nicht iederzeit in dem Vermögen der Menschen stehet / daß Sie das jenige / was Sie sich vornehmen / richtig erlangen / sondern Gott hat auch vielmahls seine Hand mit (Seneca in Epist. 108.) in dem Spiele. Der jenige / welcher das aufgestossene Ubel zu ändern nicht vermag / hat kein besser Mittel vor sich / als daß Er dasselbe mit Gedult vertrage. Es ist nicht eine geringe und irrige Meinung / wenn man Alles nach dem Ausgange eines Dinges urtheilen will / und in den Gedancken lebet / daß das / was Einem wohl von statten gehet / alleine seinem Verstande / und wenn sich das Gegenspiel ereignet / billich seiner Unvorsichtigkeit beyzumessen sey. Dergleichen unzeitige [342] (AEmili??? Probus in Vitâ Thymoleö.) Urtheil denn offters Regenten erdulden müssen. Der Corinthische Held Thymoleon befreyete nicht allein durch seine Tapferkeit sein bedrängtes Vaterland / sondern Er erlösete auch von des Dionysii Tyranney die Stadt Syracus / und ganz Sicilien / und begieng viel herrliche und rühmliche Thaten mehr. Gleichwie aber nichts Vollkommenes noch Beständiges in der Welt: Also muste auch derselbe nachgehends viel Widerwärtigkeit und Elend ausstehen; welches Alles Er aber mit einem standhafftigen und heroischen Gemüthe vertrug / sich darüber niemals alterirte, sondern vielmehr dieses in dem Munde führete: Wie daß ohne GOTtes Verhängnis in dem Menschlichen Wesen nichts beständiges vorgenommen (In Glücke und Unglück soll man einerley Muths seyn.) werden könnte. Das Glücke bietet offters Einem die Hand / und stellet Ihm hingegen den Fuß unter. Es fliehet für dem / der es suchet / und sucht den / der es fliehet. Ein Narr wird offters so wol ein Herr als der Witzigste. Vielmahls erhebet das Glücke Einen nur / damit es Ihn desto tieffer stürzen kan. Niemahls soll sich der / welcher empor steiget / seines Glücks erheben. Ob schon Keyser Vespasianus mit des gemeinen Wesens Verwilligung zur Keyserl. Hoheit beruffen wurde / so war doch nichts hoch müthiges an Ihm zu sehen. Der / so mit dem Glücke sein Gemüthe ändert / bey deme ist auch nichts Beständiges zu finden. Beydes im Glücke und Unglücke soll man regieren. Wer einmahl zur Crone gebohren / der soll sich bey keinem Unfall verändern / sondern sich weder zu kleine noch hochmüthig erweisen. Da Keyser Carl der Fünffte Ingolstadt belägerte / wurde Ihm sein Gezelt etliche mahl durchschossen / worüber Er aber nicht die geringste Veränderung spüren ließ. Churf. Maximilianus in Beyern / erhub sich weder bey seinen erlangten Siegen / noch entsetzete sich / da es Ihme hernacher übel gieng. Wie der Indianische König Porus von dem Alexandro Magno gefangen / un̅ gefraget wurde: Auf was Masse un̅ Weise er wollte gehalten seyn? sagte Er mit eine̅ Worte: Königlich. Un̅ als Ihn Alexander weiter fragen ließ: Ob Er nicht ein mehrers begehrete? Antwortete Er: Es wäre in diesem Worte Königlich Alles begriffen. Welche standhaffte Rede den Alexander dermassen gefiel / daß Er Ihm nicht allein sein Königreich wieder einhändigte / sondern auch mehr Länder darzu schenckete. Woraus man siehet / daß die Standhafftigkeit in dem Uberwundenen auch dem Uberwinder selbsten zur Verwunderung bringet. Eine einzige Helden-That ziehet offters einen unsterblichen Ruhm nach sich. Da Churfürst Johann Friedrich zu Sachsen mit Keyser Carl dem Fünfften unglücklich schlug / darüber gefangen / und der Keyser gewisse Puncta von Ihme einzugehen begehrete / sagte Er frey heraus: Eure Majestät können zwar mit Mir thun / was sie wollen / daß Sie aber mein Gemüthe gedenken dardurch zu erschrecken / das wird nimmermehr geschehen. Und als nachgehends demselben / da Er mit Herzog Ernsten von Braunschweig im Schach spielete / angesaget wurde / daß Er sich nunmehro zum Tode bereiten sollte / sprach Er zu dem besagten Herzoge: Er sollte nur fortspielen / und sich hieran keines weges kehren. Niemand errettet gerne ein verzagtes Gemüthe von denen gefährlichen Fällen / ohn allein mit der Beständigkeit hat man ein Mitleiden. Und wie auf dieser / auch in geistlichen Dingen / das ewige Heil beruhet: Also ist es um die Unbeständigkeit bey grossen Potentaten in geist- und weltlichen Sachen / in Amts-Geschäfften und Verrichtungen / in Pracht und Hoffart / und im Wolleben ein eitel und müssiges Leben. Und ob schon die Glück seligkeit in dieser Sterblichkeit beständig zu seyn scheinet / so ist sie doch in der höchsten Be [343] ständigkeit die höchste Unbeständigkeit. Alles ist in Augenblick nur Lust. Was die Augen wündschen / und das Hertz erfreuet / währet so lange / als die Frölichkeit / sobald diese hinweg / so höret auch die Lust auf. Keinem (Seneca lib. 3. Epist. 24.) hilfft die Freude / welche Er gestern gehabt. Sie ist dahin / wie ein Schatten. Wir sterben täglich und von unserm Lieben wird stündlich ein Stücke hinweg genommen. Eben diesen Tag / darinnen wir leben / da müssen wir mit dem Tode das Unsrige theilen. (Die nötige Tugend der Einigkeit Salustius.) Concordia res parvae crescunt; Discordiâ autem maximae dilabuntur. Durch Eintracht nimmt man zu / und durch Zwietracht werden auch die grösten und ansehnlichsten Dinge zerstöret. Die Einigkeit ist die / so aus vielen Eines macht. Denn / wie keine Hand mit der Andern zu streiten / sondern bey einander im Falle der Noth treulich zu stehen pflegen: Also kömmet auch Königen und deren Unterthanen zu. Ein Finger an sich selbst hat die wenigste Stärcke / wenn aber die ganze Faust darzu köm̅t / so siehet man erstlich was eines Jeden Kräffte vermögen. Ein König ohne viel Unterthanen vermag wenig zu thun / wenn aber dieselben mit dem Haupte eins / so hat die gesammte Macht einen grossen Nachdruck. Jener König in Parthien ließ auf seinem Tod-Bette alle seine Söhne vor sich kommen / und auch so viel Pfeile als der Kinder waren in ein Gebund zusammen bringen / gab Sie dem Aeltisten Sohne / und befahl Jhm / Er sollte seine Macht daran versuchen / ob Er dasselbe könte zerbrechen? Nachdem Er aber solches nicht zu thun ver mochte / reichte Er es denen andern / und weil sie solches gleicher Gestalt nicht werkstellig machen kunten / ließ Er die Pfeile von einander lösen / da dann ein Jeder den Seinigen bald zerbrach. Worauf Sie der Vatter zur Einigkeit vermahnete / und sagte: Daß / gleichwie man dieses gantze Gebänd nicht auf einmahl hätte zerbrechen können: Also würden sie gleicher Gestalt / wenn sie sich der Eintracht befließen / für unüberwindlich zu achten seyn; Zertrenneten sie sich aber muthwillig / so könnten sie gar leichtlich von Land und Leuten vertrieben werden. Da einsmahls dem Türkischen Keyser sein Bassa Einer rathen wollte: Er sollte nunmehro die Christen bey der Gelegenheit / da sie einander selbsten in den Haaren lägen / mit Gewalt bekriegen / befahl der Keyser zweene Hunde an einander zu hetzen / und hernach / als sie sich lange mit einander herumgebissen / einen Haasen gegen sie lauffen zu lassen / da denn die Hund sich bald trenneten / und beyde dem Haasen nacheileten; Also / sagete der Keyser / würden es auch die Christen thun / wofern Ich sie anietzo / da sie in den Waffen wären / bekriegen sollte. Obschon die Herrschafft Venedig vielmahls die grösten Feinde wider sich gehabt / so haben sie doch niemahls können überwunden / noch untergedruckt werden / also daß Sie nicht allein ihre Freyheit unverletzt behalten / sondern auch ihre Herrschaft erweitert. Die Urfache aber dessen gedenket ihr gewesener Hertzog Leonhardus Lauretanus selbsten / indem Er saget / daß der glückliche Zustand der Stadt Venedig dahero rühre / indem sie iederzeit mit Jhr selbsten einig gewesen / und der Rath mit der Bürgerschafft stets im Friede und Ruhe gelebet. Dahero denn die Einigkeit dergestalt zugenommen / daß auch der Rath alle ihre Rathschläge dahin einrichteten / damit zwischen Jhnen kein heimlicher Groll noch Feindschafft mit unterlauffe / ehe Sie von wichtigen Händeln zu rathschlagen anfiengen. Zudem / so wäre daselbst die Regierung leidlich / also / daß kein Stand leichtlich sich über den Andern zu beklagen / vielweniger Jemand unbilliger Weise ausgesogen / noch untergedruckt würde. Hiernächst / so wäre auch ihr Sitz an einem solchen Or [344] te / der von Natur gleichsam unüberwindlich / Jhre Vestungen lägen zu rings herum mit Proviant / Munition und Soldaten wohl versehen / daß sie sich sobald für keinen feindlichen Einfall zu besorgen. Die Unterthanen würden in Fried und Ruhe mit guten Gesetzen erhalten / die Republi??/ gienge nicht gerne an den Krieg / und wenn sie endlich daran müste / so wäre sie auf allerley Mittel und Wege bedacht / wie sie denselben bald vollenden möchte / also daß Sie zuweilen einen und den andern Vertrag auch mit ihrem Schaden eingegangen / wie solches an des Pabstes Julii des Andern / Keysers Maximiliani des Ersten / König Alphonsi zu Neapolis / und des Türkischen Keysers Selymi Verträgen zu sehen gewesen / darüber sie auch die Insul Cypern im Stich gelassen. Wie nun die Menschendurch Eintracht zu der grösten Wohlfarth gelangen: Also ist auch die Uneinigkeit der gröste Schade eines Landes. Der Zwiespalt der Religion zwischen den Türken und Persern / welcher von ungleicher Auslegung des Alcorans herrühret / erwecket auch unter beyden Nationen / bis auf den heutigen Tag / eine solche Verbitterung / daß Sie nicht alleine Tod-Feinde / sondern auch offters die blutigen Waffen gegen einander führen / worzu der Religions-Krieg unterweilen nicht wenig hilffet. So lange die allgemeine Wolfarth dem Privat-Nutzen zu Rom vorgezogen wurde / da brachte die Stadt Romden grösten Theil der Welt unter sich / also / daß sie ewig zu herrschen schiene; Nachdem aber die Regiersucht / Neid / Haß / Zwietracht / und Uneinigkeit überhand nam / da verderbet sich dieselbe gewaltige Stadt / welche zuvor für allen ausländischen Feinden sicher war / durch ihren selbsteigenen innerlichen Aufstand. Der Rath legte sich wider die Bürgerschafft / und die Bürgerschafft wider den Rath. Jene beschwehrte dieselbe mit allerhand Auflagen zu sehr / und diese wollten jenen um des willen nicht gehorchen. Ein wohlbestalltes Regiment ist etlicher massen dem menschlichen Cörper gleich / alldieweil sie beyde von unterschiedenen Stücken zusammengesetzet / ein iedes Glied seine sonderliche Kräffte und Tugenden / auch ihre eigene Verrichtung hat. Wann sich nun unter beyden einzigen Uneinigkeit ereignen sollte / so würde weder Jenes noch Dieses in die Ferne nicht bestehen können. Kein Königreich und Land gehet eher zu Grunde / als wenn Potentaten einzig dahin streben / wie sie ihren eigenen Nutzen für Andern suchen und befördern. Geschiehet das / so hat man nachts anders als das / was anietzo die Griechen / und andere Länder erdulden müssen / zugewarten. Denn / so lange sie einig / und einander mit aller ihrer Macht beystunden / da blieben sie bey ihrer Freyheit / und waren unüberwindlich; Nachdem sie aber unter einander selbst uneins / und ein Jeder seinen Nutzen vor sich suchte / wurden sie nicht allein vielen Tyrannen zum Raube / fondern sie geriethen auch endlich gar in die Türkische Dienstbarkeit. (Die Königliche Treu und unverfälchte Werheit.) Getreue Hand geht durch alle Land. Nirgends wird Treue und Glauben besser gefunden als in den Werken. Nachdem im Jahr Christi 1546. denen Böhmischen Stände̅ alle ihre Privilegia verbrandt / und Sie zweifelten / ob König Ferdinand solche auch von Neuen Confirmiren und bestätigen würde: Dieser aber solches erfuhr / sprach Er: Ob schon ihre Privilegia im Rauche aufgegangen / so wäre doch mit solchen Treu und Glauben / und die Zusage in seinem Hertzen nicht mit verbrennet. Derowegen wollte Er Jhnen alle ihre Freyheiten und Berechtigungen gargerne verneuern. Als zwischen Keyser Rudolph und König Matthia ein gewisser Vergleich wegen des Königreichs Ungarn und Böhmen aufgerichtet wurde / und man hernach denselben auf Seiten des Keysers / weil [345] Er gleichsam demselben durch die Waffen wäre abgezwungen worden / in Bedencken ziehen / und auf eine andere Art abhandeln wollte / wendete König Matthias vor / man trähte der Keyserlichen Dignitaet und Hoheit allzunahe / wenn mandas / was man einmahl mit Keyserlicher Hand und Siegel bestättiget / wiederum umstossen wollte. Denn auf solche Maße würde man in Zukunfft nichts beständiges mehr beschliessen können / ja / der Türcke selbsten möchte sich dieses Exempels bedienen / und hinführo keinen Frieden / viel weniger Treu und Glauben mehr halten wollen. Non decet Principem Labium Mendax: Keinen Fürsten stehet falsche Lippen zu haben wohl an / sondern die Treue und Aufrichtigkeit ist desselben bester Schmuck. Als der Römische Bürgemeister Marcus Attilius Regulus in der Schlacht von den Carthaginensern gefangen / und Sie Jhn mit der Bedingung loß liessen und nach Rom schickten / daß Er sich gegen etliche junge Carthaginenser auswechseln lassen / wo aber nicht / alsdenn wieder einstellen / und den schmählichsten Tod auszustehen haben sollte: Ist Er zwar dahin gezogen / hat aber den Rath dafelbsten ernstlichen vermahnet / daß Sie nicht so viel junge edle Mannschafft ihrer Feinde / gegen einen alten verlebten Mann / wie Er wäre / hingeben / sondern bey sich iederzeit gefangen behalten sollten. Und obwohl der gantze Rath / die gesamte Bürgerschafft / und fein Weib und Kind Jhn bittlichen ersuchten / daß Er sich nicht wieder in des Feindes Hände stellen möchte; so begab Er sich doch auch wider vermuthen der Feinde selbsten gen Carthago / und wollte lieber allda des bedroheten Todes gewärtig seyn / als an seiner gethanenen Zusage eydbrüchig werden. Da auf eine Zeit dem Alexandro Magno sein Kriegs Rath Parmenio eine gewisse Sache vorschluge / welche der versprochenen Treue zuwider lief / sprach Er: Wann Ich Parmenio wäre / wolle Ich es thun / weil Ich aber Alexander bin / so stehets Mir (Valeri, Maximus.) vorzunehmen nicht an. Die Treue ist der Menschen Säug Amme und ein göttliches Wesen / welches man zu verehren schuldig. Die Alten verehrten auch die Hunde für fast göttlich um ihrer Treue Willen. Wie nun ein treuer Herr und König höchlich zu ehren; Also pfleget man auch offters einen ungetreuen Regenten / welcher die Seinigen wider die Gebühr und Pflicht beschweret / des gemeinen Wesens Gut verschwendet / die Warheit teuschet / und Alles zu seinem Vortheil und Nachtheil der Unterthanen an Sich ziehet / zu verfluchen / mit welchen auch folgende Verse übereinstimmen. (Guntherus in Ligur. 3. 513.) Non decet in labiis versari lubrica Regis; Non decet ore sacro mendacia cudere Regem: Sancta & plena suo sunt regia pondere verba: Dicta semel nullum patiuntur Jure recessum. Kein König soll Betrug auf seinen Lippen führen / noch was er nicht recht meint / am Reden lassen spüren. Denn alles / was Er sagt / mit Reden auch verspricht / das soll / wie schwer es scheint / zurükke treiben nicht. Keyser Carl der Fünffte sagte: Obgleich in der Welt fast weder Treue noch Glauben anzutreffen / so sollten doch dieselben bey Keysern / Königen / Potentaten und grossen Herren darum zu finden seyn / alldie [346] weil Sie sich hierzu mit keiner Gewalt / sondern alleine durch ihre Zusage verbinden liessen. Der Verlust der zeitlichen Güter ist ein grosses: Der Verlust eines herrlichen Nahmens noch grösser / durch die Verlierung Treu und Glaubens aber wird aller Menschen Gesellschafft und Freundschafft aufgehaben. Denn / wenn man das / was man zugesaget / nicht hält / so erlieget aller Handel und Wandel / und alles gehet endlich über einen Hauffen. Die Gerechtigkeit / als die Grund-Veste derselben / geräth in das Stecken / worauf nichts als Krieg / Mord / und Raub erfolget / und / wenn solche Fundamenta einmahl zerfallen / so findet man nichts / worinne man sich gründen könne. Wo Treu und Glauben ein Ende hat / da höret (Auch denen Feinden soll man Treu und Glauben halten. Jos. c. 9.) auch des Menschen Gunst auf. Nicht alleine unsern Freunden und Bundes-Verwandten / sondern auch unsern Feinden soll man dergleichen halten / und Sie auf keinerley Wege brechen / oder schwächen. Der Held Josua hatte mit den Gibeonitern einen Bund aufgerichtet / und deßwegen schluge Er sie nicht mit der Schärffe des Schwerds / sondern machte sie zu seinen Wasserträgern und Holtzhauern. Fides, qvando promittitur, etiam Hosti servanda est, contra quem Bellum geritur, qvanto magis Amico, pro qvo pugnatur. Der weise Aristoteles rieth dem grossen Alexandro weislich / daß Er alles das jenige / was Er wohlbedächtig zugesaget / unabsetzlich halten solle. Was man einmahl verspricht / dem soll man gebührend nachkommen. Einer mit Namen Cleomenes begehrte von seinem vertrauten Freunde dem Archonide / daß Er Jhm Eine gewisse Sache zu Stande bringen helffen sollte / mit dem Versprechen / daß / wo dieselbe ihren Fortgang gewönne / Er hinführo alle Dinge nach seinen Rath und Willen vornehmen wollte. Als nun dieselbe wohl ausgeführet / hielte Cleomenes nicht allein seinem Freunde keinen Glauben / sondern Er ließ Jhn auch garerwürgen. Damit Er aber die Zusage nach seinen Eyd halten möchte / nahm Er des Erwürgten Haubt / legte es in ein Vaß voll Honig / und so offte Er Etwas abhandeln wollte / gieng Er über dasselbige / sahe den Kopf an / und vermeinete dadurch seiner Pflicht eine Genüge gethan zu haben. Diß heisset recht die Welt teuschen / und GOTT hinter das Leicht führen wollen. GOTT aber / der dieses Laster des Meyneydes selbst zu straffen pfleget / weis und erkennet allein / was die beschworne Zusage sey. Die Straffe wartet auf ein iedes Laster / und also auch auf den Meyneyd. Niemand ist so hurtig der dadurch dem göttlichen Gerichte entfliehen möge. Ein Grieche mit Nahmen Archelinus hinterlegte bey seinem Wirthe dem Lydia zu Tuneto unterschiedenes Gold. Als aber Archelinus solches wieder begehrte / läugnete Er es mit einem falschen Eydschwur. Denn / ehe Er vor das Gerichte gefordert / verbarg Er das Gold in dem Knopf an seinem Stabe / kam damit vor dasselbige / und stellete sich als wenn Er sich nothwendig an den Stab stützen müste. Nachdem Er nun schweren sollte / reichte Er den Stab zu halten dem Archelino / und schwur hienechst / daß Er Jhm sein Geld wieder zugestellet. Worüber Archelinus sich erzürnete / und den Stab von sich warff / also / daß das Gold heraussprang (Dion. lib. 48.) und der Betrug dadurch offenbar gemacht wurde. Weit besser machte es Sextus Pompejus. Dieser / als Er den Octavium und Marcum Antonium bey sich auf seinem Schiffe zu Gaste hatte / und Einer / mit Namen Minas / Jhm in ein Ohr sagte: daß / wann Er zu Frieden / Er diese beyde bald hinrichten wollte / damit Sie Jhme an seinem Vorhaben nicht hinderlich fallen / und Er dahero um so viel desto leichter ein Beherrscher des Erdbodens werden könte. Welches aber Pompejus nicht zugeben [347] wollen / damit man von Jhme nicht sagen möchte / als hätte Er wider die gegebene Zusage gehandelt. Nichts ist / was Fürsten und Herren (In Orat. ad Nicoclem) mehr anstehet / als wenn sie halten was sie versprechen. Dahero Isocrates seinen König vermahnete / daß Er sich wollte angelegen seyn lassen / damit man seinen Königlichen Worten mehr traue und glaube / als denen Eydschwüren geringer Persohnen / insonderheit aber sollte Er solches nicht allein gegen seine Freunde / sondern auch gegen seine Feinde thun. Da Johannes Valesius König in Franckreich von den Engeländern in einer Schlacht überwunden und geschlagen / hernacher aber von denenselben so viel erlangete / daß Er sich zwar wider in sein Königreich begeben möchte / iedoch / wenn die Friedens-Handlungen binnen gewisser Zeit nicht ihren Fortgang erreicheten / wieder einzustellen / verpflichtete; und aber die Engeländer ihre Saiten zu hoch spanneten / und Er der Stände und des Königreiches Wolfarth wegen in ihr Begehren nicht willigen kunte / erklärete Er sich wieder in ihre Hände zu stellen / ungeachtet / daß Er Jhnen unterdessen (AElian??? lib. 12. Histor. variar. c. 59.) seinen Sohn zum Geissel gelassen hatte. Dem Menschen sind zweyerley herrliche und schöne Gaben gegeben; nemblich / daß Sie die Warheit erkennen und andern Leuten gutes thun. Viel rühmlicher stehet es einer königlichen Hoheit an / wenn Sie aufrichtig und gutthätig / als listig und verschlagen ist. Die Aegyptischen Priester hengeten vordessen ihren Fürsten / damit sie der Warheit / und nicht des Betruges eingedenck seyn möchten / einen herrlichen Sapphir an / auf daß sie sich / wenn sie den Stein ansichtig / der Warheit desto eher erinnerten. Gleichwie aber das / so man mit Worten zugesaget / billich zu halten / also soll auch das jenige keines weges gebrochen werden / was man mit einem Eydschwure bestätiget. Denn dergleichen Meineydige versündigen sich / wie gedacht nicht allein an Gott / sondern auch an denen Menschen / und werden offters deßwegen erschröcklich (Gvicciardin 9 lib. 2. Historiar.) gestrafft. Da Carl von Bourbon von den Meyländern zu Bezahlung seiner Armee eine grosse Summa Geldes forderte / und sie sich wegen des aus gestandenen langwierigen Krieges entschuldigten; versprach Er Jhnen / daß wenn sie Jhm würden dreyssig tausend Gulden erlegen / Er alsbald die Stadt und das Herzogthum mit seiner Armee quittiren wollte. Alldieweil aber die Meyländer / indeme Er Sie hiebevor auch hintergangen / nicht allerdinges trauen wollten / thate Er einen Eydschwur und sagte: Daß wenn er demselben nicht nachkäme / Jhn die erste feindliche Kugel tödten sollte. Wie nun die Meyländer das begehrte Geld erlegten / führete Er nicht allein / versprochener massen nach / das Volk nicht ab / sondern saugete auch dasselbe Herzogthum bis auf das euserste aus. Als aber letzlich der von Bourbon sich von dannen gen Rom begab / dieselbe Stadt belägerte / und Er eines Tages bey einem starken Nebel die Mauern ersteigen wollte / ward Er daselbsten aus gerechtem Gerichte Gottes erschossen. Es ist allezeit besser die truckne Warheit als die füsse Lügen anhören. Wie die gerechteste Zunge die gröste Krafft in sich führet / und was recht ist / sich niemaln zu verschweigen gebühret: Also hat gegentheils die Lügen die kürtzesten (Alle Lüge̅ soll man durch die Warheit zu nichte machen / ob schon dieselbe viel Haß und Widerwillen nach sich liehet.) Flügel / die endlich wie Wachs zuschmelzen. Wer vor Alters bey den Persianern auf einer Lügen ertappet wurde / dem legte man ein stetes Stillschweigen auf: Sollte es zu unserer Zeit geschehen / so würden ihrer viel die Zeit ihres Lebens nicht reden / sondern stumm verbleiben müssen. Niemals soll man sich der Lügen befleissigen / ob sie schon nützlich zu seyn scheinet. Denn gemeiniglich folget darauf eine Schande und gefährlicher Nachtheil. Jener Araber nennete Sie eine Kranckheit / und die War [348] heit eine Gesundheit. Ein Procurator rühmete Sich eines Tages gegen seinen Nachbar / Er könte des Tages mehr Geld verdienen als derselbe Pfennige: Wider den sagte dieser: Es ist also: Denn von euern Lügenhafftigen Reden werdet Ihr reich / Ich aber bleibe / weil Ich die Warheit sage / arm. König Lüdewig in Franckreich der Eilfte sagte: Er hätte an seinem Hofe alles überflüssig / ohne allein die Warheit nicht / welche Er / wenn Er Sie bekommen könte / entweder von denen Eingebohrnen / oder Ausländischen theuer genug kauffen wollte. Da man den weisen Thales fragete / wie weit die Lügen von der Warheit wäre? Sprach Er: So weit die Augen von den Ohren. Könige sind Ebenbilde GOTTES; GOTT aber ist ein GOtt der Warheit / und diese eine Tugend / welche eine Sache verstehet / saget / und erkläret / wie sie an sich selbsten ist / und in Glaubens-Sachen / Gerichten / Zeugnissen / Klagen / Antworten / Urtheilen / Rathgeben / Verheissungen / Berathen / Unterweisungen / und anderen / das Warhafftige vorbringet / bestätiget und darthut. Wie zwischen GOTT und dem Teufel ein grosser Unterschied: Also auch zwischen der Warheit und der Lügen. Die Wege des HERRN sind eitel Güte und Warheit / die falschen Mäuler aber vor dem HERRN ein Greuel. Die Warheit ist so wohl in der Kirchen GOTTES / als in dem weltlichen Stande nutzlich. Die Lügen aber tödtet die Seele. Der Heilige Augustinus saget: Wie GOTT der Vatter seinen geliebtesten Sohn / als die rechte Warheit gebohren; Also hätte auch der Teufel / da er gefallen / den Sohn der Lügen erzeuget. Aller Obrigkeit stehet zu / durch dieselbe göttliches Wort zu befördern / und die Lügen zu bestraffen. Es soll aber die Warheit in ehrlichen Handlungen / Bündnissen / Verträgen / Gerichten / Zeugnissen / in Freundschafft gegen andere Leute / daß man nehmlich aufrichtig sey / und Niemand teusche / beobachtet werden / und gehöret zu der rechten Freundschafft die Tugend der Treue und Beständigkeit / da man Einem in Glück und Unglück alles Liebes erweiset. Zur Warheit gehöret auch die Aufrichtigkeit / da man sein Gemüthe eröfnet / wie es einem um das Herze ist / und andere Leute vor redlich hält. Freundlichkeit und Höflichkeit / da man offters Schertzweise zu be???gemer Zeit redet / und dadurch vielmahls an grosser Herren Höfen manches Unglück unternommen wird. Daferne aber warhafftige und ehrliebende Regenten die rechte Warheit fortpflantzen und vertheidigen sollen / so gebühret Ihnen die Heuchler und Schmeichler / die Ehren-Schänder und Verleumbder / die Sycophanten (Veritas parit Odium.) und dergleichen böse Leute von sich zu schaffen. Die Warheit darff offters / wenn sie will beherberget seyn / ihren Nahmen nicht nennen. Da Jonathan bey seinem Vatter dem Könige Saul / die Unschuld des Davids vorwandte / schoß Er einen Spieß nach Ihn. Der Prophet Jeremias weissagete / daß die Stadt Jerusalem von dem Könige zu Babel sollte erobert / und das Volck gefänglich gen Babel geführet werden; Der König in Juda Zedekias aber ließ Ihn um des willen in das Gefängnis werffen / Zacharias des Priesters Jojadae Sohn ward zwischen dem Tempel und Altare auf Befehl des Königes Joas gesteiniget / alldieweil Er des Jüdischen Volckes Abgötterey straffete. Wie der Prophet Hanani dem Könige in Juda Assa verwiese / daß Er sich mit dem Könige in Syrien Benhabad in ein nachtheiliges Bündnis eingelassen / warff Er denselben in das Gefängnis / also daß es heisset / [349] (Paulus ad Galat. c. 4.) wie der Apostel spricht: Ich bin euer feind worden / dieweil Ich euch die Warheit sage. Nirgend ist sie sparsamer als bey Hofe / da sie sich nicht wohl darff sehen lassen: Beruffet man sie aber dahin / so darff sie eben nicht hören / indem es nur ein Ehren-Wort / so ihr angethan wird. Vielmahls gläubet man daselbsten einem oder mehr Possenreisern / als einem Solchen / der dem Herrn ohne Larve die rechte Warheit unter die Augen saget. Als einsmahls Einer seinen Rath fragete: Was Er von seinem angestellten Feldzuge hielte / sprach dieser: Er sollte Ihm zuvor vermelden / ob Er die Warheit ungescheuet reden dürffte? Weil die Römer wusten / wie hoch dieselbe unter Ihnen nöthig / verlangten sie nichts mehr / als daß die Schamhafftigkeit bey Ihnen im steten Gebrauch erhalten werden möchte. Dahero hengeten sie denen Kindern ein güldenes Hertz an den Hals / wordurch sie die Aufrichtigkeit und Warheit / welche die Menschen beydes im Reden und Vorhaben führen sollten / anzeigeten. Der weise Pythagoras sagte: Es sollte Niemand in Abwesenheit der Sonnen Etwas von derselben erden; Wodurch Er zu verstehen gab / daß man niemahls nichts reden sollte / es wäre denn der Warheit gemäs. Einen grossen Sieg erlanget der jenige Potentate / welcher den Betrug und die List mit seiner Aufrichtigkeit / und die Lügen mit der Warheit überwindet. Je grösser ein Reich: Je mehr ist es dem Laster der Lügen unterworffen. Weil nun der jenige / welcher Andern wohl vorstehen soll / eines starcken Gemüthes bedürfftig / so ist auch nöthig / daß Er der Tugend der Warheit nachstrebe / die Lügen hasse / und alle Laster meide. (Die beschuldigten Laster eines Königes.) Gleichwie aber der / welcher seine anvertraute Heerde vermindert / kein guter Hirte: Also ist auch ein König und Regente nicht zu loben / wenn Er seine Untergebene nicht wohl pfleget / sich ihrer getreulich annimmet / und Ihnen aufrichtig vorstehet. Ein Herr / der seine Unterthanen mit Füssen tritt / der reisset sich die Crone selbsten vom Haupte / und wirfft sie zu Boden. Da der Atheniensische Fürst Themistocles in der Insul Antandras mit Gewalt die gethanen Auflagen einbringen wollte / ließ Er denen Einwohnern daselbsten sagen: Er brächte zwey grosse Göttinnen mit sich / nemlich die Beredtsamkeit und die Gewalt; darauf Ihm dieselben hinwieder zur Antwort gaben: Sie hätten gegentheils auch zwey mächtigere Götter bey sich / nemlich das Armuth und den Tod. Da sich Keyser Maximinus allzusehr auf seine Macht und Gewalt / Reichthum und Hoheit verliesse / muste Er bey offentlicher Versammlung hören / daß der gemeine Soldate Ihm zurieff / und sagete: Ein Elephant ist ein grosses / ein Löwe ein starckes / und ein Tieger ein grausames Thier / und dennoch kan man Ihr Meister werden; darum hüte dich für Vielen / wann du dich vor Einem nicht fürchten willst. Es ist nicht ein geringes / wenn sich grosse Herren / so wohl bey denen Einheimischen als Ausländischen in Verachtung setzen / dadurch nicht allein ihr Ansehen geringert / sondern auch öffters ihr Untergang entstehet. Die Wollust ist eine der grösten Verachtung. Der Lydier König Argon zeigete einsmahls / aus frechem und geilen Gemüthe / seine Gemahlin die Königin / so von Leibe sehr schön / seinem Leibhüter dem Gigi gantz nackend. Als aber dieses die Königin erfuhr / erzürnete Sie sich über den König / machte mit dem Gige einen Anschlag / daß derselbe Ihn erwürgen / und Er Sie zur Gemahlin nehmen muste. Geräth ein Potentate [350] in allzugrosse Schand und Laster / und lässet Alles ungestrafft hingehen / so fället Er selbsten darüber in das euserste Unglück. Ein Schädliches Ding ist es / unter einem solchen Fürsten leben / welcher alles Böses zu thun erlaubet ist. Niemand wird leichtlichen durch grosse Ehre und Herrlichkeit gebessert: Selten aber kan der / welcher in grossem Glücke lebet / die guten Tage vertragen. Die jenigen / welche keinen Fleiß noch Mühe für das gemeine Wesen tragen / sondern sich aller Mühe und Arbeit entschütten / werden nicht unbillich verachtet / und geringschätzig gehalten. (Vide Annales Saxonic.) Keyser Heinrich der Vierdte wurde um keiner andern Ursachen willen von den Sachsen verachtet / als daß Er sich der Regierung allzuwenig annahm / allein seiner Lust und Kurtzweile nachhienge / und seinen Räthen und Bedienten das Regiment überließ. Der jenige / dessen Haus an offener Strassen stehet / der muß sich von Männiglichen rechtfertigen lassen. Alle Menschen haben auf ihren Regenten ein Auge. Ist Er tugendhafft / so erhebet man sein Lob bis an den Himmel; Ist Er aber lasterhafft / so fliehet seine Schande bis an der Welt Ende. Selten setzet sich der / so alles nach seinem Gehirne vornimmet / auf den rechten Königlichen Stuhl / und der ist ein böser Hausvater / welcher um eines bösen Knechtes oder Magdes willen alles Gesinde aus dem Hause schaffet / und dasselbe vertilget. Die Unsreundlichkeit vergleichet sich allein denen wilden Thieren. Dort sagete Absolon: Ach! sollte Ich regieren / und das Regiment in meinen Händen haben / Ich wollte es anders machen! Hätte Er aber den Scepter in die Hände bekommen / so würde man gesehen haben / wie lange der Credit getauret hätte. Bey einer Regierung gehet es öffters also zu. Der Herr meinet / Er sey weise und verständig / die Räthe befinden in ihrer Vernunfft vor sich das natürliche Recht: Jener thut / was Er / und diese was Ihnen zuträglich zu seyn scheinet. Es ist übel bestellet / wenn man denen Heuchlern mehr als denen / welche die Warheit reden / Gehör giebet. König Alphonsus sagte: Wer das Ohr für den Armen verstopffet / den erhöret GOTT nicht wieder / wenn er für der Gnaden-Thür anklopffet. Regenten / die langsam und säumig in ihrer Regierung / vergleichen sich einem langsamen Artzte / über dessen Cur man lieber sterben / als genesen will. Die so Fuchsschwäntzer an ihren Höfen dulten / sind Verräther der Warheit: Die Jenigen aber / welche nur allein auf die Einkunfft gedencken / lieben den Geitz mehr / als ihre Untergebene. Beydes die Schärffe und Gelindigkeit bedürffen ihre Maase. Wer der Unterthanen ihre vorgebrachten Beschwerungen nicht mit gütigen Augen ansiehet / der machet sich Ihm dieselben selbst zu Feinden. Der jenige regieret sehr übel / der selbsten eines Regierers bedürfftig. Selten nehmen unartige Regenten ein gutes Ende. König Ptolomeus in Aegypten brachte unter dem Schein der Freundschafft des Alexandri seiner Tochter Mann Reich an sich / verjagte denselben / daß Er aus Frucht für Ihme in Arabien flohe / und von de Zabdiel enthaubtet ward; Er wurde aber nach dreyen Tagen von den Einwohnern wieder erwürget. König Davids Sohn Absolon stunde durch Scheinheiligkeit dem Vater nach der Crone / reisete unter dem falschen Vorwande eines Gelübdes gen Hebron / warff sich daselbst für einen König auf / und jagte den Vater aus der Königlichen Residenz zu Jerusalem / und weil Er sein Reich mit den Waffen bestätigen wollte / blieb Er an einer Eichen hangen / und ward mit dreyen Spissen durch [351] rennet. König Nimri gelangete durch Mord und Blut zur Regierung / es währete aber diese Herrlichkeit nicht länger denn sieben Tage / da verbrannt er sich benebenst dem Königlichen Pallaste. Das Schwerd der Tyrannen reisset zwar Einen und den Andern hinweg / es fallen aber gegentheils viel tausend Gemüther von einem solchen Könige und Herrn ab / und muß der / für dem sich Alle fürchten / hinwiederum für Allen eine Furcht und Scheu haben. Es ist ein elend Thun / einem Könige gehorsamen / der Alles nach der Schärfe urtheilet: Viel elender aber um den / welcher sich in der Regierung nichts annimt / und weder das Gute belohnet / noch das Böse abstraffet. Der Römische Keyser Caligula war so grausam / daß Er öffters zu sagen pflegte: Die Römer mögen mich hassen wie sie wollen / woferne sie sich nur für mir fürchten. Wann der Tyrann Riccius Montelarius Einem zu Halse wollte / grüssete Er Ihn anfänglich gar freundlich / bat denselben zu Gaste / und fragete: Ob Er lieber wollte mit dem allerbesten Geträncke oder Speise vor lieb nehmen. Ehe sichs aber derselbe am wenigsten versahe / durchstieß Er Ihn mit seinem Gewehre. Gallienus / des Keysers Valeriani Sohn / triebe nicht allein die allerschändlichste Unzucht und grausamste Tyranney / Er panqvetirete auch ohne Unterlaß / also daß dahero das Römische Reich sehr abnahm / und durch seine Trägheit viel Länder verlohren giengen. Antoninus Caracalla befliesse sich mehr des Jagens als der Regierung / reisete deßwegen aus Italien an die Donau / verhörete selten die wichtigsten Sachen / und ehe man offtermahls dieselbe recht vorgebracht / fället Er ein Urtheil darüber. König Cambyses / des tapfern und klugen Persischen Königes Cyri Sohn / ließ aus Argwohn seinen leiblichen Bruder ermorden / nahm seine eigene Schwester zum Weibe; erstach sie hernach / da sie schwangern Leibes war / und erschoß im Truncke seines Raths Prexaspis Sohn. Als Er aber eines Tages zu Pferde sitzen wolte / fiel Ihm sein Schwerd im Hinaufschwingen aus der Scheide / und verwundete sich dadurch selbsten / daß Er in wenig Tagen darauf starb. Aristobulus nennete sich anfangs einen König / setzte Ihm selbst die Crone auf / warf seine Mutter in das Gefängnus / worinnen sie erbärmlich umkam / und ließ seinen Bruder / den Antigonum / durch seine Trabanten erstechen. Als Er aber kranck ward / warf Er viel Blut von sich / welches / da es die Seinigen wolten wegtragen / sie eben an dem Orte / da seines Brudern Blut noch klebete / verschütteten. Worauf als solches Aristobulus vernahm / schlug Er in sich / und sagte: O GOtt! Es kan dir die an meiner Mutter und Bruder begangene Missethat nicht verborgen seyn. Darum so laß meinen gottlosen Leib nur immer hinunter in die Grube fahren. Da derweise Thales gefraget ward: Was Er jemahls am beschwerlichsten gesehen? Gab Er zur Antwort: Einen alten Tyrannen. Einer solte für dergleichen Unmenschen beten / der sein Gebet also anfieng: O GOTT! Nimm diese Seele uns bald hinweg! Als aber denselben solches verdroß / sprach dieser: Es ist besser du stürbest / als daß du länger der sterblichen Menschen Marter und Plage bist. Ein (AElianus.) Tyranne / mit Nahmen Tryzus / war so unbesonnen / daß Er auch seinen Unterthanen weder heimlich noch öffentlich mit einander zu reden verstattete / damit sie nicht auf Ihn wegen seiner Tyranney einen Anschlag machen möchten. Nachdem aber dieselben gleichwohl miteinander handeln und wandeln musten / gaben sie einander mit Wincken / Geberden / und dem Gesichte zu verstehen / was sie begehrten / und was ihre Gedancken waren. Wie nun solches der Tyranne auch nicht leiden wolte / verbote Er solches gleicher Gestalt durch ein besonderes Gesetze. Indem es aber Einem von [352] den Unterthanen hefftig zu Hertzen gieng / trat Er mitten auf den Marckt / und fieng überlaut zu weinen an. Da dieses die Andern höreten / lieffen sie gleichfalls hinzu / und beweineten mit Thränen ihre unbeschreibliche Dienstbarkeit. So bald solches der Tyrann inne ward / eilete Er mit seiner Leib-Guardia dahin / wolte Ihnen das Weinen verbiethen / und sie mit harten Schlägen wieder nach Hause schicken. Die Unterthanen aber setzten sich Männiglichen zur Gegenwehre / riessen denen Soldaten das Gewehre aus den Händen / schlugen den Tyrannen zu todte / und setzten sich wieder in ihre nätürliche Freyheit. Der Tyrann und König Dionysius in Sicilien / theilete allein nur denen jenigen die grösten Gnaden aus / welche allerhand neue Laster erfanden. König Antigonus schätzte des Alexandri Magni erworbene Herrlichkeit sehr gering / trug an statt einer güldenen Crone eine von Epheu geflochtene auf dem Haubte / und an statt eines Königlichen Scepters Nesseln in der Hand. Dem jetztbesagten Alexander folgeten in seiner Regierung Alexander Antiochus / Seleucus / Ptolomeus. Gleichwie nun Alexander Magnus wegen seiner Tugend der grosse Beherrscher über Griechenland genennet ward: Also bekamen diese wegen ihrer Laster den Nahmen / daß sie für die grösten Tyrannen in gantz Asien geachtet wurden. Denn alles / was Alexander mit so herrlichen Triumphen gewonnen / das haben diese durch ihre schändliche Laster wieder verlohren. Keyser Tiberius war ein angenommener Sohn Keysers Augusti. Diesen Tiberium nennete man auch um des willen Augustum / weil Er das Reich vermehren sollte. Er aber verminderte es vielmehr. Nachdem Er aber von den Römern umgebracht / hielten dieselben gewisse Processiones, und opfferten / ihrem Bedüncken nach / denen Göttern um keiner andern Ursach Willen die kostbarsten Dinge / nur damit Sie nicht dieses Tyrannen Seele zu sich nehmen / sondern dieselbe zu den höllischen Furien verstossen möchten. Keyser Nero eroberte das Römische Reich / da Er noch jung war / und / weil Er seine eigene Mutter umgebracht / die Ihn gebohren / die Brüste eröffnete / welche Er gesogen / das Blut vergossen / davon Er entsprossen / das Eingeweide gesehen / darinnen Er gelegen / und viel andere fast unzehlbare Schandthaten mehr begienge / so muste Er auch als ein Tyranne sein Leben wieder lassen. Die allzuschwere Auflagen der Fürsten und Herren gebähren öffters die grösten Mißgeburten. Ihrer viel leben in den Gedancken / wenn Sie ihre Unterthanen nicht mit Schatzungen und allerhand Diensten und Beschwerungen belegeten / sie könten dieselbe nicht recht regieren / und geben vor / daß gleichwie die Weiden in drey Jahren einmahl musten behauet und beköpfet werden / also solte man auch denen Unterthanen die Nahrung beschneiden / und den Beutel vergeringern / damit Sie nicht denen Obern zum Ha???ten wüchsen. Weit besser aber wuste es König Tyrus / welcher seinen Unterthanen weder Contributiones noch Schatzungen auflegete / sondern ein Jeder verehrete Ihm / seinem Vermögen nach / was Er wollte; Darum nenneten Ihn auch die Unterthanen einen Vater des Vaterlandes / seinen Sohn den Cambysem / weil Er Ihnen allzustrenge war / einen Tyrannen / den Darium / weil Ihm alles um das Geld zu thun war / einen Handelsmann. König Carln dem Siebenden in Franckreich muste man jährlich zwölffhundert tausend Francken erlegen: So bald aber sein Sohn Ludowig in die Regierung kam / wurde dieselbe Anlage jährlich auf viertzig mahl hundert tausend Cronen gesteigert / ausser was man zu Auferbauung der Königlichen Gebäude herschiessen müssen. Heutiges Tages hat man mehr Capitel der Einnahme / als Wochen im Jahre sind / und kan man öffters die [353] Zahl der ausgeschriebenen Imposten nicht wohl aussprechen. Aus welchem allen man siehet / daß Alles / was sich zu hoch brüstet / endlich wieder herunter fällt / und / was man zu hoch spannet / gemeiniglich nicht die Taure zu halten pfleget.

Der Königliche Hof / und was darbey sich zu ereignen pfleget.
[arrow up]

DEm jenigen / welcher eine Königliche Kegierung auf sich / stehet sorgfältigzu seyn zu. Einen weisen Fürsten erkennet man an seinen Thaten / und einen vorsichtigen an seinem Haushalten. König Ludowig der Zwölfte in Franckreich pflegte zu sagen: Es wäre einem weisen und klugen Regenten nichts nützlichers noch rühmlichers / als daß Er / wann Er nichts schuldig / freygebig / hingegen aber seine (Plutarch. in vita Catonis.) Ausgabe nach der Einnahme richte. Gleichwie nun die Erspahrung und Einziehung unnöthiger Ausgaben an vielen Keysern gelobet wird / und eines der besten Mittel zu ihrer Hoheit gewesen: Also wird sie auch noch heutiges Tages allen Potentaten auf das beste recommandiret / und bey denen Politicis (Proverb. 24. v. 4.) für ein Arcanum gehalten. Durch ordentliches Haushalten / stehet dort / werden die Kammern voll Reichthums. Weil König David seine Geschäffte nicht für sich alleine zu verwalten vermochte / so hatte Er viel Augen / (Die Königl. Hof-Sorge.) viel Hände / und viel Füsse um sich. Er bewarb sich um gelehrte / um kluge / und um erfahrne Leute / derer aller Er so wenig als der Knechte und Mägde entbehren konte. Räthe sind Ecksteine des Landes / ohne deren reife (Es. 19. 13.) Berathschlagung nichts beständiges zu thun noch anzufangen. Non omnia possumus omnes: Wir Alle können nicht Alles. Ein jeglicher Schlüssel sperret sein Schloß auf / und alle können nicht ein Loch aufmachen. Damit König David sein Reich in desto bessere Ordnung brächte / so versahe Er seinen Hof mit treuen Hofleuten / guten Renthen / und stattlichen Einkünsten. Es ware̅ Zadock und Abimelech die Hohenpriester / worunter die andern Priester und Leviten gehöreten: Joab sein Feldhaubtmann: Josaphat der Sohn Ahilud sein Cantzler / welcher des Königes Mund in den Reichs-Geschäfften führete: Seraja sein Secretarius: Adoram sein Präsident über die Renth-Cammer: Benaja über die Königlichen Leib-Gvardien: Jonathan über die (1. Chron. 28. V. 25.) Schätze auf dem Lande: Esri über den Feld-Bau: Simei über das Weingebirge: Jasis über die Schafe: Sabdi über den Weinkeller: Sitari / Saphat / Obil und Jehedia über die Rinder / Camele und Esel / und Andere über andere Verrichtungen. Dasern sich nun ein Königreich mit getreuen Räthen / aufrichtigen Dienern und guter Ordnung versehen befindet / so folget darauf nichts als Seegen und Wachsthum / die Unterthanen blühen und kommen herfür / und des Königes Gedächtnis verwieget sich dadurch in eine immerwährende Glückseeligkeit. König Salomo besetzte bey seiner (1. Reg. 1.) antrettenden Königlichen Regierung alle Aemter und Verrichtungen bey Hofe mit Fürsten / Kriegs-Officirern / Cantzlern / Räthen / Hof- und Capellmeistern / Schreibern / und zwölf Amt-Leuten / die den König und seine Hofftatt versorgeken / und alles was zur Nothdurfft / in Kuchen / Kellern und sonsten herbeyschafften / ließ eine richige Hof- und Kirchen-Ordnung machen / allwo man täglich dreysig Cor Semmelmehl / sechzig Cor [354] ander Mehl / zwantzig Weide-Rinder / hundert Schase / zehen gemästete Rinder / ausgenommen das Wildpret / und ander gemästetes Vieh verspeisete. (Prov. 24. 3. 4.) Durch Weißheit wird ein Haus gebauet / und durch Verstand wird es befestiget: dergleichen geschiehet es auch an Königlichen und Fürstlichen Höfen. Könige und Potentaten haben zwar grosses Einkommen / darbey aber auch zu Erhaltung der Justitz / des Friedens / des Krieges / und ihres eigenen (Justus Soldan in Salomone p. 2. c. 1. p. 108.) Staats einen grossen Aufgang. Findet sich nun da keine Klugheit und Aufmercksamkeit / und daß die Ausgabe die Einnahme übertrifft / und die Speisen zu allerhand Uppigkeit / Pracht / Hoffarth und andern vergeblichen Dingen angewendet werden / so macht man viel arme Leute; Man erdencket allerhand Rencke und Auflagen / darbey die Bedienten ihr gröstes Interesse suchen. Da denn bey solcher Bewandnis dergleichen Königreich für nichts anders als einen zerrissenen Leib zu achten ist. Der König ist das Haubt / die Räthe sind die Arme / worauf Er sich stützen solle / der Bauch ist des Landes Vermögen / und die Unterthanen die Beine; wofern nun diese weder stehen noch gehen können / so ist es mit dem gantzen Cörper schlecht bewandt / zumahlen / wenn die Einnehmer / Hof-Officianten / und Andere auf dem Lande / sich mit dem Miltze vergleichen / und von demselben allen Safft und Feuchtigkeit an sich ziehen / wodurch noch das Haubt und die übrigen Glieder hätten können gestärcket werden. Wenn derohalben solche Verschwendung geschiehet / so greifet man zu solchen Mitteln die auch (Thuanus lib. 23.) wider das Recht der Natur lauffen. Der Hertzog von Guise riethe einsmahls dem Könige in Franckreich Francisco dem Andern bey dem Geld-Mangel / wie Er einen Galgen mit diesem angehängten Edict aufrichten lassen möchte / daß alle diejenigen / welche eintzige Forderung bey dem Könige oder dessen Renth-Cammer praetendireten / es wären gleich Schulden / Dienst-Gelder / oder andere Begnadigungen / sich bey Straffe des Stranges / und zwar innerhalb 24. Stunden / von dem Königlichen Hofe hinweg machen / und weder sehen noch hören lassen sollten. Nicht viel anders ließ sich auch König Sebastian in Portugal / wegen veränderter Müntze und Wechsel bereden / wodurch Ihm aber die Spann-Adern zum Kriege abgehauen / und seine Einkünste nach und nach geschmählert worden. König Salomo hielte auch unter andern viertzig tausend Wagen-Pferde / und zwölf tausend Reisige / wenn nun nicht eine gute Ordnung und Vorsorge darbey gewesen wäre / so würde man zu rechter Zeit weder Stroh / noch (Deut. 17. 17.) Futter / noch Gersten gehabt haben. Der Geitz eines Königes wird unter die von GOTT gesetzten sieben Hof-Regeln gerechnet / daß nemblich derselbe nicht viel Gold und Silber mit Beschwerung der Unterthanen haben solle. Das beste Gewerb ist der Erd-Wucher / der / gleichwie er der erste; also auch der gerechteste / dadurch einem Könige die meiste Nahrung mit zuwächset. (Prov. 5. 9.) Es findet derselbe allenthalben Platz / und der König selbsten wird des Ackers Knecht genennet / indem Er sich desselbigen befleissigen / das Land in seinem Königreiche wohl bauen und bestellen lassen muß. Die Erde ist unser Aller Mutter / welche uns ingesamt ernehret / und ist kein Land / welches nicht seinen Unterthanen Unterhalt verschaffet. Ein König und gorsser Herr hat keinen bessern Unterthanen als einen Land-Mann / der das Feld bauet / und alle die Seinigen mit ernehret / es wäre denn / daß man meinen wollte / als ob Sie kein Brod äsen. Die alten Könige in Franckreich liessen Ihnen bey dero Crönungen einen Bauer mit einem Karste uf der Achsel auf dem Fusse nachgehen / wordurch sie zu verstehen gaben / daß Sie der Bauern Schutz wären / und Sie hingegen für sie das Brod aus der Erden [355] suchen müsten. Bey des Salomons Hof-Sorge waren auch die Bergwercke / Weinberge und Gärten / die Fortpflantzung der edelsten Früchte / die Viehezucht / die Kaufmannschafft / und die Klugen und kunstreichen Werck-Meister mit begriffen (Die Ordnung an Fürstlichen Höfen ist das nöthigste.) Eine gute Ordnung erfordert eine gute Aufsicht. Denn wo die bey Hofe nicht ist / da ist die Ordnung vergebens. Daß aber an Salomons Hofe eine gute Ordnung und Aufsicht mus gewesen seyn / erscheinet dahero: Es gieng Salomon / wie man darfür hält / in seiner Herrlichkeit in einem weisen gestickten Thalar einher. Die Königlichen Paläste und Gebäude waren überaus prächtig / künstlich und kostbar. Des Tages hielte Er zweymahl Tafel / und speisete täglich über tausend Tische / welches in solcher Ordnung und bestimmter Zeit zugienge / daß es zwar als ein tägliches Gast-Gebot schiene / nichts desto weniger aber denen Reichs-Geschäfften am wenigsten hinderte. Die Menge seiner Hof-Bedienten / und die ansehnliche Leib-Guardia, die Ihn täglich bedieneten und begleiteten / schiene / daß Er dadurch mehr mit Demuth und Ehrerbietigkeit geliebet / als um deswillen gefürchtet wurde. Und / weil Er den güldenen Frieden selbsten besaß / so machte Er nicht mehr / als einen ordentlichen Ausschuß von seinen Soldaten. Er bestellete zu seiner Hut / und auf den Nothfall / viertzig tausend zu Pferde / und ließ alle diejenigen Waffen / so Ihm die ausländischen Völcker zuschickten / in sein Zeug-Haus bringen. Sein Königlicher Thron / darauf Er richtete / und denen ausländischen Gesandten Audientz ertheilete / (Joseph. c. 9.) war überaus herrlich. Das Kichthaus war hundert Ellen lang / funfzig Ellen breit / dreysig hoch / von sechzehen Seulen unterstützet / und hatte gleich so viel Pfosten / und künstlich-ausgegrabene Thür-Gestelle. Und / ob zwar Salomo mit genugsamer Weißheit begabet / so hatte Er doch seine Räthe / die nicht etwan ehrenthalben / oder um Reputation willen die Stellen besassen / sondern auch bey fürfallenden Dingen ihr Bedencken und vernünftige Ursachen eröfneten / wie hernachmahls auch zur Zeit seines Sohnes des Rehabeams geschahe / da derselbe ihrem Rath nicht folgete / die Gemeine für den Kopse sties / und die zehen Stämme von Ihme abfielen. Ein König ohne Geld / und Vermögen / scheinet nicht allemahl mächtig genug zu seyn. Moses schreibet zwar dorten den Königen vor / daß Sie keine grosse Schätze von Silber und Golde sammlen sollten / allein es hat allhier (2. Cor. 12.) diese Meinung nicht. Denn gleichwie die Väter schuldig sind nach Vermögen den Kindern Schätze zu sammlen; Also auch ein König als Vater des Landes / der das Königliche Einkommen aufheben / sparsam damit umgehen / und auf bedürffenden Fall wieder zu Nutze anwenden / hingegen aber dadurch nicht geitzig werden / die Unterhanen aussaugen / und sie mit denen grösten Beschwerungen belegen solle. Salomo hatte die Menge der Unterthanen / wer unter diesen keine Ordnung hält / dessen Stand ist gefährlich. Juda und Israel / war wie Sand am Meere. Es war dasselbe (1. Reg. 3. 9.) Volck so gros / daß es fast niemand zehlen / noch wegen der Menge beschreiben kunte. Wenn nun ein König viel Volck im Lande hat / so ist dasselbe jederzeit seine Herrlichkeit. Soll seine Herrlichkeit ordentlich bestehen / so muß Er sich der Vernunst unterwerffen / und von derselben lernen / wie man alle Dinge ordentlich anstellen solle: Ordentlich in Küch und Keller; In der täglichen Aussicht: In fürfallenden Mängeln und Gebrechen: Im Unterschleiffe: Im Mißbrauche: In allzugrosser Freygebigkeit / und dergleichen. Wenn man aber alles zur Unzeit weggiebet / die Ordnung nicht in Acht nimmet / und alle Intraden auf einmahl erschöpfet / da muß alles zer [356] rinnen und zerschmeltzen / und können weder Reichthum noch Schätze zurücke bleiben. Es wird aber sonst eigentlich durch das Wort Hof / oder Hofstatt / die gantze Bestellung / Eintheilung der Aembter und Dienste / und die Anschaffung dessen / was an einem Königlichen oder Fürstlichen Hofe / für den Herrn / dessen / was an einem Königlichen oder Fürstlichen Hofe / für den Herrn / dessen Gemahlin / Kinder / und dere allerseits darbey unentbehrlichen Bedienten / erfordert wird / verstanden. Als da ist / was zu einer Königlichen oder Fürstlichen Wohnung / Speisung / zur Kleidung / zur Aufwartung und Bedienung der Herrschafft / zur Verwahrung und Sicherheit des Herren Person / und zu dessen Belustigung und Ergötzung gehöret. Dahin man aber allhier nicht sein Absehen gerichtet / weil dieses eine grössere Zeit und mehrere Arbeit erheischen würde / sondern nur auf etliche des Hofes Tugenden / und Beschaffenheiten / auch zugleich mit auf die eingerissenen Mängel und Gebrechen zielet. (Was einen Hof berühmt mache.) Derjenige Hof ist für den berühmtesten zu schätzen / dessen Haubt mit Weißheit gecrönet: der Corge für die Religion träget: Sich eines erbarlichen Wandels befleissiget: die heilsame Justiz befördert; die Ungerechtigkeit tilget: denen Frembden so wohl / als Einheimischen gleiches Recht ertheilet: die Unterthanen nicht sehr beschweret: Oftmahls Gnade für Recht ergehen lässet: Die Einkünffte wohl beobachtet; Den Beklagten so wohl als den Ankläger höret: Recht mit Recht ausführet: Gerne Gehör giebet: Die Gerichte mit redlichen und unbescholtenen Leuten besetzet: Der guten Policey die Hand bietet / und sich in allen Dingen sorgfältig / klüglich und vorsichtig erweiset / also / daß sich nach Ihme der gantze Hof gleich einer umbetrüglichen Richtschnur achtet. Bey den Alten war ein gemein Sprichwort: Es gehet zu / wie an des Königes Artus Hofe / da alles alleine galt / was nur tugendhaftig / aufrichtig / rittermässig war. Dieser Artus war / wie hiebevor gedacht / ein König in Britannien / welcher an Aufrichtung allerhand ritterlicher Exercitien nichts ermangeln liesse; Dahero schickten viel Könige / Fürsten / Herren und Standes-Persohnen ihre Kinder an desselben Hof / damit sie daselbsten allerley Ritter-Spiele / Zucht / Ehre / Tugenden / und andere männliche Thaten erlernen / und zu ihrem Nutzen anwenden möchten: Niemanden / wer dahin kahm / wurde weder Rath / noch Ritterspiel / viel weniger eintziger guter Wille versaget / und galt keiner unter dieser Gesellschafft der Tafel-Runde / der nicht mit seiner Faust eine männliche That verrichtete / und ein erfahrner tugendhaffter Ritter war: Wer da wissen / will / pflegt man zu sagen / wie das Regiment in einer Stadt bestellet sey / der gebe Acht auf die Uhr. Will man aber wissen wie eine Hofhaltung bestellet / so nehme man wahr / ob man zu rechter Zeit speiset / zu rechter Zeit ausstehet / zur rechter Zeit bezahlet / in Essen und Trincken Masse brauchet / und sich darbey der Christlichen Tugenden befleissiget. Ein Herr / der viel Land und Leute hat / muß nothwendig auch viel Beamte und Diener haben. Es soll aber derselbe derer nur so viel annehmen / als Er (AElius Lampridius.) ihrer nöthig hat. Keyser Alexander Severus schaffete von seinem Hofe alles übrige Gesinde ab / und sagete: derjenige wäre ein böser Keyser / welcher aus seiner Länder Einkünffte solche Leute unterhielte / die Ihm bey seiner Regierung nicht nöthig / noch dem gemeinen Nutzen vorträglich wären. Keyser Antoninus Pius zog allein denenjenigen ihre Bestallung ein / welche müssig giengen / für ihre Hand nichts verdieneten / und sagte: Es ist nichts schändlichers / noch grausamers / als wen̅ diejenigen / die sich mit keiner Hand-Arbeit behelffen stets ein gemeines Wesen benagen. Ein unnöthiger Diener zu Hofe / und ein unnöthiger Knecht in einer Haußhaltung sind beyder [357] seits Diebe; hingegegen / wann die abgeschafft / so werden die Renthen grösser / (Die Glükseeligkeit des Hofes ist veränderlich.) und das Einkommen vermehret sich um so viel desto mehr. Ihrer viel stehen in den Gedancken / es könte keine grössere Glückseeligkeit / als bey Hofe seyn / da man täglich mit gnädigen Augen angesehen / geliebet / und einen unhinderlichen Zutritt hätte. Alles was man begehrete / das würde Einem gewillfahret. Jederman erzeigete sich gegen denselben ehrerbietig und freundlich: Alle Höfligkeiten würden Ihm erwiesen / und mit denen Geschencken stecke man nicht feste. Erlangte man durch Ihn bey der Herrschafft einen Zutritt / da wären lauter göldene Berge; das Glück werffe Ihm Alles zu / und Er allein wäre der Glückseeligste. Erweget und besiehet man aber dieses alles genauer / so wird öffters ein Solcher / ehe man es am wenigsten vermeinet / um einer geringen Ursache willen schimpflich verstossen / abgesetzet und verworffen / und ziehet nachmahls Niemands gerne den Hut vor Ihm ab. Einer mit Nahmen Pannonius stund bey dem Griechischen Almenide in grossen Gnaden / da Er aber mit Ihme den Ballen schlug / und zwischen beyden eintzige Wortwechselung vorlief / verlohr Er darüber seinen Kopf. Craterus hatte bey dem Alexandro Magno den grösten Stein im Brete / nichts desto weniger büsete Er darüber sein Leben ein. Dem Königlichen Cammer-Juncker gieng es bey dem Keyser Domitiano: Dem Secretario Fausto bey dem Epyrotischen Könige Pyrrho: Dem Seneca bey dem Keyser Nerone: Dem Patricio bey dem Diocletiano / und vielen Andern nicht viel anders. Woraus erhellet / daß man mit grosser Herren Gunst und Gnade muß wie mit dem Feuer umgehen / bey welchem man sich zwar wärmen / darbey aber auch / wenn man sich nicht wohl fürsiehet / heftig verbrennen kan. Man soll zugleich bey Hofe leiden / und denn auch nachgeben. Nicht Allen bekömmt das Hofe-Leben. Ein guter Freund fragte einsmahls den Andern um Rath / wie Er gesonnen / den Rest seines Lebens zu Hofe zuzubringen? Deme dieser zur Antwort gab: Mein Freund! der Könige und Potentaten Dienste sind zweyerley: Nemlich die Hoffnung zu Erlangung eines Stücke Brods / und die Gefahr zum Tode. Es halten aber die Weisen dafür / daß man um einer eiteln Hofnung willen sein Leben nicht in die Gefahr setzen solle. Entweder bleib bey deinem geringen Vermögen / oder unterwirff dich / wann du ja auf deinem Vorsatze verharrest / gutwillig der Gefahr und Widerwärtigkeit. Worauf Jener sprach: Deine Rede und meine Meinung stimmen nicht überein. Hastu nicht gehöret / daß derjenige / welcher mit Betrug umgehet / seine Rechnung mit Zittern und Furcht ableget / und hingegen der / so recht thut / auch GOtt zum Freund hat? Ich habe niemahls den sehen verlohren gehen / welcher auf dem rechten Wege verblieben ist. Ein Räuber gehöret für den Hencker; Ein Dieb an Galgen: ein Mißhändler für den Richter; Ein Verbrecher für die Justiz. Wer aber nichts Böses thut / und bleibet bey seiner Demuth / der hat sich dessen nicht zu befürchten. Da der gute Freund sahe / daß derselbe bey seinem Vorhaben verharrete / erzehlete Er Ihm eine Fabel von dem Fuchse / wie derselbe einesmahls die Flucht gar plötzlich ergriffen / und als man Ihn nach der Ursache gefraget / hätte Er gesaget / wie Er gehöret / daß man die Camele mit Gewalt fange / und die Last zu tragen zwünge; Zu welchem ein Anderer gesprochen: Du Narr! was gehen dich die Camele an / bistu doch ihres Gleichens nicht! Hätte der Fuchs wieder geantwortet: Schweig nur stille; Denn wenn meine Feinde nur sagen würden / dieser ist auch ein Camel / so würde man mich gleicher Gestalt auffangen / und / wer wollte sich denn meiner in so geschwinder Eil annehmen / sich meines [358] Zustandes erkundigen / und Mich von der Gewalt erretten. Eben also möchte es dir auch bey Hofe ergehen! Du bist zwar mein Freund / ein Mensch von Aufrichtigkeit / und hast ein gutes Gemüthe / allein der Verfolger und Nachsteller sind zu viel / Sie liegen im Verborgen / sitzen in Winckeln / und lauschen auf dich / und wann du noch so redlich handelst / so bringen sie deine Dinge verkehrt vor; geräthest du aber bey dem Könige in Ungnaden / so darf sich deiner Niemand annehmen. Derohalben ist das der beste Rath / daß du die Herrlichkeit des Hofes fahren lassest / und befreyest dich der gefährlichen Aembter daselbsten. Der gute Mensch aber entrüstete sich über diese seines Freundes Rede / und sprach: Was für Verstand / Klugheit und Rath habe Ich nun daraus zu nehmen? Auf eine Zeit aber begegnete dieser seinem guten Freunde / in schlechten Kleidern und betrübten Gesichte hinwieder / und fragt: Wie es Ihm ergangen? Er sprach: Es ist mir also ergangen / wie du Mir gesagt hast: Die Leute wurden Mir feind / meine Widersacher gaben mich als einen Mißhändler an; meine Freunde / die mir mein Wort reden sollten / verstummeten / und vergassen die vorige Lieb und Treue. Der König aber / welcher die Beschaffenheit der Sachen sich nicht recht erkundiget / ließ mich eine Zeitlang in Eisen und Banden schlagen. Woraus erhellet / daß offtermahls grosser Herren Dienste sich mit den reichen Schiffarthen vergleichen / vermittelst derer man entweder die Herrlichsten und reichesten Güter zu rücke bringet / oder zwischen den strengen Meeres-Wellen zu Grunde gehet. (Und der Gefahr und Mißbrauch unterworffen.) Grosse Gaben des Glückes machen grosse Sorgen / und was herrlich ist stehet zum öftern auch in grosser Gefahr. Nichts hat unter den Menschen einen Bestand / der Neid und die Zeit verändert Alles / und wenn man noch so hoch durch das Glück gestiegen / so verändert der Neid und die Zeit Alles. Der reiche König Gyges in Lydien ließ eines Tages den Apollinem Pythium fragen: Ob Er wegen seines grossen Vermögens der Glückseeligste auf Erden wäre? Deme derselbe zur Antwort gab: Nein / sondern einer mit Nahmen Aglaus. Dieser aber war ein armer Gärtner in Arcadien / welcher innerhalb zwey und sechzig Jahren sich nirgends hinbegeben / sondern seine Nahrung aus seinem Garten allein gesuchet hatte. Da Keyser Diocletianus sahe / daß das Keyserthum viel Mühe / Verdruß und Widerwärtigkeit auf sich / traht Er dasselbe / nachdem Er sich so wohl zu Friedens als Krieges Zeiten weislich und tapfer verhalten / hinwiederum ab / und brachte seine übrige Zeit auf seinen Land-Gütern zu. Das Hofe - Leben vergleichet sich mit denen Tragödien-Büchern / welche auswendig vergüldet / und in das schönste Leder eingebunden sind. Ein Jeder / der daselbsten lebet / der bemühe sich recht zu thun / und setze darbey die Furcht nicht aus den Augen. Denn / weil daselbsten viel verstellete euserliche Freundlichkeit vorgehet / so sehe man nicht so wohl auf das euserliche / als wie das Hertze beschaffen. Mit grosser Mühe erlanget man zuweilen eines grossen Herren Gnade. In einem Augenblicke aber verschertzet man dieselbe hinwiederum. Vielmahls muß man daselhsten hören und sehen / und gleichwohl darnebenst auch taub / blind und stumm seyn. Als Papst Pius der Andere sterben wollte / fragte Er seine Aertzte: Ob die Kranckheit tödtlich? Da sie aber mit Nein antworteten / sprach Er: Grosse Herren find in diesem Stück viel unglückse eliger als Andere / indem man Ihnen auch die Warheit für ihrem Ende nicht zu sagen pfleget. Da man den Calisthenem vor glückseelig priese / weil Er täglich um den König Alexandrum Magnum wäre / und bey Ihme in [359] Gnaden stünde; sprach derselbe: Ich bin viel unglückseeliger zu schätzen / als Andere: Denn diese essen / trincken / schlafen wenn sie wollen; Ich aber muß dergleichen vornehmen / wenn es dem Könige beliebet. Wer nicht zu Hofe / dem düncket derselbe eine herrliche und ansehnliche Sache zu seyn: Wer aber daran ist / der wündschet sich vielmahls darvon. Da Keyser Maximilianus im Jahr Christi 1517. zu Augspurg einen Reichstag hielte / und unterschiedene Fürsten und Herren beysammen stunden / und sich über des Hofes Mühsamkeit beschwereten / auch darbey vorgaben / wie sie künftig auf Mittel und Wege dencken wolten / damit sie sich desselben hinwiederum entbrechen möchten / sprach der Keyserliche Mathematicus Stabius zu Ihnen: Wer dem Herrn zu nahe ist / der will ersticken / wer aber allzuweit von Ihm ist / der will erfrieren: Wäret Ihr nicht an des Keysers Hofe / so hättet Ihr keine Ruhe / bis Ihr daselbsten Dienste bekämet / nunmehro aber / da Ihr in denenselben würcklich begriffen / da habt Ihr keine Ruhe / bis Ihr wieder darvon seyd. Dulce bellum inexpertis: Wer den Hof vor Augen nicht kennet / der weiß nicht was darhinder stecket. Vielmahls muß man daselbsten das loben / was man an Andern strafen sollte / sich stellen und drehen / wie es ein Jeder gerne siehet / und die Redlichkeit mit List bezahlen. Keiner kennet zuweilen den Andern nicht vor Hochmuth: Keiner achtet den Andern / und Keiner liebet den Andern / ausser sich / es sey denn verstellter Weise / um des eigenen Nutzens willen. Herren Gunst ist nicht ein Geringes / darbey aber sehr mißlich. Hilft Einer darzu / so sind ihrer Zehen / welche ihren Neid darzwischen streuen. Niemahls vergisset man mehr den Gehorsam / als wenn man ihrer Vielen gehorchen solle. Man verunglimpfet seinen Nächsten / richtet Hader und Zanck an / verknüpfet die Seele mit den Wollüsten / die Freyheit mit der Dienstbarkeit / und empfähet öfters für eine gute Leibes-Gesundheit eine Langwierige Kranckheit. Beydiesen allen aber hat der Mensch über nichts als sich selbsten zu beklagen: Denn wenn Er ein Hertze hätte / das alle hohe Sachen in der Welt für vergänglich und geringschätzig hielte / so würde Er alle zugefügte Schmach / böse Nachrede und Verfolgung nicht achten. Die Welt ist die gröste Hofstatt / da man Laster und Tugenden zu feilen kaufe träget; Wer nun in derselben nicht das beste sich erkieset / wie will er denn Alles an kleinen Höfen zu Poltzen drehen? Der König ist so wohl der Gefahr / als die Unterthanen / unterworffen. Mangelt Jenem dieses / so mangelt dem Andern was Anders. Selten wird die rechte Vergnügsamkeit / und die wahre Ruhe des Gemüthes angetroffen. Es ist eine Unbesonnenheit / wenn man einen Dieb / der noch im Hause stecket / auf der Strasse verfolgen will. Eine noch grössere / wenn wir selbsten an einer Sache Schuld / und wollen solche auf einen andern wältzen. Wie offt streiten wir mit unsern Hertzen wegen der Tugend / und denen sich darbey präsentirenden Lastern? Bald greiffen wir zu jener / bald zu dieser / und betrigen uns dadurch vielmahls selbsten. Dafern König Pyrrhus / Hannibal / Pompejus / Marcus Antonius / Julius Coesar / und viel andere auftretten sollten / so würden sie gestehen / daß sie sich nicht so sehr über Andere / als über sich selbsten zu beklagen / indem Sie ihres Glücks nicht recht gebrauchet. Ihrer viel zehlen ihre Feinde nach der Ordnung / und lassen sich darbey selbst aussen. Wir betrügen Uns mit unserm Leben. Unsere eigene Lüste überfallen Uns / unsere eigene Widerwärtigkeit erschrecket / und unser eigener Ehrgeitz begräbet uns. Wir wissen weder recht zu lieben / noch zu hassen / zu erwehlen noch zu verwerffen / und / wenn Uns ein Glück oder Unglück auf [360] stösset / keines von beyden zu unterscheiden. Daferne wir nun vermeinen / daß wir zuweilen zu Hofe beleidiget / bedrenget oder verfolget werden / so soll man deßwegen den Muth nicht sincken lassen. Nichts ist unbesonnener / als wenn man in einer Sache zu gehling und zu geschwinde verfahren / und in seiner eigenen Meinung eigensinnig und stutzig seyn will: Besser ist es / daß man eine Stunde lang vor sich bedencke / was man reden will / als daß man ohne Bedacht hinein platze. Bey Hofe hat man ein gemeines Sprichwort: Es ist daselbst kein rechtes Leben / sondern lauter Widerwillen und Verdruß. Mangelt einem daselbsten Geld / oder Er kömmet in Ungnade / wird eines Lasters beschuldiget / und fällt in ein Unglück / da ist bey demselben nichts als Demuth / nichts als Ehrerbietung / nichts als Frömmigkeit / nichts als Sanfftmuth zu verspühren / so balde Ihm aber das Glücke wieder einen freundlichen Anblick giebet / so siehet und höret man an statt der Demuth die aufgeblasene Hoffarth / an statt der Ehrerbietung den Hochmuth / an statt der Frömmigkeit eine kalte Andacht / und an statt der Sanfftmuth / nichts als stachlichte Reden / also daß hierdurch das gute Vorhaben in einem Augenblick vergessen / und an das vorige widrige Verhängnus nicht einmahl gedacht wird. Nichts desto weniger aber ist der Hof so sanffte und angenehme / daß wofern ihrer Zehen sind / die solchen willig verlassen / hingegen ihrer Tausend anzutreffen / die selbigen aus Zwang und Widerwillen mit dem Rucken anzusehen pflegen. (Niemand hat sich daselbsten weder auf seine habende Gunst / noch Ansehen zu verlassen.) Kein Mensch hat sich in menschlichen Fällen auf Menschen zu verlassen. Kein Stand ist so sicher / der nicht alle Stunden der Gefahr unterworfen. Unser Leben ist dermassen arm und unglückseelig / so gar / daß auch alle Kümmernus / Mühe und Arbeit / so wir ausstehen / weit grösser als die jenige Freude / welche wir bey allem Uberflusse empfinden. Niemand ist bey Hofe so wohl daran / der sich kühnlich glückseelig rühmen könne: Denn / ob Ihm gleich Einer die Ohren kräuet / und das Maul mit seiner erlangten Hoheit und Ehren wässericht machet / so sind doch der Andern eine grosse Zahl / die denselben auf das hefftigste verfolgen. Mit grosser Mühe erlanget man die Königliche Gnade / mit grösserer Mühe erhält man sie / durch der geringsten Ursachen eine aber verschertzet man dieselbe. Und ob man sie schon wieder erhält / so ist sie doch selten also vollkommen / als die vorige. Denn niemahls vermag der / welcher ein Glas zerbricht / dasselbe wieder so vollständig zu machen / als es zuvor war. Wenig hat man auf die Wohlfarth seines Lebens zu hoffen. Die Schwachheit wird mit Uns gebohren / und nimmet wieder mit uns ab. Viel vermeinen / der zu Hofe das Hefft in den Händen / der sey der Ansehnlichste. Die alten Philosopbi aber behaubten das Gegenspiel / und sagen / daß das jenige Ansehen / so man zu Hofe in vielen Jahren erlanget / offt in einer einzigen Stunde hinwiederum verschwinde. Bey dem Keyser Severo hatte Einer / mit Nahmen Plautianus / bey dem Keyser Constantino Hortensius / bey dem Keyser Commodo Cleander / bey dem Keyser Vitellio Cincinnatus / bey Keyser Domitiano Ruffus / bey Keyser Diocletiano Patricius / und bey Könige Alexandro Magno Cratherus das höchste Ansehen; Fasset man aber den Zustand dieser vermeineten glück seeligen Leute alle zu Haufe / siehe / so wurden ihrer Zweyen die Köpffe vor die Füsse geleget / die Andern alle aber / und theils aus keiner / theils aus geringer Ursache erwürget und jämmerlich hingerichtet. Als Einer / mit Nahmen Servatius / gefraget ward / welches das Allersicherste und Gewisseste auf dem gantzen Erdboden wäre? Sprach Er: Nichts / als daß Alles ungewiß. Die bey Hofe in Ansehen / sind [361] nichts anders als Karten und Würffel / die bald wenig / bald viel gelten / und auf die einer bald schilt und flucht; Ein Ander aber Sie drücket und liebkoset. Vielmahls siehet man / daß / wenn Einer vermeinet / Er gehe am sichersten / Er am allerersten ein Bein oder Arm zerbricht. Keiner bilde sich ein / daß das Feuer / ob es schon verdeckt liege / nicht brenne. Keiner / daß der Hof so beständig / welcher Ihn nicht stürzen könne. Man frage einen Jeden Hof-Mann / wie es Ihm gehe? So wird Er bald antworten: So mißlich / bekümmert / veracht / und nicht viel Geld! Alle die Jenigen / so anfangs nach Hofe kommen / vermeinen daselbsten die Alleransehnlichsten und reichesten zu werden / sobald Sie aber arm / vergessen / und unerhöhet bleiben / so schätzen sie sich selbst für die Unglückseeligsten / Sie haben aber nicht Ursache sich darüber zu beschweren: Denn weil Ihr Wille selbst gewesen / dahin zu kommen / so sind Sie selbsten Schuld daran; Wollen derohalben Sie länger daselbsten verbleiben / so richten sie sich nach der Zeit und Gelegenheit: Tragen Sie verlangen / befördert zu werden / so bemühen sie sich um dieselbe Beförderung: Gefället es Ihnen bey Hofe wohl / so schweigen Sie / und dulden / was zu dulden stehet / gefället Ihnen aber das Hof-Leben nicht / so entschlagen sie sich desselben. Denn es sind zu Hofe zwey Mittel / warum man sich nach demselben dringet und reisset / nemlich daß der Arme reich / und der Reiche daselbst höher zu werden und ans Bret zu kommen gedencket. Die Frömmesten sind zu Hofe am dünnesten gesäet. In Aegypten war Moses an des Pharaonis Hofe der Eintzige: Tobias an dem Ninivitischen / und Daniel an dem Babylonischen. Grosse Herren / saget man / theilen allein die Gnade aus: Die Ehre den Verdienst: Das Glücke das gute Gerüchte: GOtt aber giebet die Weißheit und den Verstand alleine denen / welchen Er will. (Des eine Glücke ist offters des andern Unglücke.) Zu Hofe erlanget man offters die Gnade mit grosser Mühe / und verschertzet Sie hinwieder durch den geringsten Fehler. Nichts desto weniger aber soll man an eines grossen Herren Gnade nicht zweiffeln. Denn Ihrer viel kommen deswegen nicht fort / weil Sie vermeinen unglückseelig zu seyn / und bloß / weil Sie blöde / und sich für Andern nicht herfür zu thun vermögen. Daß Etliche befördert / und darüber reich / gewaltig / und zu grossen Ehren kommen / geschiehet weder um Fressen / Sauffen noch der Faulheit / sondern um Ihrer Arbeit und Emsigkeit willen. Daß aber Etliche jähling empor steigen / geschiehet um des willen / weil Er es entweder würdig / oder daß solches ein Anderer / welchen man abgesetzet / verursachet. Bey dem Keyser Constantino war anfangs Einer / mit Nahmen Aemilius / in grossen Gnaden. Er fiel aber hernach / und kam an seine Stelle Lysander. Als nun ein Freund des Lysandri Ihme seine Undanckbarkeit verwiese / sprach dieser: Daß mich der Keyser befördert / dasselbe ist mehr um des Aemilii Verbrechen / als durch Vorbitte deiner geschehen! Der Hof gleichet sich einem siedend-heissen Topfe / daran sich ihrer viel / welche allzu begierig / das Maul verbrennen. Als ein alter Hof - Mann gefraget ward / wie es zu Hofe zugienge? sagte Er: Injurias accipiendo, & gratias agendo: Man muß daselbst allerhand Unrecht erdulden / und Sich noch darfür bedancken. Besser wäre es dem aufrichtigen Urias gewesen / wen̅ Er nicht nach Hofe kom̅en / als daß Er darüber aufgeopfertwerden muste. Da der Prophet Micha zu dem Könige Achab gen Hofe kam / empfieng Er / daß Er dem Könige die Warheit sagte / und Ihn für Schaden war [362] nete / einen Backenstreich / ward in den Kercker geworffen und mit Wasser und Brod gespeiset. Ein Stadt-Hund bekame einsmahls Lust die Hofe-Suppen zu kosten / gerieth über die besten Speisen / und fraß sich daselbsten satt und dicke / als Ihn aber der Koch ertappte / prügelte Er ihn so lange in dem Gewölbe herum / bis daß der Hund aus Noth eine grosse Höhe durch ein Fenster hinunter sprang. Wie nun ein ander Hund fragte: Wie Ihm der Hofgang bekommen? sprach Er: So hin! Es giebet daselbst zwar gute und feiste Suppen / die Sprünge aber sind hoch. Es heisset zwar einen gnädigen Herren / einen gnädigen Hof / als wie man siehet an dem Prophen Daniel beydem Könige Dario in Meden; An dem Gedalia bey dem Könige Nebucadnezar / welcher Ihn zum königlichen Stadhalter über das übrige Jüdische Volk setzete / von dem Ismael aber und seinem Anhange um das Leben gebracht wurde / und an dem David bey dem (Psalm. 164.) Könige Achis. Allein David spricht selbsten: Verlasset euch nicht auf Fürsten / denn sie sind Menschen. Die Tochter Pharao nam Mosen an Kindesstatt auf / da aber derselbe sich eines von seinem bedrängetë Geschlechte annahm / da war die Gnade aus. Sterbliche Menschen / sterbliche Gedanken. Mit dem Wirthe verändert sich das Haus. Wenn ein Diener des Herrn Gnade durch seine treue Dienste erwirbet / und vermeinet / Er habe Sich numehro um denselben wohl verdient gemacht / und derselbe gehet mit Tode ab / so fällt die Hoffnung in Brunnen. Ihrer viel verlassen Sich auf dergleichen Gnade / werden darüber stoltz / und Hochmüthig / und bringen Sich selbst in den zeitlichen Untergang. Euximedes war bey dem Könige Ptolomeo in grosser Gnade / und weil Er sehr geehret und reich / fragte Er einsmahls den Weltweisen Mann Cuspidem: Ob Er auch Ursach sich dißfalls traurig zu bezeugen hätte? Cuspides aber antwortete und sprach: O Euximedes! Dafern du ein Weltweiser wärest / wie du des Königes Höfling bist / so würdestu viel anders reden! Denn / ob dich schon Ptolomeus nicht höher erheben kan / so kan dich doch das Glücke viel tieffer herunter stürzen. Weistu nicht / daß vortreffliche Gemüther es viel höher empfinden / wenn sie nur einzige Stuffe der Ehren müssen herab steigen / als Sie Freude gehabt / da Sie derer etliche hinauff gestiegen? Ein Glück seliger bedarff so wohl des Raths / als ein Unglückseliger der Hülfe. Denn des Glückes Eigenschafft ist doppelt: Eines theils ehret es die Menschen / anders theils bemühet es sich / wie es dieselben fällen möge. Und / gleichwie die grösten Schiffe in der tieffsten See die gröste Gefahr ausstehen / und die schnellesten Winde / die höchsten Bäume umschlagen: Also ziehet auch selten das Glücke von Einem die Hand ab / es sey denn / daß es Ihn zuvor an das Bret gebracht. Da man den Agesilaum ersuchte / daß Er Sich auf den Berg Olympium begeben / und allda nicht allein die Reichesten / sondern auch die Weltweisen zusammen kommen / und von den klügesten Dingen disputiren sehen möchte: Gab Er zur Antwort: Dafern man auf dem Olympo die Traurigkeit gegen die Freude / die Krankheit gegen die Gesundheit / und das Leben gegen den Tod kauffete und verwechselte / so wollte Ich mich dahin verfügen / und mein Haab und Gut vertauschen / alldieweil aber sowohl der Käuffer als Verkäuffer des Todes Schuldner / so wird mir solcher Kauff zu meinem Tode wenig behülfflichen seyn. Keiner ist ärmer / als dem niemahls nichts gemangelt: Keiner ist der Versuchung näher / als / wenn Ihm niemahls nichts zugestossen / und keiner geräth eher in die Gefahr / als wenn Er sich niemahls in derselben befunden hat. Denn / wenn ein solcher [363] vermeinet / Er sey bey Hofe Hahn im Korbe / so fällt Er öffters in die schnödeste Verachtung / also daß Ihn auch der Geringste nicht anders denn quer über die Achsel ansiehet. Vielmahls bedarff man zu Hofe eine (Grosser Herren Zorn ist gefährlich) bessere Resolution als im Krieges-Wesen. Denn / wenn man dafelbst die vielfältige Mißgunst / die hingegebene Freyheit / das beschwerliche Leben / die gefürchtete Ungnade / die besorgliche Verkleinerung der Ehre / und andere Zufälle mehr ansiehet / so bedarff man mehr Vorsichtigkeit sich aus dergleichen allen / als bey jenem / wieder heraus zu wickeln. Dahero thut der jenige nicht unweißlich / daß wenn Er dergleichen Ungewitter vor sich aufziehen siehet / Er bey Zeiten mit guter Gelegenheit Sich hiervon los zu wircken suche. Sobald als Moses an des Pharaons Hofe seine Gnade verscherzet sahe / machte Er sich aus dem Staube / wohnete in dem Lande Midian / und wartete bis Ihn GOTT zu was bessern berieff. Ebener Gestalt that auch Jerobeam. Denn / nachdem Salomo eine Ungnade auf Ihn warf / flohe Er zu dem Könige Sisack in Aegypten / und hielte sich daselbsten so lange uf / bis Salomo starb. Wiewohl es nun zwar mit der Hof-Gnade / wie mit andern weltlichen Dingen beschaffen / daß so lange man darnach strebet / sie einem viel ansehnlicher und herrlicher vorkommet / als man sie Sie hernacher in der That befindet / so hat doch GOTT auch vielmahls feine Hand darinnen / wie man solches an dem frommen und gottsfürchtigen Tobia siehet. Dennn nimmermehr wäre er bey dem Syrischen Könige Salmanassar in Gnaden kommen / woferne solches GOTT nicht gethan. Bey dem keuschen Joseph war der HErr vor wie nach. Ja Er neigete auch des Königes Arthasasta und seiner Räthe Herzen dermassen / daß / ungeachtet sie Heyden / sie dennoch dem (Esr. 7, v. 27.) Priester Esra und denen Jüden erlaubeten / damit sie nicht allein den Tempel zu Jerusalem baueten / sondern auch selbsten reiche Beförderung und Gaben darzuthun und herschiessen liessen. (Nicht zu nahe / nicht zu weit.) Qui procul à Jove, procul à fulmine. Weit darvon ist gut fürm Schuß. Als der Ertz-Vater Abraham in Aegypten und an des Pharaons Hof kahm / blieb Er zwar bey dem Könige in Gnaden: Die Schönheit seines Weibes der Sara aber hätte Ihn bald in das euserste Unglück gestürzet. Zu Hofe hat Jedweder seinen Verfolger und auch seine Sorge. An Keyser Carl des Fünften Hofe beklagte sich Einer / daß Er so lange gedienet / und niemahls keine Beförderung gehabt hätte / dem antwortete der Keyser: Je näher der Mond bey der Sonnen stehet; ie weniger wird Er von ihr beleidiget. Von alten Hof-Leuten saget man: Wenn die Feder stumpf / so wirft man sie unter den Tisch / und wen̅ die Jagthunde alt / so läßt man sie verhungern. Ein geringer Fehler verursachet offters den grösten Unfall. Ein vornehmer Minister in Frankreich / welcher zwer en Königen daselbsten für einen Rath gedienet / ward / da Er vermeinte die höchste Ehren-Staffel erstiegen zu haben / in das Gefängnis geworffen. Nachdem Er nun sahe / daß seine treugeleisteten Dienste nicht helffen wollten / sprach Er: Es geschehe Ihm recht / alldieweil er so viel Jahre den Menschen gedienet; hätte Er aber Gott ein einziges Jahr besser seine Schuldigkeit erwiesen / so würde Er mehr / als von denselben zu gewarten gehabt haben. Graf Rupert von Essex war ben der Königin Elisabetha in England in den grösten Gnaden / und ward insonderheit von Männiglichen hochgehalten: Nachdem Er aber daselbsten in Ungnade fiel / ist Er letzlich uf der Königin Befehl enthauptet worden. Die Fabel vom Fuchse giebet Uns eine gute Lehre hiervon. Denn als derselbe nach abgelegter Beichte mit der Bedin [364] gung die Absolution erhielte / daß Er als Pilgram nach Jerusalem eine Wallfarth thun möchte / der Königliche Hoff des Löwens Ihm auch solches erlaubete / da fanden sich bald seine Feinde / die Ihn als einen öffentlichen Strassen-Räuber anklagten. Weil nun derselbige wenig gute Freunde / Die Ihn entschuldigten / daselbst hatte / giengen die meisten Stimmen dahin / daß man Ihn für einen Schelm / Mörder und Dieb erkennen / deßwegen Steck-Briefe ausschicken / und wo man denselben bekäme / zur gefänglichen Hafft bringen sollte. Nachdem aber solches die Königin erfuhr / trug sie deßwegen mit dem Fuchse ein Mitleiden / und brachte es endlich so weit dahin / daß man der Sache biß zu seiner Widerkunfft Anstand geben sollte. Woraus unter andern dieses zu lernen / daß gleichwie man sich zu Hofe leichtlich verbrennen kan / Also sollen hingegen Regenten nicht alsobald einem ieden Dinge Glauben zustellen / und ohne reiffliche Berathschlagung keine Execution ergehen lassen / die jenigen aber / welche ihrem Unfall auf keinerley wege zu entgehen vermögen / sollen denselben mit Glimpfe verschmertzen / und solchen mit der Gedult bedecken.

Zu einer Königlichen Regierung gehören auch Räthe / als welche die Augen eines Königes und Regenten sind.
[arrow up]

Räthe sind gleich denen Aertzten / welche sich nicht nach dem / was einem Kranken angenehm und gefällig / sondern (Prov. c. 11. v. 14.) nach solchen Dingen / was demselben nützlich und zu seiner vollständigen Gesundheit ersprießlichen / zu richten pflegen. Wo kein kluger Rath ist / da gehet das Volk unter; Wo aber viel Rathgeber sind / da gehet es wohl zu. Als König Philippus der Andere in Spanien sich mit seinen Räthen berathschlagete / wie Er mit dem König Heinrichen dem Vierten in Frankreich einen Frieden eingehen möchte / sagte ein Jeder Rath hierüber nach der Ordnung seine Meinung. Nachdem aber Einer / mit Namen Mora / nicht mit des jungen Prinzens Meinung übereinstimmete / und solches demselben dermassen verdroß / daß Er Ihm auch von der Tafel aufzustehen und zu entweichen befahl / verwieß solches der König dem Prinzen ernstlich und sprach: Es gebühret sich nicht alten Räthen über eine und die andere Sache mit Vernunfft anzuhören. Potentaten sollen viel hören und sehen / weil sie aber nicht mehr Ohren und Augen haben / als andere Menschen / so erfordert die Nothdurfft / daß Sie sich derselbigen zugleich mit gebrauchen. Wenn ein König noch so ein scharffes Gesichte zu haben vermeinet / also daß Er sich dadurch einbildete / als könte Er damit alles ausrichten / so wird er vielmahls bey der geringsten Sache stolpern / wofern Er nicht schärffere Augen bey der Hand hat. Des Königes Ahasveri Räthe kamen niemahls von seiner Seite / sondern Er beredete sich von allen mit Ihnen / wie die Könige im Gebrauch hatten. Nur der jenige / der alles mit Rath angreiffet / wird durch die Weißheit regieret. Niemand verstehet alles alleine / und bey keinem mag alles zu wissen gefunden werden. In einem Raths-Collegio höret ein Potentate ihrer [365] viel / lässet seine gefaßte Meinung fallen / und ergreiffet von ihnen den besten Ausschlag. Keyser Antonius sagte: Es ist besser / daß Ich meiner Räthe Rath folge / als sie dem Meinigen. Einem ungelehrten Fürsten / der sich bey denen Seinigen Raths erholet / schlägt sein Vorhaben besser aus / als einem Verständigen / der auf seiner Meinung beharret. Es hat aber allhier nicht die Meinung als ob ein König und grosser Herr ohne seiner Räthe Augen nicht sehen könte / denn solcher Gestalt müste Er blind befehlen / und würde dadurch von denen Seinigen in nicht geringe Verachtung gesetzet werden / sonderner foll seine Regierung mit tüchtigen un̅ geschickten / Geist- und Weltlichen Räthen / Officirern und Beamten also bestellen / daß das Land allenthalben wohl regieret werde. König Ferdinand in Spanien sagte: Die Räthe wären zwar der Könige Augen / allein der jenige König wäre unglück seelig / welcher einzig und allein durch solche sehen müste. Er sehe zwar seines Orts dadurch auch / aber anderer Gestalt nicht / als wie durch die Brillen. Denn / wo die Räthe merkten / daß der Ausspruch einer Sachen nur auf sie beruhete / so dreheten sie solche offters zu ihren eigenen Zweck herumb / und würden alsdenn / wenn der Ehrgeitz darzu käme / vielfältige Factiones daraus. Ein König ist so wohl ein Mensch als ein anderer / und kan zugleich nicht an vielen Orten sagen / sehen und hören. Darum / so muß Er getreue Räthe haben / die seinem Lande und Leuten helffen vorstehen. Da König Ahasverus sich über die stolze Vasti erzörnete / wollte Er nichts ohne Rath wider Sie vornehmen / sondern beruffte seine Räthe vor sich / und vernahm hierüber ihr Gutachten. Wie insgemein gottlose Regenten gottlose Diener haben / wie an dem Könige Ahasia zu ersehe̅; Also pflegen auch from̅e Fürsten / from̅e und aufrichtige Räthe um sich zu führen / wiewol zuweilen auch gottlose Könige auch from̅e Bedienten um sich gelitten haben. Obadias dienete dem gottlosen Könige Achab / nichts destoweniger behielte Er sein Gewissen rein / und speisete die Propheten / (In wichtige̅ Dingen soll man nicht eine̅ Rath alleine hören. Philippus Cominae???9.) welche getödtet werden sollten. Als An. Christi 1466. die Leodienser HerzogPhilippen von Burgund seinem Lande grossen Schaden zufügeten / und Er Alters halben Sie zu bekriegen nicht vermochte / befahl Er seinem Sohn Carln dieselben zu überziehen. Wie nun dieses die Leodienser erfuhren / wurden sie kleinmüthig / baten um einen Anstand / und schickten zu Herzog Carln aus ihrem Mittel etliche Geissel / mit der Bedingung / daß / wo Sie den gemachten Anstand nicht halten würden / Er alsdenn mit denenselben nach Gefallen gebahren möchte. Es truge sich aber in kurzer Zeit zu / daß sie den Frieden schändlich brachen / und setzten sich wider denselben mit gewaffneter Hand. Dieses verdroß den Herzog / und hielt darauf Rath / wie Er sich gegen die Geissel verhalten sollte. Die Räthe waren unterschiedlicher Meinung; Der Eine meinete / man sollte sie henken lassen: Der Andere hielte dafür / die Gnade und Gütigkeit wäre billig der Unbarmherzigkeit vorzuziehen: Der Dritte: Man sollte Gnade für Recht / sie los / und Ihnen darbey unterfagen lassen / daß Sie bey ihren Principalen diese Gnade rühmen / und solcher Wolthat eingedenck seyn sollten. Als derohalben dieser Meinung die andern Räthe alle beyfielen / war auch Herzog Carl damit zu frieden / und gab die Geissel oder Bürgen los / unangesehen / daß Ihre Principalen den selbst-angebottenen Stillstand der Waffen leichtfertig gebrochen haten. (Eines Raths Tugende̅.) Wann soll ein Königreich oder Land wohl regieret werden / so gehören darzu beydes kluge / getreue und gewissenhaffte Räthe / und denn redliche Diener und Beamten. Bey allen Städten und Völckern ist es [366] (Sallusti us de Rep. Ep. 2.) iederzeit glücklich daher gangen / wo gute und getreue Rathschläge ihren Platz gefunden. Und obwohl ein grosser Herr in allen seinen Sachen klug und verständig / so muß Er doch zu Zeiten einen guten Rath haben. Denn es träget sich zum öfftern zu / daß zu Zeiten auch der Weiseste nicht iederzeit das siehet / was Er sehen sollte / welches hingegen geringe Leute (Johann Cokkier.) beobachten. Von denen Politicis wird darfür gehalten / daß ein Rath eines mittelmässigen / guten und gesunden Verstnades seyn solle: Denn / die jenigen / welche gar zu spitzig und subtile / würden dahero nicht für tauglich erkennet / indem sie wegen ihrer vielfältigen Einfälle nicht wie die Andern so fertig / und sich sobald nicht / wobey sie verbleiben wollten / erklären könten. Ihre hohe Ingenia wollten allenthalben durchdringen / stets was Neues auf die Bahne bringen / urtheilen ihres Gegenparts Rathschläge nach ihrer subtilnen Meinung / und bleiben niemahls gernebey ihren gefaßten Rathschlüssen. Wer sich wohl in die Zeit schicket / ist Einer der besten Räthe mit / woferne solches ohne Verletzung seines Gewissens / und dem gemeinem Wesen / und dem Vatterlande zum Besten geschiehet. Wenn Einer arbeitsam und unverdrossenes Gemüthes ist: Wenn Er durch langwierige Experienz und Erfahrenheit eine sonderbare Klugheit und Verstand erlanget; Wenn Er einer beredten und geläuffigen Zunge / vermittelst derer Er seine Meinung und Gutachten / mit einer besondern Anmuthigkeit vorzubringen weiß. Wenn Er frembder Sprachen kundig; Die Geschichte wohl gelesen; Bey allen Berath schlagungen weder auf Gunst noch Ungunst siehet / und seine Meinung und Gedanken eröffnet / wie es Ihm um das Herze; Wenn Er beständigen und unwandelbaren Gemüthes / und die Warheit ungescheuet heraussaget / iedoch daß solche vermeinte Beständigkeit keine Hartnäckigkeit nach sich ziehe. Wenn Er seine geführte Rathschläge in Geheim hält; denn es ist sonst nicht genug / daß man eine Sache reiflich erwege / und berathschlage / sondern man soll (Polyb. lib. 9.) Sie auch verschweigen. Nam primum praecipuumq???;, quod ad felicem Consilii exitum requiritur, est silere. Wenn Ich wüste / sagte dort Caecilius Metellus / daß dieses mein Kleid / welches Ich an dem Halse trage / einige Wissenschafft von meinen Rathschlägen hätte / so wollte Ich dasselbe alsobald ausziehen / und ins Feuer werffen. Ferner / wenn sich Einer einer sonderbaren Bescheidenheit gegen alle Menschen gebrauchet / sich in seinem tragenden Amte nicht überhebet / noch deßwegen stoltz und aufgeblasen wird. Gleichwie nun solche / und dergleichen Eigenschafften an einem Rathe sehr löblich / und rühmlich; Also hat Er sich auch für allerhand bösen Affecten / für Has und Neid / für Widerwillen und Feindschafft / für Zorn und Eigen-nutzen / für allzu schnellen Rathschlägen / un̅ unbedachtsamer Ubereilung zu hüten / sondern Er soll vielmehr Gott für Augen haben; Einer ieden Sachen auf das schärffeste nachsinnen; Das jenige / was Er bey sich selbsten wohl erwogen / mit seines gleichen überlegen; sich im consultiren Zeit und Weile nehmen / die Umstände wol erwegen / und insonderheit / wie gedacht / für die Ubereilung / für die unziemlichen Begierden / für die Halsstarrigkeit und Vermessenheit sich wohl vorseben. Denn in allen Dingen ist die rechte Zeit und Maße wohl in Acht zu nehmen / welche bey allen angefangenen Werken deroselben glückseeligste Vollenderin ist. Nicht allemahl sind bey denen Raths-Stimmen die meisten die besten. An den Königlichen Hofe des Zedekiae beschloß man / den Propheten Jeremiam in der Grube hungers sterben zu lassen; Der Cämmerer Ebedmelech rieth dem Könige ein besseres: Herzog Philipp der Andere in Bur [367] gund hielte über eine gewisse Sache Rath / und als alle Räthe seiner Meinung beyfielen / widerlegte solche sein Cantzler alleine / und da Er vermerkete / daß es dem Herzogen verdroß / schickte Er demselben das Ihm anvertraute Insigel gen Hofe / und ließ Solchem darbey andeuten / daß Er lieber seines Amts müssig gehen / als sein Gewissen mit unbilligen Rathschlägen beflecken wollte. Welche Aufrichtigkeit denn dem Herzoge so wohl gefiel / daß Er Ihn wieder nach Hofe berief / und mehr als zuvor in Ehren hielt. Wohlgemeint ist nicht allezeit wohl gethan. Marggraf Dietrich von Brandenburg lehnete sich wider den Wendischen Fürsten Mistovium und alle Wenden auf / verfolgete dieselben mit Genehmhaltung seiner Räthe allenthalben / und vermeinete Sie gar auszurotten. Als aber Mistovius den äusersten Untergang vor sich sahe / ermahnete Er die Seinen zu den Waffen / verließ hinwieder die Christliche Religion / und zog mit einem Krieges Heere gegen den Feind. Der Marggraf wollte seiner benachbarten Hülffe nicht erwarten / hielte mit den Wenden in der ersten Hitze ein hartes Treffen / also daß Er bald darauf geschlagen / von Land und Leuten verjaget / und niemahls sein Land wieder bekommen kunte. So offte Er aber hernacher an dieses Unglücke gedachte / beweinte Er sein Erlend / und bekennete darbey / daß Er um des willen GOTtes Zorn wider sich erwecket / indem Er seine Unterthanen mit allzugrossen Beschwerungen beleget / sich auf sein Reichthum und allzu grosse Macht verlassen / und nichts mit Bescheidenheit gehandelt hätte. (Treuer Räthe Lob.) Die Authorität der Räthe erhält auch die Authorität eines Königes: Joas der König in Juda nennete den Propheten Elisa seinen Vater: König David den Husai seinen Freund: Pharao den Joseph einen Vatter des La̅des / und König Demetrius den Lasthenem einen Landespfleger. Verständige Leute sind gleich den Aertzten / welche nicht verordnen / was den Kranken gefällig / sondern was denselben ersprießlich un̅ nützlich. Euripides sagte: Eines getreuen Raths guter Rath wäre besser als ein Kriegs-Heer / weil dieses viel Unheil anrichtete: Jener aber viel Gutes stifftete. Als in Gegenwart Keyser Carln des Fünfften discurriret wurde / daß ein Fürste von seinen selbsteigenen Sachen Wissenschafft haben sollte / bejahete solches der Keyser / und sagte darbey dieses: Getreue Räthe / wären eines Potentaten Ferne-Gläser / deren Er sich nothwendig gebrauchen müste. Sie sind nicht allein Gläser / sondern auch Zeiger in der Uhr / die nicht eher schlagen / es habe denn dieser seinen Punct erreichet. Obwohl ein Jeder vermeinet / Er könne einen guten Rath geben / so giebets doch die Erfahrenheit / daß ihrer wenig solches mit gnugsamen Verstande zu Wercke richten können. Keyser Friedrich der Dritte sagte: Er liebe alleine die jenigen Räthe / welche ihren Fürsten nicht mehr denn GOTT fürchteten. Keyser Carl der Grosse gab / seinem Sohn Ludewichen bey dessen Crönung die Lehre: Daß Er GOTT fürchten / die Christliche Kirche für falscher Lehre beschützen / seinem Geschwister gutes erweisen / die Geistlichen ehren / die Unterthanen als Kinder lieben / und sich treuer und aufrichtiger Räthe befleissigen sollte. Als sich zu Zeiten Keyser Friedrichs des Dritten etliche Stände beschwereten / daß Er zu Hofe einen Brü-Schenken alles regieren liesse / sagte Er: Es ist in Warheit keiner / der an seinem Hofe nicht einen dergleichen hat / der Alles in Allem ist. Wie nun Räthe nicht auf ihren eigenen Nutz und Ehre / sondern auf GOTT / das Recht / und die Gerechtigkeit / und auf des Königes und Herrens gemeine Wohlfarth zu sehen haben / als da war der Rath Pichol / Eleazar bey dem Abraham / und [368] Obadia bey des Königes Achabs Hofe: Also nehmen hingegen die / welche ihre eigene Bereicherung für den Zweck ihrer Dienste halten / Andere nebenst sich unterdrucken / und in ihrem Stande allzuhoch erheben / ein Ende mit Schrecken.

Je mehr Unterthanen / ie höher und reicher ein Königreich und Land für andern zu schätzen ist.
[arrow up]

WO keine Unterthanen / da ist auch keine Königliche Gewalt. Ein Graf von Nassau sagte: Ich habe unter Mir 90. Bauern / derer Jeder mir im Fall der Noth ohne Verlust seines Haabes und der Nahrung mit 400. fl. an die Hand gehen kan. Und dieser Vorrath ist gewisser / als wenn ich solchen in der Kiste hätte. Der Unterthanen gutes Vermögen und Wohlstand ist der Regenten reichester Schatz / der nicht müssig lieget / sondern täglich wuchert. Da König David für seinem bösen Sohndem Absolon fliehen muste / geselleten sich Barsillai / Ithai / Husai / und andere getreue Unterthanen im Lande zu Ihm / welche nicht allein mit demselben ein grosses Mittleiden hatten / sondern sie sprungen Ihm auch mit Rath / That / und Proviante bey. Der Unterthanen Gehorsam / welcher aus Furcht und Gewalt entstehet / währet so lange als diese / sind solche hinweg / so hat man sich auf dergleichen Unterthanen wenig zu verlassen. Herzog Eberhard zu Würtenberg regieret seine Unterthanen mit sanffter Gnade und Recht / deßwegen kunte Er sich auch seiner Unterthanen Schutz und Sicherheit rühmen / da hingegen Herzog Ulrich zu Würtenberg sie mit vielen Auflagen beschwerete / und dahero wiederum von Ihnen / als Er mit dem Schwäbischen Bund in einen Krieg geriethe / verlassen wurde / also daß Er eine zeitlang sein Land mit den Rücken ansehen muste. (Wie Unterthanen zu erhalten.) Man kan die Unterthanen nirgends besser / als auf zweyerley Weege erhalten / Nemlich / wie König David sagte: Durch Gnade und Recht. Durch das Recht / wenn ein König sie rechtmässiger Weise beschützet / zuförderst sie bey der reinen Lehre GOTtes lässet / Gerechtigkeit im Lande heget / und in allen sich unpartheyisch erweiset. Durch die Gnade / wenn Er gegen dieselben sanfftmüthig / und freundlich / allenthalben ihr Bestes suchet / Sie wider Recht und Herkommen mit neuen Auflagen nicht beschweret / und sich gegen dieselben also verhält / damit Sie Ihme bey ereigneter Noth desto williger und besser beyspringen können. Wirfft man den Krug zu Boden / so zerbricht er; Milckt man die Kuh zu sehr / so giebt sie Blut: Belegt man die Unterthanen zu viel / so zuschmelzen sie / wie Schnee. Niemand ist gerne unter einen strengen und geitzigen Regenten / und selten kan der jenige Fuhrmann wohl fortkommen / welcher stürzende Pferde hat / Regenten hauen sich selbsten Hände und Füsse ab / wenn sie die Ihrigen zur Unvermögenheit treiben. Die Freyheit vergleichet sich einer Jungferschafft / wo die verlohren / so ist die Dienstbarkeit am nächsten. Das sind die (Die besten Unterthanë.) besten Unterthanen / welche GOtt und ihre ordentliche Herrschafft ehren. Es ist ein unwidertreiblich Gesetze; GOtt als dem Schöpfer aller Dinge [369] lieben / ehren / und zugleich auch fürchten. Desselbigen Ordnung aber erfordert auch seine vorgesetzte Obrigkeit in Ehren zu halten. Denn es heisset: Fürchte GOTT und ehre den König. Treu und Glauben ist der sicherste Gehorsam. Da Simon der Maccabäer Fürste / durch das Wahlrecht zur Jüdischen Regierung kam / huldigten sie Ihm gutwillig / und gelobten an / treu und gehorsam zu seyn / welches nicht ein geringes. Denn wer einen Eyd verachtet / den Bund für nichts hält / Treu und Glauben bricht / der verachtet den / durch welchen Er geschworen. Ein Jeder ist vermittelst seiner Schuldigkeit und Pflicht seines Königes und Herren Hoheit und Ehre zu befördern / und das böse von Ihm abzuwenden verbunden. Der Gethither Ithai wollte lieber mit dem Könige David in das Elend gehen / als bey dem aufrührischen Könige Absolon grosse Beförderung und Ehre erwarten. Gleichwie nun die Unterthanen hierdurch ihre Liebe gegen ihre Obrigkeit blicken lassen: Also lieget Ihnen zu Erhaltung der gemeinen Wolfarth / des Geist- und Weltlichen Standes eine gemeine Anlage zu reichen ob. König Joas ließ mit Vorbewust des Priesters eine allgemeine Kirchen-Collecte zu Erbauung des Tempels in gantzem Lande verkündigen. Das Regenten-Recht bringet Es mit sich / daß man zum Behuf des gemeinen Wesens Auflagen machen / und hinwieder gebührend verwenden (1 Chrö. 30, 7.) solle. Da König David das Jüdische Volk zu Erbauung des Tempels um eine Beysteuer ersuchte / erklärete sich dasselbige willig darzu / und brachte Ihm 5000. Centner Goldes und 10000. Centner Silbers / 18000. Centern Ertzes / und hundert tausend Centner Eisen an. (Die Gefahr des Aufstandes.) Niemand soll sich leichtlich zu einen Aufstande bewegen lassen. Denn es ist dergleichen gar leichtlich anzurichten / denselbenaber zu stillen / ist nicht eines ieden Menschen. Die Alten hatten ein Gesetze / daß welcher einen Aufruhr anrichten würde / der sollte sterben / und hingegen der / welcher denselben wieder stillete / beschenket werden. Als nun Einer einen dergleichen anrichtete / und bald wiederum selbst stillete / wollte Er den versprochenen Recompens haben. Der Richter aber gab Ihm den Bescheid: Weil du den gefährlichen Aufstand selbst erwecket / solltu billig die gesetzte Straffe leiden / hernach / wenn du kanst / die darauf gesetzte Verehrung wegen der gestillten Revolte in Empfang nehmen. König Ludowig dem Eilfften schickte Franciscus Sforza wider seine Rebellen einzige Hülffe / und ließ Ihn darbey vermahnen / Er sollte seinen Aufwieglern alles bewilligen / wenn sie nur seine Unterthanen verblieben / im übrigen würde sich mit der Zeit der Handel schon selbsten verlieren. Nachdem einsmahls sich Etliche in einer Stadt sehr aufrührisch bezeigeten / sprach Einer: Wo soll man den Brand angreiffen? Dem der Ander antwortete: An dem Orte / da Er nicht glüet / das ist / man soll die Sache mit wenigen abreden / welche den Aufrührischen (Sir. c. 26. v. 5.) nicht beyzupflichten scheinen. Drey Dinge / sagt der weise Mann / sind erschrecklich / und das vierte ist greulich: Nämlich Verrätherey / Aufruhr und unschuldig Blutvergiessen. Gemeiniglich henget an solchem Aufftande (Num. 4.) die Straffe. Sobald Korah / Dathan und Abiram mit ihren aufrührischen Haufen sich wider Mosen und Aaron empöreten / so wurden sie von (Homerus.) der Erden bedecket / und lebendig in die Hölle gebracht. Res est gravis occidisse Regiam stirpem. Es ist eine schwehre Sache / wenn man ein königlich (Bonfini??? lib. 3. Decad. 4. p. 564. n. 28.) Geblüte umbringet. Als die Ungarischen Stände König Matthiam wieder vom Reiche verstossen wollten / sagte der Ungarische Palatinus Michael. Orsac zu Ihnen: Den jenigen / welchen man mit der Heil. Crone gekrönet siehet / denselben soll man / ob Er gleich ein Kind-Vieh wäre / [370] nichts destoweniger verehren / und für einen gesalbten König halten. Gleichwie aber eine Feuers-Brunst nicht allezeit in grossen und herrlichen Gebäuden / sondern vielmahls in ganz geringen Häusern zu entstehen pfleget: Also rühret auch zuweilen ein Aufstand von unächtigen Personen her / und breitet sich dermassen aus / daß die ganze Stadt darüber zu leschen hat. Als sich Einer mit Namen Lysander wider den Lacedämonischen König Agesilaum empörete / hieng Er sich an Etliche Andere / lernete eine aufgesetzte Rede auswendig / und wollte darinne / wenn Agesilaus in die Stadt käme / Ihme das Volk abspänstig machen. Nachdem aber Agesilaus dieses erfuhr / und mittler Zeit Lysander starb / wollte Er solche Oration dem Volke öffentlich ablesen lassen / damit sie sehen möchten / was für ein aufrührischer Mann derselbe gewesen. Es widerrieth Ihm aber solches Einer von den Vornehmsten in der Stadt / mit Nahmen Cratides / daß Er es um zweyer Ursachen willen nicht thun sollte: Erstlichen / weil sie zu spitzig und hitzig / und dadurch der gemeine Mann leichtlich zur Neuerung könte gebracht werden; Zum andern / so wollte es sich / weil Lysander numehro tod / auch nicht geziemen / daß Er wider denselben etwas vornehmen lassen sollte; In welchen beyden Stücken den̅ auch Agesilaus gehorchete / und mehr auf das gemeine Wesen / als auf die Ihm angethane Beleidigung sahe. Will man aber sich der Gefahr des Aufstandes entbrechë / so soll man denen Unterthanen die Mittel darzu benehmen / daß sie aus Mangel derselben nicht wol darzu gelangen können. Nihil Imperio sive Monarchico, sive Aristocratico magis adversum, quàm si subditis licet conventus agere, suo magis quàm Principis aut Regentium nutu, gestalt man denn insonderheit dahin zu sehen hat / daß dieselben keine Gelegenheit ohne Vorwissen ihrer Regenten nach Gefallen zusammen kommen / und dadurch desto eher eine Zusammenverbindung zu machen Ursach haben mögen. (Ie besser Aufsicht auf die Unterthanen / ie mehr Nutzen hat man davon zu gewarten.) Es ist nicht ein geringer Nutzen / wenn Könige und Regëten auf ihre Unterthanen wohl acht haben / damit sie ihre Güter nicht unnützlich verschwenden / oder sonsten darbey verbotene Handthierung treiben. Die Massilienser verwiesen ihre Weissager / welche um des schnöde̅ Gewinstes willen ihre geweyheten Sachen herum trugen / und dieselben verkaufften / aus der Stadt. Die zu Athen und Argos hatten auf ihre faule und nachlässige Einwohner ein scharffes Auge / verordneten hierzu einen besondern Stadwoigt / für welchen sie ihrer Handthierung halber Rechenschafft geben musten und welcher befunden ward / daß Er durch Wucher oder andere ungebührliche Handthierung seine Nahrung trieb / der ward ohne Ansehen seiner Person / oder Standes / gleich einem Ubelthäter gestraffet. Es ist gleichsam ein Stücke der Menschlichen verderbten Natur / daß ein Jeder gerne will müssig gehen. Der jenige aber / welcher will ruhig leben / d??? soll den Müssiggang meiden. Der weise Solon nam den trägen Bürgern ihr Gut / beraubte sie ihres Verstandes / und trieb sie zur Arbeit aus dem Lande. Die Florentiner hatten vordessen einen Gebrauch / daß / wenn sie einen Menschen / der in ihrer Stadt müssig gienge / antraffen / sie denselben vom Leben zum Tode brachten. Dergleichen hielte auch des Draconis Gesetze zu Athen unter Andern in sich / damit man durch den Müssiggang nicht zum Stehlen / oder andern verbotenen Mitteln grieffe. Da König Dionysius einsmahls gefragt ward / ob Er müssig wäre? sprach Er: Das sey ferne! Wodurch er zu verstehen gab / daß einem Könige nichts nachtheiligers noch schimpflichers nachgeredet werden könte / als wenn Er sich müssig erfinden liesse / und nicht denen Geschäfften des gemeinen Wesens obläge. Non probrum est ope [371] rari, ast est cessatio probrum. Arbeiten ist keine Schande / wie der Müssiggang. Da einer den Fürsten Cleomenem fragte: Warum die Spartaner nicht ihre Feinde / die Argiver / indem Sie doch dieselben so offters geschlagen / gar vertilget hätten? Sagte dieser zu denselben: Es ist uns solches niemahls in den Sinn kom̅en. Denn / was wollten wir hernachmahls haben / woran sich unsere Jugend spiegeln könte. Die grösten Regierungen in der Welt werden durch die Ubungen erhalten / und durch die Tugenden zu mehrern Ländern angereitzet; Die meisten aber gehen durch die Faulheit zu Grunde. (Die Arbeit träget an Renthen weit mehr als ein müssiges Leben ein.) Alles / was man sucht / das wird durch den Fleiß erfunden. Reichthum / Ehre / Gewalt und Hoheit ist nichts / wo nicht dasselbe alles durch Arbeit und Mühe zu wege gebracht wird. Da Demosthenes gefragt wurde / was zwischen einem Arbeitsamen und Trägen für ein Unterscheid? sprach Er: Wie zwischen einem From̅en und Gottlosen. Denn der jenige / welcher sich seiner Arbeit beflisse / hätte Hoffnung seiner Vegeltung / den Andern aber ruhete das Armuth schon vor der Thür. Ie mehr man eine ehrliche Handthierung treibet; ie mehr wächst einem die Nahrung zu. Ie grösser die Arbeit / ie mehr die Belohnung und der Verdienst. Der Römische Keyser Probus sagte: man soll keinen sein Brod in Trägheit essen / noch mit Faulheit verzehren lassen. Da man dem Keyser Maximino seine (Picus Mirandula.) allzu grosse Bemühung höflich verwiese / sprach Er: Ie mächtiger und höher Ich bin / ie grössere Verrichtungen Ich getraue uber Mich zu nehmen. Was aber kan in dem Menschlichen Leben schändlichers gefunden werden / als daß man die Zeit / so der theuerste Schatz / vergebens zubringe? Den̅ alle die jenigen / welche dieselbe unnützlich verschwenden / sind gleich denen Bestien und unvernünfftigen Thieren / und woferne sie den Athem nicht hätten / so würden sie Ihnen der gesuchten Nahrung halber nicht zu vergleichë seyn. Wie durch die Trägheit alle Länder zu gehn; Also werden hingegen durch die Ubungen die grösten Herrschafften erbauet. Alle Arbeit geschiehet um der Nahrung willen. Wo Nahrung / da ist auch Reichthum / und bey diesen kan man die grösten Schätze sammlen. (Viel Unterthanen viel Gewinst.) Gemeiniglich hat man gerne solche Unterthanen / die wie die Schwämme sind / da man sie ausdrücken kan / so offt als man will. Besser aber ist es / wenn man sie liebet als die Kinder / sie gebrauchet wie die Schafe / und Sie über die Billigkeit nicht beschweret. Einer von Adel nahm seine Bauern ziemlich mit / als sie Ihn aber bittlich ersuchten / daß Er Ihnen doch nur ein wenig die Beschwerung erleichtern wollte / anderer Gestalt sie entlauffen müsten. Gab Er Ihnen zur Antwort: Ihr lieben Leute / habet nur ein Jahr noch Gedult / alsdenn will Ich mit Euch lauffen. Wo der Unterthanen Schatz erschöpfet / und diese sich verringern / da wird eine Königliche Hoffstatt nicht wenig geschmälert. Als Churf. Friederich der Sieghaffte / Pfaltz-Grafe beym Rheim / Drey Fürsten / die wider Ihn Krieg führeten / gefangen bekam / ließ Er Sie bey dem Abendmahl zwar Fürstl. tractiren / darbey Ihnen aber kein Brod fürlegen. Als nun dieselben solches forderten / und darbey begehreten / sie nach Kriegs-Manier Fürstl. zu halten / sprach Er zu Ihnen / nicht Ich / sondern Ihr selbst habet das Krieges-Recht gebrochen / und des jenigen nicht verschonet / welches doch allen Krieges-Rechten nach / unbeschädiget gelassen werden sollte. Denn Ihr habet nicht allein den Saamen auf dem Felde verderbet / sondern auch die Mühlen verbrant / vermittelst derer man zu Brode hätte gelangen können. Derohalben wundert Euch nicht / daß Ihr anietzo des Brodes entrathen müsset / welches Euch hinführo zur Warnung dienen soll / damit ihr ein andermahl der armen Unterthanen sauren Schweiß zu schonen wissen möget. [372] Nichts ist in der Welt nützlicher und zuträglicher als getreue / Unterthanen / von denen man alle seine ganze Wolfarth und Nahrung zu gewarten hat. Gleichwie nun die Unterthanen gewisse Gesetze haben / darbey man sie lassen muß / als da sind / die gemeine Freyheit / ihre Rechte und gewisse Befugnisse / die Gerechtigkeit / (Viel Auflagen aber sind verfänglich.) dahin einë ieden zu gehen erlaubet / die Handhabung ihrer Güter / und was dergleichen mehr: Also sollen sie auch nicht nach gefallen mit vielen Auflagen und Schatzungen beschweret werden. Nicht eher wird eine königliche Schatz Cammer erschöpfet / als wenn man die Unterthanen aussauget / und darnach selbsten nichts im Vorrath behält. König Salomo ließ sich zwar auch Tribut von Land und Leuten an Zollen / Renthen / Zinsen / und Gewerbschafften erlegen / allein Er beschwerete und übersetzte dieselben nicht darmit / sondern machte es also / daß sie bey den Ihrigen auch auskommen / und sich Ihnen Schätze sam̅len kunntë. Den̅ / wofern die Unterthanen reich / so kan nothwendig der Herr nicht arm seyn. Drücket Er aber dieselben mit neuen Contributionen / schlägt sie wie Rehabeam mit Scorpionen / doppelt die Frohn-Dienste wie Pharao / erdenket neue Pressuren / und entziehet gleichsam denen Seinigen die Nahrung vorsätzlich / so ist bey solchem Einkom̅en nichts als Fluch und Unsegen. Die Schätze nehmen ab / des Geldes wird ein Ende / und geräht wie die Schätze der Könige in Juda in frembder Leute Hände / daß sie solches gen Babel / das ist / an frembde und ausländische Orte bringen müssen. Ein König hat mehr auf die Erhaltung seines Reichs / als auf die Vermehrung desselben durch den Krieg zu sehen. (Was bey de̅ Krieg zu erwegen.) WEr Uneinigkeit aussäet / der ärndtet gemeiniglich Krieg ein. Die jenigen / welche wissen was Krieg sey / verbrennen sich nicht leicht daran. Die Herzogen von Saphojen und Parma bemüheten sich vordessen den Krieg in das Herzogthum Meyland zu spielen / es ruinirte sich aber der Eine hierdurch fast ganz / und dem Andern kam der ganze Schwall über den Hals. Die gröste Höfligkeit im Kriege ist / daß / wenn man gleichsam Alles bis auf das Blut hingegeben / man erstlich die jenige schädliche Wolthat des Polyphemi / welche Er dem Ulysses versprochen / wie Er Ihn endlich auf die letzt fressen wolte / zu gewarten habe. Wie alle Einigkeit von Gott köm̅et: Also entsiehen auch alle Uneinigkeiten von dem Teufel / der die Menschen in einander hetzt / und dadurch sein Reich zu vermehren vermeinet. Keyser Alexander Severus wurde gefraget: Wer der beste König sey? Der zur Antwort gab: Der jenige / welcher sich die Freunde mit Geschenken zu Feinden / und die Feinde mit Wolthaten zu Freundë machet. Woferne das Schwerd in einer streitigë Sache einë gewissen Ausspruch thun solte / da führet man wider einen zweifelhafften Rath den Krieg. Die Natur hat allen Thieren ihre Decke / un̅ ihr Gewehr ertheilet: ohne allein der Mensche wird nackend und blos zu der Welt gebohren / wordurch sie uns zu verstehen geben wollen / daß der Mensch zur Ruhe / zum Frieden und zu einer guten Policey / nicht aber zu den schädlichen Kriege gebohren. Der Krieg ist Gottes Strafe über der Menschen Sünde. Ohne Noth sich in einen Krieg mischen / ziehet gemeiniglich (Judic. 12.) viel Gefahr nach sich. Als dorten die Ephraimiter sich muthwillig und um einer eingebildeten Ehre willen wider den Held Jephtha aufleneten / und Er (Wenn er am gefährlichsten.) Sie auf keine andere Art und Weise zu begütigen vermochte / wurde Er die Waffen wider Sie zu ergreiffen gesonnen / und schlug derer an die zwey und vierzigtausend zu Tode. Der sonst löbliche König Josias setzte alle treue Warnungen (2 Chron. c. 35. v. 20.) hinden an / und mischte sich ohne Noth in den jenigen Krieg / welchen Pharao Necho der Aegyptische König wider den König in Assyrien führete. Er wurde [373] aber beydem ersten Treffen tödtlich verwundet / daß Er seinen Geist darüber aufgeben muste. Als König Xerxes eines Tages über der Tafel wohlschmeckende Feigen aus Griechenland aß / bekahm Er alsobald dasselbe Land mit Krieg zu überziehen eine solche Begierde / daß Er auch denen unsterblichen Göttern ein Gelübde that / wie Er in Zukunfft keine dergleichen Feigen essen wollte / es wäre dann zu Athen in Griechenland. Gleichwie Er nun die Erste vollzoge; Also rüstete Er sich mit einer grossen Macht / zog hinauf in Griechenland / und wurde Ihm seines Appetits wenig gewehret. So gute Freunde vordessen die Römer und Carthaginenser waren / desto hefftiger bekriegeten sie hernach einander / weil ein jedes Theil gern / alleine die Spanischen Gold und Silber-Berg-Wercke vor sich besitzen wollte. Da der weise Chilon gefragt ward / woran man einen weisen Regenten erkennete? sagte Er: Einen Frommen erkennet man daran / wenn Er sein Leben / sein Land und Leute zu beschützen / in Gefahr setzet: Einen Tyrannen aber / wenn derselbe sich auf das äuserste andern Leuten das Ihrige zu nehmen bemühet. Wann kein ander Unheil aus dem Kriege entstünde / so wäre es an diesem genug / daß Er alle Tugenden umstösset / und alles Reichthum aus dem Lande mit sich nimmet. Denn sobald die Länder mit Kriege erfüllet / da nehmen die Laster überhand / und die Schand-Thaten gehen zu feilen Kauffe; Ein Herz habe daran nichts als den Nahmen / und stecket oft selbst mit denen Unterthanen bis an Hals in der Gefahr. Derjenige / welcher einen Krieg um seines Standes und der Hoheit willen anfähet / der stürtzet und seckelt sich selbsten dermassen aus / daß Er die Zeit seines Lebens daran zu bezahlen hat. Krieg anfangen um Ehre und Gedächtnis willen / ist mehr unbedachtsam als weißlich gehandelt. Denn siehet man der Zeiten Lauf an / so sind fast mehr Pot entaten durch Kriege in Verachtung gebracht / als durch die erhaltene Siege berühmt gemacht worden. Frembde Länder zu bekriegen / ist keine Kurtzweile / es kostet Hitze und Kälte / Tod und Gefahr / Geld und Menschen / und wenn man alles hat gethan / was man sich vorgesetzet / so beseufzet man letzlich das / was man verlassen / und beweinet das jenige / so man nicht erlanget. Die Griechen und Kömer fiengen niemahls keinen Krieg an / sie hatten denn zuvor ihren Göttern geopfert / und ihre Oracula um Rath gefraget / daß (Bodinus lib. 5. de Rep. c. 5.) sie dergleichen für das schwereste und wichtigste hielten. Ihrer viel leben in denen Gedancken / als ob die ausländische und frembde Hülfe zu Beförderung ihres vorhabenden Krieges nicht wenigen dienstlich. Es bezeuget aber solches die tägliche Erfahrung / daß selten ein Potentate dem Andern ohne seines eigenen Nutzens willen zu Hülfe gekommen / wie man solches siehet an dem Türckischen Keyserthume / an den Gothen und Longobarden / an den Francken und Sachsen in Engeland. Muß man aber im Kriege seiner Freunde und Bundes-Genossen Hülffe unentbehrlich haben / so traue man nicht zuviel. Vigila & diffidere memento. Ein jeglicher hüte sich / wenn es Land und Leute / Geld und Gut angehet / auch für seinem Freunde / und traue auch seinem (Jerem. 9. 4. Obad. 1, 7.) Bruder nicht. Alle deine Bundes Verwandten werden dich zum Lande hinaus stossen / und diejenigen / auf welche du deinen Trost setzest / dich betriegen / und überwältigen / Und die / so dein Brod essen / dich verachten / ehe du es mercken wirst. Und ob schon im Kriege selten Treue und Aufrichtigkeit zu finden / so gebühret es sich doch / daß man das / was man seinem Feinde vezspricht / treulich und redlich halte; Nichts desto weniger aber lieget nicht viel daran / ob man daselbst seinen öffentlichen Feind mit List und Geschwindigkeit / oder mit Tapferkeit überwinde. Krieg soll man mit Vernunfft führen / und Anschläge (1. Macc. 9. v. 38.) mit Rath. Simon und Jonathan hielten so lange hinter dem Berge / [374] bis sie ihren guten Vortbeil ersahen / und ihre Feinde mit List und Geschwindigkeit überfielen. Es nützet auch offters nicht wenig / wenn man bey gefährlichen Läufften die Verzagten zurücke stelle / aus der Menge des Volcks einen wohlbewährten Ausschuß mache / dem Feind vorkomme / und Ihn in seinem eigenen Lande angreiffe. Das Wasser und der Proviant sind unentbehrliche Mittel. Hat man dem Feinde diese beyde beschnitten / so kan man leichte den Meister spielen. Keyser Sigismundus sagte: Es ist gesieget genug / wenn man die Feinde in die Flucht schläget. Denn die ohne dies Verzweiffelten gantz und gar in das Enge bringen / hat offters mehr geschadet als genutzet. Wenn der erste Streich im Kriege übel geräth / so folget gemeiniglich eine Kleinmüthigkeit und Schrecken darauf. Die erste Tapferkeit die beste. Wer einmahl ein Schrecken in ein mächtiges Lager gebracht / der schaffet darmit mehr Nutzen / als wenn Er seine Armee verstärcket. So schädlich und gefährlich die Kundschaffer / (1. Macc. 5. v. 38.) so mächtig sind die / so einen mächtigen Krieg führen. Die Geist- und weltlichen Historien sind hievon voll. Durch gute Kundschafften eroberten die Kinder Josephs Bethel. Als der Maccabeer Fürst Judas des Thimothei grossem Heer entgegen zog / lies Er durch die Kundschaffer fleissig forschen / wie sich die Feinde gegen Raphon jenseit des Bachs gelägert hatten / und wie starck sie ungefähr seyn möchten / damit Er seine Schlacht-Ordnung darnach einzurichten hätte. Ehe Josua mit den Kindern Israel in das Land Canaan kam / schickte er zuvor zweene Kundschaffer aus / welche die Gelegenheit und Beschaffenheit des Landes in Augenschein nehmen musten. Wie nützlich nun solche / so grosse Gefahr haben sie auch auf sich. Soll ferner der Krieg was wichtiges wircken / so muß man sich nicht allein einer Geschwindigkeit gebrauchen / sondern auch nach des Feindes Macht richten / welches alles die / so in dergleichen geübt und erfahren / am besten zu practiciren wissen. Die Geschwindigkeit Absolons gegen seinen Vater den David giebet uns dessen ein Exempel. Die Erkundigung aber der feindlichen Macht ersiehet man an dem Abraham / welcher mit 318. Knechten die siegreiche Könige in Syrien verfolgete / sie zur Flucht brachte / und ihnen ihre Beute wieder abnahm. (Des Krieges Unterscheid.) Damit wir aber zu unserm Zweck gelangen / so ist nicht genug / daß man Krieg führe / und eine gerechte Sache zu haben vermeine / sondern es mus auch GOTT seine Hand dabey haben / und derselbe in desselben Namen angefangen werden. Denn wo der vergessen / und man sich alleine auf seine eigene Macht und Gewalt verläst / da gehet alles bund über. König Sennacherib wollte den abtrünnigen König Hiskiam mit Gewalt zum Gehorsam bringen / alldieweil Er aber GOtt lästerte / muste Er mit Spott und Hohn zurücke weichen / und büssete darüber hunder / fünf und achtzigtausend Mann ein. Die Kinder Israel hatten wider die Gibeoniter und Benjamiter wegen der vezweigerten Justitz / die gerechteste Sache / indem sie aber ihre Waffen nit mit GOtt zur Hand nahmen / so war das die Ursache / daß sie zwey Schlachten und darbey viertzig tausend Mann verlohren / bis sie bey der Dritten ihre Vermessenheit erkenneten / GOTT um Rath und Beystand anrieffen / und endlich das Feld behielten. (Der Ausgang desselben ist ungewiß.) Der Krieg schlägt offters viel anders aus / als man sich dessen eingebildet. Der den Harnisch anleget / soll sich so wenig rühmen als der / welcher ihn allbereit abgeleget. Derjenige Potentate / welcher aus gerechter Rache einen Krieg anfangen will / der soll nächst GOTT auch seine Stände darüber zu Rathe ziehen / und bey sich wohl erwegen / ob Er dergleichen an Macht und Geld-Mitteln es hinaus [375] zu führen getraue. Wenn die Römer einen ehrlichen Krieg vornehmen wollten / erwugen sie die Umstände reiflich / berieffen das Collegium Fecialium zusammen / und sahen sich wohl für / daß Sie sich nicht übereileten. Es stehet zwar in eines jeden Macht Krieg anzufahen / nicht aber denselben wieder hinzulegen / wenn Er will. Da Pabst Paulus der Vierdte König Philippen in Spanien mit Gewalt das Königreich Neapolis entziehen / und solches an seine Nepoten bringen wollte / lies sich ermeldter König in Spanien / bey allen Universitäten in seinem Königreiche informiren / ob Er zu Erhaltung des Königreichs Neapolis entziehen / und solches an seine Nepoten bringen wollte / lies sich erweldter König in Spanien / bey allen Universitäten in seinem Königreiche informiren / ob Er zu Erhaltung des Königreichs Neapolis mit gutem Gewissen den Krieg wider den Pabst zur Hand nehmen könne? welche alle Ihm darzu riethë / und daß solcher so wohl gerecht als ehrlich wäre. Wie Keyser Carl der Fünfte hörete / daß ein grosser Herz einen unnöthigen Krieg anfangen wollte / sprach Er: dieser weis noch nicht / was zu dergleichen gehöret / in dem man ofters mehr Schaden und Unehre als Nutzen und Ehre darvon zu gewarten hat. Ein kluger und verständiger König oder Fürst / sagt Seneca / soll die Wichtigkeit einer Sachen / wornach Er strebet / zuvor wohl überlegen / und dasjenige was er gerne haben und wündschen wollte / Ihm nicht so leichtlich einbilden. Es gehen vielmahls in rechtmässigen und billichen Kriegen viel Grausamkeiten vor / daran GOTT ein Mißfallen hat. Wie vielmehr in denen unrechtmässigen? Derhalben sollen Könige und Potentaten wohl erwegen / aus??? was Ursachen sie Krieg führen. Denn träget Er an Vergiessung der Heyden Blut (Krieg führen ist nicht verbothen.) einen Abscheu / und hat an frembdem Raube und Plünderung keinen Gefallen / wie soll Er denn an der Gläubigen Verfolgung ein Vergnügen haben. Wären unsere erste Eltern in dem / Stande der Unschuld verblieben / und hätten sich an GOTT nicht versündiget / so hätte in der Welt kein Krieg noch andere Plate erfolgen dürffen / nun aber durch den Günden-Fall allerhand Zwietracht / Uneinigkeit / Haß / Zanck / Aufruhr entstanden / so hat GOtt den Krieg denen Menschen zu einem Executorn gesetzet / damit Er beydes dadurch die Seinigen firaffe / als die Seinigen beschütze / dahero ist auch derselbe nicht eben ohne Unterscheid verbothen / sondern auf gewisse Masse zuläßlich. Denn wenn er verbothen / so hätte GOtt dem Jüdischen Volcke keine Krieges-Gesetze noch Ordnungen / viel weniger / wie sie ihren Feinden die Spitze bieten / (Deut. 20. v. 2. seq.) und sich tapfer erweisen sollten / vorgeschrieben. Der Prophete Samuel selbsten muste König Saul vermahnen / daß Er sich wider die Amalekiter zu Felde (1. Sam. 15. v. 3.) begab. Ihr sollet eure Feinde verjagen / und sie sollen für euch her in das Schwerd fallen. GOTT selbst rüstete den Richter Athniel wider den Gyrischen König Cusan Risathaim; Den Jephtha wider die Kinder Ammon; den Held Gideon wider die Strassenrauber / und den tapferen Held Simson wider die unbändigen Philister mit einer besondern Tapferkeit und Heldenmuthe aus / daß sie wider diese die Waffen ergriffen. Wie das Wild umstricket und auf der Jagt gefangen wird: Also ist auch der Krieg GOttes Netze damit Er Könige und Herren überziehet / und sie gefangen hinweg schicket. Er lässet die Tyrannen zu Felde ziehen / damit sie alles / was sie antreffen / jagen / erwürgen / fällen und niederhauen mögen / bis Er gebeut / daß man das Rachschwerd wieder in die Scheide stecke. Er verschaffet den Königen / wenn sie sich an Ihme versündigen / Feinde / und verursachet / daß die Tyrannen selbsten über solche gerathen. So lieb Ihm König Salomo war / so erweckte Er dennoch demselben / als Er sich zu frembden Göttern neigte / einen Feind und Widersacher den Edomiter Hadad. Da die Kinder Israel thanten was dem (1. reg. 11.) HErrn übel gefiel / da stärckete Er wider sie den Moabitischen König Eglon / und lies hernach wegen ihrer viel fältingen Abgötterey den Hasael aus Syrien wider sie kom̅en / damit Er sie ängstigen und in allen Gräntzen schlagë möchte. [376] (Soll aber ohne Noth nicht angefangen werden.) Wo Krieg ist / da gehen alle Schand-Thaten zu feilen Kaufe. Man schändet Land und Leute / leget Städte und Dörffer in die Aschen / verwüstet die schönsten Auen / und hebet alle Erbarkeit und Policey auf. Weit besser Glück und Segen aber hat man da zu gewarten / wo derselbe aus einer gerechten Sache / und besonderer Noth vorgenommen werden muß. Dic Könige sind zwar befugt Krieg zu führen / von GOtt aber befehliget / den Frieden zu suchen. Beyden müssen aufeinander folgen. Der Eine schützt / der Andre straffet. Justissima belli Causa est ulcisci Injurias, & tueri armis focos, liberos & Patriam. Vor die Lehre des Allerhöchsten / für die Erhaltung der reinen un̅ unverfälschten wahren Religion / für das Vaterland / für die Seinigen / und für sein Haab und Gut soll man die Waffen ergreiffen. Da die Stadt GOTTES und der Tempel zu Jerusalem in Gefahr stunde / nahm sich ihrer Judas Maccabeus getreulich an. Dergleichen geschahe auch von andern / die mit ihren Schwerdtern / Spiessen und Lantzen sich zur Defension fertig machten. Dahero es hier recht heisset: Pro Lege & Grege. Für GOTTES Ehr und Wort / auch für das Vaterland. Ist man befugt das Schwerd zu nehmen in die Hand. Nicht weniger ist der Krieg ehrlich und gerecht / wenn man denen bedrängten Seinigen / auch andern getreuen Religion- und Bundes-Verwandten zu Hülfe kommet; Dasjenige / was einem gewaltsamer Weise abgenom̅en / vermittelst des Krieges wieder an sich zu bringen trachtet. Wenn einem das höchste Recht versaget / und wider Recht und Billichkeit bedränget wird. Wen̅ Unterthanen sich des schuldigen Gehorsams gegen ihre Obrigkeit entziehen / und sich dessen / was sie herzugeben schuldig / nicht willig entbrechen wollen. Oder wen̅ gegentheils diese mit den Unterthanen so grausam und tyrannisch verfährt / sie bey ihren wohlhergebrachten Freyheiten nicht lassen / sondern zu allerhand ungewöhnlichen und unvermögenden Neuerungen zwingen will. Wenn nun diese und dergleichen Umstände sich erzeigen / so hat man sich billich um des Friedens willen nach den Waffen umzusehen / und sein Heil darinnen zu versuchen. Besandten hat man jederzeit so wohl bey dem Volcke GOTTES / als andern ausländischen Königen und Potentaten für heilsam erachtet / und sie deswegen für aller Gewalt und Thätlichkeit befreyet und beschützet. WIll ein Abgesandter mit seines Königes / oder Principalens Ansuchen bey einem Andern ausländischen Herren / Republic oder freyen Stande nicht unbedachtsam umgehen / so pfleget Er sich bey dem ersten Vorbringen sehr behutsam zu erweisen / erkläret nur Anfangs diejenigen Dinge / so nichts sonderliches auf sich / und weis hernacher / wann er siehet / daß der verlangte Zweck nicht erfolget / die Wichtigsten so lange / bis er entweder dadurch desto eher zu seiner Intention gelanget oder um des willen keine abschlägliche Antwort bekommen möge / zurücke zu halte. Von dem Ulysse lieset man / daß als er einsmahls Gesandschaffts-weise verschicket / darüber Schiffbruch erlitten / und Er an dem Ufer der Phaeacenser übel bekleidet sasse / urtheileten diese nichts desto weniger aus seinen herrlichen Tugenden / daß Er eine kluge / und vornehme Person seyn müste. Dahero auch Homerus hierüber seine Gedancken giebet / und spricht: Man soll etwas rechtschaffenes lernen / und sich Ihme ja die Tugend wohl angelegen seyn lassen. Denn wenn man dergleichen an einem Menschen vermercket / so macht sie denselben bey allen Nationen dermassen beliebet / daß Er dadurch beydes die Frommen unnd Bösen [377] zu sich locket. Legaten und Gesandten haben ihren Nahmen vom Lesen / weil sie als öffentliche Redner versandt werden. Vor Alters trug man denenselben gewöhnliche Stäbe vor / in welche auf beyden Seiten zwey ineinander geflochtene Schlangen geschnitten waren / und die gleichsam wechsels weise vor und rückwerts umb sich sahen; Wodurch sie nichts anders / als deroselben Vorsichtigkeit dadruch abzubilden verweineten. (Der Gesandten Nutzen.) Es ist aber der Nahme eines Gesandtens / welcher von einem grossen Herren oder Republic verschicket wird / eine solche und gleichsam geheiligte Person / die dasjenige / was ihr oblieget / nicht mit Gewalt und Strenge / sondern nach der Sache Beschaffenheit mit Höfflichkeit Ehrerbietung / und andern hierzu dienlichen Umbständen vorbringet / suchet / und ausrichtet. Grosse Herren und Potentaten sind insgemein voneinander weit entlegen / und können deswegen / und umb anderer Ursache willen / nicht offters zu sammen kommen. Darumb so ist es Ihnen viel ersprießlicher / wann Sie ihre Gesandschafften zu ihres Gleichen / oder Einem Höhern / entweder zu Versicherung ihres Staats / zu Abwendung des feindlichen Vorhabens / oder anderer Angelegenheiten verschicken / und daselbst Ihr Interesse auf das genaueste beobachten. Wie nun dergleichen Ambt höchstrühmlich / bey allen Völckern üblich / und für aller Gewalt sicher zu seyn pfleget; Also ist auch dieser Nahme allenthalben für heilig gehalten / und derjenige Schimpff / welchen man denen Gesandten angethan / jederzeit ernstlich gestrafft und gerechnet worden: Zum Zeichen ihrer Sicherheit trugen Sie in den Händen Eisen-Kraut: der Nahme des Gesandten erreichte nicht eher seine Endschafft / bis Er wieder zurücke kahm / und seinem Principalen wegen der aufgetragenen Verrichtung satsame Relation gethan / geschahe es aber / daß man sie inzwischen beleidigte / so begieng man ein Crimen laesae Majestatis, man wurde / wenn es Christen / aus der Christlichen Gemeine verstossen / und entstund hieraus offters der gröste Krieg / wie an der Stadt Corinhto / Tyro / und an Griechenland zu sehen / die einsmahls die Persischen Gesandten in einen Brunnen stiessen / worauf dieser bey der Städte Untergang / auf Seiten der Perser / und Griechen (Cicero.) aber der grausamste Krieg erfolgete. Jus legatorum humano divinoque vallatum est praesidio hoc divina quadam Providentia immutabile jus, & Omnibus constitutum, Gentibus, etiam Barbaris manifestum. Es führet auch dieser der Gesandten Stand diesen Nutzen und Eigenschafft an sich / daß man vermittelst desselbigen zwischen hohen Potentaten und Herrschafften beydes zu Kriegs- und Friedens-Zeiten / vom Kriege / Friede / Bündnissen / Vermählungen / und andern Vertraulichkeiten mehr und besser als durch Briese-Wechseln Handlungen pflegen kan. (1. Mac. cab. c. 10.) Da König Alexander des Antiochi Sohn den aufwieglerischen Demetrium in einer Schlacht erlegte / und seines Königlichen Throns versichert sahe / schickte er eine ansehnliche Gesandschafft zu dem König Ptolomaed in Aegypten / und lies umb dessen Fräulein Tochter anhalten. (2. Reg. c. 20. V. 12.) Wie König Merodach zu Babel ersuhr / daß König Hiskias tödlich kranck gewesen / und nunmehro wieder gesund worden / ließ Er sich dessen Zustand durch eine Gesandschafft erkundigen / und zu seiner Gesundheit Gluck nnd Heil wüntschen. Dergleichen that auch der Held Jephtha / und warnete durch solche den König der Ammoniter / daß Er wider Ihn / Und dem Jüdischen Volcke keinen ungerechten Krieg anfiengen. Ferner / so findet man auch / daß die denen Gesandten angethane Schmach nicht jedesmahl zum besten abgelauffen. König David ordnete zwar seine Gesandten auch zu dem Ammonitischen jun [378] (2. Samuel. 10.) gen Könige Hanon / und wollte bey ihme wegen Agsterben seines Vaters / die Condolenz ablegen lassen / der unweise König aber ließ auf Anleitung seiner bösen Räthe denenselben die Bärte halb abscheren / und die Kleider bis an den Gürtel halb abschneiden / und schickte sie auf solche Weise wieder schimpflich zurücke / David aber empfunde dieses sehr hoch / gerieht mit dem Hanon in eine offene Fehde / und überzog denselben mit Heeres-Krafft. (Deroselben Freyheit.) Gleichwie aber dieselben viel Gefahr / und Widerwärtigkeit auf der Reise auszustehen haben: also gebühret es sich auch / Sie mit gewissen Privilegien / Pässen / und dergleichen zu versehen / damit sie desto besser hin / und wieder kommen können. Vor Alters war ihre Belohnung dreyerley / als Locus, Lautia, Munera. Man würdigte Sie gewisser Ehren Stellen / bestimmte Ihnen wegen ihrer auf sich habenden Verrichtungen und Diensten gewisse Freyheiten / und stellete solchen zu Ehren besondere Fecht-Spiele / Jagten und andere Ergötzlichkeiten an: die Lautia waren solche Praesenta, oder Geschenke / die eintzig denë Gesandten zu Praesentieren zukahmen / und war unter solchen auch ein güldener Ringk / der Ihme des gemeinen Wesens wegen zu tragen gegeben wurde. Sturben sie aber bey währender solcher auf sich habenden Legation, so richtete man Ihnen nach deren Tode besondere Ehren-Stellen auf / damit Ihrer / als solcher / die für das Vaterland gestorben wären / durch einen ewigen Nach-Ruhm möchte gedacht (Ehre.) werden. Sie haben aber wie gedacht / die vornehmsten Ehren-Stellen / darum lieget Ihnen nicht wenig ob / daß sie dieselben mit herrlichen Tugenden / und rühmlichen Wissenschafften bekleiden / und durch keine Fahrlässigkeit verabsäumen sollen. Von dem Xenocrate der Athenienser Gesandten wird erzehlet / daß als Er zu dem Könige Antipatro wegen Erlassung etlicher Gesangenen verschicket / und vor gethaner Werbung zur Tafel erfordert / Er sich entschuldiget / und vorgegeben / daß Er nicht eher essen / noch trincken könnte / bis Er sein Anbringen abgeleget. (Verhaltung / vor und nach abgelegter Verrichtung.) Die Politici halten dafür / daß ein Gesandter weder seine / noch eines Andern Sache nebenst seiner Gesandschafft mit einmischen / sondern Ihm dieses angelegen seyn lassen solle / damit Er die Ehre und Hoheit seines Königes / Fürsten / oder Herrschafft alleine desto genauer beobachte. Er hätte auch Fleiß anzukehren / daß nichts ärgerliches / noch lasterhafftiges von Ihme / und denen Seinigen begangen / noch vorgenommen würde. Denn wofern Er sich bey so gestalten Sachen dergleichen Laster theilhafftig machte / hätte Er sich der Freyheit / und der Gesandten Privilegien nicht theilhafftig zu machen / sondern es würde nach Willkühr wider Jhn verfahren. Von dem Gesandten des Augusti wird gemeldet / daß / als Er zu dem Marco Antonio gekommen / und sich gegen der Cleopatra mit Worten allzufrey heraus gelassen / Er mit Ruthen nackend wäre gestrichen worden. Zudem so pfleget man auch die von denen Gesandten ausgegossene Injurien und unziemliche Worte offters an dem Principalen selbst zu rächnen. Wie solches Hertzog Carl in Burgund that. Denn nachdem Ihn König Ludowichs des Elfften in Franckreich Cantzler mit Worten verächtlich gehalten / ließ Er dem König hinterbringen / daß Ihm solches in kurtzen gereuen sollte: Machte sich hierauf zum Kriege fertig / überfiel mit seiner Armee unvermuthet den König / und verderbete sein Land und Leute sast bis auf das auserste. Hiernechst soll auch ein Gesandter alles dasjenige / was Ihm bey seiner Gesandschafft Widerwärtiges aufstossen möchte / beyseite setzen / und zuweilen an dem Orthe / wohin Er verschicket / [379] durch die Finger sehen / und wann Er nicht allerdings wohl tractiret / noch nach Gebühr in Ehren gehalten worden / nicht alles auf die Schraube setzen / und dadurch Oel in das Feuer giessen / sondern sich mehr zur Gedult / als zum Zorne halten / und alles / was Er bey aufgetragener Gesandschafft aus gerichtet / Niemand anders als demjenigen / der Ihn abgesandt / hinwiederum offenbahren. Denn gleichwie alle Tugenden in einer gewissen Masse bestehen. Also auch die Tugend der Verschwiegenheit.

Bündnisse sind zwar in allen Beist- und weltlichen Rechten zugelassen / man soll aber baständig erwegen / mit wem solche aufzurichten.
[arrow up]

EIn Bund der gestifftet / ist weder verbothen noch verdammlich / dafern man sich nur dessen recht gebraucht. GOTT selbst machte mit den Jüden zu unterschiedenen (Jerem. 31.) mahlen einen Bund. Siehe / spricht Er / Ich will mit dem Hause Israel / und mit dem Hause Juda einen neuen Bund machen / nicht wie der Bund gewesen ist / den ich mit ihren Vätern machte / da Ich Sie bey der Hand nahm / und aus Aegypten führete / welchen Bund Sie nicht gehalten / und Ich Sie zwingen muste / sondern dies soll der Bund seyn / den ich mit dem Hause Israel machen will: Ich will mein Gesetze in ihr Hertz geben / und in ihren Sinn schreiben / und sie sollen mein Volck seyn / so will Ich ihr GOTT seyn / und wird keiner den andern lehren und sagen: Er kenne den HERRN / sondern sie sollen mich alle kennen / von dem Kleinesten / bis zum Grösten / spricht der HERR. Denn Ich will Ihnen ihre Missethat vergeben / (Genel. 17.) und ihrer Sünde nimmermehr gedencken. GOTT machte mit Abraham einen Bund in dem 99. Jahre seines Alters. (Der Bündnisse Nutzen. Genes. 14. v. 13. c. 21. v. 22.) Was anbelanget die weltlichen Bündnisse / so sind dieselben nicht neu. Abraham machte schon damahls mit den Ammoniter Königen dem Escol und Aner / wie auch mit dem Könige Abimelech einen Bund / dergleichen that auch Jacob mit seinem Schwieger-Vater dem Lamech: Der Held Josua mit den Gibeonitern: Salomo mit dem Könige Hiram / König Assa in Juda mit dem Assyrischen Könige Benhadad. König Joram mit Josaphat / und dem Könige Edom / und andere Könige und Regenten im Volcke GOTTES mehr / also / daß Bündnisse / wann sie in gerechter Sache / insonderheit mit Benachbarten aufgerichtet / viel Nutzen nach sich ziehen. Denn gleichwie der Mond in irrdischen Dingen mehr Würckung / als das vornehmste Gestirne hat / nicht eben / daß Er mehr Krafft und Tugend in sich führet / sondern blos / weil Er solchen irrdischen Cörpern näher ist. [380] Also hat es auch mit denen Bundes-Verwandten / welche denen Andern am nechsten gelegen / eine dergleichen Beschaffenheit. Das allernöthigste und nützlichste ist / daß man in einem Königreiche / Lande und Republic Bündnisse aufrichte. Die Natur hat gleichsam dem Geschöpfe in das Hertze gepflantzet / daß eines dem Andern zum besten dienen solle. Wir alle sind verbunden / ein ander wechselsweise hülffliche Hand zu bieten. Eine vereinigte / und verbundene Macht ist allezeit stärcker / und denen Feinden erschrecklicher / als eine eintzige. Ie mächtiger und gewaltiger Einer an Land und Leuten / an Reichthum und Vermögen ist / ie mehr hat Er auch getreue Bunds-Freunde vonnöthen. Denn gemeiniglich sticht man gerne nach dem / wo der Brathen am fettesten. Damit der Römische Keyser Carl der Fünffte / bey so vielen Kriegen sich destomehr formidabeler machen möchte / ließ Er sich nicht allein mit Francisco dem Ersten Könige in Franckreich / mit denen Englädern / Polen Hungarn / Dennemärckern / und Portugiesen in ein Verbündnis ein / sondern Er gab auch zu Versicherung desselbigen / dem König Emanuel / und hernach nach dessen Tode dem besagten Francisco seine Schwester Eleonora / dem Könige Christierno in Dennemarck die andere Schwester Isabellen / König Ludowichen in Böhmen die Dritte Schwester Marien / und seinem Bruder dem Ferdinando / des ietztgedachten König Lodowichs Tochter Anna zu Gemahlin̅en / Er aber selbst ließ sich mit des Königes in Portugal Fräulein Tochter vermählen. Woraus man siehet / daß Bündnisse mit solchen Ländern und Provintzien zu machen / die einen Nachdruck / und von ziemlicher Macht und Vermögen sind. Sich an einer baufälligen Wand Lehnen und darunter Schutz suchen wollen ist gefährlicher als sich desselbigen Bedeckung gäntzlich zu enthalten. Bündnisse soll man eben nicht mit vielen / sondern nur mit etlichen Aufrichtigen machen / Niemand aber soll man darbey zuviel trauen / damit man nicht hinter das Liecht geführet / und in den Sack gestecket werden möge. Denn man kan offters eher einer öffentlichen Gewalt entgehen / oder allenfalls widerstehen / ohne allein einer heimlichen List nicht. Soll der Bund desto kräfftiger seyn / so müssen die Bedingungen auch zu beyden Seiten eine Gleichheit haben; Sind sie aber ungleich / und der Geringere begiebet sich in des Grössern Schutz / so ergehet es Ihm zu weilen wie der Schlange mit dem Igel. Mit denen / so zuweit entlegen / ist es gleichfalls mißlich. In Bündnissen muß das Band nicht zu lang seyn / damit es hernacher / wenn des soll gebraucht werden / nicht zerreisse. Die Stadt Pisa in Italien gab ihre Gerechtigkeit und Anspruch / den sie an die Stadt Florentz hatte in die Hände des Königes in Franckreich / und Königes Ferdinandi, diese aber verglichen sich miteinander / daß solche sich selbsten unter das Florentinische Joch bucken muste. Es werden aber meistentheils Bündnisse zwischen hohen Häuptern und Republiquen ausgerichtet / damit man sich bey seinem Staate desto ruhiger erhalte / gute Nachbarschafft stisste / Handel und Wandel befördere / oder mit gesambter Hand wieder Einen Krieg führe. Da der Moabitische König Mesa von dem Könige Joram in Israel abfiel / trat Joram mit Josaphat wider die Syrer / damit Er die hiebevor dem Achab abgenommene Stadt Ramoth in Gilead wieder erobern möchte / in ein Bündnis. Der Maccabeer Fürst Simon schickte dem Könige Antiocho zu Folge des getroffenen Bündnisses / zwey tausend auserlesene Mannschafft; David / und Salomo aber lebeten wegen der Schiffart / und Commercien mit dem Könige Hiram Freundschafft und Bündnisse.
|| [381]
(was man darbey in acht zu nehmen.) Man hat aber bey Aufrichtung dergleichen Bündnisse den Stand und die Person / mit deme man solche einzugehen entsonnen / wohl in Acht zu nehmen. Denn gemeinig???ich pflegt man gerne bey selbigen fremden Schuld und Fehler mit Büssen zu helffen: Ie grösser / und gewaltiger Einer ist / iemehr dencket Er seine Macht und Hoheit beydes unter dem Scheine des Krieges / der Freundschafft und des Verbündnisses zu erweitern: Er erkläret dieses letztere nach seiner Meinung: Will bey allen Handlungen / und Vornehmen das Ansehen allein / und wann ein guter und glücklicher Ausgang in Kriege erfolget / die Ehre und Reputation vor sich haben. Einen solchen mächtigen Bund erzehlet der weise Aesopus von einem Leuen / jungen Ochsen / Ziege / und Schafe. Diese als sie zusammen eine gute Beute erhielten / und in vier Theile zu theilen inwillens / wollte solches der Löwe nicht zugeben / sondern sprach: das Erste gehöret mir wegen meines Vorzugs / das Andere nehme ich um meiner Stärcke willen / das Dritte kömmet mir wegen meiner Mühe zu / und wer das Vierdte haben will / der ist mein Feind. Woraus man siehet / daß der Geringere bey Aufrichtung eines Bündnisses mit einem Grösseren / sich und seinen Staat vielmahls selbsten in Gefahr setzet. Wer Bündnüsse will aufrichten / der soll zusehen / mit wehme Er sich nicht allein verbinde / sondern daß man dieselben auch keines Weges misbrauche. Denn gleichwie dieselben an und vor sich selbsten in der Schrifft / in der Natur und der gesunden Vernunfft gegründet; Also soll auch dessen Zweck ehrlich / und zu keiner Ungerechtigkeit eingerichtet seyn. Ist man aber mit vielen verbunden / so hat man auf die ehrlichste und beste Sache zu sehen. Ad injusta Bella nulla Obligatio. Denn wer Einem in einer ungerechten Sache beystehet / der macht sich derselben theilhafftig / und verbrennet sich dadurch an GOTT und seinem Nächsten. (sollen nicht ohne Grund aufgerichtet werden.) Bündnisse sind zwar gut / offt aber auch gefährlich: Man richtet sie mit Menschen Händen auf / und zerstöret sie wieder mit falschem Hertzen: Sie sind unbeständig und wandelbar / und können offt aus den besten Freunden die ärgsten Feinde werden. GOTT spricht selbsten: die dich jetzo hofieren / werden dich verachten / und bald nach Leib und Leben trachten. Wo zweene Könige über einem Tisch sitzen / und reden miteinander (E???echiel. c. 4. v. 30. Daniel. c. 11. v. 26.) freundlich / da gedencket ihr Hertz vielmehr / wie sie einander Schaden thun mögen. Gleichwie es aber gut und nützlich / mit GOTT / und aufrichtigen Potentaten / und Gemeinen Bündnisse aufrichten / also ist es auch gefährlich / wenn man Treu-lose Bundesgenossen hat. Denn sobald diejenigen / welche zeithero in einem guten Verständnisse gelebet / sich wieder voneinander trennen / so haben sie nichts anders als Schaden / Jammer / und Zerrittung ihrer Land und Leute zu gewarten. Findet man nun getreue Bundes-Verwandten / so soll man deroselben Rath / ehe man einen Krieg ansähet / getreulich zu Hülffe nehmen. Wo nicht / so sind sie einem auch nicht Hülfe und Beystand zu leisten verbunden. Denn wenn man hierinne dieselben / und die Benachbarten / welchen der Krieg zum Schaden gereichen möchte / übergehet / so kan leichtlich ein und das andere Unheil daraus entstehen. Als König Johannes in Arragonien die Florentiner ersuchte / daß sie seinem Enckel König Ferdinanden zu Neapolis wegen der einigen Bündnisse / so sie mit seinem Herren Vater aufgerichtet / Beystand leisten möchten / gaben sie Ihm hinwiederumb zur Antwort: Hätte Er den Kreig ohne Vorbewust Ihrer angefangen / so sollte Er auch zusehen / wie Er solchen ohne Zuthun Ihrer fortsetze. Da Hertzog Wolffgang von Zwey [382] brücken sich in Schmalkaldischen Bund mit begeben sollte / sagte Er: das ist der beste und stärckeste Bund / daß man dasjenige / was zu thun nothwendig und recht sey / mit Bescheidenheit und nicht mit Gewalt vornehme. Bündniß machen ist ein leichtes / halten aber / das schwereste. Keyser Maximilianus der Erste / und König Ludowig in Franckreich richteten miteinander nebenst dem Papste ein Verbündnis auf / und liessen zu Bestettigung dessen / das Sacrament in drey Stücken zerbrechen / darvon einjeder ein Theil empfinge. Nachdem aber der Papst das Bündniß am ersten brach / und sich auf die Venetianische Seite schlug / sprach der Keyser / als er solches erfuhr: O GOTT! Wir Dreye wollen die grösten Häubter in der gantzen Welt seyn / sind aber die Meineydigsten unter der Sonnen / und werden beydes an GOTT und denen Menschen untreu. Soll derohalben der Bund beständig verbleiben / so müssen die Bundesgenossen einig seyn. Zweene widerstehen mehr als Einer; Eine dreysache Schnur aber reisset nich so leicht entzwey / als eine einfache. (Der Alten ihre aufgerichtete Bündnisse / und derer Ceremonien.) Derjenige / welcher ein Bündnis machen will / derb sehe wohl zu / daß die / so bey Ihme stehen sollen / seine Freunde von Hertzen sind. Denn wenn sich der Geringere mit dem Mächtigern verbindet / dem wird seinem Verderben gelohnet. Die Höheren haben höhere Anschläge / die Geringen bleiben bey geringern / Einer giebet es her / der Andere behält es / und indem darüber der Willige unwillig gemacht wird / so verabsäumet man dadurch die beste Gelegenheit. Sonst aber hatte man vor Alters im Gebrauch / daß / wann Könige mit einander Bündnisse aufrichteten / schlossen (Cornelius Tacitus.) sie die Daumen und Hände ineinander / und drückten hernach die zwo rechten Hände mit der Lincken zusammen / darnach strichen sie den Arm starck / trieben das Blut herfür / ritzten sich mit dem Messer einer geringe Wunde / und leckten einander das Blut auf / also / daß sie solches für ein altes Geheimnis / und so hoch hielten / als wann Einer dem Andern sein eigen Blut aufgeopfert hätte. Die Scythen meinten / so bald sie die Finger eröffnet / und das Blut in ein Gefässe fliessen lassen / auch die Spitze des Sebels darein geduncket / und einjeder darvon das Blut gelecket / da könnte Niemand mehr voneinander trennen / welches auch bey den Medern im Gebrauch war. Wann die Römer ein Bündnis mit andern ausländischen Völckern aufrichten wollten / hielte die Person / welche den Eydschwur that / einen Kieselstein in der Hand / und sagte: Wann ich wissentlich diesen Eyd breche / so straffe mich Jupiter an meinem Hab und Gütern / und stosse mich aus der Stadt Rom / wie ich diesen Stein hinweg werffe? Man brachte aber hernach auch andere Ceremonien. Denn nachdem sich beyde Theile des Bundes wegen miteinander verglichen / so nahm der Herold den Stein in die Hand und sprach: Wofern ich diesen Eyd und Verbündnis recht / und ohne Betrug aufrichtig beschwöre / so sollen mir die Götter in allen meinem Vornehmen gnädig seyn / wo ich aber darwider handele / und thue / so mögen mich die Götter / iedoch / daß der Stadt und dem gantzen Lande hiedurch kein Leid wiederfahre / in meinem Vatterlande / in meinem Hause / in dem Tempel / und an meinem letzten Ende straffen. Und sobald Er solches ausgeredet warf Er den Stein von sich. Die alten Heyden dichteten einen Gott / den sie Fidium nenneten / und über den sie folgendes schrieben: Ich / als ein Sohn des Jupiters / verbinde das / was unter denen Menschen abgehandelt wird / mit einem starcken Bande / ohne mich geht alles zu Grunde / und ohne mich hat weder die Liebe be [383] stand / noch der Eydschwur seine Krafft; Ich verbinde die Gemüther mit den Gemüthern / und die Hertzen mit den Hertzen. Wann die Daci in den Krieg zogen / schöpfften sie auf gewisse Art Wasser aus dem Flusse Istro / und schwuren darbey / daß sie nicht wieder auf die Grentze ihres Vaterlandes kommen wollten / sie hätten denn die Feinde geschlagen / und überwunden: Die Baucaei machten ihre Bündnisse über einen verborgenen Graben; (Valerius Maximus lib. 9. c. 11.) So lange unn das Erdreich sich darüber hielte / so lange meinten sie auch / würde ihr aufgerichtetes Bündnis in ihrem Lande währen. Da der Armenische Fürst Sariaster wider seinen Vater den König Triganem mit seinen Freunden einen Bund machte / ließ einjeder aus seiner rechten Hand sein Blut / also daß Einer des andern seines hinein schluckte. Nechst iesem so waren auch bey den Alten dieses die zwey grösten Merckmahle / und Kenn-Zeichen einer gemachten Freundschafft und aufgerichteten Bundes / wenn man nehmlich zwischen solchen Brodt und Saltz aß. (Mit weme man Bündnisse aufzurichten hat.) Unter Ungleichen ist keine Gleichheit. Bündnis machen ist zwar ein herrlich Thun / man sehe aber zu / mit wem? Trifft man das Ziel / so ist es gut / mislinget es aber / so ist man die Stunde des Untergangs täglich gewärtig. Dispares Mores, disparia Studia sequuntur. Auf ungleiche Sitten folgen auch ungleiche Thaten. Eine Laute kan mit einer eintzigen Saite nicht gestimmet / vielweniger durch einen ungleichen Klang eine rechte Harmoni gemacht werden. Ein Mächtiger soll sich mit dem / der ihm an Macht und Gewalt gleichet / in Vertraulichkeit und Freundschafft einlassen / Ein Geringerer mit seines Gleichen / keiner aber mit einem Ungläubigen. Denn ob schon die Natur eine gemeine Verwandnis unter Menschen ohne Ansehen der Religion gestifftet: So hat doch GOTT mit keinem abgöttischen und Unglaubigen einen Bund zu machen verstattet. Es geben zwar Ihrer Etliche vor / es sey die Defension von Natur Einem jeden zugelassen / und deswegen nichts daran gelegen / ob / oder was Gestallt sich Einer vertheidigte. GOTT hätte sich ja selbst / da Er das Jüdische Volck um ihrer Sünde Willen abstraffen wollte / der Heyden Dienste gebraucht / und der Apostel Paulus auch von dem Oberhaupt manne heydnische Hülffe begehret: Die Feinde wäre man entweder mit List / oder Gewalt zu schlagen befugt. Sey diesesrecht / so könnte auch das Andere / nehmlich von denen Ungläubigen Hülfe zu begehren / nicht unrecht seyn. Die Gesetze der Wiedervergeltung brächten es mitsich / daß auch die Gläubigen denen Unglaubigen zu Hülffe kähmen / und diese jenen hinwiederumb. Dem sey aber wie ihm wolle / so weiset uns die Schrifft / und die vor vielen Zeiten schon vorgelauffene Exempel ein viel anders. Ihre Bündnisse sind Gifft / und die / welche sich derselbigen befleissigen / fressen den Tod selbst daran. (Genes. 43.) Niemahls war den Jüden und Hebraeern mit den Aegyptischen zu essen (Joh. 4. c. 9) erlaubet: Niemahls durfften die Jüden mit den Samaritern eintzige Gemeinschafft halten / und niemahls hat GOTT verstattet / daß man mit denen Unglaubigen Freundschafft pflegen solle. Hüte dich / sagte der HERR / zu den Kindern Israel / daß du nicht einen Bund mit den Einwohnern (Ccp. 7. v. 11. c. 8v. 9 Pauli ad Corinth. c. 6. v. 14.) des Landes / nehmlich den Hethitern / Pheresitern / und dergleichen machest. Ephraim / sagte der Prophete Hoseas / ist wie eine verlockte Taube welche nichts mercken will / bald ruffet sie Aegypten an / bald aber lauffet sie zu Assur. Niemahls soll man mit denen Unglaubigen an frembden Joche ziehen / indem der Gläubige keinen Theil an den Unglaubigen hat. [384] Es sind zwar viel Exempel verhanden / da die Gläubigen sich mit denen Ungläubigen verbunden / alleine ob das nicht der Göttlichen Regel zuwider / wann man sich mit denen Unglaubigen / wider seine Religions-Verwandten / und Mit-Christen um eine Hand voll Ehre / oder Stücke Landes verbindet / der gehe in sein Gewissen / und lese darbey die Geschichte / wie gefährlich es jederzeit mit denen Christen gestanden / wann sie die Saracenen zu Hülffe nehmen wollen. Der Effect der zugelassenen ehrlichen Bündnisse aber ist dieser / daß die Gemüther dadurch vereinbaret / und einander im Fall der Noth die Hände desto eher / und zwar mit gesammter Macht / ???iethen können / allermassen man dann auch dieselben steif und fest zu halten schuldig. Denn gleichwie solche bey den Römern für Gottes-Dienste geachtet wurden; also schätzet man auch sie für unüberwindlich / wann das Band der Weißheit und Klugheit darzu kommet; gestalt man fast keine genugsame scharffe Straffe für die / welche die Bündnisse überschritten / erfinden kunte. Dahero auch (Florus in lib. 1. c. 3.) der Römische König Tullus Hostilius den Bundbrüchigen Metium Suffetium zwischen zwey Wagen spannen / und ihn mit Pferden voneinander reissen lassen. Denn wann einmahl der aufgerichtete Bund ein Loch gewinnet / so pflegt darauf allerhand Widerwille zu entstehen. Und gleichwie derjenige Diamant / welcher mit einem Hammer zerschlagen wird / dermassen in kleine Stücker zerspringet / daß man sie kaum mit den Augen sehen kan. Also wird auch die durch den Bund gemachte Freundschafft wann sie sich einmahl zertheilet / in den allergrösten Groll verwandelt.
|| [385]
Wie man sich zur Zeit des Krieges in den Schrancken der Neutralität zu verhalten. NIemand vermag länger Friede zu halten / als sein Nachbar will / und weit besser ist ein Stücke Brod hinter dem Ofen mit Ruhe / als die delicatesten Tractamenten bey einem über sich hangendem blosen Schwerdte. Wer ohne Gefahr seines Reiches Neutral zu bleiben vermag / der thut sehr weislich; wo aber nicht / der soll sein Schwerdt nicht in der Scheide stecken lassen. Die Neutralität ist zuweilen (Judic. c. 21. v. 10.) nützlich / zuweilen auch gefährlich. Da die zu Jabes in Gilead sich in dem jenigen Kriege Neutral verhielten / welchen das gantze Israel widerden Stamm Benjamin führete / und diese Letzeren den Kürtzern zogen / schickten Jene 12000 Mann nach Jabes / und liessen Alles niederhauen / (2. lib. Chron. c. 35. v. 20) bis auf vierhundert Jungfrauen. Der fromme König Josias hätte sich der Neutralität / da der Aegyptische König Necho zu Felde zoge / gar wohl bedienen können; nichts desto weniger aber blieb Er bey seiner Meinung / begab sich in die Schlacht / und büsste darüber sein Leben ein. (Christop. Besold. de Foed. jur. de Neutral. c. 8.) Ihrer Viel von denen Politicis sind der Meinung / daß weise Potentaten sich der Neutralität / so viel Ihnen möglich / enthalten sollen. Es ist nicht eine geringe Gefahr / wann sich zwischen benachtbarten Potentaten ein Krieg ereignet / daß man sich uf keine Seite schlage. Da dorten deß (Livius lib. 35. 49.) Königes Abgesandten die Achdeer überreden wollten / daß Sie sich in den jenigen Krieg / welchen die Römer mit dem Antiocho führeten / nicht einflechten / sondern stille sitzen / und demselben nur zusehen möchten / widerriethe Ihnen solches der Römische Bürgemeister Titus Quintius Flamminius / und sagte: Daß / wofern Sie bey dieser Gelegenheit die Waffen nicht ergriffen / sie sich wider ihren Willen / und mit schlechter Reputation dem Uberwinder zum Raube und Ausbeute geben würden. Die Messiner hatten die Arcadier und Lacedämonier zu Nachbarn. Da nun zwischen diesen Beyden ein hefftiger Krieg entstund / wollten sich Jene nicht darein mischen / ungeachtet daß die Lacedämonier hiebevor ihre Feinde / die Arcadier aber ihre Bunds-Verwandten gewesen / nachdem aber die Lacedämonier endlich wieder mit ihren Feinden Friede machten / überzogen sie mit hellen Hauffen die Messiner / und weil diese sich von ihren Nachbarn den Arcadiern keine Hülffe zu getrösten hatten / wurden sie von denenselben überwunden / (Der Neutralität Nutzen.) geschlagen / und mit Weibern und Kindern in die Dienstbarkeit geführet. Etliche halten dafür / daß der jenige / welcher sich zwischen zweyen benachbarten / und kriegerischen Theilen unpartheyischer Weise erzeige / am (Boterus de Principe.) besten thue: Denn Er würde von Beyden respectiret und gefürchtet / indem sich ein Jeder besorgte / Er möchte sich zum Gegentheil schlagen: Er wäre (Christop. Weikhman.) hierinne gleichsam ein Schiedesmann zwischen Beyden / und zugleich sein selbst eigener Herr und Meister. Er schaffte sich einen Nutzen mit deme / was gegenwärtig / und gebrauchte sich der Zeit und der Gelegenheit / welche die besten Rathschläge mit sich brächten / durch welches Mittel dann die Respublic Venedig nicht allein bishero sich erhalten / sondern auch ihren Staat dadurch vermehret: Zudem so hätte auch ein solcher keinen öffent [386] lichen Feind: Er erzörnete Keinen mit seinen Waffen: Er erspahrte Geld: Verbleibe in seinem ruhigen Stande / und begäbe sich zum öfftern / daß durch diese Gelegenheit Ihm damit einen herrlichen Nutzen zu wege zu (De Republica c. 5. 6.) bringen an die Hand gegeben würde. Wohin dann auch Bodinus zielet / wann Er saget: Daß Einer sich vorsätzlich in seiner angräntzenden und benachbarten Könige oder Fürsten streitige Händel nicht einflechten / sondern das Seinige selbst beschützen / und keinem Theil beyflichten sollte / welches hiebevorn auch die Hertzogen in Savoyen / Lothringen / und Burgund gethan hätten: Denn so lange sie stille gesessen / und sich in die benachbarten Kriege nicht mit eingemischet / so wären ihre Hertzogthümer in gutem Flore geblieben; so bald Sie sich aber mit einem und dem Andern conjungiret / da sey es auch über ihr Land und Leute gegangen. Hiernächst so wäre auch die Neutralität nicht undienstlich / wann die kriegenden Partheyen auf einen solchen Herrn oder Respublic ein Auge haben musten / daß sich kein Theil an Ihm leichtlich vergreiffe: Dann wann Er nicht weit von Ihnen entlegen / und Einjeder sich zu befürchten / daß wann Er denselben feindseelig tractirte / Er sich auf des andern Seite schlagen / dadurch die Gefahr auf den Hals ziehen / und um so viel desto eher von dem Gegentheil überwunden werden möchte / so könte man / vermittelst solcher Authorität / ohne alle Gefahr bey solcher Neutralität verbleiben; der übrige Nutzen sey dieser / wenn man sich neutral hält / daß Er sich eines und deß andern Haß nicht auf dem Hals lüde / und daß ein Jeder sich bemühe / Ihn auf seine Seite zu bringen: Denn die Begierde / Ihn zum Freunde zu haben / machte demselben ein Ansehen / und suchte solchen mit allerhand Wohlthaten zu gewinnen / damit Er sich nicht zu dem Gegentheil schlüge. Ferner wäre ein solcher zu nichts verbunden / Er bliebe sein eigner Herr / und würde öffters über die vorhergehende Strittigkeiten zu einem Mediatoren und Schiedsmann erkieset: Setzten seine beyde Nachbarn einander sich selbsten in Ruin / so hätte Er davon den Nutzen / daß Er sich und die Seinigen bey der Hoheit erhielte / der Zeit gebrauchte / und seinen Vorthel mit Nutzen ersähe: Und weil die streitenden Häubter sich durch die grossen Krieges-Spesen / so sie hierzu aufwenden müsten / einander schwächten: Lebete der / welcher Neutral verbliebe / in Friede und Ruhe / nähme an Macht und Gewalt zu / hätte keinen öffentlichen Feind / und wäre für aller Gefahr und Schaden versichert: Machten aber die Partheyen Friede / sey Er für Beyde / weil Er keinem Theile beygestanden / gesichert / und obschon der eine Theil siegete / so hätte Er doch nicht Ursache sich an diesen zu reiben / und könnte man desselben Freundschafft mit eben so viel und noch wenigerem Gelde / als uf dem Krieg gegangen wäre / erkauffen. Nicht wenigeren Nutzen hätten auch die jenigen darvon / wann sie sich durch gewissen Vergleich zwischen beyden Streitenden Neutral hielten; Dahero auch etliche von denen Politicis denen Republiqven riethen / daß Sie zu Erhaltung ihrer Reputation sich mit keinem Potentaten genau verbünden / Jedermannes Freundschafft suchen / Allen Vertröstungen geben / und die streitige Gelegenheit dadurch meiden sollten. (Dero Schaden) Wiewohl nun dieses solche Ursachen zu seyn scheinen / daß man sich fast jederzeit Neutral und unpartheyisch erweisen solle. So wollen doch hingegen Andere behaubten / daß offtermahls daraus der gröste Schaden und Nachtheil entstünde: Denn wollte man sich darbey erhalten / so beleidigte man beyde Theile / machte sich damit keine Freunde / und schaffte [387] auch dadurch seine Feinde nicht ab. Quid aliud, quàm nusquam Gratia stabili, veluti qui Eventum expectaverimus, ut Fortunae applicaremus nostra Consilia, praeda Victoris erimus? Non quemadmodum hodiè vobis utrumque licet, sic semper liciturum est, nec saepè, nec diu eadem Occasio fuerit. Denn man würde zur letzt nichts anders als ein Raub und Beute dem jenigen / welcher die Oberhand behielte: Wollte man seine Rathschläge nach dem Glücke richten / wäre es sehr mißlich / indem man nicht jederzeit die Wahl / welche man anfangs hat / hinwieder haben / noch die gute Gelegenheit / so sich hierbey ereignete / haben könnte / wie solches an den Rhodisern / und an dem Asiatischen Könige / dem Cumenes / bey währendem Kriege der Römer und des Königes in Persien zu sehen / da dieser mit Füssen getretten / die Andern aber dadurch den (Tacitus.) grösten Theil ihrer Herrschafft verlohren. Inter Impotentes & validos falsè quiescas: Ubi manu agitur, Modestia & Probitas Nomina superioris sunt. Dafern man aber vermeinete / daß man zwischen zweyen übermüthigen / hochtrabenden und mächtigen Nachbarn geruhig leben könnte / der betrüge sich selben: Denn wenn es zum Treffen käme / so trüge nur der / welcher obsieget / den Nahmen / daß Er bescheiden und redlich gewesen / darvon / und bliebe ein Solcher / wann Er nicht mächtig genug / dem jenigen Theil / der die Oberhand behielte / zum Raube; Niemand nähme sich seiner an / und weil Er mit denen Andern die Waffen nicht ergreiffen / und gleich Jenen das Glücke wagen wollen / machten sie öffters miteinander Friede / und rächeten sich zugleich beyde an demselben. Wofern Er nun sich nicht wohl in Acht nähme / könnte Er leichtlich um einer geringen Ursache willen als ein Feind / oder als der / welcher dem Feinde Vorschub gethan / von dem Stärckern angegriffen werden. (Was man darbey zu bedencken.) Es seye aber nicht genug / daß sich ein Potentate zwischen denen Kriegenden Neutral halte / oder Einem oder dem Andern mit Hülfe beystünde / sondern es erforderte auch dar bey die Unumgänglichkeit / daß / ehe Er sich auf einen oder den andern Weg lenckte / Er den daraus entstehenden Nutzen und Schaden wohl überläge / damit Ihn weder die Neutralität stürtze / noch die Assistenz um Land und Leute brächte: Denn es wäre nicht allzeit weise und verständig gehandelt / wenn man sich mit denen Benachbarten / des Krieges halber / in gantz keine Gefahr begeben wollte / sondern man wäre da erst recht sicher / wenn man ausser Gefahr / und nach Uberwindung seines Feindes / in Ruhe verbleiben könnte / sähe man aber / daß des Nachbars Untergang auch Einen mit betreffen könnte / sollte man weder zusehen noch warten / bis derselbe hingerichtet: Nähme aber Eines Macht und Gewalt also zu / daß solche denen Benachtbarten verdächtig / auf solchem Fall sollte man nicht lange warten / sondern mit gesamter Macht wider den stehen / der Sie um ihre Freyheit / Land und Leute / Stand und Hoheit zu bringen gedächte: Denn es sey besser / daß man es mit einem Freunde aufrichtig / und mit gleicher Gefahr wage / als sich beyderseits haß und Feindschafft aus den Hals lade. Es wäre kein gewisser Grund / wenn man vermeinete / daß / wenn man Keinen beleidigte / man wohl sicher seyn könnte. Man sollte aber wissen / daß dem / welcher die Oberhand behielte / der Muth wüchse / nnd sich wenig um das / was recht oder unrecht / bekümmerte / sondern vielmehr einbildete / daß das jenige / so man Ihm abschlüge / die höchste Beleidigung sey. [388] Auf welche Seite man sich nun in solchen Fällen zu schlagen / und welchem Theile man beystehen sollte / darzu gehörten / ehe man eine beständige Erklärung fassete / wohlbedächtige Rathschläge / und hielte Aristoteles dar für / daß man sich zu dem Mächtigsten und Stärckesten schlagen müste: Denn ein Weiser sollte sich niemahls von deß jenigen Seiten lencken / wo es glücklich daher gienge / noch unter deß jenigen Hauses Schutz begeben / welches sich zum Einfalle neigete / jedoch hätte man die Beleidigten nicht jederzeit zu verlassen / indem die Gefahr auch auf einen Andern kommen könnte; wann aber beyde streitende Theile einander gleich / hätte man die Sache nach allen Umständen zu erwägen / wohin man sich schlagen / mit welchen man sich conjungiren / und mit weme man eigentlich in ein Verbündnus tretten wollte: Denn gleichwie man vielmahls / wenn man einen Unfall meiden wollte / in ein anderes / das offtermahls grösser / als (Machia vellus in Princip. c. 21.) das vorige / zufallen pflegete; Also beruhete auch unter andern die Vorsichtigkeit auf deme / daß man die Beschaffenheit der Umstände und eines Ungemachs mit Fleiß zu erkennen / und sich unter zweyen Ubeln das kleinere mit Mas und Zeit zu erkeisen wüste. Wie der Krieg Land und Leute frisset: Also erbauet der Friede hinwiederum dieselben. Es ist besser Friede als Krieg im Sinne haben: Zuviel schneutzen macht zuviel Nase-bluten. König Rhehabeam brachte sich aus besonderer Einbildung um zehen Königreiche. Ein sicherer Friede ist offt denen besten Kriegen vorzuziehen. Das ist kein Friede / der mit Einem Friede macht / wenn Er das feindliche Gemüthe nicht ableget. Nirgends wird das jenige Geld besser angeleget / als wenn man um desselbigen Willen Land und Leute erhält. Kan nun ein König oder ander Potentate ohne Krieg Friede haben / so hat Er nicht Ursache (Gen. c. 14.) viel unnöthige Kriege zu führen. Dort muste Abraham um des Friedens (Jos. 10.) willen wider die Syrische Könige zu Felde ziehen / und der Held Josua durch den Krieg den Friede erwerben. Ehe König David seinen Königlichen (2. Sam. 2. v. 9. &c. Jud. c. 8. v. 28.) Thron mit Friede und Gerechtigkeit befestigte / führte Er mit dem Hause Sauls zwey Jahr Krieg. Nachdem der streitbare Held Gideon des Israelitischen Volckes Feinde überwand / erhielte Er demselben dadurch einen viertzig jährigen Friede. Die Frucht der Gerechtigkeit ist der Friede. So lange man in einem Königreiche oder Lande dieselbe gebührend verwaltet / so lange wohnet auch derselbe darinne / beyde sind die Seelen eines Potentatens / und gleichsam durch ein Göttliches Band unauflöslich verknüpffet. (Anno C. 1630. Lundorp. 3. p. Act. publ. sol. 37.) Keines bleibt gerne ohne das andere zurücke / und wo sich der Krieg dazwischen drehet / so pflegen sie beyde nothwendig zu weichen. Als einesmahls ein hoher Potentate des Reichs seine Gesandten an den damahls regierenden Keyser Ferdinandum den Andern abschickte / ließ derselbe unter andern Motiven auch zum Beschluß mit anführen / daß die Wiederbringung [389] des wehrten Friedens GOtt sehr gafällig / denen Menschen erfreulich / allen Regiments-Ordnungen nützlich / und dem in letzten Zügen liegenden Römischen Reiche sehr nöthig seyn würde / auch stünde darauf die höchste Glückseeligkeit aller irdischen Dinge / und die wahre unverfälschte Sicherheit einer löblichen Regierung. Wieder Krieg die Tugenden verjaget: also besieget hingegen der Friede die Laster. Niemahls stehet einem Potentaten wohl an / daß Er / wann Er Friede haben kan / die Waffen ergreiffe. Divitias Pax alma refert. Als sich einesmahls Engeland zwischen Spannien / und denen Niederländern zu Mediatoren wollten gebrauchen lassen / gaben diese zur Antwort: Es ist besser ein offener Krieg / als ein vermummter Friede. Bey einem sicheren Friede aber gehet es viel anders daher: Denn es gewinnet der Sieger und auch der Uberwundene; die aber / welche ihr Haab und Gut zuvorhero aufgesetzet / sind froh / daß derselbe sie wieder mit frölichem Angesichte blicken lässet. Praestat aliquando iniqua Pax justo bello: Es ist zuweilen besser den Friede mit Gelde erkauffen / als sich der grausamen Krieges-Gefahr unterwerffen. Der König (1. Reg. c. 15, 18.) Assa in Juda überschickte dem Syrischen König Benhadad Silber und Gold / nur damit Er sich nicht mit dem Israelitischen Könige Baesa vereinigen / und mit gesamter Hand auf Ihn los gehen möchte. Joas erkauffte (2. Reg. c. 12, 17.) mit Gelde denselben / und wandte dadurch Hasaels des Königes in Syrien Krieges-Heer von Jerusalem ab / Menahem der König in Israel aber erlegte den Assyrischen König Phuel wegen dieses tausend Centner Silbers. Weit besser ist der Friede / als der leidige Krieg: Denn dieser ist GOttes Besem / Jener aber der von Ihme gesegnete Wohlstand. Es begegneten einesmahls zwey Mönche etlichen Soldaten / die Ihnen zurieffen und sprachen: GOTT gebe euch Friede / denen aber dieselben zur Antworte gaben: Und nehme euch das Allmosen? Wie nun der Krieg nicht alleme eine Kranckheit des Leibes / sondern auch der Seelen: Also ist hingegen dieser ein Fest und Ruhe aller Frommen. (Schönb. in Politic.) Es ist aber Pax publica, oder der allgemeine Friede nichts anders / als daß man ein Königreich / Land oder Republiq in sicherm Wohlstande / und die Bösen bey steter Furcht erhalte: Und daß solches vornehmlich einem Keyser / Könige und Porentaten eigentlich zukomme / hat sehr wohl der gottseelige Keyser Maximilianus der Erste verstanden / welcher mit einhelligen Stimmen / und Einwilligung der Reichsstände durch heilsame Verordnung den gemeinen Frieden zu Wormbs Anno Christi 1495 / und zu Augspurg Anno 1500. promulgiret / der hernachmals auch zu Worms Anno 1521 / zu Nürnberg in folgendem Jahr darauf / und zu Augspurg Anno 1548 und 1551 von dem löblichsten Keyser Carln dem Fünfften; deßgleichen von dem gottseeligen Keyser Ferdinando dem Ersten zu Augspurg Anno 1555 / zu Regenspurg Anno 1557 / und zu Augspurg Anno 1559 / von dem gottseeligen Keyser Maximiliano dem Andern zu Augspurg Anno 1566 / zu Speyer Anno 1570 / und zu Regenspurg Anno 1576 confirmiret und bestättiget worden: Und diese Ordnung ist allgemein / gleichwie auch alle andere Gesetze. Niemand hat sich mit der Unwissenheit zu behelffen; Ein jeder von Männlichen und weiblichen Geschlechte ist darmit eingeschlossen. Es wird aber auf unterschiedene Weise solcher Land-Friede bebrochen / wann nemlich einer / es sey auch was Ursachen es wolle / zu Beleidigung eines Andern Volck wirbet / und ohne Noth und Vorbewust des Keysers einen Krieg anfähet: Dem Andern [390] hinterlistiger und betrüglicher Weise mit Gewalt seiner Güter entsetzet / und ihn beraubet: Krieg und Feindschafft ankündiget: Ihn befehdet / Absage- und Fehde-Briefe zuschicket: Denen Feinden des Römischen Reichs allerhand Kreigs - Instrumenta und Rüstungen schicket und verkäuffet: Einer zum Nachtheile des Andern neue Vestungen und Gebäude aufführet: Sich widerspenstig erweiset / und der Keyserlichen Bohtmässigkeit nicht unterwerffen will: Eines Andern unterthanen zum Aufstande anreitzet / und durch allerhand Räncke den unerfahrnen Pövel in den Harnisch bringet; Und wann letzlich Einer die in die Acht Erklärten des Reichs aufnimmet / und Ihnen allen Vorschub und Beförderung erweiset / welches für nichts anders als ein Bubenstücke zu halten / da man das jenige / was gestraffet werden sollte / noch darzuheget / und dasselbige schützet und handhabet. (Was der Krieg zerstöret / das ersetzt der Friede.) Leichtlich fänget man zwar einen Krieg an / mit grosser Mühe und Arbeit aber wird derselbe wieder aufgehaben. Die Schuld ist öffters unser selbst: Denn gehorchte man denen Worten des HErrn / und gienge in seinen Wegen / so würde Er bald alle Feinde dämpffen: Er züchtiget Uns vielmahls / und weil die Ruthe nicht zureichet / so ergreiffet Er das Schwerdt zwey- oder wohl dreyfach. Und ob man schon hernach den Frieden suchet / so ist doch derselbe nicht eher da / bis die Reue und wahre Busse bey der Hand. Nemo sine Pacis & Tranquillitatis Bono Bona sua novit, Nemo possidet. Viel Städte und Länder erbauet man in Fried und Ruhe / die wenigsten aber zur Zeit deß Krieges / welcher weder Freund noch Feind (Philand. von Sittewald in vision. 4. p. m. 165.) schonet; Dahero so folget auch die Reue darauf desto später / und heißet hernach bey denen / die demselben zu sehre nachgehenget: Mich verdreust es / daß ich meine eigene Obrigkeit und Vaterland verrathen: Daß ich an meinen eigenen Freunden zum Mörder worden? Daß ich meine eigene Kinder aufgehencket; Daß ich als Herr im Lande durch den schnöden Krieg meine schönsten Herrschafften / so viel Eingesessene / und so viel getreue Unterthanen / durch Antrieb meiner unersättlichen Affecten / dahin gegeben / und muthwillig verschertzet; Daß ich meine Unterthanen boßhafftig verlassen; Daß ich um der vergänglichen Ehre willen Schlösser / Städte und Dörffer zur Wüsteney machen lassen? Daß ich alle meine Herrlichkeiten verpfändet / und daß ich anjetzo in meinem eigenem Neste einen frembden (Thomas Stybarus.) Vogel eingenistelt sehen muß. Von dem Keyser Carln dem Fünfften wird gemeldet / wie Ihm öffters gereuet / daß Er sich wider Churfürst Johann Friedrichen zu Sachsen in einen Kreig eingelassen / und nachdem Er seinem Bruder König Ferdinanden das Keyserthum abgetretten / und sich in ein Kloster in Spannien begeben / habe Er in desselbigen Creutzgange seine vornehmste Thaten und Siege auf Mappen lassen mahlen; So offt als Er nun dieselben besichtigte / und Er an die jenige Mappe gekommen / darinne der Schmalkaldische Krieg / und die Fahnen des Churfürsten von Sachsen abgemahlet / habe Er angefangen zu seuffzen und zu sagen: Hätte Ich diesen gelassen / wer Er gewesen / so wäre Ich auch geblieben / wer Ich gewesen ! Den besten Krieg führet man um des Friedens willen / damit man für seiner Feinde Uberfall versichert leben möge / mißbrauchet (Ist nach dem Siege nicht mißzubrauchen.) man aber denselben / so ruhet der Fluch vor der Thüre. Wann die vernünfftigen Heyden wider ihre Feinde den Sieg erhielten / so danckten sie nicht allein ihren Göttern darfür / sondern sie richteten auch dem Friede / als einem vermeinten Gott / besondere Altäre auf. Das Hertze eines Uber [391] winders soll mehr zur Gütigkeit als Schärffe / mehr zum Verzeihen als (Seneca in Hercul. furent. Act. 2. p. 12.) Rache / mehr zum Frieden als Unfrieden geneigt seyn. Der Römische Feldherr Marcus Marcellus wollte die durch den Sturm eingenommene Stadt Syracus nicht zerstören. Reduci velle Victori expedit, victo necesse est: Der gemachte Friede ist so wohl dem Sieger als dem Uberwundenen nützlich. Ein Sieger kan zwar mit Schrecken wohl anhalten (Tacit??? in vita Agricolae.) / wenn Er aber genugsam geschrecket / so soll er durch Verschonen die Anreitzungen des Friedens wieder herfür blicken lassen. Da Totilas der Gothen König die Stadt Rom einnahm / und in den Tempel gieng / (Sigonius lib. 19.) trat Ihm der Priester Pelagius entgegen / hatte das Evangelium Buch in Händen / fiel auf die Knie / und sagte: Verschone / O Fürste der Deinigen! Nachdem aber Totilas Ihm hönisch zur Antwort gab: Und du kommest Pelagi nun letzlich auch mir einen Fußfall zu thun? Sprach dieser: Ja freylich / alldieweil mich GOTT zu deinem Knecht gemacht hat / Ich bitte aber / lege nunmehro nicht mehr Gewalt an die Jenigen / die allbereit unter diene Dienstbarkeit gerathen. Worauf Totilas in sich gieng / und Männiglichen zu verschonen befahl. Von dem Helden Achille meldet Homerus / daß Er sich auf seinen Schild zwey Städte hätte mahlen lassen / in deren einer nichts als Friede und Ruhe / in der andern aber lauter Krieg / Brand und Mord zu sehen gewesen. Woraus abzunehmen / daß wo Friede / da sey auch die gröste Ruhe / und das beste Reichthum auf dem Erdboden. Die Poeten dichten / daß wann Jupiter donnern und blitzen will / Er zuvorhero der Götter Einwilligung darzu haben muß / wann Er aber das Erdreich mit einem sanfften Regen befeuchten wolle / bedürffte es dessen nicht / damit anzuzeigen / daß ein König und Potentate nicht ohne erhebliche Ursache / auch nicht unberathschlaget sich des Friedens begeben / und Krieg anzufahen unterstehen soll. Krieg soll Niemand anfahen / Er werde denn darzu gedrungen / daß Ihm alle menschliche Wege und Mittel entstehen / uud also durch andere Weise zum Frieden nicht gelangen kan; alsdann heißet es aus der Noth eine Tugend gemacht / und deß Alciati Lehre folgen: Man soll die Waffen werffen weit / nach Friede trachten allezeit; Kan aber es nicht anders seyn / so schlage man mit solchen drein. (Sueton.) Der Römische Keyser Titus Verspasianus ließ sich nach hingelegten Kriegen zum obersten Bischoff zu Rom weihen / damit Er seine Hände nicht ferner mit Blute besudeln dürffte: Denn dergleichen Pontifices maximi musten schwören / daß sie sich des Blutvergiessens gäntzlich enthalten wollten. König Pyrrhus in Epiro nöthigte sich mit Gewalt zu den Römern / nachdem aber sein Legate Cyneas solchen Krieg gerne hintertrieben / und den Friede mit den Römern befördert hätte / fragte Er Ihn: Wann wir die Römer / als die besten Krieges-Leute / überwunden / was wollen wir darnach thun? Wir wollen / sagte Pyrrhus / gantz Italien und Sicilien einnehmen. Wenn das hinweg / sagte Cyneas / wollen wir denn Friede machen? Nein / sprach der König / sondern dieses soll nur der Anfang zu einer importirlichen Sache seyn: Denn wir haben noch für Uns Lybien und Carthago / Macedonien und gantz Griechenland. Wann [392] nun / wiederholete Cyneas / solche Länder alle gewonnen / was willstu O König ! alsdann vornehmen? Wir wollen / antwortete Pyrrhus / gute Tage haben / in Freude und Frölichkeit leben / und des Friedens geniessen. Warum machstu denn / replicirte Cyneas / anjetzo nicht Friede / und schaffest dir gute Tage: Denn alle diese Anschläge werden viel Blutes kosten / und bist gleichwohl darbey nicht gewiß nicht gewiß versichert / ob es deinen Anschlägen nach also ergehen werde; Welches auch geschahe: Denn ob Er wohl wider die Römer zwey ansehnliche Schlachten erhielte / so wurde Er doch zu letzt für Argos in Griechenland von einem Weibe mit einem Steine todt geworffen. Ein Narr sahe einesmahls / wie man sich mit Macht zum Kriege rüstete / und fragte / was das bedeute / deme man zur Antwort gab / man zöge in Krieg; und da er weiter fragte / was man daselbsten thäte / berichtete man ihn / man brennete und sengete daselbsten / verheerete Städte / Dörffer und Länder / und schlüge alles / was man antreffe / zu tode; der Narr fragte weiter / warum man solches thäte / und man ihn wieder beantwortete / daß dasselbe um des Friedens willen geschähe / so wäre es dann / sprach er / besser gewesen / man machte zuvor Friede / damit solcher Schade unterbliebe. Wie nun der Krieg alles zerstöret: Also ist nichts bessers und angenehmers in der Welt / als der sichere Friede; denn wo dieser ist / da wird die Religion erbauet / das Wort des HERRN geprediget / die Jugend in den freyen Künsten unterwiesen / die Policey und guten Gesetze befestiget / Zucht und Erbarkeit erhalten / die frommen Unterthanen geheget / die Bösen um der Laster willen gestraffet / der gemeine Nutze befördert / und so wohl der Herr als der Knecht in einer beständigen Ruhe erhalten. Wohl derohalben dem jenigen Königreiche / Land und Stadt / die Friede vor sich / Friede mit ihren Nachbarn / Friede mit ihren Feinden / Friede nach diesem zeitlichen / bey dem ewigen und unvergänglichen Friede / haben mögen.
|| [ID00425]

Der zwar unbeständige / jedoch mehr als die Menschen beständige Vercurius.
[arrow up]

|| [ID00426]
|| [395]
über den Mercurium. HIer kömmet der flüchtige Götter-Currierer / der treffliche Bohte / der Argus Verführer / der Maien und Jupiters himmlischer Sohn / von seinem vermeineten Göttlichen Thron. Ergiebet den Lüfften die hurtigen Glieder / und lässet sich endlich beym Sterblichen nieder; Es weiset sein Schlangen-Stab sonderlich aus / wie daß Er was bringe von Jupiters Haus. Nichts minder versucht man sein Ehre zu schmählen / und saget von seinem vielfältigen Stehlen: Er liebe die Diebe / und keinen Bestand / es sey nicht mit Ihme zum besten bewand. Wie aber die Tugend sich immer muß leiden / so will man auch diesen Mercurium neiden; Doch acht Er mit nichten den neidigen Zahn / weil Götter nur gehen die richtigste Bahn.
|| [396]
Der tapfere Redner / der treffliche Schütze / der Friedens-Gesandte / zu vielerley nütze / der listige Hirte / der Aertzte Patron / der Kauffmannschafft Sonne / und selbige Cron'. Bald läßt Er Ihm Himmel / bald Erde gefallen / bald hilfft Er erfinden die reichen Metallen: Er liebet die Schächter / bringt Silber und Gold; drum sind Ihm die Götter und Menschen auch hold. Und weil Er die Künste dann heget / und liebet; so manche der Lehren Er Jedem auch giebet: Er blincket am Himmel / durchflieget die Lufft / und lässet sich finden in düsterer Grufft. In Summa sein Wesen zeigt vielerley Lehren / man wird es aus deme / was folget / bald hören / was dieser alleine am Schilde nur führt / und wie man bey Göttern und Menschen Ihn spührt.
|| [ID00429]
|| [ID00430]
|| [397]
Menschlicher Dinge Unbeständigkeit. NIchts / saget man / ist unbeständiger / als die Unbeständigkeit selbst. Die Kinder / wenn Sie spielen / erweisen es in dem / daß Eines ein König / das Andere ein Bauer / das Dritte ein Reicher / und das Vierte ein Bettler seyn mus. Heute trifft das Los den Reichen / morgen den Armen: heute den König / morgen den Verachtesten. Bald wird der / so in hohen Ehren itzet / herunter gestossen / bald steiget ein Anderer / der es selbst nicht vermeinet / empor / und der für weniger Zeit aus Hochmuth sich selbst nicht kennete / der stirbet anietzo für Unmuth. Je länger man mit dem Leben beleget wird; ie öffters wird Einem und dem Andern das Blat verkehret. Nichts vollkommenes ist weder unter denen Sterblichen / noch von den Sterblichen / wofern solches von GOtt selbst nicht vollkommen gemacht wird. Niemahls hat ein Mensch auf menschliche Dinge zu bauen / alldieweil man durch geringe Dinge steiget / und durch viel geringere fällt. Als König Demetrius den Euripidem fragte: Was Er von der Menschlichen Schwachheit und Kürze des Lebens hielte? sprach Er: In diesem Leben ist nichts sicherers und beständigers / als alleine die Veränderung alle Dinge / indem keines Menschen Stand so sicher / der nicht der täglichen Gefahr unterworffen. Die Welt kauffen wir offt nicht mit wenigem Verluste der Ehre / theur genug / Uns aber deroselben desto wohlfeiler. Sie erfreuet und betrübet: Sie verfolget / und verhehlet: Sie zerstöret und verdeckt unter ihrem Mantel alle Büberey. Nachdem König Cyrus in Persien den gefangenen König Crösum um Rath fragte: Ob Er einen Zug wider die Seythische Königin Tomyris thun sollte? Gab Ihm dieser zur Antwort: Wenn du dir einbildest / daß du unsterblich / so thue es; Wenn du dich aber vor einen Menschen achtest so bedencke die Unbeständigkeit des Glücks. Dem Römischen Feldherrn Belisario wurden auf des Keysers Justiniani Befehl die Augen ausgestochen / also daß Er für seinem Ende noch muste betteln gehen. König Casimirn in Polen sties man nach seines Vatern des Mestovii Tode ganzer sieben Jahr in ein Kloster / nachdem aber das Königreich wegen des darinnen entstandenen Aufruhrs zu wanken anfieng / erwehleten die Vornehmsten des Reichs denselben zu ihren König. Keyser Friederich der Andere / warff auf den gelehrten Mann Petrum de Vineis, von Capua bürtig / einen Argwohn / als stünde Er Ihm nach dem Leben / ließ Ihm dahero die Augen ausstechen und in das Gefängnis werffen / worinen derselbe an sich Hand anlegte / und selbst erwürgte. Bey König Ludowigen dem Eilfften in Franckreich / stund ein Balbier aus Flandern / Nahmens Olivier Dama, dermassen in Gnaden / daß Er dadurch viel Geld und Gut an sich brachte; Nachdem aber der König starb / fiel er durch Angebung Etlicher bey dem jungen Könige Carln in die höchste Ungnade / daß man Ihm alle seine Guter einzog / und zu Paris an Galgen henckete / so gar ist in menschlichen Dingen nichts Beständiges. Niemand hat sich seiner Gewalt zu erheben / noch des Glücks zu übernehmen. Der Römer Marius / welcher sonst seine Tapferkeit wider die Teutschen zur Gnüge erwiesen / ward von dem [398] Sylla verjagt / flohe in Africa / und nachdem Er daselbst auch vertrieben / muste Er / unbekannter Weise / das Bettel-Brodt suchen. Wo das Glücke am höchsten / da ist das Unglücke am nächsten. Cepio wurde anfangs zu Rom Schultheisse und Bürgemeister / und machte sich um den Rath und das ganze gemeine Wesen wohl verdient; nichts desto weniger warff man Ihn letzlich ins Gefängnis / band Ihn am Galgen an eine Leiter / und reiß denselben daselbst mit Zagen / biß Er endlich in dem Gefängnisse erbärmlicher Weise sein Leben aufgeben muste. Das Glück ist geschwinder als ein Adler / welches in einem Augenblick alle Wollust und Freude in das höchste Betrübnis verkehret / wie man an dem Lydischen Könige Craeso, Dario, Xerxe, und Alexandro Magno siehet / welche alle in der grösten Blüthe der Glückseligkeit gelebet / und in kurzer Zeit um Land und Leute / Haab und Gut / ja Leib und Leben gekommen sind. Das jenige / so wir in der Welt besitzen / ist nicht unser / sondern dem / welcher Uns einen Athem eingeflösset / welches Archidamus König zu Sparta wohl wargenommen: (Tholosan. de Republic.) Denn nachdem Er von Könige Philippo in Macedonien nach erhaltenen Siege bey Chaeronea ein bedrohliches Schreiben erhalten / hat Er Ihm dieses darauf geantwortet: Wenn du / ô König Philippe ! deinen Schatten missest / so wirstu denselben nach diesem deinen erhaltenen Siege nicht länger befinden / als er vor solchem gewesen / welche Erinnerung denn den Philippum dergestalt bewogen / daß Er sich niemahls seines Standes mehr erhoben. Es ist um das menschliche Herz ein verzagt / und zugleich auch trotziges Ding: Denn die Erfahrung giebts / daß der jenige / welchem Alles nach Wundsch und Willen geschiehet / sich schwerlich in den Schrancken behält; und hingegen der / dem Alles Krebsgängig gehet / bald kleinmüthig / bald verzagt wird; welches denn insoderheit zu geschehen pfleget / wenn man nicht weiß / was vor einen Ausgang ein und die andere Sache gewinnen werde. Daferne einer mehr Macht hat / als der Andere / so soll Er sich wegen dessen nicht erheben / noch Andere neben sich verachten. Denn ein einziger Tag kan Ihn um alle sein Haab und (2 Macc. c. 9. v. 12.) Gut / Ehre und Hoheit / Reichthum und Ansehen bringen. König Antiochus ließ sich bedüncken / Er reichete mit seiner Macht biß gen Himmel / und hätte der Welt und den Meeren zu gebieten; Er fiel aber in eine solche stinckende Kranckheit / daß für Gestanck niemand bey Ihm bleiben kunte / sondern muste in solchem elendiglich sterben / wie Er daselbst bekennete / (Prov. 16. v. 18 Philippus Cominae??? lib. 5. c. 7.) daß Gott die Vermessenheit der Sterblichen auf unterschiedene Weise zu züchtigen wisse. Wer zu Grunde gehen soll / der wird stolz: Herzog Carl der Rühne in Burgund war so Ehrfüchtig und vermessen / daß Er sich nicht alleine die Schweizer unter seine Gewalt und Bottmässigkeit zu bringen / sondern auch den Türken aus ganz Griechenland zu vertreiben vorhatte; alleine Er kam zu Nancy jämmerlich um sein Leben / und fielen alle seine Rathschläge in den Brunnen. Dahero man nach seinem Tode diese Grab-Schrifft von Ihm machete: Te piguit pacis, taeduitq???ue quietis in vitâ, Hic jaces Carole! jamque quiesce Tibi! Der / welcher iederzeit den Frieden wenig achte / Und seine ganze Zeit mit Kriege nur zubrachte / Der lieget nun allhier / und mus in Ruhe leben / Die Ihm die Waffen nicht beym Leben kuntengeben. (In Vitâ Antonii.) Der H. Bernhardus überlegt die menschl. Unbeständigkeit gar reiflich / un̅saget: O Mensch bedenke / wo du anietzo seyst / und betrachte / wo du nach diesem Lehen hinfährest! Denn ob du gleich Andern an Hoheit / Macht [399] und Gewalt vorgehet / so hastu doch mit andern Menschen in diesem Leben (AElian??? lib. 3. variar. histor. c. 30.) einerley Ein- und Ausgang. Nachdem die Olympias des Griechischen Königes Alexandri Magni Mutter hörete / wie dieser Ihr Sohn nach dem Tode etliche Tage unbegraben gelegen hätte / seuffzete Sie / und sprach: O des erbärmlichen Elendes und ungewissen Ausganges der Menschen! Mein Sohn wendete vor weniger Zeit alle Mühe un̅ Fleiß an / wie er sich möchte von Göttlichen Stam̅e herrechnen; Anietzo aber muste er dasselbige entbehren / und an dem Mangel leiden / was sonsten dem geringsten Menschen wiederfähret! (Seneca in Epist. 114.) Der weise Seneca sagt; Es ist zu einem Tugendsamen und sittsamen Leben keine bessere Gelegenheit / als wenn man offt und viel erweget / wie unbeständig / und hinfällig die Zeit des Lebens sey / und daß man keine Stunde seines Todes versichert seyn könne. Der weise Heraclitus giebet vor / es wären die meisten Wercke des Allerhöchsten dem Menschen wegen ihres Unglaubens auch unbekannt / das ist / der Mensch weiß nicht / was GOTT in Verwaltung Himmels und der Erden thue / und weil Er solches nicht kan begreiffen / so wird Er auch desto weniger geehret / sondern vielmehr alles dem blinden Glücke zugeschrieben / welches man darum blind nennet / alldieweil der Mensch in solcher seiner eigenen Blindheit / die Göttliche Versehung und Regierung nicht fassen kan. Die Menschlichen Fälle aber vergleichen sich nicht unfüglich dem vergänglichen Welt-Glücke. Das so denn steiget auf und nieder / Und ist wie Haasen gleich bewand; Es fliehet fort / und kommt doch wieder / Und locket uns durch seine Hand: Dafern wir aber feste stehen / So wird der Sturm fürüber gehen. Denn die in Noth zur Tugend fliehen / Die kan kein Laster nie bezeihen. Es ist nicht ein geringes / wenn Einer vergisset / was Er verlohren. Man hat sich zwar über das / was man in der Welt gewinnet / zu erfreuen; Alldieweil aber das Glücke alles verändert und umkehret / so soll man das Hertze also daran hängen / damit es nicht das Leben und die Wolfarth (Die Welt.) darüber verliere; Die Welt ist ein Haus / darinnen das Gegenwärtige verschwindet / und das Vergangene hinweg ist. Sie betrübet und tröstet nicht; Sie verurtheilet / und höret nicht; Sie raubet / un̅ giebt nichts wieder; Sie drohet / und besudelt; Bey ihr ist keine Freude ohne Bekümmernis; keine Ehre ohne Mackel; kein Stand ohne Klage; kein Freund ohne Feind; keine Ruhe ohne Furcht; keine Vollkom̅enheit ohne Verbrechen; kein Liebkosen ohne Betrug; keine Treue ohne Falschheit; keine Ruhe ohne Unruhe; keine Aufrichtigkeit ohne Lügen; kein Weg ohne Gefahr; und kein Gutes ohne Böses. Der Geist wird schwach / der Kopf kahl / der Athem stinkend / der Leib krumm / das Angesicht runzelicht / die Augen dunkel / die Gleider schwach / das Gehör blöde / und das Hertze seufftzet / indem Ihme alle diese Glieder nicht wie vormahls mit ihren Kräfften zu Hülffe kommen können / also / daß von diesen allen nichts als Mühe und Arbeit / nichts als Widerwille / nichts als unbeständiges zu hoffen ist. Soll dahero wider diese unbeständige Dinge alle Etwas gelten / so muß [400] es die Tugend seyn / so darwider auf den Schau - Platz dieser Welt aufgeführet werden muß. Soll Bisam und Muscus riechen / so sind beyde zu zerreiben nöthig. Alle Reichthümer und Ehre bestehen in der Welt nicht in vielen Gütern / sondern in Tugenden / welche die Jahre vollkommen (Was die rechte Vollko̅menheit in der Welt.) / und das Alter beständig machen / als da ist die Furcht GOTTES / die Tugend der Gottseeligkeit / die Keuschheit / Danck barkeit / Gerechtigkeit / Warheit / der Eyfer wider die Laster / die Safftmuth / Friedfertigkeit / Freundschafft / Treue / Aufrichtigkeit / Liebe und Eintracht / Demuth / Freybebigkeit / und Barmherzigkeit. Alle die in der Welt ruhig leben wollen / die sollen weder hoffärtig / boßhafftig / tyrannifch / verlogen / unkeusch / geitzig / Gottes lasterhafftig / noch verschwenderisch seyn. Und wo das nicht geschiehet / so wird Ihr Stand verkehret / ihr Vermögen zu Wasser / ihr Witz zur Thorheit / ihr Leben zum Scheusal / und ihr Ende zu dem / dafür ein Jeder Abscheu träget. Denn der eitelen Menschen Zustand ist dermassen auf einen ubeständigen Sand gegründet / daß in einem Augenblicke ein geringer Wind sie hin und her wehen; ein wenig Hitze zertrennen / und ein kleiner Regen hinweg waschen kan. Und gesetzt / daß Sie auch ihren Grund in den äusersten Theile des Erdbodens suchten / so werden Sie doch nimmermehr keinen beständigen Felsen finden / darauf Sie ihre Wohnungen bey dem Zeitlichen verewigen könten. Die Heyden nenneten ihre Götter unsterblich / weil Sie in diesem Stücke mit denen Sterblichen keine Gemeinschafft zu haben vermeinten; Wir Menschen aber werden darum sterblich genennet / indem wir Uns täglich dem Tode unterwerffen lassen müssen. Und / gleichwie ein Weber / wenn Er mit grosser Mühe seine Arbeit zusammen gewebet / endlich das Gewebe von einander schneidet: Also geschwinde nimmet auch das Gedächtnis eines Menschen / er sey so hoch am Verstande und Vermögen / als Er immer wolle / ein Ende. Weder ein Mächtiger / noch ein Reicher / ist der Sorge und Bekümmernis befreyet. Ob nun wohl in diesem Leben nichts beständiges; so sind wir doch so gar unvermögend nicht / daß / wenn wir nur wollten / nichts desto weniger denen Lastern bey Zeiten entgehen könten.

Masqven sind eines der ältesten Dinge.
[arrow up]

INdes Mercurii vorhergehenden Aufzuge ist seine von den Heyden vermeinte Göttliche Gestalt / darbey verübte Abgötterey / und himmlische Wirkung kürtzlich berühtet: anietzo aber wollen wir aus seinem Leben / geführten Thaten / zugeeigneter Macht und Gewalt / und beschuldigten Lastern der Menschen eigene Actiones, Tugenden und Laster prüfen / und Sie beyderseits auf die Wagschale der gesunden Vernunfft le [401] gen / damit wir daraus sehen mögen / wie wir mit deme / was wir an Andern tadeln / selbst häuffig beladen sind. ES weiset Uns aber des Mercurii Thun und Wesen / daß nichts beständiges / nichts löbliches vorgenommen werden kan / daß man es nicht zum bösesten ausdeute / und an statt der Tugend mit Lastern bewerffe. Die ganze Welt gehet vermasqvet einher. Vermasqvet mit Abgötterey / Aberglauben / Unzucht / Verzweifelung / Pracht / Hoffarth / Ungedult / Ehrgeitz / Verleumbdung / Mißgunst / Ehebruch / Blutschande / Rache / Tyranney / Mord / Rauben / Stehlen / Krieg / Zanck / Uneinigkeit / Meyneyd / Lügen / und böser Lust. Sie ist vermasqvet mit Unrecht; vermasqvet in den Gerichten / vermasquet bey Regenten / vermasqvet bey denen die das Recht sprechen sollen; Vermasqvet bey Finanzereyen / vermasqvet bey Füchsen un Schmeichlern / vermasqvet in Verthädigung des Bösen / und Unterlassung des Guten. Dem Mercurio wird nebenst dem Guten auch viel Böses beygemessen / wie an seinem Orte soll gesagt werden. Tugend und Laster / sagt man sonst / lassen sich nicht wol mit einander vermengen. Bey vielen Menschen aber ist es nichts neues. Salomo befleckte seine Weisheit mit verbotenem Gottesdienste; König Joas in Juda seine Frömmigkeit mit Abgötterey: Simson seinen Geist voll Glaubens mit Unzucht: Alexander Magnus seine Heldenthaten mit Mord: König Philippus in Macedonien seine Tugenden mit Pracht und Hoffart. Pausanias seine Sieges-Lorbeer mit Hochmuth und Unzucht; und Themistocles seine herrliche Ratschläge mit ungebührlichen Verhalten. Magna momento ruunt. Die Macht und Hoheit in der Welt Ist die in einem Nuverfällt. Die bösen Zuneigungen und Begierden / sind dem Guten am nähesten. Der jenige / so ein viehisches Gemüthe an sich führet / thut wol / daß Er sein lasterhafftiges Angesicht? Mit einer Larve bedeckt / damit andere nicht wissen / was Böses hinter Ihm stecke. (Polydor. Virgil.) Von den Masqven schreibet man / daß Sie ihren Ursprung von den Ludis Quinqvatriis und Magalesis genommen / bey welchem Feste oder Spielen / die Römer allerhand lächerliche und possirliche Erfindungen / auch Mummereyen vor die Hand nahmen. Als der weise Socrates einsmahls eine Fabel von der Buhlerey praesentirte / that Er solches nicht mit offenem Angesichte / sondern zog vermasquet auf. Damit der tapfere Held Achilles und schlaue Ulysses ihr Vorhaben desto besser vermäntelten / legten Sie einen andern Habit an Sich. (Caelius Calcagnin???.) Wann die Aegypter gegen die Götter ihr Gebet verrichteten / geschahe solches in selzamen Kleidungen. Sobald als Alexander Magnus Indien unter sich brachte / krönete Er sich mit Ebbig und Lorbeerzweigen / und durchzog also die Städte und Länder daselbst: Die Lycier verkleideten sich bey ihren Leichbegängnissen in Weiber-Kleider. Zu Rom stelleten sich vordessen in den Nonis Caprationibus die Mägde (Blondus in Româ Triumphante.) als gefreyete Matronen in ihren Weiber-Kleidungen dar. In den Römischen Bacchanalibus sprungen mit den jungen Manns-Personen die Bacchae fast alle nackend / mit auffgelösten Haaren / umwundenen Kränzen / und Stäben auf und nieder. Es haben die Masquen vielerley Wir [402] kung /(Ihre Wirkung) daß sie nemlich eine Person / die man nicht kennet / kühn machet / das Armuth bedeckt / die blöde Rede befördert / und den jenigen / der sonst Reputation halten muß / gleichsam frey und kecker macht. Es wollen etliche dafür halten / es wäre dieses eine Kurtzweile / daraus ein langwieriger Spott; eine Freude / aus welcher Hertzeleid / eine Ruhe / wornach Verachtung / und eine Ergetzung / nach der eine Unlust entstünde. Denn man hätte keine bessere Gelegenheit zur Unzucht und Uppigkeit als die Masqve. Keiner könte sich der fleischlichen Wollust besser bedienen als hierunter: Kein Losung fiele dem verbuhlten Frauen-Zimmer leichter / denn diese: Nirgends eher könte einem ehrlichen Manne ein Meuchelmörder beykommen / als durch solche Gelegenheit / und niemahls füglicher vermöchte auch die einfältige Jugend zu den Hurensprung / als vermittelst ihrer / gebracht werden. Aller Müssiggang wäre ihr am nächsten verwandt. Und / weil die Mummerey / so iemahls in der Welt gewest / vom Teufel / als dem grösten Masquaraden-Bringer / so unter der Gestalt der listigen Schlange sich verkleidet / herrührete / so hätte dahero derselbe unser aller Mutter die Evam schändlich verführet / daß Sie sich an ihrem Schöpfer vergriffen / sich und das ganze Menschliche Geschlechte in das gröste Unglück / Jammer und Todt gestürzet; daß man offt an statt des Nutzens tausenderley Schaden mit nach Hause brächte; ja es geschehe vielmahls / daß unter solcher Freyheit manch ehrliches Weibes-Bild verführet / berupfet / und eine dicke Ausbeute zum Lohn bekäme / dahero denn in Ihr nichts als lauter Leichtfertigkeit / Boßheit und Betrügerey stecke. Denn ihre Händel wären thöricht / ihre Gebärden närrisch / ihre Bewegung spöttisch / und ihr ganzes Wesen verteufelt. Nun ist zwar nicht ohne / daß ihrer viel auch ohne Masquen aus dem Geschirr schlagen / und nach den grösten Lastern greiffen; gleichwol aber findet man / (Nutzen.) daß diese / und die Verstellung in Kleidern auch ihren Nutzen haben. Den̅ es ist bekannt / wie viel grosse Herren offtermahls in unbekannter Kleidung ihre Länder durchzogen / und allda in Augenschein genommen / auch selbst mit Ohren gehöret / was ihre Unterthanen von ihrer Person / Regierung / Mängel und vorlauffenden Gebrechen bey Hofe / Räthen und Beamten (Plutarchus in Apophthegm. Rom Apopht. 55.) gehalten. Da König Antiochus sich eines Tages auf der Jagt verirrete / und des Nachts bey einem geringen Bauer einkehrete / fragte Er denselben bey dem Nacht-Essen / was Er von dem König Antiocho hielte? Der Bauer / weil er nicht wuste / daß dieses der König / gab zur Antwort: Es wäre zwar der König ein guter und frommer Herr / Er läge aber dem Jagen zu viel ob / versäumete dadurch seine Regierung / und liesse um des willen die vornehmsten Reichs-Verrichtungen seinen Räthen / und Beamten allein in Händen. Der König hörete solches mit Gedult an / und schwieg darzu stille: Als sich aber des Morgens seine Räthe und Diener zu Ihm sanden / sagte Er unter andern zu Ihnen mit höfflichen Worten: Ich habe gestern von einem einfältigen doch redlichen Bauer einmahl die rechte Warheit gehöret / welche Ihr Mir die ganze Zeit / und so lange Ihr (Tacit. 2. Annal.) um mich gewesen seyd / verschwiegen habt. Des Römischen Keysers Tiberii Bruder Germanicus verkleidete sich zum öfftern / mengete sich in den Schenck-Häusern mit unter den gemeine̅ Pöfel / und hörete / was man von Ihm / und seinen Rathschlägen hielte. Keyser Marcus Aurelius hatte besondere Leute / die man nicht kennete / welche mit Fleis erforscheten / was der gemeine Mann von seiner Regierung redete / damit Er dasselbe verbesserte / was dem gemeinen Wesen nachtheilig zu seyn schiene.
|| [403]
Wie nun keine Lust / daraus nicht ie zuweilen eine Unlust zu entstehen pfleget: Also ist auch eine vermasqvete Lust bey grosser Herren Höfen / oder andern ehrlichen und tugendhafften Zusammenkunfften nicht eben eine Werckstatt der Uppigkeit / noch ein Laster der Leichtfertigkeit / zumahln / wo dieselbe mit der Tugend und mit Erbarkeit begleitet ist. Denn die jenige Lust / welche anfangs lieblich / hernach aber gefährlich / ist ein Raub der Zeit / des Leibes / des Gemüthes und der Seele; Diese aber ist / die beste / reineste und beständigste / wo keine Reue darauff zu folgen pfleget.

Das Alter der Menschen.
[arrow up]

(Des Mercurii Geburt.) DAusanias schreibet in Boeoticis, es wäre Mercurius nicht weit von der Stadt Tanagre auf dem Berge Corycio gebohren / und hernachmahls in Triorena / woselbsten drey Brunnen auf dem Pheneatischen Gefilde gewesen / von den Nymphen selbiges Orts gebadet worden. Dannenhero man nach der Zeit dieselbigen Brunnen für heilig gehalten / und Sie dem Mercurio gewiedmet. Didymus sagt / Er sey auf dem Berg Cyllene in Arcadien / andere aber daselbst in einem Gestrüppe / so man wild Burtzelkraut genennet / erzogen / weswegen man Ihm solches gleicher Gestalt geheiliget. Des Menschen Leben ist ein Bildnis und Schatten auf dem Erdboden; Er fänget an in Trübsal zu leben / und stirbet wieder dahin / ehe Er sich dessen versiehet. Unser Leben ist nichts als Angst und Noth / Arbeit und Mühe / böse und kurtz; Alle Dinge in der Welt haben ihr verborgen Ende. Nichts ist so genau zusammen verbunden / als das Leben und der Tod: Des Mercurii Kindheit weiset auch auf unsere Kindheit: (Die Kindheit der Menschen. Jovius.) Der erste Tritt / den man in die Welt thut / geschiehet mit Weinen / nackend ist unsere Ankunfft / die wir hernach mit allerhand Pracht und Hoffarth bedecken. Wir kommen bloß daher / und fahren in einem geringen Leinwad wieder dahin. Da der Aegyptische König und Syrische Soldan Saladinus sahe / daß Er sterben müste / erinnerte Er sich des Zustandes seines Lebens / befahl in seinem letzten Willen / daß man Ihm bey seinem Leichen-Begängnis kein Gepränge halten / sondern blos in einer Schüssel seinen schwarzen Mantel tragen / und der Priester dem Volcke diese Worte vorsingen sollte: (Bocatius.) Vixi divitiis, Regno tumidus???ue / Trophaeis, Sed pannum heu! nigrum nil nisi morte tuli! Wie Ich lebte / war Ich reich / und beherrschte Land und Leute; Jetzo ist ein schwarzes Tuch / leider! meine Todten-Beute. GOTS lässet uns darumb nackend gebohren werden / damit man erkenne / wie Er allein uns Menschen versorge. Nil solidum! Nichts ist vollkommen! Wir werden alle auf einerley Weise gebohren / und versterben auf tausenderley Arten hinwiederum. Der Kinder Thränen sind Reden / wodurch sie gleichsam die Mühseligkeit der Welt beklagen; ihre Gedancken verlangen ohne Unterlaß fort / und ihre Thaten zeigen der [404] Welt vergängliches Wesen an. Als Keyser Justinianus der Wenden König Gilimern mit sich an Ketten in einem Triumph einherführete / und endlich derselbige vor Ihn gebracht ward / fieng Er an überlaut zu lachen / und da der Keyser Ihn fragen liesse / was Er damit meinete? gab Er zur Antwort: Er lache die Unbeständigkeit des Menschlichen Geschlechts aus; denn vor weniger Zeit / sey Er ein König gewesen / anietzo aber sey Er ein Sclav und Gefangener. Siehet man an die angehende Jugend / so werden offters aus den zärtlichsten Kindern / die grösten Sünder / Abgötter / und aller Laster Begierige. Alle Boßheit rühret aus der Gewonheit her. Wären keine Sünder / so wären auch keine Heiligen; und wie böse Wolle sich nicht wol färben lässet: Also bessert sich auch selten ein Böser. Ein Jeder trägt einen Schalck im Busen; darum so ist die Zucht bey Zeiten nöthig. Eine Sache / die man verlohren / kan man durch Geld wieder erlangen; Die einmahl bey den Kindern eingewurzelte Boßheit ist entweder sparsam oder gar nicht zu vertilgen. Die Römer strafften bey ihrer ersten Regierung keinen / welcher dreymahl nach einander die Warheit sagen kunte; Es trug sich aber zu / daß bey Ihnen ein Dieb einkam / und als derselbe hierinnen auch seine Probe dreymahl thun sollte / sprach Er: Ich habe (1) mein Tage nichts gutes am Schilde geführet / es ist mir vors (2) Leid / daß ich in eure Hände kommen bin / und wäre (3) solches nicht geschehen / so sollten Sie Ihn nimmermehr bekommen haben. Da nun die Römer sahen / daß Sie mit Ihrem Gesetze betrogen / schärfften Sie dieselbe auf eine andere Art. Ein harter Sinn erfordert einen harten Knittel: Was man nicht bey Zeiten züchtiget / das wird zur Geissel. Ein alter Baum lässet sich nicht wie ein junger beugen. Wie die Zucht: Also ist auch der Wachs. Den Römischen Keyser Tiberium erzohe man in seiner Jugend mit Wein und eingeweichten Brode; Er ward aber im Alter ein Weinsäuffer. Was man in der Wiegen lernet / das henget einem gerne an. Als der tapfere Leonides die Perser bekriegte / und sein Weib Ihn fragte / was Sie immittelst zu Hause thun solle / sprach Er: Nichts / als daß du unsere Kinder wohl erziehest / und Sie in allen Tugenden wohl unterrichtest. Wie ein Baum unfruchtbar und wild wird / wenn man Ihn bey Zeiten nicht wohl wartet und beschneidet: Also auch ein Mensch / wenn er nicht zum Guten erzogen wird. Den weltweisen Aristippum fragte Einer / Wie viel Er Ihm geben sollte / wann Er seinen Sohn wohl unterwiese? Aristippus forderte 1000. drachmas. O! sagte derselbe / dafür kan ich einen Knecht kauffen. Aristippus aber lachte / und sprach: So wirstu denn zweene Knechte haben. Da der Römische Keyser Theodosius dem Arsenio seine Söhne zur Unterweisung übergab / redete Er dieselben unter andern also an: Lieben Söhne / werdet ihr Euch wohl unterweisen lassen / GOTT und sein Wort für Augen haben / und Euch in allen höfflich und tugendhafftig erweisen / so werdet ihr Mir unfehlbar in der Regierung nach folgen / wo aber nicht / so ruhet die Gefahr schon für der Thüre. Eine gute Zucht ist ein guter Tempel des Höchsten; Ein Ubelgezogner aber trägt sein eigen Feuer auf dem Rücken. Wer geschickt ist etwas rechtschaffenes zu lernen / der thue bey Zeit dazu; Ein Ungeschickter aber strecke seine Hand nach einer ehrlichen Handthierung! GOTT ist keinem schuldig ohne Arbeit im Müssiggange zu ernehren. Seine Austheilungen seynd wunderbar. Einer arbeitet mit dem Kopfe / der andere mit den Händen / und der Dritte mit den Füssen. (Die heran wachsende Jugend und das beste Alter.) Gleichwie aber die Erwachsenen die kleinen Kinder anzuführen [405] schuldig: Also gebühret auch denenselben auf sich selbst wohl acht zu haben. In diesem Alter hüte man sich für böser Gesellschafft / für Unkeuschheit / für bösen Reden / und falscher Einbildung / man fürchte den Himmel / suche ehrliche Gesellschafft / und liege dem / was Ihm anvertrauet ist / treulich ob. Man lebe unsträfflich. Denn es kömmt eine Zeit / da die Lüste des Fleisches nicht wohl ruhen. Die Jugend / die Freyheit / und das Reichthum sind in der Welt die grösten Rauber und Betrieger. Die Jugend wegen Ihrer Unart / die Freyheit / weil ihr der Zaum gleich einen wilden Pferde zu weit gelassen / und das Reichthum / weil es die spitzigsten Dornen hegt. Dreyerley hat dergleichen Alter zu beobachten; nemlich / die Verschwiegenheit mit der Zungen / den rechten Gebrauch seines Verstandes / und alle Schamhafftig keit bey ereigneter Unzucht. Niemals werden der Jugend ihre Anschläge für gültig erachtet / wofern Sie von der Weißheit der Alten nicht unterbauet werden. Denn alle Geschicklichkeit / Kunst und Wissenschafft macht die Jugend ansehnlich; im Alter aber ist sie einem Jedweden eine Zuflucht. Bey dem besten Alter soll zwar der beste Verstand seyn; Hier aber heist es: Je mehr Jahre / ie mehr Sünde; Je Aelter an Jahren / ie mehr Gefahr der Mensch auf sich lädet; Gefahr bey frembden Sitten; Gefahr bey Gewinnender Nahrung; Gefahr im Reisen; Gefahr auf dem Meere; Gefahr im Kriege / und Gefahr / daß Einem die Laster nicht zu Boden stürzen. Der stirbet um eine Hand voll Geld / der um Ehrsucht / der aus Wollust; der aus vermeinter Tapferkeit; Der andere aber stehet einem Andern bey / and verlieret darüber das Seinige; man träget für den Todten einen Abscheu / und man thut Ihm doch bey diesem Alter Thür und Angel auf; man schlägt sein Leben in die Schanze / und verscherzet offters durch solche Gefahr das Ewige. Man hilfft gewinnen und bewahren / und man gewinnet dadurch seinen eigenen Verlust. Das beste und vollkommenste Alter aber ist / wenn man in der Jugend was rechtschaffenes gelernet / und nunmehro bey seinem mittler Alter was löbliches ausübet. Da Diogenes Cynicus von den Räubern gefangen / und die Ihn kauffen wollten / fragten: was Er (Philo Judaeus) wäre / und was Er könte? sagte Er: Ich bin ein Philosophus, der denen Menschen mit guten Lehren vorzustehen weiß. Wie Socrates einen ungelehrten Reichen daher gehen sahe / sagte Er: Hic eqvus argento circumtectus est, dieser gleichet sich einem mit silbernen Spangen und Zaum belegten Pferde. Der weise Thales ward gefraget / wer glückseelig wäre? Dem gab Er zur Antwort: welcher gesunden Leibes und guten Verstandes sey / und die beste Zeit seines Lebens wohl beobachtet. Dieses Alter ist das beqvemste / darinnen man das Gegenwärtige wohl erkennet / das Vergangene wohl erweget / und das Zukünfftige aus gewisser Anzeigung abmerket. Es nimmt zwar alles menschliche Thun und Wesen in der Welt. Weiset die Jugend auf den Weg der Tugend / und bildet die Laster der Wollüste mit Farben ab. Zeiget dem Menschen die wahre Glückseeligkeit / die Güter des Leibes / die Güter des Gemüths und die Güter der Seelen. Es hält unter ehrlichen und unehrlichen Vorhaben einen Unterscheid. Ergreiffet heilsame Consilia und Rathschläge; Verübet Kriege und Schlachten; Stifftet Bündnisse; Stillet Empörungen und Aufruhr; macht Gesetze; verfolget das Böse; handhabet das Gute; vermischet sich mit seinem Verstande unter die Elementa / in die Tieffe des Meeres und des Erdbodens; Urtheilet von dem waren Wesen / von der Natur / und der Welt ihrer ganzen Eigenschafft.
|| [406]

Was das Alter auf sich.
[arrow up]

WAnn nun dieses Alter mit allen dergleichen Dingen seine Zeit zugebracht / so folget darauf das graue Alter / in welchem allbereit unsere Glieder / unser Leben / unser Gerüchte beginnen hinfällig zu werden. Auf den Winter folget zwar wieder ein Sommer; niemahls aber auf das Alter eine Jugend. Wir sterben / sobald wir anfangen gebohren zu werden. Gleichwohl aber soll man wissen / daß des Jenigen graue Haare / dessen Haupt die Tugend und Helden-Bahne betretten / ob schon die Mühe sich verdoppelt / Cronen der Ehren sind. Bey solchen ist das Gedächtnis schwach / und die Augen dunckel. Der sehr kluge und verständige Thebanische Fürst Epaminondas urtheilete hiervon sehrweißlich und sagte: wenn man zu einen dreyssigjährigen Menschen käme / sollte man sich begriffe. Nach etlichen dreyssig bis gegen funffzig Jahren / sollte man zu Ihm / gehabe dich wohl! sagen; alldieweil Er erst empfinde / was die Welt sey; nach 50. Jahren aber sollte man zu Ihme sprechen: Nun begleite dich GOTT / und ziehe hin! Denn du hast dich täglich deines Urlaubes / und der Stunde deines Todes zu versehen. (Virgil. in Georgic.) ---- Optima qvaeq; dies Mortalibus aevi Prima fugit; subeunt morbi, tristisq; Senectus Et labor & durae rapit inclementia mortis. Die allerglück seligsten Tage des Lebens fliehen von den Sterblichen am meisten / hernach folgen die Kranck heiten / auf diese das traurige Alter / Arbeit / Mühe / und letzlich der grausame Tod. Der jenige / so viel Jahre auf sich / muß viel dulden und leiden. Denn da empfindt Er bald den Verlust seiner Freunde / den Verlust seiner Kinder und Enkel / den Verlust seiner Güter / die Krankheit am Leibe / und die Verwunderung vieler Dinge. Dahero auch Plato sagt: Es ist besser / daß sich der Mensch bemühe wol zu sterben als lange zu leben. In diesem Leben bezahlt man Müntze mit gleicher Müntze. Die Wollüste / erstarren / das Gehirn ist schwach / der Athem stinkend / das Gemüthe traurig / der Leib krumm / das Angesichte runzelicht / die Ohren taub / die Augen tunkel / die Hände unvermögend / die Nase trieffend / das Haupt kahl / die Zähne stumpff / die Schenkel und die Glieder matt. An statt daß man sich ergetzet und belustiget an zeitlichen Gütern / so wird man unwillig / geitzig / verdrossen / argwöhnisch / vergessen / lobet der Vorfahren kluges Beginnen / und verachtet der jungen Welt ihr Vornehmen. Es hat aber nicht die Meinung / daß man dieses Alter verunehre / sondern man siehet hieraus nur die darauf gegen denen Andern erfolgete Ungelegenheit. Die weisen Gesetz-Geber Solon, Lycurgus, und andere waren der Meinung / daß man zuförderst die Götter anruffen / den Armen gutes thun / und die Alten verehren sollte. Vor Alters hielte man zu Rom die Tugend / und mit hohen Alter begabten Leute viel höher als die Reichen / oder die / welche in Ehren-Stande lebeten. Als der Philosophus Pantheus von dem Könige Cycidaco gefragt wur [407] de / wie Er seinen Unterthanen wohlfürstehen sollte? gab zur Antwort: wenn du denen Alten die Regierung mit anvertrauest / die jungen Leute in Krieg schickest / und die Weiber zu Hause ihre weibliche Handthierung treiben lässest. Denn wenn du zugiebest / daß die Weiber sich in der Männer Geschäffte mengen / die junge Mannschafft ihres Gefallens lebet / und die Alten hinter den Ofen sitzen / so wird deine Regierung übel bestellet / (Aul. Gel. lib. 2. de Noct. Attic.) und deiner Unterthanen übel gewartet werden. Die Römer ehreten das Alter dermassen / daß keiner so reich / keiner so edel / und keiner so tapfer war / der nicht einem Betagten in Gastgeboten / bey Aufzügen / und im Sitzen / die Oberhand liesse / Ihm in allen Dingen Glauben zustellete / und die Alten als Väter verehrete; Sie musten aber also tugendhafft beschaffen seyn / damit man Sie rechtschaffen / und nicht heuchlerischer Weise zu verehren hatte. Denn / wenn man eines gegen das andere hielte / so wäre der / so da alt / zu einem erbaren Wandel und Leben / der junge aber durch Respect gegen Ihn verbunden. Niemand hat sich seines Leibes Schönheit in der Jugend zu überheben. Wir kom̅en von Staube / und müssen wiede zur Aschen werden. Aller königliche und hohe Stand / alle Ehre / alle Würde / alle Hoheit und Herrlichkeit ist nichts als vergänglich. Was ist des Geschlechtes Hoheit / was die Ehre / was das Reichthum / was die Schönheit / was die Jugend / was die Pracht / was der Hochmuth / un̅ des Menschen gantze Vermessenheit? Nichts als alles das / was gleich andern vergehen muß. Heute lebet man / morgen stirbet man; heute verläst man sich auf seine Macht / morgen liegt man da gestreckt; heute ist die Schönheit glatt / morgen verfallen; heute blühen die Wangen / morgen erstarren sie; Siehet man was hinter den hellglänzenden Augen / unter den bedeckten Nasenlöchern / anmuthigen Munde / Corallenen Lippen / Alabasternen Halse / und der gantzen Schönheit des Leibes stecke / so wird man befinden / daß es nichts / als (Johann. de S. Geminiano Serm. Fun. dist. 2. Serm. 6. Part. 3. l. F. 1. Col. 4.) eine feuchte / stinkende und verwesliche Erde sey. Alexander Magnus hatte / wie man saget / einen wunderbaren Stein / welcher / wenn man ihn auf die Wage legte / alle Last überwug: Wenn man aber ein wenig Erde darauf streuete / so überwug Ihn auch das geringste. Als sich nun darüber viel Weise verwunderten / sprach einer derselben zum Könige: Dieser Stein / Herr König / vergleichet sich mit Euch; Ihr lebet ietzo in der Welt / und überwieget gleichsam dieselbe durcheure Tugend / herrliche Thaten / und Tapferkeit; sobald Euch aber der Tod übereilen / und man Euch ein wenig Erde auflegen / das ist / in das Grab versenken wird / so werdet Ihr leichter und geringer / als ein ander Mensch seyn. Ein Trotziger und Schnarcher pochet auf seine Gewalt; Ein Edelgeborner auf seinen Stand; Ein Höherer auf sein hohes Geschechte / und ein Aufgeblasener auf seine grosse Einkünffte. Dafern man nun nicht stürbe / so wäre es etwas; nachdem man aber dergleichen nicht überhaben seyn kan / so gehe man in den Beinhauffen / und suche daselbest / ob die in dem Gehirn gewachsene Kröte / die Schlange in den Lenden / und die Würmer in den Eingeweiden eines adelichen oder unadelichen Hauptes oder Leibes seyen. Ein Junger hat bey dem Alter auch dieses zu bedenken / daß wer diesen in seinem Alter gekrümmet / gelähmet / oder unvermögend gemacht / der kan auch seine Stärke lähmen. Die Alten sind Seulen und Stützen der Welt / ohne welche dieselbe / viel (S. Ambrosius.) weniger das Regiment darinne bestehen kan. Es werden aber solche gemeinet / welche ihre Jugend mit ehrlichen Künsten ausgeübet / sich die Gesetze des HErrn bekannt gemacht / und die mit den Jahren gelehrter / mit der Ubung fertiger / mit der Zunge andächtiger / und mit der Zeit weiser worden. Wie nun der Menschliche Eingang in dieses Leben wunderbar / [408] nackend / blos / und elend; Also ist auch der Ausgang desselbigen mühsam / erbärmlich / beschwerlich und gefährlich.

Des Mercurii Opfer-Fest.
[arrow up]

WIr Menschen sind von Anfang der Welt zum Sündenfall geneigt / und stecken noch bis auf den heutigen Tag in Aberglauben biß über die Ohren. Policharus schreibet / daß man bey dene̅ Atheniensern am 13. Tage des Monats Novembris dem Mercurio Terrestri zu Ehren ein Fest gefeyert / dabey man den Saamen von allen Dingen / und geschlachtem Viehe / es mochte Namen haben / wie es wollte / in einen Topf zusammen schüttete / und mit einander kochen liesse / es war aber keinem aus diesem Topfe etwas zu kosten erlaubet. Uber dieses opferten Ihm auch die jenigen / so in Leib und Lebens-Gefahr gerathen / und daraus wieder glücklich entkommen waren. (Die bey ben Heyden getriebene Abgötterey.) ES ist die Abgötterey dieses / was man für Gott aufwirfft / da doch in demselben nichts göttliches anzutreffen; Einem Bild göttliche Ehre erzeiget / sonderliche Gottesdienste wider Gottes Gebot anrichtet / un̅ das anruffet / in welche̅ doch selbsten nichts als vergängliches stecket. Nicht zu zweifeln ist es / daß der falsche Gottesdienst von Cain und seinem Geschlechte ausgesprenget / und hernach aus Gottes Verhängnis zur Straffe der Welt auf die / so sich von der Kirchen Gottes abgesondert / fortgepflanzet worden. Eigene Andacht hat der Teufel erdacht / nachdem des gottlosen Chams Geschlechte / davon die Heyden hergekom̅en / sich nicht wenig vermehrete / und die besten Oerter in Orient einnahm; da achtete es auch die reine Lehre Gottes nicht / verließ dieselbe / und richtete bey der ersten Monarchie die greulichste Abgötterey an. Sem aber / der mittler Sohn des Noae / hielte und glaubte der Verheissung des Weibes Saamen feste / und lehrete solche Versprechungen Gottes denen Nachkommenden treulich. Als nun ie mehr und mehr solche Abgötterey zu Babel / und bey den Chaldae ern überhand nahm / daß auch der Heil. Vätter ihre Kinder dadurch vergifftet wurden / berief Gott den Abraham / wie oben gedacht / aus Chadaea / befahl Ihm aus dem falschen Gottesdienste in Palästina zu ziehen / und sich zu dem alten Sem / welcher zu Salem wohnete / zu begeben / und damit der Saame Abrahams von den Abgöttischen Völkern abgesondert werden möchte / hefftete Gott an seine Gnaden-Verheissung ein Zeichen oder Siegel / gab Ihm und seinem Geschlechte die Beschneidung / und ertheilete denenselben ein besonderes Land / und zugleich auch ein besonders geist- und weltliches Regiment. Hierzwischen verblieben die Heyden bey ihrer Abgötterey / machten Ihre eigene Götzen / und theileten sie nach ihren Ländern ein. Allermassen denn die Babyonier und andere Völker ihren Abgott den Beel / die zu Ekron den Beelzebub / die Philister den Astharoth / die Amoniter den Millkom / die Moabiter den Chamos / die Griechen und Römer eine fast unglaubliche Zahl / und die Teutschen den Herculem / Mercurium / Martem und Venerem hielten. Gott verhenget auch ohne Zweifel dem Teufel Zeichen zu thun. Alle Creaturen soll man dergestalt ansehen / damit wir sie nicht zu Göttern machen. Die alten [409] (Woher sie kom̅en.) Philosophi geben vor / es wäre die Abgötterey aus Liebe gegen dem / so schön und nützlich / entstanden. Es sey aber dieselbe Schöne so herrlich und kräfftig / (Fulgentius lib. 1. Mytholog. p. 155) als sie wolle / so kan doch daraus am wenigsten erwiesen werden / daß die Creaturen / als da sind die Sonne / der Mond / die Sterne / die Lufft / der Wind / das Wasser / und der Mensch selbst für Götter / sondern vielmehr ein weit gewaltiger und mächtiger GOTT / der diese Schönheit alle durch seine Allmacht erschaffen / zu verehren sey. Denn das Welt-Gebäude ist zwar ein solches Werck / über welches nach der Ordnung nichts Ordentlichers / nach dem Nutzen nichts Bequemers / nach de Schöne nichts Zierlichers / und der Grösse nichts Grössers kan gefunden werden; GOtt aber ist das schönste und höchste Gut / der ein Mas ohne Mas / eine Zahl ohne Zahl / ein unbegreiffliches Wesen / geistlich / unsichtbar / ewig / unendlich ist. Dessen Ewigkeit man erkennet aus dem Lauff und Ordnung aller Dinge; Dreyeinig in Personen / welche wegen ihrer persönlichen Eigenschafften / und der äuserlichen Wolthaten und Wercken unterschieden sind. Die Abgötterey hingegen ist nichts anders als eine geistliche Hure / die einem das Hertze abstihlt / daß man nach schönen Götzen-Bildern gaffet. Omnes Gentium Dii Doemonia: Alle Götter der Völcker sind Teufeley. Was die Heyden opffern / sagt der Apostel Paulus / das opfferten sie dem Teufel / alldieweil solche Abgötterey ein Teufels-Fund / so durch seine List und Tücke / Hülfe und Rath erfunden. Was ist närrischer / als daß man der Menschen Gemächte für Götter hält / und dafür ehret? Ein Goldschmid künstelt aus Gold und Silber / Ertz und Kupffer ein Götzen-Bild / wie dort der Demetrius der Diance Tempel Götzen machte; ein Bildhauer aus Stein; und ein Bildschnitzer aus Holtz; und für dergleichen gegossenen / güldenen / silbernen / ähernen / steinern und geschnitzten Bildern soll ein lebendiger Mensch niederfallen / dasselbe anbeten / verehren / ihme Gelübde verheissen / opffern / sich ihme versprechen / und von selbigem Seegen / Glück / Heil / Hülff / Beystand / Haab und Güter / Gewerbe / Reise und Wanderschafft erbitten? Es ist ja ein Stein und Holtz / an dem weder Leben noch Athem / weder Bewegnis noch Empfindnis zu sehen. Es hat gebildete Augen / und siehet nicht; Ohren / und höret nicht; Hände / und greiffet nicht; Füsse / und gehet nicht; einen Mund / und redet nicht Was todt ist / das kan keinem Andern kein Leben geben; was stumm ist / das kan nicht erhören; und was nichts fühlet / das kan Einem nichts helffen: Der jenige / der nichts hat / der vermag auch nichts / wegen seiner Unvermögenheit. Ist Er nun unwermögend / wie kan Er gen / Gesundheit und andere zeitliche Dinge geben? Die Aegyptische Finsternis vergleichet sich mit der geistlichen Finsternis des Hertzens; und gleichwie des Pharaons Hertz und gantz Aegyptenland durch die grausame Verblendung verstocket wurde: also werden auch wir auf die Welt mit Finsternis gebohren. Wir sind in Göttlichen Sachen verfinstert; wir tappen im Mittage wie in der Nacht / machen aus Liecht Finsternis / und aus Finsternis Liecht. Wir wohnen in dem finstern Lande / und in dem Düstern wie die Todten. Finsternis bedecket die Heyden / weil dieselben für GOtt Holtz und Stein / wilde Thiere / ja den Teufel selbst anbeten. Es ist eine Aegyptische Dienstbarkeit / wenn man die für Götter hält / welche doch sterbliche Menschen / und nichts als Hurerey / Ehebruch / Krieg / Haß / Feindschafft / Schand und Laster verübet haben.
|| [410]
(Die Verehrung des Feuers.) Die Heyden / weil sie den wahren GOTT nicht kannten / verehreten das Feuer / von uhralten Zeiten her / und zwar / wie etlicher massen oben erwehnet / die Chaldoeer und Assyrer für Gott selbst / unter dem Nahmen Ur oder Or / welches so viel als Feuer / Liecht / Glantz / Schein oder Heerd bedeutet. In dieser Abgötterey war ersoffen Tharah des Abrahams Vater; Die Aegyptier nenneten es Numen Flammeum, ignitum, & Lucidum das da flammet feurig und hell ist. Von diesen kam es auf die Griechen / so unter dem Namen des Abgotts Vulcani und der Göttin Vestae dasselbe verehreten; Von den Griechen auf die Römer / welche Verehrung Numa Pompilius zu Rom aufrichtete. Die Perser baueten Ihme zu Ehren einen Tempel und setzten ein Götzen-Bild darein / so sie Erch, oder das Feuer nenneten. Man heilte auch in unterschiedenen Tempeln / als in des Pans in Arcadien / in Griechenland zu Delphis / in der Göttin Vestae zu Rom ewige und immerwährende Feuer / welche zu Delphis von denenjenigen Weibern / die nicht mehr im Ehestand lebeten: zu Rom aber von besonderen Jungfrauen / so man Virgines Vestales hiesse / so wohl Tages als Nachts mit gewissen Ceremonien musten bewachet und bewahret werden. Worüber die blinden Heyden so andächtig hielten / daß man keinen Cörper darinnen verbrannte / alldieweil sie dafür hielten / daß sie durch Verbrennung des todten Leichnams den grösten GOtt der Götter schwächeten / und sich dadurch an Ihm vergriffen. Sie verehreten unter dem Nahmen des AEoli die Lufft / so zwischen Himmel und Erden schwebet / unter dem Nahmen des Neptuni alle Gewässer; hielten die Ströme für Göttlich / achteten die Liechter am Himmel Sonn und Monden für Götter / und zwar darumb / weil Wind und Lufft alles durchdringe / und seine Wirckung auch in der Seelen hätte / weil das Wasser nicht allein mächtig / und mit Gewalt alles hinweg risse / sondern auch. Menschen und Vieh seinen Unterhalt reichete / weil Sonne und Mond und die Sterne von solcher Krafft und Wirckung / daß sie mit ihrem Scheine die Welt erleuchteten / mit ihrer Hitze alles erwärmeten / und dem Erdboden verursachten / daß er könnte allerhand Speise / Früchte / (Etlicher Götter falsche Verrichtung.) und Geträncke tragen. Ja die Abgötterey war so groß / daß man eine gewisse Abtheilung der Götter über den Himmel / und die Elementa / über der Erden und einen jeden Ort machte. Denn das oberste Regiment im Himmel sollte anvertrauet seyn dem Jupiter / die Morgenröthe dem Titan / das Feuer dem Vulcano / die Winde dem Aeolo / das Meer dem Neptuno / die Brunnen den Nymphen / die Erde dem Pan / der Ops / Vesta / Proserpina / Rhea / Cybeles und Ceres. Die Wälder den Sylvanen / Satyren / Faunen / Silenen / Die Berge dem Baccho / Amano / Jugatino / und Andern / die Felder und Gärten dem Priapo / Termino / der Rurina / Junoni / die Immen und Bienen der Melissa / die Blumen und Blüthen der Flora / das Obst dem Vertumno und Pomona / der Ackerbau dem Saturno / das Vieh dem Mercurio / Pales und der Pana / die Aehren dem Voluno / Tutano / Tutelino / Cereri / Osyri; der Wein dem Baccho; die Rinder der Bubona; Die Land und Schutz-Götter hiessen Tutani / Tutelares und Topici. Die Länder aber / so ihre eigene Schutz-Götter hatten / waren unter andern auch diese: Als die Aegyptier ehreten die Osyrim und Isidem; die Africaner den Neptunum; die Römer den Romulum und Remum; die Rhodiser die Sonne; die Griechen den Herculem; desgleichen hatte [411] man auch Stadt- und Hauß-Götter; Götter der Tage; Götter der Woche / Götter der Tugend / der Gesundheit / der Kranckheit / der Geburth / (Die Opfer der Meer-Götter / Ravisius Text.) der Glieder / der Kunst und dergleichen. Die blinden Heyden meinten / es herrscheten gewisse Geister über das Meer / und weil dasselbe wegen seiner brausenden und tobenden Wellen starck und mächtig / so müsten auch die Geister starck / und dahero diejenigen Cörper / so man ihren opferte / von Stärcke und Grösse nicht geringer seyn. Denn gleich wie man denen vermeinten obersten Göttern nur etliche Theile des geschlachteten Viehes vermittelst des Feuers mit Wein opferte / und darbey einen Geruch von Weyrauch / und dergleichen anzündete: Also opferte man gegentheils dem Neptuno und andern Meer-Göttern an dem Ufer des Meeres einen schwartzen Ochsen / den man mit der Axt erschlug / die Gurgel abstach / und das Blut in einen Eymer sammlete. Wenn er nun / als ein König des Meeres / wie sie vorgaben / besänfftiget / und seine Wellen gestillet / schlachtete man ihm ein Lamm / und wildes Schwein; derjenige aber / so sich zu Schiffe über Seee begeben wollte / eine Saue / goß aus einem Trinck-Geschirr derselben Blut in das Meer / und that darbey sein Gebet; diejenigen aber / so allbereit auf dem Schiffe waren / fungen das Blut oder das Opfer nicht in eine Schale / sondernliessen es gleich mit ihrem Gebet / wie hiervon der Poet schreibet / in das Meer. (Apollonius.) Ille preces fundens jugulavit, in aequoris undam mox de puppe jacit. (Virgil. lib. 5.) Sobald die Opfer-Thiere erwürget und zerschnitten / schüttete man die Eingeweide mit dem Gebete / hernach aber den Wein in das Wasser / und stund derjenige / so das Opfer verrichtete / mit Oliven-Blättern auf dem Haupte an dem Fordertheile des Schiffes / hatte eine Schale und das Eingeweide nebenst dem Weine bey der Hand / schüttete es in das gesaltzene Meer / und that hierauf wieder sein Gebeth. Bey dem Opfer / so man den Meer-Nymphen thate / wurde der Wein in das Feuer / und nicht in das Meer gegossen / und diese Gewonheit rührete Daher / weil die Alten durch den Oceanum und das Meer bald den Vater aller Dinge / bald eine von Gott herrührende Feuchtigkeit / in alle natürliche Cörper und Materien verstanden. Denn also meldet Virgilius: Oceano libemus, ait, simul ipse precatur, Oceanumq??? Patrem rerum, Nymphasq??? Sorores, Centum quae sylvas, centum quae flumina servant, Ter liquido ardentem perfudit Nectare Vertam, Ter flamma ad summum tecti subjecta reluxit. Last uns dem Ocean / sprach Er / ein Opfer bringen! Und betete zugleich den Ocean selbst an / Wie auch die Nymphen / (die dort hundert Wälder zwingen Und hundert Flüsse) die kein Haß nicht trennen kan. Dreymahl hat Er darauf die Glut mit Wein begossen / Dreymahl ist bis ans Dach die Flamme auf geschossen.
|| [412]
Bey solchen Opfern wurde auch dieser Gebrauch in Acht genommen / Daß der / welcher über das Meer geschiffet / un̅ an den Ort und Stelle / wo er hin gewollt / gelendet / zuvor und ehe er aus dem Schiffe steig / muste dem Meere Wein opfern / damit er von denselbigen Völckern / als ein Gast / wohl möchte aufgenommen / und freundlich bewirthet werden. Gleichwie nun diejenigen Kinder / welche bey ihrem Spiele sich die Augen verbinden / an statt eines Menschen / bald einen Hund / Katze / Tisch / Banck / Ofen ergreiffen: Also ergehets auch denen / die mit ihrer Vernunfft GOTT den Allerhöchsten in der flüchtigen Welt / in dem hitzigen Feuer / in dem leichten Winde und Lufft / in den Sternen / Sonn und Monden / auch andern vergänglichen Creaturen suchen wollen. (Das grausame Menschë-Opfer.) Dem Mercurio opferte man vor Alters zur Versöhnung ein Kalb; Die Unbarmhertzigkeit der Menschen grieff hernach durch Anstifftung des Teufels / weiter um sich / und opferten nicht alleine ihme / sondern auch andern falschen Göttern / Menschen / welches sie für die höchste Religion (Michae c. 6. 7.) hielten. GOTT lässet sich mit Opfern und Wercken nicht versöhnen. Wormit soll ich den HErrn versöhnen? stehet dort / mit Bücken für dem hohen GOTT / oder mit Brand-Opfern? oder jährigen Kälbern? Meinest du / der HErr habe Gefallen an viel tausend Widdern / oder am Oele / wenn es gleich unzehlige Ströme voll wären? Oder / soll ich meinen ersten Sohn für meine Ubertrettung geben? oder meine Leibes-Frucht für die Sünde m??? einer Seelen? Nein! Es ist dir gesagt / Mensch! was gut ist / und was der HERR dein GOtt von dir fordert; nemlich / daß du GOttes Wort haltest / Liebe übest / und demüthig für dem HErren dienem GOtt sitzest. Da die Jsraeliten wider (2. Kön. 16. c. 3.) den Moabiter König stritten / nahm er seinen erstgebohrnen Sohn / und opferte ihn zum Brand-Opfer auf der Mauer. Wie Jephtha den Sieg wider die (Judic. c. 11. v. 31. 39.) Kinder Ammon erhielte / opferte er seine Tochter. Ahas der König in Juda lies seinen Sohn durchs Feuer gehen; Die Carthaginenser opferten dem Saturno nichts anders als Kinder von hohem Stamme / über die man (Alexand. ab Alex.) das Loß warff; Nachdem sie aber solches eine Zeitlang unterliessen / und von dem Könige Agathocle in Sicilien geschlagen und überwunden wurden / machten sie ihnen die Rechnung / es wären die Götter über sie / weil sie dergleichen Kinder-Opfer bishero unterlassen / erzürnet. Dahero schlachteten sie auf ein mahl 200. der edelsten knaben. Da die Griechen vor Troja zogen / opferten diese blinde Leute die Iphigenia des tapfern Heldens Agamemnons Tochter. Kein Thier frist leichtlich seines Gleichen / und keine Liebe ist der Natur so tief eingepflantzet / als die Liebe der Eltern gegen ihre Kinder / und gleichwohl ist es geschehen / daß ein Vater oder Mutter ihren Sohn schlachten / in (Lactant. lib. 1. c. 21. Instit. divin. p. 68.) Stücken zerhauen / und dem Moloch oder dem Teufel opfern lassen. Teucer opferte bey der Stadt Salamin dem Jupiter einen Menschen / und befahl denen Nachkommen / diese Gewonheit zu bahalten. Die Römer wurffen etliche Leute in die Tieber / und vermeinten dadurch dem Saturno ein Opfer zu thun. Lieber / was kan von Menschen unvernünfftiger gefund en werden als dieses? Ehe ein unvernünfftiges Thier seine Jungen verläst / ehe läst es sich darüber umbringen. Die Katze kratzet / der Hund beist / die Kuhe stöst / das Pferd schlägt / die Löwin brüllet / der Bär brummet / wütet und tobet / und ein jedes Thier Streitet für die Seinigen so lange / bis es entweder selbst mit gefangen oder getödtet wird. Wie sehr nun die Heyden in diesem Laster ersoffen / so schafften doch endlich die Römer unter ihren Bürgermeistern Quinto Cornelio Lentulo und P. Lucio Crasso, durch einen gewissen Raths-Schluß dieses Menschen-Opfer ab / und sagte der sonst [413] (Plinius lib. 30. c. 1. Nat. Hist. fol. 233.) kluge Heyde Plinius selbst: Es könte fast nicht mit Worten ausgesprochen werden / wie hoch sich die Römer um das gemeine Wesen verdient gemacht / nachdem sie dieses grausame Menschen-Opfer abgeschafft / und diejenigen Monstra aus dem Wege geräumet; welche Menschen zu tödten für die höchste Religion / und ihn zu fressen / und sein Blut in sich zu schlucken / für das beste gute Werck geachtet. Die Welt gehet heutiges Tages verschmitzter mit dem Opfer um: Es sind nicht etwan die alten Ketzer Euchetae, noch die ungöttlichen Opfer der Juden / welche wohl ehermahls der Christen Kinder gestohlen / und jämmerlich hingerichtet; sondern die unbarmhertzigen Kinder-Mörder / welche die von ihnen empfangene Frucht / durch unrechtmässige Mittel erwürgen; die / so das Leben noch nicht haben / den gebildeten Saamen verderben; oder nachdem sie die Kinder zur Welt gebracht / ermorden / oder heimlich hinweg legen; Es sind die / welche mit Hexerey umgehen; junge Knaben zu ihrem Teufels Opfer gebrauchen / deroselben Blut lecken / das Fleisch kochen und fressen; Ingleichen die / so ihre Söhne und Töchter von GOTT dem Allerhöchsten ab- und dem Teufel zu führen / selbige in der Zauberey unterrichten / sich durch Blendung des Teufels mit auf die Ofengabel setzen / auf Böcken reiten und dem Teufel als ihrem Buhlen / vermählen lassen. Dieses alles sind solche Leute / welche nicht allein ihre Kinder und andere / dem höllischen Feind leiblicher Weise / sondern auch ihre Seele zugleich mit aufopfern. Bey den Cananaeern und Israeliten schlachtete und erwürgete man nur ihrer Söhne und Töchter Leiber; Bey diesen Hexen und Unholden aber / tödtet man nicht nur die Leiber / sondern man frist und säufft ihnen zugleich ihre Seelen mit auf / das ist / sie werden zeitlich und ewig verlohren / und müssen in dem höllischen Moloch ohne Unterlaß brennen. Es sind die / welche ihre Kinder in Schande und Laster dahin geben / und treiben darmit einen Huren-Lohn; die / welche ihren Kindern alles verfressen und versauffen / nichts sparen / und ihnen nichts übrig lassen / Si non pavisti, Occidisti; wenn du einen Hungerigen und Nohtdürfftigen nicht speisest / so tödtest du ihn; die / so ihre Kinder nicht in der Furcht GOTTES auferziehen / ihnen ihren eigenen Willen / und wie das tumme Vieh aufwachsen lassen / also / daß sie dadurch eigensinnig / frech / trotzig / verwegen / wild und ungeberdig werden / sich zu böser Gesellschafft halten / und endlich in die gröste Büberey / Schand und Laster / ja in das zeitliche und ewige Verderben gerathen. Und gleichwie in Aussäung des Gestreydichts / alle Hoffnung zur künfftigen Erndte bestehet / also beruhet auch das gantze menschliche Thun und Wesen auf der Kindheit. Denn / wo keine gute Zucht / da kan auch keine gute Furcht erfolgen. Ex malâ Educatione evadunt pravi pueri, pejores Adolescentes, & pessimi viri; Aus der übeln Erziehung erfolget ein frecher Muth / daß man sich beym Herausfordern schläget und balget / einander ersticht / mordet / raubet / stielet / und endlich dem Hencker zum verbrennen / zum Tode und Schwerdte in die Hände kömmet. Und dieses alles ist nichts anders / als dem Moloch opfern / durch das Feuer gehen / und die Seinigen verbrennen. Grosse Ubelthaten / saget Plato / kommen nicht aus geringer Natur her / sondern von den Sinnreichesten Köpfen / welche durch die Auferziehung verderbet worden. Soll die Jugend in etwas Guten daher wachsen / so mus das Gebet / GOttes-Furcht / und die gebührende Aussicht bey der Hand seyn / und gegentheils derselben aller Müssiggang / Muthwille / Irrthum / und Verführung aus dem Wege geräumet werden / anderer Gestalt sie / wann selbe nicht etwas rechtschaffenes gelernet / in allerhand Sünde / Schande und Laster fallen / und endlich in ihrem eigenen Blute ersticken.
|| [414]
(Die Abgötterey des Hertzens.) Der Aberglaube ist eine Kranckheit des Gemüths / nicht aber eines Bildes / denn er stecket nicht in dem Bilde selbst / sondern in dem Gemüthe und Hertzen dessen / der das Bild ansiehet: Die Bilder bringen nicht eben die Anruffung / Verehrung / und das Götzenwerck für sich mit sich; sondern was Böses daran ist / das kömmet vom Hertzen und von dem Menschen / der in göttlichen Sachen / oder in der Erkäntnis GOTTES nicht recht unterrichtet ist. Des Menschen Hertz ist zwar unerforschlich / gleichwohl aber ist er der Natur eingepflantzet / daß man ihme / was es am Schilde führe / durch gewisse Merckmahl absehen kan / denn er verräth sich durch seine Augen / ob er Böses oder Gutes / ob er eine Heucheley oder Abgötterey darinnen habe? In dem Angesichte: ist das Hertze richtig und rein / so ist auch das Gesichte schamhafftig; ist das Hertze unverschämt und frech / so ist das Gesichte nicht viel besser; durch den Mund mit dem Gespräche / und der Rede / mit dem Lachen und Weheklagen; das Gemüthe der Menschen ist ein Brunnquell der Rede / wie das Hertze / so der Mund; denn wer unverschämt im Reden / der giebet dadurch sein ruchloses / unreines Hertze zu verstehen; Wer leichtsertig lachet / der hat gemeiniglich ein leicht fertig Huren-Hertze. Eine leichte Rede ist eines leichten Gemüthes Anzeigung. Die Sitten des Menschen eröffnen die Zunge / und sein Hertz weiset Ihm / was Er für eine Rede führen soll. Er verräth sich an seinen Sitten und Gebährden. Denn wo dieselben am Haupte / Schuldern / Händen / Füssen und an dem gantzen Leibe gefunden worden / da ist es eine Anzeigung / daß das Hertze böse / und das Gesichte nicht gut sey. Der Tyranne Procopius sahe allezeit / (Matth. 15. v. 19. Jerem. 17. 19.) wenn er gienge / auf die Erde / einjeder weiß was in ihm stecke / Ein Ander aber nicht / was in dir und mir ist. Alle arge Gedancken / Mord / Haß / Neyd / wie auch Lästerungen kommen aus dem Hertzen. Es ist um dasselbe ein trotzig Ding. Er allein / sagt der HERR / prüfet die Nieren / und kan der Menschen Hertzen ergründen. GOTT weiß allein / wen man liebet / und wen man hasset / wen man hintergehet und betreuget / wem man liebkoset oder schändet. Ist dein Hertz gegen GOTT nicht richtig / so bist du eitel. Liebe und hasse / stelle und gebährde dich / wie du willt; schmähe und schände / der HERR / welcher vom Himmel siehet / wird dich bezahlen wie dein Hertz ist. (Plinius.) Der sogenannte Fisch Mugil ist so verschlagen / daß Er auch wissen solle / in welcher Speise eine verdeckte Angel liege: Wir Menschen sind so unbedachtsam / daß wir nicht wissen wie listig und verschlagen die Abgötterey unserm Hertzen beygebracht werde. Als Keyser Mauritio gesagt wurde / daß Phocas / welcher Ihm nach dem Scepter stehen würde / furchtsam / und stets den Kopf hienge / spracht Er: dieser hat einen Todtschlag im Sinne. Ein Mensch hat die gröste Kranckheit an sich / wenn er unverschämt: Daher wird auch derselbe nach Hieroglyphischer Deutung für einen frechen unverschämten und beissenden Hund gehalten; Die allergröste aber / wenn er sich nicht allein gegen die Welt / sondern auch gegen GOTT frech und Ehr-los erweiset: schädlich gegen sich selbst / indem Er dadurch seinen Schaden und Untugend an den Tag giebet / und sich selbst zu seinem grösten Feinde machet. Feindlich wider die Menschen / die Zucht und Ehre lieben / und die an bösen Thaten kein Gefallen / sondern suchen vielmehr das / was Scham / Ehre und Zucht mit sich bringet: Feindlich bey GOTT / Denn wer GOTT zum Feinde hat / dem liegen schon alle Plagen auf dem Halse. Er straffet Ihn an Ehren / am guten Nahmen / an Hab und Gütern / an Leib und Leben / und am bösen Gewissen.
|| [415]

Des Mercurii geopferte Zungen.
[arrow up]

(Natal. Com.) DEm Mercurio opferte man auch Zungen von dem geschlachteten Viehe / und dieses war der letzte Theil der Opfer / welche man in das Feuer warff / und verbrennete. Die Uhrsache aber war diese: Daß / gleichwie Mercurius die Künste und Zierlichkeit im Reden erfunden haben sollte: Also musten auch Ihme zuförderst die Zungen consecriret und gewidmet werden. Wie das Hertze / so die Zunge. Wer leben will und gute Tage haben / der schweige seine Zunge / daß sie nichts Böses rede / und seine Lippen / daß sie nicht trügen. Die Natur hat uns zwey Ohren / und zwey Augen / nur aber einen Mund gegeben / damit wir viel hören und wenig reden sollen. Sie hat gleichsam die Zunge mit dem Walle der Lippen / und mit der Decke der Zähne als doppelter Mauer umgeben / auf daß wir die Worte nicht mit Unbedachtsamkeit heraus (Was die Zunge vermöge.) drehen mögen. Aut quàm minimè, aut quàm optimè. Wenig / oder sehr gut. Das Schweigen / sagt Pythagoras / ist die erste Tugend / und eine heilige und Göttliche Sache. Proximus ille Deo est, qui scit ratione tacere. Der ist GOTT am nächsten / welcher vernünfftig zu schweigen weis. Ein Mensch soll alles hören und sehen / nicht aber alles nachsagen. Die Aegyptier hatten ihren Abgott Harpocrat / die Griechen ihre Sigalionem, und die Römer ihre Abgöttin Angeronam voller Augen und Ohren gebildet / das Maul aber verbunden und versiegelt. Die Rede oder Zunge eines Menschen ist eine Anzeigung seines Hertzens. Vielmahls hat man ein gutes Ansehen / von Gestalt und Gesicht / und Gebärden / als sey man ein geschickter / kluger und beredter Mann / wenn aber die Zunge sich herfür thut / so mercket man den Jäcken / und erblicket des Midoe Ohren. Ein Lästerer mit seiner Zunge ist nichts bessers / als eine Schlange / die unbeschworen sticht. Die Schlange hat ihren Gifft in einem Häutlein zu nächst den Zähnen / so bald sie einen gebissen / lässet sie ihn in die Wunde. Ein solcher ist nichts anders; denn so bald er mit seiner Zuge geschmähet / gelästert und verleumbdet / da geust Er das Gifft seines Hertzens mit aus. Die Schlange ist von GOTT verflucht. Die Verleumder und Lästerer sind von GOtt (Joh. 8. v. 44.) gleichfalls zum Fluch und Greuel gemacht worden. Alle Verleumdungen kommen vom Teufel her / und die so mit Lügen / Verleumden und Affterreden umgehen / sind Kinder des Teufels / nicht eben der Natur nach / sondern (AElian. lib. 8. c. 13.) weil sie demselben in solchen Stücken folgen. Die also genannte Acontiae, jaculi oder Pfeil-Schlangen haben diese Art an sich / daß sie allen Menschen und Thieren hinteristig nachstellen / nahe an die offenen Strassen und Bäume kriechen / und sich enge zusammen krümmen / sobald sie aber den Menschen oder das Vieh ansichtig werden / springen sie wie ein Pfeil in die Höhe und beschädigen denselben. Der Mensch thut mit seiner bösen Zungen dergleichen. Er findet sich auf den Wegen / da die meisten Gesellschaff [416] ten sind / bey den grösten Zusammenkünfften / bey grossen Höfen / und bey vieler Menge des Volcks; Er krümmet sich bald hier bald da / und bemühet sich / wie er einem ein Bein / unterschlagen Haß / Zanck und Uneinigkeit stifften / und durch seine scharffe Zungen / Mord und Todtschlag anrichten möge / wie man siehet an dem beklagten Narcisso / unschuldigen Gregorio / und an der Fausta des Keysers Constantini des Grossen Gemahlin. Der H. Bernhardus fasset sie in einen Klumpen zusammen / und urtheilet von der (Bernhardus de interiori Domo Col. 24. A) Zunge dieses: Lingua dicitur, quia lingit; lingit adulando, mordet detrahendo, occidit mentiendo, tollit amicos, multiplicat inimicos, movet rixas, seminat discordias, uno ictu multos percutit & interficit, blandula & subdola, lata & parata ad exhaurienda bona, & miscenda mala. Die Zunge wird daher Lingua genennet / alldieweil sie durch Heucheln und Schmeicheln männiglichen lecket / durch ihre böse Nachrede beisset / und durch Lügen tödtet / weil sie sich selbst Freunde und Feinde machet / Zorn und Zanck anrichtet / Widerwille und Uneinigkeit stifftet / und gleichsam auf einen Stich oder Hieb ihrer viel hinrichtet / und das Böse unter das Gute vermischet. Viel Geschwätze und viel Lügen verkehren das Volck / und ziehen gemeiniglich gerneeinen Aufstand nach sich. Die Rede des Narren drückt wie eine Last auf dem Wege / und siehet wie ein zerfallenes Haus aus. Ein falches Hertze / wenn es noch so gut aussiehet / deutet mit seiner Zunge alles auf das ärgste / und wenn es am allerbesten zu seyn scheinet / so schändet es auf das allerhöchste. Eine offene Wunde kan man heilen: Ein von der Zunge Vergiffteter aber / scheinet zuweilen unheilsam zu seyn. Wie die Ohren / so die Reden: Liesse man keine Schmeicheley in das Hertze / so entstünden auch daraus keine böse Dünste. Es ist besser mit den Füssen / denn mit der Zunge straucheln. (Plin. Hist. Nat. c. 37.) Von den Schlangen sagt man / daß ob sie gleich nur eine Zunge / so scheinete es doch wegen ihrer geschwinden und behenden Bewegung / als ob sie zwey Zungen hätten: Heuchler / Verleumbder und Ohrenbläser haben derer nicht nur zwey / sondern um ihrer schnöden Verleumbdung willen ihrer (Herodotus in Thalia lib. 3. p. 222. n. 10. AElianus l. 2. Hist. Animal. c. 24. p. 12. Gesner. de Animal.) wohl mehr. Von den Vipern / Ottern / Nattern giebt man vor / daß wenn sie sich miteinander begatten / das Weibgen dem Männgen den Kopf abbisse / hernach aber die Jungen ihren Vater rächeten / und sich aus der Mutter ihrem Leibe bissen. Verleumbder begehen ehermahls an ihren eigenen Ehegatten / Vater und Mutter / zugeschweigen der andern / dergleichen. Proditionem amo, Proditorem non laudo: Die Verrätherey / sagt Keyser Augustus / lasse ich zwar zu / aber den Verräther acht ich nicht. Die Schlange Hoemorrhous / so sich in alten Häusern / Felsen und Löchern aufhält / soll so gifftig seyn / daß / wenn sie einen sticht / Jhme das Blut durch Maul und Nasen heraus dringe: Die Fuchschwäntzer und Verleumbder stechen an grosser Herren Höfen am hefftigsten: Die Geissel macht Striemen / und ein böses Maul verrückt alles Gutes. Ein dreyköpsichtes Schwerd / (Bernhardus.) und ein dreyfacher Spieß / vollbringet seine Streiche auf einmahl. Ein Verleumder thut das Gegenspiel / Er sticht und beisset so lange / bis Er einen um seine Ehre / und guten Nahmen / wie den Nehemias; um Haab und Gut / wie Mephiboseth; zur gefänglichen Hafft / wie Joseph; in Leib- und Lebens-Gefahr / wie Daniel; um das Seinige / wie den Naboth / und um das Leben / wie den Urias bringet. Gleichwie es nun in dem allgemeinen Leben viel Schmeichler und Verleumbder giebet: Also gebühret uns nicht allein / dieselben nicht zu hören / sondern wir sollen uns auch dessen gäntzlich enthalten. Denn weil bey solchen Schmach-Reden nichts als Rauch und Dampf [417] anzutreffen / so erinnert der weise Prediger Salomon selbst und saget: daß man nicht alles / was man vorbringet / zu Hertzen nehmen solle. Als dem Demosthenes einer übel nachredete / wollte er sich mit demselben in keinen Wort-Streit einlassen / sondern sagte: Ich begehre mich keines weges in einen Streit einzulassen / darinen derjenige / so die Oberhand behält / unten liegt / und der / welcher überwindet / überwunden wird. Philippus König in Macedonien sagte zu seinem Freunde / da ihn einer hefftig lästerte; Nun sehet ihr / daß es bey mir stehe / wenn von mir wohl oder übel geredet wird / und daß ich die / welche an der Seuche des Lästerns und Schmähens kranck darnieder liegen / wieder heilen kan. Da ein Trunckener den tapfern Pisistratum mit Worten angrieff / und seine Freunde ihn zur Rache und Straffe anermahneten / spracher: Gebt euch zu Frieden / Ich bin über diesen Menschen nicht anders erzürnet / als wann er mich mit verbundenen Augen unversehens gestossen hätte. Haben das die Heyden erduldet; wie vielmehr die Christen? Als Simei dem König David fluchte / nahm es David nicht zu Hertzen: Die wahren (I. Cor. 4. v. 12. 13.) Christen sind stets ein Fluch der Welt und ein Fegeopfer aller Leute. Der Apostel Paulus aber giebet uns hierunter diese Lehre: daß / wenn man uns schilt / wir segnen / wenn man uns flucht / es dulden / und wenn man uns lästert / wir fliehen sollen. Denn der Mund des Narren schadet ihm selbst / und seine Lippen fahen seine eigene Seele. Wir selbst sind offtermahls eine Ursache des Lästerns und Schmähens / wir lauffen und lauren / was man von uns saget / wirschicken Postträger aus / und unter dem Schein der Freundschafft erforschen wir / wie wir unserm Nächsten vergelten mögen. Es gebühret uns aber darbey diese Regel wohl in acht zu nehmen / daß man nemlich das / wenn man einem über nachredet / nicht achte / noch darnach selbst frage; sondern wenn man einem Ubels und fälschlich nachredet / dergleichen theils mit Worten / Wercken und der That selbst zu Schanden mache. Denn man soll sich in seinem gantzen Leben also verhalten / damit Ihme Niemand über das / was man beschuldiget / Glauben zustellen kan. (Man soll sie im Zaume halten. Solon.) Sermonem obsignandum silentio, Silentium autem temporis occasione. Die Rede soll man mit Stillschweigen versiegeln / das Stillschweigen aber durch die Gelegenheit der Zeit. Schweigen hat seine Zeit / welches auch Gott befiehlet. GOtt und die Natur hat uns zwar einen Mund und zwey Ohren gegeben / daß man reden und hören soll; gleichwohl aber ist es natürlich / daß man denselben mehr zu / als offen hat. Wenn man eine Stadt / sie sey so fest verwahret / als sie wolle / nicht von aussen zuschleust / so hilfft ihre Feste nichts; also auch der Mund und die Zunge / wenn man sie nicht recht gebrauchet. (Sir. 20. 7.) Ein Weiser schweiget / bis er seine Zeit siehet; ein Narr aber kan derselben nicht erwarten. Das Stillschweigen zu seiner Zeit / ist köstlicher denn die (Plutarchus de Pueror. Instit.) beste Rede zur Unzeit. Nihil utilius est quicquam silentio: Wer seinen Mund bewahret / der bewahret zugleich auch seinen Leib. Wo eine richtige Vernunfft / da ist eine vernünfftige Rede. Bey den Spielen erforschet man des Menschen Gemüthe; und bey den Reden desselben Verstand. Lingua est telum pessimum, quod animum transverberat. Die Zunge ist das tödtlichste Geschoß / welches auch das Gemüthe verwundet. Niemal kan man eine̅ Stein / wenn er einmahl aus der Hand / und ein Wort wenn es aus dem Munde / wieder zurücke ziehen. Viel Worte / wenig Wercke; viel Geschrey / wenig Wolle / vergleichen sich einer Saue. Reden bringt beydes Ehre und Schande. Und gleichwie ein kleines Feuer den grösten Wald anzündet; also richtet auch die Zunge / ob sie wohl ein kleines Glied / in der Welt die gröste Unruhe an / und beflecket offtermahls unsern gantzen Leib / daß wir gleichsam für aussätzig an [418] zusehen sind. Derjenige alle in ist mit der Tugend der Verschwiegenheit begabet / der dasjenige in Geheim und verborgen hält / was ihm und andern Leuten nicht zum Nachtheil / Schaden und Unglück gereichet. Ein Lästerer fragte den Theocritum / wo er ihn des andern Tages antreffen werde? welcher demselben zur Antwort gab: An dem Ort / da ich dich nicht zu sehen begebre. Da Aristoteles gefragt wurde / welches das schwerste in diesem Leben wäre? sprach er: dasjenige verschweigen / was man nicht sagen soll. Je weiser und verständiger Einer ist / ie mehr soll er seine Zunge an sich halten. Eine glüende Kohle / sagt Socrates, ist offters leichter auf der Zungen zu behalten / als eine geheime Rede. Der König Lysimachus sagte zu seinem guten Freunde Philippides: was begehrest du dir von meinen Sachen theilhafftig zu machen? welchem derselbe antwortete: Vertraue mir König was du wilt / ohne allein das nicht / was heimlich ist. Plutarchus vermahnete die Seinigen / daß man keinem etwas offenbahren sollte / welches man vor sich verschweigen wollte. Da man dem klugen Euripidi seinen stickenden Mund und bösen Athem vorruckte / sprach er: man hat sich darüber nicht zu verwundern / alldieweil darinnen viel Geheimnisse verfaulet sind. Gleichwie aber alle Dinge seine Zeit / also auch das Reden. Einem Könige / Fürsten und Potentaten gebühret bey (Führt Böses und Gutes in sich. Sveton in Tiber.) seiner Regierung zu reden / will er anders nicht für einen stummen Götzen gehalten seyn. Keyser Nero soll weder mit seinen Knechten noch Freygelassenen geredet / sondern alles / was er Jhnen anbefehlen wollen / an eine Tafel geschrieben haben. Keyser Tibertus pflegte das Angesicht zusammen zu ziehen / entweder nichts oder gar wenig zu reden / drehete ein Wort aus dem Munde und machte mit den Fingern viel Gauckelns. Böse Geschwätze verderben gute Sitten. Ein Dieb ist nicht so arg / als Einer der sich an eine böse Zunge gewehnet. Jhrer viel sind in der Welt / die ihre Zungen und Reden zu leichtfertigen Schwören / Fluchen / Gotteslästern und Ohrenbläsern gebrauchen lassen: sie sind die / welche die Leute verwirren / und den guten Frieden zerstören / und alles Gute über den Hauffen werffen. Lieber! wieviel gute Freunde werden wohl durch die spitzfindige Zunge uneins? Wie viel fallen durch die Schärffe des Schwerds dahin? und wieviel gerathen dadurch gar um die Seele? Wann die Schlangen stechen wollen / so kriechen sie mit gekrümmeten Leibe und gedrehetem Kopfe einher: dergleichen List gebrauchet sich auch ein böser Mensch gegen die Allerfröm̅sten. Da man den weisen Pythagoras fragte: was massen man sich bey den Menschen in der Welt am meisten beliebt machen könnte / gab er zur Antwort: wenn du die grösten Dinge vollbringen / und die wenigsten Reden thun wirst. Verflucht sind falsche Mäuler / sie fallen sich seldst / und kommen in Unglück durch ihr eigen Maul. Die Zunge / sagt man / soll nicht klingen / sie werde dann von dem Hertzen gezogen. Etliche wollen / es wären in derselbenzwey Adern / eine gehe zum Hertzen / die andere zum Gehirn / durch welches man andeutet / daß die Zunge / das Hertze / und die Vernunfft sollen eine gleiche Harmonie machen. Pythagoras befahl / daß man die Götter siillschweigend verehren sollte. Gleichwie man aber aus den Träumen im Schlaffe erkennet / mit was für Sorgen und Geschäfften ein Mensch beladen: Also nimmt man auch aus der Zunge wahr / wie des Mensche̅ Hertz beschaffen. Sie ist zwar eines der edelsten Glieder / indem dadurch die Rede des Menschen formiret, und von den unvernünfftigen Thieren unterschieden wird: Je edler sie aber ist / ie mehr Gefahr hat solche auf sich. Der alte Philosophus Zeno hielte es ihme vor eine grosse Ehre / daß er schweigen kon̅te. Was einer für eine Rede führet / darnach wird das Gemüthe erachtet: wer seine Zunge wohl zu gebrauchen dencket / der brauche sie nicht wider GOtt / [419] (Simonides.) nicht wider den Nechsten / nicht wider sich selbst. Nunquam cui tacuisse nocet, nocet esse locutum. Als der kluge Aesopus gefragt wurde / was das allerböseste und beste am Menschen wäre / gab er zur Antwort: die Zunge. Denn / wenn sie recht gebraucht / so sey an dem Menschen nichts bessers noch edlers / wenn sie aber mißbrauchet / nichs schädlichers noch ärgers als sie. Durch sie loben wir GOtt / und durch sie verfluchen wir den Menschen. Sie kan beydes loben und schelten. Sie verursachet den Menschen viel Nutzen / und bringet sich öffters selbest um das Leben. Jhr Nutzen ist / wenn sie GOtt lobet / sein Wort für Augen hat / mit GOtt sein Gespräche hält; wenn sie ohne Ansehen der Person männiglichen das Recht spricht; den Armen / Wittben und Waysen beystehet / und den Mund für die Stummen / das ist / die Verlassenen / austhut: Wenn sie die Warheit redet / Treu und Glauben liebet / und / wie von dem Epaminonda / dem Thebanischen Fürsten gerühmet wird / quod ne joco unquam mentitus sit, auch niemals im Schertze keine Lügen redet. Wenn sie mit jederman gerne umgehet / sich holdseelig / freundlich und gelinde erweiset / die Scham / Zucht und Erbarkeit beobachtet / die Warheit ehret / und sich in alle dem / was ein gut Lob nach sich ziehet / also erweiset / daß an ihr nichts / als himmlische Wercke und Worte zu verspüren sind. Sie ist die / welche vom hohen Him̅el / von dem Umkreis der Erden / von den Elementen / und was dieselben alle in sich begreifen / ausführlich reden kan. Es ist sich über die Gütigkeit GOttes und unergründliche Weisheit zu verwundern / wie die selbe in dem menschlichen Leibe alles so ordentlich eingetheilet / wie daselbst die Liebe in dem Willen / die Erkantnis in den Augen / die Keuschheit in dem Hertzen / der Glaube in dem Verstande und Ohren / und das Leben und der Tod auf der Zunge bestehe. Diese ist das unruhigste Glied unter den Unruhigen / und das allergefährlichste unter den Gefährlichen. Als GOtt der Schöpfer den Bruder-Mörder Cain fragte / warum er seinen Bruder Abel erschlagen / hatte er keine andere Reue / als daß er sagte: Meine Sünde ist grösser / als deine Gnade. Cain sündigte mehr mit dem was er redete / als was er begienge; Mit einer Keule erschlug er seinen Bruder / mit der Zungen brachte er sich in den ewigen Tod. Der Assyrische König Sennacherib schickte zu dem König Ezechia in Juda / und ließ Jhm unter andern dieses sagen: Wo ist ein Gott unter allen Land-Göttern / die ihr Land haben von meiner Hand errettet? GOtt stürtzte des stoltzen Tyrannen Zunge / und erschlug der Engel des HErrn / ehe er mit seiner grossen Macht für Jerusalem rückete / in einer Nacht 185000 Mann / Er aber flohe / und ward von seinen eigenen Söhnen / dem Adramelech und Sarezer / in dem Tempel / da Er den Abgott Nisroch anbetete / hingerichtet. Woraus man siehet / daß dieser König alle in durch seine böse Zunge nicht nur sein gewaltiges Königreich / Haab und Gut / sondern auch seine Ehre / Hoheit und Leben zugleich auf einmahl verlohren. Chams Nachkommen unterwunden sich aus Hochmuth einen Thurn bis an den Him̅el zu bauen / damit sie GOtt / wenn Er sie wieder mit einer Sündfluth heimsuchen würde / die Spitze biethen könnten; GOtt aber straffte sie / aus besonderen Geheimnis / weder am ihrem Leibe noch Leben / viel weniger an Gütern / Land und Leuten / noch zerbrach ihre aufgeführte dicke Mauren / sondern Er straffte sie mit dem / nemlich mit der Zunge / damit sie ihren GOtt zu lästern angefangen: Sie höreten und sahen zwar / aber sie verstunden einander nicht / und ob sie schon einander verstunden / so geschahe es doch nur durch gewisse Zeichen; GOttes weise Versehung behält sich alleine vor / wie Sie die Sünder straffen will; Pharao muste dort in dem rothen Meer ersauffen; Sodoma und Gomorra mit Feuer verbrennen / die Egyptier aussätzig gemacht; Aarons Söh [420] ne aber und der reiche Mann wegen ihrer bösen Zungen mit anderen Straffen beleget werden. Denn weil meistentheils bey denen Hoffärtigen / Reichen und Verschwenderischen der Gebrauch / daß sie bey ihrem Wolleben ehrliche Leute schänden / schmähen / und mit der Zunge so wohl die Lebendigen als die Todten begraben / und die Verstorbenen gleichsam aus den Gräbern zur Hechelbanck wieder hervorziehen / so ist nicht mehr als billich / daß ihnen (Gvevara.) GOtt hinwieder gleiches mit gleichen vergilt. Wie nun das menschliche Hertz an demselben das Allermächtigste / das Blut das Zarteste / das Gehör das Subtilste / der Puls das Unruhigste / die Augen das Schönste / und das Fleisch das Schwereste: Also ist unwiedertreiblich die Zunge das Gefährlichste / und auch Nothwendigste / welche / wann sie recht gebrauchet / zur Seeligkeit / ihr Mißbrauch aber zur Schmach und Verdammnis führet.

Des Mercurii dreyfache Gewalt.
[arrow up]

DEn Mercurium nenneten die Alten einen dreyfachen Gott / weil Er ein Gott des Meeres / des Erdbodens und des Him̅els wäre / und hielten dafür / daß Keiner nicht sterben könnte / wofern nicht derselbe vorher die von GOtt dem Leibe angebundene Seele von dem sterblichen Bande aufgelöset. (Ravis. Text. in offic.) Die Heyden und Poeten dichten / daß unter andern auch Neptunus / Oceanus / Proteus / Palämon / Castor / Pollux / Nereus / Glaucus / Phöbus / ein Gott des Meeres / und Thetys / Doris / Amphitrite / und Nereides (Was darbey wahrzunehmen.) Meergöttinnen gewesen. Diese und dergleichen waren Königes oder anderer Helden Kinder / wodurch man vorstellen wollen / daß je höher ein Stand / je mehr er der Gefahr unterworffen. Je tugendhaster aber die Potentaten / je höher werden sie auch in der Welt / und nach dem Tode gar für Götter geachtet. Wenn ein löblicher Regente in seinem Lande wohl regieret / so ist er ein Gott der Erden: Erstrecket sich seine Macht bis an die See / so ist er ein Beherrscher derselben. Ist er der Gottesfurcht / denen freyen Künsten / und denen himmlischen Wissenschafften ergeben / so wird er mit der Zeit auch ein Besitzer des Himmels. Und gleichwie sich grosse Herren durch ihre Laster / unmenschliche Begierden / und grausame Thaten in Scorpionen / Drachen / Centauros, Wölfe / und andere unvernünfftige Thiere verwandeln: Also werden auch löbliche und fromme Potentaten / um ihrer verübten Tugend und Thaten willen / für Götter der Welt / für feuchte Erd-Gewächse / und unter das anmuthigste Gestirne gerechnet. Sie sind Kinder des Höchsten / Väter des Landes / und Vertretter der Armen. Dahin auch die weisen Heyden zielen / wenn sie sagten: Animata Imago Rex putandus est Dei: Ein König ist für ein lebendiges Bildnis GOttes zu achten / und ist zwischen einen guten Regenten und frommen Hausvater kein (Plutarch. in Pericle.) Unterscheid zu machen. Als der tapfere und kluge Pericles zu Athen lebete / da wuste man nicht / was für einen erfahrnen und stattlichen Mann man an Ihm hatte / da Er aber todt / sahe man erstlich / was man an demselben gehabt. Regenten sollen GOTT in dreyen Stücken gleich seyn / nemlich in der Gewalt / in der Güte / und in der Barmhertzigkeit. [421] (Cassiodorus. lib. I. Epist. 12. p. 14.) König Theodorich in Italien sagte / daß der Jenige / der sich in der Welt wolle einen unsterblichen Nahmen machen / ein Tempel der Unschuld / ein Altar der Gerechtigkeit und eine Capelle der Mässigkeit seyn sollte. Es ist der Regenten-Stand nicht ein geringes / wenn Er die reine Lehre und Kirche Gottes fortpflantzet / zu dem wahren Gottesdienst allen Vorschub thun / und keinen Flucher noch Gotteslästerer / noch Verachtung GOttes und seines Wortes / keinen Ungehorsam / keinen Mord noch Todschlag / keine Hererey noch Ehebruch / verstatten lässet: Wann Er Städte / Flekken und Dörffer in Friede und Ruhe erhält / Land un̅ Leute erbauet / Mas / Ellen und Gewichte handhabet / und die Seinigen wider Recht un̅ Billigkeit (AElian???9 lib. 2. Histor. Variar. c. 20. p. 319.) nicht beschwehret. König Antigonus in Macedonien nen̅ete die Regierung eine Adeliche Dienstbarkeit; un̅ als Ihm einer als einen König glückseelig preisete / zeigete er mit seiner Hand auf die Crone / und sagte: Wenn du wüstest / was für Mühe und Arbeit hinter dieser Cron stecke / du würdest Sie gewiß nicht auf dem Wege aufheben. Wie der Atheniensische Krieges-Fürst Themistocles vermerkte / daß ihm sein Sohn nach dem Regime̅t stund / nahm Er Ihn mit sich an das Uferdes Meeres / wiese Ihm daselbst etliche zerfallene Schiffe / und gab Ihm diese Lehre darbey: Es hätten diese Schiffe vormals die allertapfersten Menschen / und deroselben Nahrung und Unterhalt getragen / deßwegen man sie auch lieb und werth gehalten / sie auf das herrlichste ausgeputzet / und ihrer zum besten gewartet; nachdem sie aber alt und zerfallen / achte man nunmehro derer am wenigsten. Also ergienge es auch denen Regenten; so lange sie dem gemeinen Wesen wohl fürstehen könten / da wären Sie hoch geschätzt; wenn Sie aber alt un̅ unvermögend / da fiele allgemach ihre Hoheit und Respect wieder dahin. Es sitzet mancher oben an; ein Anderer aber weis nicht / wie schwehr Ihm das Sitzen ankom̅e / und was vor eine starke Last er auf sich habe. Mensche̅ regieren / ist eines von den grösten Künsten. Ehe der Rath zu Rom / welcher in 320. Personen bestunde / zu ihren Berathschlagungen giengen / kamen Sie erstlich in dem Tempel der Concordiae zusam̅en / und rufften die Götter um glücklichen Fortgang ihrer vorhabenden Rathschläge an. Da König Heinrich der Vierte in Engeland auf seinem Todtbette sahe / wie sein Sohn Heinrich / hernach der Fünffte genannt / die Crone mit den Händen hin und wieder begrieff / sagte Er: O wenn du / mein Sohn! wüstest / wie schwehr mir diese Crone auf meinem Gewissen läge / du würdest Sie nim̅ermehr aufzusetzen begehren. Welchem der Sohn mit Lachen geantwortet: Das sey ferne / ô König! daß Ich das Jenige / was dich so viel gekostet / sollte fahren lassen! Der jenige so nach einer Regierung trachtet / stehet nach nichts als Mühe / Arbeit / Sorge / Gefahr un̅ Küm̅ernis; Wer aber verständig ist / der bemühet sich vielmehr davon / als darbey zu seyn. Wie einesmals Damocles den König in Sicilien / den Dionysium / wegen seines Reichs glückselig priese / forderte Er Ihn zur Tafel / ließ die Zimmer mit güldenen Tapezereyen behengen / die köstlichsten Speisen und Getränke auftragen / und die anmuthigste Music herfürbringen. Damocles war lustig und guter Dinge / aß und trank / und ließ sich darbey nichts böses ahnen. Indem Er nun bey so grosser Pracht und Herrlichkeet unverhofft über sich sahe / wurde Er gewahr / wie über seinem Haupte ein blosses Schwerdt an einem Pferde-Haare hienge: und als Er sich darüber entsetzete / sagte der König zu Ihm: Nun siehestu / daß die Könige zwar in steter Pracht und Herrligkeit sitzen / allein sie leben darbey in steter Furcht und Lebens-Gefahr.
|| [422]

Das wunderbare Meer.
[arrow up]

(Das Meer un̅ die Erde ist ein Corp???9.) WEil man den Mercurium für einen Gott des Meeres gehalten / so müssen wir auch desselben Eigenschafften erwegen / damit wir hieraus nicht dieses mächtigen / sondern des allein ewigen / weisen / und unerforschliche̅ Gottes seine Werke / die Er alle sehr weißlich angeordnet / sehen mögen. Da das Wasser bey der ersten Schöpfung d??? Welt die Erde bedeckte / sonderte der Schöpfer dieses grossen und herrlichen Welt-Gebäudes das Truckene und das Wasser von einander / nennete das Truckene Erde / und das Wasser das Meer; also daß die Erde mit dem Wasser wegen ihres Circulrunden Umkreises gleichsam für ein Corpus zu achten / den̅ sie stehen beyde auf keinem Grunde / sondern sie hangen und schweben da in freyer Lufft. Es sind die Naturkündiger von dem Ursprung der Wasser Qvelle und Bäche unterschiedener Meinung. Aristoteles (Aristot. de Meteor. c. 13. Tom. I. p. 425. n. 20.) will behaupten / daß die Wasserbäche un̅ Brunnen in den Erdlöchern und Höhlen aus den Dünsten und Dämpfen der Lufft / so darinnen begriffen / erzeuget würden / indem dieselben sich in den Klüfften der Erden anhiengen / sich als ein Schweiß Tropfenweise zusammen setzten / und hernach durch die vielfältige Versam̅lung dergleichen Qvelle zu wege brächten / und weil solche Dünste niemahls aufhöreten / so könnten auch selbige niemals versiegen. Andere geben vor / es wären in Mitten der Erden etliche Höhlen / worinnen das Jahr über das Regenwasser durch die Erde versiege / und sich wieder in solcher Menge versam̅lete / daß hernach aus der Erden Jahr und Tag Wasser entspringen. Der weise Plato aber hält dafür / daß alle Flüsse und Brunnen aus dem Meer entstünden / und dahin zielet auch Moses wenn Er saget: Alle Wasser lauffen in das Meer / da sie herfliessen / fliessen sie auch durch und über die Erde wieder dahin. Und obwohl alle Flüsse wieder in das Meer fliessen / so sieht man doch / daß dasselbe weder völler noch weniger wird. Denn weil Ihr Ursprung aus dem Meer entstehet / so lauffen sie auch durch ihre verborgene Gänge / Adern und Löcher (Das Meer bleibet in seinen Gränzen. Ps. 33. v. 7. 104. v. 9. Job. 38. v. 9. 10.) wieder zu demselben. Gott verstattet dem Meere wunderbarer Weise seinen Ab- und Zulauff / und weil das Wasser ein gewaltsames Element / so halte GOtt das Meer / durch seine Krafft / wie einen Schlauch zusammen / und legete die Tieffe in das Verborgene: Er setzete Ihnen Grenze / darüber es nicht kommen / noch das Erdreich bedecken kan. Er veschloß es mit seinen Thüren / da es heraus brach / wie aus Mutter-Leibe / da Er es im dunkeln einwickelte wie in Windeln / zerbrach seinen Lauff mit seinem Thamme / setzte Ihm Riegel und Thüre / und sprach: Biß hieher sollet ihr kommen und nicht weiter! Die Menschen halten es für ein besonderes Kunst-Stücke / wann sie das Wasser auf die höchsten Berge / durch gewisse Röhren führen / und daselbsten beydes zum Zierath und Nutzen / empor springen lassen können: GOtt ist in seinem Meister-Stücke viel unerforschlicher. Er führet die Wasser / Ströme und Flüsse bald in die tieffen Gruben / bald auf die Hügel / bald auf die höchsten Steinklippen / wie an dem Flusse Tanai, Indo und Nilo zu sehen / welcher weit aus den Bergen des Vorgebirges Capitis bonae spei, so die äuserste Spitze in Africâ ist / entspringet. Alle Wasser halten ihren Stand / und nichts ist mehr / (Warum dz Meer-Wasser gesaltzen.) darinnen sich die Natur wundersamer / als in demselben erweiset. Die jenigen Wasser / so in das Meer lauffen / werden gesalzen; die aber heraus [423] kom̅en / süsse / darüber man unterschiedene Meinungen führet. Daß das Meer-Wasser gesalzen / sagt Aristoteles / rühre daher / weil die Sonne mit ihrer Hitze gleichsam die edelsten und subtilesten Dünste und Dämpfe über sich ziehe / und die grobe und unartige Materia liegen lasse. Dieser Opinion aber setzet man die hin und wieder in der Welt befindlichen Salzbrunnen / welche man der Sonnen Wirkung wegen ihrer Tiefe nicht zuschreiben kan / entgegen. Das gewisseste ist hierinen woldieses / daß Gott aus sonderbaren Rath hat haben wollen / daß dasselbige salzig / herbe und bitter sey / damit solches nicht stinkigt werde / und dadurch die Lufft und das menschliche Geschlecht verunreinige / gestalt denn keine Sache der Fäulung mehr widerstehet / denn das Salz; und weil die stete Bewegung darzu kömmet / so wird es gleichsam dadurch mehr erfrischet. Die Jenigen / so auf dem Meere / oder der See ein Eckel / oder Erbrechen empfinden / lehret die Schola Salernitana dieses: Nausea non poterit haecqvem vexare, marinam Undam cum vino mixtam qui sumserit antè. Gleichwie aber kein Mensch ohne Wasser auf dem Erdboden wohnen kan / alldieweil solches das Erdreich auf den Bergen / Hügeln und Thälern (Die daher rührende Sauerun̅ andere Wunder. Brunnen) befeuchtet / Sie fruchtbar machet / und die Menschen erqvicket: Also erweiset sich auch die Gütigkeit Gottes durch die von dem Meer-Wasser herrührende / und durch den Erdboden dringende andere Saltz-Wasser / Sauer-Brunnen / kalte und warme Bäder; gestalt man denn Brunnen findet / die mit solcher Gewalt aus der Erde springen / daß Sie grose Steine auswerffen; Etliche verschlingen alles was man hinein wirffet; Etliche / ob Sie wohl Eis kalt / brudeln / als ob Sie södten / und werffen doch gleichwohl kein Wasser über sich; Etliche nehmen zu und ab / wie das Meer. In der Troglodyter Landschafft soll ein Brun̅en gefunden werden / dessen Wasser am Morgen laulicht / zu Mittage kalt / auf den Abend (Lucretius lib. 6. Plinius lib. 2. c. 103.) warm / und zu Mitternacht gantz heis seyn soll. In Thessalien / sagt man / wäre ein Brunnen / der alle Wunden an Menschen und Viehe heilete; und wenn man in demselben zerspalten Holz werffe / es wieder zusammenheffte. Zu Dodon findet man einen kalten Brunnen / sobald man eine Fackel darein hält / soll Sie verleschen; Wenn man aber eine ungelöschte darein thut / sich selbst wieder anzünden / und der Brunnen iedesmahl zu Mittage verseichen. Desgleichen soll in Paphlagonien Einer seyn / der (Selzame Wasser-Flüsse. Aristot. de Mirabilib-Auscultat. Majolus.) wie Wein / truncken mache. Also lieset man / daß in Sicilien ein Fluß sey / in welchem / wenn man erwürgte Vogel und Vieh wirfft / dieselbigen wieder lebendig werden sollen. Josephus schreibet / es wäre in Syrien ein Wasser-Fluß / der habe diese wunderbare Eigenschafft an sich / daß wen̅ Er sechs Tage mit grosser Behendigkeit geflossen / Er sich selbst alsdenn verliere / und am siebenden wieder einstelle. In der Agrigentiner See soll nichts untergehen / sondern alles oben schwimmen. In der neuen Welt / schreibet man / sey ein Schiffreicher Fluß so heis / daß man keine Hand darein stecken könne: Der Fluß Acuota oben kalt / unten heis; und das Wasser Pontus / welches zwischen der Scythen Landschafft und dem Meere hinfleust / iederzeit kalt / führe aber stets brennende und heisse Steine bey sich. Bey den Garamanten ist ein Wasser / welches des Tages so kalt / daß man solches nicht trincken kan; des Nachts aber so heiß / daß man es nicht anrühren darf. So wunderbar nun alle Flüsse der Welt be [424] schaffen / (Selzame Arten der Meerfische. An. C. 1598.) so wunderbahr sind auch die daselbst / insonderheit die in dem Meer befindlichen Ungeheuren Fische / und Thiere. Der kleine Fisch wird von den Grössern / und der Grössere von dem Stärkern gefressen / wie man an dem grossen Wallfischen sichet. Dergleichen Art einesmahls das Meer in Holland zwischen Cortick und Schönelein / bey ereigneten Stürmen an das Ufer geworffen / dessen Maul so hoch / daß Einer darinnen mit ausgestreckten Armen stehen können / habe 40. Zähne geh abt / deren ieder drey Finger dicke / eine viertheil Elle und sechzig Werck-Schuhe lang gewesen. (Scaliger.) Das Meer ist der Vater aller Wunder / und hält man dafür / daß in demselben mehr Geschlechte der Thiere als auf dem Erdboden zu befinden; wie dann bekannt / daß man daselbst Fische in Gestalt der Drachen / Scorpionen / Katzen / Hunde / Ochsen / Pferde / Kälber / Rhinocer / Löwen (Olaus Magn???9. Gesnerus.) und Schlangen vonn 300. Schuh lang gefunden. Theodorus Gaza schreibet / daß in dem Peloponnes / von Ungestüm̅e des Meeres / ein Meerwunder sey an das Ufer geworffen worden / welches im Gesichte einer Weibesperson ähnlich / der Leib mit rauhen Schuppen biß an die Scham bedecket / und der übrige Theil mit einem Schwanze / gleich einem Krebse sey versehen (Johann. Philipp. Abelinus An. Ch. 1619. Dn. Doct Meisner in seinem Biblisch-Historisch-Geographischen Anmerkungen.) gewesen. Ferner / so wird erzehlet / daß auf des Königes in Dennemark seiner Gesandten Rück-Reise aus Norwegen / ein so genan̅ter Meer-Man̅ gesangen / der wie ein ander Mensch gebildet gewesen / ohne allein / daß Er mit einer Haut / als ein Meer-Hund überzogen. Erde und Wasser machen / wie gedacht / eine Rundung; gleich durch 1718. Meilen / und im Umkeise einer Linie 5400 / in der ganzen Fläche aber / 9278181. Meilweges. Worbey zu wissen / daß das Meer oder die See so viel Platz als die Erde einnimmet. Siehet man nun ihre Tieffe an / welche überall zu ergründen / und über 3. bis 500. Klafftern / auch offters in der Mitten nur 20. oder 30. tieff / ausser an den Norwegischen / Sardinischen und Spitz-Bergen / dessen Grund mit keinem Seile zu ergründen; So muß man sich beydes über solch Element / und über die darinnen sich auf- und niederwelzende ungeheure Fische / über die Menge der Zahl / über die Grösse und Stärke derselben / und über die Selzamkeit so vielerley Arten und Veränderung solcher verwundern. Wie sich aber das Meer bewege / und wiederum stille sey / ist so wunderns-würdig / als diese seine Einwohner / also / daß es wohl heisset / das Meer pfleget zwar zu wüten und zu toben / zu brüllen und sich auszuwerffen / Gott aber stillet dasselbe durch eine unempfindliche Gewalt / und leget seine stolze Wellen durch ein natürlich Wunderwerk.

Die Fruchtbarkeit des Erdbodens.
[arrow up]

(Erdbodens Betrachtung.) GLeichwie nun aber das Menschliche Herze die Wunderwerk Gottes zu fassen viel zu enge: Aso siehet man auch wie der Erd-Boden durch seine Runde in Einfassung und Begreiffung der Metallen und Mineralien / in Herfürbringung der herrlichsten Bäume / der schönsten Früchte / (Dn. D. Calov. Calvis. D. Berm. in Chronol. Wann die Welt erschaffen.) Blumen und Kräuter / in Menge der Thiere und Vogel auch allerhand selzame Arten der Speisen viel Millionen Wunder mit sich bringe. Die Welt / sagen Etliche / wäre im Frühling erschaffen / da sich die Erde zu begrasen anfienge. Etliche aber meinen im Herbste / weil gleich die Bäume Früchte getragen. Beyde haben ihre Gründe. GOTTes Allmacht ist es zuzuschreiben / die aus nichts alles / und [425] das / was unzeitig / zeitig machen kan. Schuf GOTT bald anfangs aus einem noch nicht ausgeputzten Klumpen / darinnen Liecht und Elementa vermischet waren / ein so vortreffliches Gebäude; Wie viel mehr hat es seiner Weißheit frey gestanden / hierzu eine ungewisse Zeit zu nehmen. Sein Wille ist sein Wort / und sein Wort die That. Er hat weder Hülffe noch Werckzeuges vonnöthen; Seine Hand ist unverkürtzet / und sein Wort bleibet in seiner Krafft. Die Erde / sagt man / ist des Meeres Lauge-Sack / und kan Eines ohne das Andere nicht bestehen. Sie ist das innerste und schwehrste Element / welches in der Mitten der Welt-Kugel / als der Punct eines runden Cirkels ist. Seine Grund-Festen sind eigentlich Gottes Wille und Allmacht. Er thut was (Ps. 115. v. 3. Sapie̅t. II, 22. Ps. v. 4. Ob die Erde sich bewege.) Er will / stehet dorten. Er hat alles wohl geordnet / mit Maas / Ziel und Gewicht; groß ist bey Ihm sein Vermögen / wer kan der Macht seines Armens widerstehen? Seine Allmacht hat die Erde gegründet / und seine rechte Hand den Himmel ausgespannet; Wann Er ruffet / da stehet alles / und Er hält des Landes Seulen feste. Die alten Philosophi haben dafür gehalten / daß der Himmel / der Mond und die Sternen gantz stille stehen / und werde hingegen die Erde nur beweget: Allermassen denn auch Seneca gedencket / daß zu seiner Zeit Etliche gewesen / welche dafür gehalten / wie die Menschen unwissende von dem Erdboden herumgetrieben (Heraclides) würden. Anaximenes war der Gedancken / die Erde werde wegen ihrer Breite durch die Lufft / darauf Sie liege / herumgeführet. Andere geben vor / Sie werde um ihr Centrum, wie ein Rad um die Achse / von Untergange bis zum Aufgange einhergetrieben. Welchen heutiges Tages Keplerus und andere Beyfall geben wollen. Gleichwie aber in Menschlichen Gebäuden der Grund das Vornehmste: Also hat auch GOtt den Erdboden gegründet / und gleichsam auf Seulen unbeweglich (I Chron. 17. v. 30.) gesetzet. Der HERR / spricht David / hat den Erdboden bereitet / daß Er nicht beweget werde. Der Prediger Salomon sagt nicht: die Erde wird um Ihr Centrum bewegt / sondern die Erde bleibt oder (Jos. 10. v. 13.) stehet. Und wie dort die Sonne / und der Mond stille stunden und sich nicht bewegten: Also stehet auch die Erde unbewegt / und ist hierinne mehr auf die Schrifft und auf die Einfalt des Glaubens / als auf die Spitzfindige (und ewig sey?) Vernunfft zu sehen. Aristoteles und die Epicurer geben vor / daß die Welt von Ewigkeit her gewesen / und bis in Ewigkeit noch seyn und bleiben werde. Salomons Meinung ist nicht diese. Denn Er spricht nicht / daß Sie von Ewigkeit her sey / sondern ewig stehe / welches eigentlich von ihrem unbeweglichen Stande / immerwährender Bewehrung und Befestigung / gleichwie die Last eines Baums / zu verstehen. Denn obschon die Erde nach ihrem Stücke / oder was sie auf sich hat / verwandelt wird; als wie da gesagt wird / alles was auf Erden / das kömmet aus der Erden / und wird wieder zur Erden: So bleibet Sie doch in ihrem Stande / und vergehet nimmer an sich gantz bis zu Ende deß jüngsten Tages / da Sie mit allem / was darinne ist / wieder zu nichts gemacht (Es. c. 51. v. 6. Apoc. 20, II.) werden wird / wie CHRISTUS selbsten saget / Himmel und Erden vergehen / und zwar der Himmel wie ein Rauch / und die Erde / wie ein altes Kleid. Und dieses bestätiget der Heil. Apostel Johannes / da Er im Gesichte gesehen / wie der erste Himmel und die erste Erde vergangen / das Meer nicht mehr gewesen / und an Statt deren ein neuer Himmel und (2 Pet. 3.) eine neue Erde gemacht worden; Und Petrus schreibet hiervon auch / wie der Himmel und die Erde / wie Sie anietzo wären / durch des HER [426] (Desselbigen Grösse.) ren Wort gesparet / damit Sie am Tage des Gerichts und der Verdammnis der Gottlosen zum Feuer behalten werden möge. Die Grösse der Welt / nach des Ptolomaei Rechnung / soll in ihrem Circul und Umkreise 180000. Stadien / und 5625. Meilwegs / der Durchschnitt aber 1718. Meilen um sich begreiffen. Dieses dicke Corpus nun stehet der natur nach auf keinem natürliche̅ Grunde / sondern schwebet in der Mitten / ist mit der dünnen Lufft umgeben / und ruhet gleichsam darauf. Etliche sagen / daß die Erde in ihrem Umkreyse 5400. teutsche Meilen hätte; Wenn man nun 15. Meilen gegen Norden reisete / so würde die Elevatio Poli immer einen Grad höher; Nachdem aber ein ieder Circul 360. Grad hielte / so thäte ein Grad 15. Meilen / und käme die Summa des Umkreises wieder heraus / also daß ein Vogel / wenn Er Tag und Nacht um den Erdboden fliegen sollte / darzu 225. Meilen haben müste; Woraus zu schliessen / wie viel weiter und schneller die Sonne / der Mond / und das ganze Gestirne / weil Sie in einer solchen unbegreifflichen Höhe / und weiter Tag und Nacht um den Erdboden zu lauffen pflegen. (Dessen Nutz und Fruchtbarkeit.) Wie der Himmel GOttes Wohnung / Also auch der Erdboden der Menschen und der Thiere. Sie empfängt Uns / wenn wir geboren werden; Sie ernehret und trägt uns / so lange wir auf dieser Welt leben; und beschleust unsern Cörper um sich / biß an den letzten Tag. Alle Elementa scheinen sich wider Uns zu empören; als da ist das Wasser mit seiner schnellen Fluth; die Lufft durch seinen grausamen Donner; und das Feuer durch seine unerträgliche Hitze / ohne allein die Erde nicht / welche uns allerhand Speisen / Früchte / Säffte und Farben überflüssig darreichet. Niemand vermag sein Reichthum auszusprechen / noch seine Güte und Frechtbarkeit zu ermessen. Wer kan das Gold und Silber / Zien / Kupfer / Eisen und andere Metallen / so daraus gezogen / geschmeltzt und gebraucht werden / zehlen? Was für köstliche Steine findet man nicht in seinem Abgrunde? Was für verborgene Salze / Salpeter / Spies-Glas / Galmey Bleyweis? Was für eine Menge Getreydicht / Wein / Obst / Oel? Und was für verborgene Gänge / Lufft / Dämpfe / Feuer / Hitze / darvon auf dem Erdboden und in der Lufft viel selzame Sachen entspringen? Die Natur hat mehr Wirkung in dem Bauche der Erden als über dieselbe / und in der Lufft; dan̅ man siehet / das Berge entstehen aus ebener Erde / und Wassergänge / da vormahls keine gewesen. Ihre Handthierung ist unaufhörlich; Bald drucknet sie daselbsten allerhand dicke Säffte und fliessende Alaune; Bald häuffet sie die Feuchtigkeit / und machet ein Corpus daraus; Bald aber treibet Sie einen solchen Safft heraus / wie das Feuer das Hartz von dem Kühnholze. Die Physici halten dafür / daß die warmen Wasser oder Bäder ihre Wirkung / Geruch und Geschmack von der jenigen Materia haben / wodurch Sie fliessen / und geben nicht zu / daß ihre Hitze vom Schwefel / oder vom Bech / sondern vom Feuer / gleich als in einem Feuersteine stecket / und von dem Wasser erhitzet wird / herrühre. Pech bren̅et zwar im Wasser / aber Schwefel nicht / und wenn man Wasser auf brennend Pech giesset / so wird das Feuer dadurch vermehret. Dahero kan es seyn / daß die warmen Bäder Pech zum Zunder haben / nicht aber / daß Sie ihre Hitze darvon / sondern vom Feuer nehmen. Es qvillet aber dergleichen Wasser nur an etlichen Orten laulicht herfür / welches die Ursache / weil es sich wegen Weite des Weges mit andern kalten Wasser vermischet. Und ob es wohl seine Hitze verleuret / so behält es doch seinen Geschmack / Geruch / Farbe. Ebener Gestalt verhält es sich auch mit den bittern / sauern / salzigen / und Alaun- [427] Wassern. Denn / weil Sie aus unterschiedenen Säfften entspringen / so (Was bey derselben zu erwegen.) ziehen auch die Wasser solchen Geschmack / als die Bittern durch die Alaune / die sauern durch den Salpeter / die gesalzene durch das Saltz / und die übelschmäckende durch den Schwefel / und dergleichen an sich. Wer derohalben dieses ganze und schöne Erd-Gebäude / mit allen seinen Früchten und Gewächsen / an Saamen / Pflanzen / Bäumen / Wiesen / Feldern / Wäldern / Auen und Gründen; an allerhand Thieren / Fischen / Vogeln / Gewürme / und wormit dieselbe erfüllet / ansiehet / der mus nothwendig gestehen / was dieses für ein allgewaltiger GOTT und HERR seyn müsse / der solches alles geschaffen / denen Menschen zu Gute weißlich angeordnet / und die Erde nicht allein mit Gütern erfüllet / sondern auch aus den Menschen selbst eine kleine Welt in der Grossen gemacht. Denn / daß solches wahr / wird man an seiner lebendigen Seele / an der Vernunfft / Sprache / Augen / Ohren / Verstand / Erkänntnis / und an der Bildung und Gestalt seines Leibes in Mutter Leib verspühren. Man siehet mit Augen / wie dieser Werck-Meister ein iedes Geschöpffe in seinem Geschlechte / an Gewächsen und Früchten / an Menschen und Vieh in seiner Ordnung / Maas und Weise erhält: Wie Er seine Werke ordnet / und einem ieden seine Handthierung zuleget: Wie Er die Elementa durch einander / wie die Saiten / gehen lässet: Wie Er den Bergen das Wasser / und dem Viehe das Graß reichet / wie Er des Menschen Herze mit Oel und Brodt erqvicket / und durch sein Wort alles bestehet. Und gleichwie dieser gewaltige HERR / alle Menschen unter die Sünde beschlossen / damit sich keiner seiner Wercke noch derselben Kunst / Verstand und Geschicklichkeit rühmen könne: Also brauchet Er auch hierinnen keine menschliche Weißheit / sondern allein seinen Göttlichen Rath und Willen; damit Männiglich wisse / daß Er allein der sey / welcher alles gemacht / und für dem sich Jedermann fürchten müsse.

Der unvergleichlich-helleuchtende Himmel.
[arrow up]

(Des Himmels Erwegung.) MEr nicht gläubet daß ein GOTT sey / der sehe den Himmel an / der solch herrlich Firmament aufgesetzet / und erwege / was noch herrlicher hinter diesem stecken müsse / so wird Ihm die Thorheit / keinen GOtt zu glauben / bald vergehen. Weltliche Herren bringen mit Aufrichtung eines kostbaren Gebäudes viel Jahre zu; GOTT aber macht das Seinige gleichsam in einem Augenblicke. Es ward auf sein heiliges Wort alsobald liecht: Das subtilne Wesen / aus welchem der Himmel bestehet / erhöhete sich gemachsam über das Wasser / und machte durch die Bewegung den Tag und die Nacht. Die unendliche Macht rühret her von einem unendlichen Schöpfer. Ist GOTT möglich / von nichts etwas herfürzubringen / wie vielmehr aus Etwas. Was für Schönheit und Ordnung ist nicht bey dem Himmel zu sehen? Schönheit in solchem Werke / und die gröste Ordnung in dem / daß Er solchen gemacht. GOTT wollte nicht / daß seine Werke auf einmahl stehen sollten. Wir Menschen haben uns daran mit unsern schnellen Rathschlägen zu spiegeln. Der Himmel wäre ohne das Liecht nichts; Also ist auch [428] unser Leib ohne GOtt eine Finsternis. Die Alten nenneten den Him̅el die ganze Welt; Dafern die zwey Liechter / Sonn un̅ Mond nicht das Ihrige thäte̅ / würde es mit ???Erde schlecht bewa̅d seny. Diese sind zu dem Ende geschaffen / daß Sie scheinen / die Zeit eintheilen / und durch Muthmassungen andeuten / was für Witterung man zu gewarten hat. Daß Sie aber den (Augustinus de Civitate DEi.) Menschen nothwendig zum Guten und bösen zwingen / ist nichts. Denn dieses bezeugen zwey Zwillinge / so gleichsam in einem Augenblicke gebohren / und dennoch widriger Natur werden. Das Liecht muste seine Abwechselung mit der Finsternis halten; und weil man der annehmlichsten Dinge in der Welt satt und überdrüssig wird / so stirbet auch täglich der Tag durch die Nacht / und die Nacht durch den Tag / also / daß dem Höchsten die Abwechselung aller Dinge in der Welt beliebet / und Er dadurch dem Menschen gewiesen / daß Er sich nicht zu sehre auf seinen Verstand und Vermögen zu verlassen / sondern vielmehr ein Unvergängliches zu suchen habe. Diese des gütigen Himmels Abwechselung mit dem Tag und der Nacht rühret nicht etwan ohngefehr her. Denn wenn keine Nacht / so würde die Hitze der Sonnen alles verbrennen; Wäre kein Tag / so verdürben wir in der Finsternis. Die Nacht macht / daß die Augen von dem Sehen / die Ohren von dem Hören / die Nase von dem Geruche / die Zunge von dem Geschmacke / und der ganze Leib von der Arbeit ruhet; daß die Erde erfrischet / und der Thau des Himmels den Erdboden befeuchtet. Hingegen aber der Tag / daß der Mensch seinen Geschäfften oblieget / und sich der Nahrung deß Leibes gebrauchet. Alle lebendige Creaturen tretten an ihre Verrichtung. Die Vogel machen ihre Nester / legen Eyer und drüten Junge aus; Die vierfüssigen Thiere aber gehen auf die Weyde; und mit einem Wort; es erfreuet sich alles was Athem hat / und suchet seinen Aufenthalt. Das Gerüste des Himmels ist dermassen eingetheilet / daß man beydes an der Materia und Gestalt eine helleuchtende Vollkommenheit siehet. Je höher / ie wollkommener. Ein iedes Element gehet über das Andere / und ie mehr man die Ordnung der Himmel mit den Gedancken durchstreichet / ie mehr befindet man bey sich zu erwegen / wie der jenige Himmel / der der Thron der Herrlichkeit selbst ist / beschaffen seyn müsse. Alldieweil aber unsere Augen zu diesem Wege geblendet / so bleibet uns hiervon nichts mehr / als die Verwunderung übrig. Wann man auf einem hohen Berge stehet / und übersiehet daselbst ein Stücke von dem Erdboden / so bedünket uns ihre Grösse unermäßlich zu seyn; Wenn Uns aber mit unserm irrdischen Leibe vom Himmel zu schauen erlaubet / würde sie uns als der kleineste Stern an dem Himmlischen Firmamente für kommen. Was aber find wir Menschen gegen die Welt / die wir offters dieselbe zu beherrschen und unter unser Joch zu bringen Uns bemühen? Nichts als ein Staub und ein Schatten / der in einem Augeblick vergehet! Wir fliessen dahin / wie das Wasser in die Erde; die Hölle nimmt weg / was da sündiget / und die Frommen gehen nach ihrer Ruhe. Wir bleiben bey dem / was unsere Augen begreiffen. Was ist vortrefflicher / als das / was wir über unsern Augen ausgebreitet sehen? Ist es nicht / denen Menschlichen Gedanken nach / eines der künstlichsten Gewölbe / welches mit den grösten und schönsten Liechtern ausgezieret? Ist der Boden des Himmels so vortrefflich; was vor Herrlichkeit muß wohl in dem unsichtbren seyn? und gleichwol hat die ewige Majestät sich von einem so hohen Throne herabgelassen / in das Menschliche Fleisch gekleidet / und nicht allein wahre Menschheit angenommen / sondern die Gütigkeit des HERRN ist auch [429] dermassen unermeslich / daß Er denen Menschen seine Gnade darbeut / sie zu sich ziehet / dieselben zu Erben seines hohen Reichs annimmt / und die Jenigen / so noch leben / zu Beherrschern deß Erdbodens setzet / Ihnen Alles unterwirfft / würcklich übergiebet / und zum Tempel seiner Wohnung erkieset. Die Sonne ist Eines von den mittlern Planeten / welche gegen denen Andern nach der Erden zu / nicht zu tief noch zu hoch stehet / und wann die andern Sterne alle so tief / als Sie / herabgelassen werden sollten / so würden wir Sie auf dem Erdboden alle für Sonnen halten. Geben nun diese einen so herrlichen Schein und Glantz als ein Gemächte GOTTes von sich; was für ein Ansehen / Macht und Gewalt muß doch die Majestät GOTtes selbst in sich haben? Und sind die Engel und Himmel selbst nicht für Ihm rein / wie veil weniger wir sündhaffte Menschen? Etliche der Gelehrten theilen dieses stattliche Lufft und Himmmels-Gebäude in drey Theile; In dem Untersten / sagen Sie / wären die Vogel / die Meteora, feurige Zeichen und die Dünste; In dem Andern die Sternen; und in dem Dritten die Engel und Heiligen. Das Erste sey ein Vorgemach / welches männiglichen offenstehet; Das Andere der Leib / der des Allerhöchsten Tempel bedeckte; und in dem ohne Aufhören diese Liechter scheinen; Das Dritte aber das Heilige der Heiligen. In dem Ersten wäre lauter Unruhe und Eitelkeit; In dem Andern eine beständige Ruhe; und in dem Dritten die herrliche Seligkeit. Die Alten haben sich über die Vortrefflichkeit der Welt / als ein sonderbares Geschöpfe / wie solches so künstlich und ohne Behältnis / so wunderbar gemacht; wie die Erde so starck und dicke; Wie aus ihrem Eingeweide so wunderbare Dinge entspringen; Wie Sie in so langer Zeit nicht verfaulet: Wie das Meer alle Wasser in- und zu sich schlucke / und gleichwol seine Grentzen nicht überschreite; Wie die am Himmel stehende Sonne 139. oder 162. mahl grösser / als die Erde (Gott hat den Menschen für andern Creature̅ erhoben / und mit Weißheit begabt) sey / zum höchsten verwundert. Wie vielmehr aber hat man sich zu verwundern / daß GOtt durch seine Weißheit und wohlbedächtigen Rath / die Menschen für andern Creaturen erkieset / und diese Wunder alle zum Nutzen und Dienste derselben erschaffen. Denn ist es nicht wunderns-würdig / daß Er Sie zum Beherrscher aller sichtbaren Creaturen erwehlet / Ihnen gewisse Wächter verordnet / und mit solchem Verstande begabet / daß Sie das Gegenwärtige erkennen / das Vergangene erwegen / und das Zukünfftige durch gewisse Merckmale warnehmen / daß Sie zwischen Tugenden und Laster / zwischen dem / was ehrlich und unehrlich / was billig und verwerfflich / was thöricht und klug / was verbotten und unverbotten / einen Unterscheid zu machen wissen; Daß Sie mit ihrer Weißheit die Himmel durchdringen / und von demselben reden können: Daß Sie die Tieffe deß Meers ergründen / und die Dicke des Erdbodens mit ihrer Vernunfft ermessen / und Ihr Innerstes mit Nutzen durchsuchen. Damit wir aber dessen / was täglich unter dem Himmel vorgehet / uns mit wenigen noch erinnern / so sehen wir zuweilen fast ganze Seen voller Wasser an demselben stehen / wie die Lufft voller Feuer; Wie die Wolcken mit dem erschrecklichen knallen erfüllet / wie Schnee / Hagel / Blitz sich häuffig herfür thut / wie die Kälte in einem Augenblicke Alles erstarret / und der Wind die grösten Berge / Hügel / Felsen / Bäume und Gebäude über den Hauffen wirfft. Und bey diesem allen weiset uns die Göttliche Weißheit / daß so wohl der Mensch / als alle andere Dinge müssen der Veränderung unterworffen / und daß allhier keine Vollkommenheit / als die Ewige anzutreffen [430] sey. Dann / wann wir dieses schöne Rund zusammen fassen / und dasselbe an seinen Gebäuden / an dem Firmamente / an der Sonnen / Mond und Sternen / an dessen wunderbaren Lauffe / an seiner Bewegnis / Krafft / und Wirckung beschauen / und schlagen mit den Gedancken und unserer Vernunfft nach / so muß unser Verstand gestehen / daß dieses alles der allgewaltige GOtt dem Menschen zum besten gemacht / und der biß auf den heutigen Tag noch die Himmel hemmen / die Erde ersäuffen / das Meer verstopfen / die Sonne stille stehen / die Winde bändigen / die Wetter stillen / und endlich das ganze Himmels-Gebäude über einen Hauffen werffen kan. (Was der Mensch dargegen thun solle.) Darum soll man alle sein Thun und Wesen wohl für Augen haben. Memento DEI, non peccabis! Man gedencke an GOTT / so wird man nicht sündigen / und halte die jenige Zeit / da man an Ihn nicht gedacht / für verlohren. Man gedencke an den Schöpfer in der Jugend / daß Er den Mensch mit Leib und Seele / mit Vernunfft und Sinnen zu (Joh. 17. v. 13. 1. Cor. 6. v. 20. 5. B. M. 33. v. 18.) dem Ende erschaffen / damit Er GOTT erkennen / demselben mit Leib und Geist dienen / und Ihn nicht etwa auf eine gewisse Zeit / sondern von Jugend auf lobe und preise / mit Herzen und Mund bekenne / an selbigen gläube / liebe / fürchte und ehre. Denn gleichwie dieses / wenn man von GOTT absetzet / und seinen Glauben / Liebe / Furcht / Hoffnung und Gehorsam an die Creaturen wendet / GOttes vergessen heisset: Also soll man iederzeit seines Gottes gedenken / ehe die Jahre herzu tretten. Denn Gott befiehlet selbst / daß man der Jugend das Gesetze schärffen / einprägen / und gleichsam einätzen solle / damit sie seines Reiches / seiner Macht und seiner (1. Sam. 1. 24. 25.) Wunder / die Er gethan hat / kundig werden. Da Samuel noch jung / wurde Er dem Priester Heli zum Dienste für dem HErrn unter die (2. Sam. 12. 25.) Hand gegeben. Salomon ward von dem Propheten Nathan / und Joas von dem Priester Jojada in GOttes Wort bald anfangs unterrichtet. Die Jugend ist iederzeit etwas zu lernen und zu fassen geschickter / als das Alter: denn wie man sich in derselben gewehnet / so hat man es im Alter. (Matth. 12, 12.) Man spare seine Busse nicht / bis man alt oder kranck wird / noch mit der Besserung bis in den Tod / alldieweil derselbe plötzlich einen Strich durch der Menschen Wandel machet. Unser Leben ist ein ungewisses Ding: Es ist wie eine Wolcke / die vergehet / und wie ein Nebel / von der Sonnen-Hitze / wie Eine Blume / die frühe blühet / und des Abends abgehauen wird / wie ein Weber-Faden / wie ein Wind / wie eine Wasser-Blase / und wie ein Blat. Niemand ist dessen einen Augenblick versichert. Weis man nicht seine Zeit zu sterben / so hat man Ursache / desto mehr an GOtt zu dencken / als in dessen Händen unser Leben und Tod stehet. Und gleichwie der / welcher GOTT aus den Augen setzet / bey seinem Absterben seiner selbst vergisset: Also ist es auch mit dem gefährlich / der die Göttliche (S. Bernhardus) Gnade zu suchen biß auf die letzte Stunde versparet. Der Geist der Weißheit ist zwar from̅; allein Er lässet zuletzt die Verächter GOttes / das ist / die auf Hofnung fündigen / nicht ungestrafft. Gott / als das höchste und unendliche Gut / ist gut und from̅; darum verziehe man nicht / sondern bekehre sich zum HErrn / so wird man leben. Gott will nicht / daß ein Sünder umkomme; wenn er aber muthwillig auf Gnade sündiget / so gebraucht Er sich seines gestrengen Gerichts. Will man nun / daß die Busse soll fruchtbar seyn / so bessere man sich lieber heute denn morgen. Derohalben lerne man GOTT / der diese himmlische Liechter / und alles was lebet und schwebet weislich erschaffen / nach seinem Wesen und Willen erkennen / an denselben glauben / Ihn fürchten / lieben und ehren. Stelle sein Leben [431] nach seinem Gesetze an: Gehe in einem Gottseeligen / Tugendhafften Bußfertigen und erbaren Wandel einher; Meide Sünde / Schande und Laster; Erdulde von Jugend auf Ungemach / Schmach und Widerwillen / und lebe also / daß Er gleich Einem / der alle Augenblick vom Lande abgestossen / und sich zur See begeben will / möge stündlichen zu einem glückseeligen Tode be???eit seyn.

Der Alten Meinung von dem Wesen der Seele.
[arrow up]

ES waren / wie vorerwehnt / die alten Heyden in dem Aberglauben dermassen ersoffen / daß Sie vermeinten: Es wüste und vermöchte Mercurius allein nur die Seelen der Menschen / welche gleichsam an den Cörper gebunden / von dem sterblichen Bande aufzulösen. Uber die Seele / und deren Wesen / waren die alten Philosophi unterschiedener Meinung. Empedocles meinete / sie (Heraclitus. Asclepiades. Thales. Xenocrates. Plato.) bestehe in dem Geblüte des Herzens; Sie sey eine Reinigung der Feuchtigkeite̅ / die in der Welt anzutreffen: Eine Ubung oder Gebrauch der Sinne: Eine unruhige Natur; Eine Zahl die in der Natur die gröste Gewalt habe. Dreyfächtig / nämlich die Vernunfft im Haupte; die Begierde im Herzen; und der Zorn in der Brust. Crates Thebanus wollte behaupten / wie auch Dicoearchus, Sie wäre nur ein Nahme oder Wort und keine Seele / sondern der Leib bewegte sich selbst. Democritus gab für / Sie wäre ein beweglicher und angezündeter Geist / der sich in die Atomos dringe; und Varro, sie sey eine Lufft / ein Wind und Athem des Menschen / welche durch den Mund empfangen / in der Lunge gekocht / in dem Herzen gemässiget / und in dem ganzen Leibe ausgetheilet werde. Leucippus, Zeno (Thales. An???ximander. Epicur???. Xenophon. Coel. lib. 3. c. 9.) und Hipparchus sind der Gedanken / sie wäre ein Feuer: Andere aber halten dafür / sie sey ein Wasser und Feuchtigkeit / eine Erde / ein vermischter feuriger und subtilner Geist / und eine Krafft / die das ganze Corpus durchdringe. Die Essaeer glaubeten / daß die Seele unsterblich / und von dem subtilesten Himmels-Glanze durch die natürliche Anreitzung die Leiber der Menschen durchwandere / und sobald sie von dem Leibe aufgelöset / hielte sie sich auf dem Meere an den lustigsten Oertern auf. Der weise Cicero nennet den Leib bald einen Kercker / bald ein Leibeigen Gefängnis der Seelen. Alle Menschen / sagt Averroes, hätten nur eine Seele / und über dieses noch ein Jeder eine vernünfftige Seele / die ein wenig unvollkommener (Die in ??? Höllen vermeinten Seelen-Sitze.) als der unvernünfftigen Thiere wäre. Wie ungeräumt dieses / so ungeräumter ist dasselbe / was man von dem Sitze der Seelen der Höllen zugiebet. Der erste Sitz / sagen die in der Schrifft Unerfahrne / sey der / wo die kleinen Kinder wären; Der Andere deren / die sich selbst aus Einfalt nicht helffen können; Der Dritte der Jenigen / so dem Unglück zu entgehen / sich selbst den Tod anthäten; Der Vierte der Verliebten: Der Fünffte der Helden und tapfferen Leute; Der Sechste der Ubelthäter / welche von den Richtern zur Straffe gezogen würden: Der Siebende / da die Seelen gepeiniget würden: Der Achte / da man Sie reinigte / daß Sie wieder zurücke kommen könten / und [432] (Herodotus lib. 3.) der Neunte / das Elysische Feld. Die neuen Aegyptier geben vor / die Seele des Menschen sey unsterblich / welche nach dessen Tode von einem Leibe in den andern sich begebe / und wann Sie sich nun durch alle Oerter auf der Erde / dem Meere und in der Lufft herumgetragen hätte / gienge Sie wieder in einen gebornen Leib des Menschen / und diese Ordnung oder Lauf geschehe von Ihr innerhalb Dreytausend Jahren / welcher Meinung auch etliche Griechen beygepflichtet. Eine Lügen / pflegt man zu sagen / folgt gerne der andern / Porphyrius will behaupten / daß denen Seinen eine Seele durch die Gedächtnis und Vernunfft sey gegeben / und haben eine innerliche und äuserliche Ausrede / mit welcher oder durch welche auch die unvernünfftigen Thiere mit einander reden könten / deren Wörter von uns nicht verstanden würden. Welches denn kein Wunder / denn gleichwie man die Rede und das Gespräch eines Barbaren nicht zu unterscheiden vermöchte / sondern es vielmehr für ein Geschrey hielte: Also gienge es auch allhier zu: Ja was noch mehr / so hätten die Alten viel dergleichen Reden und Gespräche der Thiere / die Sie unter einander führeten / selbst gehöret und verstanden. (In welchem Theil des Cörpers sie sich aufhalte.) Hiernächst / sagt Hippocrates, Strato und Diogenes, die Seele hätte ihre Wohnung in dem Gehirne / in der Hertz-Grube / in dem Herzen selbst / in dem Blute / und in dem ganzen Leibe: Democritus hielte dafür / daß Sie in dem ganzen Haupt: Strabo zwischen den Ober-Augbraunen: Erisistratus um die zarte Haut des Gehirns: Herophilus mitten im Gehirne: Empedocles in der Zusammen-Rinnung des Geblüts: Parmenides in der Brust: Die Stoici in dem Herzen: Diogenes in der Puls-Ader / und König Xerxes in den Ohren wohne / und sterbe / nach des Epicuri Meinung / mit dem Leibe. Plato und Pythagoras aber geben vor / sie sey unsterblich / und sobald Sie von einem Leibe abgeschieden / (Wo sie nach der Heyden Meinung ihre Ruhe nach diesem Leben habe?) fliehe Sie in einen andern Leib / nach der Natur ihres Geschlechts. Die Tryaden meineten / die Seelen der Verstorbenen führen nicht hinab / daß Sie mit begraben würden / sondern sie machten sich in eine andere Welt / oder in derselben Theil Eines / und formirten darinnen einen andern Leib. Die Platonici sagten / die Seele lebe in dem / oder so lange / als Sie in einem unbeweglichen Theil der Welt bestünde; Sie sterbe aber / wenn Sie zu einen beweglichen Theil der Welt gefallen sey. Wohin auch Lucanus zielet / wenn Er saget: Vobis Autoribus Umbrae Non tacitas Erebi Sedes Ditis???; profundi Pallida Regna petunt: Regit idem Spiritusartus Orbe alio. Dem Vorgeben nach / fahren die Seelen nicht hinunter zu dem einsamen Sitz der Höllen / und in das tieffe Reich des Plutons. Denn dieselben regieren anderwerts in der Welt einen neuen Leib. Pythagoras gab vor / die Seelen führen nach dem Tode in einen andern Leib. Welches Photinus bestättigen will / und saget: Die Seele / die allhier in dem Menschen geherrschet / oder dem Menschen gedienet / die dienet auch (Virgili???) in das Künfftige andern Menschen; Welche aber ihrer Sinne beraubet / die führen wieder in die unvernünfftigen Thiere. Andere wollen / daß die Seelen der Gerechten sich auf den lustigen Elysischen Gefilden befänden / [433] und der Verstorbenen Seelen / welche nicht könnten begraben werden / hundert Jahr in der Welt herum schweifeten / ehe sie in die untersten Oerter gebracht (Cicero de Somn. Scipionis.) würden. Es ist / sagt Cicero / ein Circul an der brennenden und scheinenden Flamme weis von gläntzender Schöne / welchen man die Milchstatt nennet / darinnen ist der Sitz berühmter und hoher Helden-Leute / und da die Seeligen der immerwährenden Ruhe und Seeligkeit geniessen. Wir wissen aus GOttes-Wort ein bessers / nehmlich dieses / daß GOtt den Menschen aus Erden erschaffen / und ihm eine Seele eingeblasen / welche nichts anders ist / als ein mit Vernunfft und Verstand ausgerüsteter Geist / der seinem Wesen nach / in dem gantzen Leibe und in einem jeden desselbigen Theile / und ihren Ursprung in dem Hertzen hat / alldieweil solches am ersten lebet und am letzten stirbet / und wird aller lebendiger Geist so in dem gantzen Leibe ist / aus dem Hertzen in die übrigen Glieder geführet. Etliche meinen / Seel und Geist / sey ein Wesen; Etliche aber machen den Unterscheid / und sagen: die Seele führe in dem Menschen das natürliche Leben / der Geist aber das Göttliche. Wann nun die Seele durch den Geist regieret würde / so hiesse es nicht mehr die Seele / sondern der Geist; wenn aber die Seele mit ihren natürlichen Kräfften den Leib regiere / und der Geist unten lege / so wäre es nicht der Geist / sondern die Seele. Es ist aber die Seele ein unsichtbares Wesen / von GOtt dem Leibe zugeeignet / damit sie denselben regiere / und sich mit ihm vereinige / wie ein Beweger mit dem Bewegten; und dienet nicht zum Leben des Fleisches / sondern zum Leben des Geistes wider das Fleisch. Die Seele / sagt Augustinus / ist ein Ebenbild und Gleichnis aller Dinge / und ein Gegenwurff derselbigen; da sie alles wie ein Wachs empfähet / und darnach sich an der Substanz nicht vergeringert / sondern jederzeit ein GOtt-förmiger Geist des Lebens (Gen. 1. 2. Cor. 15) bleibet. Der erste Mensch / spricht Paulus / ist gemacht zu einer lebendigen Seele in das natürliche Leben und der andere Mensch zu einen lebendigen Geist in das geistliche Leben. (Ob sie unsterblich. Salom. 12. 7. Matth. 10. 28.) Daß nun aber der Geist und die Seele des Menschen unsterblich / das lehret uns des HErren Wort mit klaren Zeugnissen. Der Staub / spricht der weise Prediger / muß wieder zur Erde kommen / und der Geist zu Gott der ihn gegeben hat. Fürchtet Euch nicht / saget der Mund der Warheit selbst / für denen die den Leib tödte̅ und nicht die Seele / fürchtet euch aber für dem / der Leib und Seele verderbe̅ mag in die Hölle. Vermag man nun die Seele nicht zu tödten so muß sie ja nicht sterblich / sondern unsterblich seyn. Daß sie unsterblich / erscheinet aus ihrer Natur und Wesen / denn sie ist nach dem Ebenbild Gottes (1. Buch Mos. 1. 27.) erschaffen. GOtt aber ist unsterblich / und bleibet ewig. Derowegen muß die Seele / so nach seinem Ebenbilde erschaffen / auch unsterblich seyn. Der H. Augustinus nennet sie einen Göttlichen Geist; Moses einen lebendigen Athem. Und obwohl ihrer viel theils von Heyden / theils von Andern gewesen / welche weder die Unsterblichkeit der Seelen / noch die Auferstehung von den Todten / noch ein ewiges Leben geglaubet; So ist doch gewiß und unlaugbar / daß der Mensch nicht wie das Vieh dahin stirbet / sondern die Seele des Frommen fähret über sich zu Gott in die ewige Seeligkeit / des Unglaubigen aber hinunter zur höllischen Marter. Wie nun der Zustand des Menschen Seele aus den äuserlichen Zufällen dieses Lebens nicht / sondern aus GOttes Wort zu lernen: Also ist dieselbe des Menschen bestes Kleinod; der nächste Freund auf dem Erdboden / das Beständigste in der Welt / und der lebendige Geist / der biß in Ewigkeit lebendig verbleibet. Wir Menschen pflegen zwar unsers Leibes auf unterschiedene Weise; die Seele aber hat hieran keine Ergötzlichkeit / sondern Sie empfindet vielmehr über solche Flei [434] sches-Lust die allergröste Beschwerung. Und weil sie dem Leibe einmahl einverleibet / so mus sie sehen / wie wir im Unflate erzielet / im Finsternis erzogen; wie der Mensch voller Unruhe; wie er mit sich streite; wie seine Freude eine Unlust / wie das Böse dem Guten vorgezogen; wie die Frommen auch ihre Gebrechen an sich / und wie das gantze sterbliche Leben an sich selbst nichts anders als eine Straffe sey: Also / daß sie sich gleichsam von Hertzen darüber erfreuet / wenn sie empfindet / wie der Mensch nach seinen hingelegten Jahren sich bessert / dieser Welt Eitelkeit erkennet / sein Verbrechen bereuet / und endlich zu GOTT fliehet / und bittet: Ach HERR! nimm meine Seele von mir! denn der Tod ist mir besser / denn das Leben. Hertzog Johann Albrecht zu Mechelnburg tröstete seine Seele mit diesen Worten: Freue dich / meine Seele / die du mit CHristi Blut erkauffet / vom Himmel gekom̅en / (D. Johann. Taulerus.) im Himmel erwehlet / und geleget / auch wieder in Himmel gehörest. Der Leib soll seyn ein Knecht der Seelen; die Seele eine Dienerin des Geistes / und der Geist ein Erstarren GOttes. Viel Menschen bauen in dieser Sterblichkeit viel Paläste / steinerne Vestungen / und die kostbarsten Gebäude; was aber sind wir derselben gebessert? Die Zeit laufft darüber hin / wir wenden sie auf das Zeitliche / dencken nicht an das Himmlische / und setzen inzwischen (Tob. 4. 23.) unsere Seele auf die Spitze der Gefahr. Wir alle sind arm / fürchten wir aber GOTT / thun Gutes den Armen / und meiden die Sünde / so werden wir in GOtt an unserer Seelen reich. (Ihre genauere Betrachtung.) GOTT bließ dem Menschen einen lebendigen Athem in seine Nase / das ist / Er hauchte den Menschen an / und theilete ihm nicht aus seinem Wesen / sondern aus nichts einen lebendigen Athem mit. Und gleichwie man den Athem nicht aus der Substanz der Lungen / sondern aus der dahineingezogenen Lufft heraus bläset: Also hat auch der Schöpffer den lebhafften Geist nicht aus seiner Gottheit / sondern aus nichts gemacht / und eingeathemet. Heutiges Tages aber schaffet GOtt die Seelen nicht unmittelbar / sondern die Eltern theilen sie nach seiner weisen Ordnung den Kindern mit. Der Mensch ist unter allen Creaturen zuletzt erschaffen / und nach ihm erst die Seele / weil sie edler als der Cörper. Der Leib ist zwar der Seelen zugesellet / nichts desto weniger bleibet er wegen ihres geistlichen Wesens ihr Knecht und Werckzeug ihrer Verrichtungen. Sie durchlauffet mit ihren Gedancken den Himmel / begreiffet und mercket alles / und keiner vermag Ihre Grentzen ausser GOtt zu setzen. Keine Lufft / kein Wasser / keine Erde wird hierzu gebrauchet / sondern GOtt achtet auf den Menschen / und gab ihm einen Geist. Er schuf sie in ihrem Einblasen / und bließ sie ein / da Er sie schuf. Woraus man siehet / daß die Seele ein geistliches / uncörperliches und unsichtbares Wesen sey / und zuweiln ein Wind und Geist und ein lebendiger Athem genennet wird. Richt ein Elementischer Geist / welcher von Feuer / Lufft / Dampff und Wärme herrühret / sondern ein selbst-beständiges Wesen / welches sein Wesen in sich führet; Uber die Natur eines Materialischen Cörpers wircket / hohe Dinge aussinnet / und zu Göttlichen Sachen Beliebung trägt. Das nicht stirbet wie der Leib / das nicht verweset wie des Menschen Fleisch / und das nicht ist nach dem Ebenbilde des sterblichen Leibes / sondern nach dem Ebenbilde Gottes erschaffen: Ist es nach demselben erschaffen / so muß es auch unsterblich seyn. Der Prediger Salomo sagt / (Gen. 35. 18. Luc. 12. 20. Sap. 3. 1. Apoc. 7. 15. Luc. 16. 23.) die Seele fahre hin / wo sie ewig bleibe; sie fahre aus / un̅ werde von Gott abgefordert: sie komme in das Paradies: sie sey in Gottes Hand / da sie keine Qual rühre: bey dem Herrn / da sie vor dem Thron Gottes Tag und Nacht diene. Und gleichwie GOtt die Ruhe ihres Bluts begehre: also komme der Gottlosen [435] Seele in die Hölle. Lactantius meldet / daß diejenigen / welche gegen der Seelen Unsterbligkeit einen Zweifel setzen / zwar gesunde Augen / dabey aber ein blindes Hertz hätten. Etliche der Gelehrten hielten dafür / die Seele wäre nichts anders / als ein Rauch und Dampf der Nase / eine Wärme des Hertzens / und eine flatterichte dünne Lufft; so bald der Mensch dahin / so verlesche sie auch. Sie wäre wie die Seele des Viehes. Gehe sie nun unter wie das Vieh / so bliebe sie nicht lebendig nach dem Tode. Wäre nach dem Tode kein Leben / so wäre auch keine Seeligkeit / keine Hölle / keine Religion / keine Frömmigkeit nichts nütze. Jener Weltweise setzte die Seeligkeit des Menschen in der Empfindligkeit. Euripides in schöne Weibes-Bilder; Chrysippus in Aufrichtung stattlicher Gebäude: Heraclitus in grossen Schätzen; AEschines im Schlaffen: Simonides in der Adfection des Menschen / und Epicurus in einem guten und frischen Muthe. Dahero er zu sagen pflegte: Ede, bibe, lude, & cum te, Mortalis! noris, praesentibus exple Deliciis, post mortem nulla voluptas. Wir aber wissen / daß die Seele nicht um des Leibes / sondern der Leib um der Seelen willen gemacht: Wer nun das / was das Oberste ist / verabsäumet / und das Unterste (Matth. 7. 15. &c. Luc. 16. 22. 23.) erhebet / der verleuret offtermahls beydes. Es sind zweyerley Wege / dahin die Seelen der Verstorbenen kommen / und aufgenommen werden; als da ist der Himmel und die Hölle. Und gleichwie in der Welt / Gläubige und Unglaubige: Also sind auch Kinder Gottes und Kinder des Teuffels. (ad Rom. 8. 17. Ps. 116. 15.) Die Kinder Gottes ererben das Reich; Ihr Tod wird vor dem HERRR werth gehalten; Sie sind in Gottes Hand / und keine Qual rühret sie: Christus thut selbst das Paradieß nicht um des eintzigen Schächers / sondern um der übrigen Seelen willen auf. Wer gläubet / der wird seelig / wer aber (Sapient. 3. 1. 3. 41. Marc. 16. 16.) nicht glaubet / der wird verdammet: Die glaubigen Seelen werden zu ihrem Vater gesammlet: sind bey Christo: Im Paradiese: bey dem HErrn allezeit; in dem Bindlein der Lebendigen: bey dem HErrn ihrem GOtt; in (Gen. 25. 8. Joh. 14. 3 Luc. 23. 43.) dem Schoß Abrahams / darein sie nach dem Exempel Lazari von den Engeln getragen werden. Da hingegen die Kinder des Teufels / die Gottlosen / in die Hölle lebendig fahren. Ihr Todt ist der allerböseste; sie leben zwar in dem Werck des Fleisches / sie werden aber Gottes Reich nicht ererben. Sie (1. Sam. 25. 29. Luc. 16. 22.) leiden Marter und Qual: kömmet die Seele einmahl zu GOtt / so kömmet sie nicht wieder zu Uns; kömmet sie aber in die Hölle / so muß sie daselbst bleiben / es ist bey ihr alle Hoffnung verlohren. Hic enim vita aut amittitur, (Ps. 55. 16. 34. 22. Gal. 5. 21. 2. Sam. 12. 33.) aut tenetur. Allhier verleuert man entweder das Leben oder behält es. Primus locus est regnum coelorum, secundus Gehenna, tertium penitus ignoramus, imò nec esse in sacris literis reperimus. Der erste Ort / sagt der Heil. Augustinus / ist das Himmelreich; der andere die Hölle / (Ps. 49. 15. Cyprian. in Tr. 1. contra Demetr. August. de Civit. Dei c. 25. Tom. 5. col. 31. Ps. 49. 15. Ihr Zustand nach dem Tode.) von dem Dritten wissen wir nichts / wir finden auch in der H. Schrifft nichts darvon. Aus der Hölle ist keine Erlösung. Die Klufft ist zu sehr befestiget. Wie der Baum fällt / so bleibt er biegen: Wie der Mensch durch den Tod hinfällt / so kömmter nicht wieder an dem Ort / da er gestanden / sondern er bleibet entweder in dem Himmel / oder in der Hölle / und von dar ist kein Wiederkommens. Der Verstorbenen Gläubigen Leiber liegen unter der Erden schlaffen / bis sie aufwachen zum ewigen Leben: Der Gottlosen aber / bis sie aufwachen zur ewigen Schmach und Schande. Weder der Leib noch die Seele kömmet zurücke. Und wie die Todten nichts mehr verdienen: Also ist (Sir. 38. 2???. Dan. 12. 2. Es. 26. 20. 1. Thess. 4. 17) in der Hölle weder Kunst / Wercke / Weisheit / noch Vernunfft. Sind nun keine Wercke darinnen / was will man dan̅ da verdienen? Ist daselbst keine Kunst / Weißheit noch Vernunfft / so ist auch allda / wie der Heil. Cyprianus redet / [436] kein Raum mehr zur Busse / und kein Nachdruck zur Genugthuung / sondern das Leben wird entweder verlohren oder erhalten. Daß die Seele in der Lufft herum fliege / oder in andere Leiber fahre / ist närrisch zu glauben. Die Seele wird darum ein Geist genennet / alldieweil Sie nichts leibliches oder cörperliches an sich hat. Wie aber GOTT die Seele einem Jeden mittheile / darüber sind die Gelehrten unterschiedener Meinung. Etliche (Hilarius. Ambrosius. Chrysostomus. Bellarminus. Augustin.) sagen / GOTT schaffe einem jeden Menschen in Mutterleibe unmittelbarer Weise seine Seele: Andere geben vor / die Seele werde von den Eltern in die Kinder fortgepflantzet. Augustinus aber urtheilet hiervon weislich und saget: Was unter diesem wahr sey / das lerne ich lieber / als daß ich es sage: damit ich nicht lernen dürffe / was ich nicht weis. Wenn uns gleich der Ursprung der Seelen verborgen / so ist uns doch die Erlösung derselben offenbar. Denn wir glauben nicht an CHRISTUM / daß wir gebohren / sondern / daß wir wieder gebohren werden / wir sind gleich gebohren / wie wir wollen. Weil nun unlaugbar / daß GOTT dem Menschen seine Seele giebet / so ist auch viel weniger zu leugnen / daß dieselbe / wenn sie vom Leibe scheidet / nicht mit untergehe / oder etliche Jahr in der Lufft hin und her flattere / sondern alsbald / und zwar der Frommen / zu GOtt komme / der sie gegeben / geschaffen / und mitgetheilet / da sie verbleibe / bis daß sie am jüngsten Tage mit ihrem auf der Erden auferweckten Leibe hinwieder vereiniget werde. Bey GOTT ist nichts denn Seeligkeit: kommet sie zur ewigen Seeligkeit / so kan sie keine Unruhe / kein Wind / keine Qual / Marter / Angst / noch andere Boßheit anrühren / viel weniger (El. 64, 1. 4.) eintziger Unfall belästigen: kömmet sie aber zur Qual / so ist sie nicht im Himmel / nicht in der Seeligkeit / nicht in der Hand GOttes / nicht in einem (Sap. 3. 1.) besondern lustigen Platze / nicht in den Elysischen Feldern / sondern in (Matth. 18. 34.) der Qual und in der Pein der Hölle / da sie Tag und Nacht und von Ewigkeit zu Ewigkeit gequälet wird. Wohl dem derowegen / der seine Seele (Apoc. 20. 10.) also GOTT befiehlet / daß Er mit Elia seufftzen kan und sagen: HErz! nimm meine Seele hin! mit dem heiligen Stephano: HERR JESU nimm meinen Geist auf! und mit dem HERREN CHristo selbst: Vater / in deine Hände befehl ich meinen Geist!

Warum man den Mercurium unter die Bötter gerechnet.
[arrow up]

DIe Welt und der Mensch bestehet in vielen ungleichen und gegeneinander streitenden Sachen. Der Mond nimmt ab und zu: Also auch die Welt. Der eine steigt empor / der Andere herab: Ruhe und Glückseeligkeit leben unter einem Dache: Narrheit und Thorheit aber blühen an einem Stengel. Wenn die menschliche Lüste und Begierden sich entweder ändern / oder verbessern / so lebet man der Meinung / die Welt nehme eine andere Gewonheit an sich. Salomon aber sagt: Es ist nichts neues / das nicht zuvor geschehe̅ / oder gewesen. Wie es von viele̅ Jahren hergegangen / so ist es noch heutiges Tages. Man findet alle zeit Böse und [437] me / Tugend und Laster beysammen. Gleichwie es aber menschlich / wenn man viel leiden / und viel Widerwärtigkeit ausstehen muß: Also ist es auch Göttlich / wenn man denen Nothleidenden und Elenden zu Hülffe kömmet. Es ist menschlich / etwas begehren / menschlich / etwas empfahen / und menschlich / Gefahr und Unglück auszultehen: Hergegen aber Göttlich / sich freygebig erweisen: Göttlich / andern etwas mittheilen; Göttlich / die Seinigen versorgen / und Göttlich / sich allen Leuten wohlthätig erweisen. Diese und dergleichen Tugenden soll auch Mercurius an sich gehabt haben / deswegen Er für des Jupiters Sohn gehalten / und von den Sterblichen unter die Unsterblichen Götter gerechnet worden / dem man zu Ehren gewisse Tempel / Altäre / besondere Ceremonien / Felte und Priester aufgerichtet / und eingesetzet. (Zezes. Histor. 26.) Es ist aber / wenn man der Warheit will nachgehen / Mercurius ein Mensch eines guten Kopses und Verstandes gewesen / und hat den Menschen zum besten viel nützlichen und ersprießliche Dinge ersonnen / dahero man ihn (Cent. 2.) auch / wie gemeldet / für des Jupiters und der Majoe / das ist / der himmlischen Gütigkeit Sohn gehalten. Denn gleich wie die menschliche Natur zu vielen Sachenschwach / und geringen Vermögens: Also ist die Göttliche in allem weit mächtiger / und hat an allem einen Uberfluß. (GOTT und Menschen Unterscheid.) Zwischen GOTT und den Menschen ist ein grosser Unterscheid: In Geistlichen Sachen ist alles mit Geist angefüllet. GOTT ist gerecht: Er ist unendlich: Alles was Er will / das thut Er im Himmel und auf Erden: Im Meer und in allen Tieffen. Er theilet seine Gaben auf wie Er will: Er wircket in uns nach seinem Gefallen: Wer kan schlecht machen / was er krümmet? GOtt ist allwissend: allgegenwärtig / allgerecht / und allmächtig. Er ist allwissend / und bedarff keines-Menschen Zeugnis / er prüfet Hertzen und Nieren. Er siehet Alles / was die Menschen thun; seine Augen sehen in die verborgene Winckel. Er ist gegenwärtig in dem Himmel / in der Hölle und auf Erden / und im Wasser: Er ist gerecht / und richtet alles. Alle Dinge sind Ihm möglich; Was Er saget / das läst Er kommen / und was Er dencket / das thut Er. Er giebet den Frommen für ihre Frömmigkeit weder Reichthum noch Ehre / weder fleischliche Lust noch Hoffarth / sondern das ewige Leben. Der Verachteste ist bey Ihm der Wertheste. Daß wir seiner Gnade nicht geniessen / daran ist unsere Sünde Schuld / daß wir uns zu sehr an den vergänglichen Eitelkeiten vergaffen / und nicht mit vollkommenem Gehorsam GOTT ergeben. Und wie Es nicht genug / daß man den Saamen in die Erde streuet / und die Sonne und das Wetter Ihn zeitiget / sondern es mus der Saamen der Gnaden GOttes in unser Hertz fallen / und die Sonne / als die Barmhertzigkeit GOttes / das Gute in uns wircken. Wo Menschen-Hülffe ermangelt / da findet sich GOttes Krafft. Denn die Liebe des Höchsten ist ein Feuer / welches sich bey Gottesfürchtigen nicht bergen lässet. Er gedachte an den Menschen / da er noch nicht war / und gab ihm Leben / Vernunfft / Verstand / eine weise Zunge / Gaben des Gemüths / und des Verstandes / da gleichsam der Mensch noch nichts. Alles ist nichts ohne GOTT. Er lässet seine Gutthat um des Menschen Bosheit nicht zurücke. Er handelt mit den Verächtern seiner Gaben nach seiner Natur / und thut allen Menschen Gutes. Und gleich wie man die Fluthen des [438] Meeres wohl ansiehet / desselben Endschafft aber nicht erreichet: Also erkennet zwar der Mensch auf dem Edboden des Allerhöchsten Barmhertzigkeit / er vermag aber dessen unendliche Gütigkeit nicht zu übersehen. Betrachtet man hingegen den Menschen / so ist er gebrechlicher denn ein Glaß / der täglich mit seinen geschwächten Kräfften nach dem Grabe eilet. Sein Wille ist nach dem Sünden-Fall weder beständig noch vollkommen. Der Heilige Augustinus sagt hiervon dieses: Ich war der da wollte / und war auch der / der da nicht wollte: Ich wollte vollkommen seyn / und doch nicht. Darum stritte ich mit mir selbst. Menschen-Verstand kan in GOTTES Wort nichts urtheilen. Seine Crone auf dem Haupte ist ein nichtiger Dampf / und sein Scepter ein zerbrechliches Ding. Er vergisset bey seinem Leben die Schwachheit des Leibes / und wird doch unverhofft durch den Tod von der Zahl der Lebendigen gerissen. Wie ein reiffer Apfel selten ohne Mackel: Also ist auch der Mensch niemahls ohne Sünde. Sein Leben fänget sich an wie eine reiffe Frucht. Die Sonne und der Mond verharret niemahls an einem Orte. Gleiche Bewandnis hat es auch mit unserer Seele und dem Leibe. Wir werden frömmer oder böser / grösser oder kleiner / stärcker oder schwächer / gesunder oder kräncker / tugendhaffter oder lasterhaffter. Wie nun die meisten Menschen in den Tag hinein leben: also find auch die / welche sich mit Tugend / Weißheit / Verstand und Beredtsamkeit für Andern geschickter machen / für Götter der Welt zu achten. (Weise Leute.) Wenn die Alten uus wollten zum Fleiß der Weißheit anmahnen / so gaben sie vor / es rühre vom-Mercurio her / alldieweil Er jederzeit ein weiser / kluger und beredter-Mann gewesen sey. Es hat unter andern mit dem Weisen die Beschaffenheit / daß Er alle Sachen in der Welt weißlich überleget. Will man zwischen ihm und dem Ungeschickten einen Unterscheid suchen / so schicke man sie beyde ohne Geld in die Frembde / alsdann wird der Weise sich mit Ruhm und Ehren fortbringen können / der Ungeschickte aber betteln gehen müssen. Der Weißheit pflegte man zwey Gesichter zu mahlen: Eines sahe zurücke auf das Vergangene; das Andere vor sich aus das Zukünfftige / und machte aus beyden anf das Gegenwärtige einen gewissen Schluß. Sie ist eben diejenige / so im Gehirne wächset / aus der Erfahrung geschärffet / und durch die tägliche Lehre und Unterrichtung bekräfftiget wird. Und gleichwie die Lufft bey der Sonne hell und klar; wenn solche aber weichet / für nichts als Finsternis anzusehen: Also ergehe es auch dem Menschen / wenn er sich keiner Weißheit befleissiget. Die ist das rechte Saltz / wormit alle Dinge in der Welt müssen gesaltzen werden. Der weise Bion rühmet dieselbe und saget / daß sie nicht unbillich als ein Auge und Gesichte des Menschen allen andern Sinnen vorgezogen werde. Die Alten wahleten sie in Gestalt eines Bildnisses / welches allenthalben um sich sahe / und alle diejenigen / sie mochten stehen auf welcher Seiten sie wollten / anschauete. Cicero nennet sie eine Meisterin des Lebens. Denn weil sie allein höchstmächtig / und allen denen / so eintzige Gewalt oder Verrichtung auf sich / hierzu eine Anleitung giebet / so ist sie eine solche Göttliche Gabe / die allen andern weit vorzuziehen. Multitudo Sapientum est Sanitas orbis Terrarum. Die Menge der Weisen ist eine Gesundheit des Erdbodens. Man lieset in des Adriani Junii Emblematibus, daß man den Mercurium auf zweyerley Weise / nemlich in seiner blühenden Jugend und hohen Alter abgebildet / wodurch man anzeiget / daß der / welcher als ein König regieren will / nicht nur müsse starck und [439] (Plutarchus in Vita Dionys.) behertzt / sondern auch weise und verständig seyn. Als der Welt-weise Plato in Sicilien kam / schickte ihm der sonst hoffärtige und wohlbekannte Dionysius ein wohl ausgeputztes Schiff entgegen / und ließ denselben / da Er zu Lande getreten / mit vier weissen Pferden gen Hofe bringen / ja man will gar / als ob solchen der junge Dionysius aus den Wagen geführet / und (Alex. ab Alex. lib. 1. c. 27.) sein Fuhrmann gewesen seyn solle. Wie Curius Pompejus Magnus den Philosophum Posidonium besuchte / befahl er / nicht mit der Ruthe an desselben Haus-Thüre zu schlagen / sondern setzte vielmehr seine Gewalt und Hoheit hintan. Denn es war bey den Römern der Gebrauch / daß wann auf Befehl des Römischen Bürgermeisters Einen die Gerichts-Diener vor das Hauß forderten / so schlugen sie mit der Ruthe daran / zum Zeichen und Merckmahl / daß eine Gerichts-Persohn vorhanden sey. (Weise und Gelehrtewas sie sind / auch deren Unterscheid.) In der Schrifft werden durch die Weisen verstanden alle fromme Gottselige und glaubige Leute / welche GOTT lieben / Zucht / Ehre / Tugend und Redlichkeit handhaben / die alles bey sich vernünftig und weislich überlegen / sehen und erkennen / was ihnen gezieme / wohl anstehe / zuträglich / nützlich / auch nachtheilig und schädlich sey. Der Weisen sind zweyerley Arten; Eine ist die / so mit der Geistlichen Weißheit des Erkäntnis GOTTES / des Glaubens / und der Seeligkeit umgehen / und täglich GOTTES Meinung erforschen / und mit ihrem Gebete nicht nachlassen / bis es durch die Wolcken dringe. Und dieses sind die Vestungen und Schantzen mit welchen (2. Kön. 6. 15.) man sich verwahret / und die rechte Waffen / damit man streitet. Da die Stadt Dothan von den Syrern mit vielen Roß und Wagen belägert / errettete sie der eintzige Prophet Elisa durch seine Weißheit / und erlangte durch sein Gebet so viel / daß sie mit Blindheit geschlagen / und dem König Israel mitten in die Hände geriethen. Als Rabsacke im Nahmen des Königes zu Assyrien Sennacheribs / die Stadt Jerusalem belagerte / und der (2. Kön. 18. 19.) fromme König Hiskias sich von allen Menschen verlassen sahe / gieng er in das Haus des HERREN / flehete nebens dem Propheten Esaia zu GOtt / und erhielte so viel / daß in der folgenden Nacht 185000. Assyrer erschlagen (Chrysostomus.) wurden. Das Gebet der Gerechten gilt mehr / als die Menge der Soldaten / die Waffen / und ein gantzes Heer. Wie der Persische König Sapores die Stadt Nisibin belagerte / und nunmehro an dem / daß sie sollte übergehen / ruffte umb Rettung derselbigen Stadt / Jacobus GOTT inbrünstig an. Worauf ein Hauffen Mücken der Feinde Elephanten und Rosse anfielen / ihre Ordnung zertrenneten / und die Feinde in die Flucht brachten. (Bonfinius. Lib. 4. Dec. 1. p. 60. n. 40.) Der Hunnen König Attila / setzte der Stadt Orliens dergestalt zu / daß wenig Hoffnung zur Rettung war: Bischoff Amianus aber verfügte sich auf die Stadt-Mauren / that zu GOTT sein inbrünstig Gebet / und erhielte so viel / daß ein unversehener Platz-Regen entstand / der der Feinde Cörper übersch wemmete / ihrer viel davon ersäuffete / und Attila unverrichteter Sache von der Stadt wieder abziehen muste. Die andere Art der Weisen sind die in den Politischen- und Kriegs-Händeln Erfahrne / welche entweder von Natur sinnreich / verschlagen und geschwinde / oder durch die Erfahrenheit und Erlangung vieler Wissenschafften andern mit Rath und That in Noth und Gefahr an die Hand gehen. Harnische und Spiesse gelten im Kriege (1: Sam. A7. 5. Judic. 6. 5.) nichts / wann nicht Weißheit darbey ist. Goliaths Stärcke war unbrauchbar / weil Er sie unweißlich führete. Die Midianiter bedeckten ihrer Feinde Land wie die Heuschrecken / Der Held Gideon aber zertrennete dasselbe durch seine Vorsichtigkeit mit 300. Mann. Als König Aliattes die Stadt Priene / des weisen Bias Vaterland in Griechenland / lang belägerte / füt [440] terte Bias zwey Maulthiere sehr feiste / und ließ sie in des Feindes Lager lauffen. Der Feind meinte nicht anders / als wenn die Stadt mit aller Uberflüssigkeit und genugsamen Proviant versehen wäre / und erbothe sich dahero zum Friede. Damit aber die Stadt einen desto bessern Accord erhalten möchte / gebrauchte sich Bias dieser List: Er befahl auf die Böden grosse Hauffen Sand zu führen / bedeckte sie obenher mit Getrayde / und zeigte sie denen Abgesandten des Feindes / welche sich über den Vorrath verwunderten. Ein Kluger und ein Weiser handelt alles bedächtig. Er lässet sich sein Hertze nicht verführen / sondern herrschet über die Begierden. Er nimmet sich in (Prov. 15. 14.) Acht; plumpet nicht hinein / sinnet nach was er vorhat / und mercket auf seine Webe. Er ist der Witzigen Crone / thut alles mit Vernunfft / gebrauchet sich seiner Weißheit nach Beschaffenheit des Orts / nach Gestalt der Sachen / und nach dem Glücke. Und wie der Narren Mund eitel Narrheit ausspeyet: Also gehet dessen Rath in allen Geschäfften vor. Da der Persische (Herodot. lib. 7. Polymn. p. 432. n. 175.) König Xerxes die Griechen mit Heeres-Krafft überziehen wollte / und er disfalls seiner Räthe Gutachten einholete / widerrieth ihm solches seines Vatern Brudern Sohn / ein alter erfahrner Herr: Mardanus aber / ein junger ehrsichtiger Mensch / behauptete das Gegenspiel / und ward Xerxes darüber in die äuserste Gefahr gesetzet. Nachdem die Corinther / Athenienser / und Thebaner sich wider die Lacedaemonier miteinander in ein Verbündnis eingelassen hatten / berathschlagte man / wie die Sache anzugreiffen. Einer / mit Nahmen Timolaus / riethe / man sollte sie angreiffen ehe sie sich verstärckten / denn sie wären wie die Wasserbäche / welche an dem Orte / wo sie entspringen / gar geringe / wo sie sich aber erweiterten / da erstreckte sich ihr Zugang desto stärcker. Thue nichts ohne Rath / so gereuet dich nicht (Ortelius.) die That. Der weise Held Dracula widerrieth König Ladislao in Ungarn / daß er nicht seinen gethanen Eyd brechen / und den Türcken den Krieg ankündigen sollte / denn Er hätte bey den Türcken auf der Tagt offters mehr Volck gesehen / als die Ungarn aufzubringen vermöchten. Der Cardinal Julianus aber riethe ein anders / und verlohr Ladislaus darüber nicht allein die mit den Türcken gehaltene Schlacht / sondern auch sein Leben. Ein Narr gucket frey zum Fenster hinein / ein Vernünfftiger aber bleibet heraussen (Sir. 19. 26. 27.) stehen. Diesen erkennet man an seinen Gebärden / Kleidungen / Lachen und Gange / Die Rede des Narren aber drücket wie eine Last auf dem Wege: Er wirfft die Augen um sich / rümpffet die Stirne / recket das Maul empor / siehet sauer / stellet sich ungebärdig / hat das Maul vorne für / führet nichtige und unverständige Reden in seinem Munde / und wie man den Vogel an den Federn kennet / also auch denselben an seinen Reden und Geberden. Das Alter ist den Weisen ein Gewürtze; Der Weise aber dem Alter eine Speise. Sey nicht weise / sagt der Apostel Paulus; Er verbeut nicht / weise zu seyn / sondern mehr weise seyn / als sichs gebühret. Wer Weißheit recht gebrauchen will / der halte sie vor eine Gabe GOTTES / wende sie zu Ehren GOTTES und des Nächsten an / überhebe sich nicht darinne / regiere sich selber / sehe mehr auf seine eigene als anderer Leute Fehler / und meide alle Neuerungen: Weißheit ist mehr denn zehen Gewaltige. Die Welt kan ohne eine richtige Regierung nicht bestehen; keine Regierung ist ohne Recht / kein Recht kan ohne die Weißheit; Sie bauet Zucht / Klugheit und Gerechtigkeit / erweiset sich in allem freundlich / gütig und fürsichtig / in Langmuth gedultig / in Beständigkeit freudig / in Widerwärtigkeit [441] wärtigkeit sanftmüthig / und richtet damit mehr als Andere mit ihrer Schärfe und Strenge. Die Kunst und Geschicklichkeit ist das edelste auf der Welt. (Des Mercurii Wissenschaffren.) DEs Mercurii Geschickligkeit / Kunst und Wissenschafften / brachten es eben zu solcher Vergötterung. Denn / wenn die Alten vorstellen wollten / was die Beredtsamkeit vermöge / sagten sie / Mercurius sey der Götter und Menschen Bothe: Des Tages verrichte er die Befehliche des Jupiters / und des Nachts verschaffe er die Seelen der Verstorbenen an ihre behörige Oerter; Er lege durch seine Kunst und Beredtsamkeit alle Zwietracht / Zanck und Strittigkeit bey Seite: Sey der wachsamste unter den Göttern; wäre mit vielen Geschäfften beladen / und hätte auch wegen vieler Verrichtungen des Nachts keine Ruhe: Uber dieses liesse Er sich zu Kriegs- und Friedens-Handlungen gebrauchen; stifftete Bündnisse: Hätte die Stern-Kunst erfunden: Jahr und Tag in Ordnung gebracht / und die (Seine Friedens-Ruthe.) Thebanische̅ Priester in der Religion un̅ Gottesdienst unterwiesen. Gestalt dann auch von ihme gemeldet wird / daß demselben Apollo ein Ruthe verehret / welche diese Krafft gehabt haben solle / daß / so bald man sie zwischen zwey streitende Partheyen geleget / dieselben alsobald mit einander wieder sind versöhnet worden / und als solche Mercurius probiren und versuchen wollen / hätte er solche zwischen zween sich beissende Schlangen geworffen / und wäre hernachmahls die Ruthe mit zweyen ineinander geflochtenen Schlangen sein Kennzeichen gewesen. Dieses alles zielet auf nichts anders / als / daß Mercurius ein geschickter / beredter / und in freyen Künsten erfahrner Mann gewesen seyn muß. Alle Dinge in der Welt sind unb eständig / ohne allein die Kunst und Geschicklichkeit / welche auch / wenn alles verlohren / mit den Menschen bis in den Tod austauern. Als Stilpo bey Verheerung seines Vaterlandes / auch Haab und Gut / Hauß und Hof / Weib und Kind durch den Brand verlohren / sagte Er gleichwohl / er habe noch alle sein Gut / nemlich Tugend und Geschicklichkeit unversehrt bey sich. (Wissenschafft und Künste sind unterschiedlich.) Diese sind nichts anders als ein geistliches Reichthum / welche in der Welt allein nur einen glückseeligen Stand machen können. Um dasjenige Regiment / sagt Plato / stehet es wohl / welche entweder selbst gelehrt / und geschickt / oder gelehrte Leute um sich haben. Keyser Severus liebete und fürchtete zugleich die Gelehrten / damit sie nichts Widriges von ihme schrieben / und ward von Jugend auf in Regiments- und Krieges-Sachen auferzogen / daß Er nicht leicht einen Tag verabsäumete / an welchem Er nicht entweder den freyen Künsten oder dem Krieges-Wesen oblage. Liber regit, Gladius defendit. Die Feder und das Schwerd stehen wohl beysammen. Mors docti viri damnosior est cujusvis Regis, quia Regi haeres succedit in regno, viro autem insigniter docto nullus superest in literis haeres. An eines gelehrten Mannes Tode geschiehet mehr Schaden / als an eines Königes. Kunst / sagt man / ist zwar gut zu tragen / aber schwer zu laden. Augustinus Barbaricus / Hertzog zu Venedig / hatte in seinem Symbolo einen Obstbaum / dessen Reiser und Aeste allenthalben gleichsam wegen der Last [442] zerbrochen / und darbey dieses hinzugesetzet: Copia me perdit: Die Menge drückt mich. Einen guten Schiffman erkennet man an dem Ungewitter: Also auch einen geschickten und erfahrnen Mann bey ereigneter Noth. In Regiments-Sachen hat man nicht allzeit genaue Regeln / wie Eines und das Andere genau anzustellen / sondern die Ersahrenheit ist der Stab / an den man sich lehnen und stützen muß. Wer viel Kranckheiten ausgestanden / der weiß von vielerley Artzney-Mitteln. Der Fürst Periander zu Corintho war so gelehrt und verständig / daß er unter die sieben Weisen in Griechenland gezehlet wurde. Der kluge König Alphonsus in Arragonien führete in seinem Wapen ein Buch: Daß Julius Caesar / Keyser Augustus / Marcus Antonius / Severus / Constantinus Magnus / Theodosius / Gratianus / Carolus Magnus / und andere mehr / so wohl und tapffer regieret / das haben sie ihrer Kunst / Erfahrung / Weisheit und Geschicklichkeit zuzuschreiben. Die Chaldae er und Aegyptier unterwiesen ihre Kinder selbst. König (Daniel. 1. 3. 4.) Nebucadnezar / lies ben Daniel mit seinen Gesellen / welche Herren Kinder waren / in dern Chaldoeischen Schrifft und Sprache unterrichten / damit sie vernünfftige und verständige Leute würden. Es ist nicht ein geringes / wenn man von Jugend auf sich in den freyen Künsten un̅ Sprachen / GOTTES-Furcht / Religion / in der Welt-Weißheit / Historischen / Politischen auch andern Wissenschafften übet. GOTT hat uns deswegen eine vernünfftige Seele gegeben / daß wir durch deren Behuff etwas rechtschaffenes lernen sollen. Die Welt kan ohne Wissenschafft / nicht regieret werden. Ein Mensch der nicht gelehret ist / oder sonst etwas rechtschaffenes gelernet / ist wie ein (Plutarchus ad Princip. Indoct. p. 2. Moral. p. 331. n. 40.) Vieh / das keinen Verstand hat. Er ist einem Geitzigen gleich / der zwar von aussen schön und wohl geputzt ist; innwendig aber voller Bech / Bley und Spinneweben anzusehen. Kein Gelehrter kan unedel seyn / es sey denn daß er mit Lastern angefüllet. Die Ubung der Künste thut das Beste. Da der weise Thassus gefragt wurde / welches vor Andern das Allerweiseste? gab Er zur Antwort: Die Erfahrung. Ein wohlgeübter Mann verstehet viel / und ein Wohlerfahrner kan von der Weisheit reden; Wer aber nicht (Sirach. 34. 9. 10.) geübet ist / verstehet wenig. Die beste Weißheit liegt in dem Abgrund und im Verborgenen; man muß sie mit Mühe und im̅erwährenden Nachsinnen erlangen. Je verständiger und gelehrter einer ist / ie grössere Mühe und Arbeit hat er auf sich. GOTT giebt dem Menschen nicht Kunst und Verstand / daß er sie für sich behalte / sondern / daß Eines dem Andern dienen solle. Als König Antigonus gefragt ward / welchen er unter seinen Krieges-Obristen vor den besten hielte / sagte er: Den Pyrrhum / wenn er alt würde. Die Erfahrung kömmt mit den Jahren / und bringet endlich Ehre und Herrlichkeit zuwege. Woraus erhellet / daß Kunst und Geschicklichkeit nicht durch Müssiggang / sondern durch Fleiß und Mühe muß erlanget werden. Mercede laborum idoneorum Vendunt nobis omnia Dii. (Horatius.) Nil sine mago Vita labore dedit mortalibus. (Beredtsamkeit / wus sie vermöge.) Insonderheit wird Mercurius auch für einen Gott der Beredtsamkeit gerechnet / weil man dafür hielte / daß Er nicht allein dem Menschen die Zierde im Reden mittheile / sondern auch [443] gar deroselben Ohren mit einer güldenen Ketten fessele / und selbe nach seinem Gefallen zu lencken und zu ziehen pflege. Wodurch nichts anders zu verstehen / als daß gemeiniglich die Beredtsamkeit den Menschen gleichsam mit güldenen Fesseln binde / desselben Gemüthe gefangen nehme / und zu dem vorhabenden Ziele begleite. Man vergleichet sie mit der Kunst des Kochens / da man einem jeden nach seinem Geschmacke / dem Gelehrten gelehrt / dem Ungelehrten nach seinem Verstande / und dem Einfältigen nach seinem Gutachten anrichtet. Wohl reden mit Nutzen / ist eine Quelle der Weißheit / da hingegen der / so mit dem Munde ohne Bedacht redet / gemeiniglich mit dem Halse bezahlen muß. Der Mensch soll nicht immer schweigen / sondern auch reden. Denn wie das Schweigen seine Zeit; Also auch das Reden. GOTT hat uns nicht das Maul und die Zunge / sondern auch die Vernunfft und den Verstand zum Reden gegeben. Die Alten mahleten die Wohlredenheit in Gestalt eines Weibesbildes / welches ein Buch in der Hand hatte / und welche Könige / Fürsten / Herren / Bürger und Bauer mit einer güldenen Kette nach sich zoge / dadurch anzudeuten / daß weise und beredte Leute mit ihrer anmuthigen / geschickten / und gleichsam güldenen Rede / Reiche und Arme / Alte und Junge auf (Cael. Rhodig. lib. 2. Lect. Antiq. Homer??? in Iliad. Cicero in Tuscul. Vol. 1. Plutarch. in Pyrrh.) ihre Seite bringen können. Von dem weisen Periele lieset man / daß wenn Er geredet / Er gleichsam gedonnert und geblitzet / und dadurch seine Zuhörer dergestalt beweget / daß Er für allen andern Rednern einen Stachel in dem Hertzen der Zuhörer hinterlassen. Dem berühmten Helden Nestor wird nachgerühmet / daß die Rede Ihm aus seinem Munde lieblicher denn Honig geflossen. Heresias Cyrenaicus wuste von dem Elende des menschlichen Lebens dermassen beweglich zu reden / daß ihrer viel / die Ihm zuhöreten / sich entweder in das Meer stützeten / oder auf andere Weise umbrachten. Des Königes Pyrrhi Legate Cyneas / brachte durch seine Beredtsamkeit mehr Städte in die Gewalt des Königes / als Pyrrhus mit seiner Krieges-Macht. Ihrer viel haben die Crone eines Königes und den Scepter eines Keysers nicht eben durch blutige Kriege und Schlachten / noch durch ihren edlen Stamm / als allein durch ihre Weißheit und Beredtsamkeit erlanget. Key (Gvevarà in Horolog. Princip. p. 2. c. 27.) ser Marcus Aurelius ward zu Rom auf dem Berge Celio von schlechtem Stamme gebohren / und weil Er gelehrt / und in vielen Wissenschafften erfahren / darbey auch beredt / gab Ihm Keyser Antoninus Pius seine Tochter die Faustina zur Gemahlin; Und als dieser deswegen gefragt ward / warum Er einem armen Philosopho seine Tochter gebe? sagte Er: Ich will lieber einen Weltweisen / als einen alberen Fürsten zum Eydam haben. So viel als das Schwerd im Kriege vermag / so viel nützet auch die Beredtsamkeit Sapient. 8 in dem gemeinen Wesen. Der weise Salomo giebt ihr unter andern (Sapient. 8) auch dieses Lob: Sie ist der Heiligen Rath im Erkäntnis Gottes / und ein Angeber seiner Wercke. Ihre Arbeit ist eitel Tugend: Sie lehret Zucht / Klugheit / Gerechtigkeit und Stärcke. Begehret Einer viel Dinge zu wissen / so kan sie errathen beyde das / was vergangen / und zukünfftig ist. Sie verstehet sich auf verdeckte Worte / und weiß die Rätzel aufzulösen: Zeichen und Munder weiß sie zuvor / und wie es zu Zeiten und Stunden ergehen soll. Wenn sie schweiget / so harret man auf sie: wenn sie redet / so mercket man auf / und wenn sie fortredet / so leget man die Hände auf den Mund: sie verursachet einen unsterblichen Nahmen und ein ewiges Gedächtnis bey denen Nachkommen. Sie regieret Leute / und Heyden werden ihr unterthan: Wenn sie grausame Tyrannen hören / so fürchten sie sich für ihr: Bey dem [444] Volcke wird sie gütig / im Kriege aber als ein Held erfunden. Bleibet sie zu Hause / so hat man an ihr eine Ruhe / und ist bey ihr nichts als Lust und Freude anzutreffen. Ihre Gestalt blühet wie Blumen / das Haupt ist mit einem güldenen Helm umfasset / die Augen funckeln / und die Lippen nassen von dem Thaue Gottes. Sie ist eine Uberwinderin der Seele / eine Meisterin der Sinne / und wer sie gehöret / man wird gezwungen zu glauben / das / was man zuvor verneinet / zu lieben und zu loben / was man zuvor (Reden bringt Ehre und Schande mit sich. Sirach. 19. 22.) gehasset / und verachtet. Wie nun der Mund eines Weisen holdseelig / also ist es gefährlich Ding um einen Schwätzer. Er ist zwar scharffsinnig / und kan die Sache drechen / wie er will; Er hänget den Kopff / siehet ernstlich aus / und ist doch hinter ihm lauter Betrug: Er schläget die Augen nieder / und höret mit Schalcks-Ohren / und wo du nicht Acht auf ihn hast / wird er dich übereilen; und ob er zu schwach / dir Schaden zu thun / wird er doch dich / wenn er seine Zeit siehet / berücken. Als Einer bey dem Truncke viel Geschwätze triebe / und damit kein Ende machen wollte / sagte endlich Demosthenes zu ihm: Warum hast du nicht von demjenigen / der dich reden gelernet / auch das Schweigen begriffen? Da der weise Bias bey einer Mahlzeit wenig redete / spottete ihn ein Anderer / und sprach: Es ist kein Wunder / daß so ein weiser Mann kein Wort von sich hören lässet; dem Bias zur Antwort gab: Es wäre noch ein grösser Wunder / wenn ein Thore oder Narre schweigen könte. Wodurch er anzeigte / daß gleichwie das Schweigen ein Zeichen der Weisheit; also auch das vielfältige Schwätzen (Ambrosius.) ein Zeichen der Thorheit sey. Quicquid pudet dicere, pude at etiam cogitare. Was man sich schämer zu sagen / soll man sich auch schämen zu gedencken. Soll man sich nun der Gedancken schämen / wie viel mehr der (Verleumder ist eines der schändlichsten Laster. Hieronymus in Epist. 2. ad Nep. T. 1. p. 16. D.) ungeziemenden Reden? Wie die Reden / so sind die Ohren. Hüte dich / sagt jener alte Kirchen-Lehrer / daß du weder eine schwätzhaffte Zunge / noch juckende Ohren hast / wormit du entweder Andere durch die Hechel-Banck ziehest / noch Andere dergleichen zu thun verstattest. Als den weisen Aristippum einer lästerte / gieng er darvon. Nachdem Ihm aber derselbe nachgienge / und sagte: warum fliehest du? Gab er zur Antwort: darum / weil du die Gewalt mir Böses nachzureden hast / ich aber die Gewalt / dasselbe nicht zu hören habe; Plato sagt: wenn dir eine Zunge übel nachredet / so gedencke / daß du dergleichen vielleicht an Andern auch gethan hast. An einem stinckenden Kothe / hat man sich niemahls rein gewaschen. Ein Dieb stielet Einem nur Haab und Gut ab; aber ein Schwätzer seine Ehre und (Hieronymus in Epist. 14. ad Celant.) guten Nahmen. Beatus est, qui ita se contra hoc vitium armavit, ut apud eum detrahere nemo audeat: Der ist glückseelig / der sich wider die Wäscher also wapnet / daß sich niemand einen Andern zu verkleinern unterstehen darff. Anaxiler sagte / die Wäscher und Plauderer wären der grossen Herren ihre Würmer. Wie tyrannisch auch Keyser Nero und Domitianus war / so trugen sie doch an denen Laster-Mäulern keinen Gefallen. Die Nacht währet nur so lange / bis der Tag anbricht. Es ist genug / wenn man sein Gewissen für dergleichen Leute rein behalten kan.
|| [445]
(Das gute un̅ böse Gerüchte.) EIn gutes Gerüchte ist wie ein schönes Gemählde / und ein böses / wie ein böser Urthels-Verfasser. Jenes gleichet sich mit einem Biesam / Balsam / und herrlichen Geruche / der Alles erqvicket / erfrischet / und den gantzen Leib erhält. Dessen Werk heilig / billig / löblich / gerecht / barmherzig und gütig / edel / herrlich und köstlich: Dieses aber gehet mit Betrug / Leichtfertigkeit / Schand und Laster um. Die Ehre eines guten Nahmens ist nicht mit Golde zu bezahlen. Die (Plinius lib. 7. Nat. Hist. c. 37. p. 120. n. 10.) Athenienser liessen dem Beroso um seiner Kunst und Geschicklichkeit willen eine Statua und Ehren-Seule aufrichten / und die Zunge am Bilde vergülden. Man schätzet das Leben / und einen guten Nahmen gleich. Ist die Ehre und ein guter Nahme hin / so ist auch das Leben für todt zu achten. Wenn man das Feuer einmahl anzündet / kan man es mit geringer Gluth erhalten; wenn es aber einmahl ausgelescht / so ist es ohne Feuer nicht wieder anzuzünden. Eben also ergehet es auch einem guten Nahmen / welcher / wenn Er einmahl bemackelt / wird Er der Flecke sobald nicht los / sondern seine Schande reucht / wie ein stinkend Aas; und seinen Geruch empfinden auch die Nachkommen. Nichts ist schädlicher / als wen̅ ein Mensch seinen guten Namen verleuert; Ist der hinweg / so verstirbet auch gleichsam in einem Augenblick seine Ehre und guter Leumuth. Salomo sagt: Man gedencket des Weisen nicht immer / eben so wenig als des Narren. Denn ob man wohl den Weisen eine zeitlang in Ehren hält / und seiner gedencket / so verlischt doch sein Gedächtnis / und kan ein leichtes Versehen darzwischen kommen / da gelten seine und des Narren Händel einerley. Ein grosser Ruhm fällt offters wie ein Spinnewebe (Eurip. in Hercul. furios. p. 2. p. 518.) dahin. Da der Thebaner König Amphytrion von Lyco seines Reichs beraubet / und Er nunmehro sollte geschlachtet werden / brach Er in diesen Worten heraus: Sehet an Ihr Sterblichen! Ich war in der Welt allenthalben berühmt / und begienge die rühmlichsten Thaten: Anietzo aber hat mich das Glücke / gleich einer Feder / augenblicklich (Aristor. ap. Stob. p. 333. n. n. 40.) von dem Throne der Glückseeligkeit herunter gestossen. Dahin zielet auch Aristoteles wenn Er saget: Der Mensch ist ein Exempel der Schwachheit / ein Raub der Zeit / ein Spiel des Glücks / ein Bild der Unbeständigkeit / und ein Weg der Mißgunst und des Elends. Die Ehre ist nächst dem Leben das Beste / darbey auch das Unbeständigste. Aller Ruhm ist einer Handbreit / und vergehet wie ein Dampf: Nichts ist bey den Menschen beständig: heute steigen wir empor / morgen liegen wir darnieder; Heute sind wir vergöttert / morgen werden wir aller Laster beschuldiget. Und dieses ist / das auch dem Mercurio begegnet. Bis anhero sind alle Dinge für heilig und Göttlich gehalten worden: nunmehro fallen Sie auf einmahl dahin / sie sind eitel / denn was eine Menschen-Hand (Mercurius ein Erfinder der Zauberey) erhöhet / das kan eine Andere wieder zernichten. Man misset dem Mercurio bey / daß Er ein Erfinder der Zauberkunst gewesen / und dermassen die Augen der Menschen verblendet / daß Sie Eines und das Andere nicht gewust. Die Welt ist die gröste Zauberin. Sie weiset Uns in dem Spiegelder Eitelkeit alle Laster / die in ihr begangen werden. Sie verblendet Uns mit weltlicher Herrlichkeit / Hoheit / Macht / Gewalt / Pracht / Glantz / Ehre / Lust / Freude / Wol [446] leben / Geld / Gut / Reichthum und alles / was irrdisch ist. Und / wenn wir Uns in demselben bespiegelt / so kehret sie denselben um / und weiset Uns auf der andern Seiten / wie Alles gantz eitel / unbeständig / vergänglich / und / daß weder sie selbst / noch ein einziger Mensch aus seinen Kräfften nichts zu thun vermag. Ehre und Hoheit ist ein Blendwerck: Grosse Macht und Gewalt ist Mühe. Stoltz und Pracht ist Eitelkeit. Wollust / Schwelgerey und Wucher ist ein Traum: Mühe und Arbeit ist ein Eckel / und alle Lust und Freude stirbt wieder hinweg. Die Welt ist trumm und höckericht; was ist es wunder / wenn die Menschen krumme und ungleiche Beywege suchen. Von dem Jupiter schreibet man / daß Er den Tantalum habe zu Gaste geladen / und als Er Ihn am herrlichsten tractiret / habe Er demselben Einen Mühl-Stein an einem seidenen Faden über den Kopff gehenget. Die Welt gehet mit Uns nicht viel besser um. Sie vergifftet Uns mit ihrer Boßheit vor der Sündfluth: Nach derselben aber flösset sie uns das Gifft der Abgötterey bey. Die Gewaltigen richten (5. B. M. 32. v. 10. 11. Mich. 7. v. 2.) nach ihren Willen / und drehen das Recht wie sie wollen. Gott nennet sie selbst eine verkehrte und böse Art / ein Schandfleck / und Fall / ein thörichts Volck. Der beste unter ihnen ist wie ein Dorn / und der Redlichste wie eine Hecke. Sie sind alle ein Greuel mit ihrem Thun. Von den Zauberern schreibet man / daß Sie können Donner und Blitz machen. In der Welt ist nichts gemeiners. Hat man nicht Regen und Sonnenschein / so hat man Ungewitter / Winde und Kälte der Trübsal genugsam / und giebet es der betrüglichen Tage mehr als der guten. Des Menschen Hertz (Gen. 6. 5. Jerem. 6. v. 28.) ist von Jugend auf böse: Wir fehlen Alle: Wir sind Abtrünnige / und Verdorbene / wie Ertz und Eisen: Der Blasebalck ist verbrannt / das Bley verschwindet / und das Schmeltzen ist umsonst / weil das Böse nicht darvon geschieden; Ein Nächster trauet nicht dem Andern / ein Freund hütet sich für dem Andern / und eine falsche Zunge ist nichts anders / als ein gifftiger Pfeil; also daß man sich auf die Welt nichts mehr als auf eine Zauberin (Zauberey Ursprung) zu verlassen. Das Wort Magus bedeutet den Persern nichts anders als ein Weltweiser / und ist nach der Zeit denen Zauberem und Teufelsbannern zugeleget worden. Und gleichwie die Magia zweyerley: Magia naturalis und Ceremonialis: Also gehet die Erste mit der Natur um; Die Andere aber mit Verblendung / Beschwörung der bösen Geister / und dergleichen. Die Verblendungen geschehen zuweilen durch kein wirtliches Wesen / sondern bestehen allein in der Einbildung. Pythagoras schrieb etwas mit Blute auf einen Spiegel / un̅ hielte denselben gegen den Schein des vollen Monds / welches die Jenigen / so hinter dem Spiegel stunden / nichts anders bedünckte / als sehen sie solche Schrifft in dem Cörperdes Monden. Die Veblendung aber / als / daß man einen Menschen für ein Pferd / Esel / oder ander Thier ansiehet / da man die bösen Geister beschwöret / herzulocket / Seegen spricht / Sie wegen der Verstorbenen und anderer Dinge fraget / auch darbey aberglaubische Ceremonien gebrauchet / ist ungöttlich und verwerfflich. Etliche der Gelehrten geben für / es hätten die Abgötter der Heyden die Zauberkunst erfunden. Plinius sagt / sie hätte Ihren Anfang und Ursprung von der Artzney / und der Astronomie. Denn gleich wie die Eine mitnatürlichen Mitteln der Menschen Gebrechen heilete / und die Andere aus dem Gestirne zuweilen zukünfftige Dinge / und Eigenschaffte̅ des Menschen andeutete: Also haben sich auch vorwitzige Menschen unterstanden / nach ungewöhnlichen Dingen zu fragen / und sind darüber in den grösten Aberglauben gerathen. Der Apostel Paulus [447] nen̅et die Zauberey ein Werk des Fleisches / dadurch Er anzeiget / daß sie uns angebohren. Dafern der Mensch in seiner Vollkom̅enheit geblieben / so könten wir aller Creaturen Art / Wirkung und Eigenschafft erkennen und gebrauchen / nachdem Er aber durch Verführung des Teufels zum Abfall gerathen / hat Er solch herrliches Liecht und Vernunfft verlohren / und diese Verfinsterung ist gleichsam der Grund zur Zauberey. Etliche geben vor / die Zauberey sey schon für der Sündflüth gewesen / nach der Sündfluth aber findet man / daß Gott dem Noah und seinen Söhnen den Erdboden unter ihre Gewalt gegeben / sie im weltlichen und häußlichen Stande unterrichtet / und herrlich einher wachsen lassen; Als sich aber das Volk vermehret / hat sich die verderbte Natur herfür gethan / und haben die Nachkömmlinge / insonderheit des Chams / die wahre Religion / durch Anleitung des Teufels / verlassen / und sich zu allerhand Abgötterey begeben. Und weil sie denen vergänglichen Creaturen Göttliche Ehre erwiesen / so ist leicht derselben erforschten mit Fleiß die Kräffte der Kräuter / un̅ anderer Gewächse. Etliche gaben Acht auf den Himmels Lauf / Wirkung der Sterne / und das Gewitter. Etliche betrachten die Eigenschafften der Thiere / der Vogel / der Winde / Wasser und das Meer / die Metallen / und die ganze Natur. Gleichwie man nun alle die Jenigen / welche etwas Neues erfunden / in hohem Ansehen / und nach dem Tode gar für Götter hielte: Also trieb auch ihrer viel der Ehrgeitz dahin / daß sie vor Andern etwas mehrers wissen wollten / und sich zu dem Ende auf verbotene Dinge legten. Etliche schreiben / es habe Einer / mit Nahmen Zoroastres / die Zauberey öffentlich in Persien gelehret / aus welchem Königreiche sich dann dieselbe hernach in andere Länder und Königreiche aus gebreitet. Zur Zeit des Persischen Königes Xerxis befande sich Einer / Hostanes / der dergleichen angegebe̅. Bey den Assyriern war einer / Zarmotenides; bey den Medern Zarotus und Apuscorus / bey den Arabern Hypocus bey den Babyloniern Marmaridius / und (Exod. 20.) bey Andern Andere in dieser faschen Kunst Erfahrene. Es sey aber wie ihm wolle / so hat Gott bald Anfangs seinem Volke geboten / daß sie keine Zauberer sollten leben lassen; Denn / wen̅ ein Mann oder Weib ein Warsager und Zeichendeuter seyn würde / der soll des Todes sterben / man soll Ihn (Levit. 19. Devt. 18.) steinigen / Ihr Blut soll auf Ihnen seyn. Ihr sollt euch nicht zu den Warsagern wenden / noch etwas von Zeichendeutern forschen / daß Ihr Euch nicht an Ihnen versündiget. Wenn du in das Land kömmest / das dir der HERR dein GOTT geben wird / so sollstu nicht lernen den Greuel dieser Völker / damit nicht unter dir gefunden werde / der seinen Sohn oder Tochter durchs Feuer gehen lasse / oder ein Wahrsaget / oder ein Tagewehler / oder der auf Vogel-Geschren Acht habe / oder Zauberer / oder Beschwehrer / oder ein Zeichendeuter / oder der die Todten frage. Denn wer solches thut / der ist ein Greuel für dem HErrn. Aus welchen allen man klärlich ersiehet / wie lange schon diese böse Kunst von den Gottlosen (Die Werke der Zauberey.) Menschen sey getrieben worden. Es ist aber eigentlich die Zauberey nichts anders / als wenn der Mensch eine Creatur und Geschöpfe GOTTes anders gebrauchet / und eine andere Wirkung darinnen suchet / als Sie GOTT darein geleget. Unter der Abgötterey und Zauberey macht man diesen Unterscheid / und sagt: Die Abgötterey sey diese / wenn man die Ehre / so Ihm allein gebühret / abschneidet / und denen Creaturen zueignet: Die Zauberey aber sey / wenn eine Creatur nicht nach ihrer rechten Wirkung wider GOttes Ordnung gebrauchet werde. Mit einem Worte: es ist die Zauberey ein teufelische Abgötterey / wodurch der Göttlichen Maje [448] stät Hoheit nur gespottet wird. Ich bin der HERR / sagt GOtt / und (Levit. 20. Apoc. 21.) nicht die / bey welchen man vergebliche Hülffe suchet. Den Zauberern und Götzendienern wird nebenst andern ihr Theil seyn in dem Pfuhle / der mit Feur und Schwesel brennt. Gleichwie aber die Zauberey auf unterschiedene Weise begangen (Der Zauberey Unterscheid.) wird: Also hat auch eine iede ihr besonderes Geschlechte. Die Eine geschiehet / wie gedacht / durch Blendung des Teufels / die Andere durch vermeinte Weissagungen deren / die aus dem Eingeweide ??? Thiere künfftige Dinge sagen / auf das Vogelgeschrey Acht haben / die Verstorbenen um Rath fragen / Tage wehlen / durch gewisse Zeichen was erforschen wollen / und was dergleichen mehr. Der Zauberey Zweck ist / da man vermeinet etwas Schaden zu thun / oder dardurch was nützliches zugewinnen. Der Schade geschiehet / wenn man des Menschen Gemüthe mit Tränken / oder andern Dingen bezaubert / Ihme Haare / Nadeln / Nägel und andere Unfläterey in den Leib hexet / die Fruchtbaren unvermögend machet / und durch des Teufels Hülffe Wetter erwecket. Als Haqvinus in Norwegen mit dem Dennemärker zur See schlagen wollte / erweckte Er unverhofft ein grosses Wetter / welches die Feinde mit grossen Kieselsteinen beschädigte / daß Sie (Olaus Magn???.) weder sehen noch hören kunten / und war der Schaden grösser / als den Sie von den Feinden empfunden. Der Nutzen dieser falschen Kunst sol seyn / sich feste machen / bey Spielen nicht verlieren / sich unsichtbar machen / das verlorne wiederbringen / gewiß schiessen / oder die Büchse oder Feuer versprechen / Schätze suchen / Hunde nicht bellend machen / die Menschen einschläsen / und im Kaufen und Verkauffen Glücke haben. Von dem Zauberer Simon lieset man / wie Er sich grosser Zauberkunst gerühmet / und unter andern auch dieses / daß Er sich könte vor denen / die Ihn fangen wollten / unsichtbar machen. Wan̅ er zu entrinnen gesonnen / könte Er Berge un̅ Steine durch dringen: Stürtzte er sich von einem hohen Berge herab / komme Er unverletzt auf die Erde: Wen̅ er gebunden / mache er sich der Bande loß / un̅ bände die / so ihn binden wollten: Würffe man Ihn in das Gefängnis / so giengen die Thüren von sich selbst auf. Er mache die Götzen lebendig / daß man meinete / als wären es lebendige Menschen; Würde Er in das Feur geworffen / so brenne er nicht: Sein Angesicht verwandele Er / daß man Ihn nicht kenne / und zeige sich den Leuten / als ob Er zwey Gesichter hätte: Er verwandele sich zu einen Schaf und Geis; Er fliehe in der Lufft wie ein Vogel; Es mangele Ihm niemals am Vermögen: Man ehre ihn / als einen Gott / un̅ richte ihm Statuen auf: in Sum̅a / Alles / was er wolle / das (Des Teufels Gewalt.) könne er thun. Das heisset / der Göttlichen Majestät ihre Ehre entziehen / un̅ mit des Teufels Kälbern pflügen. Alle Zauberey wird vermittelst des Teufels zu wege gebracht. Die Warsagerin / welche dort nach ihrer Meinung (1. Reg. 28.) den verstorbene̅ Samuel erweckte / vermochte solches nicht durch ihre / sondern des Teufels Gewalt zu vollbringe̅. Der Teufel ist ein Geist / listig un̅(Ephes. 2.) behende / unsichtbar / un̅ regieret in den Lüfften. Von dem Zauberer Mithrobarzenes schreibet Lucan??? / daß er bey seiner Beschwerung viel Worte gebrauchet / un̅ hernach die Teufel mit lauter Stim̅e zusam̅en beruffen. Man mag aber des Teufels Gewalt ausbreite̅ so weit als man will / so erstrecket (Hiob. 26, 34.) sich doch sein Vermögen nicht weiter als Gott verhänget. Die Hölle ist für ihm aufgedeckt / un̅ das Verderben hat keine Decke: Er siehet auf eines iegliche̅ Weg / un̅ schauet alle ihre Gänge. Es ist keine Finsterniß noch Dunkel / woselbst sich die Ubelthäter möchten verbergen. Er offenbaret was tief / un̅(Dan. 2. Joh. 16, 3.) verborgen; Er weis was im Finsternis lieget / und bey ihm ist eitel Liecht. Der Fürst dieser Welt ist gerichtet. Ist er gerichtet / so ist Er auch gefangen [449] und gebunden / und darf sich keiner Macht mehr anmassen. Christus ist erschienen / daß Er die Werke des Teufels zerstöre. Da der Teufel den König Achab durch die 400. Propheten beredete / daß Er hinauf gen Ramoth in (Hiob. 1. 2.) Gilead zöge / so stehet nach gehends darbey / daß Ihm solches Gott zugelassen. Der Sathan durffte den sehr geplagten Hiob nicht weiter angreiffen / als ihm Gott verhengete. Die Zauberer in Aegypten thaten dem Mosi alle Wunderwerke nach; da es aber auf die Läuse kam / musten Sie erkennen / daß ihre Kunst vergebens / und sie Hand Gottes mit im Spiele war. Die Werke / welche der Teufel durch und ohne Zauberey ausrichtet / sind zweyerley. Die ersten scheinen als Wunderwerke zu seyn / und sind doch nichts als Verblendungen / Gespicke / Spiegelgefechte und Betrug. Die andern sind Zeichen / welche offtermahls auch natürlicher Weise geschehe̅. Aus nichts aber etwas zu erschaffen / wie Gott am Him̅el und Erden thate / geschaffene Dinge vermehren / und die natürlichen verändern / als / daß die Todten auferstunden / das stehet nicht bey ihm. Und ob schon Gott verhenget / daß der Teufel warhafftige Zeichen thue / so geschicht es doch nicht aus (Matth. 24.) Krafft des Teufels / sondern aus Krafft und Verhängnis Gottes / worvon Christus selbst saget / es würden falsche Christi / und falsche Propheten auferstehen / und grosse Zeichen und Wunder thun. Von dem Apollonio Tyaneo wird gesagt / daß Er ein beruffener Zauberer gewest / der künfftige Dinge gewust / und vielen Blinden / Besessenen / und Lahmen geholfen haben solle / und als ihn Keyser Domitianus ins Gefängnis werffen lassen / ist Er daraus / wie man will / verschwunden / und zu Puteolis gefunden worden. (Warum Gott verhenge? und od ??? Mensch natürsicher Weise sich verwandeln könne?) Es ist bey etlichen die Frage: warum Gott dem Teufel verhenge? Darauf geantwortet wird: daß Er durch Zulassung Gottes solches an Gottlosen und From̅en ausübe: An den Gottlosen wegen ihrer Sünde; An den Frommen / damit sie im Glauben / durch Creutz und Züchtigung / bewähret werde̅ / wie solches an dem Hiob zu sehen / iedoch anderer Gestalt nicht / als was das Zeitliche belanget. Und / weil der Teufel keine natürliche Dinge schaffen kan / sondern mit Verblendung umgehet / so hält Augustinus dafür / daß weder Leib noch Gemüthe / durch des Teufels Kunst und Gewalt / in Gliedmassen un̅ andere der Mensch nur durch Träume / und in Einbildung vieler Dinge einher. Denn / wenn die äusersten Sinne des Menschen / nämlich / das Gehör / Gesicht / der Geruch / Geschmack / und das Fühlen entschlaffen oder entzücket / so würde des Menschen Gedächtnis mit einem neuen Wahn / zu einer leiblichen Gestalt / durch eine unaussprechliche Weise / dermassen geführet / daß des Menschen Leib zwar irgend an einem Orte liege und lebe / seine Sinne aber viel schwehrer und hefftiger als mit dem Schlafe verstopfet wären. Diese Einbildung nun erschiene den frembden und neuen Sinnen gleich als ein Leib / in Thieres Gestalt / und bedünckte dem Menschen / gleich als wenn es Ihm träumete / daß Er eine solche Gestalt und Läst an sich habe. Einer / mit Nahmen Prästantius schreibet / es hätte sich zugetragen / daß einsmahls sein Vetter zu Hause Gifft mit Käse eingenom̅en / sich hierauf zu Bette geleget / un̅ darauf so feste geschlaffen / daß man Ihn nicht erwecken können / man hätte Ihn gleich schütteln und rütteln mögen / wie man gewollt. Nach etlichen Tagen aber sey Er erwacht / da habe Er fürge geben / wie Er sey zu einem Pferde worden / und hätte unter andern Pferden denen Kriegs-Leuten Früchte zugetragen. Hieher gehöret auch die Frage / ob die Zauberer Wetter machen / die Früchte auf dem Felde verderben / und die Menschen lähmen un̅ beschädige̅ / [450] Milch / Eyer und andere Dinge entführen / auf Besamen / Stöcken / Bökken / Katzen und anderen Thieren in die Lufft fahren / und mit dem Teufel Buhlschafft treiben können / welches alles eine lautere Verblendung und Betrug der Augen ist. Von einem Schwartzkünstler wird erzehlet / daß er zweymahl wäre gehenket / und iedesmahl als ein Strohwisch an dem Galgen hengen blieben. Einsmahls hätte Er einen schönen Hengst verkaufft / und darbey verboten / daß man Ihn nicht bald zur Tränk reiten sollte. Der Käufer wollte die Ursache dessen wissen / ritte denselben in das Wasser / welcher / sobald Er dahin kommen / zum Strohwisch ward. Hierauf eilete Er dem Zauberer nach / da aber dieser denselben sahe kommen / legte Er sich auf eine Bank / und stellete sich / als wann er schlieffe. Dieser aber fassete Ihn im Zorn bey dem einen Schenkel / vermeinete / denselben auszuwecken / und riß solchen / dem Ansehen nach / raus / worübe Er erschrack und behende darvon gieng. Da Keyser Friederich Barbarossa die Meyländer bekriegte / bestellten dieselben einen Arabischen Krämer / so ein Zauberer war / daß Er den Keyser sollte mit Giffte vergeben. Dem Keyser ward solches hinterbracht / welcher denselben sehr hartmartern ließ / der Araber bedrohete dem Keyser / wo Er Ihn nicht würde loß lassen / mit Worten den Tod / Er aber achtete solche Bedrohung nicht / sondern ließ Ihn gar um das Leben bringen. Also siehet man / wie unmächtig des Teufels (Chronic. Hedionis. An. Ch. 1572.) Gewalt bey frommen Menschen ist. Vor diesen ist ein selzamer Gauckeler aus Niederland gen Creutzenach gekommen / hat auf offentlichem Marckte seinem Knechte den Kopf abgeschlagen / und eine halbe Stunde darnach den Kopff wieder an den Leib gehefftet. Man hat gesehen / daß er mit den Hunden in der Lufft gejaget / auf- und abgestiegen / und ein Jäger-Geschrey daselbst überlaut gemacht. Zu Nordhausen / soll Einer mit Namen Wildfeuer gewesen seyn / der einen Bauer mit Wagen und Pferd gefressen / und der Bauer nach etlichen Tagen / über mehr (Caspar. Goldwurm.) als eine Feld Meilwegs mit sammt seinem Geschirre in einer Pfütze gelegen haben solle. Wie nun der Meister beschaffen; Also giebt Er auch endlich seinen Schülern den Lohn. Es vermaß sich ein Zauberer / daß Er auf eine Meilweges herum alle Schlangen in eine Gruben bringen / und dieselben alle tödten wollte / welches auch geschahe; Zuletzt aber kömmet eine grosse alte Schlange / welche sich weigert / in die Grube zu gehen. Der Zauberer spottet anfangs Ihrer / nachdem Er Sie aber mit Gewalt (Jovius in Elogiis.) darzu bringen will / springet Sie Ihm auf den Hals / umfasset Ihn / und führet denselben mit sich zu denen Andern in die Grube / daß Er darüber des Todes seyn mus. Heinrich Cornelius Agrippa hatte / vermittelst seiner Schwarzen Kunst / iederzeit den leidigen Teufel in Gestalt eines schwarzen Hundes bey sich. Als Er nun zu Lugdun in einer Herberge kranck darnieder lag / ließ Er den Hund mit solchen Worten von sich: Gehe hin du verdammliches Thier / als der du mich nebenst dir zur ewigen Verdammnis gebracht hast; Da sich denn der höllische Hund in den nächsten (Thomas Facellus.) Fluß Ararim gestürtzet / und ist von derselben Zeit an nicht mehr gesehen worden / Agrippa aber bald hierauf verstorbe̅. Der beruffene Zauberer Cyodorus aus Sicilia begieng zu Catana vemittelst des Teufels Gewalt viel selzame Händel / verwandelte / dem äuserlichen Scheine nach / die Menschen in unvernünfftige Thiere / machte aus einem ieden Dinge eine neue Form / und brachte die Einwohner zu Catana dahin / daß Sie Ihm Göttliche Ehre erweisen musten. Und als Er einsmahls zu Tode verurtheilet und gehenkt werden sollte / erhub Er sich von dannen gen Constantinopel / und [451] kehrete von dar mit unglaublicher Geschwindigkeit zurücke / nichts destoweniger aber wurde Er letzlich ausgefangen / mitten in der Stadt in einen feurigen Ofen geworffen / und daselbst verbrennt. Ob nun hierunter alle die Jenigen / so sich auf das Zaubern legen / ihren meisten Zweck / und dardurch Geld und Gut / Ehre und Hoheit zu erlangen vermögen / darüber hat Bodinus seine Gedanken und saget: Es ist einem Jeden bekannt / daß in dem Erdboden viel verborgene Schätze liegen / die der Teusel / als ein Geist / alle weiß; Man hat aber nie keinen Zauberer gefunden / der eine Crone darvon bekommen hätte / ja es würden vielmehr die durch die Zauberey vermeinten Reichsten die allerärmsten / die aber vorhin Arm / die müsten die Zeit ihres Lebens die Aermsten verbleiben. Wer derohalben den Seegen reich zu werden suchen will / der suche und erbitte Jhn von Gott / und nicht durch verbottene Mittel.

Mercurius soll ein Gott der Diebe gewesen seyn.
[arrow up]

FLeichwie nun auf der Verblendung der Augen / und der Sachen Behendigkeit nicht ein weniges beruhet: Also misset man auch dem Mercurio bey / daß Er beydes ein Gott der Diebe und der Strassen-Räuber / die Ihn / wenn sie haben stehlen wollen / angebetet (Natal. Com.) / gewesen; auch bey seinem Leben unterschiedliche listige Diebstäle begangen habe. Gestalt Er denn dem Apollo in Thessalien heimlich sein Vieh entwendet / seine Köcher gestohlen; der Venus ihren Gürtel vom Leibe geraubet / und sich gar seinem Vatter / dem Jupiter / den Scepter / Donner und Blitz / wofern sie nicht zu heis gewesen / zu entführen unterstanden. (Menschë sind Geist un̅ weltlicher Weise Diebe.) Wir Menschen sind in der Welt die grösten Geist- und Weltlichen Diebe. Wir stehlen GOTT seine Ehre / machen die Menschen von Gott abfällig; Verfälschen sein Wort; widerstreben seinem Gebote; vertuschen das Licht der Vernunfft / entführen dem Höchsten unsere Seele / und opfern sie dem Teufel. Ein falsches Gold / sagt man / hält eine falsche Probe. Ein falsches Hertze ist ein diebisches Hertze gegen GOTT. Es liebet das Geschöpfe vor dem Schöpfer / trachtet mehr nach dem Zeitlichen als dem Ewigen / und wie die Menschen leben / so lebet auch der Hauffe / und wie der Hauffe / so lebet man insgemein mit. Die Welt ist mehr ein böser Verführer / als guter Anführer. Man laufft nach einem Kleinode / und krieget anstatt desselben einen Lufft-Streich. Mit der einen Hand richten wir GOTTES Haus auf / mit der andern aber schlagen wir es wieder zu Boden. Wir sind Diebe GOTTes: Wir erdichten neue Gottesdienste / ohne Gottes Befehl / und ruffen das für Gott an / daran doch nichts Göttliches ist. Wir berauben Kirchen / Schulen und Hospitäle / durch Verwendung der gestiffteten Almosen. Wir sind Diebe in Kauffen und Verkauffen / in Maaß und Gewicht / in Sprechung des Göttlichen Rechts / in Ertheilung der Gerechtigkeit / in Liebe des Nächsten; im Leihen und Widergeben; in Gutthätigkeit / in Pracht und Hoffarth / da [452] man in Sammet und Seiden einher gehet / einen grossen Titul an sich führet / und alles Vermögen durch Diebes-Griffe an sich bringet. Da man meinet / es müsse der Armen ihr Gut dem Grössern zu Dienste stehn: Da man die Geringern um das Recht bringet: Die Unterthanen mit übermässigen Frohn-Diensten und Auflagen beschwehret: Ihnen die Haut über die Ohren ziehet / und denenselben ihr verdientes Lied-Lohn vorenthält. (Sir. 53.) Es heist aber / wer den Armen um sein weniges Brod bringet / der ist ein Mörder: Wer Einem seine Nahrung nimmet / der ködtet seinen Nächsten: Wer einem Arbeiter seinen Lohn nicht giebet / der ist ein Dieb (Habac. 2. Es. I. Prov. 21.) und ein Bluthund. Wehe dem / der sein Gut mit frembden Gute mehret / wie lange wird es währen? Deine Fürsten stehet dort / sind abtrünnige / und Diebes-Gesellen: Ihr Rauben wird Sie schrecken. Der Diebstahl ist nichts anders / als / wenn Einem das Seinige heimlicher Weise und mit List entführet wird. Die unverschämte Künheit und Vermessenheit der Menschen / ist bald anfangs der Welt so groß gewesen / daß Sie sich nicht gescheuet denen Lastern des Dieb stahls iederzeit nachzuhängen / sondern auch gar eine behende Geschicklichkeit zu vertheidigen unterfangen. (Ob der Diebstall zulässig?) Die Aegypter liessens einem ieden / wenn Er nur geschwinde und listig damit umgienge / öffentlich zu / und wurde endlich das Stehlen bey Ihnen so gemein / daß man sich auch vor dem Vornehmsten in Acht zu nehmen hatte. Die Bactrianer hielten die Jenigen / so sich mit dem Diebstall (Plutarchus in Laconicis.) nicht behülfen / für einfältig: Die Laconer schätzten denselben für eine Tugend / und hielten ihren Kindern dißfalls gewisse Lehrmeister / die Sie / wie Sie listig stehlen sollten / mit Fleisse unterrichteten. Dafern nun Einer unweißlich stahl / wurde Er nicht wegendes Diebstahls / und / daß Er daran unrecht gethan / gestrafft; sondern / weil Er nicht listiglich und zur ungelegenen Zeit / da es niemand wäre inne worden / gestohlen. (Sebast. Franck. Plutarch. l. c.) Ein solch leichtfertiges Schul-Recht begienge daselbst ein Knabe. Dieser stahl einen Fuchs / und weil Ihn die / so Ihn verlohren / um sich suchten / verbarg Er denselben unter den Rock. Der Fuchs biese den Knaben so hart und offt / daß Er darüber weide-wund ward. Als aber die / so Ihn suchten / hinweg / strafften den Knaben die Andern / und sprachen; warumb Er sich bis auf den Tod verwunden lassen? gab Er zur Antwort: Es ist besser / daß man sterbe / denn daß man sich über dem Diebstahl ergreiffen (Aulus Gelli9.) lasse. So aufrichtig und gestreng sonst die Lacedämonier in Erhaltung der Gerechtigkeit waren / so sehr führeten Sie ihre Jugend zum stehlen an / und gaben Ihnen deßwegen nichts zu Essen; sobald aber Einer darüber betretten wurde / ward Er hefftig gepeitschet / damit Er disfals ein andermahl geschwinder / listiger / und verschlagener gebahren möchte. Die Argiver / so ein Griechisches Volck / hatten zu dem Diebstahl eine solche Zuneigung / daß / wenn man von Dieben / denen gleichsam das Stehlen angebohren / redete / man zu sagen pflegte: Es ist ein Argivischer Dieb. Heutiges Tages aber befleissiget sich die Welt des Stehlens / wo nicht öffentlich / doch / daß man es greiffen kan / und muß man offtermahls gar vor dem grossen Dieb den Hut abziehen. Gleichwie aber so wohl der Kleine als grosse Dieb an Galgen gehöret: Also siehet man auch aus der blossen Vernunfft / daß das Stehlen an sich selbst eine abscheuliche und ungerechte Sache sey. Denn einen Dieb drücket nichts mehr / als sein eigen böses Gewissen / durch welches Er verzagt und furchtsam gemachet wird. Zudem / so ist es wider GOTT / sein Gesetze und heiliges Evangelium / wider die Geistlichen und Weltlichen Rechte / ja wider das [453] Recht der Natur selbst. Die Griechen brenneten dem / so bey Ihnen gestohlen / mit einem glüenden Eisen ein Brandmahl auf die Stirne / damit man sahe / was Sie am Schilde fügreten. Die Gothen liessen entweder den Dieben die Ohren abschneiden / oder Sie an den liechten Galgen henken. Der Aegyptische Gesetz-Geber Prometheus ordnete / daß man die Diebe binden / und Sie denen Kindern auf der Gassen übergeben sollte / (Jos. 7.) damit Sie mit Ihnen nach Gefallen umgehen möchten. Achan der Sohn Charmi stahl heimlich von dem verbanneten Gute / und verbarg es in seine Hütten; GOtt aber erzürnete sich des wegen über die Israeliter / daß sie von ihren Feinden in die Flucht geschlagen worden. Nachdem aber auf Josuae Gebet / der Thäter und Diebstal offenbahr / steinigte den (Exod. 22, 2.) Achan das Volk Israel. Wann ein Dieb / spricht der HERR / einbricht / und wird darüber todtgeschlagen / so soll man kein Blut Gerichte über Jenen ergehen lassen. Wie und was Gestalt die Welt voller Diebe / wurde hier zu erzehlen zu weitläufftig fallen. Wir wollen aber nur etliche Kirchen und Landes-Diebe mit wenigem erwehnen / und daraus sehen / daß (Kirchen-Diebe sind nicht selzam.) dieses nicht Eines von den geringsten Lastern sey. Als der König zu Babel / Nebucadnezar / die Stadt Jerusalem eroberte / das Volk gen Babel geführet / und alles güldene und silberne Gesässe mit sich aus dem Tempel hinweggenommen / hielte sein Sohn Balthasar nach der Zeit mit seinen Gewaltigen ein herrliches Mahl / ließ dieselben Gefäse zum Saufen herzu bringen / und verspottete darbey den GOTT Israel. Es erschien aber darbey an einer getünchten Wand eine Hand / welche Ihm den Untergang und das Ende seines Reichs andeutete. Da König Herodes König Davids und König Salomons Grab eröffnete / und etliche Kleinodien daraus dieblich entwenden wollte / fuhr Ihm ein Feuer entgegen / und verbrannten (Chronic. Platin.) darüber Zweene seiner Diener. Pabst Bonifacius der Siebende brachte das Pabstthum mit List an sich: Als Ihn nun endlich die Römer zur Stadt ausjagten / stahl er vorhero die köstlichsten Sachen aus Sanct Peters Kirchen / und machte sich darmit so lange gen Constantinopel / bis daß Er daselbst Alles verkaufft. Nachdem Er aber einen Aufruhr nach dem Andern stifftete / starb Er endlich eines elenden Todes / also / daß man Ihm nachschrieb: Er wäre zur Päbstischen Crone kommen wie ein Fuchs / hätte regieret wie ein Löwe / und wäre gestorben wie ein Hund. Auch die Heyden rühmeten sich / daß der Kirchen-Raud nicht wäre ungestraffet blieben. Da der Röm. Feldherr Marcus Crassus in Indien zog / raubete er in dem Durchziehen aus dem Tempel zu Jerusalem 60. Tonnen Goldes / Er ward aber hernach von den Parthern mit samt seinen Söhnen erstochen / und gossen Ihm die Feinde um seines Geitzes Willen geschmolzen (Aulus Gellius lib. 3.) Gold in die Ohren. Als der Römische Bürge Meister Quintus Scepio die Stadt Tholosan zerstörete / und das Kriegs-Volk unter andern auch den Tempel beraubete / dasturben / der Sage nach / Alle die Jenigen / die sich dessen theilhafftig gemacht / eines erschrecklichen Todes. Der Abgott Apollo / soll in der Stadt Carthago / welche die Römer erobert / alle die Jenigen / so sich an seinen güldenen Kleidern vergriffen / an ihren Händen gelähmet haben. Der Wenden König Hunderich beraubete den Tempel zu Hispalis / und ward darüber von dem Teuffel besessen. Von dem Tyrannen Dionysio zu Syracusen schreibet man / daß Er unterschiedliche Tempel der Abgötter beraubet / sein Sohn aber hätte solches entgelten / und letzlich aus Armuth einen Schulmeister zu Corintho abgeben müssen. (AElian. lib. 13.) Macarius ein Abgöttischer Pfaffe zu Mitylen / beherbergete eins [454] mahls (de Var. Histor.) Einen / der Ihm auf Treu und Glauben eine Summa Geldes aufzuheben gab; Sobald dieser hinweg / nahm Macarius das Geld / und vergrub es in des Bacchi Tempel. Da nun der Ausländische sein Geld wieder begehrete / führete Er Ihn mit sich in den Tempel / erschlug Ihn daselbst / und verscharret denselben hingegen an dem Ort / da Er das Geld herausgenommen. Wenige Zeit hernach / als der Thäter des Abgotts Fest feyerlich begehen wollte / hinterlies Er zu Hause seine zween Söhne / diese meineten / weil der Vater in dem Tempel opferte / so müsten Sie auch zu Hause ein Opfer anstellen. Derohalben giengen Sie zu des Vatern Altar / woselbst der Aeltere ein rostiges Messer fand / und dem Jüngern die Kehlehbstach. Da dieses das Gesinde warnahm / machten Sie ein Geschrey / die Mutter lief hinzu / und weil Sie den Aelteren noch das blutige Messer in den Händen haben siehet / rieß sie einen Brand vom Altare / und erschlug Ihn darmit. Dem Vater ward alsbald in dem Tempel seiner beyden Söhne Tod hinterbracht / lief im Zorne hinein / und erschlug gleichfalls sein Weib mit einem Knittel. Wie die That ruchbar / brachte man den Macarium zur gefänglichen Hafft / und befragte Ihn unter andern peinlich / ob Er den Mord in dem Tempel begangen? und da Er solches bekennete / starb Er unter der Marter. (Vielweniger die Andern.) Wie die Zucht; also ist auch die Brut. Eine Mutter verstattete ihrem Sohne in der Jugend allen Muthwillen / also / daß Er von kleinen Dingen zu stehlen anfieng / und / vermittelst des Galgens / an Grossen aufzuhören (Pontanus lib. 9. de Educatione Liberor.) genöthiget. Wie Er nun zum Tode hingeführet wurde / ersahe Er seine Mutter / berieff dieselbe zu sich / als wollte Er Sie zuletzt noch küssen / biesse Ihr aber die Nasehinweg / spich sie auf die Erde / und sprach zu denen Zuschauenden: Sehet / das ist der Mutter Lohn / die mich in der Jugend so böse erzogen hat. Als ein bekannter Geistlicher Einen / der gestohlen hatte / trösten sollte / und derselbe sich zum höchsten darwider / weil Ihm (D. Rodingi9.) das Stehlen angebohren / beschwehrete / sprach Jener zu Ihm: Freund! Bistu zum stehlen gebohren / so bistu auch zum hencken gebohren. Chur-Fürst Friedrichs zu Sachsen Hoffnarr sagte: Es ist besser ein Dieb am Galgen als in der Stadt. Keyser Maximilianus hatte eines Tages viel Geld in seinem Zimmer auf der Tafel liegen / dieses sahe Einer seiner Hoff-Leute mit begierigen Augen an. Der Keyser merckte solches / und stellete sich / als wenn Er einschlieffe. Der Diener fuhr geschwind mit einer Hand vol Goldes in den Sack. Der Keyser aber / als Er aus dem verstelleten Schlaffe erwachete / sagte zu demselben: Ich sehe / daß dir das Geld wohlgefället / darum raffe / so viel als du kanst / es soll dir dasselbe geschenket seyn. Als nun selbiger eine ziemliche Hand voll erfassete / sprach der Keyser: Lieber / zehle mir / wie viel du bekommen! Da solches geschehen / sagte der Keyser: So zehle nun auch das / was du allbereit im Sacke hast! Worüber Er schamroth gemacht / und Ihm beydes gelassen wurde. Wie man es treibet / so gehet es. Keyser Carin dem V. stahl einer eine Uhr / nachdem aber dieselbe kurtz darauf zu schlagen anfienge / verrieth sie den Dieb / der dem Keyser einen Fußfall thate / und um Gnade bate: Der Keyser gab Ihm diese Lehre / und sprach: Ein andermahl handele ehrlich. Denn die Furcht / Schande und der Spott / dessen du dich ietzo befürchtest / ist weit grösser / als die Hoffnung des Gewinstes. Gelegenheit macht Diebe. Und da deßwegen einesmahls die Magd zu ihrer Frauen sagte: Warum Sie allezeit ihre besten Sachen verschlösse? sagte diese: Darum / damit du zu keiner Diebin werden mögest. Dieberey ist die gröste [455] Nahrung in der Welt. Wer es nicht glaubet / der gehe in seine eigene (Der Diebe Verwegenheit.) Handthierung. Ein Dieb begehrete bey einem vornehmen Panqvete eine Verehrung / und gab vor / Er wäre seines Handwerkes ein Dieb. Den Gästen kame dieses wunderlich vor / und begehrten dessen eine Probe. Der Dieb lies Sich einen silbernen Becher nach dem Andern voll Wein einschenken / tranck daraus / und steckte Sie ein. Als er nun damit sich wol angefüllet / gieng Er zur Thüre hinaus / und sprach zu denen Anwesenden: Also pflege Ich es zu machen. Die Gäste meineten nicht anders als triebe Er Schertz; Nachdem Er aber nicht wieder kam / wurden Sie / mit Schaden inne / daß seine Probe richtig. Zur Zeit Francisci des Ersten Königes in Frankreich / kam ein Dieb wohlbekleidet in die Kirche / gleich / da man die Messe mit grosser Andacht hielte / und entführete dem Cardinal von Lothringen aus seinem Talar-Rocke etliche Cronen Goldes. Als Er aber merckete / daß Niemand als der König dasselbe gewahr wurde / winckete Er Ihm mit lachendem Munde / gleich als wenn es Schertz wäre / der König meinete nicht anders als seh es ein Hof-Juncker. Und als gedachter Cardinal / nach geendigter Messe / mit dem Könige zur Tafel saß / vexirete Ihn dieser / wo Er sein Gold gelassen? Der Cardinal ward hierüber bestürzt / und / weil der König sahe / daß sie beyde betrogen / erzehlete Er den ganzen Handel / lies dem Cardinal so viel Gold / als Ihm entwendet worden / hinwieder gut thun / und betheurete hoch / daß die Zeit seines Lebens kein Dieb mit Ihme / wie dieser / habe begehret Kundschafft zu machen. List und Behendigkeit haben offters vielerley Krafft. Ein Dieb sahe auf dem Marckte eine Frau mit einem Beutel gehen / verfügte sich dahero ze Jhr / rieß Jhr den Beutel aus den Händen / schlug sie in das Gesichte / und sprach zu den Beystehenden: Ich habe es meinem Weibe so offte gesagt / Sie soll mir das Geld nicht so muthwillig zu Marcke tragen / und gieng darüber / ehe sich die Fraue besanne / darvon. Zweene Diebe machten einem Anschlag auf einen Reichen. Der Eine verkleidete Sich in Gestalt eines Teufels; Der Andere als ein Engel. Diese stiegen an einer Leiter in des Reichen Cammer: Der vermeinte Teufel qvälete Ihn auf das hefftigste: Der verstellete Engel aber versprach Ihm Beystand / wenn Er sein schädliches Reichthum von sich legen würde. Der Reiche verstand unrecht / schrie überlaut / bis das die Nachbaren herzu eileten / die Leiter an dem Fenster funden / die Diebe ertappeten / und (Herodot. lib. 2. c. 19. A. M. 3050.) sie nachgehends an den Galgen gehencket wurden. Als der Aegyptische König Rampsinitus viel Reichthum zusammen brachte / befürchtete Er sich / es möchte Ihm gestohlen werden / ließ Ihm dahero ein steinern Haus / und wohlverwahrtes Gewölbe bauen / darein Er seinen Schatz legete. Der Baumeister that bey diesem Bau sein bestes / alldieweiler merckete / warum es der König so verwahren liesse. Erdachte eine List / setzte in die euserste Seite des Baues einen Stein / welchen ihrer zween gar leichtlich aus- und einheben kunten / gar künstlich ein. Da nun das Gebäude fertig / ließ der König seinen Schatz darein tragen / und verwahrete die Thüren an allen Ecken. Eine Zeit darnach forderte der Bau Meister auf seinem Todtbette seine beyden Söhne vor sich / offenbarete Ihnen den heimlichen Gang zu des Königes Schatze / und vermahnete sie / daß Sie mit dem Handel ja vorsichtig umgehen möchten. Die Söhne säumeten sich nach des Vaters Tode nicht / sondern eröffneten den verborgenen Ein [456] gang / und nahmen eine grosse Summa Geldes daraus. Der König fand etliche Küsten leer / und das zu unterschiedenen mahlen. Damit Er aber hinter den Grund käme / ließ Er ein subtilenes eisernes Netzlein machen / und dasselbe um die Geld-Küsten spannen. Wie nun die beyden Brüder mehr Geld aus dem Schatze hohlen wollten / fieng sich der Eine in dem Netze / und ie mehr Er sich herauszuwickeln gedachte / ie tieffer fiel Er darein. Derowegen rief Er seinem Bruder und sagte: Du siehest / daß ich gefangen bin / Darum ziehe mich nackend aus / haue Mir den Kopff ab / damit ich der Marter entübriget / du und unsere Mutter aber des Lebens versichert / und eurer beyderseits guter Nahme dadurch gerettet seyn möge. Und ob schon dieses dem Bruder beschwehrlich fiel / gieng Er es doch ein / nahm das Haupt / und die Kleider / nebenst einem guten Theile Geldes zu sich / und machte das Loch wieder zu. Des morgens kam der König in seine Schatzkammer / fand den Dieb in dem Netze ohne Haupt / und weil Er nicht wuste / wie es zugieng / befahl Er den Dieb auf die Stadt-Mauer an den Galgen zu hencken / bestellete darbey etliche Wächter / und befahl / daß / solbald sie iemand sehen würden / der den Todten beweinete / oder beklagte / den sollten Sie in Verharfft nehmen. Da dieses die Mutter des Diebes erfuhr / wollte sie sich nicht eher zu Frieden geben / diß daß der Sohn seines Brundern Cörper von Galgen hinweg brächte / und begrübe. Dem Sohne kame es zwar (List über List.) unmöglich vor / iedoch erdachte Er diese List. Er belud zwey Esel mit Weine / trieb sie an den Ort / da die Wächter waren / und stellete sich / als wenn Ihm die eine Last / die Er doch selbst los band / entfiele / und der Wein herauslieffe. Da dieses die Wächter sahen / lieffen sie mit Geschirren hinzu / und samleten den auslauffenden Wein. Der Dieb stellete sich anfangs gengen sie zornig / ließsich aber bald wieder begütigen / und / weil Sie Ihm / dem Ansehen nach / alle hülffliche hand geboten / gab Er Ihnen zur Verehrung noch darzu eine Flasche Wein / worüber die Wächter lustig und endlich toll und voll wurden / bis sie für Trunkenheit hinfielen / und endlich einschlieffen. Der Dieb ersahe seine Gelegenheit / nahm den Dieb von dem Galgen / lud Ihn auf einen Esel / schor den Wächtern die halben Bärte ab / und machte sich damit aus dem Staube. Wie man dieses des Morgens dem Könige hinterbrachte / erbitterte Er sich dermassen darüber / daß Er durchaus den Dieb haben wollte / und lies zu dem Ende in ein besonder Gemach seine Tochter (wo dieses anders wahr) bey Allen denen jenigen schlaffen / die Ihr zuvor durch einen Schwure alle böse und kluge Thaten / so sie die Zeit ihres Lebens begangen / geoffenbahret hätten / und dafern sich Einer fände / der des Diebstahls erwehnete / den sollte Sie greiffen / und / biß man darzu käme / feste halten. Der Dieb vermeinete dem Könige noch einen Diebes-Griff zu beweisen / lösete seines ertödteten Bruders rechte Hand von dem Leibe / fassete Sie unter den Mantel / und gab sich damit beydes Königes Tochter im Gemach an. Und nachdem Sie Ihn fragete / was Er in seinem Leben am klügesten und bösesten begangen? Gab er zur Antwort: Die böseste That wäre diese / daß Er seinem Bruder in der königlichen Schatzkammer / weil Er verstricket gewesen / das Haupt abgeschnitten; Die klügeste aber / daß Er / nachdem man seinen Bruder heirauf an Galgen gehencket / denen hierzu bestellten Wächtern die halben Bärte abgeschoren / und seines Bruders Leib darvon gebracht hätte. Da dieses die königliche Princessin hörete / grief Sie nach Ihn / und machte ein Geschrey / der Dieb [467] aber reckte ihr im Finstern seines todten Brudern Hand entgegen / und lieff eilends zum Zimmer hinaus. Der König verwunderte sich über des Diebes Kühnheit und Geschwindigkeit noch mehr als zuvor. Ließ dahero öffentlich ausruffen / daß / dafern sich derselbe würde angeben / und freywillig offenbahren / so sollte er nicht allein wegen des verschlagenen und begangenen Diebstahls begnädiget werden / sondern auch seine Tochter zur Gemahlin haben. Welches auch geschehen / und macht hierauf Herodotus den Schluß: daß / ob zwar sonst die Aegyptier Andere in dergleichen übertreffen / so sey doch dieser allen Aegyptiern vorgezogen worden. (Beutelschneider.) Unter diese Zunfft gehören auch die Beutelschneider / Mörder / und Strassen-Räuber / deren Ersten Einer sich einsmahls zu Paris zu einem Bruchschneider begab / und begehrte / daß er seinen Jungen am Bruche schneiden / und deswegen Ihm nur Anfangs / weil er sehr schamhafftig / freundlich zureden sollte. Gieng hierauf in einen Cram-Laden / und lies sich durch des Kauffmanns Jungen etliche Waaren hernach tragen / das Geld dagegen in Empfang zu nehmen. Der Junge folgete dem Beutelschneider / und nachdem er ihn in des Bruchschneiders Haus geführet / nahm derselbe den Jungen vor sich / und wollte den vermeinten Schaden besichtigen. Indem sich aber dieser weigert / gehet inzwischen der Beutelschneider mit den Waaren darvon. Ein vermeinter Cavallier hatte kein Geld / lies sich ein paar Stiefeln bringen / und zog den einen an / stellte sich aber / als wenn ihm etwas nothwendiges aufgestossen / und hies den Schuster nach der Mahlzeit wieder kommen. Unterdessen schickte er nach einem andern / so auch dergleichen Stiefeln hatte / machte es auf gleiche Art / ritte mit beyden Stie feln zum Thore hinaus / und musten die zweene Schuster / nach dem sie nach Tische zusammen kahmen / das Nachsehen haben. Zur Zeit König Heinrich des Vierdten in Franckreich stahl ein Beutelschneider einem von Adel aus dem Schubsacke 300. Cronen / der Edelmann merckte bald / wo er sein Geld verlohren / steckte einen Beutel voller Rechen-Pfennige zu sich / ließ den Riemen darvon heraus hangen / und gieng auf den vorigen Marckt-Platz. Der Beutelschneider gedachte abermahls mit List den Beutel darvon zu bringen / es hatte aber der Edelmann ein Fang-Schloß mit Widerhacken in dem Schubsacke / sobald nun jener die Hand hineinsteckte / da fieng er sich selbst. Der Edelmann stellete sich / als wenn ihm nichts drum wäre / gieng auf dem Platz hin und wieder spatziren. Der Dieb aber zopffete ihn bey dem Mantel / und bat um Erledigung. Wie aber männiglich zulieff / sprach der Edelmann zum Diebe: Höre Geselle; gestern hastu Mir 300. Cronen aus dem Sacke gestohlen / wirst du Mir dieselben nicht alsbald wiederschaffen / so müssen wir einen Richter suchen. Und ob wohl der Dieb anfangs leugnete / so führete er doch letzlich den Edelmann an den Ort / da er sein Geld wiedererlangete. (Diebes und Räuber-Griffe.) Die Welt ist voll Betrug / nur daß zwischen Grossen und Kleinen ein Unterscheid. Ein listiger Räuber und Dieb / mit Nahmen Eurybatus / wurde ertappet / und in das Gefängnis geworffen. Die Hüter begehrten von ihme zu wissen / durch was Mittel und Wege er zeithero die höchsten Häuser erstiegen. Der Räuber begehrte / man sollte ihm nur etliche Schwämme / spitzige Stacheln und Kletter-Eisen zur Hand schaffen / da dieses geschahe / froch er an der Wand herum / und ehe sichs die Hüter versahen / erreichte er die Höhe der Balcken / kam auf das Ziegel-Dach / und entspringet ihnen für ihren Augen. Je verwegener nun dergleichen böse Leute zu seyn pflegen / ie [468] furchtsamer ist auch ihr Gewissen. Ibycus Rheginus / ein Italiänischer Poete / wurde von den Räubern in einer Einöde umbracht / und da man Ihn gleich tödten wollte / flohen etliche Kraniche vorbey / da sprach Ibycus: Sehet! nach meinem Tode sollen mich die Vogel rächen! Nachdem nun eines Tages Die Mörder zu Corintho in einem Spiel-Hause sassen / und Kraniche vorbey flogen / sagte der Eine zu dem Andern: Siehe / dort fliehen des Ibyci Rächer; Dieses hörete Einer / der darbey stund / gieng hin / und zeigete es dem Richter an; Worauf sie gefangen / und zum Tode verurtheilet wurden. Ein Soldate sagte einsmahls zu seinem Hauptmann im Schertz: Kleine Diebe hält und achtet man für Diebe / von den Grossen darff man nicht einmahl mucksen / und ihr Herr Hauptmann (Chron. Albert. Cranz. lib. 10. c. 30. A. C. 1410.) seyd auf diese Weise auch kein Dieb. Einen weit bessern Unterscheid aber wuste Hertzog Heinrich zu Lüneburg hierinne zu machen. Denn nach dem sein Hauptmann Einer einen Bauer / der da pflügete / mit Gewalt seinen Rock vom Felde hinweg nahm / und der Hertzog nach etlichen Stunden auch vorbeyritte / klagte solches der Bauer. Der Hertzog befahl im Rückwege / daß sich der Hauptmann dahin stellen sollte. Wie er nun auf Befragen seine Entschuldigung vorwendete / wollte Ihm der Hertzog an derselben nichts gestehen / sondern zog den Zügel von desselben Pferde / (Es. 33.) und hieng ihn an einen Baum. GOTT hilfft offt selbst das Gerichte halsollst wieder geraubet werden. (Diebstahls Straffe bey den Alten.) Jener versuchte Soldate gab nicht vergebens den Rath / daß man die jungen Diebe / damit sie nicht mehr stehlen / und die Alten / weil sie gestohlen / jederzeit aufhencken sollte. Die Römer hatten ein Gesetze / daß / wenn man einen Dieb des Nachts ertappete / so hätte man Macht denselben zu erstechen / stahl er des Nachts / und wollte sich zur Wehre setzen / mochte man ihn umbringen. War der Dieb ein freyer Mensch / ward er dessen / den er bestohlen / Leibeigener; war er aber ein Leibeigener / wurde er mit Ruthen gestrichen. Stahl man einem das Getreydicht auf dem Felde / oder ließ es durch das Vieh abfressen / den straffte man / wenn er mündig / am Leben / war er aber unmündig / so striech man ihn mit Ruthen / (Aulus Gellius lib. I. c. 18) und muste den Schaden gedoppelt bezahlen. Der Atheniensische Gesetz-Geber Draco verordnete unter andern / daß / wenn man einen Dieb ergrieffe / es wäre der Diebstahl gleich gros klein / man ihn alsobald tödten sollte. Die alten Hetrurier bestrafften den Diebstahl mit Steinigen. Die Locrenser / so Griechische Völcker waren / stachen den Dieben (Heraclides in Polit.) die Augen aus / wie auch denen / welche Ehebruch begiengen. Und / als einsmahls der Sohn Zaleuci / der den Locrensern solche Gesetze gemacht hatte / in dem Ehbruche begriffen wurde / wollten ihn zwar die Locrenfer um des Vatern herrlicher Tugenden willen die Strafe erlassen / allein der Vater wollte es durchaus nicht gestatten / sondern begehrte zu Erhaltung des Gesetzes / daß man ihm ein Auge / und dem Sohne das andere ausstechen sollte. Wer in Phrygien einen Pflug auf dem Felde beraubete / der muste ohne ohne alle Gnade sterben. Die Lycier machten die Diebe zu leibeigenen Knechten. Bey den Aegyptiern musten die Diebe den Diebstahl dreyfächtig bezahlen; wurden auch aller Ehren entsetzet / und bis an ihr Ende Ehr-los gehalten. (Der Diebe Unterscheid.) Vor Zeiten waren auch diejenigen vor Diede gehalten / welche auf dem Lande oder in der Stadt etwas entfrembdeten: Wenn Sie bey [469] einem Andern ein Pferd auf einen Tag borgeten / und behielten es zwey Tage bey sich. Wenn man bey einem Etwas hinterlegte / und es für sein Eigenthum gebrauchte / und wenn man etwas hinterlegte / und gab es zu rechter Zeit nicht wieder. Und / weil endlich das Stehlen und Strassen-Rauben bey den Alten so gemein / so liessen die Griechen den Dieben gewisse Zeichen auf die Stirne brennen; Die Lacedoemonier ihnen die Nasen / die Römer die Hände / und die Gothen die Ohren abschneiden. Wofern man aber heutiges Tages allen Dieben Nasen / Ohren / und Hände abschneiden / oder ihnen gewisse Merck-Mahle ausbrennen sollte / so würden ihrer in einem gemeinen Wesen offters mehr als Tugendhaffte Leute gefunden werden.

Der Kauffmannschafft Anfang.
[arrow up]

DEm Mercurio legte man auch zu / daß Er / als ein verschlagener und verschmitzter Mensch / die Handelschafft / das ist / die Art und Weise zu kauffen und verkauffen gewiesen habe. Wenn man aber die alten Zeiten ansiehet / so ist Tauschen und Vertauschen schon zu Cains und Abels Zeiten gewesen. Denn Abel war (Plinius.) ein Hirte / und Cain ein Ackermann. Der Eine muste dem Andern Fleisch / und dieser jenem Getreyde und Brod geben. Plinius führet die Kauffmannschafft von den Africanern her / und saget / daß sie meistentheils aus Noth des menschlichen Lebens erfunden. Josephus aber meldet / sie rühre von Noa her / und findet man hin und wieder in der Schrifft / daß man nicht allein Waaren und andere Dinge gegeneinander verstochen / sondern auch Menschen gekaufft und wieder verkaufft habe. (Der Handellchafft Nutzen und Mißbrauch. Cicero lib. I. Officior.) Der weise Plato will / daß / wenn ein Regiment wohl bestellt seyn solle / so müsse Handel und Wandel darinnen vorgehen. Denn / wenn der Gewinst vergnüglich / so ist es nicht ein Geringes / über See / und in frembden Ländern das hohlen / was man bedarff / sich dadurch mit frembden Nationen bekandt machen / und viel Länder und Königreiche erfahren. Zu dieser Verrichtung gehöret nicht eine geringe Vorsichtigkeit / Nachdencken / Mühe / Verstand und Wissenschafft / in aller hand Kauff-Gewerde / Nutzen / Waaren / Reisen / Leihen auf baar Geld / auf Zeit / auf Wechsel / und Wechsel-Brieffe / mit Hand-Schrifften und Contracten / auch wie man einen und den andern Verlust und Gewinst haben könne. Alle Arbeit geschiehet um der Nahrung willen. Denn / das ist GOttes (2. Thess. 3, 12.) Ordnung / daß der Mensch arbeite / und esse zur Stärcke. Er will / daß einjeder das Seine schaffe / und sein eigen Brod gewinne / nicht / daß er im Schweiß seines Angesichts Geld und Gut zusammen scharre / sondern / daß Er sein Brod darvon habe / und seinem Nächsten auch darmit diene. Der Nächste aber soll gleichfalls / so viel ihm möglich / arbeiten / und sich der Faul [470] heit und des Müssigganges enthalten. Viel Haab und Güter besitzen / und dieselben nicht recht anwenden / ist eben so viel / als wenn ein Blinder ein schönes Gemälde ansiehet / und will sich daran ergetzen. Man besitzet sie blind / und blind muß man sie wieder verlassen. Einjeder warte das Seine ab. Der allweise Gott hat allen Ständen in der Welt seine Grentz-Mahle gesetzt / welche zu überschreiten sie nicht befugt / als da sind Geistliche / und Beygehülffen in der Kirche GOttes / und Weltliche von allerhand Ständen. Denen allen Er ihre Maaß austheilet / einem jeden das Seinige / was ihme auferleget / verschaffet. Ein jeder mus arbeiten mit seinen Händen / in Treue und Aufrichtigkeit / in Vorsichtichkeit und Redlichkeit. Ein Geistlicher versiehet sein Amt; Ein Haus-Vater seine Haushaltung; Ein Wirth seine Wirthschafft; Ein Handwercks-Mann seine Arbeit; Ein Bauer seinen Pflug / und ein Kauffmann seinen Handel und Wandel. Alles soll mit redlicher Hand geschehen. Es ist der Natur gemäs / daß der Mensch zur Arbeit gebohren. Einer Spinne tauert um einer Mücke willen keine Arbeit / und die Ameyse scheuet weder die Hitze noch des Wetters Ungelegenheit. Die Heyden selbst geben vor / daß bey dem Gott Jupiter um der Arbeit willen / alles zu feilen Kauffe gehe. (Sir. 3, I.) Der ist reich / welcher die Haut dran strecket / und sammlet Geld. Fleissige Hände machen einen grossen Hauffen / und wer sich darmit nähret / der (Ps. 128. v. 2, 4.) hat des Guten genug. Hingegen die Faulheit ist wie Einer / der vom Schlaffe aufstehet. Faul- und Trägheit ist eine Schwester des Diebstahls / und ist ärger als dieser selbst: Denn ein Dieb stielet behende / ein Faulentzer aber stielet der Zeit alle Stunden und Augenblicke abe. Er (Prov. 24, 31. Ecclesiast. c. 3.) bringet das Seine um; Seine Aecker und Weinberge werden zu Disteln und Nesseln / und das Armuth übereilet ihn wie ein Fußgänger. Suchen und verlieren / hat seine Zeit: Suchen ist nichts anders / als wenn man sich um gewisse Dinge bearbeitet / bemühet / darnach strebet / und sie endlich erlanget und besitzet; Verlieren aber / da man die gesuchten und erhaltenen Güter mißbrauchet / sie muthwillig verschwendet / oder damit schindet / und schabet / bis uns GOTT aus gerechtem Eifer wieder entziehet. Gewerb und Kaufmannschafft ist zwar eine zulässige Nahrung / als wie (I. König. 10. v. 28. Es. 23. 3.) Salomo sein Gewerb in Aegypten und Ophir / die zu Tyro bey allen Völckern trieben / und die Stadt Ninive so viel Kaufleute und Krahmer / als Sterne am Himmel in sich hatte; Allein / wenn man Einem eine böse und verlegene Waare mit tausend süssen und betrüglichen Worten auf bürdet / Ihn mit Eyd-Schwüren hinan locket / die Mängel der Waaren verschweiget / mit denenselben zur Unzeit aufschläget / den gemeinen Mann bewuchert / das Geld aus dem Beutel lüget / mit List und Betrug überladet / betrüglicher Weise Wechsel von sich stellet / Wittben und Waisen hintergehet / und noch darzu mit jenem Genueser Kauffmann zu sagen pfleget: Chi no sà l??? Arte, serra là Bottèga: Wer nicht die Kunst meisterlich zu betrügen weis / der mache den Laden bey Zeiten zu! Dasselbe alles ist betrügerisch / und in den Rechten verbotten. Dahero folget gemeiniglich darauf / daß bey solchen und dergleichen Betrug / Wucher und Schinderen / falsche Wage / Gewicht und Ellen / weder Glück noch Seegen anzutreffen / sondern es wird zuweilen das zusammengescharrete Vermögen entweder unverhofft auf der See ersäufft / durch Krieg geraubet / durch [471] Brand verderbet / oder auch durch liederliches Leben mit hundert tausenden bis zum Falliment verprasset. Der Prophet spricht / der Kaufmann (Hos. 12. 7 Deut. 25, 13.) hat eine falsche Wage in seiner Hand: Jhr sollet nicht unrecht handeln mit der Elle / sondern es soll einjeder rechte Wage / recht Pfund / rechte Scheffel und rechte Kannen haben. Ein Kaufmann kan sich schwerlich hüten (Prov. II, I. 20. 10. Sirach. 37, 28.) für Sünden / und ein Cramer für Unrecht. Denn umb des Guts willen / thun ihrer viel unrecht. Wie ein Nagel in der Mauer zwischen zweyen Steinen stecket: Also stecket auch die Sünde zwischen dem Käuffer und Verkäuffer. (Des bösen und guten Gewerbs Unterscheid.) Und / obwohl / wie gesagt / die Handelschafft / an und vor sich selbst / eine von GOTT selbst zulässige / nutzbare / unentbehrliche / und dem gemeinen Wesen höchst-zuträgliche Sache; So stecket doch nicht ein geringer Mißbrauch und Betrug darhinter / indem ins gemein deroselben Zweck dahin gehet / wie sie nicht so wohl dadurch Tugend / Ehre und einen herrlichen Nahmen / sondern vielmehr Geld und Gut vor sich bringen / und darmit vor Andern sich bereichern mögen. Wodurch man denn leichtlich die Liebe des Nächsten vergisset / und allen Gewinn für nützlich und billich achtet. Es soll darbey die Geschwindigkeit im Gewichte und Maase kein Betrug seyn / und ob es gleich der Mensch nicht siehet / so siehet es doch GOTT. Man fürchtet sich für dem Tode / und gleichwohl verschwöret man seine Seele umb eines geringen Gewinsts willen / bis in die äusserste Hölle. Die Griechen liessen vormahls die fremden Kaufleute nicht in ihre Städte / sondern sie musten ausserhalb der Stadt wohnen / und daselbst ihre Waaren verkauffen. Es ist zwar nicht ohne / daß kein Handel und Wandel ohne Gewinst geschehen kan / indem die Eigenschafft eines Contracts im Kauffen und Verkauffen es mit sich bringet / daß derjenige / welcher etwas kauffet / nicht zu viel darvor geben will / der Verkauffer das Seinige auf das höchste ausbeuth / und so hoch / als er es auszubringen vermag / verkauffet / nichts desto weniger aber soll man die Billichkeit darbey (Paulus ad Thess. c. 4. v. 6. Prov. XI, 26.) betrachten / und nicht zu weit greiffen / damit man seinen Nächsten oder Bruder im Handel nicht vervortheile. Insonderheit werden diejenigen / so Wein / Korn und andere Victualien und Waaren Hauffen-weise an sich kauffen / in der Schrifft nicht wenig angestochen / und stehet darbey: wer Korn inne behält / und verkaufft es nicht zu rechter Zeit / dem fluchen die (Reinkin. Polit. lib. 3. Axiom. 48.) Leute / der Seegen aber kömmt über die / so es verkauffen. Noch ärger aber sind die / welche durch einen gewissen Vergleich / und gemachtes Verständnis / die Waaren überhaupt an sich bringen / und sich miteinander also vergleichen: daß dieselben nicht geringer / als sie den Preiß darauf gesetzt / verkauffen wollen / Dahero es kommet / daß / was vor weniger Zeit einen Thaler gegolten / bald darauf gedoppelt und mehr gesteigert; und auf solche Weise bringet man Potentaten / Adel / Bürger und Bauer in eine unvermerckte Contribution / schlagen ihnen gleichsam selbst den Zoll auf die Waaren / und geniessen dieser eigenmächtigen Auflagen viel höher als grosse Herren ihre Regalia / Hoheiten und Zölle. Wo eine gute Waare / und ein gewissenhaffter Kaufmann / da giebt man das Bedingte mit Willen bin / wiewohl man ins gemein saget / daß gleichwie der Gelehrten Freundschafft aus der Ehrerbietung / und der Hofleute aus dem Sauffen herrühre: Also entstehe auch der Kaufleute ihre aus dem Nutzen. Wenn man aber die Eigenschafft des Handels und Wandels ansiehet / so ist es Eines von den nöthigsten Dingen in der Welt. Bey Kauffen und Verkauffen findet man dreyerley / nemlich / des Käuffers und Verkäuffers Wille / die Waare / und [472] das Geld. Braucht man nun hierinnen die Billigkeit / so lobet sich der Kauf selbst.

Die Bestalt des Wucherers und Wechselers.
[arrow up]

Fleichwie aber derjenige / welcher von seinen Waaren einen zulässigen Gewinst nimmet / seinem Nächsten ein Allmosen giebet: Also ist hingegen der / welcher ungebührlich wuchert ein Mörder / der die Leute in das Armuth und Verderben stürtzet. Er ist ein Abgott / der sein Hertz von GOTT abwendet / und treibet mit seinem Geld und Gute (Job. 20.) Abgötterey: die Güter / so er verschlinget / mus er wieder auspeyen / und GOtt wird aus seinem Bauche reissen. Ein Geitzhals schadet dem Menschen nur in dem / daß er ihm aus Geitze nicht hilfft; ein Wucherer aber reisset alles das / was er nur kan und vermag / zu sich. (Sirac.) Verlaß dich nicht auf unrecht Gut / denn es hilfft dich nichts / wenn die Anfechtungen herbey kommen. Und / obwohl die Kinder dieser Welt den Wucher mit allerhand Farben beschönen / und ihn für keine Sünde halten wollen / so siehet man doch so wohl aus der Schrifft / als andern / daß derselbige eine zeitliche (Exod. 22.) und ewige Straffe nach sich ziehe. Wenn du / spricht der HERR / meinem Volcke / das arm ist / leihest / so sollst du ihn nicht zu Schaden bringen / noch Wucher auf ihn treiben. Du sollst mit deinem Bruder nicht wuchern / weder mit Gelde noch mit Speise / noch mit allem / damit man wuchern (Deut. 23.) kan. Vor alters hielte man zu Rom die Wucherer und Wechsler in (Suetonius.) nicht weniger Verachtung. Als der weise Plato gefragt ward / was er von dem Wucher hielte? sprach er: Es ist unter ihnen / und denen / so Menschen ermorden / ein schlechter Unterscheid. Die Römer strafften einen Dieb doppelt / einen Wucherer aber vierfach. Die Athenienser waren den Wucherern so seind / daß sie einsmahls öffentlich auf dem Marckte ein Feuer machen liessen / und alle deroselben Handschrifften und Register verbrenneten. Die Scythen litten nicht nur dieselben nicht / sondern sie verspotteten auch auch andere Völcker / daß sie so emsig nach Gold und Silber trachteten. Der Römische Landpfleger Lucius Lucullus verjagte auf einmahl alle Wucherer aus gantz Asien. ein Wucherer / sagt man / beleidiget fast alle Creaturen. Es ist aber zwischen einem Wechsler und einem solchen ein geringer Unterscheid. Der eine wagt sein Leben in der Mord-Grube dieser Welt / der Andere aber durch den unergründlichen Rachen des Meers. Beyde rennen Tag und Nacht / haben keine Ruhe / und führen in sich lauter gefährliche Gedancken. Denn der Wechsler empfähet Geld / giebt es wieder auf Wechsel / macht Wechsel-Brieffe / und nimmt dieselbige / und zwar alle mit Vortheil wieder an. Dieser aber leihet auf Wucher / nimmt Pfänder dargegen / mahnet / treibet / und verklaget seine Schuldner. Die Thebaner hatten ein Gesetze / daß keiner / der sich nicht der wucherlichen Händel enthielte / zu eintzigem Ehren-Amte zugelassen würde. Nun hat es zwar nicht die Meinung / als ob man von seinem aus geliehenen Gelde / und Vermögen nicht / dem Herkommen nach / ein gewisses nehmen solle / sondern es wird hierunter der unersättliche Geitz / wordurch Er seinen Neben-Christen [473] mit höhern Zinsen / und andern wucherlichen Räncken drücket / verstanden / und siehet man / wie GOTT dieselben offtermahls leiblich / zu geschweigen geistlich / abstraffet. Gestalt dann von einem namhafften Wucherer geschrieben wird / daß er / als er kranck / stets mit dem Munde gekeuet / und da ihn die Seinigen fragten / was er keue und esse? Er zur Antwort gegeben: Gold. Eine hoffärtige Frau lag ihrem Manne stets in den Ohren / daß er sich / zu Erlangung desto mehr Geldes und Gutes / des Wucherens beflisse. Als er nun hierdurch sehr reich worden / der Priester desselben Orts jederzeit darzu stille schwiege / und er endlich sahe / daß er sterben sollte / machte er ein Testament / befahl seine Seele Teufel / daß er sie mit sich in den Abgrund der Höllen führen sollte / seinem Weibe das höllische Feuer / und dem Priester / dieweil er ihn von dergleichen verdammlichen Sünden nicht bey Zeiten abgemahnet / die ewige Verdammnis. Und dieses sind die Früchte / welche das Wuchern nach sich ziehet. Der Geitzige aber hat diese Eigenschafft an sich / daß / nachdem er trachtet reich zu werden / so fällt er in die Stricke des Teuffels / und thut den Menschen nicht weniger / als der Wucherer / Schaden. Je mehr er hat / ie mehr er haben will. Er stecket sich um eine Hand voll Geld in die gröste Gefahr und scheuet nicht der Sünde. Es ist kein Augenblick / da er nicht einen gefährlichen Gedancken im Hertzen heget / und indem er gedencken sollte / wie er seine Seele bewahre / so setzet er dieselbe dadurch in Gefahr. Er träget seine eigene Furcht in dem Busen / hintergehet seine Freunde / und indem er für seine zeitliche Wohlfarth sorget / so vergisset er darüber das Beste. Seine Ruhe macht er sich zur Unruhe / und / wenn der Schlaff am besten seyn sollte / sinnet er aus / wie er seine Kisten und Kasten mit anderer Leute Blut und Schweiß anfülle. Der Mammon ist sein Gott / die Kiste seine Kirche / der Gewinst sein Heiligthum / und der Arme sein Schwamm / dadurch er sich öffters den höllischen Gifft an den Hals drucket. Wo Silber und Gold in dem Hertzen zu finden / da muß die Liebe des Nächsten / die Hoffnung des Ewigen / und GOTT selbst / zurücke stehen. Alle Laster hören auf / ein Geitziger aber nim̅t seine Schalcktheit bis in das Grab mit sich. Und daß dieses (Prov. II. v. 15.) / was von ihm erzehlet / wahr / so saget die Schrifft: Wer sich auf seinen Reichthum verläst / der wird untergehen; Die Gerechten aber werden blühen wie ein Blat. Ein Geitziger verstöret sein eigen Hauß. Wer Schätze sammlet mit Betrug / der wird fehlen / und fallen unter die / welche den Tod suchen. Wer Geld lieb hat / der bleibet nicht ohne Sünde; und wer (Ecclesiast. 5.) Vergängliches suchet / der wird vergehen. Es ist eine Plage unter der Sonnen / Reichthum behalten zum Schaden. Ein solcher kommet um / mit grossem Jammer / und seinem Sohn / den er erzeuget hat / bleibet nichts (August. in Serm. 48. ad Fratres.) in der Hand. Alle Dinge haben ihr Maaß und Ziel / ohne allein der Geitz lässet sich nicht ersättigen. Alle Laster nehmen in dem Alter ab / ohn allein der Geitz wird immer jünger / und grösser. Die Erden / das Meer / die Lufft und der Himmel hat sein Ziel / dieser aber nicht. Wer sein Gut also besitzet / daß er sein Hertz und seine Hoffnung nicht daran hänget / sondern ist bereit / seine Güter / wenn es um des Glaubens und Erkäntnis JESU CHRISTI willen erfordert wird / zu verlassen / der ist auf der rechten Bahne. Wir sind reich genug / wenn wir allein das behalten / was wir nothwendig bedürffen. Denn wer nach grossen Güthern Verlangen träget / der behält das vor sich / was andern Leuten gehöret / und besitzet unnützlich das / darvon er vielen Armen Gutes thun könnte.
|| [474]
(Wer für reich zu schätzen. S. Ambrosius.) Der allein ist nur reich / der arm ist im Kasten / und reich am Gewissen; wer daran rein ist / der schläfft viel sänffter / als der Reiche in den köstlichsten Betten. Es ist auch der reich / der für Gottes Angesicht reich ist; Der das Weltliche nicht achtet: der sein Geld nicht in dem Kasten / sondern in dem Bauche der Armen verschleust; der allein mit dem / das er hat / zu- (S. Chrysostomus.) Frieden / und über den die Begierden nicht herrschen. Der ist nicht reich / der viel Geld und Gut hat / sondern der / welchen nach grossem Reichthum nicht verlanget; so ist auch der nicht arm / welcher nicht viel hat / sondern der viel begehret und haben will. Denn was hilfft es Einem / wenn er die gantze Welt hätte / und führete kein geruhsames Leben? Darum / so macht der Wille / und die Begierde reich und arm / und nicht das Geld. Der Reiche ist nicht besser / denn der Arme. Es hat einjeglicher nur einen Leib zu speisen; der Unterscheid aber ist dieser / daß der Eine den Leib mit den allerbesten Speisen verunreiniget / und der Arme hergegen hier darben muß. Wilst du dahero Geistlich-reich seyn / so theile dein Gut nach Vermögen aus / und gieb den Armen / so wirst du nimmermehr Noth leiden. (Was geitzig heisse. S. Ambrosius.) Geitzig seyn / heist anders nichts / als einen steten Appetit nach Geld und Gut haben. Und / gleichwie ein Durstiger / ie mehr er trincket / je mehr er zu trincken begehret: Also wiederfähret auch einem Geitzigen. Nur der allein führet dieses Laster an sich / welcher sich an ziemlichen Dingen nicht vergnügen lässet. Ein anders ist geitzig / ein anders reich seyn. Reichthum ist an sich selbst keine Sünde. Ein Geitziger aber ist kein Herr und Besitzer seines Reichthums / sondern nur ein Hüter / der sich lieber ein Stück Fleisch / wenn es ohne Schmertzen abgienge / aus seinem Leibe schneiden lies / als daß er etwas von seinem Schatze hergebe. Ein solcher vergrub einsmahls sein Geld im Felde unter einem Baume / und legte einen Stein an den Ort / damit er ihn wieder fände. Wenige Zeit hernach / gieng ein aus Armuth Verzweifelnder aus / und wollte sich gleich an den Baum hencken. In dem nun den Strick um den Ast schlägt / und den Stein / darauf zu treten / hinweg weitzet / wird er unter dem Stein eines Lochs gewahr / gräbet hinein / findet das vergrabene Gold / wirfft an statt dessen den Strick hinein / und gehet mit Freuden darvon. Der Geitzhals will nachgehends auch sehen / was sein Geld mache / nachdem es aber hinweg / und er nichts mehr als den Strick findet / wird er darüber bestürtzet / nimmt denselben (Exod. 18.) und erhencket sich selbst daran. Des Mosis Schwieger-Vater Jethro befahl demselben insonderheit / Er sollte über das Volck Israel Richter erwehlen / die dem Geitze feind wären / damit im Regimente nichts schädliches vorlieff. (Nehem 5.) Zur Zeit Nehemioe / wurden ihrer etliche durch Geitz beweget / daß sie Jhre Kinder verkauffen wollten. Da Diogenes gefragt wurde / welches das ärgeste Thier wäre? anwortete er: In den Gebürgen und Gehöltzen (Erasmus in Apophth.) sind es die Löwen und Bären / in den Städten aber die Geitzhälse. Socrates war der Meinung / man sollte von keinem Todten kein Gespräch / und von keinem Geitzigen keine Wohlthat begehren. Denn gleichwie der Eine nichts antworten: Also auch der Andere / was man von Ihm begehre / nicht hergeben würde. Ein Geitziger begegnete einem Verschwender / zu dem er sagte: Wenn willt du einmahl deine Güter zu verthun aufhören? deme der Ander zur Antwort gab; wenn du wirst anfangen freygebig zu werden. Dem Cleomenes des Anaxardictes Sohn warff einer vor / daß [475] (Brusius lib. I. c. I.) Er zu herrlich und zärtlich lebete. Dem antwortete Einer: Er ist besser zärtlich leben / als geitzig seyn. Du hast bißhero viel Geld und Gut zusammen (Virgilius lib. I. AEneid.) gescharret / und bist doch damit nicht vergnüget. Der sonst streitbare Held Achilles bot aus Geitz dem Priamo den erschlagenen Cörper des Hectors um Geld zu verkauffen an. Als der weise Heyde Aristides gefragt ward / was das billichste und gerechteste wäre / sagte Er: anderer Leute Güter nicht begehren. Will aber ein Geitziger wissen / was er thun solle / so gebe er Allmosen / stehe ab vom Geitze / und gebrauche sich seines Reichthums mit Masse / mache Seckel die nicht veralten / und sammle sich Schätze im Himmel / die nicht abnehmen / und da kein Dieb zukommt / die auch keine Motten fressen. Wo aber nicht / so höre man (Jac. 5, I.) was der Apostel sagt: Wolan ihr Reichen / heulet / und weinet über euer Elend / das über euch kommen wird. Euer Reichthum ist verfaulet; Euere Kleider sind Motten-fressig worden / Euer Gold und Silber ist verrostet. Euer Rost wird euch zum Zeugnis seyn / und wird euer Fleisch fressen / wie ein Feuer. Jhr habet euch Schätze gesammlet in den letzten Tagen. Siehe der Arbeiter Lohn / die euer Land eingeerndet haben / und das von euch abgebrochen ist / das schreyet / und das Ruffen der Erndter ist kommen für die Ohren des HERREN Zebaoths. Jhr habet gelebt auf Erden / und eure Wohllust gehabt / und euere Hertzen geweydet / als auf einen Schlacht-Tag. Jhr habet verurtheilet den Gerechten / und ihn getödtet / und er hat euch nicht widerstanden. Drumb sehe man zu / welchen Weeg man sich erwehle.

Der hundert - äugigte Argus.
[arrow up]

(Ovid. in Metam. lib. I. c. 22) DIe Poeten erzehlen / daß / als sich Jupiter in des beruffenen Penei Tochter / die Jo / verliebet / habe Er sich zu ihr auf den Erdboden begeben / und sie im Walde in einem dicken Nebel beschlaffen. Nachdem aber seine Gemahlin / die Juno / sehen will / was der Nebel bedeute / verwandelt Jupiter daselbst die Jo in eine Kuh. Der Juno gefällt dieselbe / und bittet die von ihrem Gemahl aus / und / weil sie dieselbe wohl zu verwahren gemeinet vertrauet sie solche zu weyden und zu warten dem hundertäugigem Argus. Jupiter trägt mit der Kuh ein Mitleiden / befiehlet deswegen dem Mercurio / daß er den scharffmen vermag / kleidet er sich als ein Schäffer aus / machet sich mit seiner Pfeiffe und Schlaff-Ruthe zu Ihm / schläffet selben ein / und hauet Ihm den Kopff ab. Als aber solches die Juno innen wird / betauert sie den Argum / nimmt seine Augen / und setzet sie zum Gedächtnisse in den Pfauen-Schwantz. Die Poeten dichten nichts umsonst. (Weltliche Hoheit und Stand ist nichts.) Der Jo Verwandelung weiset uns die Gefährlichkeit des hohen Standes in der Welt. Die Gewaltigen haben zwar Macht über die Geringe / gleichwohl aber sind ihre Wohllüste des Leibes nichts als Dorn-Sträuche / die so wohl als anderer verbrennet werden. Wann [476] die Poeten grosse Herren beschreiben wollen / so nennen sie dieselben Götter. Jhre Vergötterung aber ist nichts anders als eine leidige Pracht und Blend-Werck. Sie sind blind an Begierden / blind im Glauben / und im Tode werden sie nichts. Sie kommen / gleich andern / von Mutterleibe / und fahren wieder dahin. Sie gehen unter / wie ein Traum / und wenn sie erwachen / so sind ihre Bilde zunichte. Ihre Hoheit und Herrlichkeit sind Dünste / und wenn man sie beym Liechten besiehet / lauter Beschwerungen. Alle Geschlechte sind eines Herkommens. Wie die empor steigen / so fallen sie hinwieder. Es ist kein König / der nicht vom Knechte herkomme (Plato.) / und kein Knecht / der nicht von Königen komme. Dieses alles hat die langwierige Veränderung durcheinander vermischet / und das Glücke jetzo über sich / bald unter sich gekehret. In der Welt ist Hoheit Etwas / für GOTT aber Nichts! Ein Geschlechte vergehet / das andere kommet auf. Keiner wird reich gebohren; wir alle kommen nackend und bloß auf die Welt. Gewalt und Hoheit machet den Menschen nicht besser / zuweilen aber wohl böser. Jupiters Hoheit halff Ihm seine Brunst nicht bändigen. Gut macht Muth. Und wo dasselbige zu finden (AEneas Sylvius Histor. Bohem. c. 13. §. 90.) / da gehet man gerne der Eitelkeit nach. Da der letzte König in Mähren Swatocop in einer Schlacht überwunden / wiech Er in eine Einöde / und hielte sich daselbst eine Zeitlang bey etlichen wenigen Einsiedlern auf. Als sich nun die Stunde seines Todes herbey nahete / sprach Er zu ihnen: Es ist kein Königreich dem ruhigen Leben in der Wüsten vorzuziehen. Denn / so lange ich bey euch gewesen / da habe ich glücklich und geruhig gelebet / so lange ich aber mein Königreich gehabt / habe ich darinnen mehr Tod als Leben gefunden. Alle Herrligkeit dieser Welt ist eine Phantasie / die auf einem Augenblick bestehet. Die Ehre dieser Welt streicht offters eher dahin / als sie gekommen. Sie ist gleich den Wellen des Meers / welche durch ungewisse Bewegnisse in einem Bezirck erhöhet / in einem Augenblick aber wieder zerfället. König Johannes der Andere in Arragonien / beklagte sein Leben / da er sterben sollte / mit diesen Worten: Wehe mir Elenden und Unglückseeligen / der Ich in diesem Leben viel besser gelebet / wenn ich kein König / sondern nur eines Bauern Sohn gewesen wäre! Es ist mit der weltlichen Herrlichkeit bewandt / wie mit einem Rade / welches bald über sich / bald unter sich gehet / und keinen in seiner Hoheit und Ehre beständig bleiben lässet. Der Eine steiget auf / der Andere sitzt ab / der Dritte fähret herunter / der Vierdte lieget / und also müssen die andern alle hernach / sie mögen gleich sitzen / steigen oder fahren / wie sie wollen. Die Zeit frisset und verzehret alles. Nichts ist edler als Gold und Perlen / gleichwohl aber verzehren sie sich selbst; Und / wie der Rost Eisen und Stahl verderbet / und der Regen die härtesten Steine: Also reisset auch die Zeit die alleredelsten Geschlechter der Menschen hin. Sie vergehen wie Motten / und ihr Thun fällt weg / daß man von ihnen keine Spuhr mehr siehet. Wächset das Gut / so wächset die Sorge; wächset der Hochmuth / so wächset die Gefahr / und wenn das alles noch so gut / so tritt der Tod endlich ins Mittel. Und dieses alles stellet uns der scharffsichtige Argus / das ist / die geübte Erfahrung / und die aufmercksame Zeit unverfälscht vor Augen.
|| [477]
(Die gefährlichen Bey-Wege der Liebe. Gen. 6. 7. Hlob. 31.) Die Juno ereignet sich allhier als eine keusche Matrona / die ihrem Ehe-Gemahl gerne alle Mittel zu der verbotenen Liebe beschneiden will. Ehebruch ist eines der grössesten Laster / so in Geist- und weltlichen Rechten verbothen / und das unzüchtige Leben eine solche Sünde / wegen welcher GOTT die Welt mit der Sünd-Fluth bestraffet / und die bis gen Himmel gestuncken / wie zu Sodoma und Gomorra. Und gleich wie Niemand kein Feuer in dem Busen / daß seine Kleider nicht verbrennen / behalten / viel weniger auf Kohlen / ohne Schaden der Füsse / gehen kan: Also wiederfähret auch dem / der sich zu eines andern Weibe findet / beyde bleiben nicht ungestrafft / der / welcher Sie berühret / und die / so es zulässet. Jhr Gedächtnis ist verflucht / und ihre Schande wird nimmermehr vertilget. Unser Hertz / saget es / daß es unrecht / und unser Gewissen überzeuget und / daß es verboten. Denn man zerreisset dadurch das Band der Ehe / wormit GOTT Mann und Weib in ein Fleisch zusammen verknüpffet. Man zerbricht die Treue / so man vor dem Angesicht der Kirche gelobet; Man entziehet sich um deswillen den zeitlichen Seegen / und ladet dargegen GOTTES Haß und Straffe auf sich. Wenn es der Mann nicht rächet / und die Frau nicht saget / so ist die Werckstatt gemein / damit schertzen die Welt-Kinder. Gehe aber in dein eigen Hertz und Gewissen / so wird es dich Morgens und Abends / oder wo du stehest und gehest / unaufhörlich auklagen / und dir dien hartes Verbrechen verweisen! Wann der Hafen zerbrochen / achtet man der Scherben nicht: Wann die böse Brunst gestillet / so vergehet die Liebe wie ein Rauch. Ein verhurtes Gemüthe ist besser tod als lebendig. (Prov. 9. 13. Ezech. 16. 15.) Das gestohlne Wasser ist süsse / und das verborgene Brod niedlich. Gleiche Bewandnis hat es mit der Hurerey. Und gleich wie ein Durstiger Fußgänger nach dem Wasser eilet / also lechzet auch diese / trincket das nechste Wasser / so sie bekömmet / setzet sich / wo sie einen Stock findet / und nimmet an / was ihr werden kan / ja sie machet sich mit einem jeden gemein / der vorüber gehet / und thut ihm seinen Willen. Dem Diebe ist es nicht eine so grosse Schande / wenn er stielet / seine Seele von dem Hunger zu erretten / als wenn man die Ehe bricht / oder huret. Gut verlohren / nichts verlohren / aber Ehre verlohren / alles verlohren. Huren-Häuser sind Weege zur Höllen / da man hinunter in des Todes Cammer fähret; alle die zu ihm hinein gehen / kommen nicht wieder / und ergreiffen den Weg des Lebens nicht. Die Schönheit hat manchen bethöret / und die böse Lust entspringet (Prov. 7. 22. Isidorus.) darvon / wie ein Feuer. Laß dein Hertz nicht weichen auf ihren Weg / und laß dich nicht verführen auf ihre Bahne / denn sie hat viel verwundet / gefället / und viel Mächtige sind von ihr erwürget worden. Mercke aber dieses: wo dir die Weisheit zu Hertzen gehet / so wird dich der gute Rath darfür bewahren / und der Verstand behüten / damit du nicht auf den Weg der Bösen / noch unter die Verkehrten / noch an eines andern Weib / die dir glatte Worte giebet / gerathest. Josephs Weißheit widerstrebete dem Ehbruch. Es hilfft nicht am Leibe rein seyn / wenn das Gemüthe nicht rein ist. Wer mit den Augen keinen Bund machet / und nicht rein bleibet am Leibe / und am Geiste / der kan GOTT nicht gefallen. So lange als Salomo mit den Augen einen Bund traff / da blieb sein Leib unbefleckt; So bald Ihm aber die Kebs-Weiber in das Hertze gerie [478] then / da trieb er Geistlicher Weise Hurerey. Die Augen Rubens bethöreten ihn / daß er in die Bande seines Vatern Kebsweibes / der Bilha / Juda in der Thamar / Simson in der Delila / Simri in der Casbi / und David in der Bathseba Netze fiel. Der letzte Assyrische König Sardanapalus saß mitten unter den Concubinen / und span / wie eine andere Hure / an dem andere Weise. Der sonst tapffere Atheniensische Fürst Themistocles lies sich dergestalt von solcher Buhlerey verführen / daß ihn öffentlich auf dem Marckte vier solche Schandbälge ziehen musten. (GOttes und der Mensche̅ Auge / hat kein Gleichnis.) GOTT hat dem Menschen die Augen / den Mund und das Gehöre nicht zum Mißbrauch / Hochmuth und Pracht / sondern damit er das / was seine ist / ohne Unterlaß verrichten / sein Lob preisen / und dadurch die Heimlichkeit seines Gewissens reinigen solle / gegeben. Der hundertäugigte Argus ist nichts anders als ein Vorbild eines unverdrossenen Menschen. Das Auge siehet alles / ohne allein sich selbst nicht. Es siehet Gutes und Böses / und ist öffters mehr eine Anreitzung zu allerhand Lastern / als zu etwas Guten. Lege ein (Chrysostom. in Homil. ad Matt.) Schloß an die Fenster deiner Augen / sagt der alte Kirchen-Lehrer / damit du mit dem frommen Hiob sagen kanst: Ich habe einen Bund mit meinen Augen gemacht / damit ich kein Weibes-Bild nicht achte. Zwischen GOTT / und des Menschen Auge ist ein grosser Unterscheid. Denn GOTTES Auge ist rein; das Auge des Menschen aber / wenn es Böses thut / ist gegen GOTT ein Greuel. Was der Mensch nicht sehen lassen will / das wissen die Engel. Es weiß es der Tag der Augen / und die Nacht / so Ohren hat. Es wissen es die Teuffel / die uns hierzu anreitzen. Es weiß es unser eigen Fleisch und Blut / ja unser eigen Gewissen. Und gesetzt / daß es diese alle nicht wüsten / so weis es doch GOTT / der alle böse Sinne / Gedancken / und Hertzen siehet / und für dem Nichts unter die Banck zu stecken ist. Denn soll der / welcher das Auge und das Ohr gemacht / nit hören? Alles ist für ihm entblösset. Niemand kan sich für Ihm verbergen. Ein Frembdling bat einen Geistlichen / er möchte Ihm doch eine Lehre geben / damit er sich seiner jederzeit erinnerte; Der Geistliche sprach: Wohlan! wo du gehest oder stehest / so erwege bey dir / daß GOTT alles / was du sagest / höret / und alles / was du thust / siehet / und weiß alles was du gedenckest. Wenn du nun dieses gläubest / so wirst du dich stets für GOTT scheuen / und niemahls muthwillig sündigen. Derjenige / welcher ohne GOTTES Geleite wandelt / irret mit seinen Augen gar sehr. GOTTES Ordnung / und der Menschen Vernunfft in eiteln Dingen / ist wie wenn man die Sonne mit einer Latern suchet. Was sich der Mensch vornimmet / das wird durch die Zeit vollkommen; was aber GOTT will / geschiehet in einem Augenblicke. GOTT sahe alles / was Er gemacht hatte / und es war gut. Siehet der Mensch seine eigene Wercke an / so sind sie alle eitel / sie sind voll Zweisel und Ungewißheit / und findet man darinnen weder Ruhe noch eintzige Beständigkeit. Einer / mit Nahmen Thrascas / sagte / da Er den Sophocles seine Augen auf eine schöne Weibes-Persohn [479] werffen sahe: Man soll nicht nur die Hände zu weit greiffen / sondern auch die Augen nicht zu weit schiessen lassen. Man vergleichet die se nicht unfüglich denen unbändigen Pferden / die sich durch die Vernunfft nicht wollen reiten lassen. Des Menschen Auge ist zart und unbeweglich. GOTTES Auge hingegen ist ein Brenn - Spiegel / und Crystalle / welche die Welt nicht nur augenblicklich durchsiehet / sondern auch sie / wenn Er will / verbrennet. Er weis / wie es um des Menschen Hertze bewandt: Seine Augen sehen auf eines Jeglichen Weeg. Er schauet alle ihre Gänge: Er siehet die Ende der Erden / und alles was unter dem Himmel ist. Ihm ist nichts verborgen / nicht allein das / was wir thun; sondern auch was wir wollen. Er erkennet alle Heimlichkeiten / und weis alle Dinge zuvor. Er vorkündiget was vergangen / und offenbahret / was verborgen ist. Der Mensch mag so ein scharffes Augen haben / wie Er will / so ist Er gegen GOTT blind. Welches auch kein Wunder. Denn Er reiniget Alles / was unter der Sonnen / in der Welt / mit dem Menschen / in seinem Leben / nach dem Tode / und nach der Welt vorgehet / und bringet es zu seinem gewissen Zweck. Und gleichwie der Töpfer mit dem Thone umgehet: Also macht es auch GOTT mit allem / was auf dem Erdboden lebet. Er frümmet und bieget / was Er will / und lässet sich von keinem einreden. Bey Ihm ist Weißheit / Rath und Verstand. Er ist unbegreifflich und unerforschlich. Seine Wercke sind gros / und alles / was athmet / stehet in seiner Macht. (Augen sind Fenster des Gemüths) Das Auge ist des Leibes Liecht / und wird gebraucht wie ein Fenster in dem Hause. Und gleichwie dasselbe ohne Löcher und Fenster finster; Also ist auch der Menschen Cörper / wenn Er ohne Augen / dunkel und finster. Hat GOTT an einem Stücke an dem Menschen seine Gottheit und unergründliche Weißheit blicken lassen / so ist es an dem Auge. (Galen9 de Lisu Partiu̅.) Die Augen / sagt man / sind mit sieben / wiewohl ihrer Etliche nur auf fünffe oder sechse wollen / unterschiedenen Häutlein zusammen gefüget / darbey dreyerley Feuchtigkeiten / als die wässrichte / gläserne / und Crystallene / zu befinden / und haben besonder Andere / dadurch die Sehen - Adern aus dem Gehirne in die Augen gehen / und desselben Kräffte an sich ziehen / Ingleichen hat ein iedes Auge seine Sehe - Adern / wodurch der Spiritus visivus zum Gehirne dringet / wie es aber eigentlich zugehe / das weis GOTT / und die Natur / die sich dessen Wissenschafften allein vorbehalten. Die Augen sind Werckzeuge des Gesichts / wodurch der Mensch siehet / und sein Amt verrichtet; Sie sind Bottschaffter des Guten und Bösen. Man siehet damit die wunderbare Geschöpfe GOTtes; Die Sonne / den Mond / die Sterne und alle Elemente / auch alles was darinnen ist. Woraus man erkennet / daß ein GOTT von wunderbarer Macht / Gewalt / und Weißheit sey. (Deroselben Nutzen.) Durch diese erkennen wir die Erkenntnis GOTTES / die freyen Künste / und andere nöthige Wissenschafften. Was kluges in der Welt vorgehe / was GOTT in seinem Wesen sey / was die Schrifft erfordert / und was für einen Weg zur Seeligkeit man gehen solle / das misset man Ihnen bey: Sie befördern Handel und Wandel; Sie lehren / wie man alles erkennen / begreiffen / verrichten / gebrauchen / und / wie man sichtbare Dinge / die Und entweder zum Nutzen oder Schaden dienen / von (Plinius lib. 7.) weiten sehen solle. Ein Sicilianer / mit Nahmen Strabo / konte / [480] (Nat. Hist. c. 21. p. 116. n. 10.) wann Er auf dem Berge Lilibaeo in Sicilien stunde / alle Kriegs-Schiffe / so von Carthago kamen / sehen / welches an die drey und dreyssig Meilwegs gewesen seyn soll. Von dem Antonio Sabellico wird gemeldet / daß / wann Er des Nachts erwacht / Er seine Güter / und alles / was in dem Zimmer gewesen / eigentlich sehen können. Die Augen geben dem Menschen auch eine besondere Zierde. Denn ob wohl GOtt an denselben alles wunderbar gemacht / so ist doch nichts zierlichers / als eben dieselbige. Sie sind gleichsam der Königliche Sitz an dem Menschen. In Ihnen wohnet das Gemüthe / oder aus denenselben kennet mandas Hertze. Was Einer am Schilde führet / das siehet man an den Augen. Sie zeugen / wie man gesinnet. Man saget zwar / ein blinder Mann ein armer Mann. Gleichwohl aber findet man Blinde / die eine (Trithemius in Catal. Viror.) grosse Geschicklichkeit / Klugheit und Verstand an sich haben. Nicasius de Verda wurde in dem dritten Jahr seines Alters blind / begab sich auf das Studieren / ward zu Löven Magister / der Heil. Schrifft Licentiat / und endlich Doctor und Professor zu Cölln. Der blinde Demetrius Stoicus lernete auf der Harffe / und wuste durch Vorlesung mit der Geometrie umzugehen. Appius Claudius verrichtete bey seiner (Lucr. lib. 3. Cicero.) Blindheit mehr als Andere / die sehen kunten. Von dem Democrito lieset man / daß Er sich selbst der Augen beraubet / damit Er der Philosophie desto schärffer nachdencken möchte. Und ob gleich C. Drusus blind / dennoch besuchte Ihn männiglich / und bedienten sich seines Raths. (Ihre Wirku̅g un̅ Kraft.) Das Angesicht ist ein Vorbild des Gemüths / und Alles / was der Mensch vorhat / das giebet das Auge an den Tag. Wenn die Aegyptier GOTT wolten andeuten / mahleten Sie ein Auge. Hippocrates saget / wie die Augen beschaffen / so sey auch der ganze Leib. Es bestehet zwar die eigentliche Krafft derselben in dem / daß Sie Alles fassen und begreiffen / und vermittelst ihrer der Verstand von sichtbarlichen Dingen (Sennert. Instit. Medic. lib. I. cap. 12.) urtheilen kan. Man will / daß die Menschen / wie auch alle Thiere / auf einmahl nur mit einem Auge sehen / und die Objecta erkenneten. Denn / obwohl die Natur denselben zwey Augen gegeben / damit man um so viel desto eher die bevorstehende Gefahr / auch andere Dinge in acht nähme / so sey doch bey Ihnen nicht mehr denn eine Krafft zu sehen / welche allen beyden gemein / und dem Auge / so etwas erkennen soll / so behende zugegen / daß man hiervon / wie solches zugehe / selbst nicht urtheilen kan. (Johann. Laz. Gutier. de Fascino dub. 3. n. 40.) Man hat Leute gefunden / welche / wann Sie wohlbedächtig auch den schönsten Marmor angesehen / solcher darvon zersprungen seyn solle. Von Einem / mit Nahmen Valentinus Eqvitius wird erzehlet / daß / als derselbe von einer schwehren Kranckheit wieder genesen / und die Schüsseln / darinnen man die Speisen aufgetragen / genau angesehen / selbige hiervon zerschmettert worden wären. Schottus meldet / die Augen (In Thaumaturg.) wären eines von der grösten Verwunderung / und hätten die sonderbareste Krafft an sich / welche die Natur darein gelegt. Keyser Augustus soll solche hellschimmernde Augen gehabt haben / also / daß man Ihm nicht wohl hineinsehen können. Und als einsmahls ein Soldate sein Gesichte von Ihm gewendet / und solchen Augustus gefragt / warum Er es thue? habe Er geantwortet: Alldieweil Ich den Blitz deiner Augen nicht erdulten kan. Von dem Julio Caesare Scaligero und seinem Sohne Josepho / wird gemeldet / daß sie beyde bis in das drey und zwanzigste Jahr auch mitten [481] in der Nacht / wie des Morgens haben sehen können. Also sollen auch des Hercules und Julii Caesaris Augen als ein feuriger Glantz anzusehen (Plutarchus in vita Antonii.) gewesen seyn. Marcus Antonius hatte einen Aegyptischen Philosophum bey sich / der einem Jeden aus den Augen und Gesichte dessen Natur abmercken kunte. Dahero warnete Er den Antonium / daß Er sich für dem Keyser Augusto wohl fürsehen sollte. Des Menschen Gedanckenkan man aus gar wenig Dingen abnehmen. Denn einen Unbeständigen (Seneca) erkennet man an den gauckelnden Händen / einen Unzüchtigen am Gange / einen Unbesonnenen an der Rede / und einen Bösen und Guten (Quintilianus.) an den Augen. Die Rede ist des Angesichts Gemüthe / die Augen sind der Spiegel unsers Hertzens / und worinne derselbe gleichsam seinen Sitz hat. Woraus man unfehlbar spühren kan / ob das Gemüth traurig / demüthig / frölich / trotzig und behertzt sey. Dahero man auch saget: Ante omnia vultus: Das Gesichte gehet allen vor. Und / gleichwie die Sanguinei blutreich / und gemeiniglich behertzt und verwegen; Die Phlegmatici feuchter Natur / gedultig und vorsichtig; Die Cholerici hitzig / geschwinde / und unbedachtsam / und die Melancholici langsam und wohlbedächtig sind: Also sollen auch die von Natur rothe Augen die Künheit und Verwegenheit / die truckenen Zorn / die feuchten Flüsse / die grawen Unbesonnenheit / die röthlichen List und Verschlagenheit / die offenen Unkeuschheit / und die ein wenig rothen Geldsüchtigkeit bedeuten. Die Augen haben auch in diesem Stücke den Vorzug / daß man einem Menschen günstig und hold / wie zwischen dem Jacob und der Rahel geschahe; wie wohl sie auch / wann Sie misbrauchet / viel Gifft / Reid und Feindschafft erwecken / wie bey Cain und Abel geschahe. Denn gleichwie man des Löwens Humor an dem Schwanze / des Pferdes an den Ohren und des Luchses an dem Gange erkennet: Also siehet man euch dem Menschen an den Augen an / was Er im Gemüthe hat. Da die Römer mit den Samniten eine Schlacht hielten / sollen den Römern die Augen gefunckelt (Levin??? Lemnius.) haben. Die Augen / sagt Tacitus / werden in einer Schlacht am ersten überwunden. Wenn die Medici von einem Patienten unter andern urtheilen wollen / sagen sie / wenn Er rothe Augen hätte / wäre das Gehirne entzündet: Wären sie schwartz oder bleyfarben / so nähme in Jhnen die natürliche Feuchtigkeit und Wärme ab; Lieffen sie demselben im Kopffe herum / oder thäten sich stets auf und zu / hätte Er ein blödes Haupt; Wären sie aber dunckel / wässerich / starrend / geschwollen / daß das Gehirne nicht richtig sey / und entweder zu viel Feuchtigkeit / Hitze oder Kälte in (Plinius.) sich habe. Die Mintureenser schickten einen einsmahls aus ihrem Mittel aus / der den Römer Cajum Marium umbringen sollte: Marius aber erschreckete Jhn mit seinem Gesichte dermassen / daß Es solches freywillig bekennete. Kan nun dieses ein Auge des Menschen Thun / wie vielmehr das Auge Gottes? welches nur allein den rechten Abgrund des Herzens sehen / und solchen zu rechter Zeit offenbahren kan. (Ohren sind edle Geschöpfe Gottes.) Der genausichtige Argus hat nicht alleine Augen / sondern auch Ohren. Die Ohren eignete man vor Alters dem Gedächtnisse zu / und hielte dafür / daß in den Ohrläpplein der Sitz des Gedächtnis wäre. Salomo saget: Das Ohr höret sich nimmer satt. Diese sind zu nächst den Augen / begreiffen lauter Knorpel in sich / haben ihre äuserliche [482] geschrenckte Ründe / und Weite / mit unterschiedlichen Krummen Gängen / und estrecken sich zu dem Ende immer enger und enger / damit der Thon oder Wiederhall desto besser aufgefangen / und gefasset / das Gehirne aber hierdurch für der kalten Lufft befreyet werden möge. Das Ohr ist an sich selbst ein unansehnliches und schlechtes Glied. Wenn man seine Tugend ansiehet / so befördert es die menschliche Gesellschafft / setzet Handel und Wandel fort / stifftet Friede und Ruhe / und verrichtet Alles / was sonst dem Menschen unmöglich zu thun fiele. Der Mensch hat an sienem Leibe kein ander Glied / wormit Er den Thon der Rede / die Stimme und den Klang vernehmen könne. Und gleichwie Er / wenn Er schläffet / die Augen zuhat: Also stehen Jhm hingegen diese offen / alldieweil Er derselben auch im Schlafe benöthiget. Es dienen auch die Ohren dem Menschen darzu / daß Er dadurch zu einer bessern Vollkommenheit des Verstandes gelanget. Denn / so eine grosse Beschwehrung dieses ist / wenn man taub gebohren / oder sonst um das Gehör gekommen: Je edeler ist das Gehöre. Und / wie die Augen Fenster des Gemüths: Also find die Ohren Thüren des Gemüths. Und / obwol die Rede das Ohr prüfet / so stehen doch alle äuserliche Sinne / als Augen / Ohren / und andere Empfindlichkeiten / als Knechte / dem Herzen zu Dienste. Gleich wie aber des menschlichen Herzens Begierde / und das Ohr zu hören unersättlich: Also ergehet es auch uns. Wir hören Böses und Gutes / und thun / und thun / was wir wollen / und haben / was wir sollen / so werden wir doch niemahls darbey verbleiben / sondern fallen von Eins auf das Andere / und ist doch endlich nichts / als menschliche Thorheit / menschliches Gebrechen / und menschliche Vergänglichkeit. (Das gute und böse Ohr.) Natura hominis est Novitatis avida: Dem Menschen ist die Neuerung angebohren. Zum Guten; Da Er gerne höret / was nützlich und vernünfftig ist; Da Er die Ohren mit GOTTes Worte anfüllet: Gute (Act. 17, 11.) Künste und Wissenschafften begreifft: sich der Zucht und Erbarkeit befleissiget / und das Innwendige durchdringet / wie an den Berrhoensern (Luc. 10, 39.) und der Maria Magdalena zu sehen. Der Thebanische Fürst Epaminondas (AEmilius Prob. in Epaminond.) hatte an Hörung der Wissenschafften solche Begierden / das Er dafür hielte / wie Er daraus am besten eine Sache zu entscheiden lernete. Keyser Carl ließ Sich über der Tafel der Alten ihre Geschichte verlesen. Alexander Magnus kunte Sich an des Homeri (Cranzius lib. 2. Sax. c. 8.) Schrifften nicht satt hören: legte Sie des Nachts unter seine Haupt-Küssen / und führete Sie des Tages mit Sich in einem güldenen Kästlein. Keyser Theodosius der Jüngere / übete Sich des Nachts in den (Sozomenus in Praefat. Eccles.) freyen Künsten / und wartete des Tages seinen überhäufften Geschäfften ab. Themistocles verlies des Platonis Schule / und hörete mit was vor Beredsamkeit Callistratus seine Sachen vorbrachte. Zum bösen: Da Jhn täglich seine juckende Ohren zur Sünd und Schande / zur Unzucht und Hurerey / zu Zoten und Possen / und zur Untugend / und schändlichen Unfläterey treiben. Bey deme man nichts als Schänden und Schmähen / Verleumbden und Fuchs-Schwäntzen / Fressen und Sauffen / Pracht und Hoffarth / Tantzen und Spielen / Fluchen und Lästern / Schinden und Schaben höret. Die Poeten dichten von dem Ulysse / daß / als er mit seinen Gesellen über das jenige Meer / allwo die Sirenen Einen mit ihrem lieblichen Gesange an sich zu locken pflegten / gefahren / habe Er Jhnen die Ohren mit Wachse zugestopfet / damit Sie ihren Gesang nicht höreten. Die Welt ist die gröste Syrene / die uns mit allerhand Ketzerey / Wol [483] lüsten und Unzucht / Pracht und Geitz / Sorge und Wucher / Lügen und Trügen / Freude und Wolleben bethöret; Das Ohr ist dem Gebrauch nach ein nützliches; wegen der Gefahr aber ein schädliches Glied. Der Eva Gehör war ihr Fall. Werhuret / der giebet der Hurerey Gehör / und wer täglich frißt und säufft / der wird am Verstande taub. Das Wesen dieser Welt ist gefährlich / es gehet auf einmahl dahin / wie ein Schatten / und wie ein Geschreye / das vorüber fähret. Die da reich werden wollen / fallen in die Versuchung / und die da sorgen / in die Stricke des Verderbens. Derohalben stopfe man für allen dergleichen Lastern sein Ohr zu / und hänge dasselbe nicht an das Irrdische. Man meide die böse Gesellschafft; habe ein leichtes Ohr gegen das / was Tugend / und Lob bringet / und ein schwehres gegen die Laster-Reden. Man verstopfe seine Ohren nicht für dem Schreyen der Armen; Man höre GOTTES Wort / und lasse dem / der da recht hat / Recht wiederfahren. Man zäume seine Gedancken; denn / wer eine wohllüstige Sache / durch das Gehör in das Hertze dringen läffet / der vollbringet gemeiniglich die That; Und weil Niemand Einem einen (Cicero lib. 2. Epist. Famil. Vol. 1.) bessern Rath geben kan / als Sich selbst; so wird man nicht fehlen / wenn man sich selbst höret. Man rede mit sich / ziehe sich selbst zu Rathe / und gehorche Jhm. Wer nun diesem Rath folget / dem wird sonder Zweisel kein kommentar Frembder einen besseren zu geben wissen. Von einem übelhörenden Richter / Kläger und Beklagten wird erzehlet / daß / als einsmahls Einer bey dem Richter geklaget / wie Er von seinem Hausgenossen keinen Mieth-Zins bekommen könnte / Beklagter hierauf zur Antwort gegeben / daß er die ganze Nacht auf der Mühle gemahlen / habe der Richter sie beyde angesehen / und endlich zu Jhnen gesagt: Ist Sie eurer beyden Mutter / so unterhaltet Sie auch beyde / wie mit mehrern aus solgenden Versen zu lesen: Lisagitur; surdus??? Reus, surdus??? fit Actor; Ipsetamen Judex surdus utro??? magis. Pro AEdibus hic petit aes, qvintô jam mense peractô, Ille refert: totâ nocte mihi acta mola est. Adspicit hos Judex, &: quid contenditis? inqvit. Annon utri??? est Mater? utri??? alite! Vor Gerichte taub der Kläger; taub auch der Beklagte war / Doch der Richter tauber noch / als die Beyden ist verblieben; Dieser seinen Zins begehrte fast nun auf ein halbes Jahr. Jener Lohn / daß Er die Mühle eine ganze Nacht getrieben. Beyde sahe an der Richter / sprach: Was zanket ihr euch hochs Ist Sie euer beyden Mutter / so ernehrt Sie beyde noch! Richter sind zuweilen bey Geschencken nicht nur am Gehöre taub / sondern Sie geben auch taube Abschiede. Wehe aber dir! Der Du das Recht beugest / den Grössern hörest / und den Armen unterdruck est! Und verflucht sey auch der / der das Böse gut / und das Gute böse heisset / [484] der aus Finsternis Liecht / und aus Liecht Finsternis / Jader aus sauer süsses / und aus süsse sauer macht. (Menschliche Sicherheit.) Des Argi Sicherheit war desselben Verführung. Die Sicherheit ist eine Mutter des Uberflusses. Niemals wird man eher untergedruckt / als wenn man für nichts keine Sorge träget. Je mehr der Mensch nach einer Sache trachtet / desto mehr Aussicht soll Er haben. Es ist der Welt Lauff / daß man das Gegenwärtige nicht achtet / nach dem / was man nicht hat / strebet / und wornach man am meisten trachten sollte / dasselbe für nichts hält. Nihil tam firmum, cui non sit periculum ab invalido. Als Einer / mit Nahmen Brenno / wider den König in Macedonien / den Antigonum / Krieg führen wollte / schickte Er zuvor seine Gesandten an Jhm. Antigonus ließ Jhnen alle seine Schätze / und Gold / und Silber zeigen / und Sie / nach ertheilter Antwort / wieder nach hause ziehen. Wie sie nun dahin gelanget / erzehleten sie dem Brenno alles / und unter andern auch dieses / daß so schlechte Anstalt / und Kriegsverfassung in seinem Königreiche gemacht sey / also / daß es schiene / als ob sein grosses Reichthum die vesten Städte wären / und das Geld und Gut dem blanken Eisen / die Spitze bieten dürffte. Wie die Fische im Hamen / und die Vogel in dem Stricke berückt und gefangen werden / also ergehet es auch dem (Titus Livius.) Menschen. Er pochet auf sich selbst / auf seine Jugend / auf seine Schönheit / auf sein Leben / auf seine Stärke / auf seine Gewalt / Kunst / Ehre und Reichthum. Er lebet sicher dahin in der Jugend: Er brüstet sich wegen seiner Schönheit / Hoheit und Macht: Er freuet sich im Hertzen wegen seines Vorraths / den Er in Küsten / Kasten / Seckel / Scheune / Küche / und Keller hat: Er erhebet sich wegen seiner Gewalt: Er mißbrauchet sein Vermögen: Drucket und beschwehret das Armuth / und weis nicht / daß Jhm die Fallstricke in der Nähe geleget sind. Was ist doch eiteler als der Mensch? Er gehe oder stehe; Er esse oder trinke; Er spiele oder tantze; Er eitze oder wuchere; Er stoltziere oder prange; Er thue / rede / sinne oder gedenke / was er mag / so lauert der Tod allenhalben auf Jhn. Ist er jung / so muß er sterben; Ist er alt / so ist Jhm nichts nützlichers / als der Todt. Die Schönheit stirbet so geschwind / als das / was unflätig. Der Reiche wie der Arme / und der Gewaltige wie der Geringe: Gehet der König und Verächter mit Tode ab / so geben Sie binnen wenig Tagen einerley Gestanck von sich. Da der alte Heyde Musonius gefraget wurde / welcher Mensch am besten stürbe? sagte Er: Der / welcher iederzeit dafür hielte / daß die letzte Stunde seines Todes zugegen sey. Alles / was in der Welt / das ist unsicher / der Mensch aber ist es allein / welcher darinnen am allersichersten lebet. Die Lunge ist sein Tempel / der Koch Priester / und der Bauch sein Alter. Heute ist Er mächtig und hochmüthig; Morgen fällt Er dahin; Heute pranget Er: Morgen Hungert Er: Heute trotzet und pochet Er; Morgen lieget Er wie Spreu darnieder: Aber / saget mit / wo sind all die in der Welt prächtig und mächtig gelebet haben? Ist es nicht wahr / sie sind alle überwältiget / und ihre Macht hat offte ein Ende genommen mit Schrecken? (Der beste Schlas.) Auf die gefaste Sicherheit folget der Schlaf. Des Mercurius List / verursachte dem Argo den Schlaf. Wie vielmahl wird der Mensch doch von seinen Sünden eingeschläfet. Er schläffet / wenn es am besten Zeit zu machen ist. Er schläffet / wenn Er für seine Seele sorgen und wachen soll. Er verschläfft das Ewige / und ist der [485] (Pausanias.) Wachsamste / da Schand und Laster getrieben werden. Die Sycionier mahleten den Schlaf in Gestalt eines Menschen ab / welcher einen wilden Löwen zahm machte / wordurch sie abbildeten / daß kein Schmertz so grausam / der nicht durch den Schlaf aufhöre. Der Schlaf ist natürlich / und kan Niemand dessen / auch kein Their / entbehren. Er ist nützlicher als alle Artzney / und in Jhm stecket des Leibes Wohlfarth / und des Lebens Gesundheit. So lange der Mensch wohl schläft / so lange stehet es wohl um Jhn: Ist Er aber krank / oder hat sonst seine Welt-Sorgen / so wecken (Ambr.) Jhn die Begierden auf. Es wecken Jhn die Sorgen / es quälet Jhn die Mißgunst: Der Vorzug: Die Sorge des Reichthums: Das schlechte Einkommen: Der niedrige Stand; Die Furcht der Diebe / und das böse Gewissen. Je mehr Verrichtungen / ie mehr Sorge. Man rathschlaget bey sich in der Nacht / was man des Morgens thue. Wie man Andere nebenst sich drucke / und wie man hoch an das Bret komme. Man erschrikket im Traume; man wachet aus Geitz bey seinem grossen Gute. Man (Tertullianus.) grämet sich um das / was man doch nicht mit sich nehmen kan. Die Nacht ist die gröste Unruhe / und gleichwie der Schlaf bey denen Sorglosen ein Erqvicker des Leibes / ein Erfrischer der Kräffte / ein Bewehrer der Gesundheit / und ein Artzt der Arbeit; Also bricht sich ein Anderer um des Mammons willen der Ruhe ab. Er ängstiget sich in dem Schlafe / und stielet Jhm selbsten die beste Ruhe zur Unglückseligsten Ruhe ab: Der Arbeiter schläset auf seine Arbeit / und erfreuet sich / wenn der Abend herbeykommet; Der Reiche aber grämet sich / wenn die Nacht vergangen / und des Gottlosen Unruhe geht erst an / wenn die Nacht herbey kommet. Wie Petrus in seinen Banden sicher ruhete; also ängstete sich Nebucadnezar auf seinem Bette über sein Gesichte / so Er gesehen. Als Keyser Sigismunden einsmahls 40000. Ducaten zugeschicket wurden / und Er sich die gantze Nacht mit der Sorge schluge / worzu Er sie anwenden wollte: Nahm Er früh morgens das Kästlein mit dem Gelde / und sagte zu seinen Räthen: Sehet hier / diese Feinde haben mich die ganze Nacht geplaget. Dahero so nehmet sie hin / und theilet Sie unter Euch / damit Ich dafür Ruhe haben möge! GOTT / als der allerklügeste Werckmeister / hat es also vermittelt / daß der Mensch nicht allezeit wachen / und auch nicht ohne unterlaß schlafen / sondern mit dem Schlafen und Wachen eine Abwechselung (Die Beschaffenheit desselben.) halten solle. Wie es aber mit dem Schlafe natürlicher Weise bewandt / halten etliche Gelehrten dafür / Er rühre von Aufsteigen der Dünste und den Speisen des Magens her. Denn / wenn die Speise in den Magen zur Nahrung durch die natürliche Hitze zubereitet / entstünden darvon besondere Dünste / die über sich in das Gehirne stiegen / theileten sich darinnen hin und wieder aus / und verstopfften die Gänge der Sehnen und Sinne / daß Sie die Gliedmassen nicht bewegen / noch die Sinne eine Empfindlichkeit haben könten. Dergleichen geschehe es auch auf diese Art / wenn man durch langwierige Arbeit / Reisen un̅ Gehen sich müde gemacht / so würde durch die verursachte Wärme oder Dämpfe das Gehirne eingenommen / (Galen. de Sympto. Causar. Averro. lib. 3.) ausgedrucknet / und deßwegen der Schlaf verursachet. Andere aber sind der Gedanken / es komme der Schlaf / wegen der zurück gehaltenen Wärme her / die nach dem Herzen zugehen sollte / wodurch die äuserliche Empfindlichkeit / und Bewegung denen Sinnen genommen würden / welches dahero darzuthun / daß / wenn der Mensch wachte / Jhm das Angesichte und der Mund roth / wenn Er aber schlieffe / meistentheils bleich (Plato.) wäre. Damit aber der Schlaf desto natürlicher fallen möge / hat GOtt [486] dem Menschen die Augen-Lieder und die Augen-Braunen geschaffen / auf daß Er die Augen desto besser darinnen einhüllen / und dem Schlafe eine beqveme Wohnung zubereiten möge. Der Schlaf ist auch dem Menschen darum gegeben / damit Er desselben Leib / wie gedacht / erqvicke. Den̅ / wenn er matt und müde / so legt Er sich zur Ruhe / stehet Er auf / so kan Er wieder an seine Arbeit gehen / und daselbst das Seinige verrichten. Es hat der sichere Schlaf auch diesen Nutzen / daß Er alles Anliegen hinweg nimmt / den Kummer stillet / die Furcht aufhebet / den Zorn lindert / böse Empfindlichkeit sänfftiget / und alle Schmertzen vertreibet. Somnus (Homerus.) Frater Mortis, & mors Somni Frater. Die Heyden nenneten Jhn selbst ein Bild / einen Bruder und Vater des Todes. (Ovidi???.) Stulte! quid est Somnus gelidae nisi mortis imago? Und zwar darum / alldieweil bey Jhm das Gegenwärtige so wohl / als das Zukünfftige vergessen wird. Der Mensch lieget ohne Empfindlichkeit / siehet und höret nichts / riechet und schmecket nichts / redet und fühlet nichts / und ist zwischen Jhm / und denen / die in den Gräbern liegen / (AElianus lib. 2. c. 35) kein Unterscheid. Als dem berühmten Gorgiae Leontino bey seinem hohen Alter ohne unterlaß der Schlaf zugienge / und Jhn Etliche seiner guten Freunde fragten / wie Er lebete? sprach Er: Jam incipit me Somnus fratri suo tradere. Nunmehro übergiebet mich allgemach (Pausanias in Attic. l. 1. c. 26. n. 20. Grenzhemius.) der Schlaf seinem Bruder dem Tode. Von dem Epimenide lieset man / daß Er in der Insul Creta in einer Höhle habe 77. Jahr nach einander geschlafen. Zu Lübeck soll ein Knabe ganzer sieben Jahr in einem Zimmer gelegen und geschlafen haben. Als die Christen unter dem Keyser Decio hefftig verfolget wurden / flohen ihrer sieben / benahmentlich Maximianus / (A. 1363. A. C. 250 Jacobus de Vorag.) Malchus / Martinianus / Dionysius / Johannes / Serapion / und Constantinus nahe bey Epheso in eine Höhle / auf den Berg Celium. Der Keyser vermochte sich an Jhnen anderer Gestalt nicht zu rächen / als daß Er den Eingang hierzu vermauern liesse. Sie sollen aber für Traurigkeit (Nicephorus. Cedren???. Cuspinianus.) eingeschlaffen / daselbst 196. Jahr geruhet / und nicht eher ausgewachet seyn / bis zur Zeit Keysers Theodosii / da Sie am Ostertage erwachet / und mit aller Menschen Verwunderung in die Stadt kommen / und an Jhrer Tracht / Sprache und Müntze / so sie bey sich gehabt / erkennet worden seyn / da denn nachgehends der Keyser zum Gedächtnis derselben dahin eine Kirche (A. C. 447 Seneca lib. 1. de Tranqv. vitae. c. 15. p. 148 1. B. M. 28.) bauen lassen. Der Schlaf ist uns zur Erqvickung nöthig / wann man aber demselben Tag und Nacht nachhänget / so ist er der Tod. Denn gleichwie dem Menschen weder Speise noch Tranck ohne gewisse Masse nicht vortheilhafftig: Also auch das allzuviele wachen und Schlafen. Bey bey den ist ein Unterschied zu halten. Da der alte Jacob in Mesopotamien zoge / lag Er des Nachts zu Bethel unter freyem Himmel / und war sein (Volaterr. Anthrop 23.) Haupt-Küssen ein harter Stein. Der Weltweise Marcus Antonius / hernach Römischer Keyser / schlief ganzer zwölff Jahr auf der Erden. So lange als Keyser Nero ein ruhiges Gewissen hatte / so ruhete er wohl / wie Er aber seinen gewesenen Lehrmeister / den Senecam / und seine Mutter / die Octaviam / umbringen liesse / so kunte er nicht schlaffen / und dieses machte sein böses Gewissen / welches sich keinen Affen schleyern lässet. (Der Welt Freundschafft.) Endlich siehet man hierbey auch / wie listig Mercurius den Argum mit seiner Pfeiffe hintergangen / denselben eingeschläffet / und ihm hierauf den Koff hinweg geschlagen. Ein guter Freund ist bes [487] ser als Silber und Gold. Heutiges Tags aber heists: von dem man viel Nutzen hat / dahin verwendet man auch seine Freundschafft. Die Welt ist voller Untreue. Solange der Mensche in gutem Glücke und Stande lebet / da finden sich Freunde genug / wenn aber das Glücke hinweg / so verkehret sich die Freundschafft. Die Scythen hielten die für die Reichesten / welche die meisten Freunde hatten. Jetzo aber heist es: Ubi opes, ibi amici. Wo Geld / dahin hält sich auch die Welt. Geld ist ein Herr / dem Jederman dienet / und sollte es auch mit der grösten Sclaverey geschehen. Der Reichen Güter gebähren den Armen die gröste Mißgunst. Der tapfere Epaminon das pflegte zu sagen / man sollte nicht eher zu Hause kehren / man hätte denn zu seinen alten Freunden sich einen neuen geschaffet. Eines vortrefflichen Pferdes Tugenden erkennet man im Kriege: Eines guten Freundes aber in Widerwärtigkeit: Keine Nahrung bestehet ohne Freundschafft. Diese ist ein Spiegel / darinen man einen Willen / eine Gunst / einen Sinn / und eine Seele in zweyen Leibern warzunehmen hat. Als man den Diogenem vermahnete / daß Er sich für Etlichen / die Jhm heimlich nachstelleten / sollte vorsehen / sprach Er: Es gebühret sich mit Freunden und Feinden umzugehen / damit man sich für diesen hüten / und jenen sich vertrauen könne: Wer sich aber für beyde hütet / den fällt das Leben am beschwehrlichsten. Der Philosophus Sextus sagte: Man soll keinen um des Nutzens Willen erwehlen / alldieweil solche Freundschafft nicht lange währet. Die Welt stehet auf Seulen. Diese sind nichts anders ald des Menschen Herze / welches voller List und Betrug stecket. Unsere Gedanken verkauffen wir offters um eine Händvoll Ehre / und unsere Seeligkeit um einen zeitlichen Vortheil. Sobald man Geld und Gut vermercket / da hält man Mord und Todschlag für Nichts. Der Mensch hat nicht Ursach sich in die Welt zu verlieben: Denn Sie ist ein stinckendes Leilach / an der man sich allenthalben beflecket. Wo stete Gottlosigkeit / da ist keine Frömmigkeit. Mit der Welt ist es auch also beschaffen: Sie ist voller bösen Buben / darinnen der Teufel Wirth. Jhre Freude währet ein Augenblick / und wenn sie hin / so ist Sie als wenn Sie nie da gewesen. Sie ist Jhr iederzeit gleich gewesen: Gleich an Bosheit; Gleich an List und Betrug: Gleich an Mord und Todschlag: Gleich an Behendigkeit: Gleich an Fällen: Gleich am Ubel / Aergern und Aergesten: und was kan Gutes an Jhr seyn / alldieweil Sie stets in dem Argen liegt / und mit Nichts / als Betrug umgehet. Es ist in Jhr nichts vollkommenes / sondern alles mangelhafftig. Unser Hertz ist böse von Jugend auf. Wir sind alle Abtrünnige / und verdorben wie Ertzt und Eiseln. Wie keine Fische ohne Grät: Also ist auch Niemand ohne Fehler. Wir sind in unserm Thun und Wesen eben beschaffen / wie Einer / der auf der See schiffet / welcher Jhm gut Wetter / und eine glückliche Schiffarth wündschet / die Seegel nach dem Winde ordnet / und das Schiff / so gut als Einer kan / regieret / daß aber dasselbe nicht hin und her wancke / und von den Wellen nicht auf- und abgetrieben werde / Solches vermag Er nicht zu wehren. Wo ein Funken der Treue und Redlichkeit / da ist dagegen eine ganze Handvoll Unruhe anzutreffen. Der beste Freund ist ein Feind. Die Gebehrden sind vorwerts Holdseelig / und die Gedanken falsch. Das Gesichte ist freundlich / und das Herze feindlich. Die Worte gütig / und das Gemüthe gifftig.
|| [488]
(Das hoffärtige Herze.) Nach des Argi Tode setzete die Jo / wie die Poeten wollen / des Argi Augen in den Pfauen-Schwantz. Der Pfau ist / wie bekannt / Einer von den stolzesten und hoffärtigsten Vögeln / der sich wegen seiner Schönheit für Andere zu erheben pfleget: Denn Er hat auf seinem Haupte gleichsam eine Crone / führet an sich die schönsten Federn / pranget mit seinem Circul-runden Schwantze / schreyet und ruffet gleichsam seinen Hochmuth und schöne Gestalt aus / sobald Er aber auf die Füsse siehet / so fällt Jhm der Muth. Dahero man von Jhme im Sprichwort saget: Es hätte derselbe einen Englischen Gewand / einen Teufelischen Gesang / und diebischen Gang. Was kan hierunter besser verstanden und abgebildet werden / als die leidige Hoffarth / und der eingebildete Hochmuth? Hoffarth altert nicht. Sie ist die jenige / welche Sich für Andern was sonderliches bedüncken lässet / führet das Wort mit einem Geschrey / und besudelt darbey alle Tugenden. Wann Hochmuth aufgehet / so gehet das Glücke nieder. Wann der Pfau Sich brüstet / so fället Jhm der Muth am ersten. Hat ein Hoffärtiger in der Welt Sich hoch genug empor geschwungen / so muß Er letzlich die Flügel des Ubermuths sincken lassen. Er büsset wie Nebucadnezar / und seine Geleits-Leute gerathen in lauter Hohn und Spott. Das Auge der Stoltzen hänget Sich an die Hoffarth / (Phavorinus.) und ruhet nicht eher bis seine Pracht erfüllet. Ein alter Philosophus sagte: Die Menschen wären zum Theil zu verlachen / zu hassen / und für einfältig zu halten: Zu verlachen / wegen Jhrer eingebildeten Hoffarth: Zu hassen / wegen Jhres Ehrgeitzes / und einfältig / wegen Jhrer vergeblichen Hoffnung / darinnen Sie sich endlich betrogen befänden. Als der weise Demonax Einen mit einem schönen Kleide einherstutzen sahe / sagte Er Jhm in ein Ohr: Höre Freund ! vor diesem trug dieses dein Kleid ein Schaaf / und dasselbe blieb ein Schaaf / und du bist auch in demselben weder klüger noch weiser worden. Thomas Morus wurde einsmahls gewahr / daß Sich eine Jungfer in dem Spiegel übermüthig auskleidete. Dahero sagte Er zu Jhr: Wenn dir GOTT nicht die Hölle für deinen angewendeten Fleiß giebet / so geschiehet dir unrecht. Hoffarth in Kleidungen / ist nichts anders / denn eine Masque. Denn / wenn wir Menschen noch so hoffärtig aufziehen / so bekleiden wir Uns in nichts mehr / als in geborgte Federn / in frembder Thiere Häute / Seide und Wolle; Legen wir aber dieselben von Uns / so ist unser Stoltz und Pracht eine elende Dürfftigkeit. Die Narrheit ist der Hoffarth so nahe / daß die Alten auch das Wort Stoltz von Stultus hergenommen. Homo non esset superbus, si non esset fatuus. Dafern der Mensch nicht unbesonnen / so würde Er nicht stoltz seyn. Man will öffters mit wichtigen Dingen umgehen / und ist dochso geschickt darzu / als der Esel zur (Hugo.) Leyer. Der Hoffarth ihr Fuhrwerck beschreibet man also: Die Pferde / welche ihren Wagen ziehen / sind Begierde zu herrschen / die Liebe des eigenen Ruhms / die Verachtung Anderer / und der Ungehorsam. Die Räder / so Sie fort treiben / sind die Ruhmräthigkeit / der Ehrgeitz / die ansehnliche Rede / und die Leichtfertigkeit im Hertzen / der Fuhrmann der höllische Geist / und die darauf sitzen / die Stoltzen in der Welt. Der Fuhrmann fähret seines Weges fort: Die Pferde lauffen ungezäumet darvon / die Räder kehren bald über / bald unter sich / [489] führen die stoltze Gesellschafft über Stock und über Stein in den (Bernhar. in Serm. 37. super Cantic.) höllischen Pfuhl. Das ist der rechte Stoltz / und die Hoffarth / auch der Anfang aller Sünden / wann Einer sich in seinen Augen grösser machet / als Er für GOTT / und in der Warheit ist / Dahero auch von dem Teufel / so die erste Sünde begangen / gesagt wird / daß Er in der Warheit nicht bestanden / sondern von Anfang ein Lügner gewesen sey. Die Hoffarth (Sabellicus lib. 7. c. 2:) brachte denselben mit seiner Gesellschafft aus dem Himmel: Denn / nachdem Lucifer / als der Vornehmste unter allen Engeln / sich nicht an deme / daß Er ein Fürst aller Engel / begnügen lassen / sondern dem Allerhöchsten gleich seyn wollte / ward Er von oben herab in die ewige Finsternis (Gen. 3. Genes. 16. Fulgos. lib. 9. c. 5.) verworffen. Adams und Eva Hoffarth brachte Sie / weil Sie gedachten klüger zu werden / um das irrdische Paradies. Die Agar ward um des willen verstossen / Seba getödtet / Haman gehencket / und Goliath gestürtzet. Der Persische König ???erxes vermeinete beydes über die Menschen / und denn auch über die Elementa zu herrschen. Denn / als Er mit einer grossen Krieges-Macht wider Griechen-Land zoge / und an das Hellespontische Meer kam / lies Er nicht allein bey ereigneten Sturme das ungestümmer Meer stäupen / gleich / als wenn es sich für seiner Gewalt fürchten sollte / sondern auch Fessel und Bande hineinwerffen / als wollte Er solches gefangen nehmen. Thules ein König in Aegypten erhub sich in seinem Königreiche dermassen / daß Er auch zu dem Abgott Serapidi reisete / und Jhn fragete: Ob auch iemahls ein so mächtiger König / als Er / gelebet hätte / ietzo lebete / oder noch leben würde? Dem das Oraculum geantwortet: Primus est Deus, deinde est Verbum, & Spiritus cum ipsis; Et haec tria sunt unius Naturae seu Essentiae. Igitur abi a nostris aris. Es ist erstlich ein GOTT; hernach das Wort / und mit Jhm der Geist / und diese Drey sind unter Sich einerley Natur und Wesens; Derohalben packe dich von unsern Altaren / und bringe dein übriges Leben ohne weitern Ruhm zu ! So bald aber der König aus dem Tempel gegangen / so soll Er alsbald von seinen Dienern ermordet worden seyn. Der tapfere Griechische Held Lysander / wurde seines Hochmuths wegen erstochen. Keyser Caligula wollte / daß man Jhm opferte und göttliche Ehre erwiese / Er ward aber in dem neun und zwanzigsten Jahre seines (AElian. l. 8.) Reichs mit dreyssig Wunden getödtet. Der Tyranne Archelous lies aus Hoffarth seinen besten Freund / den Crateras erwürgen / nur damit Er allein regieren könnte / Er ist aber nach dreyen Tagen hinwiederum von Andern hinterlistiger Weise ermordet worden. Keyser Severus hielte den Plautcianum in so hohem Werth / daß Er auch seinen Printzen des Plautciani Tochter vermählen lies: Alldieweil aber dieser alles / was Er nur bekommen kunte / nicht allein an Sich brachte / und die Unterthanen ausmergelte / sondern auch endlich aus Ubermuth gar dem Keyser / und seinem eigenen Eydam dem Bassiano hierdurch nach dem Leben stunde / und solches der Keyser erfuhr / ließ Er Jhn für seinem Angesichte tödten. Da Aristoteles einem stoltzen Jung-Gesellen / der die Augen hin und wieder in die Höhe warff / sahe / und darbey nichts rechtschaffenes gelernet hatte / sprach Er zu Jhm: Ich wünschte / daß Ich der wäre / der du dich bedüncken lässest: Was aber du bist / das wollte Ich meinen Feinden nicht wünschen / daß Sie solche wären. Da der weise Aristhenes des Platons Hoffarth anste [490] chen wollte / und ohngefehr ein Pserd wiehern hörete / kehrete Er sich zu Jhm und sprach: Meinem Bedüncken nach hättestu in Warheit auch zu einen guten Pferde gedienet! König Philippus in Macedonien drohete den Lacedemoniern schrifftlich / daß Er Jhnen Alles / was Sie vorzunehmen und zu thun gedächten / verbieten wollte. Die Lacedaemonier aber verlachten seinen Hochmuth / und liessen Jhm hinwieder (S. Augustin???) sagen: Ob Er Jhnen auch das Sterben verbieten wollte? Gleichwie aber die Demuth die Menschen zu Engeln macht: Also die Hoffarth zu Teufeln. Man sey so weise / reich / glückseelig / mächtig / als man wolle / so ist man doch ein unbesonnener elender Mensch / wenn man auf menschliche Dinge bauet / hoffärtig und stoltz wird. Der Hoffarths-Baum bestehet in unterschiedenen Zweigen und Aesten: Seine Nahrung ist der Unglaube / der Abfall von GOTT / und die Verachtung seines Wortes: Der Kern die Vergessenheit aller Wohlthaten / und die von GOTT angedrohete Straffe: Die Zweige sind die Undanckbarkeit / der Geitz / die Verachtung des Nächsten / die Unfreundlichkeit / die Ungedult / die Heucheley / der Frevel / und der Neid: Die Aeste aber Zanck und Hader / die Hindansetzung GOTTES Strafe / das Vertrauen auf Sich selbst / und der Mißbrauch aller Gaben GOTTES. In Summa; es ist mit der Hoffarth ein verzweiffelt Ding; Verzweiffelt im Predigt-Amte / wegen Ketzereyen und falscher Lehre: Verzweiffelt im Politische Regimente: Bey Hofe: Im Kriege: Zu Hause: Im Ehestande / und bey allen des Menschen Vornehmen / wie zu sehen an Adam und Eva / an Dathan und Abiram / an Sodoma und Gomorra / an Cain und Pharao / an Haman und Absolon / an Achitophel und an dem vorgedachten schönsten Engel selbst / der darüber (August. in Serm 31.) zum abscheulichsten Teufel gemacht worden. Die Hoffarth ist eine Stief-Mutter aller Tugenden / eine Gebährerin der Laster / eine Pforte der Höllen / eine Lehrerin des Irrthums / und ein Anfang des Bösen. Wie mit mehrern dero Früchte aus folgenden zu sehen: (V. Libellum. Monasticum Aureum Opus de Veritate Contritionis.) Ambit superbus, rodit praesumtio, Judex Curius, ingratus, blanditur, scandala reddit, Blasphemat, dubius, non fidus, schisma, prophanus, Inanis, jactat, contentio, non obedire, Hypocrisis, discors, durus, se diligit, audax. Bey Hoffarth findet sich der Ehrgeitz / Splitterrichten / Undanck und Schmeicheley / auch Aergernis bereit: Man ist nicht mit sich eins / und will GOtt selbst vernichten: Man suchet nichts als Ruhm und Widerspenstigkeit Man schmeichelt / liebet sich / und siehet iederzeit / Wie man durch Zwietracht / Zanck / anrichte steten Streit. (Es. 14.) Wider solche redet die Schrifft / und saget: Ich will / spricht der HErr / den Erdboden heimsuchen um seiner Boßheit willen / und die Gottlosen um ihrer Untugend willen / und will die Hoffarth der Stol [491] zen ein Ende machen / und die Hoffarth der Gewaltigen demütigen. Der (Ps. 138.) HERR ist hoch / und siehet auf das Niedrige / Er erkennet den Stolzen von ferne: Er zerstreuet die Hoffärtigen in ihres Hertzens Sinn / und ihr (Luc. 1.) Hertze ist Jhm ein Greuel. Der beste unter Jhnen ist wie ein Dorn / und der Redlichste wie eine Hecke: Alle böse Buben / die in gleicher Schand und Laster leben / als da sind Diebe / Hurer / Mörder / Spieler und Säufer lieben sich untereinander / niemahl aber ein Hoffärtiger den Andern / (S. Bernh. de Fallacia praesentis vitae.) Und gleichwie die wüsten Einöden dürre / unfruchtbar / und ohne Wasser anzutreffen: Also sind auch gemeiniglich die stoltzen Hertzen dürre / und haben Mangel an der Gnade GOttes. Sie sind unbußfertig / unwissend aller Geschickligkeit / unverständig des geistlichen Kampfes und Streites mit dem Fleische der Welt / und der Sünde. Dürre an dem heilsamen Taue der Geistlichen Gaben / mager an der Liebe GOTTES. Alldieweil nun die Hoffarth des Hertzens ein Gifft des Teufels; so ist es besser / man prange in dem Bilde GOTTES / und in seinem Schmucke. In dem Schmucke der edlen Tugend / die Jhm GOTT bey der Schöpffung mitgetheilet. In dem Kleide der Heiligkeit und Unsterblichkeit / darinnen Jhn weder Tod noch Unfall berühren kan. In der Crone der Weisheit / das ist in der Erkänntnis GOttes Wesens und Willens. In dem seeligen Bilde / welches Er Jhm selbst ähnlich gemacht. In den güldenen Ketten der Gerechtigkeit; Nicht von irrdischen Golde / Perlen oder Edelgesteinen / sondern die Jhme Christus durch den Tod zu wege gebracht. Das Königliche Ehren-Kleid aber / und aller dieser Schmuck / welcher einzig und allein GOTT gefället / und um deß willen wir Jhm auch gefallen / ist Christus JEsus / den wir im Glauben fassen und anziehen. Er ist der (Rom. 13. Es. 42. Matth. 17) Geliebte / an dem der Vater einen Wohlgefallen hat. Der Uns von GOTT gemacht zur Weisheit / Gerechtigkeit / zur Heiligung und zur Erlösung. In welchem wir alles haben: Denn / fassen wir Jhn in wahren Glauben / so umleuchtet Uns seine Unschuld. Seine Demuth und Gehorsam machet Uns schön und helle / und sein Verdienst überschattet uns / (S. Bernhardus.) daß uns nichts schaden kan. Wir sitzen in den Blut-triefenden Wunden JEsu Christi / da können wir uns waschen und reinigen / da ist das Hertze frey / und da sind wir sicher für der gottlosen Welt / für Falschheit und Betrug / für hinterlistiger Nachstellung / für Geitz und Hoffarth / ja für dem Teufel selbsten.

Der unentbehrliche Bergwercks-Bau.
[arrow up]

MIr schreiten nunmehro fort zu unserer vorher aufgeführten (Der Bergwercke Ursprung) Berg-Invention / und wollen dieselbige mit wenigem auch / nebenst dem edlen Berg-Wercke / berühren. Es hat GOTT der einige Werck-Meister / durch seine unergründliche Weisheit / dem Menschen auf dem Erdboden nicht allein zu seinem Aufenthalt und Nothdurfft allerhand lebendige Thiere / Fische / Vögel / und was dergleichen mehr / herfür wachsen lassen / sondern auch Jhm zum besten die irrdischen Cörper der Metallen / Berg-Gewächse / Säffte / und so fort / in das Erdreich und Wasser geleget / damit Er solche heraus [492] ziehen / sich Jhme zu Nutzen machen und gebrauchen möge / gestalt denn dergleichen die alten Philosophi mit Fleiß erforschet / die Natur / und deroselben Eigenschafften denen Nachkommen offenbahret / und dadurch ein unsterbliches Lob nach sich verlassen. Niemand hat zu zweiffeln / daß das Gold / Silber / und die andern Metallen eine Gabe GOTTES sey. (Gen 2, 12.) GOTT schuf anfangs auch Gold und Silber / in den Klüfften und Gängen / in den fliessenden Wassern / und absonderlich in dem Fluß Pison: hat Er dieses erschaffen / so müssen auch andere Metallen und Berg-Wercke darbey gewesen seyn. Adam / als der weiseste und verständigste Natur-Kündiger / wuste aus Göttlicher Weisheit nicht allein aller Thiere / Kräuter / und Creaturen Art / sondern auch der Bergwercks Natur Libano eine Stadt gebauet / und Zweifels-frey sich daselbst des Berg-Wercks zu seinem Nutzen gebraucht / und auf seine Nachkommen fortgesetzet haben wird. Allermassen denn sein Uhr Enckel Thubal Cain in der Schrifft gerühmet wird / daß Er ein Meister in allerley Ertz- und Eisen-Wercke gewesen sey / und das Seifen / Geschübe / die Witterung / Sicherung / mit Ruthen die Gänge auszurichten und zu entblösen gewust haben muß. Nach der Sündfluth aber haben die Berg-Wercke von dem Japhet und Cham / des Noä Söhnen / und dessen Nachkommen / fernerweit ihren Ursprung und Anfang in Asien und Europa genommen / und hält man darfür / daß das Wort Ertzt / Miner-Ertzt / Mennige / Schot / und Iberi / Marcasit und Cobalt / annoch von dem Hebräischen herrühren. Als (Deut. 33.) Moses / oder vielmehr Josua / das Volck Israel in das gelobte Land führete / verhieß Moses Jhnen ein Land / da Milch und Hönig innen fliesse / da viel köstliche Früchte / und reiche Berg-Wercke / von Eisen-Steine / und (Mathes. in Sarepta.) Kupffer-Ertzte. Die Gelehrten halten darfür / daß der Sohn GOttes bey des Adams ersten Opfer demselben ein eisern Schlacht-Messer gezeiget / welcher bernach / als Er aus dem Paradiese gestossen / und Er sein Brod aus der Erden suchen müssen / sich an den Berg Libanon begeben / und daselbst nach und nach Eisen-Berg-Werck geschürffet / und gut gemacht / also / daß Er der erste Berg-Mann gewesen wäre. Hat man den Thubal-Cain für einen Meister in allerhand Ertzte gehalten / so muß die Erfindung (Vulcanus wer Er gewesen?) des Berg-Wercks schon vor Jhme in Schwange gangen seyn. Von diesem Thubal-Cain haben hernach sonder Zweifel auch die heyden gehöret / dahero sie Jhn / nachdem sie die ersten Syllaben verbissen / Vulcan genennet / denselben für einen Gott geehret / und darfür Gehalten / daß / weilder Berg Aetna in Sicilien viel Rauch / Dampf und Feuer von sich werffe / daselbst sein Ham̅erwerck / Schmitte / und Esse anzutreffen. Von des Japhets Sohne dem Thubal / sollen die Berg-Leute in Europa hergekom̅en seyn: denn ans Chaldäa und Babylon hat man nicht weit an das Euxinische Meer / daran Colchis und Iberia stösset / und die alten Alibes / Chaiibes / und bekannte Bergleute gewohnet haben sollen. Die Gold-Bergwerke in Indien hat man vorlängst erfunden. Des Sems Nachkommen brachten dieselben in Sephar auf. Der Stam̅ Isaschar / so an dem Rande des Mittelländischen Meers wohneten / (Deut. 33.) gebrauchten sich des Bergwerks / und huben die versenketen und verborgenen Schätze im Sande und Griese durch das Waschwerk herfür. Der (Job. 22. 1. Reg. 9. Edle Bergwercke.) Fürst Eliphas des Hiobs Nachtbar vertröstete denselben auf gute Kuxe und eine reiche Gold-Seife. Zu Salomons Zeiten brachte man auf einmal 420 Centner des besten Goldes aus Ophir. Bey Sidon / in dem Wasser Belo / soll ein sonderbahrer Sand gewesen seyn / daraus man Crystallen geschmeltzet. [493] Der Ertz-Vater Abraham war von Gold und Silber sehr reich / wie auch Loth und Laban. König Philippus in Macedonien soll wöchentlich aus (Diodorus??? Siculus.) den Bergwercken zwölff tausend Cronen Einkommens gehabt haben. Von der Insul Colchide / wodurch der Gold-Fluß Phasis gehet / dichten die Poeten / daß etliche junge Griechische Helden dahin geschiffet / damit sie daselbst (Matthesius in Sarepta. Gulden Flies.) das güldene Fell oder Flies erobern möchten / welches nichts anders als ein grosses Gold-Wäschwerck gewesen / da man die Gold-Ertzte / und den güldigen Sand / Flitsch / und flammet Gold über rauhe Felle und löcherichte Bretter / wie heutiges Tages die Zwitter durch das Blech / und über die Plane / gewaschen / dasselbe gut gemacht / und mit sich darvon geführet hat. Die Gold- und andere Bergwercke und Flüsse in klein Asien / Arabien / Seba / Hevila / und an dem Mittelländischen Meere gelegenen Insuln / desgleichen die in Lydien / Phrygien / Bithynien / und in Griechen-Lande (Deut. 8. 9 c. 33, 24.) sind bekannt. Reichthum und Schätze werden durch den Seegen GOttes und ehrliche Arbeit aus der Erden gegraben / und die Ertzte aus den Bergen gehauen / da nemlich die Adern der Metallen in dem Eingeweide und heimlichen Gängen der Erden / durch fleissiges Nachgraben / gefunden / und gleichsam daselbst / als Blut-Adern / durch des Menschen (Joh. 22.) Leib ausgetheilet werden. GOTT verheisset denen / die das Gesetze von seinem Munde hören / seine Rede in ihr Hertz fassen / und sich zu Jhm bekehren / Gold und güldene Bäche / und daß Er denenselben Silber wolle zuhäuffen. Allermassen Er dann auch etliche Gleichnisse von dem Metalle hernimmt / und Uns dardurch die Geheimnisse unsers Heils mit diesen zu (Jer. 23. ???. 29.) verstehen giebt / wenn Er spricht: Ist mein Wort nicht wie ein Feuer / und wie ein Hammer / der die Felsen zerschmeist. Er selbst / saget der (Malach. 3. ???. 3.) Prophet / will sitzen / und schmeltzen / und das Silber reinigen / das ist / wie das Silber in dem Schmeltz-Ofen geschmeltzet / und in demselben von den Schlacken gereiniget wird: also will Er sein Volck durch Christum (Herodotus.) von den Schlacken der Sünden reinigen. Von einem reichen Fundgrübner in Asien wird gemeldet / daß Er gegen den Persischen Könige Xerxem / welcher mit achtmahl hundert tausend wider Griechenland auszoge / sich herausgelassen / wöfern sein jüngster Sohn nicht dürffte mit fortziehen / wolle Er Jhm sein gantzes Kriegsheer fünff Monat lang uff seine Kosten erhalten. König Crösus wuste auch mit seinem Gold und Silber nicht wohinaus / und als Er sich deswegen für den glückseeligsten Menschen in der Welt schätzete / verwies Jhm solches der weise Solon / und sagte: Es sollte sich Keiner seines Glückes erheben / und sich für (Ezech. 27. ???. 12.) glückseelig halten / Er sehe dann das Ende seines Lebens vor sich. Die Stadt Tyro trieb auf dem Meer allerley Händel / und brachte zugleich auch Silber / Eisen / Zien / und Bley zu feilen Kaufe. Unter den Heyden wird die Erfindung des Goldes / Silbers / und anderer Metallen und Bergwercken Unterschiedenen (In dem Königr. Sina gräbt ma̅ weder Gold noch Silber aus den Bergen. Joh. Neuhof. in descript. Sinae.) zugeschreiben / und hält man dafür / daß dieselben Erfinder nicht schlechte / sondern Königliche und hohe Stands-Personen gewesen seyn müssen. In dem grossen und mächtigen Königreich Sina giebet es eine unzehlbare Menge der Bergwercke / welche mit allerhand Metall an Gold und Silber reichlich angefüllet / welches aber aus den Bergen zu graben durch ein offentlich Gesetz verbotten / alldieweil man allewege dafür gehalten / daß des Menschen Leben viel schätzbarer als Gold und Silber zu achten / als daß man sie von den aufsteigenden schädlichen Dünsten ersticken liesse. Gleichwohl aber ist männiglichen in Sina verstattet / daß man an den Ufern der Flüsse Gold suchen und sammlen mag / [494] welcher auch daselbst in ziemlicher Menge gefunden wird / so gar / daß die Sineser darmit mehr Kauffhandel treiben / als andere gekauffte Wahren bezahlen. Was aber ist (zu geschweigen der andern in Europa) von den Ungarischen / Siebenbürgischen / Böhmischen / Meisnischen / Steyer Märkischen / Kärntänischen / Tyrolischen / Sultzischen / und andern in Teutschland fruchtbaren Berg-Wercken zu sagen? Alle sind mit gnugsamen Uberflusse reicher Metallen versehen. Das Ungarische Gold ist so reich beschüttet / daß man es gleich dem Arabischen achtet. Von einem (Reiche Ausbeut.) Böhmischen Fund-Grübner wird gedacht / daß Er von seinem Bergwercke nicht allein die Schule zu Prage erbauet / sondern auch dem Könige daselbst eine Tonne Goldes geliehen / Jhm hernach die Obligation darüber in einer verdeckten Schüssel fürsetzen lassen / und sie demselben hinwieder verehret. Hertzog Albrecht zu Sachsen fuhr zu Schneeberg in die S. Georgens Grube / und speisete daselbst auf einem gantz silbernen Tische / allda ein Kux in die 32000 Gülden zur Ausbeute soll gegeben haben. Zu St. Annaberg fiel vordessen auf dem himmlischen Heere / auf einen Kux / auf ein Quartal an 1000 Gülden Ausbeute. Keyser Carl der Grosse hatte zweene güldene Tische / und einen gantz silbernen / worauf die Welt-Mappa gestochen war. Aus welchen allen man siehet / daß das edle Bergwerck nicht nur eines der Uhrältesten / sondern auch der benöthigsten Dingen ist. (Des Bergwercks Nutzen.) Wie sehr man sich aber über den gestirnten Himmel / und den äusserlichen Erdboden zu verwundern / je wunderbarer siehet man die Güte GOTTES auch in dem innwendigen Cörper der Erden an dem gediegenem Ertzte / Gold / Silber / Kupfer / Eisen / Bley / und andern in den härtesten Stein-Felsen gewachsenen Materialien. Die tägliche Erfahrung giebet es / daß zu Krieges- und Friedens-Zeiten das Bergwerck höchstnöthig. Denn / wer wollte durch die grosse Welt handeln und wandeln? Wer wollte sein Brod erwerben und bauen / wenn man nicht durch Stahl und Eisen das harte Land umriesse / stürtzete und egete? Wo wollten so viel Farben? wo die nützlichsten und beständigsten Metallen? wo so viel Reichthum und Vermögens? wo so viel Ausgaben / und wo so viel Auflagen hergenommen werden / wenns nicht dasselbe thäte? Gleichwie aber das Bergwerck ein grosser Seegen GOttes: Also ist auch der Abgang oder Mangel desselben nicht ein geringes: Und weil dasselbe gleichsam der Königreiche und Länder Seele; so siehet man / wie durch dessen Vorschub die herrlichsten Länder erweitert / die grösten Städte erbauet / die Güter vermehret / die Einwohner bereichert / das Armuth aufgebracht / und der Kleinere neben dem Grossen sich in der Welt fortbringen könne. Betrachtet man nun dieses / so ist keine Handtierung von dem Kleinesten bis zu dem Grössesten / die nicht / vermittelst dessen / aufgebracht / und befödert würde. Denn / es kan desselben weder der Gold noch-Kupffer-Schmid / viel weniger die Uhrmacher / Schlosser / Schmiede / noch die mit dem Hufel / Cirkel / Seege / Stahl und Eisen umgehen / entbehren; zu geschweigen / daß so eine Menge Volcks von dem Bergwercke sich enthalten muß. Und / obwohl ihrer viel dafür halten / es sey der Bergwercks-Bau ein nichtiges Werck / und eine Verschwendung gewisser Haab und Güter / dessen man wohl im Handel und Wandel / wie hiebevorn / entübriget seyn könnte; So ist doch unleugbar / daß GOTT und die Natur / dem Menschen zum Nutzen / alle Elementa / und in diesem auch das Ertzt und die Metallen erschaffen / damit er sie ausgraben / und zu allen Guten anwenden möge. [495] GOTT ist allmächtig auch in dem Geringsten / und solches siehet man an den Bern- oder Agtstein / Kampffer / Petrolien / Erdwächse / Alaune / Saltze / Kupfer / und andern pechigten Wassern. (Metall.) Es wird aber alles das jenige / was vollkommen oder gediegen / oder unrein und unvollkommen Metall / oder ein irrdischer Leib genennet / welches GOTT in den Gängen / Klüfften / Flötzen und Stöcken aus subtiler Erde und fetten Dünsten würcket / durch natürliche Hitze aus Erd und Wasser zusammenziehet / und solches miteinander vermenget / also / daß daraus ein guter und schwefelichter Saamen gemacht / nachgehends darvon allerhand Berg- und Metallen-Arten gezeitiget / und in ein bessers verwandelt / bis es gediegen zu seinen vollständigen Wesen formiret / und / vermittelst des Schmeltz-Brenn- und Treibe-Ofens / aus seiner natürlichen Wirckung gantz rein (Aristor. lib. de mirabilib. auscult.) und sauber gemacht wird. Nahe bey der Stadt Philippe / sagt man / soll ein Metall gefunden werden / dessen abgeschnittene Schnitzlein wachsen / und sichtbarliches Gold herfür bringen. Man sagt auch / daß in Cypern / nahe bey Lyrria / wie man es nennet / Eisen durch die Natur ebenmässig mit Verwunderung herfürgebracht werde / welches / wann es in Stücken zerschnitten / gesäet / und hernach mit Wasser angefeuchtet wird / sich vermehre und wachse / daß es fliesse. GOTT hat (Klüffte und Gänge.) Berg und Thal nicht vergebens geschaffen / sondern Klüffte und Gänge an allerley Metall hinein geleget. Silber und Gold / sagt Eusebius / liegt an den schlimmsten Oertern der Erden / nemlich an denen / woselbst die Erde zu andern Früchten unfruchtbar und untauglich ist. Es ist aber unter Klüfften und Gängen der Unterscheid / wie unter einem vollkommenen Baume / und einem jungen aufgewachsenen Stamme / welcher die Höhe und Grösse nicht hat / wie ein starcker Baum. Klüffte nennet man / wenn die Ertzte hier und dort bisweilen einer langen und halben Spannen / bisweilen nur um eines Messer-Rückens Dicke / und gleichwohl gediegen / schmahl sind. Gänge aber heissen / wenn die Ertzte mächtig / und etliche Meilweges Berg und Thal durchstreichen. (Des Bergwercks geschicktes Lager.) Und / obwohl die Einflüsse und die Geschicklichkeit der Materien zu der Wirckung eines jeden Ertzes und Metalls gehören / so sind diese doch nicht genug darzu / daß die Gebährung der Ertzte bequemlich geschehe / sondern es gehöret eine artige Geschicklichkeit der natürlichen Gefäse darzu / worinne das Ertzt gewircket wird / als da sind / die steinigten / flache / schwartze Creutz / und anderer Arten Gänge mehr / die nicht weniger bequeme Wege oder Zugänge / darinnen die Minerische oder des Ertztes Krafft ihren Zugang in das natürliche Faß / als da sind / die Heeg-Querck-Flach- und Creutz-Klüffte / oder ander zufälliges Fletzwerck / haben möge. Ferner gehöret auch darzu ein geschicktes Lager des Gebirges / darinnen die Gänge und Klüffte streichen. Die gemeine Geschicklichkeit des Lagers oder Gebirges ist an etlichen Orten gegen Morgen / an etlichen gegen Mittag / an etlichen gegen Abend / und an etlichen gegen Mitternacht an dem Gehänge des Gebirges. Das Gehänge oder Lager des Gebirges aber gegen Mittag / ist mehr güldig Ertzt zuführen geschickt als der andern Eins / so es vor sich ein flaches abgesencktes Theil hat. Und das ist die beste Geschicklichkeit aller Gebirge / die zu bauen sind. Denn es giebet die tägliche Erfahrung / daß ein Berg selten alleine etwas sonderliches thut / sondern es müssen aufs wenigste Geschicke aushangend oder liegend darzu stechen / die sich mit [496] (Des Metalls Unterscheid.) der Art des Haupt-Ganges vermischen und vermengen. Es begreifft aber dasselbige eine Minerische oder Berg - Art von allerhand Farben / als da ist Marchasith / Kies / Kobalt / Speise / Gelbe / Eisenschus / Leyten / Quartz / Bleyschweif / Spate / und andere mehr in sich / also / daß das / was in den Gängen und Bestechen bricht oder lieget / und kein Metall bey sich hat / eine Metallische oder Minerische taube und leere Berg-Art heiset. Hingegen aber das jenige Metall / welches Gold / Silber und dergleichen bey sich hat / Gold-Silber-Kupffer-(Ertzt / was es sey? Aristot. 3 Metaph. Scaliger Exercit. 107. 6.) Ziehn-Eisen-Wißmuth- und Quecksilber-Ertzt genennet wird. Das Ertzt wächset / sagen die Naturkündiger / aus Schwefel und Quecksilber in der Erde. Diese beyde aber sind nichts anders als eine gemengte Erde mit Wasser / welche der Allerhöchste durch Feuer und Lufft also vermengen lässt / damit daraus die Metallischen hellgläntzenden Cörper / Gold / Silber / Kupffer / Bley / und dergleichen gezeitiget werden. Er schaffet in den Klüfften / Gängen / Flötzen und Stöcken / aus subtilner und gleichsam gedistillirter Erden / fetten Dünsten und Prodomen / die er durch natürliche Hitze aus der Erden zusammen ziehet / temperiret Erde und Wasser miteinander / daß eine Guhr / oder schwefelichter und quecksilberischer Saame werde / daraus man allerhand Berg-Arten und Metallen erzielet / bis es dicke und gediegen / und zu seinen vollständigen Wesen formiret wird. Ertzt aber heiset Alles das / was Metall in sich führet / und Mini oder Meni ein dergleichen / so man nur aus Erde und Quecksilber wircket / und zu wegebringet. (Mercurius ein Erfinder der Berg-Wercke.) Dahero die Orientalischen Völcker / und nachgehends die Juden auch einen Abgott / mit Nahmen Meni; oder / wie Etliche wollen / den Mercurium verehreten / den sie um des willen anbeteten / damit Er Ihnen / weil Er die Berg-Wercke zu seiner Zeit aufgebracht / Geld und Gut zu ihren Kriegen hergeben möchte. Wie nun die Alten denen sieben Planeten die Haupt-Metallen / worüber ein Jeder durch seine Krafft und Wirckung ein besonders zu beherrschen hätte / zugeeignet: Also nennete man auch das Quecksilber Meni oder den Mercurium; die Quecksilber-Gänge Venas Minii, und des Quecksilbers rothe Hefen Zinober / Minium, Mennige / und Bleyröthe. Etliche halten / wie erwehnet / dafür / die Ertzte wüchsen alleine aus Schwefel und Quecksilber / welches die beyden Saam-Wercke / als der Schwefel der Männliche / und das Quecksilber der Weibliche wäre / durch welcher beyden Zusam̅ensetzung / vermittelst der Sonnen-Wirckung / ein jedes Metall in der Erde gearbeitet würde / also / daß die Sonne der (Woraus das Ertzt wachse?) Metallen Vatter / und die Erde die Mutter wäre. Moses saget: GOTT lässet aus Steinen Ertzt wachsen: Hiob aber meinet / das Silber hätte seine Gänge / und das Gold seinen Ort / da es schmeltze / Eisen aber käme aus der Erden her / das ist / es würde in und unter den Wassern / wann die Gänge zusammen fielen / formiret. Gehen wir der Vernunfft nach / und wollen von denen Ursachen der Metallen reden / so wieß man keine andere / als / daß GOTT aus Erde und Wasser / durch das Feuer / die Metallen zusammen schmeltzen / und durch die Kälte selbige liefern und stehen lässet. Wie nun das Gesteine wächset; also wachsen auch die Ertzte und Berg-Arten bis auf diese Zeit / nicht allein in unverschrotenem Felde / da des Menschen Auge nicht hin kan / sondern auch in denen verfahrenen Feldern. Sollen aber die Metallen in der Erde / Hallen oder Reuten wachsen / so müssen sie ihre Nahrung haben: Denn / wenn der Berg-Verständigen Vorgeben nach / die feuchtigten Gebirge am Tage vertruckneten / die Wäl [497] der man abtriebe / und die Tage und Grund-Wasser verschrotete und abführete / auch die Sonne das Gebirge austrucknete / so würden die Ertzte keinen Halt mehr von sich geben. (Der Metallen Verwandelung.) Etliche halten die Verwandelung der Metallen / aus Eines in das Andere / für ungewiß: Etliche aber gewiß / und beweisen solches an dem Zipser Brunnen / der aus Eisen Kupffer mache / und mit den Rothgiesern / die durch Galmey und Kupffer Messing verfertigen. In dem Erdboden aber hat es eine andere Beschaffenheit / und muß es bey der Wirckung verbleiben / die GOtt einmahl darein geleget hat: Denn das Feuer wircket daselbst / und distilliret gleichsam / wie gedacht / eine Fette / und Feuchtigkeit aus den Prodem / und erhitzten Dünsten / welche ordentlicher Weise durch die Klüffte und Geschicke in die Gänge zusammen fliessen. Wenn nun die Minerische Kräffte im Gange / als in ihrer Mutter / zusammenkommen / und fallen andere Gänge mit hinzu / und das Gebirge und Schwefel gegen ihre Nahrung / das Feuer aber lässet nicht nach / so soll alsdann das Metall verwandelt / und die Ertzte immer besser und reicherer werden / bis sie dichte und derb / oder / nach Gelegenheit der Gebirge / auch gültig werden.

Das unvergleichliche Gold.
[arrow up]

(Gold ist das höchste Metall) GLeichwie aber ein Metall immer höher als das andere geschätzet wird: Also wollen wir auch sehen / was hinter dem Golde stecke. Das Gold / sagen die Medici und Alchymisten / ist das allerbeste und schwereste Metall / welches sich mit der Sonnen Natur gleichet / hat die Art an sich / daß es das Hertze / das Gehirne / die Leber / und andere innerliche Glieder stärcket / der Natur eine besondere Krafft giebet / und in dem Feuer nichts verleuret. Dahero man auch von Ihme schreibet: Nihil immortalius est auro post animam immortalem: Nichts ist unsterblicher als das Gold / nach der unsterblichen Seelen. Denn / je mehr es durch das Feuer bewähret / je schöner und reiner wird es. Es verzehret es weder die Erde / noch der Rost / viel weniger verleuret es seine Farbe / wie die andern Metallen. Es ist aber auch das Gold das reineste / lauterste / und vollkommeneste / und in dem Feuer standhafftigste Metall / welches GOTT aus der subtilnesten Erde / und reinesten Schwefel und Quecksilber bald anfangs / vor dem Fall Adams / in den Fluß Gangem / in Gängen und Fletzen erschaffen / und den Menschen zur Nothdurfft / (Dessen Nutzen.) Zierde / und Artzney verordnet. Gleichwie man nun der Göttlichen Allmacht unsichtbares Wesen und verborgene Weisheit an den Geschöpffen siehet: Also hat Er auch seine Macht und Krafft / den Menschen zum besten / (Plinius.) in das Gold geleget. Das Gold / sagt man / soll auch das Gifft im Weine verrathen. Das Levitische Stifft hatte viel Gold und Silbers / darinne GOTT durch Mosen viel heimliche und künfftige Dinge abreisen und vorbilden ließ; als da war der güldene Gnaden-Stuhl / der güldene Rauch-Altar / die güldene Leuchter / und dergleichen / welchen die Abgöttischen Heyden nachfolgeten / güldene Götzen aufwarffen / Sie anbeteten / Ihnen güldene Opfer opferten / und einen güldenen Gottesdienst anrichteten. Dem Abgott zu Delphis opferte man eine unglaubliche Summa Goldes / und fast unzehlbare Kleinodien. Wenn wir Menschen Uns wollen in der grösten Pracht und Herrlichkeit sehen lassen / so erweisen wir sol [498] che in Gold / Perlen / und Edelgesteinen. Salomonis äuserliche Herrlichkeit bestund unter andern auch in einem güldenen Stule und Crone / in einem schönen Saale / und vortrefflichen Tempel.. Der Tempel zu Carthago in güldenen Bleche: Alexandri Magni Rock / in gestickt- und gewircktem Golde / daran das Firmament künstlich zu sehen; und der Aegyptischen Königin Cleopatra ihr Schmuck in zwey grossen Ohren-Perlen / die auf zweene Tonnen Goldes geschätzet. Zu Laodicäa wohnete ein Burger / welcher / als er sterben wollen / im Testament seinen Mit-Bürgern zwölff Tonnen Goldes vermachete: Keyser Augusto gieng jährlich auf die Armee zwölff Millionen Goldes: Und von dem Marco Crasso lieset man / daß er neun- und sechzig Tonnen Goldes (und Mißbrauch.) gehabt. Bey allen Guten soll man das Böse verwerffen. Gold und Geld / Reichthum und Güter sind blind / wenn man sie ohne Verstand anwendet. Zu Lyon spielete eines reichen Kauffmanns Sohn mit dem Stadthalter daselbst auf Credit. Der Stadthalter schickte des andern Tages zu dem Vater / und ließ ihm hinterbringen / wie sein Sohn etliche Tausend Cronen auf Credit bey ihm verspielet. Der Vater bezahlete alsobald solche Post Geldes / nahm aber den Sohn auf die Seite / verwiese ihm solches / und sagte: Du darffst nicht viel / so jage ich dich mit neunzig tausend Cronen darvon / und sollst die Tage meines Lebens keinen Heller mehr von mir zu gewarten haben. Nichts wird bey einem gemeinen wesen eher verändert / als wenn man die edlen Metallen GOttes mißbrauchet / und sie liederlich verzehret und verschwendet. Wo Wollust und Pracht überhand nimmet / da muß Gold und Silber herhalten. Geld und Gut ist an sich selbst nicht schädlich / sondern das Hertze / so sich daran hänget / sträfflich. Die zeitlichen Güter sind keine Ursach der Verdammnis / sondern die Reichen stürtzen sich mit ihrem Gold und Silber selbst in das ewige Verderben / denn weil sie dasselbe nicht recht gebrauchen / so bringen sie dadurch zu wege / daß dasselbe zu ihrer eigenen Pein und Marter gereichet Die Stadt Capua in Italien war vordessen ihres Reichthums wegen so hochmüthig / daß / wenn man zu Rom zwey Bürgemeister erwehlete / man einen aus der Stadt Capua nehmen sollte. Dieser Pracht und Wollust verursachte endlich / daß sie von den Römern belägert / ausgehungert / und erobert wurde; da man denn den gantzen Rath mit einem Fall-Beile hinrichtete / die Bürgerschafft und das gemeine Volck / so noch übrig / als Leibeigene verkauffte / und die gantze Stadt zerstörete. Geld und Gut ist nichts als eine fahrende Haabe / welches man heute hat / morgen aber ein Anderer. Gold ist eine edele Sache / wo Weisheit darbey. Denn / wie die Weisheit beschirmet: also beschützet auch das Gold oder Geld. Durch jene errettet man sich aus Noth und Gefahr / durch diese aber bringet man Alles zu wege / ohne allein daß die Weisheit vor diesem den Vorzug hat. Schätze sammlen ist unverbotten: Der Geitz und die unzeitige Nahrungs-Sorge aber machen / daß sie wiederum verschwinden. Alle Nahrung und Reichthum ist in und von der Erden. Vor sich hat der Mensch nichts: Alles Reichthum / so in Silber und Gold / in Edelgesteinen und Kleinodien bestehet / ist GOTT allein: Er bringet Alles aus der Erden / es sey Speise oder Tranck / Geld und Gut; Alle Thiere im Walde sind sein / und alles Vieh auf den Bergen / da sie bey tausenden gehen. Er weiß des Menschen Nothdurfft / Er giebt ihm Korn / Most und Wolle: Er machet das Land voll Früchte / daß es Brod / Wein / und Oel bringe / und daß die Ce [499] dern Libanons voll Safft stehen. Das Gold stehet an seinem Orte / und das Silber in seinen Gängen; Man findet Erden-Klöse / darinnen Gold ist: GOTT aber weiset allein den Weg darzu / und kennet ihre Stätte. (Die verführische Alchymia) Gold und Geld ist die beste Losung in der Welt / und weil Männiglich sein Absehen darauf richtet / so achtet man weder Schnee noch Regen / weder Blitz noch Hagel / sondern man suchet dasselbe mit unverdrossenem Fleisse / bis man seinen Zweck erreichet. Noch eine andere Art Menschen finden sich / die dasselbe durch Alchymistische Kunst / oder durch das Alchymistische Feuer und Schmeltzen die Metallen aufzulösen / sie zu reinigen / das Unvollkommene vollkommen / und aus Kupffer / Eisen und Bley / Gold und Silber zu machen vermeinen / und vorgeben / als ob die Alchymi oder das Gold-machen der erste Mensch Adam erfunden / indem die Tinctura Universalis, oder der Weisen Stein / durch den Baum des Erkänntnisses des Guten und Bösen abgebildet würde: Andere meinen / sie rühre vom Cham / des Noä Sohn / (Vide Rogerii Heydenthum.) her: Andere aber / es wäre diese Kunst zu erst in dem Königreich Sina aufgebracht / vermittelst derer man nicht allein Gold und Silber zu wege bringen / sondern auch eine solche Artzney zubereiten könnte / daß man dardurch gleichsam unsterblich würde. Es bedeutet aber das Wort Alchymi unterschiedliches / als Erstlich die Kunst mit allerhand Metallen umzugehen / dieselben zu graben / waschen / (Gen. 4. v. 22.) schmeltzen / läutern und scheiden / welche Kunst auch der Thubal / Cain / ein Meister in allerley Ertzte und Eisenwerck erfunden: Zum Andern / die Spagyrische Alchymi / wie man nemlich / vermittelst des Feuers / distilliren / brennen / und schmeltzen solle / welche beyde nicht unbillich für Geschencke und Gaben des Allerhöchsten zu achten sind; Und Drittens die Goldmacher-Kunst / die / nach der Alchymisten Meynung / das unvollkommene Metall in das vollkommenste Gold und Silber verwandeln könne. Dahero sie dieselbige Materia bald einen Lapidem Philosophicum, ein Elixir / Tinctur / eine Natur des Feuers / ein Wasser des Lebens / Azoth / und dergleichen nennen / und vorgeben / daß viel Künste / so vor diesem im Schwange gangen / heutiges Tages verborgen liegen / worunter auch die Alchymi. Gestalt denn erzehlet wird / daß (Svidas.) Keyser Diocletianus alle Bücher der Alchymi / welche die Aegyptier gehabt / habe verbrennen lassen / damit diese Aegyptischen Fürsten / so zur selbigen Zeit durch diese Kunst sehr reich und mächtig gewesen wären / sich (deoccultis rerum causis.) dardurch nicht wider das Römische Reich auflehnen möchten. Der berühmte Philosophus Johann Fernelius meinet / es wäre dieselbe nicht zu verachten / indem er selbst durch solche Kunst gut Gold gemacht hätte; und solches behauptet auch Arnoldus de Villa Nova / und saget / daß Er dadurch das beste Gold zuwege gebracht. Von dem Theophrasto Paracelso erzehlet man / daß / als Er einsmahls in dem Würtenberger Lande alle sein Geld verzehret / und seinem Diener befohlen / daß Er einen Center Bley kauffen / zerschmeltzen / und auf glüende Kohlen setzen sollte / habe Er demselben ein blutrothes Pulver darein zu werffen / und dasselbe wohl umzurühren / gegeben / da dann aus dem Bley das schönste Gold worden / welches Theophrastus in eine eiserne Form giessen / und in der Müntze / als tüchtig Gold / verkauffen lassen. Der bekannte Helmontius giebet vor / Er habe ein Viertheil eines Granes von diesem Pul [500] ver auf 16. Loth lebendiges heisses Quecksilber in einen Schmeltz-Tiegel geworffen / welches Er / wie gelbes Wachs / zusammen gerieben / und als Er es wieder umgegossen / und durch den Blasebalt abgeblasen / darvon (Francisci Sittenspiegel A. C. 1648.) gediegen Gold bekommen. Dem Römischen Keyser Ferdinando dem Dritten / hat ein unbekannter Philosophus zu Prage / durch einen Edelmann / ein Alchymistisches Pulver zugeschickt / und als der Keyser am 15 Januarii es selbst probiret / hat Er mit einem eintzigen Gran / von solcher Tinctur / und drey Pfund Quecksilber / dritt-halb Pfund reines Goldes machen können / von welchem nachmahls der Keyser gewisse Gold-Stücken fertigen / und auf der einen Seiten / wie es in Beyseyn Seiner / und wenn es geschehen / auf der andern Seiten aber Folgendes prägen lassen: Raris haec ut hominibus nota est Ars, ita rarò in lucem prodit. Laudetur Deus in aeternum, qui partem infinitae suae scientiae abjectissimis hominibus communicat. In des Groß-Hertzogs zu Florentz Kunst-Kammer weiset man einen eisernen Nagel / welcher am Ende von klaren Golde / daran ein Zettel mit dieser Uberschrifft (Hic mortuus est Coloniae A. C. 1596. Panorm. c. 2. de Sortilegiis.) hanget: Dominus Leonhardus Turnhaeuser ex clavo ferreo me praesente ac vidente, igne calefacto, ac in oleum misso in aurum vertit Romae die 20. Novembris in Mensa post prandium. Es streichen auch Andere die Alchymi hoch heraus / und sagen / daß man durch ihre Kunst und Geheimnis aus einem geringen Metall das köstlichste zubereiten / und durch die Influentz der Sternen mit Kräutern und Steinen / die eine grosse Krafft haben / ein schlechtes Metall in ein bessers verwandeln könne; Allermassen denn die Metallen einerley Gestalt / die von einem Principio, dem Sulphure und Mercurio / herrühreten. Denn / sagen sie / kan der Sand in dem Flusse Belo / alle Metallen / so er berühret / in lauter Glas verwandeln / warum nicht auch die Alchymi ein Metall in das andere? Ob nun wohl die gedachte Alchymia Metallurgica und Spagirica ihren besondern grossen und rühmlichen Nutzen hat: So zweifeln doch ihrer Viel an dieser Chymica transmutatoria, und halten darfür / daß ihrer viel tausend darüber zu Grunde gegangen; Etliche aber gar / um des Betrugs willen / gehencket worden. Dahero man von dieser Alchymi saget: Sie wäre eine Kunst ohne Kunst / deren Wissenschafften Stückwerck / das Mittel (Petrarcha.) Lügen / und das Ende Betteln. Man nennet sie eine Kunst der Betrügerey / und ein leeres Hoffen / darinnen nichts als Rauch und Asche / Schweis und Seufzer / Spott und Schande zu erhalten; und durch die kein Armer reich / viel Reiche aber arm worden / wie hiervon der Poet saget: (Ovven???.) - Rem decoxit Chymicus, dum decoquit aurum, Et bona dilapidat omnia pro Lapide. Man zerkocht sein eigen Gut / wenn man Gold zu kochen trachtet; Ja nur um den Weisen Stein Er sein Geld wie Steine achtet. (Anno C. 1510.) Keyser Maximilianus der Erste warnete Einen seiner Räthe / der sich zu viel auf diese Kunst legete / und sagte: Es wäre hohe Zeit / daß Er darvon abstünde / denn Er hätte auch viel darauf gewendet / nicht desto weniger wäre Er derselben viel zu arm. Ein Vater sagte zu seinen Söhnen auf seinem Tod-Bette / wie in seinem Weinberge ein grosser Schatz verborgen läge: Die Söhne gruben nach des Vatern Tode den gantzen Weinberg um / nnd hatten keinen Nutzen darvon / als daß der Weinberg [501] dadurch fruchtbar gemachet wurde: Also ergehet es auch den Alchymisten / welche an statt des Goldes die nützlichsten Artzneyen finden. Man erzehlet von einer Katze / welche in einer Werckstatt eine neue Feile gefunden / und dieselbe so lange gelecket / bis daß ihr das Blut über die Zunge gelauffen / und endlich ohnmächtig worden wäre. Diese Fabel bedeutet nichts anders / als die Jenigen / worunter auch die Alchymisten mit begriffen / welche ihr Vermögen ohne Noth angreiffen / dasselbe in einer ungewissen Sache muthwillig verthun / und nicht eher nachlassen / bis alles darauf gangen. Unter andern beschuldiget man auch die Alchymi mit diesem / daß sie die jenige sey / welche der Natur ihre unzeitige Geburth vollkommen zu machen / und deroselben Wirckung zu beförden unterstehe / die Müntze verfälsche / und sich mit dem Mammon befreunde. Und / weil sie eine übele Haushalterin / so klage sie / wenn ihr Beutel leer / und ihr Leib mit Rauch und Dampff angefüllet / über die schwache Wirckung des Himmels / über die unreinen Metallen der Erden / über die zerbrechliche Gläser / und Geschirr / über die Brenn- und Distillier-Oefen / über die Mörser und Reib-Steine / über die Capellen / über die Tiegel und Lätte / über Helm und Kolben / über das unrechte Quecksilber / Bley / Zien / Kupfer / Sal Armoniac / Vitriol / Salpeter / Sal Alcali / Sal Gemmoe / Arsenicum / und dergleichen / über das unzeitige Calciniren / Filtriren / Coaguliren / Purificiren / Separiren / Solviren / und / daß alles das / was zuwor sichtbar / im Rauch und Dampff darvon gehe: Ihrer Söhne Leben wäre also beschaffen / daß sie sich äusserlich mit Rauch / Schweiß / Hitze / und Mühe / innwendig aber mit leerer Hoffnung / vergeblicher Unruhe / und nichtiger Eitelkeit quäleten / und endlich in ihren Beuteln nichts als Lufft und Wind empfindeten. Sie verhieß Ihnen groß Reichthum; Was sie suchten / das fänden sie nicht / und was sie hätten / das verlöhren sie; ehe sie sich aber am wenigsten versehen / spränge der flüchtige und und unbändige Geist darvon / da dann die Weisheit mit der gantzen Materie läge / das Gut und die Zeit verlohren gienge / der gute Nahme geschwächt / die Menschen geäffet / der Alchymist die Schultern zuckte / und das eine Auge auf die verlutireten Chrysolen / das andere aber auf den leeren Beutel richtete. Welches dann aus folgenden Reimen mit mehrern erhellet / worunter aber die rechten Künstler nicht mit zu rechnen sind. (Alchymia quid?) Illa est ars sine arte, Cujus summa pars cum parte, Cujus mater otiari, Cujus verba sunt nugari, Cujus votum denigrari, Cujus fama annotari, Cujus proba est mentiri, Cujus vita impediri, Cujus labor est inflare,
|| [502]
Cujus fructus mendicare, Cujus merces nunquam stare, Cujus poena est perire, Et in cruce interire. Diese Kunst ist ohne Kunst / Lauter Stückwerck / lauter Dunst / Ihre Muttter Müssiggang / Ihre Worte nur ein Klang / Auch ihr Wundsch ist Sudeley / Und ihr Ruhm erstirbt darbey / Lügen bringet sie gewiß / Und ihr Leben Hinderniß / Ihre Arbeit bleht sich hoch / Und muß letzlich betteln doch. Schlecht bestehen ist ihr Lohn / Ihre Straffe Spott und Hohn / Und der Galgen / da die Lufft Wird statt einer Grabes-Gruff. Weil nun dieses eine solche Kunst / die zwar vor sich vortheilhafftig / viel tausend aber / so sich von ihr bethören lassen / zu Narren machet / so ist ein solcher der ihr nachhenget / gleich einem Kauffmann / der mit einer Sache einen Bewerb treiben will / von welchem doch viel taufend nicht reich worden / und an statt einer Person / die etwas erworben / eine unzehlige Menge verdorben sind. (Particular Gold-Tinctur.) Damit aber der sorgfältige Alchymiste bey diesen und andern Metallen zu seiner Kunst eine Prob haben möge / so wollen wir deren etliche Processe behöriges Orts erzehlen. Als / man nehme einen Theil fein Gold / und einen Theil fein Silber / schmeltze die Beyden zusammen / feile das Gold und Silber erstlich gantz klein / und thue darzu den neunten Theil rein Quecksilber / welches durch ein Tuch oder Leder gedrücket ist. Hernach mische man alles dreyes durcheinander / wasche sie mit Weinessige so lange / bis sie klar werden / trockne sie / thue sie in ein Glas / setze sie auf einen faulen Heintzen in warmen Sande / lege einen Filtz-Lappen oben auf das Loch / und einen Stein über den Filtz-Lappen / und lasse also über den Sublimier-Ofen drey Tage und Nacht stehen mit einem Feuer. Vorhero schlage man alle Tage und Nacht einmahl auf den Filtz-Lappen / damit sich das sublimirte Quecksilber / so sich oben im Glase angehencket / desto besser niederschlage / und lege den Stein wieder auf den Filtz-Lappen / auch rüttele man die Materie im Schlosse alle Tage einmahl herum. Wann nun die drey Tage um / so reibe man die Materie zu [503] sammen auf einem Reibe - Stein / thue Sie wieder in das Schloß / setze Sie wie zuvor in den Ofen auf dem Sand / so tief die Materia im Glase ist / und gebe den ersten Tag Ihr ein gelindes / den andern aber ein stärckerers Feuer / und also alle Tage ein stärckerers. Was Sich sublimiret / das klopfe man wieder nieder / rühre es alle Tage einmahl herum / und mache das Feuer zum Ersten mahl nicht zu sehre / auf daß sich die Materia in ein Corpus wohl vermenge. Und dieses soll man so lange treiben / biß sich dieselbe in eine schwartze Farbe verwandele / und aus der schwartzen in die graue; und arbeite täglich so lange mit dem rühren / reiben und fixiren / bis daß sich die graue Farbe in eine rothe verwandele / gleichwie Mennige. Und / wenn die rothe Farbe also bereitet / so nehme man ein Kupfer - Blech / in einem Feuer geglüet / und lege des rothen Pulvers darauf als eine Erbse groß / fleust die Materia / wie Wachs / und rauchet nicht weg / und färbet weis / so weit es geschmoltzen ist / so ist die Materia recht / wo nicht / so mag man fort arbeiten bis Sie rech ist. Hierauf nehme man der Materie ein Theil / und ein halb Theil gefeilet Silber / und den sechsten Theil Qveck-Silber durchgedruckt / dieses wohl zusammen gemenget / und in ein Glas wie zuvor gethan / mit allerhand Arbeit in schwartz / grau und roth. Wenn man nun solches alles zubereitet / so hebe man mit der Vermehrung wie zuvor an. Und wenn also das Pulver roth / so mag man Silber daraus machen / wenn man will. Endlich thue man alles in ein Glas / giesse darüber Aqvafort vom Kupfer-Wasser / Salpeter und Alaune gemacht / die calciniret seyn / eines so viel als das andere. Das Wasser giesse man auf das rothe Pulver / und ziehe es wieder ab / so lange es treuge wird / giesse hernach das Wasser darauf / und ziehe es wieder ab / das thue man zu vier bis sechs mahlen. Denn mache man es klein; nehme Glase-Galle oder Porras / reibe es zusammen / lasse es in einem Tiegel wohl fliessen / und wieder kalt werden / so findet man im Tiegel einen silbernen König / den setze man in Test / scheide das Gold / durch das gemeine Aqvafort darvon / so hat man den dritten Theil gut Gold / so in allen Proben beständig seyn soll.

Das unentbehrliche Silber.
[arrow up]

Das Silber hat den nächsten Vorzug nach dem Golde / bleibet unversehret im Feuer / ohne allein / wenn es im Gies-Tiegel zu lange lieget / so vergeringert es sich in etwas. Aetzende Dinge zerbeissen es / und verwandeln selbiges in eine blaue Farbe. Es lässet sich kein Metall so hoch treiben als das Gold. Vor alters hielte man dafür / man fände in den Berg-Wercken kein gediegen Silber / welches sich aber in Teutschland / und zwar zum Schnee- und Annaberg in Meissen und Böhmen das Gegenspiel erweiset. Je weicher dieses Metall / ie besser es ist / indem es sich desto geschmeidiger hämmern un̅ treiben lässet. Das Electrum oder güldisches Silber ist dieses / wann in der Marck natürlichen Goldes der fünffte Theil Silber stecket / und soll das natürliche güldige Silber keinen Gifft leiden. Des Silbers gedenket (Genes.) Moses am ersten / und saget / daß Abraham der Chaldäer und der Pro [504] phete GOTTes an Silber und Gold / Vieh und Leuten reich gewesen. Vor der Sündfluth findet man in der Schrifft nichts vom Silber / weil des Cains Nachkommen nur auf Eisen und Kupfer gebauet / nach der Sündfluth aber hat man des Silbers genug gefunden. Gestalt denn das Gold / welches aus Klüfften und Gängen bricht / meistentheils noch Silber (2 Chro̅. I.) bey sich führet. Zu Salomons Zeiten war des Silbers so viel / wie die Stein-Hauffen / und solches bekam Er aus den Berg-Wercken am Gebirge Libanon / Gilead und Hermon. Nicht allein die H. Schrifft / sondern auch die tägliche Erfahrung giebet es / daß das Silber seine Klüffte / Gänge / Fletze und Geschicke hat / woraus es bricht. Bisweilen hält das Eisen auch Silber in sich. Das Silber-Ertzt ist zweyerley: Das eine ist sichtig / derb / gediegen und lauter / das andere aber bricht in allerhand Berg-Arten. Angeflogen Glas Ertzt / oder weis Silber ist wie auch das wünschlichte (Silber-Erzte sind unterschiedlich.) und härichte Silber käntlich. Das Glas Ertzt lässet sich auf dem Nagel streichen / wie ein Bley / was aber gediegen ist / als nämlich das Durchsichtige / Roth-Gülden / Weis-Gülden und Glase-Ertzt / das bringet seinen Namen mit sich. Je durchsichtiger das rothgüldige Erzt ist / ie minder giebt es Silber: Ist es braun / dunkel und glasicht / so hält es desto mehr; ist es weis Glas-Ertzt / hat es auch seine Haltung. Je derber das Ertzt / ie reicher vom Halte. Gediegen Silber mus viel Wasser haben. In Sina giebet es viel Silber - Minen angefüllet. Uber dieses findet man auch schwartz Eisen schüssig / bleyschweificht Robelt / Glantz und Bley - Ertzt / welche aber meistentheils vom Silber arm. Wer weiter will wissen / wie man mit dem Silber-Ertzt umgehet / hierzu gewisse Probier-Oefen / Muffeln / Capellen / Bley-Glas oder Fluß machet / Silber-Ertzte auf Silber probiret / das Silber und Pagament körnet / das gekörnte Silber auf fein Silber und gemüntzt Geld in groben und kleinen Sorten probiret / das Blick-Silber rein brennet / selbiges vom Zien scheidet / und das ungeschmeidige geschmeidig machet / der lese Georgium Agricolam / George Engelhard Löhneysen / Lazarum Erkern und Andere mehr. Sind die Silber güldig / müssen sie durch das Aqva fort oder durch den Gus geschieden werden. Wie nun die grösten Bäume aus der Erden herfürwachsen; Also lässet auch der grosse GOtt / Bäume in der Erden von Metall wachsen. Denn sollte man die Ertzt-Gänge über der Erden sehen / wie sie wüchsen / sich zertheileten und ausbreiteten / würde man eine gleichmässige Gestalt der Bäume an Wurzeln / Stämmen / Aesten un̅ Zweigen verspüren / allermassen denn ein silberner Baum in Sachsen von 60. Schuhen hoch / 20. Schuch lang / und 9. Daumen dicke von lauter Silber soll gefunden worden (Mathe sius in Sareptâ.) seyn. Auf dem Abertham / in S. Lorentz Grube / wuchs innerhalb 20. Jahren in einem Stempel gediegen Silber. Denn da sich der Steiger in der Gruben umsahe / ward Er in einer Strecken gewahr / daß sich eine weisse geharrschte Art im Liegenden wohl eines halben Orts hoch angeleget / und ausgesehen / als wenn das Gestein verziehnt wäre / als Er aber solches abstach / (Silber zu Golde zu machen. Kellej???9) und gesichert / fand Er Silber / als wann es von einem Reichsthaler gefeilet / welches in der Proba Siebenzehen Marck gehalten. Für die jungen Alchymisten gehöret dieses: Man nim̅t den durch den Essig extrahirten Crocum Martis 2. Loth / reibet darunter fixen Salarmoniac / setzet sie auf eine Glase-Tafel im Keller / lässet beydes zum Saffte fliessen / imbibiret mit demselben den Mercurium Sublimatum / lässet solches wohl verschlossen eintrucknen / leget alles wieder in Keller auf die Glase Tafel / lässet es zum Oele fliessen / coaguliret es verschlossen zum Steine / pulverisiret es / [505] träget es auf die geflossene Luna / bis man siehet die schöne Goldfarbe / so hoch man will / scheidets alsdann / so hat man / wer es recht machet / ein reiches Stücke Gold.

Das nutzbare Kupfer.
[arrow up]

(Job. 28.) LIsen kommet aus dem Staube und Kupfer schimmert aus den Schiefern. Das Kupfer wird nach dem Silber in nicht wenigen Werth gehalten / lässet sich treiben und giessen / und verzehret sich hinwieder im Feuer und durch den Rost. Und gleichwie das Gold der Sonnen / und das Silber dem Monden verglichen wird: Also auch dieses der Venus. Und / obwohl dasselbe zum Theil auch Gold bey sich führet / so ist es doch weder diesem noch dem Silber zu vergleichen / alldieweil dergleichen Geschirre / wenn man etwas feuchtes darein leget / einen gifftigen Geschmack und Geruch an sich ziehet. Wenn man in das Kupfer einen Magneten duncket / vermenget es mit dem weissen Arsenico / Weinstein / sublimirten Qveck - Silber / und Salpeter / so bekommet es eine weisse Farbe. Das Kupfer / so den Nahmen von der Insul Cypern bekommen / heisset man Ertzt / und das / was aus diesem Metall gegossen wird / eherne oder küpferne Gefässe. (Gen. 4.) Nach der Schrifft ist das Ertzt nichts / als rechtes Kupfer / dessen erstlich zu des Thubal - Cains Zeiten gedacht worden / und sind Kupfer und Eisen die ersten Metallen / so man aus der Erden gegraben / die ersten Kupfer - und Eisen - Berg - Wercke aber am Berge Libanon gewesen / zu beyden Seiten / neden denen anderen Gebirgen / Hermon und Gilead. Unter allen Kupfern / die man in Teutschland gräbet / sind die Manns feldischen Schiefer am wunderbarlichsten / darinnen man allerhand Arten (Wie das Kupfer gar gemacht.) Fische / und andere Dinge abgebildet befindet. Wenn die Berg-Leute das Gebirge des schwebenden Ganges oder Kupfer - Flötze im Hartz belegen / und das roth Gebirge / rothen Klee / Gerülle / Gniest / Schwehlen / Ober-Rauchstein / Zechstein / Unterrauchstein / Splitterstein / Oberschwehlen / Mittelstein / Unterschwehlen / Dach / Norweg / Lotwerg und Kanne / welche Berg-Arten alle auf dem Schiefer liegen / durchsencken / und die Schiefer-Hauer / so man Krump-Hälse nennet / den Schiefer zu Tage ausgefördert / so hat der Schiefer kein Aeuglein Silber / biß Er siebenmahl geröstet / und zu Steine gemacht wird / hernacher arbeitet man Ihn über die rothe Schicht / scheidet in der Seiger-Hütte das Silber von dem Kupfer / und macht dasselbe rein / dorret es in einem andern Ofen / setzet das gedörrte Kupfer auf den Gar - Heerd / oder Ofen / kühlet es gemachsam / und schleusset eine Scheibe nach der andern ab. Dieses gebrauchet man / wie bekannt / zu allerhand Geschirren / wenn es zuvor unter den Wasser-Hammern zu Blech geschlagen / und in scharffer Lauge von aussen / und inwendig mit Härings-Lacke und Saltz gebutzet / rein und weich / auch hernach durch das Hämmern wieder hart gemacht wird. (Messing / Glocken-Speise un̅ Grün-Span.) Aus diesem machet man mit dem Zusatze der Galmey Messing / von Ziehn und Kupfer Glocken-Speise / und Grünspan von Kupfer-Plantzschen mit Kinder-Harm begossen / und alsdenn wieder abgeschabet. Man macht aber das Messing aus Kupfer also: Erstlich setzet man dem Ku [506] (Lazar??? Erker lib. 3. pag. m. 111.) pfer Galmey zu / welcher / absonderlich der Goßlarische / vorhero geröstet / gebrannt / und auf einer darzu gemachten Mühle klein gemahlet werden mus. Alsdenn richtet man denselben folgender massen zu: Man nimmt dessen ein Theil / un??? zwey Theil geredene Kohlen-Lesch / drücket es unter einander wohl vermischt / giesset einen Schaff voll Wasser oben auff den Galmey / daß es allenthalben darein kreucht / und lässet es eine Stunde stehen / so feuchtet es sich unter einander an / wiewohl Etliche an statt des Wassers Urin nehmen / und ein wenig Alaune darein thun / damit der-Messing in dem ersten Feuer eine desto schönere Farbe bekomme. Hernach nimmet man eine Krücke / ziehet es wohl durch einander an die sechsmahl / mischet zur letzt eine Metze Saltz darunter / und ziehet es mit der Krücken an die dreymahl noch herum / so ist alsdenn der Galmey bereit. Man machet aber iedesmahl so viel Galmey / als man dessen auf zwey Oefen bedarff. Dafern man nun Messing bereiten will / macht man runde Oefen in die Erde / damit der Wind das Feuer durch die Löcher / welche unten in den Oefen sind / treiben kan: In derselbigen Oefen einen setzt man acht Töpfe / oder Häfen / lässet sie wohl warm oder heiß werden / und wenn sie heiß / hebet man sie behende heraus / schüttet auf solche 8. Töpfe 48. Pfund Galmey hinein / und oben auf einen Topf 8. Pfund klein gebrochen Kupfer / setzet hernach die Töpfe wieder hinein / lässet sie neun Stunden lang in grosser Gluth stehen / und nimmet zu solchen 9. Stunden anderthalben Kumpf Kohlen. Wenn also die Kohlen bemeldte Stunden durch verbrennet / so räumet man mit einem Eisen durch den Zeug einwenig im Hafen / siehet / wie es geflossen / und lässet es noch eine gute Stunde in seiner Gradirung oder Flusse stehen. Hierauf hebet man die Töpfe aus dem Ofen / giesset sie alle / wenn man Stück-Messing haben will / in eine Grube / zerbricht sie / so der Zeug noch warm ist / und leget sie dichte zusammen / damit der Messing in Bruhe eine desto schönere Farbe bekomme. Will man aber Kessel und andere Arbeit daraus machen / so giesset man die Häfen in grosse Steine / welche sonderlich darzu gemacht sind / zu grossen Blättern / woraus man nachmahls schneiden / Drath ziehen / und (Kupfer in Silber zu verwandeln.) schlagen kan / was man will. Man macht auch dem gemeinen Gebrauch nach ein Oleum Arsenici, lässet es im Keller auf einer Glase-Tafel in ein Oehl resolviren / zu diesen schläget man einen Theil der süssen Saltz-Crystallen / thut beydes in ein Glas / versiegelt es Hermeticè, und figiret solches mit gelindem Feuer / so überkommet man die Tinctur / so das Kupfer in Silber verwandelt. Noch eine andere Art desselben bereitet man also: Man thut das Oleum Arsenici allein in ein Glas / setzet es in die Asche / und hält dasselbe darinne / bis es wieder trucken und zum Pulver wird / solviret solches im Keller zu einem Oleo, setzet es wieder in die Asche zu coaguliren / bis es sich solviret / und coaguliret / und dasselbe so lange / bis es fix wird / und nicht mehr rauchet. Alsdenn nimmt man Kupfer / solviret es in einem Aqvafort / und lässet zur Solution von dem Oele Tropfenweise hineinfallen / so schläget sich das Kupfer in Gestalt eines Pulvers nieder / dasselbe reduciret man in ein Corpus zu gutem Silber.
|| [507]
Das edle Berg-Werk.

Das geschmeidige Ziehn.
[arrow up]

DAs Ziehn gleichet sich mit dem Jupiter / und führet gemeiniglich / absonderlich das Engländische / Silber bey sich. Und / gleichwie das kupferne Geschirre / wenn Wasser hinein gegossen / einen übelen Geschmack von sich giebet; Also thut auch das Ziehn dergleichen / wann die Feuchtigkeit sich darinnen aufhält. Die Berg-Leute heissen den Stein / daraus man Ziehn machet / Zwitter. Die meisten sind schwärtzlicht und graulicht / wie auch die Geschübe von den Zwitter-Gängen / etliche gelblicht / weislicht / und braunlicht anzutreffen. Wenn man den Zwitter zu Tage ausfördert / und theilet / röstet man Ihn / und führet dieselben für die Künste und Pochwercke. Man gewinnet Ihn / wo ein Zechen Stein ist / mit Schwefel und Eisen / wo es aber seste / und geneisig / da mus man setzen / und das Gestirne mit Feuer heben. Man brauchet auch über dieses Ritz-werck Keile und Plätze / damit man offt mächtige Wände wirfft / so man mit Feusteln zerschläget. Etliche Ziehn-Berg-Wercke haben eines Theils streichende Gänge / welche zwar allein nichts sonderliches thun / es fallen denn Geschicke und Geferten darzu. Andere haben ihre ganze Stöcke / darauf einer Gewerckschafft vierzehn Lachtern in das Gevierde in ewige Teife Steiger-Gerichte verliehen werden. Neben diesem Zwitter / findet man auch allerhand Berg-Arten / als da sind das sehr gifftige Spieß Glaß / der räuberische Schürel / das rothgelbichte Eisen-Mahl / das glänzende Katzen-Silber / der eilende Glase-Kopff / der flüchtige Wolffs-Schaum / die weis grauen Qverze / und die roth-bräunlichten / auch weisse und hart Flöse / welche zum Theil das Zien harte / unscheinbar und fleckicht / zum Theil auch gut (Wißmuth.) und vollkommen machen. Es ist auch eine Art / welche man Wißmuth nennet / von diesem wusten die alten Römer und Griechen nichts. Man nennet es darum also / weil es wie eine schöne Wiese blühet / darauf allerhand Farben-Blumen stehen. Anfangs war seine Blüte nur bekannt / hernacher aber lernete man dasselbe schmelzen; Es bricht dasselbige offters ganghafftig in mancherley Berg-Arten / vielmahls auch gediegen / un̅ hält zuweilen Silber. Man nennet es des Ertztes Dach sobald man eine Stuffe darvon in das Feuer legt / treifet der Wismuth darvon / und ist / weil es viel Qveck-Silber bey sich hat / sehr flüchtig und gifftig. Von Ihme saget man / wenn er in unverschrotenen Feldern / da Er seine Nahrung vom Schwefel / Qveck-Silber und fetten Dünsten hätte / in Silber verwandeln solle. Es wird aber derselbe wegen der Härte und Stärcke / unter das Ziehn gesetzet / die Drucker-Schrifft daraus gegossen / un̅ andere Arbeit hiervon / (Spieß-Glas.) wie auch eine schöne blaue Farbe verfertiget. Das Spieß-Glas-Ertzt ist schön / un̅ schwer / fast eine̅ Bley-Glanz gleich iedoch spissig. Dasselbe probiret man also: Man nim̅t des Ertztes / wenn es / wie die Hasel-Nüsse / gros gepochet / 2. oder 3. Pfund / thut es in einen Topff / der unten ein Loch hat / verstreichet die Fugen / daß sie nicht von einander fallen / und setzet sie dergestalt zwischen Ziegelsteinen in das Feuer / daß der Untere das Feuer nicht sehr berühre / und nur der Obere in der Gluth stehe. Wenn nun derselbe wohl erglüet / so fleust das Ertzt gar leichtlich / und das Spies-Glas / darvon durch das Loch in den untern Topf / alsdenn lässet man eserkalten / [508] und nimt das Spies-Glas heraus / da man denn siehet / wie viel die eingesetzten Pfunde Ertzt Spies-Glas gegeben haben. Das strenge Lisen. DEr Eisen-Stein ist braun / und siehet ingemein einem verrosteten Eisen gleich / der beste und reicheste aber / welcher frisch / und dessen Farbe blaulicht ist / vergleichet sich einem gediegenen Eisen. Etliche Steine sind Magnetisch / welche / durch ihre Natur / das Eisen sichtiglich an sich ziehen / welches aus ihrer beyderseits Hitze herrühret. Das Eisen / so dem Marti zugeeignet / ist ein solches Metall / welches von dem unreinesten Schwefel samt vieler Erden vermischet / und von dem unzeitigen Queck-Silber in dem Erdboden gezeuget wird. Dahero es sich auch / um der irrdischen und trockenen Materien willen / nicht gerne giessen und arbeiten / iedoch aber treiben und schlagen lässet / und übertrifft an seiner Härte alle Metallen. Zu dieser / des Eisens Natur / rechnet man auch den Stahl / von welchem dieser / gemacht. Sobald als Adam hackete / Cain meyhete und schnitte / Abel / Seth und Enoch opferten / und schlachteten / da kunten sie des Eisens nicht entbehren. Denn der Mensch bedarff zur Milderung der strengen Arbeit / sowohl des Eisens / als der leiblichen Nahrung. Es ist eines der nützlichsten Metallen / und ie geringer es wegen seiner Vielheit und Menge geschätzet wird; ie weniger kan man es entrathen. Die Römer trugen vor Alters Eiserne Finger-Ringe / und war hiebevor bey etlichen Fürsten und Städten der Gebrauch / daß Sie eiserne Müntze schlagen liessen. Des ältesten Eisen-Berg-Werks wird in der Schrifft gedacht / daß es an dem Berge Libanon gewesen. Es wird auch daselbst des Eisen-steines erwehnet / daß Er öffters in Gängen / Flötzen und Stöcken breche. Was auf Gängen und Flötzen getroffen wird / das bricht gemeiniglich einen Schiefer oder Kalckstein. Den Eisenstein muß man pochen / etlichen waschen / und Ihm alle Eisen-Schlacken / Kalck / Eisensteinigte Gilbe und geringen Eisen-Stein zusetzen. Etlichen mus man sudern / und mit einem leumichten Wasser begiessen. Das Eisen rennet und schmeltzet man auf dem Renn-Heerde / und schlägt es mit hölzernen Hämmern / bis es sich zusammen giebet. In Steyermarck schlägt man Sumpf und Schroot in die ausgehauene Gebirge / siefert ein eisenschüssig Wasser darein / welches in etlichen wenig Jahren zum Schlich / hernach zum Eisen-Steine wird / woraus man den besten Stahl und Eisen / auch allerhand Wehr und Waffen machet. Stahl / Eisen und Kupfer ist einander nahe verwandt. Daß aber aus Eisen Kupfer werde / siehet man nicht allein an dem Kiesichten und Kupfrigten Brunnen in Zipser-Lande / so das Eisen zu Kupfer machet / sondern man hat es auch aus der Erfahrung / wie man es durch (Stahl.) das Kupfer-Wasser zu Weege gebracht. Den Stein-Stahl / welcher dem Eisen-Stein an seiner Farbe gantz gleich / hebet der Magnet wie auch etliche Eisen-Stein gar nicht auf. Wenn man aber den Stahl röstet / färbet Er sich / daß Er dem rechten Eisen-Steine an der Farbe gleich ist / und alsdenn hebet der Magnet denselben gar gerne / und viel lieber als den Eisen-Stein selbst / wie denn das Eisen in starcker und langwieri [509] ger Hitze / in verborgener Gluth / ohne Abgang zum guten Stahl / der gemeine Stahl aber durch das offt schmieden / und schweissen / wieder (Mit dem Croco Martis zu transmutiren.) zu Eisen kan gemachet werden. Damit man aber sehe / daß der strenge Mars auch den Alchymisten nützlich / so machet man ein Aqva fort, hänget Eisen-Bleche darüber / lässet es vier und zwanzig Stunden im warmen Sande stehen / bis sich an solchen Blechen ein schöner Crocus ??? ereignet / welchen man rein abkochet / die Bleche wieder darüber hänget / bis sich kein Crocus mehr verspühren lässet. Alsdann giesset man auf den Crocum einen guten Essig / so mit ??? abgezogen / so wird der Essig / wenn Er eine Stunde darauf gestanden / süsse / denselben filtrire / und coagulire man / so findet man ein schönes und wohlschmäckendes Saltz / das Sal ??? genannt / dieses Saltz / soll man in einen feuchten Orth setzen / welches sich alsobald in ein gelbes Oleum solviret. Dieses auf den vorgemachten Crocum gegossen / dann linde getrucknet / mit dem Mercurio Sublimato in dem Keller zum Oele resolviren lassen / und dasselbe zu Haufe coaguliret / so wird der Mercurius mit dem Croco figiret. Dieses Pulver auf die Lunam getragen / erfreuet einen ieden Artisten. (Die wunderbare Wirkung un̅ Krafft des Magneren.) Unter allen Edelgesteinen ist keiner / der äuserlich seine Krafft mehr von sich spüren läst / als der Magnet. Diesen nennen Etliche nach seiner Eigenschafft Siderium / oder ein Eisen-Band / alldieweil Er das Eisen an sich ziehet. Etliche geben vor / es wäre der Stein in Magnesia und bey den alten Griechischen Berg-Leuten / den Magniten / oder Magnaten / üblich gewesen. Etliche aber: Es hätte den ersten (Lucretius.) Magnet ein Küh-Hirte mit Nahmen Mages / auf dem Berge Jda / vermittelst seiner mit Eisen beschlagenen spitzigen Stabe / und Schuhen / (Plinius) daran er diese Krafft inne worden / erfunden. Man will / daß derselbe meistentheils im Mohren-Lande / und zwar der beste in Himmel-blauer Farbe anzutreffen sey. Wiewohl andere das Gegenspiel setzen / und sagen: Daß Spanien und Engeland dergleichen auch hätte. Der Magnet bricht gemeiniglich bey und unter den Eisen / und erzehlet man von Ihme dieses: Es hätten einsmahls etliche Berg-Leute einen Stollen aus dem Eisen-Stein getrieben / und in Magneten erschlagen. Da Sie nun Schicht gemacht / ausgesaubert / und ihr Eisen für dem Orte auf der Sahle liegen lassen / wäre das Eisen des Morgens in der Füest gehenget. Von dem Magneten / welcher in Arabia wächst / soll die Kirche zu Mecha gewölbet seyn / und Mahomets eisernes Grab darunter in den Lüfften schweben. Denn es liebet der Magnet dermassen das Eisen / und hinwiederum dieses / wegen beyderley Natur / den Magnet / daß Jener dieses mit Gewalt an sich ziehet / und dieses an jenem willig hangen bleibet. (Serapion.) Ein alter Philosophus schreibet / wenn man den Magneten in ein irrdenes Gefäs leget / ungelöschten Kalck darzu thut / das Gefäse verlutiret / in einem Ziegel- oder Kalck-Ofen wohl verbrennen lässet / denselben wieder hinwegnimmet / von neuen die Materia wieder darzu thut / und lange brennet / biß Sie weis / hernach den Magnet zu kleinen Stücklein pochet / und gelben Schwefel in gleichem Gewichte darzu setzet / so werde ein solcher Feuer-Stein daraus / daß / wenn man ein wenig Wasser darauf tröpfele / fahre aus dem Magnet ein grosses Feuer / welches alles / was es berühre / zu verbrennen pflege. Soll der Magnet das Eisen an sich ziehen / mus es nicht zu schwehr / noch demselben zu weit entlegen seyn / viel weniger zwischen Ihm und dem Eisen ein ander Corpus soli [510] dum, oder dicker Leib liegen / alldieweil sonst der Magnet das Eisen nicht an Sich ziehen kan. Nichts / saget Bodinus / ist in der gantzen Natur wunderlichers / als der Magnet / und von dieser seiner anziehenden Krafft / weis Julius Caesar Scaliger keine Ursachen zu geben / indem Er saget: Nos inluce rerum tenui caligare, in mediocri coecutire, in majore coecos esse, in maxima insanire. Er hat diese Krafft / daß Er sich nach dem Polo Arctico an dem Himmel wendet und kehret / (Johann Furtenbach.) darnach sich die Schiff- und Berg-Leute auf und unter der Erden richten. In der Florentinischen Kunst-Kammer findet man Einen einer halben Ellen lang / und ein sechs Theil der Ellendicke / welcher fünff und vierzig Pfund Eisen an sich ziehen und dasselbe nicht fallen lassen soll. (See-Compas.) Von diesem wunderbaren Steine ist Pyxis nautica oder der See-Compasse von Johann Goja / einem Italiäner / wie man darvor hält / erfunden / wodurch die Seefahrenden nicht eine geringe Hülffe bekommen / alldieweil sie sich sonst allein nach dem Polo und andern Sternen richten / und gleichsam / wenn Sie dessen durch das trübe Gewölke beraubet / als Irrende dahinfahren müssen / wie hier von der Poet saget: (Virgil. 3. AEn.) Errantes pelago sine sidere noctes. Die ohn Gestirne auf dem Meer / Die Nacht durch / irren hin und her. Heutiges Tages aber hat man durch Beyhülffe dieses edlen Werkzeuges den Vorthel erreichet / daß man nicht allein / was unter denen zwey- und dreyssig Winden für einer in die Segel streiche / sondern auch / wie man durch Anleitung der Magnet-Nadel / welche sich iederzeit mit einer Extremität nach Mitternacht kehret / von einem Ort zum andern / auch bey dunkler Nacht zu schiffen wisse / also / daß dieser See-Compaß an statt eines richtigen Wegweisers zwischen Donner und Blitzen / und den (D. Sennert. in Physica.) grösten Sturm-Wetter dienlich ist. Woher es aber komme / daß sich iederzeit das Magnet-Zünglein nach Mitternacht wende / hält man darfür / es sey die Ursach dessen / weil die meisten Magneten gegen Mitternacht gefunden werden / daß auch dieser Magnet sich nach denenselben sencke / und seines gleichen suche. Die Naturkündiger wollen / daß der Magnet wider die rothe Ruhr und Wassersucht diene. Es hat GOTT und die Natur diesem Steine eine recht wunderliche / natürliche und kräfftige Tugend und Eigenschafft zugeleget / daß Er das Eisen an sich ziehet / und / wenn man eiserne Nägel / Messer / und andere dergleichen Dinge (Matthesius in Sareptâ.) darmit bestreichet / so theilet Er denselben seine Krafft mit / also / daß dieselbe offters so starck / daß sie von einem Nagel in den andern / Dritten / und vierten dringet. Desselben Krafft tauert nicht allein in dem Wasser / sondern sie durchdringet auch ein Messingen Becken / Blech / Glaß / und dergleichen. Denn / wenn man in ein solches Becken eine Anzahl Neh-Nadeln leget / und fähret mit den Magneten darunter / so werffen Sie sich herum / als lebeten Sie. Es zeiget sich auch derselbe anzwo Seiten / nemblich gegen Mittag und Mitternacht. Wofern man aber die Kräffte der Seiten des Magnets erforschen will / So hält man Ihn an einen Compaß / kehret denselben um / bis Er das Mittags-Ort des Züngleins zu sich ziehet / woran man hernach das Zünglein bestreichet. Will man nun den Magnet bey seiner Krafft und Stärcke erhalten / soll man [511] Ihn in Feil-Späne / kleinen Hammer-Schlag / Mist Laken / oder in warm Bocks-Blut legen. Denn / weil dafür gehalten wird / daß das Bocks-Blut den Diamant / so den Magnet schwächet / zerbricht / so meinet man / daß auch zwischen dem Magnete und solchem Blute eine gewisse Verwandschafft seyn solle.

Das weiche Bley.
[arrow up]

DIe Schrifft nennet das Bley Ophéret, oder eine Wolle / und weiche Erde / das man Körnen / und zum kleinesten Staub machen kan. Das Bley - Ertzt arbeitet man über die rothe Schicht / was aber Silber hält / das treibet man / wie die Wercke. Die Art des Bleyes / so dem Saturno zugeeignet wird / hat den letzten Grad / alldieweil es das Feuer in eine und die andere Gestalt verändert / oder gar verzehret. Was aber beissende und scharffe Dinge sind / die verwandeln es in Bleyweis. Leget man es an einen feuchten Ort / so wird es schwartz / wofern es die Erde oder Steine lange berühren. Es ist desselben dreyerley so wir Zien nennen / das Schwartze und Mittelmässige / welches man Aschen-Bley / oder Wismuth heisset. Wie zwischen Gold und Silber eine natürliche Verwandnis: Also auch zwischen Bley und Silber. Das Bley treibet man / wie bekannt / von dem Silber / durch das Feuer / woselbst es entweder im Rauche weggehet / und machet einen sehr gifftigen und gelben Bleyrauch / oder es träncket sich im Treibe-Heerd / welches hernach wieder angefrischet / und dem Ertzt oder Schlakken fürgeschlagen wird. Glantz / Galena genannt / ist ein Glauch / oder Glüh-Metall / und bricht auf Silber-Gängen / hält Bley und Silber / auch vielmahls Kupfer. Das Bley-Ertzt ist offters roth; Bleyschweiff aber ist ein gelbichtes Metall voller Schwefel / welches auch Bley und Silber hält. Der Nutzen aber des Bleyes ist / zugeschweigen des Schmelzens / unter andern auch dieser / daß man nebenst andern Werck-Zeugen / gewisse Kugeln und dergleichen / auch Bleywürffe / das Meer abzumessen / Bley-Schnitte zum Gebäuden und Schnur-Rechte machet / auch / daß man vor Alters in bleyerne Tafeln mit eisernen Griffeln geschrieben. (Bley zum probiren.) Will man ein recht Bley-Korn machen / davon man täglich probiret / und ieder Probe pflegt abzuziehen / so soll man deren mehr als eines haben / damit man gewiß sey. Denn es hat fast alles Bley Silber bey sich Und / obwohl das Bley zu Villach dafür gehalten wird / als sey es das beste und reineste zum probiren / wie es denn auch ist / so findet man doch wenig darunter / das nicht Silber bey sich. Etliche lassen von dem Probier-Bley nur vier Centner auf der Capelle abgehen / und wenn Sie kein Silber darinne finden / meinen sie das Bley halte nichts. Damit man aber dessen eine Gewißheit habe / soll man so viel Bley auf die Capelle setzen und abgehen lassen / als man zu einer ieden Probe benöthiget / und derselben mehr denn eine machen; Und wo in derselben nichts zu finden / so hat das Bley kein Silber mehr bey sich / wiewohl so gewiß darauf nicht zu trauen. Dahero soll man das Bley offters wieder probiren / damit wenn ja ein Stücke an einem Orte dem andern nicht gleich wäre / wie denn das Bley- [512] Stücke keines auf einmahl in der Hütten / da man es machet / gegossen wird / man dennoch seines Bley-Korns / daran viel gelegen / gewiß seyn kan / alsdenn wird es sich finden / daß auch das Villacher Bley / wenn die ganze Bley-Schwehre probiret wird / ein Körnlein Silber hinter Ihm auf der Capelle läst / welches / so klein es auch ist / zu dem Probier-Gewichte in die Wage geleget / und von dem andern Körn das von dem probieren kommet / abgezogen werde. Man hält auch dafür / wenn man dem Bley ein wenig Kupfer / das gar kein Silber hält / zusetzet / und auf der Capelle abgehen lässet / daß sich das Bley-Korn desto besser finde / welches nicht ohne / wenn man Silber auf Kupfer probiren will / es soll aber zu den Ertz-Proben / die nicht Kupfericht / kein solch Bley-Korn genommen werden. Und nachdem auch alle Ertz - Proben im Probieren Schlacken geben / welche sehr Bleyreicht sind / und gleichwohl am Silber etwas in sich ziehen / so sind Etliche der Gedancken / daß man die Bley-Schwehre nehme / und erstlich einen Centner tauben Berg / oder einen schlechten Leim / der kein Silber hält / damit absieden soll / daß darvon Schlacken werden / gleichwie in den Ertzt-Proben geschiehet / So ziehen die Schlacken ihr Theil von dem Bley-Korn in sich / welches alsdenn (Dessen Nutzen darinnen.) auf die Ertz-Proben für das Bley-Korn zu gebrauchen seyn soll. Die jenigen Arten der Ertzte / welche sich nicht gerne abfieden / sondern auf dem Bleye liegen / und nicht schlacken wollen / als da sind die Kreiden - Steine / die grobe und rohe Blende / die Mispickel / die milden und frischen Kiese / und Wasser-Kiese / die soll man alsobald / wenn sie eingewogen / mit dem Fluß- oder Bley - Glase vermengen / welches das rohe Ertzt hält / und nicht hoch aufsteigen lässet. Denn es hat dasselbe eine Hülffe von dem Bley-Glase / daß es weiche Schlacken giebet / und sich weich arbeitet / wohl schlacket / und rein ausseud. Wie dergleichen im schmeltzen zu sehen / da man den strengen Ertzten / oder die sich gar zu seicher arbeiten / einem ieglichen mit seinem Zusatze helffen mus / damit sie sich wohl scheiden / anderer Gestalt die Schlacken silberreich verbleiben / und Schaden verursachen.

Der flüchtige Mercurius.
[arrow up]

DAs Qveck- oder lebendige Silber wird darum Mercurius genannt / alldieweil es sich allenthalben bewegt / und gleichsam schnelle darvon läufft. Es sühret auch den teutschen Nahmen vom Erqvicken her / wie solche Wissenschafft den Goldschmieden bekannt. Es ist aber dasselbe ein schön roth und braun Ertzt / gleich dem rothgüldigen / theils gediegen / theils in das Gebirge eingesprenget. Heutiges Tages gräbet man dasselbige allenthalben / ist der Farbe nach dem Silber gleich / gestehet nicht / sondern fleust wie Wasser. Es ist desselben zweyerley / eines / so lauter / das andere / welches unlauter; das lautere gräbet man aus den nassen Gruben / worinnen die Metallischen Adern trieffen / und befeuchten die Minien / wenn man es aber trocknet / wird wieder Minien draus. Und / weil es von Natur flüssig / so kan es sich auf der Ebene nicht halten / sondern zerfleust / und führet doch keine Nässe / wegen seiner Trockenheit / welche die Feuchtigkeit mässiget / [513] an sich. Es hänget sich auch dasselbe gerne an das Bley / Zien und Gold / am wenigsten aber an Kupfer und Eisen. Man probiret und schmeltzet (Das Erzt auf Qveck-Silber probiren. Löhneise̅ part. 7. p. m. 177.) solches nicht wie die andern Ertzte / in einem offenen Offen / sondern gleich einem flüchtigen Geiste in einer starcken Destillation. Die beste Weise aber das Qveck-Silber-Ertzt zu probiren ist / daß man desselben ein halb-Pfund oder weniger in einer Retorten oder andern Instrument wohl verlutiret / klein / als die Hasel-Nüsse gros gestossen / eingesetzet / und den Spiritum in ein ander vorgelegtes Instrument in das Wasser oder in die Feuchte treibet / so resolviret sich der Dampff in der Kälte oder Nässe in Qveck-Silber. In Mangelung aber der Retorten / kan man einen wohlbeschlagenen Glase-Kolben darzu gebrauchen / und auf den Kolben einen Helm setzen / der ziemlich überhenget / in welchem Wasser / und die Fugen dermassen verlutiret / daß kein Spiritus heraus gehen kan. Alsdenn setzet man die Retorte in ein Oefelein / und feuert es anfänglich mit Holze gemachsam an / hernach wenn das Feuer gestärcket / so treibet sich das Qveck-Silber von dem Ertzte in die Kälte oder Nässe / iedoch wenn der Recipient in der Kühle stehet / daß Er nicht sehr warm wird / so ist es besser. Denn das Qveck-Silber liebet die Kälte / und Feuchte / und fliehet die Hitze zum hefftigsten. Wenn man nun in dem Probiren Qveck-Silber gefunden / so wiegt man es / wie viel das eingesetzte Ertzt gegeben. Darnach macht man ferner die Rechnung. Das Qveck-Silber-Ertz aber in grossem Werck zu schmeltzen geschiehet also: Man pochet das Ertzt-Stüfflein klein / so gros als eine Hasel-Nuß / und thut solches in besondere darzu gemachte Krüge / und in iedem bey vier Pfund. Darnach richtet man einen von feuchter Kohlen-Asche ebenen Heerd zu / setzet darein etliche drey qveer Finger tief runde Scherben nach einander / stürtzet darauf die mit dem Ertzte angefüllte Krüge / und demmet es mit dem feuchten Gestäube um den Scherben und Krug wohl nieder; Alsdenn machet man ein Holtz-Feuer darauf / so fleucht das Qveck-Silber aus der Hitze / und suchet die Kälte. Welches man alles unter den Scherben findet. (Den Mercurium fix zu mache̅.) Je flüchtiger der Mercurius ist / ie mehr unterstehet man sich denselben zu seiner Vollkommenheit zu bringen. Denn man reiniget Ihn mit seiner nöthigen Zubehörung / amalgamiret denselben mit dem Golde nach rechtem Gewichte / distilliret aus etlichen Mineralien und Salien / ein starck Wasser / resolviret darinnen das Amalgama / abstrahirt in Balneo Mariae das Wasser zum Theil / figiret die Spiritus durch einen sonderlichen Niederschlag / setzet es an die kalte statt / daß die Solution sich Crystalliere / alsdenn abstrahiret man das wässerichte wieder mit dem Nieder-Schlage. Und / wie man zum ersten mahle: Also mus man auch zum andern und dritten mahle auf solche Art procediren / biß die Crystallen röthlich erscheinen / wornach man dieselben von seiner Terrestrität / so sich im Grunde gesetzet / absondert und saubert / und hernach auf einem gelinden Feuer coaguliret / biß alles zu einem rothen durchsichtigen / und wie ein Wachs flüssigen Praecipitat wird / und in die Luna eingehen foll.
|| [514]

Der unverdoßene Berg-Jann.
[arrow up]

DIe Arbeit und Ruhe vergleichet sich einem Schöpf-Brunnen / in welchem der leichte Eimer den beschwehreten überhebt / und dieser jenen hinwiederum erleichtert. Der jenige / welcher dafür hält / der Rost sey heller als das blancke Eisen / der liebet mehrden trägen Müssiggang / als die hurtige Arbeit. GOTT hat das edle Bergwerck an Gold / Silber / und andern Metallen nicht über / sondern in die tieffe Gänge unter die Erde in feste Stein und Felsen legen wollen / damit die hurtigen Berg - Leute solches mit Mühe und Arbeit aus der Grube an den Tag bringen / im Poch- und Hütten-Wercke reinigen / und dadurch Ihr Lohn und Brod haben mögen. Zu solchem Wercke gehören nun besondere Aufseher / Berg-Beamten und andere. Deßgleichen die Ober- und Unter-Steiger / die Kunst-Zimmer- und Jungen-Steiger / Gäng- und Schräm-Hauer / Berg- und Wasser-Knechte / Gruben-Schied und Poch-Jungen / Pocher / Schmeltzer / Hütten-Steiger / Vorläuffer und Schmeltz-Knechte / Kohlen-Brenner / Holtz-Schläger / Kohlen-Führer / und so fort. Das Berg-Werck ist gleich einer finstern Nacht / da man des Sonnen-Liechtes beraubet / wer darinnen etwas (Plinius. lib. 33. Die ältesten Berg-Leute.) thun will / der mus ein Liecht anzünden. Imus in viscera terrae & in sede manium opes qvaerimus. Man fähret in die Tiefe der Erden / und suchet in den Wohnungen der Verstorbenen Schätze. Der älteste Bergmann vor der Sündfluth war Cain / so eine Stadt an dem Berge Libanon bauete / allda die Berg-Wercke belegte / und Sie auf die Nachkommen / Lamech Jabal / und Thubal-Cain brachte: Nach der Sündfluth aber waren es des Noae Söhne / Japhet und Cham / welche durch die Ihrigen die Berg - Wercke in Asia und Europa einführeten / und hingegen des Sems Kinder und Ebers Enckel die Gold-Berg-Wercke zu Ophir und Hevila erfanden. Job und die Araber befliessen sich des Sinkens und des Goldwaschens: Die aus dem Stamme Aser ernehreten sich von dem Berg-Wercke / und der Heidnische König Hiram / wurde von der Gold-Wäsche reich. Es sind die Berg - Leute solche / die wenn andere Menschen über den Erdboden innerhalb vier und zwantzig Stunden eine einfache Nacht / so haben diese eine gedoppelte. Der Apostel Paulus sagt / die böse Geister hätten ihre Herrschafften in der Finsternis; (Berg-Gespenster. Bünting in Paedia Christi.) Was ist es Wunder / wenn sich zuweilen allerhand Arten Gespenster in den Berg-Wercken sehen lassen? In der Türckey hatte ein Jude eine reiche Berg-Grube / darinnen sich der Teufel offters in Gestalt einer Ziege mit güldenen Hörnern sehen liesse / und allda grossen Schaden verursachte. Zu S. Annaberg in dem Schacht oder Zeche / der Rosenberg oder Crantz genennet / hat sich ein Gespenste in Gestalt eines Pferdes sehen lassen / und (Georgius Agricola de Spirit. subterraneis.) zwölff Menschen umgebracht / also / daß man / wie man sagt / von derselben sehr reichen Fund - Gruben ablassen müssen. Zu Keyser Ottens Zeiten hat sich das Berg-Werck zu Goslar angefangen / dessen Gang ein Pferd / der Rammel genannt / und von welchem der Rammels-Berg den Nahmen bekommen / entblöset. In demselbigen Berge sollen [515] auf einen Tag etliche hundert Hauer verfallen / und nachgehends von einem Gespänste viel Kinder zusammen gelocket / und in solchem verführet worden seyn. Die Berg-Zwerge oder Erd-Männer sollen sich öffters in der Tieffe gar geschäfftig erzeigen / und den Berg-Leuten eine und die andere Verblendung vorstellen. Der Teufel ist ein Tausendkünstler / welcher aus allerhand irrdischen dicken Dämpffen und Nebeln / unterschiedene seltzame Gestalt sich nehmen kan: also / daß er sich bald wie ein Hund / Katze / Specht / Rabe / Saue / und gar in einen Engel des Liechts / verstellen kan. Denn gleichwie die Engel / wenn sie die Wercke GOttes verrichten / die subtileste Lufft / und das reineste Element an sich nehmen / und damit die anmuthigste Gestalt machen; Also ziehen hingegen die bösen Geister aus den untersten Elementen die allerunflätigsten und stinckenden Dämpffe und Dünste der Erden an sich / und bilden aus dem gifftigen und garstigen Nebel ihre abscheuliche und schreckliche Gestalt ab / damit / wenn er wieder verschwindet / den heßlichsten Gestanck nach sich verlassen möge. (Die ungewisse Wündschel- oder Berg-Ruthe. Georgius Agricola. Barth. Anhorn. in Magiologia.) Es ist nicht genug den Nahmen eines Bergmanns führen / sondern es muß auch derselbige / wenn in einem unverschrotenen Gebürge Gänge verhanden / dergleichen wohl erwegen / die Gelegenheit des Gebürges / der Gänge Streichen / und wenn dasselbe seine Gehänge hat / und in gutem Getriebe lieget / wohl in Acht nehmen / dahero gehet er zuförderst mit der Ruthe die Gänge aus / welche gemeiniglich von einer Haselstaude zum Silber / von Eichen zum Kupffer / von Tannen zum Bleye und Ziehn / von Eisen und Stahl zum Golde gebraucht wird. Diese Berg- oder Wündschel-Ruthe habe ihren Ursprung / sagt man / von des Mercurii Ruthe. Diese ist nichts anders als eine Ruthe eines Jahres alt / welche der Ruthen Gänger zwieslicht abschneidet / und sie / nachdem er Silber / Kupffer oder ander (Lohneisen p. m. 14.) Metall ausgehen will / gebrauchet. Sie wird aber darum eine Glücks- oder Wiecker- das ist Wahrsager-Ruthe genennet / alldieweil man sich derselben theils bey den Berg-Wercken / theils auch Schatz-Suchen bedienet. Und ob es sich schon ansehen lässet / als ob sie ihren Anfang von der Zauberey genommen; So ist sie doch bis dato / nachdem man die zauberischen Worte darbey ausgelassen / bey dem Berg-Volcke / damit die Gänge auszugehen / (Johann. Sperling. in Phys. Anhorn. in Magiologia.) verblieben / und der Alten Gebrauch erhalten worden. Es entstehet unter den Gelehrten die Frage: Ob diese Virgula divina oder Wündschel-Ruthe aus einer verborgenen Eigenschafft Etwas würcken könne oder nicht? Wer diese Ruthe brechen will / sagt man / der muß weder Eisen / Ertz / noch ander Metall an sich haben / sie im Gebrauche derselben mit beyden Händen an ihren Enden über sich halten / und also darmit das Metall ausgehen. Denn gleichwie der Magnet das Eisen an sich zöge: Also hätte auch die Ruthe eine verborgene Verwandschafft mit einem und dem andern Metalle. Darwider aber Etliche schreiben / und sagen: daß ihre Würckung nichts. Denn wenn etwas daran / warum thäte sie es nicht vor sich alleine / und ohne Zuthuung der Menschen? Zudem verrichtete sie auch nicht jederzeit das Ihrige / weil sie sich nemlich nach keinem offenbahrlich darliegenden Metalle lenckete. Hätte dieselbe mit dem Metall eine heimliche Wirckung / so müste sie eben dasselbe werckstellig machen / wenn sie noch am Baume wäre. Wollte man aber zugeben / daß zwischen der Ruthe / und dem Metall eine Sympathia, wie zwischen dem Magnete und Eisen: so wäre doch zwischen ihr und dem Metall keine dergleichen Verwandschafft. Denn / wie sollte diese Ruthe [516] eine sonderbare Freundschafft gegen alle Metallen haben / und gegentheils ihre Natur / und Freundschafft gegen den Hasel-Strauch / von dem sie abgebrochen / gäntzlich fahren lassen. Welches alles für nichts als eine erdichtete sinnreiche Unsinnigkeit zu achten. Sagte man gleich / die Ruthe müste nothwendig abgebrochen / gablicht seyn / zu einer gewissen Zeit des Jahres gefället / und an demselbigen Theile fest gehalten werden / wormit sie das Metall anzeigen sollte; so hätte doch das Abbrechen und die Gabel keine Würckung. Die Zeit thäte zwar etwas hierzu aber gar nichts. Und / ob sie wohl was thue / so entspringe doch solches aus keiner Occultâ Qualitate, sondern es rühre solches von dem tausend-listigen bösen Feinde her. (Berg-Compaß.) Wenn nun der Gang ausgegangen / so setzet man den Compaß auf / und siehet / ob es ein stehender / der sein Streichens von 12. bis 2. oder ein Morgen-Gang von 3. bis 6. ein Spat von 6. bis 9. oder ein flacher Gang sey / der sein Streichens von 9. bis 12. hat. Der Berg-Compaß oder die Pyxis Magnetica ist nichts anders / als ein wunderbares Instrument / welches durch die Magnet-Nadel die gantze Erd-Kugel in 24. gleiche Theile nach der Sonnen-Lauff mittheilet / und also in dem tieffen Abgrunde der Erden ein gewisses unfehlbares Liecht / und richtige Schnure ist / wodurch der Berg-Mann weis / wie er im Felde leitet / wohin er seinen Ort treiben / und wie weit er in seinem vermessenen Felde fahren soll. Und / gleichwie die Sonne der Welt und allen Creaturen dienet; Also nützet auch der Compaß dem Bergmanne. Denn es ist nicht eine geringe Kunst und Wissenschafft / wenn Einer den Lachstein / welcher die Gruben und Maase am Tage scheidet / und die Artung in der Grube wie der Seiger gerichtet / am Tage bringen kan / das ist / daß Einer einen Punct auf der Erden gerade unter sich / über hundert Lachtern / mehr oder weniger / in die Tieffe / durch das gantze Gestirn / zeigen kan. Der herrliche Nutze / so von dem Compaß herrühret / ist auch dieser / daß man zeiget das Streichen der Gänge / in welcher Stunde des Tages ein Gang streichet / daß nach demselben einer jeden Gewerckschafft ihre Grube / Maase / und deren Feld vermesset / und die Lach- oder Feld-Steine / wie weit man mit der Arbeit kommen darff / setzet. (Der Bergleute Werckzeug. Lohneisen vom Berg-Werck.) Das Gezau oder Berg-Zeug aber / so die Bergleute täglich zu ihrer Berg-Arbeit / als zum Schürfen / Röschen / Zimmern / in Schächten / Strecken / Stollen / Horm / Stätten und Radstuben bedürffen / sind die Aexte / Sägen / Wändhacken / Klam̅ern / Hebezeug / Seile / Schrauben / Keilhauen / Kratzen / Schlägel / Eisen / Bergtröglein / Hand-Feistel / klein und grosse Peuschel / Fimmel / Brechstangen / Keile / Ritzeisen / Klötze / Federschmiede- und Poch-Hammer / Ertz-Quetzscher / Gruben-Liechter / Compaß / Gruben-Tscherper / Unschlit-Taschen / Sicher-Berg- und Ertz-Troge / Lauff-Karren / Kübel und andere Gezau / zum Schacht- und Stollen-Auszim̅ern / und wenn sie Rünbaum / Pfaulbaum / Tumpf-Höltzer legen / und Haspel-Stützen setzen / einfach Tonnen darauf schlagen / und die Fahrten / an Haspeln / Troge-Stampel und Jocher legen / mit Einstreichen / verpfänden / und mit Spreitzen und Pfählen verschliessen / und wo es gesprenget hat / da sie Werck-Stempel legen / und wenn sie die Stollen fallen / Thür / Stöck und Kappen darauf setzen / Trag-Wercke schlagen / Gerinn und Gestänge legen / Sumpf- und Kasten schlagen / Künste hegen / oder ein Gebäue über die Richt-Schacht richten / und was sie ferner im Gesencke oder für dem Ort bedürffen / wenn sie sincken / verstossen / zuführen / und für sich oder über sich brechen / auslegen / Queerschlag [517] machen / Hornstatt brechen / verschremen / ritzen / oder eine Wand werffen / und Ertzt nachschlagen / und den Berg zu Seil schicken / und zu Tage ausfördern / oder Ertzt ausführen / scheiden / und pochen wollen. (Was ein verständiger Steiger oder Bergman̅ wissen soll.) Will ein verständiger Berg-Mann glücklich bauen / so muß er acht haben / was vor ein Gebürge er vor sich / was für eine Thon-lägige und Feldächtige Art und Gelegenheit es habe: Ob man es mit Nutzen bauen könne; wie man Schächte sencken / dieselben mit Bestande auszimmern / und fassen solle: Wie man Stollen und Feld-Oerter treiben / Wetter in die Schachte / Streche und Stollen bringe / Pumpen und Wasser-Künste hange / Rathstuben breche / und wie man sich das Streichen der Gänge / Klüffte / Geschicke und Absätze des Steins bekannt mache. Er mus allerley Berg-Arten / Ertzt-Säffte / und Gesteine verstehen. Er muß wissen / wie man Ertzt puche / über die Plan oder das Sieb wasche / und arbeite; wie man probiret / röstet und schmeltzet / und was man zum Vorschlage im Schmeltzen gebrauchet. Wie man Gold und Silber / Kupffer und Quecksilber / Ziehn / Eisen / Bley und Wißmuth schmeltzet. Wie tieff ein Schacht zu sencken / damit man die rechte Stollen Teufe / dahin er getrieben wird / absincke. Auch was die Kasten zu Künsten und andern Gebäuden betragen. Und ob wohl wenig Berg-Leute gefunden werden / die von allen Dingen einen vollkommenen Verstand haben / indem mancher die Erfahrung zum Schürffen / ein Anderer zum Gruben-Gebäude / der Dritte im Puchwercken / über das Sieb-Ertzt zu waschen / der Vierdte im Schmeltzen / der Fünffte im Marck-Scheiden / der sechste in künstlichen Gebäuden / und der Siebende im Berg-Recht erfahren ist: so soll man doch alles mit verständiger Berg-Leute Rath zur Hand nehmen / damit man die unterhauene Wände wisse zu fassen / Gerinne in die Stollen zu legen / uf festen Stein zu arbeiten / und die Pramen recht zu führen. (Die Schicht-Arbeit.) Was die Schicht-Arbeit belanget / so sind 24. Stunden in Tag und Nacht / welche man in drey Schichte theilet. Eine jede Schicht hat sieben Stunden / die übrigen dreye sind die Ruhe-Stunden / in welchen die Hauer an und ausfahren. Die erste Schicht fanget sich früh Morgens um vier Uhr an / und währet bis um Eilfe; die andere um 12. Uhr / und währet biß um sieben / und diese beyde heisset man Tage-Schichten. Die dritte ist die Nacht-Schicht / welche Abends um 8. Uhr angehet / und währet biß gegen Morgen um drey Uhr / welche man nicht gerne zulässet / es erfordere denn solches die Noth. Man arbeitet aber gemeiniglich uf seinen Gedingen / ziehet Wasser oder Berg / so ihm verdinget ist. Niemahls wird einem Hauer zugelassen zwo Schichten zu fahren; wenn er aber seine Schicht / der Gebühr nach / nicht verfähret / bricht man ihm am Lohn ab: an etlichen Orten wird es ihm ledige Schicht zu fahren nicht verbotten / wenn man ihme nur eine rechte Schicht zulässet. Wenn man aber an- und ausfahren solle / das höret man an dem Klange des Berg-Glöckleins / oder da es eine angelegene Zäche ist / klopffet der Steiger an die Bühne des Schachts. Wenn nun die Nächsten das Klopffen hören / schlagen sie mit den Feusteln an das Gestein / bis daß der Schall zu dem allerletzten kommt / zudem / so sehen sie auch an dem Liechte / wenn das Inschlit fast verbrennet ist; Sonnabends arbeitet man nur bis zu Mittage / fähret alsdenn aus / kauffet sich ein / und gehet seinem Thun nach. Unter die Hauer rechnet man auch die Berg-Anschläger / Haspler / Hunde-Läuffer / Ertzt-Schneider / Pocher / Wäscher und Schmeltzer.
|| [518]
(Gruben-Arbeit.) Die Gruben-Arbeit ist auf schmeidige Gestein / auf festem und noch festerem zu arbeiten / und ist das Gestein in hangenden und liegenden unterschiedlich. Man nennet den einen schmeidigen Gang / welcher aus weisser Affter und Erben zusammen gewachsen. Die feste sind solche / die aus Metallischer Materia und festem Gesteine gewachsen. Der allerfesteste aber ist der / so mit Kies oder Kobelt / oder Marmorstein vermischet ist; insonderheit / wenn des Ganges Hangendes und Liegendes feste ist / und keine Klufft oder Absätze des Gesteines hat. Auf den schmeidigen Gängen arbeitet man mit Keilhauen / auf den festen mit Berg-Eisen / und Hand-Feusteln / auf dem festen Gestein im Hangenden mit stärckeren und grössern Berg-Eisen / auf das gar feste Gestein aber setzet man mit Feuer. Ist ein Fell-Ort oder Stollen niedrig / legt man einen Hauffen dürre Holtz dafür / zündet es an / und lässet selbiges so lange brennen / bis daß das Feuer das Holtz verzehret / wenn aber das Feuer vom Winde an den Gang oder Gesteine getrieben wird / hebet es grosse Wände vom Gange ab / ob sie schon noch so feste / dasselbige stösset man mit der Brech-Stangen herunter / oder so es nicht los / zerspaltet man es mit dem Stech-Eisen / und wirfft solches herunter. Ist es auf der Seite / so zerschlägt man es mit Feusteln / bleibet es in dem Fürsten / so gewinnet man es mit Schlägel / und Eisen. (Wetter in den Schacht zu bringen.) Wenn ein Schacht sehr tieff / daß der Stolle so weit in dem Gebirge kein Licht-Loch hat / so überfällt den Berg-Mann eine dicke Lufft / daß er weder vor sich Athem hohlen / noch das Gruben-Liecht brennende erhalten kan. Dahero macht man Wind-Fänge oder Gezeuge / die frische Lufft in die Grube bringen / und sind derer viererley Arten: Die erste ist / wenn man den Wind in den Schacht bringet / und dieselbe macht man also: Man schläget über die Schacht Creutz-weise Bretter auf ein viereckichtes Klotz an / also daß eines nach dem andern zusammen gemacht / aufdaß allewege das nachfolgende des vorhergehenden Brets eine kleine Zusammenfügung habe. Damit aber die Winde / wenn sie über sich steigen / nicht heraus fahren / sondern wieder zurücke getrieben werden / so sind die Bretter mit einem Deckel wie eine runde Scheibe oben bedeckt / und unten offen / wodurch die Winde aus Noth in den Schacht getrieben werden. Die andere Art ist diese: Man schläget vier gehobelte und geleimte Bretter in Gestalt einer Rinnen zusammen / lässet sie aus dem Schachte herfür ragen / schläget gegen über / da der Wind bläset / Bretter / die den Wind fangen / und in dasselbige bringen. Den dritten Windfang aber macht man aus einem Vasse oder Röhre; und den Vierten / wenn man Wasser-Röhren oben zum Schachte / oder unten zum Stollen einleget / und gleich den Brunnen mit eisernen Büchsen aneinander stösset / damit kein Lufft heraus komme. Für solche Röhren leget man einen oder zween starcke Blasebälge / auf welchen ein grosser Stein lieget / der den Blasebalg jedesmahl / wenn er aufgezogen wird / wieder nieder drücket / und wofern man ihn für kein Wasser-Rad legen kan / zeucht man ihn mit den Händen / oder tritt solchen mit Füssen / ie weiter aber das Feld- oder Stollen-Ort getrieben wird / ie mehr Röhren man daran stösset: Also / daß man dadurch das Wetter vom Tage in den Schacht bringen kan. (Haspeln und Göpeln.) Sind die Zächen nicht tieff / Wasser-mächtig / oder haben nicht viel Ertzt und Berg / so braucht man die Haspeln: Wofern aber die Zächen tief / so be [519] dienet man sich der Göpel / mit den man die grosse Menge Ertzt und Berg heraus treiben kan. Die Göpel bauet man rund und 30. Elen weit / in die Rüdeaber 90. Ellen / damit die Pferde Raum zu gehen haben. Mitten in die Göpel macht man einen tiefen Kessel / oder Grube / darinnen die Spille / so von zweyen Pferden herum getrieben wird / desto gewisser stehet. Damit sie aber desto fester / setzet man einen Pfuhl-Baum an den andern geschlossen / darein man ein eisernes Pfäulein / worinne der untere eiserne Zapffen von der Spille gehet / zu sencken pfleget; In dem obern Balcken aber ist eine eiserne Büchsen / darinnen der Spillen-Zapffen herum getrieben / und die Spillen an beyden Orten mit eisernen Ringen beschlagen werden. (Wassermächtige Zechen un̅ Pumpen.) Das Wasser in den Zechen führet man theils durch Pumpen / durch die Kunst und durch die Stollen ab. Die Pumpen macht man auf unterschiedene Manier / so mit Menschen-Händen entweder gezogen oder getretten werden / nachdem die Gruben viel Wasser haben: wo viel Wasser in einem Schacht / das den Hauer vertreibet / da nimmt man die Kunst mit den krummen Zapffen / und denn / wie gesagt / die Stollen zur Hand. Die Pumpen macht man also: Man schläget ein Gebäude mit Jochern auf dem Sumpf / zu welchem man ein oder ein paar Röhren / die ineinander geschlossen / hinunter lässet / und sie mit starcken eisernen gespitzten Klammern zu beyden Seiten fest anmachet / das Untertheil der Röhren aber fasset man in einen Pumpen-Stock / welcher zwey Werck-Schuhe hoch / unten durch boret / und dessen Unter-Loch mit einem Zapffen vermacht. Dieser Stock ist voller Löcher / durch welche das Wasser hinein gehet / Wenn aber in seinem ausgehöhlten Obern-Theil eine Röhre ist / so schleust man entweder eine eiserne / oder küpfferne / oder Messingene Büchse einer Spanne hoch ohne Boden darein / welche das runde Vental-Thürlein so eigen zusammen hält / daß das durch den Wind über sich gezogene Wasser nicht wieder zurücke fliessen kan / also hat man auch unterschiedene Arten der Pompen mehr. (Berg-Künste.) Durch Fleiß und Kunst kan der Mensch offters die allergewaltigsten Dinge überwältigen / unter welchen die Berg-Künste nicht die geringsten. Insonderheit aber sind die Stangen-Künste mit dem krummen Zapfen unter allen die beständigsten und nützlichsten. Denn es haben dieselben viel Pumpen / die nicht gerade aufeinander in dem Schachte gerichtet / sondern ein Satz hebet dem Andern zu / und ist ein Satz fünf Lachtern lang / als der unterste Satz ziehet das Wasser in sich / und geust dasselbe in den ersten Trog; der andere Dritte / vierdte / fünffte / und alsdenn weiter / bis der letzte die Wasser in die Gerinne des Stollens ausgeust. Zu diesen Künsten gehören auch die Schweng-Räder / Haspel-Winden / Schweng-Stangen / die runden Scheiden mit ihren Spillen / die Kamm-Räder / die Göpel / wormit man durch die Rosse Berg und Wasser zu Tage austreibet / und in einer Schicht mehr als zwantzig Haspeln heraus fördert / die Wellen und Stempel / Brustwinden / Kloben / und Winde-Stangen / und dergleichen mehr. (Der Bergleute Arbeit. Matthel. in Serepta. Cons. Gottfried Jungha̅sen.) Damit man aber des unverdrossenen Bergmanns Arbeit gleichsam in einer Summa sehen möge / so hat man solche aus andern mit hieher ziehen wollen. Wer Bergwerck bauen will / sagt man / der mus Geld / oder arbeitsame Hände haben. Der Reiche soll Geld hergeben / und der Arme sich in das Feld legen / schürffen / röschen / Gänge ausrichten / und es sich lassen sauer werden. Der erste Finder / und der erste Miether / und der älteste behält [520] das Feld / wenn es frey und unverliehen ist / oder frey gemacht wird. Wer aber sein Recht und Alter erhalten will / der muß bey dem Berg-Meister muthen / und seinen Muth-Zeddel erlangen / bis er sich im Felde besser umsiehet und den Gang in das Gesteine / oder in die Gräntze bringet / oder bis er durch die Lager-Wende / und Klemmicht Gestein kommet. Beweiset sich der Gang oder führet eine schöne Berg-Art / oder lieget auf einem fündigen Gang und gutem Getriebe / so bestätiget man / und läst man ihn gewöhnlicher Massen in das Berg-Buch schreiben. Dann sincket der Fund-Gräbner den Schacht nieder / entweder flach oder seiger / nachdem der Gang sein Fallen hat / bis er ihm in den Gems oder das Gesteine bringet: Zimmert den Schacht aus: hauet Bün-Löcher: legt Trog-Stampfel: trägt Geviere auf: setzt Jöcher und Schalhöltzer: verschießt es mit Schwarten und Pfälen: Macht Tumpfhöltzer und Einstreiche: verschlägt es mit Schacht- und Seiten-Tonnen: hängt Fahrten ein: richtet Haspelstützen und den Rahnbaum an und henget Kübel und Seile ein. Wenn er nun die Lager-Wände oder klemmicht Gestein durchbrochen / und den Gang mit reichhaltigen Ertzte entblösset / so wird es / wie gesagt / bestätiget / der Zechen ein Nahmen gegeben / und bauet es entweder vor sich / oder macht eine Gewerckschafft auf hundert und acht und zwantzig Kuxe / darunter viere frey: hierauf lencket er auf beyden Stösen aus; Treibet Feld-Oerter: reißt der Strassen nach / und giebet wohl acht auf das Streichen der Gänge / Klüffte / Geschicke und Absätzen des Gesteines. Wird er wassermächtig / hebt er es mit Wasser-Zubern / oder Pumpen / als da sind die Haspel-Schauffel-Trückel-Bulgen und andere Pumpen mehr. Erschrötet er mehr Wasser / das die Heuer ausjaget / treibet er eine Rösche / bricht eine Radestube / und hat darzu ein Rad / Zapffen / Klötzer / krumme Zapffen / Korb-Schacht- und Zug-Stangen / Kolben / Röhren / und Sätze / in welchem der Stöckel / Blech und Leder / ingleichen Stöckel- und Sumpff-Kiel und Körbe; hat er aber kein Wasser in der Nähe / legt er am Tage ein Feld-Gestänge / oder in der Gruben ein Strecken-Gestänge / welche entweder auf Rollen oder im Gehenge gehen / so offters 200. bis 400. Lachtern zuschieben. Zu dem trachtet er die Wasser zu fällen auf einem Stollen / welcher entweder durch gantz oder durch faul Gesteine mit Getriebe / oder mit einem Umbruch fortgetrieben / da er denn gefasset / Thür / Stock und Kappen daraufgesetzet / auch Trög-Werck geschlagen wird; auch treibet Er offters Stoll-Oerther nach andern Fund-Gruben und Maasen: so es wetternächtig / macht er Wetter-Lotten / treibet Quer-Schläge / oder sincket auf einer Strechen einen Schacht ab / damit er das Wetter hinein bringe; zersetzet die zerschossenen und eingeworffenen Gänge / mit Keilen / Ritzen / Federn / Fimmeln; schicket es zu Seile: Fördert es zu Tage aus / trecket es über die Henge-Banck / uud bringet es auf die Scheide-Banck. Hernach wird der Berg von dem guten Ertzte geschieden: Auf die Halde gestürtzet; das Bergschüssige im Poch-wercke gepocht: in den Poch-Trog und in die Lade geschüttet / von dem Poch-Stempel gepochet: der Schlam durch den Schlag gelassen / das durchgeschlagene Ertzt im Schose durch den Wäscher ausgeschlagen; auf die Bühne getrecket: der gepochte Schlich auf die Plan-Heerde oben unter das Gefälle geworffen / und das Wasser hinein gelassen / und mit der Küste so lange umgerühret / bis daß das Wasser alles auf die Planen bringet / und der Schlamm in die Schlamm-Gruben und Sümpfe fleust. Und / wenn solcher Gestalt sich der Schlich in die Planen gesetzet / so werden die Planen im Wasser zu Hedel / Mittel und geringen Ertzte gewaschen / in welche es von [521] den Planen gesammlet wird / die zähen Schlämme aber werden über die blossen Heerde gewaschen. Wenn nun die Ertzte geschieden / gepochet / und gewaschen / schaffet man es in die Schmeltz-Hütten / stürtzet selbiges auf die Rost-Betten / brennet und wendet es mit einem zwey / drey / oder mehr Feuern / lässet solches vor dem hohen-krummen- oder Stiech-Ofen vorlauffen / und beschickt es mit weichem oder frischem Schlacken Heerd und Glöte. Sobald die Oefen zugemacht / der Heerd vom Gestübe und Leim gestossen / mit Kohlen abgewärmet und zum Anlassen fertig / wird der Ofen mit Kohlen vollgestürtzet / das Ventil zum Gebläse eröffnet / Schlacken zu vernassen darauf gesetzet / frisch Bley oder geringe Wercke vorgeschlagen / die Ertzte von der Schicht mit Trögen / die Kohlen mit Schien-Wassen aufgetragen. Wornach denn die hohen und krummen Oefen die gantze Woche gehen / und die Schichten richtig abgewartet werden. Die Ertzte mit Kiese und frischen Schlacken zur rohen Arbeit beschicket / die Silber in Rost eingebracht / mit reichhaltigem Ertzte angereichert / und zugebrennet / und auf die Schichten zu verbleyen vorgelauffen. Wenn letzlich das Silber in das Werck gebracht / und die Schlacken mit Furckeln abgehoben worden / wird der Heerd mit dem Stech-Eisen eröffnet / und das Werck in Unter-Heerd gelassen / Bley und Kupffer abgesetzet / geseigert zu Kupffer-Lech / Säuen und Dörnern / und zum schwartzen Kupffer zubereitet / alsdenn geust man das Werck mit der Kelle in die Pfännel / und lässet es zum Abtreiben für den Treibe-Heerd lauffen. Und da man 40. Centner zu einem grossen / und fünfzehen Centner zu einem kleinen Treiben beysam̅en hat / wird der Treibe-Heerd mit Asche gestossen / die Spuhr geschnitten / nachdem viel oder wenig Silber im Wercke: und da der Heerd auf das fleissigste zugerichtet / das Werck darauf gesetzet / mit dem eisernen Treibe-Hute / so an einem Kraniche hanget / bedecket / und mit einem langen Treibeholtze der Anfang zum Treiben gemacht. Wenn aber das Werck zerschmoltzen / so wird mit einer höltzernen Krücke der Abstrich abgezogen / das Glöt-Gosse mit dem Glöt-Hacken eröffnet / und die Glöte dem Wercke genommen. Nachdem sich das Bley von dem Silber geschieden / wirfft der Blick Blumen / und blicket darauf / alsdenn stehet das Silber in dem Heerde stille / und wird abgeschützet / mit dem Silber-Gerinne abgekühlet / mit der Mesel ausgehoben / und zur Wage gebracht. Wenn nun der Blick gewogen / wird es sein zu brennen in das Brenn-Haus geschicket / da er wieder abgewogen / zerschlagen / in Teste gesetzet / die Teste mit Kohlen wohlbedecket / und das Gebläse angelassen. Und nachdem das Silber zerschmoltzen / und anfänget zu treiben / so räumet der Silber-Brenner / mit dem Rühr-Hacken die Kohlen alle hinweg / und streichet das Silber rein ab / leget alsdenn gespalten Erlen-Holtz drauf / lässet den Blas darunter auf das Silber gehen / und dasselbe rein verblasen / so treibet das Silber unter dem Holtze / und was noch vom Treiben an Bleye darbey ist blieben / das ziehet sich in den Test / und weil das Silber noch auf dem Teste gehet / wird es einmahl oder dreye herum gerühret / damit es unten nicht einen Bley-Sack behalte. Damit nun aber das Silber nicht zu hoch gebrannt werde / sondern den rechten gewissen Halt behalte / nemlich 15. Loth 3. Quintlein / so stösset man mit dem Rühr-Hacken ein wenig in das Silber / nimmt eine Probe daraus / schläget es ab / und besiehet dasselbe / ob es noch viel Gläte habe / und gelbe sey / oder schläget es auf einen Ambos: ist es geschmeidig / so ist es recht gebrannt / wo nicht / so thut man die Probe wieder hinein / und lässt das Silber auf dem Rost noch länger gehen / bis man die Probe glat / weiß und geschmeidig befindet. Dafern es rein / wird es ab [522] gelescht / aus dem Test gehoben / hernach mit einer messingenen Bürste sauber abgekratzet / und glat gehämmert / gewogen / das Gewichte und die Zeche darauf gezeichnet / alsdann in Zehenden gebracht / da der Wardien eine Probe daraus hauet / und auf die seine Probe liefert. Wie nun dieses alles nicht eine geringe Arbeit; Also wird auch dieselbe in folgenden wenigen Versen entworffen. Ein frölich / frisch und freyes Volck das sind die treuen Bergwercks-Leute / Sie bringen in der gantzen Welt die stets verlangte beste Beute / Die Erde speyt sie täglich aus / und schluckt sie immer wieder ein. Der Abgrund ist Jhn allen mehr als etwan nur der Tag gemein. Sie sind die rechten Erden-Mäuse / Rauch / Schwaden / Dampf ist ihre Speise. Sie kriechen in der Erden-Bauch herumb als wie die Spulen-Würme. Sie sprengen Felß und Klufft entzwey / und ob es noch um sie so stürme; Kömmt man auf einen guten Gang / muß Schlägel und das Eisen her; Da setzt man an / da geht es drauff bald hie bald da die Läng die Queer / Da müssen von dem Schlag und Schallen Auch manchmahl gantze Wände fallen. Hier dient ein flaches Gruben-Liecht die Tasche / Tscherber und Knie-Bügel. Das Schurtz-Fell für dem Hinter-Sitz: die Wündschel-Ruthe ist ihr Spiegel / Sie zeigt den rechten Tage-Schacht; so rüstet man sich zu der Fahrt Durch ein GOTT angenehmes Lied / daß er sie auf dem Weeg bewahrt. Das Haspel-Spiel muß sie denn preisen Wie sie sich in der Klufft beweisen. Woraus erscheinet / daß der Berg-Leute Ein- und Ausfahren nicht etwan auf Karren und Wägen / sondern sich in die hundert und mehr Lachtern hinein in das Erdreich erstrecke. Damit aber dieses beschwerliche und lauter Gefahr nach sich ziehende Werck denen / so an die Berg-Arbeit gewohnet / desto anmuthiger falle / so nennet man das tieffe Steigen in die Berge [523] eine Einfarth. Und gleichwie die Ertzte und Metallen in den Berg-Vesten / gleich als in einem wohlverwahrten Kasten / verschlossen; Also dienen hierzu Schlägel / und Hämmer / welche die Felsen durchschlagen / und den Weg zu den Ertzten eröffnen. Will aber die Hand-Arbeit nicht zureichen / so gebraucht man sich / wie gedacht / des Feuers. (Des Berg-Wercks Nutzen.) Der Bergmann fähret nicht aus Wollust / sondern um der abgetheilten Arbeit willen in die Grube / verrichtet / was ihm durch seine Obern angewiesen / arbeitet auf der Strasse: bohret: Läufft Ertzt oder Berg hinweg: ziehet Haspel / und hänget / als eine sehr nützliche Arbeit / Holtz. Denn wofern man den Nutzen / welcher sich von dieser Arbeit auf alle Stände in dem menschlichen Leben erstrecket / betrachtet / so wird man inne / daß das Bergwerck / und die dabey vorgehende Arbeit / auch die Ehre GOttes befördert. Da Salomo die Stätte GOTTES zu Jerusalem bauete / da muste Gold und Silber bey der Hand seyn. GOTT selbst gebrauchte in seinem Tabernacul Gold / damit man denen Israeliten die verborgene Geheimnisse und andere hohe Artickel in den güldenen Vorbildern erinnern sollte. Gestalt denn das Levitische Gestiffte viel Gold und Silber hatte / darinnen GOTT durch Mosen viel heimliche und künfftige Dinge abreissen und vorbilden ließ / wie es nemlich in Zukunfft mit der allgemeinen Christenheit / wenn der Messias in das Fleisch kommen / und die es nachmahls in Ewigkeit bey dem Himmlischen Wesen hergehen werde. Wenn des mühsamen Berg-Manns Hände sincke sollten / würde es schlecht mit der Beschützung des Vaterlandes / mit der Landes-Obrigkeit Einkünfften / und der Unterthanen Versorgung hergehen. Und ob man schon Friede und Ruhe hat / so weis man doch nicht / wie lange sein aufsätziger Nachtbar stille sitzet. Tempore pacis cogitandum est de bello. Bey Friedens-Zeiten / (Sallusti???.) soll man auf Waffen / Munition, Rüstungen und allerhand Gewehre dencken / welches anders nirgends herzunehmen / als daß sie der Berg-Mann graben muß. Der Erdboden wird nicht mit den Händen umgestürtzet / sondern der eiserne Pflug muß es thun. So lange der fromme Samuel die (1. Sam. 13. 22.) Israelitten mit seinem Gebet schützete / da war es Friede; wie aber Saul in die Regierung kam / da mangelte es an Wehr und Waffen / und war zur Zeit des Streites in des gantzen Volckes Hand / das mit Saul und Jonathan zoge / kein Schwerd noch Spieß / ohne allein Saul und Jonathan hatten Waffen. Berg-Leute / sagt man / sind Werck-Leute / die wohl rechtschaffen arbeiten können / welche / zum Zeugnisse dessen / das also genannte Ars-Leder und Knie-Biegel zum Unterscheid der andern Handwercker haben / welche ihre laderne Schurtz-Felle vorne her tragen; Die Ursache aber / warum sie solche Leder hinter sich und auf den Knien führen / ist die / daß sie ihre Arbeit an feuchten / nassen und schlammichten Oertern offt sitzende und kniende (Laërtius in Vita Diogenis.) verrichten. Der kluge Diogenes sahe einsmahls einen stoltzen doch weibischen und blöden Kerl mit einem Kleide von einer Löwen-Haut einher tretten / zu dem sprach er: Wenn wilst du einmahl nachlassen / die Decke der Tugend zu beschimpffen? Siehet man sich jetzo in der Welt um / so kleiden (Dessen gefährlicher Zustand.) sich die meisten / wo nicht in Löwen-iedoch in Elends-Häute / und blicken ihnen doch allenthalben des Midoe Ohren häuffig herfür. Viel eine demüthigere Kleidung führet der kluge und arbeitsame Berg-Mann / wenn er die Gänge und Klüffte durchfähret / allen gifftigen Gestanck auffrisset / und sich / gleich denen Soldaten / der täglichen Todes-Gefahr unterwirffet / an sich. Denn es ist nicht ein Geringes / wenn er das in dem tieffesten Grun [524] de der Erden verborgene Metall / mit Mühe und Arbeit an das Tagelicht bringet / auf mancher Zäche an die zwey / drey / bis vierhundert Lachtern unter die Erde / Stollen-weise / hinein fähret / daselbst Schlägel und Eisen zur Hand nimmet / und seine Arbeit an die 6. bis 8. Stunden verrichtet. Hernacher aber / wenn er seine Arbeit verfahren / seinen Weeg wieder zurücke nehmen mus.

Der Müntze Anfang.
[arrow up]

MIr lassen denselben in seinem Werthe / und wollen ferner sehen / wie das mit so grosser Mühe aus dem Erdboden gezogene Metall hernachmahls vermüntzet werde. Vor der Sündfluth wuste man nichts von der Müntze / sondern ein jeder ernehrete sich von dem Seinigen durch Tauschen und Vertauschen; Nach der Sündfluth aber / da die Kinder Noae sich in die drey Theile der Welt vertheileten / Ebers Enckel und die Seinigen über die See fuhren / und der gewaltige Nimrod sein Reich in Chaldea befestige / da muste man nach Silber und Gold / als nach den Nerven und Sehn-Adern des Handel und Wandels / trachten. (Gen. 14.) Denn / es gedencket die Schrifft / daß GOTT den Ertz-Vater Abraham an Gold / Silber / Leuten und Viehe reichlich gesegnet / welches ohngefehr 200. Jahr nach der Sündfluth geschehen. Ob es aber gemüntztes und geprägtes Silber gewesen / ist ungewiß. Ein wenig hernach / (Gen. 20.) erwehnet die Schrifft des Abimelechs / dem Abraham tausend Silberlinge gegeben / und daß Abraham für vierhundert Seckel ein Begräbnis gekaufft / welches er mit Landes Währung / das ist / mit gänger und geber Müntze bezahlet. Woraus erscheinet / daß zu des Abrahams Zeiten schon in dem gelobten Lande / in Chaldea / und zur Zeit der ersten Monarchi Anfang muß Müntze / und zwar von lauterem feinen Golde und Silber / gewesen seyn. Wer aber zum ersten das Gold aufgebracht / und dasselbe gemüntzet / wird in Zweiffel gezogen. Denn / weil man sich an unterschiedlichen Oertern unterschiedener Müntze gebrauchet / so will jede Nation desselben Urheber seyn. Der Prophet nennet das Babylonische Reich das güldene Haupt / das Persische die silberne Brust / das Griechische das Metalline / und das Römische von Thon und Eisen vermengtes. Dahero etliche herführen wollen / daß zur ersten Zeit nichts als güldene und silberne hernacher küpfferne / und denn vermengte Müntze eingeführet / welches aber nicht allerdinges eintreffen will. Die Jüden hatten zweyerley Müntze / und Gewichte / als die Kirchen- und Land-Seckel. Auf der ältesten Müntze / schreibet man / soll ein Schiff und ein zweyfaches Haupt gepräget gewesen seyn / damit sich des Noae Nachkommen seiner wunder baren Schiffahrt / bey ereigneter Sündfluth / erinnern möchten. Ferner hat man auch Gold und Silber denen Göttern und grossen Herren zu Ehren / wie noch heutiges Tages geschiehet / gepräget / damit man beydes der Religion nicht vergessen / und zugleich auch sich aus der geprägten Müntze seiner ordentlichen Obrigkeit erinnern könnte. Der alten Araber führeten in ihren Müntzen ein Schaf; die Perfer einen Schützen: Die Lacedae monier einen Stern: die Teutschen eine Seege: Die Athenienser eine Eule: Die [525] Griechen einen Ochsen: die Innwohner in Portugal gebrauchten sich hiebevor an statt der Müntze eines Stücke Ertztes oder Silbers. König Darius lies bey den Persern zu erst güldene Müntze schlagen. In Italien soll Saturnus zum ersten die Kupffer-Müntze aufgebracht haben. Ehe Numa Pompilius zu Rom die lederne Müntze einführete / da pflegte man eine Sache vor die andere zu verwechseln / hernach erfand man die Zienerne Müntze / bis die Römer mit schwerer Müntze umzugehen wusten. Durch das Wort Müntze / Moneta, Geld oder Baarschafft / verstehet man allerley güldene und silberne / grosse und kleine Groschen / Pfennige und Heller / welche gepräget / ihren Schlag / Uberschrifft / und eintzele Buchstaben haben. Wie nun dieselbe von Zeiten zu Zeiten gestiegen / und in Handel und Wandel gebracht worden: also hat man sich auch derselben jederzeit zum Vortheil / Nutzen und Betrug gebrauchet. (Der Müntze Mißbrauch.) Gute Müntze gehöret zu einer guten Regierung; GOTT aber klaget schon vor Alters über die böse / und redete wider diejenigen / welche Maas / Gewichte / und den Seckel / das ist / die grobe und tüchtige Müntze / durch andere untüchtige und geringere steigerten / darinnen ihren Vortheil sucheten / und dadurch die Armen beschwereten. Höret! sprach Er / die ihr die Armen unterdrücket / die Elenden in Lande verderbet / und sprecht: wenn will der Neue Mond ein Ende habe̅ / daß wir Getreyde verkauffen / und der Sabbath / daß wir Korn feil haben? und den Epha ringern? und den Seckel steigern? und die Waage fälschen? auf daß wir die Armen um Geld / und die Dürfftigen um ein paar Schuhe bringen? Und dieses ist anitzo nichts neues. Einjeder erhöhet den Seckel nach Gefallen. Wer Gold ausgiebt / der steigert es: wer solches einnimmet / der vergeringert es: heute ist dasselbe gut / morgen (Anno Christi 1460.) wird es widerruffen / übermorgen ist es das beste. Zu König Georgens Zeiten in Böhmen lies die Ritterschafft salsche Müntze schlagen / worauf eine grosse Theurung und Hungers-Noth folgete. Denn es wurde dadurch nicht allein das Land wüste / sondern wo man es bauete / da wurden die Früchte wegen des guten Geldes anderwerts verführet / und hingegen das Böhmische Geld ausserhalb Landes nicht genommen. Weil nun der König des gantzen Reichs Untergang vor sich sahe / lies es gut Geld schlagen / und die böse gegen der guten Müntze auswechseln. Es ist bey etlichen die Frage: wo die gute und alte Müntze hinkommen? darauf die Antwort: wenn man das Silber aufkaufft / solches zu allerhand Silber-Geschirre und Schalen / ingleichen auf die liederliche Kleidung verschmieret: durch die Kauffleute aus dem Lande führet / und damit seinen Schund und Wucher treibet / so bekömmt es Adlers-Flügel. Der König in Persien verehrete einsmahls eines Christlichen Potentatens Abgefandten hundert gantze Reichsthaler / so Churfürst Augusti zu Sachsen Gepräge war. Zu Alepo und Bagedad in Syrien fand ein Reisender (A. C. 994.) die besten Schlicken-Thaler. Da der fromme König in Böhmen Boleslaus sterben sollte / sagte er zu seinem Sohn Boleslao: Mein Sohn / du sollt wissen / daß im Krieg keine solche Gewalt / zur Zeit der Pest keine solche Beschwerung / und bey entstandener Feuers-Glut kein so hefftiges Weheklagen zu finden / als daß man in dem gemeinen Wesen bey Veränderung / und vielfältiger Vergeringerung der Müntze für Klagen / Verderb und Untergang empfindet. Einen Fürsten / sagt Landgraff Philipp in Hessen der Grosmüthige / soll man an Haltung seiner gethanen Zusage / an reiner Strasse / und unverfälschter Müntze erkennen. Geld ist der Welt Losung. Wer es nicht hat / der ist ein schlechter Held. Ein König in Ma [526] cedonien sagte: wer bey einer wohlverwahrten Festung so viel Platz findet / daß er mit einem von Golde beladenen Esel hinein kommen kan / dieselbe ist schon gewonnen. Der alte Doria lies zur Nothodurfft seines Gebäudes einen harten Felsen durch brechen / zu dem sagten ihrer etliche: es wäre die Unmüglichkeit / er aber / gab ihnen zur Antwort / es mag der Stein so hart seyn als er will / so ist mein Geld noch härter. Müntze und Geld ist der höchste Grad. Man steiget durch dasselbe zu Hofe. Ihre Handthierungen sind die grösten / und durch sie erlanget man die vornehmsten Aemter / und die grösten Ehren-Wege. Wie die Athenienser ihren Abgott um Rath frageten / was Gestalt sie ihre Unterthanen bey unverbrüchlichem Gehorsam / und wohlantändigen Tugenden erhalten könnten? gab er ihnen zur Antwort: Wenn sie denenselben in der Jugend das beste in die Ohren stecketen. Weil sie nun das Gold für das beste hielten / so folgeten sie der allgemeinen Meinung / und stopffeten ihnen Stücklein Gold in die Ohreu; Der Abgottaber meinete hierdurch nicht das vergängliche Gold / sondern die guten Lehren / so ans den Ohren entstünden. Es heisset zwar: Wohl geseckelt / wohl gehalten; tauschet man aber die Müntze / so ruhet der Unseegen für der Thür. Diejenigen / welche dergleichen thun / sind nicht geringe / sondern allgemeine Diebe / die dem Lande heimlich und unvermerckter weise viel tausend abstehlen. Die Exempel sind frisch / und die Nahmen nicht unbekannt / die um des schändlichen Gewinstes willen ihren Nutzen aus der Müntze suchen / und gar einen Kauff-Handel pro mensurâ des Handel und Wandels machen wollen. Der berühmte Gesetz-Geber Lycurgus verboth den Lacedaemoniern / daß sie sich weder der güldenen noch silbernen Müntze gebrauchen / sondern an statt derselben mit eiserner Müntze Handel und Wandel treiben sollten. Bey den Mohren war vor Alters das Gold so verachtet / daß sie nichts anders als Ketten und Fessel daraus macheten / wormit sie die Ubelthäter anschmiedeten. Die Carmaner und Bambicatier / so Völcker in Asien / hatten im Gebrauch / daß sie allerhand Metall zusammen brachten / und hernach in die tieffeste Erde verscharreten / damit sie dadurch nicht möchten von der Tugend abfällig gemacht / und zu dem Laster des Geitzes gezogen werden. So offt die Schrifft der Müntze im A. Testament gedencket / so wird jederzeit darbey angezeiget / daß man ohne Betrug mit guten Gold und Silber umgegangen / und dasselbige mit richtigem Gewichte bezahlet habe: Heutiges Tages aber nimmt man mit gutem Kupfer und gering-haltigem Werthe vorlieb. Ein jedes Land hat seine besondere Müntze / und dieselbe verkehret sich so offt / ehe man sie verkehret zu seyn vermeinet. Gleichwohl aber siehet man / daß die Alten nicht wenig auf ihr Gepräge gehalten. Cajus Julius Caesar ließ auf seine Müntze einen Elephanten: Keyser Augustus eine filberne Müntze / und auf der einen Seiten sein Bildnis / auf der andern einen viereckichten Tempel / und auch mit so viel verschlagenen Thüren / auf das Dach aber des Jani Bildnis mit vier Angesichtern; Claudius Tiberius Drusins zwey Ercker / darüber ein Tempel / in welchem er mit einem Spiesse in der Hand stunde; Claudius Domitius Nero auf einem Triumph-Wagen / mit vier weissen Pferden / um den etliche Weibesbilder mit allerhand Instrumenten; Flavius Claudius Julianus einen Ochsen / über dessen Hörner zweene grosse Sternen / zum Füssen einen Adeler mit dieser Uberschrifft: Securitas Reipublicae; Flavius Jovianus eine Lorbeer-Crone mit der Inscription: Vota publica; Keyser Valens ein Weib / welches man mit [527] den Haaren schleppete / und derer die Hände auf dem Rücken gebunden / mit der Uberschrifft: GLORIA ROMANORUM. Und Keyser Gratianus die geflügelte Göttin des Sieges / in der Rechten einen Lorbeer- und in der linken Hand einen Palm-Zweig / mit der Schrifft: SEVERITAS PRINCIPIS, prägen. (Und der hierdurch verursachte Land-Schade.) Ein Herr oder Potentate aber / der sein Land mit untauglicher Müntze anfüllet / thut nichts anders / als daß Er sein Bild und Gedächt nis selbst verunehret / und einen allgemeinen Fluch auf sich ladet. König ERICH in Dennemarck lies zur Zeit seiner Regierung eine sehr geringe und Kupferne Müntze schlagen / worüber Er von Männiglich verachtet ward. Nicht unrecht sagt Keyser LED / daß die Verringerung (In Novell. 52.) der Müntze eine schwindsüchtige Kranckheit sey / denn / es soll dieselbe an dem Orte / da das Gepräge darauf stehet / unverfalscht seyn. Eine Königliche Hoheit leidet nichts unvollkommenes umb sich: Und / gleichwie man eines Jedweden Gesichte mit klaren und reinen Farben abmahlet; Also gebühret es sich auch / daß man eines Fürsten Gepräge aus unverfälschtem Metalle machen soll. Anno CHRISTI tausend sechshundert neunzehen / und denen nachfolgenden Jahren / fanden sich Leute / welche ihre Obern beredeten / daß Sie nicht allein durch geringe und untüchtige Müntze Krieg führeten / sondern auch dadurch Sich ihrer Schulden-Last zu entbrechen vermeinte. Es wurden aber darüber viel tausend Menschen an ihrer Nahrung gekräncket / und die Meisten mehr / als bey dem gefährlichem Kriege / an Haab und Gütern mit genommen. Der Müntze Unsprung hatte anfangs kein ander Absehen / als daß man im Kauffen und Verkauffen desto besser aus einander kommen kunte; Anietzo aber brauchet man Sie offters zum Verderb / Schaden und Nachtheil vieler Länder. Und wer es nicht glaubet / der gehe in die Geschichte / und sehe / was die Kipper- und Wüpperey mit sich gebracht / so wird man erst gewahr werden / wie auch Obrigkeit Sich um einen wenigen Vortheil bethören / durch die betrügerische Wucherer Ihr Land und Leute verderben / und sich letzlich selbst bis auf das äuserste aussaugen lassen. Ein Wucherer und Abgötter haben einerley Sinn und Hertzen. Dieser henget der Abgötterey / Jener aber dem Gelde nach: Sein Bauch und das Maul beklagen Sich wider die Hände / die Hände aber wider das Hertze / das Hertze aber hält Geld und Gold für seinen Gott / welcher härter als Eisen ist. De malè qvaesitis non gaudet tertius haeres: Selten kommet das übelgewonnene Gut auf den Dritten Erben. Als der Römische Cato sahe / daß die Wucherer durch Ihre Schinderey das Königreich Sicilien auspressen wollten / vertrieb Er Sie alle daraus. Der Athenienser Fürst Agis lies einsmahls alle Schuldverschreibungen / so man denen armen Einwohnern abgezwungen / vor sich bringen / ein Feuer auf dem Marckt machen / und Sie zu Pulver verbrennen. Nimmt der Preis der Müntze zu / so nimmt die Redlichkeit ab. Geld ist das beste Recht. Es macht gerade / was krum ist. (Ovven???) Quid non Argento, quid non corrumpitur Auro? Cûi majora dabis munera, victus erit.
|| [528]
Je mehr Geld / ie mehr Recht / Je mehr Lohn / iemehr Knecht. Silber und Gold schicken sich zu allen Dingen. Die Welt ist nichts anders / als das grosse Meer / und das Geld der verschlagene Schiffmann / welcher bey bösem und gutem Winde dieselbe zu durchfahren pfleget. Der Gesetz-Geber Lycurgus befahl / daß kein Bürger reicher als der andere seyn dürffte / und als Er deßwegen gefragt / gab Er zur Antwort: Die Mühe und Arbeit / welche der Mensch in der Welt ausstehen müste / würde nicht so sehr verursachet wegen deß Jenigen / so Er in seinem Leben bedürffte / als wegen dessen / was Er nach seinem Tode denen (Laërti???) Seinigen hinterlassen wollte. Da den weisen Aeschines Einer seines Armuths wegen verspottete / sprach dieser: Ich schwöhre bey den unsterblichen Göttern / daß mich deiner vielmehr erbarmet: Denn / du bemühest dich viel Geld und Gut zu sammlen / unterstehest dich solches mit Gefahr zu bewahren / und mit Ungelegenheit zu verthädigen; ja / was das ärgste / so lieget allbereit dein Hertze an dem Orte / wo du dein Geld (Herodotus.) verwahret hast / begraben. In die Balearischen Insuln durffte man weder Gold noch Silber / noch Edelgesteine bringen / woraus erfolgete / daß man Sie in etlichen hundert Jahren nicht bekriegete. Der Aegyptische König Prometheus verbott in seinem Königreiche kein Geld zu müntzen / weil Er darfür hielte / daß der Geitz nicht in Sammlung vieler Lebens-Mittel / sondern in der Zusammenscharrung vielen Geldes bestünde. (Der Welt Geld-Mangel.) Und / ob man wohl von denen Unterthanen des Jahres über eine fast unzehlhare Summa Geldes einzutreiben / und hinwiederum unter dieselben zu zertheilen pfleget / so blicket doch der Mangel dessen überall / mehr als der Uberfluß herfür. Der bösen Gewonheit folget das Armuth auf dem Fusse: Denn / wenn ein Jeder in seinem Stande verbliebe / und thäte was Ihme zukäme / so dürffte Er nicht darein gerathen. Wenn man alle Menschen in der Welt zu Hauffe nehme / und theilete sie auf dem Erdboden ein / so würde ein Jeder genug zu leben haben. Es will aber der Mensch lieber zu Hauffe über einem Orth / da nichts sonderliches zu leben ist / wohnen / als anderwerts arbeiten. Keine Revier ist so geringe / die nicht so viel Erdreich / die Ihrigen zu ernehren / um sich habe. Den Erdboden bauen ist eines der ehrlichen Zünffte / und der rechtmässige Wucher ohne Sünde / wo dieses unterbleibet / da folget darauf eine unzuläßliche Nahrung / die weder Grund noch Bestand hat. Ein Kaufmann / der ohne Compagnie und Gesellschafft lebet / verdirbet eher als ein anderer / so sich in dergleichen begiebet. Mit Unterthanen ist es nichts anders. Hilfft man Ihnen nicht auf / so müssen Sie unter der Lasterliegen. Der meiste Theil der Menschen siehet einander an / nicht / daß Sie einander in der Noth wollen beyspringen / sondern vielmehr ihre Mängel und Gebrechen entdecken. Niemand nimmet Sich des Nächsten an / und ein Jeder gedencket / wenn Er demselben mit etwas beyspränge / so gehe es Ihm an seiner Nahrung ab. Geld und Gut ist offters ein Ursprung alles Armuths. Ihrer viel / so dasselbe nicht haben / leiden die gröste Noth / und verscherzen offt den Himmel darüber / alldieweil Sie das / was die Natur selbst so wenig gegeben / in grösserer Menge haben wollen. Arbeit ist die rechte Müntze / welche bey der Natur gangbar. Und / wie das Geld / die Lar [529] ve der Welt / und die Menschen zu viehischen Thaten / zum Neid / zur Undanckbarkeit / zur Betrügerey / zum Wucher und zum Müssiggange verführet: Also mus offters ein verständiger und erfahrner Mensch eines ungelehrten / tölpischen und groben Reichens Diener / Narr und Jäcke seyn. Daß den Menschen aber die Armuth drücket / daran ist die Hoffarth und Pracht nicht wenig Schuld. Denn / gleichwie die Natur mit wenigem zu frieden; Also will auch diese es stets Andernzuvor thun. Der Hochmuth und die Hoffarth wächset dahero / daß man entweder Geld und Gut hat / oder dasselbe zu haben denen Leuten glaubbar machen will. Der Eine pranget in kostlichen Kleidungen: Der Andere wegen seiner Geschicklichkeit: Der Dritte wegen seines ansehnlichen Amts: Der Vierte weil Er bey Hofe in grossen Gnaden: Der Fünffte wegen seines vielen Geldes: Der Sechste im Fressen und Sauffen: Der Siebende mit Lügen / und wie Er mit hohen und wichtigen Geschäfften umgehe: Der Achte will Andere bereden / als ob Er reich sey: Der Neunte suchet durch sein ausgeputztes Ansehen einen Vorzug vor Andern zu haben / und sollte es auch mit Borgen geschehen. Ein Anderer trachtet nach einer Staats-Heyrath / und verzehret darüber sich und den Staat: Mancher / der nichts zu prangen / behilfft sich mit verbottenen Griffen / und befleissiget sich böser-Practiqven. Ein Anderer bringet sich durch vielfältige Panqvete / übermässige Ausstattungen / kostbares Haushalten / und andere herfür gesuchte Ergetzlichkeiten / muthwillig um das Seinige. Und / weil Er will höher und glückseeliger als Andere seyn / so trachtet Er / wie Er vor denenselben einen Vorsprung haben möge. Indem man aber Andere hierdurch zu blenden vermeinet / so wird öffters sein gantzes Vermögen dahero / wo nicht bey seinem Leben / doch nach seinem Tode / so gar unsichtbar / daß nicht bey seinem Leben / doch nach seinem Tode / so gar unsichtbar / daß nicht eine Spur mehr darvon zu finden ist. Diese Lust und diese Seuche ist dermassen bey Uns eingerissen / daß wir unserm dürfftigen Nächsten nicht einmahl die Hand böten / so lange bis Uns das Armuth selbst / wie ein Blitz / überfället. Neid und Haß hilfft auch nicht wenig zu unserm Unvermögen. Hält Einer dem Andern sich gleich / so ist die Feindschafft der nechste Nachbar. Der will am Stande höher / als der Andere seyn / und deßwegen vor Ihm einen Vorzug haben. Ein Anderer trotzet und pochet auf sein altes Herkommen und Geschlechte / und sollte auch der Kramer / Goldschmiedt / Fleischer / Becker und Weinhändler das Beste darvon tragen. Der Arme mißgönnet dem Reichen sein Vermögen: Der Reiche greiffet dem Armen nicht unter die Arme / ein Vermögender aber hasset und neidet den Andern um seines Vermögens willen. Es ist die Feindschafft und Mißgunst unaufhörlich. Ein Jeder feindet den Andern heimlich an. Der Stärckere drücket den Geringern / daß Er bey seinem Armuthe erstikken mus. Mit einem Worte: Keiner hilffet dem Andern ohne seinem Vortheil / und keiner der nicht viel hat / will auch die Haut zum Arbeiten nicht viel daran strecken. Soll derowegen der Arme bey dem Reichen aufkommen / so mus Er sich seiner Hände Arbeit gebrauchen / und bey diesem seinem sauren Schweisse auch GOTT vertrauen. Nichts richtet der Mensch ohne den Seegen GOTTES aus. Der Karge Laban plagte sich mit seiner vergänglichen Nahrung; Jacob aber gieng in Einfalt hin / verrichtete seine Arbeit / und es fiel Ihm an Schaafen / Cameelen / und Eseln Alles häuffig zu. Abrahams Isaacs und Jacobs Reichthum Alles rühret von dem Höchsten. GOTT machet zwar off [530] termahls wider Verhoffen Einen wunderbarlich reich / als wie den frommen Joseph nach ausgestandenem Gefängnisse; den David nach seiner hingelegten Hirten-Tasche / und den Salomon durch seines Vatern hinterlassenes und vor sich erhaltenes Reichthum; Allein das gröste erlanget man durch Schweis / Mühe und Arbeit / wie an denen zu Tyro und Sidon / an den Rubenitern und Gadditern / durch die geschlagene Agarener / an denen Israeliten durch die verjagten Midianiter / und an denen zu Bethulia durch des Holofernes ausgeplündertes Lager zu sehen. Des Narren Weeg zur Arbeit / sagt man / wird Ihm sauer. Will man den rechten Weeg zur Arbeit wissen / und sich von dem Armuth nicht übereilen lassen / so suche ein Jeder eine ehrliche Handthierung. Stehe seinem gedencke / daß ein Mensch nichts ohne Mühe und Arbeit haben kan. Denn es ist besser unter der Arbeit sich beugen / als bey dem Armuthe stolzieren: Jenes bringet gute Gedancken / dieses aber böse: Jenes ist ein Göttlicher Beruf / dieses aber ein Teufelischer / welcher nicht gestehen will / daß der Mensch zur Arbeit gebohren / noch daß Er sein Brod im Schweiß seines Angesichts suchen solle.
|| [ID00555]

Des HERCULIS erkiester Tugend-Weg / Und Die darbey sich ereigneten Monstra.
[arrow up]

|| [ID00556]
|| [533]
Uber den HERCULEM. SChau Leser nicht den Herculem nur an / als einen Held / so iemahls hat gestritten / und der viel Dampf in dieser Welt erlitten / deßgleichen wohl ein Mensch niemahls gethan. Laß dir sein Thun ein steter Spiegel seyn / woselbst du kanst der Tugend Bildnus schauen: Wer unverrückt der Tugend pflegt zu trauen / der stehet fest und fiel die Welt auch ein. Der Laster-Schwall wird bald von dem erlegt / der sich versucht als Hercules zu wagen / Er kan so dann die Ungeheuer schlagen / weil sich in Ihm die Krafft der Tugend regt.
|| [534]
Lies mit bedacht / was dir zeigt Blat auf Blat; Und lerne recht / ein Hercules zu wehlen / Es mag dir gleich die Wollust viel erzehlen / dieweil sie Gifft in Mund und Herzen hat. Ist gleich der Thron der Tugend rauh und schmahl; Der Anfang schwehr / mit Müh und Schweiß umschlungen / doch wer Ihr folgt / dem ist es stets gelungen / daß Er durch Sie gekrönt wird iedesmahl.
|| [ID00559]
|| [ID00560]
|| [535]

Des Herculis Leben und Wandel.
[arrow up]

Einem guten Gerüchte und preißwürdigen Leumuthe soll man von Kindes-Beinen an bis in das Grab nachhengen / und zu Helden-müthigen Verrichtungen die Morgen-Röthe nicht vorüberstreichen lassen. Es ist oben gedacht / wie Hercules in einem Feuer-Wercke praesentiret / und allda die drey höllischen Furien / und den dreyköpfigten Cerberum in seiner Höle bestritten: Anietzo aber wollen wir desselben Leben / Wandel und Thaten / zusamt solchen Furien / dem Cerbero mit wenigen / und die darbey sich ereignete Monstra oder Laster betrachten. Keiner ist für Edel zu achten / wenn er nicht Wercke der Tugend (Dionysius Halicarnass. lib. 1.) an sich hat. Unter allen die den Nahmen Hercules geführet / ist kein tapferer Held gewesen / als der in Griechenland / welcher vor dem Trojanischen Kriege / und dem Israelitischen Könige Saul gelebet / und theils daselbst / theils auch in Italien und Spanien nicht nur die tapfersten Thaten verrichtet / sondern auch zu Wasser und Lande viel Friede gestifftet. Er ward zu Theben von dem Amphitryone / und der Alcmena gebohren. Die Poeten dichten / daß Jupiter seine Mutter beschlaffen / und Er von ihr erzeuget worden wäre. Und als die Göttin Juno / des Jupiters Gemahlin / dieses erfahren / hätte sie den noch in der Wiegen liegenden jungen Herculem zweyen Schlangen / Ihn damit zu tödten / fürwerffen lassen / die er aber mit den Händen erdruckt. Wodurch sie nichts anders / als seine angehende Kräffte / und wie derselbe sich von Jugend auf der Tapferkeit beflissen / andeuten und zu verstehen geben wollen: daß / wer nach Ehr und Tugend trachtet / demselben es offt vielfältig übel / und zuletzt wieder glücklich ergehet. (Herculis Gespräche mird??? Tugend und Wollust.) Das Gespräch aber / so Hercules mit der Tugend und Wollust gehabt haben solle / ist ohne gefehr dieses. Als derselbe nunmehro seine Kinder-Schuh zerrissen / und bey sich überlegt / was für eine Art zu leben Er an sich nehmen wolle / sollen Ihme in einem Walde zwey Weibes-Bilder von unterschiedenen Gebehrden / und zwar die Eine von natürlicher (Xenoph. lib. 2. Cicero lib. 1. de. Officiis.) Schönheit / mittelmässiger Länge / freyer Gestalt / züchtigen Gebehrden / und in einem schnee-weissen Kleide? Die Andere aber von Person lang / in geschmückten Angesichte / hoch müthigen Gange / frechen Gesichte / und bunten Kleide erschienen seyn / welche letztere dann Ihn also angeredet. Ich sehe / lieber Hercules / daß du bey dir anietzo anstehest / was für einen Weg du dir erwehlen willst: Derohalben wirstu mich zu deiner Freundin annehmen / und erkiesen / so will ich dir einen solchen zeigen / auf dem du alle Freude / Wollust / Liebe / Buhlschafft und Ergetzlichkeit der Welt zu geniessen haben sollst. Als nun Hercules sie fragte / wer Sie wäre? gab sie zur Antwort: man nennet mich die Glückseeligkeit / oder vielmehr die Wollust / die jenigen aber / so mich hassen / die Trägheit. Hierauf tratt das andere Weibes-Bild hinzu / und sagte zu dem Hercule: Lieber Hercules / Ich als eine wahre Tugend komme auch zu dir / Ich kenne deine Eltern gar wohl / und wie man dich in deiner Jugend erzogen. Wirstu dahero mei [536] nen Weeg / welchen ich dir zeigen will / gehen / so wird man deine Helden-Thaten nicht allein in der Welt ausbreiten / sondern auch deinen Nahmen verewigen. Siehe / ich will dir nichts unter die Banck stecken. Alles was löblich / und rühmlich ist / das erlanget man durch Fleiß und Mühe. Willstu / daß dir die Götter gewogen seyn sollen / so mustu sie ehren. Sollen dich deine Freunde lieben / thue ihnen gutes. Verlangestu von Land und Leuten geehrt zu werden / so mache dich um sie wohl verdient. Soll dich die Erde ernehren / so baue und pflüge sie. Begehrestu durch Krieg Reichthum / so lerne die Wissenschafft des Krieges von Andern / und übe dich hernach selbst darinne. Hastu Lust einen klugen Redner / erfahrnen Rechts-Gelehrten / und berühmten Artzt abzugeben / so mustu dergleichen Künste mit Fleisse erlernen. Mit einem Worte: man kan ohne Mühe / Arbeit und Fleiß / nichts vor sich bringen. Wornach ihr die Wollust in die Rede fiel / und zu dem Hercule sagte: Siehestu Hercules / was für einen langen und schwehren Weeg dir die Tugend vorschreibet? Willstu aber mir folgen / so will ich dir zu allerhand Freude und Wollust gar einen kürzern vorstellen? Die Tugend beantwortete solches bald hinwiederum / und sprach: Was hastu eitele Weibs-Person doch gutes an dir / daß du dich also zu reden unterstehest? Siehe / du issest und trinkest / ehe dich hungert und dürstet. Du lebest in Füllerey und Uberfluß / und verschläffest darbey den besten Theil des Tages. Was du vornimmest / darzu bistu ungeschickt: Und ob du schon in dieser Welt unsterblich / so bistu doch bey den Göttern verstossen / und bey tugendhafften Leuten verachtet. Niemahls hastu in deinem Leben was ehrliches vollbracht / und niemahls haben weder Götter noch Menschen einziges Gefallen an dir gehabt. So lange deine Gesellschafft jung / so lange ist sie denen Weltlingen annehmlich / wenn sie aber alt / so gebieret sie nichts als Aberwitz / und Thorheit. Du lebest in deiner Jugend wohl / im Alter aber arbeitsam / und wann du letzlich das Deinige verzehret / so stirbestu Hungers / und verlässest nach dir ein trauriges Ende. Hingegen conversire ich mit Weisen: Mich lieben die Götter / und selten wird eine herrliche That ohne mich begangen. Ich bin eine Gehülffin der Weißheit / des Krieges / des Ackerbaues / und deren / die sich der Hand-Arbeit befleissigen. Ich verschaffe / daß man vergnügt lebet: Durch mich erfreuet sich die Jugend und das Alter / wann die Stunde des Todes verhanden / so stirbet der / so sich mir ergiebet / nicht mit der Vergessenheit / sondern er bleibet in dem Gedächtnüsse / und lebet bey allen / ob er schon vorlängst gestorben ist. Und weil von solcher Art und Eigenschafft auch / ô Hercules / deine Eltern waren / so gebühret dir gleichfalls / daß du / als dero Sohn / Ihnen auf dem Tugend-Weege unverdrossen nach folgest. Wodurch Hercules bewogen / daß Er auf / und die Wollust mit Füssen tratt / und sich der Tugend ergab. Mit welchem Gedichte man dann angezeiget / wie durch Tugend und herrliche Thaten man sich einzig und allein ein ewiges und unsterbliches Lob zu wege bringen könne. (Dessen Thaten.) Dem jenigen / der nach Eher und Tugend zu streben gedenket / geht es nicht allezeit zum besten / sondern er mus zuweilen auch allerhand Gefahr / Widerwillen / Last und Mühe ausstehen. Kaum hatte Hercules seine männliche Jahre erreichet / als er einen ungeheuren Leuen erschlug: die vielköpffichte Hydra oder Schlange in der Lernischen See tödtete: Auf dem Erymanthischen Berge einen grimmigen Beer oder wilden Eber fälle [537] te und den Diomedem / Könige in Thracien / welcher seine Pferde nur mit frembden Menschen-Fleisch speisete / bezwang / und denenselben hinwiederum sein eigen Fleisch zu fressen gab. Hiernächst verjagte Er mit einem besonderem Instrumento die Raub-vögel aus Arcadien: Fieng auf der Insul Creta den Minotaurum: Uberwand den Archelaum: Erschlug den Aegyptischen König Busiridem / weil er die Seinigen Schlachten und opfern lassen: Ersteckte bey dem Lybischen Kampfe den Riesen Antaeum: Räumete den Strassen-Räuber und Mord-Brenner Cacum des Vulcani Sohn / deßgleichen den Lavinium / Albionem und Bergionem / welche theils gantz Italien verheereten / theils auch alle Strassen unsicher machten / aus dem Weege: Machte die Centauros zahm: Schlug den Pyrechmum, Könige zu Euboea oder Negropont / der die Boeytier mit Krieg überzoge / aus dem Felde / un̅ liesse ihn mit Pferden in Stücken zerreissen: Theilete hernach die vormahls an einander hangende Berge Calpe und Abyla / deren einer in Spanien / und d??? ander in Mauritanien gelegen / und annoch des Herculis Seulen genennet werden / von einander: Leitete mit grosser Mühe den Fluß Pignio nach der Stadt Angia: Erlegte den König Geryon in Spanien / und seine drey Söhne / zusamt dessen Krieges-Heere: Brach in den Gärten des Atlantis Töchter die güldenen Aepfel ab / nachdem Er vorhero den jenigen Drachen / so dieselben bewahrte / umgebracht: Unterstützte mit seinë Schuldern den Himmel / welcher für grosser Last und Müdigkeit zu sinken begunte: Befreyete die Hesionem / des Laomedontis Tochter / von dem Meer-Wunder-Thiere / un̅ weil hernachmals ermeldter Laomedon ihm die jenigen herrlichen Pferde / so er demselben zur Verehrung versprochen / nicht abfolgen lassen wollte / überfiel Jener die königliche Haupt-Stadt Troja / äscherte sie ein / tödtete den König / und ertheilete die königliche Princessin Hesionem dem Helden Telamon / so zu erst die Mauren erstiegen / zum Raube. Plünderte ferner die Insful Cos, so nahe bey Rhodis gelegen / aus / brachte daselbst den König Eurypilum mit seiner Gemahlin und Kindern um: Bekriegte die streitbaren Amazonen / nahm deroselben Königin die Hippolyten gefangen / und übergab sie seinem Kriegs-Gefehrten dem Theseo. Stieg hinunter in die Hölle / und führete den höllischen Cerbe rum mit einer dreyfachen Kette gebunden mit sich heraus: Half dem Theseo die Proserpinam rauben: Holete die Alcestem / des Königes Admeti Gemahlin / aus der Hölle herfür. Besiegete in einem dreyfachen Kampfe den Cygnum des Nortis Sohn: Erschlug den Theodamantem / weil Er ihm keine victualien zukommen lassen wollte / und führete seinen Sohn den Hylam mit sich gefangen hinweg: Aescherte die Stadt Pylum in der Griechischen Landschafft Achaja ein / und brachte allda / ausser dem Nestor / den König Neleum / und sein ganzes Geschlechte (Diodorus Siculus.) um: Verwundete die Juno / welche dem Neleo hülffliche Hand bieten wollte / mit einem dreyspitzigen Pfeile: Richtete den Ochalischen König Eurytum hin: Ruinirte die Stadt Ochalia / und entführete des Eryti Tochter die Joles / weil Ihm vormahls dieselbe der Vater versprochen / und sein Wort hernache / nicht halten wollte / mit Gewalt. Wie ihm aber endlich seine Buhlschafft die Dejanira eines Tages / dessen unwissende / ein vergifftetes Kleid zuschickte / und Er solches anlegte / gerieth er darüber in solche Raserey / daß Er sich auf einem aufgerichteten Holtzhauffen verbrennete / nach welchen Er unter die Zahl der Götter soll seyn aufgenommen worden. (Was bey dem Hercules wahrzunehmen.) Des Herculis Leben giebet uns Anleitung / daß wir die Hoffart / als [538] des Teufels erstgebohrne Tochter / bey Zeiten aus dem Wege räumen / allen Zorn / Haß und Feindschafft meiden / die Laster fliehen / alle Geilheit und Lüste verbannen / die Nothleidenden beschützen / die Untergedrückten vertretten / die Boßheit hassen / und das Ubel bestraffen sollen. Die Ungeheuer / (Johan. Bodin9 de Republ. lib. 2.) so er / wie gedacht / bezwungen / sind nichts anders als Tyrannen und Räuber / die Er mit Strumpf und Stiel ausgerottet / und weil Er denenselben mit unglaublicher Macht überlegen / so hat man ihn für Göttlich gehalten. Treulosen Leuten ist auch Gott / und die Welt feind / dahingegen / wie jener Heyde hiervon sehr wohl urtheilet / die unsterblichen (Qint9 Marci9 in Livio 44. 1. 10) Götter nicht nur an denen redlichen / aufrichtigen und tapferen Leuten ein Wollgefallen tragen / sondern auch überflüssig beglücken / ja es sev auch das Römische Volck durch nichts anders als durch seine Aufrichtigkeit zu solchen Wachsthume gekommen. Es ist ein viehisches Wüten / wer seine Lust in Menschen-Blute suchet / und sich dadurch in ein erschreckliches Monstrum verwandelt. Der Römische Keyser Caligula wündschete Ihm / daßnach seinen Tode die gantze Welt verbrennen möchte. Die Tyranney und Grausamkeit ist unter andern auch dahero zu verfluchen / indem sie anfänglich die gewöhnlichen / hernach menschlichen Plagen überschreitet / und letzlich die grausamste Marten vor die Hand nimmet. Ein Potentate, der sich durch seine Gütigkeit und Sanfftmuth sicher macht / bedarff keiner Leib-Hüter / ein Tyranne aber muß sich für Allen fürchten. Als einer gefragt wurde / was für ein Unterscheid zwischen einem Könige und Tyrannen sey? gab Er zur Antwort: Die Authorität und das Ansehen wäre zwar bey beyden gleich / es wütete aber ein Tyrannen aus Lust / dahingegen ein König sich niemals / als aus Noth / grimmig erwiese. Alldieweil nun dergleichen Tyranney und Verfolgung der Menschen bald bey angehenden Alter der Zeit sich herfür gethan / so haben sich nothwendig tapfere Gemüther finden müssen / die solchen Monstris widerstanden. Und nachdem auch Hercules vielen Völckern ihre Freyheit wieder zu Wege gebracht / hielte man für unbillig / wann Jemand anders / als der jenige / welcher frey / Ihm opferte / gestalt denn hiervon nicht allein die Weiber und Knechte / ja auch die Freygelassenen ausgeschlossen seyn musten / sondern man gab auch vor / daß Er keine faule und träge Leute erhöre / hingegen aber sich gegen den hurtigen und tapferen in allen geneigt erweise / welches auf nichts anders zielet / als daß man allein durch einen unverdrossenen Fleiß einen grossen Nahmen erlangen könne. Denn daß Ihm stets der Sieges-Crantz gerathen / Das hat gemacht die Mühe seiner Thaten / Worzu Ihm dann die Tugend angeleit / Daß er daher glückseelig ist zu nennen / Weil Ihm durch Schweiß das Gold der Ewigkeit nunmehro weis für Andern wohl zu kennen. (Der Tugend soll man sich in d??? Kindheit ergeben.) Die Tugend / sagt man / ist mit einem nackenden und blossen Menschen zu frieden. Nicht vergebens haben die alten Heyden den Herculem / seine Tapferkeit dadurch anzudeuten / mit einer Löwen-Haut / und Streit-Kolbe nackend gemahlet. Denn wann die Tugend in Heroischen Gemüthern nicht gleichsam mit der Mutter-Milch eingeflösset / und durch [539] stete Ubung fortgepflantzet wird / so verschwindet dieselbe hinwieder nach und nach. Dafern man einen guten Acker nicht stets unter der Pflug- (Plutarch. in Apoph. Reg. & Princ. 11. 33. Cor. lib. 1. Thesaur. Politic. c. 10.) Schare hält / wächst Unkraut darüber. Niemand bedarff grössere Wissenschafften / als ein Herr / der Land und Leute unter sich hat: Denn wann dieselbe einmahl versäumet / und durch Fahrlässigkeit verstrichen / so ist die Reue zu spat. Etliche der Persischen Könige gaben ihren erwachsenen Söhnen viererley Leute zu / unter welchen der Erste ein in der Religion und Gottesdienste Wohlerfahrner / der sie gleicher Gestalt darinne unter richtete. Der Ander ein Gewissenhafftiger / welcher dieselben lehrete / wie sie die Zeit ihres Lebens sich der Warheit und Gerechtigkeit befleissigen sollten. Der Dritte Einer / so die Mässigkeit liebete / der sie von allerhand ungeziemenden Lüsten und Begierden abmahnte; und der Vierte von tapferer Resolution / welcher Ihnen die vortrefflichsten und heroischen Thaten der berühmten alten Helden erzehlete / sie zu gleichförmiger Nachfolge ermahnete / und gemachsam hierzu mit anführete: Tugend und (Marcellinus.) Tapfferkeit ist der rechte Schmuck eines Kriegs-Heldens. Als Pelopidas der Griechische Feldherr von seiner Mutter erinnert ward / daß er sein Leben wohl beobachten / sollte / sagte er großmüthig: Es mögen sich Andere schonen wie wollen / so gebühret mir allein mein Leben für das Vaterland ritterlich zu wagen / und den gemeinen Nutzen mit meinem Schaden zu suchen. Consalvo Fernandez pflegte zu sagen / daß Er niemahls sein Schwerd / als GOTT und dem König darmit zu dienen / ausgezogen / und dasselbe ohne Ehre nicht wieder eingestecket. Alle Tugenden widerstehen denen Lastern / die Tapferkeit aber widerstrebet auch dem Glücke. Ein Lacedämonier führete in seinem Wappen eine Mücke / als man Ihn aber darmit vexirte / sprach Er: Ich will meinem Feind so nahe kommen / daß Er dieses Bild auf meinem Schilde eigentlich erkennen solle. Der jenige ist für tapfer und hertzhafftig zu halten / welcher nicht furchtsam / und auch nicht kühn ist: Alle Thaten Herculis gehen dahin / daß Er die Arbeit und Mühsamkeit der Wollust vorgezogen / und sich dadurch einen unsterblichen Nahmen gemacht: Denn das ist der löblichste Adel / welcher durch seine Tugend / Weisheit und Verstand zu wege gebracht wird: Famam extendere Factis (Virgil. AEneidos lib. 10.) hoc virtutis opus: Das ist ein Werck der Tugend / wenn man sich durch tapfere Thaten berühmt und edel macht. Hercules war zwar edler Geburth / dafern Er aber Tugend-los / und sich auf den Stamm seiner Vorfahren verlassen / so hätte Ihm sein Adel nichts geholffen. Denn gleichwie ein Bauer bäurische Sitten an sich: Also vergleichet sich auch mit ihme der Edelgebohrne / wann er unadeliche Geberden an sich hat; sonsten aber heisset es: Wir sind Menschen ins gemein / suche bey dem Beinen-Haus / Ob des Adels Unterscheid sey daselbst zu glauben raus. Hoffart ist des Adels meiste Kranckheit. Ein Edler / jedoch von Natur böser Mensch rückte dem weisen Socrati seine unedle Geburt auf / zu dem sagte Socrates: Mir ist zwar die Geburt verweislich / du aber bist wegen der [540] (Osorius de nobilitate lib. 2. cap. 3.) Unthaten deinem gantzen Geschlechte eine Schande und Unehre. Alles was ehrlich / gebühret dem Adel. Der Grund des Adel-Standes ist Gerechtigkeit / Tapfferkeit / Gütigkeit / und Beredtsamkeit: Wo aber Hochmuth darzwischen kommt / und der Pfauen-Schwantz sich ausbreitet / da verachtet sie ihren eigenen Besitzer. Ein welscher Marqvise wendete viel Geld auf / damit er den Ursprung seiner Vor-Eltern erfahren möchte; es befand sich aber aus solcher Nach-Rechnung / daß Einer aus seinem Geschlechte ein Artzt / dessen Vater ein Notarius publicus, des Notarii Vater ein Marckschreyer / und dieses Vater ein Scherge oder Bittel gewesen. Daß aber Hercules / nach der Poeten Meinung / an den Himmel unter die Gestirne gesetzt / ist die Verewigung seines Nahmens Gedächtnüsses. Ihm misset man bey / daß er die Olympischen Spiele erdacht / daß man denselben aber bald einen Thebaner / bald Tyrinthier genennet / rühret daher / alldieweil die zu Theben / in der Griechischen Landschafft Böotien / und in der Stadt Tyrintha Ihm göttliche Ehre erwiesen / weswegen man dieses von Ihme geschrieben: (Propertius lib. 3.) Cymbala Thebano concrepuêre Deo. Man hat Ihm in dem Königreich Granata einen Tempel zu Ehren erbauet / einen Stier zu opffern / und bey der Stadt Lyndo in der Insel Rhodis andere Opfer anzustellen pflegen / worbey man aber allerhand unzüchtige (Macrob. lib. 5. Saturnal.) und schandbare Thaten vor die Hand genommen. Vor Alters hielte man drey Dinge unmöglich / nemlich / daß man dem Jupiter nicht seinen Donner und Blitz / dem Herculi nicht seine Keule / und dem Homero nicht seine Verse zu entlehnen vermöchte; und gesetzt / daß es auch geschähe / so vermöchte doch keiner weder mit des Jupiters Blitze / als Er / zu donnern / noch mit des Herculis Keule wegen der Grösse zu streiten / viel weniger so geschickte Verse zu machen / als Homerus gethan hätte. (Herculis Gepräge. Jacob. Oeselius in Numismat. Tabul. 31. num. X. p. m. 137.) Auf den Römischen Müntzen / insonderheit aber des Keysers Hadriani / findet man den Herculem nackend / in der rechten Hand eine Keule / in der lincken aber der Hesperidum güldene Aepfel haltend / abgepreget. Unterhalb solcher Keule siehet man ein Schifflein / und auf der andern Seiten einen halb-nackenden Mann / der in der rechten Hand ein Schilff oder Rohr hält / wodurch das Gaditanische Meer / oder der Genius des Gaditanischen Meeres bedeutet wird. Es ist aber Hercules deßwegen Gaditanus benahmet worden / alldieweil Er bis in die Insel Gades gekommen / woselbst Er den Berg Abila und Calpe / welche man hernachmahls des Herculis Seulen genennet / voneinander geschieden / und also zwischen solche das Mittelländische Meer geleitet haben solle. Daß Keyser Hadrianus den also genannten Gaditanischen Herculem in Müntze prägen lassen / rühret sonder Zweifel daher / daß / weil Er seine Reise in Africa / so viel er gekunnt hat / zu Lande gethan / Er hernachmahls bey den Seulen Herculis durch das Gaditanische Meer aus Europa in Africa / als einen kürtzern Weg / übergesetzet / und dahero / zum Gedächtnis dessen / solche Müntze zu schlagen befohlen: Also siehet man auch auf etlichen geschlagenen Römischen Müntzen den Herculem Romanum Deusoniensem, und Macosanum, und wie sich die Römischen Keyser Trajanus / Hadrianus / Commodus / Probus / und Andere in des Herculis Gestalt / Kleidungen / und Ansehen prägen lassen.
|| [541]
(Ob mehr Hercules gewesen. De Natura Deorum. lib. 4. De Moribus Germanorum, cap. 3.) Es werden aber von dem Cicerone sechs Hercules genennet / nehmlich der erste wäre des Jovis Sohn gewesen / der mit dem Apolline über dem Tripode gestritten: Der ander ein Egyptier / so die Phrygische Schrifft erfunden: Der dritte ein Idae er / dem man Todten-Opfer gebracht: Der Vierdte / welchen die Tyrer verehret: Der Fünffte so in Indien gewohnet / und auch Belus genennet worden: Der Sechste / welchen Jupiter der Dritte von der Alcmena erzeiget. Cornelius Tacitus aber erzehlet auch einen Teutschen Herculem / welcher über die Thuiscones geherrschet / und von dessen tapfferen und kühnen Thaten / die Teutschen bey ihren krieges- und Herr-Zügen zu singen / auch ihn / nebenst dem Marte / mit etlichen hierzu tauglichen Thieren zu versöhnen / in Gewonheit gehabt hätten. (August. de Civitate Dei c. 11. Philostratus lib. de Haeres. c. 8.) Etliche geben vor / es hätten die Heyden die Thaten Simsons entlehnet / und dieselben ihrem Herculi zugeschrieben / alldieweil sie des Herculis Labores, Stärcke und Mühseligkeit aus den alten Geschichten des Helden Simsons genommen. Denn weil meistentheils alle Heydnische Fabeln aus der heiligen Schrifft erdichtet / so wären auch dahero die ungeheueren Riesen an statt der Tyrannen / welche GOTT und seine gläubige Kirche verfolget; Die Wasser-Fluth Deucalionis für die Sünd-Fluth: des Phäetontis Incendium für Sodoma und Gomorra: des Loths Weib für die Euridice, und die Elistschen Felder für das Paradis genom̅en und erdichtet worden. Hercules hätte mit der Keule seine Kämpffe vollbracht / Simson aber mit eines Esels Kinnbacken: Hercules hätte einen Leuen getödtet; dieser auch: Die Seulen Hercules waren die Seulen Simsons / worüber er nicht weiter zu schreiten vermochte: Hercules sey von seiner Buhlschafft der Omphale für Weibisch und Knechtisch gehalten worden / Simson bey seiner Delila auch: Hercules hätte letzlich auf dem Berge Oeta freywillig den Tod gelitten / Simson in der Philister Palatio der gleichen (Natales Comes in Mytholog. lib. z.) worübet Einem jeden hiervon seine Meinung zu sagen frey stehet. Und ob schon über diese viel Hercules genennet worden / und Varro deroselben 43. zehlet / so werden doch diejenigen Thaten alle / so geschehen / gemeiniglich der Alcmene Sohne allein zugeleget. (Erkläru̅g etlicher des Herculis Thaten.) Wie wohl nun von diesem ietzt-erzehlten Hercule viel ungläubliches mit unterläufft; so hat man gleichwohl hierunter bey Einem und dem Andern auch eine und die andere Tugend und Laster abbilden und vorstellen wollen. Denn daß Hercules die vielköpfichte Hydra überwunden / dadurch geben etliche zu verstehen: Wenn man ein Unglück übewunden / so (Plato. Plutarchus.) wären an dessen Statt schon zehen andere vor der Thüre. (Die vielköpfichte Hydra. libro. 9.) Es soll Hydra unter allen Schlangen / so sich in dem Wasser aufhalten oder leben / die allerschönste seyn / und giebt Aelianus vor / daß dieselbe in der Insel Corcyra anzutreffen sey / welche diejenigen / so sie verfolgen / rückwerts zurücke treibe / und ihnen mit sonderbarer List und Geschwindigkeit begegne. Die Poeten dichten / daß sie mit vielen Köpfen in der Lernischen See zu finden / deren wann ihr einer abgehauen / alsbald der andere an dessen Stelle herfür gewachsen / und theils von des Herculis Pfeilen / theils auch von dem Feuer umgebracht worden sey: welches nichts anders bedeutet / als ein schädlicher Pful / der die Wasser von sich speyet / dessen Quellen Hercules vermittelst des Feuers verstopffet: oder das von besagtem Hercule eroberte feste Schloß Königes Lerni. Man hält aber darfür / als ob die Hydra eine von dene̅ schärffesten und verschmitzten Sophistin̅en gewesen / [542] die ihre Fragen also verblühmet eingerichtet / daß / wenn man ihr eine Zweifels-Frage aufgelöset / sie dargegen viel andere auf die Bahne gebracht. Weil nun Hercules so wohl ein Mann mit Tapfferkeit / als Weißheit und Verstande begabet / so wäre das / was ietzo gedacht / dahin zu verstehen. Dannenhero auch das Sprichwort erwachsen / daß derjenige / welcher einmahl in ein Unglücke / Streit / und Widerwärtigkeit geräth / und sich jemahls wieder so bald herauswickeln könne / eine Hydra zerhaue. Man hat sich aber dißfalls als ein kluger Schiffmann zu verhalten / welcher bey guter Wind-Stille das Seinige auf dem Schiffe also beobachtet / damit er für dem ereigneten Sturm-Wetter bestehe / und gleichsam die grausamsten Wellen / Blitzen / und Donner überwinde. Als Carl Andegavensis vernahm / daß seine Lands-Leute die Frantzosen auf einmahl theils aus Sicilien / theils aus dem Königreiche Neapoli verjagt und erbärmlich hingerichtet / sprach Er: O GOTT straff mich doch nicht auf einmahl / sondern vielmehr nach und nach / auf daß ich dasjenige / was ich geschwinde erobert / auch wieder langsam verliehre. Wenn es donnert / so regnet es gemeiniglich darauf: gleicher Gestalt führet auch offters ein Unglücke das andere an dem Reihen. Man soll aber wissen / daß ein jeder Tag / und ein jedes Ding einer Finsternis unterworffen. Denn derjenige kan sich niemahls für glückseelig schätzen / der nicht weiß / was Glück und Unglück sey. Der beruffene Carolus Borvomoeus ward durch einen unverhofften Brand aller seiner Pferde und bey sich habenden Sachen verlustiget / nichts desto weniger aber verspürte man an ihm kein Zeichen eintziger Bewegung / sondern er verehrete vielmehr den Wärtern / wegen seines erlittenen Schadens / hundert Ducaten. Alle Tugenden müssen sich an den Stab der Standhafftigkeit halten / wollen sie nicht wie ein Schatten an der Wand bestehen. Keyser Constantinus hatte an seinem Ring-Kragen ein güldenes Hertz hangen / um welches allerley Arten der Marter hiengen / mit dieser Beyschrifft: Nihil, das ist / durch nichts soll man von GOTT abweichen. Ein beständiger Mann ist gleich einem hohen Felsen in der See / an welchen die Wellen zwar mit unaufhörlicher Ungestimmigkeit schlagen / denselben aber weder schwächen / noch schaden. Weil derohalben man sich durch das Gegenwärtige nicht beugen / noch durch das Zukünfftige erschrecken lassen soll / so soll man sich der Vorsichtigkeit eines Blinden bedienen / der alle seine Tritte mit dem Stecken abmisset / und sich also eines guten Grundes versichert. (Der gefürchtete Minotaurus. Ovid. in Metamorphos. lib. 8. c. 4. Zezes. Servius.) Von dem Minotauro, oder Wunder-Thier tichten die Poeten wie er halb Mensch und halb Ochse gewesen / und von der Pasiphae / des Königes Minois in Creta Gemahlin im Ehebruche erzeuget / hernacher aber in einem Labyrinth / oder Irre-Garten eingeschlossen / und mit Menschen-Fleisch gespeiset worden. Diese Fabel will man historischer weise auslegen / als hätte die Königin Pasiphae mit einem ihres Gemahls Krieges-Obristen / Taurus genannt / zugehalten / und darauf ein Knäblein gebohren / dem man theils nach dero rechtmässigen Gemahl / theils nach dem Ehebrecher / den Nahmen Minotaurus gegeben. Etliche aber wollen / daß Taurus des Königes Minos geheimbter Schriber gewesen / welcher in Abwesenheit desselbigen mit seiner Gemahlin der Pasiphae in des Daedali Hause Ehebruch begangen / und weil die Pasiphae / hierauf Zwillinge gebohren / deren Einer dem Minoi / der Ander aber dem Tauro ähnlich gesehen / so hätte diese Fabel dahero ihren Uhrsprung genommen. [543] Diesem Minotauro sollen alle Jahre die Athenienser aus vermeinter Schuldigkeit sieben ihrer Kinder zugeschicket haben / welche er aufgefressen / er ist aber hernach drey Jahr darauf von dem Theseo des Königes Aegei zu Athen Sohn / welcher ohne gefehr dahin gekommen / getödtet / und vermittelst der Ariadne Faden oder Knäul hinwieder aus solchem Labyrinthe befreyet worden. Grosser Herren Unzucht und Hurerey pflegt man gemeiniglich gerne einen Deck-Mantel umzugeben. Was das menschliche Geschlecht erhält / und fortpflantzet / das verderbet die Unzucht hinwieder. Eine Hure ist nichts anders als der Jugend Verderb / des Leibes Folter / und der Seelen Mord. Und dieses überlegten gar weißlich die Egyptier / indem sie verordneten / daß man bey allen Bekandten Hur-Häusern Todtenbahren setzen / und allda verkauffen sollte / damit sich die Jugend des zeitlichen Todes erinnerte / und um soviel desto mehr für solchem Laster einen Abscheu (Natalis Comes.) trüge. Gleichwie man aber mehrentheils aller Fabeln Absehen nicht so wohl auf eine Historische Erzehlung / als entweder auf die natürliche Wirckung oder Sitten des Menschen Gemüths und Zähmung der Begierden richtet; Also führet auch diese Fabel von dem Minotauro dergleichen in sich. Pasiphae bedeutet das menschliche Gemüth / der sonst tapffere und großmüthige Taurus aber stellet uns die ungezähmten Begierden eines zornigen und lüsternen Menschen vor. Denn wenn das menschliche Gemüthe diesen zu sehr nachhänget / wird es einem unbändigen Ochsen gleich / und ist ein solcher unmässiger Gebrauch der Wohllüste ein Uhrsprung / und eine Mutter vieler Mißgeburthen. Wo Affecten, da ist weder Recht noch Gerechtigkeit zu hoffen. Alle Begierden sind feurig / so gar / daß ihnen auch der geringste Verzug zu lange wird. Fortior Mente est Cupiditas: Ihrer viel rauchen wie die Berge / wenn man ihren Lüsten entgegen stehet. Dahero man auch durch des Minotauri Irrwege nichts anders verstehet / als diejenige böse Gewohnheit / welche / wenn einmahl der Mensch von dem Wege der Tugend / und Keuschheit abschreitet / selten oder niemahls mehr zulässet / daß er wieder auf den rechten Weg komme / sondern vielmehr zu einem und dem Andern Bubenstücke anreitzet / biß er sich in das Zeitliche und Ewige Unglück stürtzet. Alle diejenigen befinden sich in dem Irr-Garten dieser Welt / welche ihre Begierden nicht zähmen / allen Untugenden nachhängen / Betrug / Haß / Neid / Feindschafft / Ungerechtigkeit / Mord / Geitz / Ehebruch / Hoffarth und Zorn verüben / und letzlich darüber selbsten an Verliehrung der Sinne / an Verderbung des Lebens / an Verschwendung der Zeit / an Verkleinerung der Ehre / an Unerbarkeit des Lebens Schiffbruch erdulden. Die Lehre allhier ist auch diese / daß alle Grosse und Gewaltige ihre Töchter für den geilen Stieren / das ist / für der ungebührlichen Geilheit und Laster der Hurerey in Acht nehmen sollen / indem sie durch ihre Nachlässigkeit und Ubersehung offters Ihnen nicht weniger Ursache der Unkeuschheit so lange nachzudencken geben / biß sie bey solcher Wollust die grausamsten Monstra der Geilheit gebehren / und also Nachtheil der Ehre / Verlust der Hoheit / Schmach des Gedächtnüsses / und einen bestialischen Nahmen hinter sich verlassen. Denn was ist die unersättliche fleischliche Begierde anders als eine Krämerin des Teufels / die ihre Sünden-Wahren gegen der Seele verkaufft / ein Abgrund alles Unheils / ein süsser Gifft und ein Tranck / der da toll machet?
|| [544]
(Heydnische Opfer) Es ist bey den Heyden nichts neues gewesen / wann sie ihre Kinder / wie die Athenienser dem Minotauro gethan / ihren vermeinten Göttern aufopferten. Denn man findet / daß vordessen die Carthaginenser / Phaenicier / und Rhodiser dem Saturno / die Lacedaemonier dem Marti / die Scythen der Dianae / die Laodiceer der Palladi / etliche dem Jovi / etliche aber andern Abgöttern / beydes Jünglinge / Jungfrauen / und erwachsene Menschen aufzuopfern / und sie dadurch zu versöhnen in Gewonheit gehabt haben: Gestalt dann bey ihnen auch nicht allein gewisse Ceremonien, als da war das Opffer an sich selbst / die vermeinte Heiligung der Eydschwür / und das geröste Maltz mit Saltze besprenget / sondern auch das Brand- und Schlacht-Opfer üblich. Uber dieses hatte man auch andere Opfer / als da war eine Art von Kuchen / welche man allein dem Jano opfferte. Etliche (Livius lib. I. Decad. I. Cicero in Oratione pro Lucio Flacco. Aristophanes.) Opffer geschahen wegen der Verstorbenen / etliche aber denen zu Ehren / die sich um das gemeine Wesen / und Vaterland wohlverdient gemacht. Es hatten auch die Heyden diese Gewonheit / daß / gleichwie sie ihren obersten Göttern des Morgens bey angehender Sonne; also auch den Unterirdischen des Abends opfferten / und bey solchen Opfern die Altare und Menschen mit Cräntzen beziehrten. Und weil man etliche Bäume denen Göttern heiligte / wurden auch die Priester mit dergleichen Blättern gekrönet / un̅ ausgeputzet. So vielen Göttern man opfferte / so vielerley Arthen und Farben der Kleidungen bediente man sich daselbst. Etliche der Opffer verrichteten die Weibes-etliche die Mannspersonen. Wenn einer eine Mordthat / oder ander Laster begienge / dem verstattete man ein Versöhnungs-Opfer / es wurden aber diejenigen / so von befleckten und lasterhafftigen Priestern berühret / keinesweges verstattet / sondern es musten dergleichen Priester und Priesterinnen sich neun Tage lang aller Unzucht und Geilheit / wie aus folgenden zu sehen / enthalten. (Ovidius.) Per novem noctes venerem, tactusq; virorum in vetitis memorant. Neun Nacht lang saget man / durfft sie kein Mann berühren / Sie meidten Venus-Lust / sc. Dahero endlich diese Gewonheit so weit einrieß; daß auch der Göttin Eybele Priester sich / damit sie keusch lebeten / mit einem scharffen Messer ihr männliches Glied abschnitten / die zu Athen aber wider die geilen Begierden das Kraut Cicutam, oder Schürling / und die angehende Priesterinnen eine Frucht / so Vitex genennet / gebrauchten: allermassen dann die Alten darfür hielten / daß bey dergleichen Opffern so wohl eine Reinlichkeit des Leibes als des Gemüths erfordert / widrigen Falles derjenige / so dergleichen zu verrichten hinzu träte / weder von den Göttern erhöret / noch darmit (Hesiod???) gnädig angesehen würde: Wes wegen auch Hesiodus befahl / daß man keinem von den Göttern eintziges Opfer darreichen sollte / es sey dann daß man zuvor die Hände gewaschen. Denn weil dieselben rein / und mit keinem Unflathe bemackelt / so gebührete auch den Dienern nicht / dergleichen Unsauberkeit an ihren Leibern zu haben. Nechst diesen wendete man in Erkiesung desjenigen Holtzes / so mit der Art und Eigenschafft unterschiedlicher Opfer übereins kahmen / nicht wenigen Fleiß an / indem man bey der Veneris [545] Opfer Wacholder / bey des Jovis Eichen-bey des Martis Eschen- und bey des Herculis Kirschbäumen-Holtz gebrauchte: Sie hatten auch nicht wenige Obsicht in Betrachtung desjenigen Viehes / welches zum Opfer gebraucht / und nach dem Altare geführet werden sollte / ob es nehmlich willig und ungezwungen hinzu gienge / wenn es sich aber weigerte / thaten sie dasselbe hinweg / alldieweil sie darfür hielten / es wäre bey so beschaffenen Dingen das Opfer den Göttern nicht annehmlich. Beydes Priester und Andere / um derer willen man opferte / pflegten zwischen die Hörner Wein zu giessen. (Homer???.) Und weil auch durch die Music und den Gesang durch Lieblichkeit gleichsam die Lufft beweget wurde / so meinten sie gleichfalls / es belustigten sich auch die Teufel hieran. Jhre Gesänge zu den Göttern verrichteten sie bey Verbrennung der Opffer vor dem Altare / und verzehrten das Ubrige gekocht untereinander / ehe sie aber von solchem Gastmahl schieden / dancketen (Apollon. lib. 1.) sie den Göttern für das / was sie genossen / warffen die Zungen von dem geopfferten Viehe in das vermeinte heilige Feuer / gossen ein wenig Wein darüber / und gieng hierauf einjeder seines Weges nach Hause. Alle Abgötterey hat ihren Deckmantel. Es meinten die Heyden / Ihnen wäre ein eintziger Gott zu beschützen nicht genug / dahero auch die sonst klugen Römer in die Thorheit geriethen / daß als sie die Gothen überziehen wollten / sie sich allenthalben frembde Götter zu entlehnen nicht wenig bemüheten / so gar / daß sie auch der Meder / Scythen / Griechen / Assyrier / Perser / Syrier / Chaldeer / Hebreer / Africaner / Wenden / Gothen / und vieler anderer Völcker Götter annahmen / und sie auf unterschiedene Weise ve rehreten. Die Sycionier beteten den Monden an / und stilleten ihre Kinder bey dessen Scheine: die Egyptier hingegen verehreten die Sonne / und säugten ihre Kinder beym Sonnen-Scheine. Die Chaldeer hielten Feuer für ihren Gott / und durffte kein Unverheyratheter in seinem Hause eintziges Feuer brennen lassen / wenn aber ein solcher sich verheyrathete / zündeten die Priester ein Feuer an / welches so lange / als er lebete / brennen muste. Ins gemein aber verrichteten die Chalde er alle ihre wichtigsten Geschäffte bey dem (Boccaci???) Feuer / als in Gegegenwart ihres vermeinten Gottes. Von den Mauritanern hatte vor Alters einjeder seinen eigenen Gott / und wann ein Weib schwanger / zeigte sie solches dem Priester an: Dieser ordnete ihr zu ihrem künfftigen Kinde einen Götzen von Holtz / Stein / Gold oder Silber / welchen sie dem neugebohrnen Kinde als ein Heiligthum an den Hals hienge. So offte sie nun das Kind stillen wollte / so legte sie den Götzen auf das Gesichte / heiligte selbigem ihre Milch / und gab alsdann erst dem Kinde dieselbe zu trincken. Wann aber das Kind starb / oder ein anderer junger oder alter Mensch mit Tode abgieng / kahmen des Verstorbenen Freunde zusammen / beklagten dessen Tod / und weil sie vermeinten / daß ein solcher Gott den Verstorbenen das Leben wider Recht genommen / und dahero sich wieder an ihme zu rechnen Fug und Macht hätten / steinigten / schleiften / henckten / verbrennten / (I. Sam. c. 23.) oder ertränckten sie ihn hernachmahls. Ehe der Held David wider seine Erbfeinde die Philister den Krieg zur Hand nahm / befragte er den Allerhöchsten durch den Priester Abjathar / was hierinne zu thun? Abjathar (Numer. 27. Urim und Thum̅im.) aber hatte uf der Flucht von Nobe aus dem Heiligthum den Leibrock mitgenommen / woran das Ambt-Schildlein / in welchem das Liecht und Recht / Urim und Thummim genannt / hienge. Durch dieses pflegte man / wenn in Israel schwere Sachen vorfielen / GOTT zu fragen / welches auch damahls durch den Hohenpriester geschahe. Und weil der HERR nicht durch ein Gehöre einer lautenden Stimme / sondern / wie man darfür hält / [546] durch die Klarheit der Buchstaben / welche ein Wort nach dem andern erkläreten / geantwortet / so hat der Teuffel auch hernacher bey den Heyden so viel gewircket / daß sie unter andern auch das Feuer als was Göttliches verehret und angebetet. Daß aber der Teufel meistentheils seine Antwort auf Schrauben gesetzet / das siehet man an dem Exempel Königes Croesi in Lydien / an des Königes Pyrrhi in Epiro / an dem Hannibal / und andern / welche da sie vermeinten / daß ihre erhaltene Antwort auf einen glücklichen Sieg (Abgötterey ist ein Affen-Spiel.) und Ausgang hinaus lauffen würde / sie darüber selbsten überwunden / geschlagen / und verjagt worden sind. Es ist aber alle Abgötterey / alles Götzen-Opffer / und aller Heydnischen Götter Verrichtung gegen den wahren GOTT und seinen Wercken nichts als Staub zu achten. Denn in Jenen steckt lauter Betrug / Falschheit und Boßheit / in diesem aber die unverfälschte Warheit. Das grosse Werck der Erschaffung ist nicht das geringste / viel grösser aber dieses / daß er dasselbe mit hoher Weißheit regieret / und erhält / die Erde erleuchtet / die Sonne verfinstert / den Himmel vertrucknet / die Königreiche ein- und austheilet / und daß kein Himmel so hoch / kein Meer so tief / kein Mensch so mächtig / und keine Creatur so grausam / daß nicht für Ihme alles gering-schätzig / und für einen Augenblick zu achten: diejenigen aber / welche Ihm mit wahren und beständigen Glauben anhangen / als ein Gold unter dem Schaume / ein Korn unter dem Strohe / eine Perle im Pfule / eine Rose unter den Dornen / ein Marck unter den Beinen / und ein Seele in einem faulen Leibe / treulichen vertrete und erhalte. Da hingegen der Heyden Götter / nicht weniger ihre Tempel / als die Menschen ihre Länder umb ihrer Abgötterey willen verlohren / und derselben sich verlustig gemachet. Denn es kunten die Trojanischen Götter sich nicht vor der Griechen Gewalt beschützen / sondern sie musten ihre Flucht mit den Menschen gen Carthago / und von dannen gen Sicilien und Rom nehmen. Und obschon alle Heydnische Götter man in gewissen Königreichen bedienet / und angebetet / so siehet man doch / wie die Hebreer von den Assyriern / die Assyrier von den Persern / die Perser von den Medern / die Meder von den Griechen / die Griechen von den Römern / die Römer von den Gothen / die Gothen von den Mohren / und sofort mit ihren falschen Göttern überwunden sind / also daß man weder Stadt noch Land / weder Königreich noch Fürstenthum iemahls gefunden / das nicht von andern bekrieget / zum Theil überwunden / zum Theil aber beherrschet / und letzlich zusamt seinen Göttern zerstöret / verderbet / und eingeäschert worden ist. Dahero dasjenige wahr bleibet: Was GOTT / der alles und jedes erschaffen / und von deme alles / was Athem hat / herrühret / in seinen Schutz nimmet / dasselbe bleibet ausser Gefahr und Anstoß. (Von dem Anthaeo.) Daß Hercules den ungeheuern Kiesen Anthäum ersticket / meinen Etliche / es habe mit solcher Geschicht diese Bewandnis. So lange als der Tyranne Anthaeus in seinem Lande verblieben wäre / hätte ihm Hercules wegen seiner auf den Beinen habenden Macht niemahls überlägen seyn können / nachdem sich aber derselbe dem Herculi / ausserhalb seines Landes / zu begegnen unterstanden / sey er überwunden / und gleichsam in fremder Lufft ersticket (Macrobius. lib. I.) worden. Daß aber Anthaeus, wann er seine Mutter die Erde berühret / jedesmahl neue Kräffte bekommen / wollen Etliche darüber diese Deutung machen: Hercules als die Sonne / druckne durch seine übermässige Hitze alle Dinge auf dem Erdboden aus / da hingegen die Erde wegen ihrer Kälte hinwiederum erquicke / und gleichsam denen Verstorbenen / und Hingezuckten das Leben gebe. Alle Kräffte der Macht haben ihr gewisses [547] Ziel. Die Schrifft nennet Könige und Potentaten Riesen / alldieweil sie mit ihren Schuldern die Bürde ihrer Regierung ertragen; sie sind Ecksteine / worauf der Bau einer Gemeine beruhet. Cron und Scepter / ist zwar eine ansehnliche / darbey aber betrügliche Sache. Es ist nicht ein schlechtes / wann einer seine Crone bey der Macht und Gewalt behält / wie solche seine Vorfahren besessen. Die Verwaltung eines Königreiches bestehet in dreyerley Wündschen; nehmlich / daß man das / was man hat / ohne Unterlaß behalte / dasselbe vermehre / und niemahls wieder verliehre. Dafern es wahr / daß der Tyranne Anthaeus Land Leute gehabt / sich des Herculis jederzeit in seinem Lande erwehret / und nicht viel mehr ein Lybischer Fechter von grosser Leibes-Gestalt und Stärcke gewesen sey / so ist das / was der Poete saget / nicht ungeräumet / auch auf ihn / und alle grosse Herren zu ziehen. (Ovid. lib. 2. de Remed. Amoris.) Non minor est virtus quam quaerere parta tueri. Darinn ist gleiche Kunst / daß man etwas gewinne / Und was erworben ist / nicht wiederum zerrinne. Daß nehmlich mehr Kunst und Geschicklichkeit zu deme / was man hat und besitzet / zu erhalten / gehöre / als was man noch nicht hat / zu erwerben. (Es ist besser sein Land beschützen / als ein anders mit Gefahr seines eigenen suchë.) Grosse / Herren haben gemeiniglich die Art an sich / daß sie ihre in Händen habende Gewalt mißbrauchen / und ihre Gedancken auf Eroberung anderer Länder richten / darüber sie aber nicht nur dasjenige / wornach sie streben / nicht erlangen / sondern auch so gar das / was sie allbereit besitzen / offtermahls mit dem Rücken ansehen müssen. Die Lacedaemonier bestrafften die / welche ihr Schild und Gewehr verlohren / oder wegwarffen / viel hefftiger / als diejenigen welche ihre Waffen aus den Händen fallen liessen: dadurch anzudeuten / daß an der Besitzung eines Dinges mehr / als an der Uberkommung eines andern gelegen sey. Quantò plus aliquis adeptus, tantò magis in lubrico. Jemehr Einer etwas zuwege gebracht / ie grössere Gefahr hat er / dasselbe zu behalten. König Pyrrhus brachte alles / was er bekriegte (Plutarchus in vita Pyrrhi. Valerius Maxim??? lib. I.) / mit leichter Mühe unter sich / er verlohr aber dasselbe hinwederum / ehe er sich dessen versahe. Als dem Römischen Scipio zu seinem erlangten Schatzmeister-Amte Glücke gewünschet / und darbey dieses / daß / die Götter der Römer ihre Herrschafft noch weiter vermehren sollten / hinzu gesetzet wurde / sprach er: Wir Römer sind an Land und Leuten mächtig genug / wann wir dasjenige / so in unserer Gewalt / wohlbedächtig erhalten. Diejenigen / welche den Höchsten Gipffel eines Baumes ersteigen wollen / fallen gemeiniglich mit den Aesten herunter. König Antigonus in Griechenland / vergliche dergleichen Potentaten mit den Carten- und Würffel-Spielern / welche um eines ungewissen Gewinstes willen alle ihr Haab und Gut in die Schantze schlügen. Und gleichwie eine Schild-Kröte innerhalb ihres Schildes / aller Gefahr versichert; Also auch der / welcher in seinem Stande (Cicero I. Offic.) und Lande vereiniget / und friedlich lebet. Es ist bald anfangs allen lebendigen Creaturen eingepflantzet / daß sie ihr Leib und Leben beschützen / und die Gefahr / so gut sie können / ablehnen; und dieses weiset dem Klugen die Vernunfft / denen Barbaren die Erfahrung / denen andern Menschen (Alberic. Gent. de Jure Belli lib. 13.) die Gewonheit / und denen Bestien die Natur. Aus Antrieb dieser aber entspringet das Recht / daß wir / nach erfolgter Beleidigung / entweder aus Rache oder Billigkeit nach dem Kriege greiffen / und zwar wegen der Reli [548] gion und des GOTTES-Dienstes / wegen des allgemeinen Vaterlandes / wegen unserer Freunde und Nachbarn / die mit uns in Verbündnis leben / wegen zugezogener Gewalt / und anderer Beleidigungen. (Tyran̅en sind nicht seltzam.) Anthoei Grausamkeit giebet uns Anlaß grosser Herren Tyranney nachzudencken. Wie die Sanfftmüthigkeit nicht allein ehrlich / sondern auch sicher machet / und Potentaten zur besondern Zierde und Wohlfahrt gereichet: Also werden gegentheils Tyrannen wegen ihrer verübten Grausamkeit von ihren Unterthanen gehasset / und offters wohl gar von ihren selbst-eigenen Leibes-Hütern überfallen und hingerichtet. Nulla cum Tyrannis Societas est, sed summa potius distractio: Niemand gehet mit einem Tyrannen umb. Als Keyser Mauritio im Traume vorkam / wie er von einem seiner Kriegs-Bedienten / mit Nahmen Phocas / um das Leben gebracht würde / und der Keyser den Philippum fragte / wer derselbe wäre? Sagte dieser: Es sey ein Ehr-geitziger / jedoch zaghafftiger Hauptmann / da sprach der Keyser / ist er surchtsam / so ist er gewis ein Tyranne / Mörder und Todschläger. Alexander Phoraeus war in Thessalien ein grosser Tyranne / darbey aber so furchtsam / daß er seiner eigenen Gemahlin nicht trauete. Keyser Basilius ließ in einer Schlacht / die er wider seine Feinde erhalten / 15000. derselben blenden / und von jedem Hundert Einem ein Auge übrig. Der Syracusanische Tyranne Dionysius richtete seine Mutter mit Giffte hin. Panthaleon ließ die zu ihnen geschickten Gesandten ausschneiden / und Hertzog Vitold seine Unterthanen in Behren-Häute nähen / und sie von Hunden zerreissen / so gar / daß wann er einem sich zu hencken / oder zu tödten befahl / derselbe solches nicht freywillig und ohne Hencker verrichtete. Der Römische Dictator Sylla rühmete sich / daß ihm keiner an Grausamkeit vorgienge. Der Parther König Phraates tödtete seinen alten Vater / und dreyssig seiner Brüder / damit in Parthia niemand von den Seinigen nach seinem Tode zum Regiment kommen möchte. Also ist bekannt / daß Agathocles zu Syracus: Phalaris zu Agrigent: Aristippus zu Argiv: Aristagoras zu Milet: Periander zu Corinth. Procopius zu Constantinopel: Milo zu Pisen / Machanidas zu Lacedoemon. Candaules zu Sardis: Busyris in Egyptien: Creon zu Theben: Nicocles zu Sicyon: Gelon / und Hilo in Sicilien: Hipparchus / und Pisistratus zu Athen: Policrates in der Insel Samos, und viel andere mehr die grösten Tyrannen gewesen. Der Ausgang aber dieser aller lehret uns / wie zwar das grimmige Schwerd einen und den andern hinweg raffete / hingegen aber viel unzehlbare Gemüther von dergleichen Potentaten dermassen abwendig machet / daß / ob sie schon dieselben fürchten / und ihnen gehorsamen / dennoch hinwie derum gegen die / welche sie nicht lieben / gleicher Gestalt eine und die andere Furcht tragen müssen. Dahero König Ludowigs des Zwölfften in Franckreich Sprichwort wahr zu seyn scheinet / indem er gesagt: daß der gemeine Pöbel der Tyrannen Speise / dieser aber der Teufel sey. Denn derjenige ist ohne Zweyfel verdammt / dessen Wandel und Leben ohne Bereuen bis an das Ende währet / und über welches Tod sich einjeder erfreuet. (Von den Centauris.) Die überwältigten Centauri sagen etliche / wären von dem Ixion, etliche von dem Saturno und der Philyra, des Oceans Tochter / etliche aber von dem Chiron des Ixions Königes in Thessalien Sohne entprungen. Diese sollen auf dem Berge Pelio von den Nymphen erzogen worden seyn / welche weil sie sich mit den Mutter-Pferden daselbst vermischet haben soll [459] ten / die Hippotauros erzeuget. Dahero die Fabel entstanden / daß sie bald wild / das ist / ohne Menschen-Füsse / und Pferde ohne Köpfe / oder der Ober-Theil eine menschliche / der Unter-Theil aber eines Pferdes Gestalt gewesen. Sie sollen aber in Thessalien an dem Gebürge Pelio / wiewohl als eine grobe unversöhnliche und gegen alle Menschen schmähliche Art von Völckern gewohnt haben / welche die Gewonheit auf Pferden zu streiten und zu kämpfen ausgebracht / und bey Welchen zu erst Pelethronius den Pferde-Zaum (Hesiodus) und die Spornen / dadurch die Pferde zum Lauffen und Stillestehen anzuhalten / erfunden. Zwischen ihnen und den Lapithen hat sich ein hefftiger Streit entsponnen. Denn nachdem eines Tages etliche von ihnen / auf des Pirithoi Hochzeit mit der Deidamia / oder Hippodomia des Bysti Tochter / als Benachbarte auch eingeladen / sich zu sehr berauschet / und beydes die Braut und der Lapither ihre Weiber unverschämt betastet / und endlich sie gar zu nothzüchtigen untersfangen / haben es diese nicht leiden / sondern nachdem es von Worten zun Streichen gekommen / ihrer viel derselben allda erschlagen / welche Feindschafft denn so lange unter ihnen gewähret / bis der gantze Sieg auf der Lapither Seite / durch Hülffe des Thesei gefallen / die Centauri von ihren Grentzen vertrieben / und sie sich mit der Flucht (Strabo lib. 9.) auf das Gebürge Pholoen in Arcadien wenden / hernacher aber ihre Sitze und Wohnungen in der Perrhaber Landschafft / nachdem sie vorhero die Vornehmsten daraus verjagt / nehmen müssen. Die Berühmtesten aber von diesen Centauris, sind Chiron / Eurytus / Amycus / Gryneus / Licidos / Medon / Caumas / Pholus / Rhoetus / Mermeres und Licidas gewesen. An allen ihren Thaten und Vornehmen hat man nichts leutseeliges / nichts gerechtes / nichts erbares / nichts tugendhafftes noch löbliches verspüret / sondern alles / was sie vorgenommen / das hat eine wilde Barbarische und bestialische Art und Eigenschafft gehabt. Und gleich wie allen Völckern eine billigmässige Sanfftmüthigkeit / wodurch ihr Ansehen vergrössert wird / gebühret; Also war gegentheils ihre gifftige Macht und Gewalt träfftig genug / allen Benachbarten Schaden zuzufügen. Man dichtet / daß / als ihrer etliche von des Herculis Pfeilen / mit dem er die vielköpffigte Hydra erleget hatte / verwundet / und sie sich hierauf in den Thessalischen Fluß Anigrum, daselbsten ihre Wunden abzuwaschen / begeben / sie denselben vom Gestancke gantz angestecket / daß man auch die Fische daraus zur Speise nicht mehr gebrauchen können / ja es hätten des Nessi und der Andern ihre Wunden nach deren Tode / unweit Calydon / so hefftig gestuncken / daß die gantze Revier nicht wohl darfür bleiben können. Alle grausame / Blut-dürstige und rauberische Menschen stincken wegen ihrer verübten Bubenstücken. Ein klein Ubel lässet man zuweilen hingehen / dem grössern aber ist nöthig beyzeiten zu begegnen. Böse Wolle lässet sich nicht wohl färben; gleicher Gestalt wird ein Böser selten gebessert. Die Noth erfordert es / daß Böses und Gutes beysammen wohnet / damit das Gute bey Zeiten das Böse hemme. Beissige Hunde bellen ohne Ursache: Also sind auch die / welche in allerhand grausamen Lastern ersoffen. Sie vergleichen sich den Kohlen / die zugleich schwärtzen und brennen. Zu allen Wunden und Kranckheiten hat man Pflaster und Artzneyen / ohne allein zur einmahl eingerissenen Grausamkeit nicht / es sey dann daß man ihr die Wurtzel behaue. Aus ihren Mitteln soll der eintzige Chiron ein gerechter und frommer Mann gewesen seyn: Dahero man ihn auch nach seinem Tode unter die Sternen gesetzet. Wodurch die Alten nichts anders andeuten wolle̅ / als daß der / welcher zur Helffte seines Lebens ein unvernünfftiges Thier / mit nichts anders als lauter Lastern [550] und Schand-Thaten befleckt seyn müsse / hingegen aber die Tugend nur bey frommen / aufrichtigen / und gerechten Leuten gefunden werden könne. Die Centauri geben uns unter andern auch diese Lehre / daß man sich insonderheit auch für dem übermässigen Gebrauch des Weins / und starcken Geträncks hüten / seine unziemliche Begierden zähmen / und seine Hände nicht an fremder Leute Gut legen / sondern vielmehr in allem der Gerechtigkeit nachstreben solle / gestalt denn dieses ins gemein der Gottlosen und Lasterhafftigen ihr Ende ist / daß sie mit Schimpf und Spott ihr Vaterland verlassen / ihr Vermögen / Haab und Gut hindan setzen / und alles im Stiche lassen müssen. Und nachdem auch die Centauri, als wilde und ungestalte Leute sich so boshafftig in ihrem Leben bezeiget; so wird hierdurch das Sprichwort wahr / wie gemeiniglich in einem übelen Hause ein böser Wirth zu wohnen pflege. Es wird vorgegeben / als ob Hesperus des Atlantis / Königes in Mauritanien / Bruder drey Töchter gehabt / welche man nach seinem Nahmen die Hesperides genannt / und die erste Aegle / die andere Arethusa / die dritte Hesperethusa geheissen. Diese hätten solche Gärten besessen / in welchen Bäume anzutreffen / so güldene Aepfel getragen / worüber Einer / mit Nahmen Draco / zum Hüter und Wächter bestellet gewesen / welchen Hercules umgebracht / und dieselbigen eroberten güldenen Aepfel dem Könige Eurystheo überliefert. Dahero man vorgegeben / ehe und bevor er solche Aepfel (Plinius. Solinus.) erobert / daß er den Hundertköpfigten Drachen erlegen müssen. Andere sind der Gedancken / es wäre für dem Draco ein Arm / oder Strom von dem Meere zu verstehen / welcher der Hesperidum Garten umschlossen / und (Varro.) gleichsam beschützet hätte. Andere aber / daß die güldene Aepfel nichts anders als rothfarbichte Schafe bedeuteten / die Hercules gebeutet / und aus Africa in Griechenland gebracht / dieweil bey den Griechen das Wort [Greek words] zugleich ein Schaf und auch ein Apffel hiesse. Durch den Drachen verstehet man / gleichwie durch die vielköpffigte Hydra allerhand Untugend und lasterhafftige Menschen / die mit ihrer Zunge nichts als Gifft der Boßheit von sich speyen. Ein unvernünfftiges Thier / wenn man ihm Gutes thut / wird endlich darvon zahm / ein Lasterhafftiger aber viel ärger. Es erzehlet (Homer???.) Ulysses / daß / so bald er den höllischen Kercker / und die Noth und Qual daselbsten erblicket / sey er darüber für Furcht und Schrecken erstaunet. Eine geschminckte Freude verleuert bald ihre schöne Gestalt / und nimmt letzlich ihre natürliche Fabe an sich. Wer mit seiner Zunge und Rachen in dieser Welt viel gestochen / der hat in jener einen Abscheu darfür: Sic variat formas primas, Dea saeva voluptas, pulchraq; sic tandem gaudia dira patent. Ein schmähsüchtiges Maul ist ein Vorreuter alles Unglücks / und hasset Tugend und Tapferkeit ohne Unterlaß. Jener Weise gab seinem Sohn diese Lehre / daß / wenn er einen boßhafftigen und verleumderischen Menschen übertreffen wollte / so müste er am Guten besser / als jener seyn. Alle Laster sind verzauberte Becher der Circe / wodurch man in Bestienverwandelt wird: der äusserliche Schein / und das innerliche Sehen treffen selten überein. Vier ehrliche Mütter / sagt man / gebähren vier Ehr-vergessene Töchter: Als die Warheit den Neid / die Glückseeligkeit den Hochmuth / die Sicherheit die Gefahr / und die allzuviele Gemeinschafft die Verachtung. Die Poeten erzehlen / daß Hercules bey Eroberung der güldenen Aepfel des [551] Atlantis Stärcke und List gebraucht / und dadurch den Draco beydes eingeschläset / und hingerichtet. Atlas war / wie gedacht / ein König in Mauritanien / der den Himmel auf seinen Achseln getragen / das ist / welcher zu erst den Lauff der Sonnen / des Mondens / und des gantzen Gestirns Umgang durch seinen Fleiß und Mühe erkundiget. Von diesem dichtet man / dem Perseo / welchen er von der Danae gebohren / wohl vorsehen sollte. nachdem sich aber Atlas desselbigen Gesellschafft gäntzlich entschlagen / hätte es deselben dermassen verdrossen / daß er auf Rache gedacht / und ihm eines Tages der Medusoe Haubt vorgezeiget / durch welches Anschauen er alsbald in einen solchen hohen Berg verwandelt worden / dessen Spitze man für den Wolcken nicht sehen können. Dahero die Fabel entstanden / daß Hercules den Himmel flützte / und ihn mit seinen Schultern unterhielte / welches dann von denen jenigen pflegt gesagt zu werden / die sich mit vielen grossen und beschwerlichen Geschäfften beladen / und ihnen dadurch selbsten alles Ungemach auf den Hals ziehen. (Regenten Stand.) Atlas wird hier als ein Kegente / der mit vielen Regierungs-Sachen beladen ist / vorgestellet / und schreibet man von Ihme / daß Er sich des Herculis Kath / wegen seiner Klugheit und hohen Vestandes / in vielen Dingen gebrauchet / und also derselbe nebenst Ihme den Him̅el / das ist / die Kegiments-Last hätte tragen helffen. Wann ein Potentate vor sich klug ist / und zugleich erfahrne Leute um sich hat / da pflegt das gemeine Wesen zu blühen. Deß Einen sein Stand bestehet in Regieren und Beschützen / deß Andern aber in Rathen. Könige und Grosse sind wegen der Unterthanen / diese aber nicht wegen Jener. Nicht den Schafen gebühret auf die Hirten / sondern diesen auf Jene Acht zu haben. Das Verhängnis und die Schuld der Natur macht zwischen Königen und Unterthanen keinen Unterscheid / und die Gräber dieser Allen geben hier genugsamen Beweiß. Weßwegen man auch von den Heyden dieses lieset: Was sind viel Jahr / und langes Leben? Wir Alle sind dem Tod ergeben: Ein hohes Haubt / ein hoher Sinn liegt / da man geht darüber hin: Die Reiche / wie sie zu Uns kommen; So werden sie auch weggenommen: Man braucht sie nur von Hand zur Hand; So ungewiß ist hoher Stand. Zwey Dinge sind Feinde der Regierung und des geistlichen Standes / nemlich ein karger und gietziger König / und ein ungelehrter Geistlicher. Viel unzeitige Urthel müssen öffters grosse Herren über sich ergehen lassen. (Valerius Maxim. lib. 4. c. 6.) Nulla tam modesta felicitas est, quae malignitatis dentes vitare potest: Kein Mensch ist in der Welt so glückseelig / der sich nicht von den Läster-Zungen durch die Banck ziehen lassen muß: Dannenhero auch Keyser Theodosius sich seines guten Gewissens tröstete / und sagte: Daß / weil man Ihm nichts ungeräumtes beymessen könne / Er auch das jenige / was man fälschlich von Ihme ausgäbe / nicht achte. Wer seine Regierung also anstellet / daß man zugleich geliebet und gefürchtet wird / dessen Ansehen ist nicht ge [552] ringe. Cron und Scepter sollen auch nach heilsamen Rathschlägen eingerichtet seyn / wann sie einen beständigen Grund erfassen wollen. Nirgends besser kan man einen Schatz verwahren / als in seiner Unterthanen Beutel. Und gleichwie ein Regente sich nicht unbillig einem Weber vergleichet / der zu seiner Arbeit einen geschickten Leib / gesunde Vernunfft / helle Augen / und fertige Arme und Hände haben muß / damit er nicht allein das jenige / was er vor sich / zu Stande bringe / sondern auch das / was darzwischen zerbricht / stecken bleibet / oder verwirret wird / wieder ergäntze: Also gebühret auch denenselben solche Leute um sich zu haben / die Ihme seine Mühe und Arbeit erleichtern helffen. Keyser Friedrich der Dritte sagte / daß Er die jenigen Räthe / welche ihr Absehen auf des gemeinen Wesens Frieden richteten / und GOtt mehr als Ihn fürchteten / am allermeisten liebete. Mehr Könige sind aus Mangel verständiger Leute zu Grund und Boden gegangen / als durch euserliche Macht und Gewalt. Räthe sind Augen eines Fürsten / die er nicht verletzen / sondern an ihrem behörigen Ort stehen lassen muß. Bey allen Rathschlägen soll der Nutzen des gemeinen Wesens der Mittelpunct seyn / doch der Gestalt / daß sie in gleicher Weite von demselben stehen. Der jenige / so seinem eigenen Kopf folget / der leidet letzlich Mangel an gutem Rathe: Rath aber geben / ohne Erwegung eines Dunges / ist ein verborgener Betrug / und die Macht und Stärcke ohne Recht eine Wahnsinnigkeit. Soll aber alles beydes eine gewisse Harmoni geben / und ein Königreich in steter Glückseeligkeit leben / so muß Verstand / Weisheit / Rath / Macht und Gewalt gleichsam zusam̅en gefesselt / und auf das genaueste miteinander verbunden seyn. (Höllische Furien. Virgilius.) Die Poeten nennen des höllischen Flusses Acherontis Töchter / welche er von der Nacht erzeiget hätte / Noctigenas, die sich niemahls kiener Freude theilhafftig machten / sondern in steter Traurigkeit lebeten: Die jenigen aber / so sich bey denen Sterblichen aufhalten / Furien / alldieweil sie denen Menschen allerhand Zorn und Geitz einblaseten / und gleichsam unterschiedenes Ungeziefer in den Busen setzten / das hernachmahls dieselben zur Raserey und Unsinnigkeit brächte / und wären ihre Häubter / an statt der Haare / mit Schlangen umflochten. Dieses giebet uns Gelegenheit (Lactantius lib. 6. de vero cultu.) denenselben nachzudencken. Drey Furien zehlet man / welche die menschliche Gemüter / als abscheuliche Höllenhunde / ohne Unterlaß plagen: Diese sind nichts als dreyerley Affecten / die in der Welt die Menschen zu vielerley bösen Thaten verleiten / als da ist der Zorn / welcher nichts als Rache verlanget: Die Begierde viel Geld / Gut / Ehre / Hoheit und Reichthum zu erlangen / es geschehe gleich mit Recht / und Unrecht / oder des Nechsten höchsten Schaden; und die Geilheit der Wollust / die sich / gleich einer Fledermaus / niemahls als des Nachts sehen lässet. Wie nun das gute Gewissen in dem Menschen ein GOTT: Also ist hingegen das böse sein Hencker und sein Teusel. Jhrer viel fürchten sich in der Welt für einen bösen Nachklang / und sind doch derer eine unzehlbare Zahl / die vorsätzlich ihr eigenes / Gewissen in Gefahr setzen. Die höllischen Furien sind nichts anders / als das böse Gewissen eines boshafftigen und mit allerhand Schanden angefüllten Menschens. Dieses ist unser unwiedertreiblicher Zeuge aller Ubelthaten / so wir beydes im Alter und in der Jugend begangen: Und weil es jederzeit böser Händel gewohnet / so schrecket und bellet es uns endlich mit solcher Hefftigkeit an / daß man dafür weder Ruhe noch Rast hat / weßwegen man auch [553] nicht unbillich solche Furien denen höllischen Richtern / als Dienerinnen zugesellet / alldieweil sie denen Verurtheilten die Gedancken und Ausflüchte ihrer Laster zu verläugnen benehmen / in allerhand Leichfertigkeit die Gemüther verstärcken / und letzlich die vorgebildete Freude in den grösten Schmertz verwandeln helffen. Gleichwie wir aber alle die jenigen Laster / so uns bewust / als da ist Neid / Haß / Feindschafft / Widerwillen / Verfolgung oder Hoffnung durch unbefugte Mittel viel (Virgilius lib. 7. AEneid.) Reichthum und Güter zu gewinnen / zu unserm Behuf gebrauchen: Also werden auch bey Anschauung und Betrachtung dieser drey Furien / als da ist bey der Alecto die Bestraffung der aus Neid entstandenen Mißhandlungen: Bey der Tisiphone der unaufhörliche Verlust / und die zu spat erfolgende Reue / welche aus dem Kützel der Wollust erzeuget wird / (Ovidius.) und der Poet also beschreibet: Nec mora, Tisiphone madefactam sanguine sumit Importuna facem, fluidoque cruore rubentem induitur pallam, tortoque incingitur angue, egrediturque domo: Luctus comitatur euntem, & pavor, & terror, trepidoque insania vultu. Vald nimmt Tisiphone von Blute gantz besprenget die Fackel voller Grimm / und legt mit allem Fleiß den blutgen Mantel an: Wenn dann der Gifft vermenget; So gehet sie herfür; Jhr folget hauffenweis Leid / Schrecken / Zittern / Furcht. Bey der Megära aber / die aus Rache / Mord / Todtschlag / Haß und Zorn herrührende Laster bedeutet / welche letzere Furia dann der Poete in (Claudianus de Laudibus Stiliconis.) Folgenden vorstellet: Improba mox surgit tristi de sede Megaera, quam penes insani fremitus, animique profanus Error, & undantis spumis furialibus Irae. Daß man ferner vorgegeben / es wären solche drey Töchter der Nacht / darinn hat man sonder Zweifel das Absehen auf die Unwissenheit der Verstorbenen / und auf das / was sich künfftig zutragen möchte / gehabt; daß man aber den Plutonem und die Proserpinam auch für ihre Eltern gehalten / hat man auf den Ursprung und Grund aller Laster gesehen / indem man den Plutonem über das Reichthum / und die Proserpinam für den Uberfluß aller Früchte und Erd-Gewächse gesetzet; Und nachdem über dieses die Alten gedichtet / daß die Furien den Eingang zu der untern Welt / und das Ufer des höllischen Flusses in Verwahrung hätten / so haben sie dadurch nichts anders verstehen wollen / als wie insonderheit die Gemüther der Sterbenden / durch Erinnerung ihrer vorigen Sünden ohue Unterlaß beunruhiget werden. Mit einem Worte: Die Höllischen Furien sehen sich stets mit den Augen ihrer Laster an / und geben an den Tag / daß nichts so Grosses / nichts so Lasterhafftiges / und nichts [554] so Unedles anzutreffen / welches der meiste Theil der Menschen nicht für eine Ehre / Hoheit und zeitliche Glückseeligkeit hält; weßwegen dann ihre gröste Sorge dahin stehet / wie sie sich zum Scheine unter die Tugend mengen / und mit verlarvtem Gesichte in ihre Fußstapffen tretten mögen: Jhre Anreitzungen sind nichts anders als gefälschter Lorbeer / ihre Liebe Rache / ihre Wollüste Schandmahle / ihre Verführung Reue / und ihre (Cicero pro Amerino, c. 24) Liebkosung eine immerwährende Pein. Man soll aber hierbey nicht eben meinen / daß die jenigen / welche etwas Gottloses und Lasterhafftes begegangen / von denen zornigen Furien eigentlich verfolget / und sichtlich gepeiniget werden / sondern ihr eigener Betrug / ihr eigener Schrecken / ihr eigenes Bubenstücke / ihr eigenes Ubel / und ihre eigene bösen Gedancken die sind es / was sie naget / plaget / und erschrecket. Diese Furien sind allezeit der Gottlosen tägliche Gäste / welche Tag und Nacht der Eltern Straffe wegen ihrer übelgezogenen Kinder / der Kinder wegen ihrer übelgehaltenen Eltern / der Hurer wegen ihrer Hurerey / der Diebe wegen des begangenen Diebstahls / der Zornigen wegen ihrer Rache / der Tyrannen wegen ihrer Ungerechtigkeit / der Geitzigen wegen ihrer Unersättigkeit / der Epicurer wegen ihres Fressens und Sauffens / der Spieler wegen ihres Betruges / der Regenten wegen ihrer gedrückten Unterthanen / der Fuchsschwäntzer wegen ihrer Heucheley / der Faulen wegen ihres Müssigganges / des Pövels wegen seines Aufftandes / der Schönheit wegen ihres Mißbrauches / und der Ungerechtigkeit wegen ihres Unrechts abfordern. Sie sind grausame Göttinnen und Rächerinnen der begangenen Ubelthaten: Sie verfolgen die Menschen nicht mit feurigen Kertzen / sondern mit Gewissens-Angst / und peinigen dieselben wegen des Betruges / und Bösen / so sie ausgeübet. Wer derohalben sich ihrer nicht will theilhafftig machen / der befleissige sich der Unschuld / eines guten Gewissens / und Aufrichtigkeit / meide Mord und Todschlag / und fliehe für denen Lastern / wodurch man sich die Furien / das ist / ein böses Gewissen auf den Hals zu laden pfleget. (Cerber???.) Niemahls wird man finden / daß die Gerechtigkeit und der Geitz zusammen stallen / und wie dieser sich einem Weibe vergleichet / welche mit Freuden empfähet / und mit Schmertzen gebiehret: Also wird auch der / welcher sein Hertze an das Reichthum hänget / und beyzeiten darwider nicht Rath suchet / dadurch zur Hölle gezogen. Nicht vergebens nennen die Poeten den Cerberum oder Höllen-Hund einen Hüter und Verwahrer der Hölle. (Virgilius lib. 8. AEneid.) Tes Stygii tremuêre lacus: te janitor orci. Den̅so bald / wie sie sagen / eine und die andere Seele dahin gefahren / so würde sie mit grossen Freuden zwar von diesem grausamen und erschreckliche̅ Thiere aufgenom̅en und empfangen / wann sie aber wollte zurück kehren / so erschrecke er dieselbe auf das hefftigste; wodurch man nichts anders zu verstehen gegeben / als die menschliche Natur: Denn nach dem sie / nach Pythagorischer Meinung und Irrthum / anfänglich die Seelen alle zusammen erschaffen / ehe und bevor sie in die menschliche Leiber gekommen / und nachmals dieselben in solche Cörper / als in einen Kercker gestossen / so würden sie zwar darinnen freundlich angenommen / wofern sie sich aber wieder in die Höhe schwingen / und nach denen Elysischen Feldern begeben wollten / mit Gewalt darvon abgehalten. Die Natur ist aller Dinge Mutter / und die Vernunfft aller Sa [555] chen Meisterin. Alles und jedes aber gestehet in einer stetswährenden Unbeständigkeit / die Sonne läufft fort / und der Mond hält seine Abwechselung. Die Natur zeitiget / und muß auch wieder Platz geben. Sie verbindet sich öffters mit der Kunst und Wissenschafft wider die Unsterblichkeit / und wird darüber in betrügliche Hoffnung gesetzet. Keine genauere Verbindung giebet es / als die zwischen der Seele / und dem Leibe / welche aber dergestalt einander entgegen; also / daß eines die Keuschheit und Mässigkeit / die Zucht und Erbarkeit / und die Redlichkeit und Gottesfurcht liebet; das andere aber diese alle hasset / nichts als Mord und Todschlag / Unzucht und Hurerey / Gewalt und Grausamkeit / Schande und Laster verübet. Beydeschweben auf einer Wage / was dem Einen abgehet / das gehet dem Andern zu: Wann der Leib sich wohl wartet / das gehet der Seele ab / und wann die seele wohl stehet / so führet der Leib stets seine Klage. Der Leib ist nichts anders als ein Gefängnus der Seele / und die Welt ein Kercker des Leibes / woraus uns nicht zu brechen erlaubt / es sey dann durch die Pforte des Todes. (Natal. Comes.) Wollen wir aber Ethicè davon reden / so ist und bedeutet dieser Cerberus nichs anders als den Geitz / und die Begierde des Reichthums / welches gemeiniglich / nachdem man es erlanget / und besessen / hinwiederum liederlich verwendet und geschwächet wird. Wer Reichthum und einen ehrlichen Nahmen hat / der ist zwar zeitlich glückseelig / allein man soll das einen mit guter Vernunfft besitzen / und das andere durch einen unsträfflichen Wandel erhalten. Alle Reiche und Wohlvermögende / welche sich mit ihrem überflüssigen Reichthum keine Freunde machen / haben keinen grösseren Feind / als eben dasselbige / dieweil es der Seelen Aussatz / ihr Gifft und Pestilentz ist. Alle Geitzigen suchen ihren Himmel in dem Rothe der Vergänglichkeit / sischen in dem trüben Wasser / und ersäuffen sich vielmahls selbst darüber. Reichthümer vergleichen sich mit dem Saltze / je mehr man darvon geneust / je mehr Durst hat man darnach. Geld und Gut eröffnen zwar alle Schlösser zur menschlichen Ehre / Vorzug / Hoheit und Ansehen; allein der sich lässt an deme begnügen / was er hat / der ruhet weit sicherer / und schläffet bey seinem Vermögen viel sänffterer. Man bedarff eben so viel Glücke und Vorsichtigkeit zum reich werden / als Kunst zur Frömmigkeit. Dem Pluto / als einem Gott des Reichthums / dichtet man an / wie derselbe sich zum hefftigsten beschweret / daß Er niemahls ehrliche und fromme Leute mit seinen Gütern und Reichthume erfreuen könne: Denn weil Er blind gebohren / und aufrichtige und redliche Menschen dünne gesäet / so würde Er gemeiniglich entweder von Finantzierern / Geitzhälsen / Wucherern / und andern Geld-begierigen aufgefangen / und zur gefänglichen Hafft gebracht / daß Er nothwendig das Armuth / und die Nothleidenden zu bedencken unterlassen müste. Dahero das Sprichwort entstanden: Wer viel nimmt / und nicht viel giebt: Wer allzu viel zusaget / und das Allerwenigste hält: Wer viel borget / und auf Credit schreiben lässet / und nicht wieder (Carnivorus.) bezahlt / der schiffet letzlich nach dem Flusse Acheron. Cerberus heist sonst nach dem Griechischen ein Fleischfresser: Alle die jenigen / welche ihren Unterthanen das Fell über die Ohren ziehen / sind van solcher Art. Niemand ist gerne unter einem Strengen und Geitzigen: Je mächtiger man ist / je mehr stehet es Einem zu / daß Er seine Gewalt dahin richte / damit Jederman Recht und Gerechtigkeit wiederfahre. Wan̅ der Grosse den Kleinern für einen Schwam̅ hält / so frisst Er endlich den Tod daran: Nicht alle Tage wachsen [556] Leute / die der Heerde wohl vorstehen: Grosser Herren Intraden und Einkünffte scheinen öffters einem wassersichtigen Leibe ähnlich zu seyn / denn wann der zunimt / so nehmen die Glieder seiner Unterthanen ab; dahero sagte König Alphonsus in Arragonien sehr weislich: Ich achte die für meine Liebsten und besten Unterthanen / welche sich mehr fürchten / wenn es mir übel ergehet / als daß es Ihnen durch mich übel ergehen möge. Eines Fürsten Weisheit bestehet unter andern auch darinne / daß er sich und die Seinigen wohl zu regieren wissen. Weit sehr betreugt sich der / so sich der Seinigen weder annimmet / noch höret / sondern den Ohrenbläsern in Allen Gehör (Castald??? de Imperio quaest. 59.) giebet. Malus Princeps Capo dicitur, & Gallinae modum habet: Nam sicuti gallina non cantat, nec horas nunciat: Sic malus Princeps nec justitiam, nec pacem praedicat. Keyser Carln des Fünfften Tochter Eleonora bat täglich für ihre Gutthäter / und als sie befragt wurde / was sie darmit verstünde / sprach sie: Ich meine dardurch meine Unterthanen / welche mich durch ihren sauren Schweiß und Mühe erhalten / und ob sie schon solches aus einer Schuldigkeit thun / so gereicht es mir doch zur Gutthat / dadurch Ich mich in meinem Stande / worein mich GOtt gesetzt / desto besser hinbringen könne. Wie nun eines von Grausamkeit beflechkten Gewissens die Schande der erste Lohn ist: Also hat sich gegentheils ein Herr über seiner Unterthanen Ehre / Wolfarth und Ausnehmen beydes zu ergötzen / und zu ersfeuen. Nam omnes subditorum virtutes redundant in Magistratum. Cerberus war / wie Etliche wollen / dreyköpffigt / wormit er umb sich beissen kunnte. Die Welt bestehet in Weit mehr Lastern / welche gleichsam aus dem gifftigen Brunnen des Geitzes ihren Ursprung nehmen. Der Mensch hat in dieser Vergänglichkeit zween Haubt-Feinde / nemlich den Geitz und die Ehrsucht / was jener sammlet / das zerstreuet diese. Jener ist ein Hahn / der alles zusammen scharret und kratzet; diese aber eine Henne / die solches hinwieder verscharret. (Der Welt Eigenschafften.) Alle Dinge lauffen in der Welt wie ein Rad / und mit ihr die Menschen / welche bald oben / bald unten / bald fallen / bald stürtzen. Des Menschen Thun und Wesen wird an einem Stücke fortgetrieben / nur daß die Personen in solchem Spiele abtretten / und an statt Jhrer Andere aufgeführet werden. Das zeitliche Reichthum ist eine Finsternus / darinne Niemand / ohne besonderen Anstoß / zu wandeln vermag. Die meisten Sorgen gehen dahin / wie man Gut und Ehre erlange. Alles laufft widereinander: Der Furchtsame führet seine eigene Waffen wider sich selbst: Die Aberwitzigen leben ohne Lust des Lebens: Die Räuber greiffen zu / ehe ihnen die Hände gebunden: Die Abgötter opffern ihnen ihre eigene Flüch: Das Allmosen der Dürfftigen unterlässet man aus Kargheit: Mord und Todtschlag ist das gemeine. Aller Aufruhr und Zwietracht sind Heerführer des menschlichen Jammers und Elendes: Was man mit redlichen und aufrichtigen Stücken nicht kan zuwege bringen / das führet der Betrug auf. Niemahls / oder gar wenig findet man die Keuschheit in der Füllerey / die Demuth im Reichthum / und die Warheit bey vielen Geschwätze: Der Undanck ist bey getreuen Diensten am nechsten: Die Faulheit suchet ihren Herrn / da sie am meisten feyert. Der Ehrgeitz gebiehret die greulichsten Günden / und lehret die Menschen ungetreue Thaten vor die Hand zu nehmen: Die Trägheit verleitet die Lust zur Tugend: Niemand wird mit euserlichen Lastern gebohren / und gleichwohl schleppet man sich mit denenselben bis in das Grab. Was die Erbarkeit aussäet /
|| [ID00583]
|| [ID00584]
|| [557]
das zernichtet die Un-Erbarkeit: Die Welt ist voll von Menschen / leer aber von aufrichtiger Freundschafft. Man verwechselt täglich seine Freunde / und erkieset dargegen Unbeständige / die mit Ernst Niemand lieben / und mit Aufrich tigkeit Niemand meinen: Aller Freude Ende ist Leid. Ein jeder hält sich für ein Heiligthum / da doch in demselben nichts als lauter Greuel / Stanck und Unfläterey stecket. Die meisten Menschen vertheidigen aus Liebe gegen ihnen selbsten ihre angebohrne Mängel. Die Frömmigkeit und Gottes-Furcht siehet niemand ohne scheele Augen an / und die Gutthaten verfolgt man mehrentheils mit Worten. Wer grosser Herren Gnade allzu nahe gehet / der erstickt sich gemeiniglich / und wer zu weit von ihnen tritt / den beginnet zu frieren. Daselbst giebt es viel Handreichens / aber wenig Hertzen von Treue und Warheit. Hunger und Durst ist des Armuths Plage / und der Geitz die gröste Pestilentz bey dem Vermögenden. Die vermeinte Klugheit verwandelt sich zum öfftern in die gröste Thorheit. Die Geschicklichkeit und Kunst ist zwar ein zeitliches Reichthum / wenn man aber ihre Besitzung mißbrauchet / so erfolgen eitel Drachen daraus. Wie nun der Tugend Schatz allein ewig: also verschwinden auch der Gottlosen Thaten / und verstirbet alles zugleich mit ihnen im Grabe. Denn so lange der Mensch an die Eitelkeit verknüpfet / so lange vermag er auch die himmlische Süssigkeit nicht zu geniessen. Die gantze Welt ist ein Gefängnis / woraus Einer nach dem Andern erlöset und durch den Tod befreyet wird. Dreyerley Sünden verkehren die Welt: als die Ruchlosigkeit in der Kirche / die Verschwendung in der Haußhaltung / und die Ungerechtigkeit bey einer bösen Regierung. Jhre Figur ist rund / und weil dieselbe nichts als eine Bewegung / und Unbeständigkeit andeutet / so kan auch nichts Beständiges darinne gefunden werden. Zwischen ihr / der verlarvten Schöne und Scheinheiligkeit / dem Teufel und dem Fleische / daß sie nicht besser noch frömmer leben: nehmlich / die Verachtung der Alten ihrer Lehre / die ungezähmten Begierden / und der eingebildete Hochmuth. Ein jeder Weltling ist ein Heuchler / demmach denn ihm die Natur sein Angesichte gen Himmel gerichtet / so wendet er indessen sein Hertze mit Fleiß gegen die Erde / und suchet darauf die Wollüste der Eitelkeit. Nicht die geringste Unbesonnenheit ist es / wenn man Küsten und Kasten für der Diebe Einbruch wohl verriegelt / und sein Hertze für der Barmhertzigkeit / GOTTES-Furcht / Mässigkeit / Treue / Zucht / Billigkeit / Demuth / Aufrichtigkeit / Gehorsam und Christlichen Tugenden verschleust: immittelst aber seinen Leib zur Unzucht / zum Fressen und Sauffen / zur Pracht und Hoffarth / zur Verschwendung / zur Undarmhertzigkeit / zur Rache / zur Verleumdung / zum Geitze / zur Abgötterey / zur Ehrsucht / zur Betrügerey / zum Finantziren / zur Boßheit / zur Trägheit / zur Gleißnerey / zum Neide / zum Zorne / zur Rache / zur Leichtfertigkeit / und denen übrigen Sünden und Schanden / gleich einer Hure / darreicht. Man soll aber wissen / daß der Welt Freundschafft GOttes Feindschafft ist. Harte gegen harte dienet zu nichts: Zwischen einem süssen Apfel / und verlohrnen Paradiese ist ein grosser Unterscheid. Die Welt reitzet uns zwar zu allerhand Lüsternheit / wer aber den Braten riecht / der ziehet sich bald wieder zurücke. Und weil der Weg zum Leben schmahl / die Hölle heiß / der Gewissens-Wurm frässig / und nicht alle / so nach einem Kleinode lauffen / das Ziel erreichen / oder gecrönet werden / so betäube man bey Zeiten sein Fleisch / lasse ab von Lastern / verachte das Irrdische / als ein [558] Augenblick voller Augen- und Fleisches-Lust / entziehe der Welt seine Liebe / und halte sich an die / in welcher die Welt ihre Ruhe in dem Hertzen findet. (Die Straffe der Sünde ist ein böses Gewissen.) Unter andern Erklärungen des höllischen Cerberi wollen etliche auch wegen seiner dreyköpfigten scheußlichen Gestalt / die Sünde / das Gesetze / und den Tod verstehen. Alle Sünde fallen denenjenigen / so darinne auferzogen / nicht so schwer als Andern / gleichwohl aber haben dieselben einen solchen Nachdruck / daß ein mit Sünden behafftetes Gewissen niemand recht unter die Augen gehen darff. Jhrer viel berühmen sich offtermahls der Laster / und sündigen darüber gedoppelt. Denn weil ihnen ihr Verbrechen nicht mißreuig / und dahero nicht verziehen / so begehen sie solche desto mehr. GOTTES Barmhertzigkeit gegen die Sünder ist zwar unerforschlich / es er erfordert aber zu einer jedweden neuen Sünde eine neue Busse. Denn des Menschen Leben ist ein immerwährender Krieg / wider die so Böses thun. Einmahl versehen / gehet wohl hin / aber darinne ohne Unterlaß verharren / bringt letzlich einen verderblichen Fall. Nichts ist eiteler und nachtheiliger / als wenn man sich in einer verbothenen Sache betretten lässet / in der man doch nicht gerne zu sterben begehret. Wenn der Mensch seine innerliche Gestalt / gleich der äusserlichen / in dem Spiegel besehen sollte / so würde er gewiß darfür erschrecken / und sich bald eines bessern besinnen. Dreyerley hat man bey sich in Acht zu nehmen / als da ist GOTTES Allmacht / welche alles siehet / alles höret / und alle Wercke in das Buch des Gewissens einschreibet. Und / gleichwie ein Flucher gemeiniglich leugt / und ein Lügner stiehlet; Also ist auch einem Boßhafftigen keine Ubelthat zu groß. Die geringste Sünde ziehet vielmahls mehr Unheil nach sich / als die gröste Verfolgung / und die kleineste Sünde ist offters grösser und schwerer / als das allergröste Unglück. Die Mißhandlung der Potentaten / und der Unterthanen hänget zuweilen so genau beysammen / daß beyde um ihrer Boßheit willen gestrafft werden. Die Abscheulichkeit der Sünde ist ärger als der Teufel. Denn dieser besitzt zwar auf Verhängnis des Allerhöchsten zuweilen die Menschen leiblich / wiewohl ohne Nachtheil ihrer Seelen; die Gottlosen aber geistlich. Wer das höllische Feuer / fürchtet / der fürchtet sich nicht zu sündigen / sondern zu brennen; der jenige aber fürchtet sich zu sündigen / der die Sünde selbst / wie das höllische Feuer fürchtet. Ein Sünder mit Andach ist besser als ein stoltzer Heiliger. Welcher Mensch in seinen Sünden keine Gewissens-Angst fühlet / den hat der Teufel schon eingeschläfet. Alle / die uf GOTTES Barmhertzigkeit sündigen / thun thöricht / und werden mit Unbarmhertzigkeit belohnet: Sie sind gleich denen unverständigen Kindern / welche sich für dem Schatten fürchten / und glüende Kohlen angreiffen; Die / so die zeitlich Straffe fürchten / und für der ewigen sich nicht entsetzen. Hat aber einer gesündiget / so laß er es ihm leid seyn / er scheue das Feuer / woran er sich verbrannt / und meide die Grube / woraus er mit Mühe gezogen. Tod und Leben hängen aneinander / und weil das Leben ein Augenblick / so soll man mit der Busse desto fertiger erscheinen / und bey Zeiten dem höllischen bösen Gewissen-Hunde entgehen. Es ist besser GOTTES / als des Teufels Freund: Jener nimmt auf / dieser verstösset: In Jenem ist der Seegen / in diesem der Fluch: In Jenem das Leben und die Seeligkeit / in diesem der ewige Tod und Verdammnis: In Jenem die Gerechtigkeit / in den Menschen aber die Sünde. Wie nun den Menschen auf dieser Welt jederzeit sein böses Gewissen und die Sünde ohne Unterlaß peiniget / und mit einem grausamen Anblicke erschrecket / also wird [559] er durch die Gnade Gottes / durch den Glauben / durch wahre Busse und durch die Vergebung der Sünden in CHRISTO / endlich deren beyder wieder los. (Das Gesetze ist der Sünden Zwang.) Das Gesetze ist böse und gut: böse für die Gottlosen / daß sie / wegen ihrer Unthaten / Rede und Rechenschafft geben / und zum Theil mit der zeitlichen / zum theil auch mit der ewigen Straffe belegt werden müssen: Gut für die / welche dessen wegen dem HERRN folgen / und nach seinen vorgeschriebenen Gesetzen einher gehen. Ungleiches Wetter macht ungleiche Schiffarth / und ungleiche Zeit / ungleiche Gesetze. GOTT weiset uns durch seine Gesetze Leben und Tod: Die Sünde / das Gesetze / und der Tod sind drey Höllen-Maaß voll / die unerträglichsten zu seyn scheinen. Die zwey letzteren sind um der ersten willen verordnet / was Eins nicht straffet / das tödtet das Andere. Eine gute Ordnung sagt man / bindet bösen / und sündhafftigen Leuten die Fäuste: Diese nagen / und plagen nicht allein dieselbigen hier zeitlich / sondern auch auf unerfolgte Reue dort ewig. GOTT stellete der Welt bald Anfangs das Gesetze wider die Bosheit vor / und legte eine besondere Strafe darauf. Der Teufel aber und die Welt mißbrauchten es zu ihrem eigenen Verderben. GOTT verboth / daß man keinen andern / als den ewigen und einigen GOTT verehren: Dessen Nahmen nicht mißbrauchen / Sein Wort hören: Ihn fürchten: Die Unsrigen ehren: nicht tödten: nicht ehebrechen: Nicht stehlen: Nicht verleumbden: Nicht betriegen / noch vervortheilen sollte. Der Teufel / und die Welt thaten / un̅ thun noch biß auf den heutigen Tag das Gegenspiel: Sie vernichten das Gesetze: Setzen GOTT andere Götter an die Seite: Sind verächter des heiligen Wortes: Fürchten weder Sünde / Tod / noch Hölle: Schänden die Jhrigen: Rauben / huren / stehlen / verleumbden / betriegen / und verrathen den / welcher ihnen zu nahe kömmet: Nichts bindet sie weiter als die Liebe / und die Noth: Die jenigen aber / so ohne Gesetze sündigen / sollen wissen / daß sie sich auch ohne dasselbe verliehren / und welche sich an solchen versündigen / dadurch verurtheilet werden. Und gleichwie der Gerechte sich über die vollbrachte Schuldigkeit seines Herrn erfreuet: Also seufftzet ein Gottloser über die begangene Arbeit seiner Bosheit. Soll das Gleichnüs von dem dreyköpffigten Höllen-Hund auf das Gesetze gezogen werden / so richtet dieses nur (ad Roman. 2. v. 15.) Zorn an. Denn wo das Gesetze nicht ist / da ist nach keine Ubertrettung: dasselbe herrschet über den Menschen so lange er lebet / nicht daß dasselbe die Sünde / oder der Höllen-Hund selbsten sey / sondern weil es durch die Sünde erkennet wird. Das Gesetze ist geistlich / der aber / welcher unter die Sünde verkaufft / fleischlich. Das jenige ist gut / so man rechtmässiger Weise gebraucht / das aber Böse / welches in dem Willen unserer Glieder wohnet. Und gleichwie von GOTT dasselbe durch Mosen denen Menschen übergeben: Also ist solches durch unsern Heyland erfüllet; denn das Gesetz hat den Schatten von den zukünfftigen Gütern / nicht aber das Wesen der Gütter selbst. Wie dannenhero das Gesetz sich dem Zaum und den Spornen vergleichet / welche die Menschen zu allem Guten anstrengen; Also bringet uns dasselbe auch entweder in der Güte oder mit Gewalt zum Gehorsam / [560] und weiset uns eines Theils den Weg zum Himmel / und des andern Theils zur Hölle. (Und der Tod beyderseits Ausgang) Auf die Sünde und das Gesetze folget der Tod / durch welchen man entweder zum ewigen oder verdammlichen Leben gehet. Wer wohl schlaffen will / der muß die Kleider ablegen: Wer wohl sterben will / der thue bey Zeiten Busse / und lege das Irrdische von sich. Wann ein Schau-Spiel aus / so schicket man das / was man geborget zurück. Der jenige / welcher sich bis in den Tod täglich seines Endes erinnert / und seine Laster abstellet / dessen Leben kan sich nicht unchristlich endigen. Es ist hier unter einem Herrn und Knechte / unter einem Bettelmann und Keyser kein Unterscheid: alle müssen unter des Todes Joch. Will man es nicht glauben / so gehe man zu dem Todten-Heere / und zu denen / deren Leiber und Köpfe ohne Unterscheid versammlet: das Beste aber / so wir in diesem Leben ergreiffen / ist / daß wir wohl sterben lernen. Als König Ferdinand der Erste in Castilien wahrnahm / daß sich die Stunde seines Todes herbey nahete / begab er sich mit Scepter und Crone in die Kirche / legte daselbst allen seinen Königlichen Ornat für dem Altar nieder / und sagte: Nun übergebe ich dir O GOTT! das Reich / so du mir zugewandt / hinwieder / und nimm mich dargegen in dein Reich der Herrlichkeit mit Gnaden auf. Nichts besser ist in Trübsal und Wiederwärtigkeit als der Tod. Denn ob man gleich stirbet / so stecket doch hinter dem Sterblichen ein Unsterbliches. Die Königin Isabella in Arragonien erkiesete ihr zu einem Sinnen-Bilde die Sonnen-Blume mit dieser Uberschrifft: Sequor & aeternum specto. Ich folge / und sehe nach dem Ewigen. Als ein frommer Mönch Hilarion einesmahls unter die Mörder fiel / und sie ihn zu tödten bedroheten / sagte er: Wer nichts hat / der kan auch nichts verliehren / und ob ihr mich schon umbringet / so scheue ich mich doch für dem Tode nicht / alldieweil ihr mir vielmehr die Thür zum Leben eröffnet. Wer die Sterblichkeit / und das / was ihr anhänget / betrachtet / der wird leichtlich das Weltliche verachten. Der Tod ist nicht so erschrecklich / als man sich von ihme einbildet. Denn wer sich darfür fürchtet / der soll wissen / daß der Natur nichts anständigers / und nichts eigenthümlichers als die Veränderung ist. Niemand kan sich wärmen / es brenne dann das Holtz und Niemand gereichet die Speise zur Nahrung / es sey dann dieselbe zu einem Saffte verwandelt: Also muß auch der Leib durch den Tod verkläret / und zum Nutzen gebracht werden / und gleichwie gebohren werden / Pflantzen / Weinen / Lachen / Reden / Schweigen / Lieben / Hassen / Streit und Freude seine Zeit hat; ebener Gestalt verhält es sich auch mit dem Sterben. Hertzog Johannes zu Cleve hatte in seinem Sinnen-Bilde eine Lilie worüber dieses: Hodiè aliquid, cras nihil. Heute etwas / morgen nichts. Da man den weisen Anaxagoras abwesend zum Tode verurtheilete / und er solches erfuhr / sprach er: das hat vorlängsten mir schon meine Na [561] tur gesagt. Die Nacht hat zwey Kinder / nehmlich den Schlaf und den Tod / das erste ist ein Vorbild des andern / das andere aber ein Durchgang zu einem künfftigen Leben. Wie Keyser Friedrich gefragt wurde / was dem Menschen am nützlichsten? gab er zur Antwort: Ein seeliges Ende. Ad lectum, ad letum. Vom Bette zum Tode / sagte Justus Lipsius, und starb darüber. Diejenigen / welche frey sterben / sind frey / nicht aber die / so frey gebohren: procul, & propè: Ferne und nahe. Der Tod lässet sich an keines Menschen Hertz binden. Ein König zeigte einem sein Reichthum / worüber sich selbiger verwunderte / und sprach: In Warheit / dieses Reichthum wäre bey weitem mehr werth / wenn man darvon nicht sterben dürffte. Der König gab ihm zur Antwort: Du Narr / wann wir Menschen nicht stürben / so wäre ich anitzo auch nicht König / und besässe diesen Schatz nicht. Leben und Sterben ist einerley / viel besser aber der / welcher wohl verstorben. Ein jeder Mensch / der einen Auffenthalt seines Lebens suchet / der ist entweder gottlos / neidisch / böse / oder fürchtet sich der Verdammnis: Denn dasjenige Leben / welches in dem Menschen nichts als Traurigkeit / Angst und Gewissens-Bangigkeit gebiehret / ist kein Leben / sondern nur Qual und Marter zu nennen. Fürst Johann von Nassau-Dillenberg lies in sein Gemach schreiben / dieses: Wer da stirbt / eh' er stirbt / Der stirbt nicht / wenn er stirbt. Wer da stirbet / der darff vielem Unglücke nicht unterworfen seyn. Seneca sagt: Mors optimum inventum naturae, omnibus finis, multis remedium, quibusdam votum, de nullis melius merita, quàm de his, ad quos venit, antequam invocaretur. Als Keyser Maximilianus der Andere starb / lies man eine Müntze schlagen / worauf man Cron und Scepter / und gleichsam eine Taube gen Himmel fliehen sahe / mit dieser Uberschrifft: dum ad Superos transferor, nihil humana moror. Indem ich mich gen Himmel schwinge / so achte ich nichts Menschliches. Wer einmahl aus dem Gefängnisse dieser Welt kömmet / der begehret nicht wieder zurücke. Wohl sterben / ist nichts anders als der Gefahr übel zu leben entfliehen. Jhrer viel empfinden für der Trennung ihres Leibes und der Seele ein Grauen / wer wollte aber nicht eine böse für eine gute Stunde / und einen wenigen Schmertz / für eine ewige Freude ausstehen? Alle Dinge beruhen darauf / daß sie wieder zu deme / was sie gewesen / zu gelangen trachten. Der Leib und die Seele des Menschen / wird niemahls vollkommen / es sey dann / daß diese / als ein Geist / wieder zu GOtt komme / und jener zuvor zur Erden werde / woraus er gemacht ist. Alles tauret nur eine Weile / dahero so ist es eine Thorheit / auf viel Jahr mit vergeblicher Hoffnung bauen / man frage einen Alten / der wird einem sagen / was dieselben seynd. Victoria Limes, der Sieg ist endlich (Isidorus.) das Ziel / wornach man strebet. Bey etlichen Keysern war der Gebrauch / daß / wann sie auf ihren Königlichen Thron geführet und gecrönt wurden / denenselben Einer unterschiedene Art Steine / sich daraus ein Grab machen zu lassen / mit diesen Worten fürlegte:
|| [562]
Elige nunc ex his, quibus, augustissime Caesar, ipse tibi tumulum me fabricare velis. Erwehle / Keyser! dir nunmehro einen Stein / Aus welchem dir dein Grab verfertigt solle seyn. Die Alten mahlten einen Todten-Kopf / mit einer Crone oder Lorbeer umbflochten: dadurch anzuzeigen / daß / nach überstandenen Tode / nunmehro alle Mühe und Arbeit ruhe / und der Mensch durch denselben den Sieg erhalten hätte. Wie nun der Tod für eine Auflösung des irrdischen Leibes / und eine Vertilgung aller leiblichen Empfindlichkeit zu achten; Also ist er auch ein Hingang von dem Irrdischen zu den Ewigen / ein Wechsel zwischen dem Bösen und Guten / eine Erquickung der Arbeit / eine Anfurth zum Himmel / und dann letzlich von aller ausgestandenen Mühe / Angst / Noth und Qual das erfreuliche ENDE.
|| [ID00591]

Register / Uber die vornehmsten / und denkwürdigsten Sachen / so in diesem Historischen Werke befindlich.
[arrow up]



XML: http://diglib.hab.de/drucke/xb-4f-589/tei-transcript.xml
XSLT: http://diglib.hab.de/rules/styles/tei-transcript.xsl