Bartholomäus Arnoldi: Figure Donati
Aino Kärnä

Inhaltsverzeichnis

aufklappen
  1. Überlieferung
    1. Erstausgaben
    2. Weitere Ausgaben (Auswahl)
  2. Verfasser
  3. Inhalt
  4. Kontext und Klassifizierung
  5. Rezeption
  6. Bibliographie

1. Überlieferung[arrow up]

Die Figurae Donati. Interpretatio Donati Minoris: de|finitiones octo partiu[m] orationis cum suis accidentib[us] scolastice exponens in studio Erphordiensi collecta. atq[ue] in vsum scolasticulo[rum] impressa wurde 1505 zum ersten Mal anonym in Erfurt bei Wolfgang Schenk gedruckt 1 . 1508 hat Wolfgang Stöckel das Werk in Leipzig ebenfalls anonym herausgegeben. Der Name des Autors erscheint erstmals ab ca. 1510 in den Drucken aus der Offizin Wolfgang Schenks. Das Werk ist auch unter dem Titel Interpretatio Donati Minoris sowohl in Erfurt als auch in Leipzig herausgekommen.

In den folgenden Jahren wurde dieser Frühdruck mehrmals neu aufgelegt und in Erfurt bei Maler und in Leipzig bei Stöckel neu herausgegeben. Ab ca. 1509 ist das Werk „dem Lob Gottes und zum Wohle der Gelehrtenrepublik“ gewidmet („ad dei laudem et reipublice litterarie profectum“). Er umfasst je nach Ausgabe etwa 46-60 Textseiten im Quartformat. Der Donat-Text am Kapitelanfang ist im Schriftbild jeweils deutlich durch größere Lettern von dem (viel umfangreicheren) Kommentarteil abgehoben. Im Text werden Klammern verwendet, die der Verfasser als ‚Figurae‛ bezeichnet, um den Oberbegriffen dazugehörende Unterbegriffe zuzuordnen. Dies kann mitunter auf verschiedenen hierarchischen Ebenen erfolgen.

Die Titelseite variiert: die ersten Ausgaben weisen nur den Titel ohne Titelbild oder Verzierungen auf, während die sorgfältige Leipziger Ausgabe aus dem Jahr 1513, gedruckt bei Wolfgang Stöckel, die inhaltlich mit den in der HAB befindlichen Drucken übereinstimmt, ein auffälliges Titelblatt mit einer Abbildung eines wilden Mannes trägt. eute findet sich das Werk oft, wie viele Kleingrammatiken, in einem Sammelband mit anderen Werken zu grammatischen Themen. Das Exemplar der Herzog August Bibliothek aus dem Jahr 1508 z.B. befindet sich heute im gleichen Band mit : Prima pars. , : Donati minoris. , : Super octo partes orationis. , : Expositio Donati. und Diffinitiones donati. . Das in Leipzig beim Drucker Melchior Lotther[us] 1515 gedruckte Exemplar ist mit Grammatice institutionis. und den Regule grammaticales zusammengebunden. Das kolorierte Titelblatt trägt einen kleinformatigen Holzschnitt. Die zwei ersten Zeilen der Überschrift und die Druckerangabe als unterste Zeile des Titelblatts sind rot bedruckt. Der Text ist insgesamt mit etwas größeren Lettern gedruckt und somit leichter lesbar als im Druck vom Jahr 1508, aber der Inhalt stimmt überein. Die Erfurter Ausgabe des Jahres 1517 von Mattheus Maler trägt auf der verzierten und kolorierten Titelseite einen Vers an den Leser: „Heus puer hunc iterum premimus studiose libellum Quo tibi grammatices pateat omne genus Instruit hic breviter compendia plurima dices Hoc nihil utilius doctius esse nihil Munere pro tanto dicter quater que benigne Grates excubiis Bartholomaee tuis.

1.1. Erstausgaben[arrow up]

1.2. Weitere Ausgaben (Auswahl)[arrow up]

2. Verfasser[arrow up]

Bartholomäus Arnoldi, (Namensvarianten: Arnoldi, Bartholomaeus; Bartholomaeus de/von Usingen; de Usingen, Arnoldus; Bartholomaeus/ Bartholomeus Textoris de Osyngen) wurde ca. 1462/1465 zu Usingen in Nassau geboren. 1484 begann er sein Studium in der zu der Zeit hoch angesehenen Universität Erfurt, machte dort 1486 das Bakkalaureat und wurde 1491 zum Magister artium promoviert. Neben Jodocus Trutvetter war dieser Nominalist ein geschätzter Lehrer und hervorragender Gelehrter für Philosophie und Logik in Erfurt und hatte wichtige Verwaltungspositionen (Mitglied des Fakultätsrats, Bursenleiter, Taxator, Kollektor, Dekan) an der Universität inne. 1512 erfolgte sein Eintritt in den Augustinerorden. 1514 wurde er zum Doktor der Theologie promoviert und war seitdem ein Professor für Theologie in seiner alma mater, jedoch ohne Lehrtätigkeit, denn diese war den Ordensleuten in der Philosophischen Fakultät untersagt Kleineidamm 1992154f.. Er war zunächst Lehrer und Freund Luthers, später aber dessen scharfer Gegner. Arnoldi hat mehrere erfolgreiche scholastische Lehrbücher zur Naturphilosophie und Logik, sowie eine Reihe von Schriften zu Glaubensfragen verfasst. 1522 wurde er Domprediger in Erfurt, aber drei Jahre später wurde er – neben anderen Klerikern – von den Protestanten aus der Stadt vertrieben und lebte seitdem im Augustinerkloster in Würzburg, wirkte als Prediger und Visitator der Klöster in Franken, verfasste zahlreiche theologische Streitschriften gegen die Lutheraner und ist in Würzburg am 9.9. 1532 gestorben. (Kleineidamm 1992298f., Paulus 1893: 106f., Trusen 1953: 388f., (Deutsche Biografie) Worstbrock 2005: 47.)

3. Inhalt[arrow up]

Den Kern dieses grammatischen Traktats macht ein Kommentar zur ars minor. des Donat aus. Dem Kommentartext gehen einige allgemeine Begriffserklärungen voraus: die Einteilung der Wissenschaften und anderer Termini. Manches ist gegenüber der Vorlage aus der grammatischen und philosophischen Literatur ergänzt. Die Figure Donati beinhalten also nicht nur grammatische Regeln, sondern sie stellen auch mannigfache Positionen zu grammatischen Fragen vor. Sie führen Regeln und Ansichten aus der grammatischen Literatur der Antike, des Mittelalters und der frühen Neuzeit zusammen. - Dieses Verfahren, einen Terminus oder eine Regel nicht nur einmal, sondern auf verschiedene Weise zu paraphrasieren und dabei auf verschiedene Autoritäten zu verweisen, war bereits in der Spätantike eine übliche Methode. Als grammatikographische Gewährsleute nennt der Autor zahlreiche Grammatiker, u.a. Probus (1. Jh.), Gellius und Caper (2. Jh.), oder spätantike Autoren wie Donatus, Diomedes und Servius (4. Jh.) sowie Priscian (6.Jh.), aber auch mittelalterliche Namen wie Remigius (9. Jh.) und Alexander de Villa Dei (12. Jh.), aber auch italienische Humanisten des 15. Jahrhunderts wie Laurentius Valla, Georgius Valla, Niccolò Perrotti, Baptista Mantuanus und Antonio Mancinellus werden zitiert. Sprachliche Vorbilder sucht der Verfasser – soweit er sie nennt – in der Antike: Vergilius, Horatius, Tullius (d.h. Cicero) und Plinius, sowie in der Bibel und bei Hieronymus. In Formulierungen wie: „Cathegorematicum est quod significat aliquid per modum adiacentis alterim ut albus niger.“ (b 1 r) kommt der modistische Einfluss zum Vorschein.

In einem einleitenden Kapitel (‚Prohemium‛) werden Grundbegriffe definiert: In den Abschnitten ‚Definitio artis‛ und ‚Divisio artis‛ geht es um die Begriffsbestimmung und Einteilung der Wissenschaften, wobei die Grammatica selbstverständlich die erste Stelle unter den ‚artes liberales‛ einnimmt Hier wird die Grammatik erstens als ‚collectio regularum docentium congrue loqui‛ bestimmt. Unter der Überschrift ‚Interpretatio nominis‛ wird die Herkunft der Bezeichnung ‚grammatica‛ erläutert, und als ihr Gegenstandsbereich werden die Buchstaben, Silben, Wörter (‚dictiones‛) und die Sätze (‚orationes‛) bestimmt, und diese werden in den nachfolgenden Abschnitten definiert.

Die von Priscian übernommene Definition für den Terminus ‚littera‛ (Buchstabe) lautet: „Littera est minima pars vocis composite.“ (a 2 r) Die Buchstaben werden in Vokale und Konsonante eingeteilt und ihre Akzidenzien (ihr Name, Figur und ‚potestas‛ d.h. ihre Lautgestalt) werden kurz erläutert. Darauf folgen die Definitionen für Silben, Wörter und Sätze. Zu den letztgenannten heißt es: „Oratio est contextus verborum cum sensu“ (a 3 r), eine Definition, die höchstwahrscheinlich auf Isidor von Sevilla (Hispalensis) (6./7. Jh.) oder einen von ihm abhängigen Text zurückgeht.

Neben der zweiten Definition zur Grammatik, „Grammatica est recte scribendi et loquendi scientia“, die ebenfalls von Isidor stammt und auch bei Humanisten wie Guarino Veronese (14./15. Jh.) und bei Gregor Reisch in seiner Margarita philosophica. (1503) auftritt, gibt Arnoldi noch eine dritte, die ebenfalls eine lange Tradition hatte: „Grammatica est scientia docens recte scribere, intelligere, componere et pronunciare.“ (a 3 r) Wohlgemerkt: die Grammatik wird beidemal als ‚scientia‛, nicht als ‚ars‛ dargestellt. Die bei den antiken Autoren angeführte Zielsetzung, die ‚poetae‛ und ‚historici‛ richtig interpretieren zu können, ist hier ausgelassen, denn ‚intelligere‛ wird lediglich als Wissen über die Bedeutung und Einordnung der Wörter in die richtige Wortklasse ausgelegt.

Dementsprechend sind die Teilbereiche der Grammatik (‚species grammatice‛): die Orthographie, die Etymologie, die Syntax und die Prosodie. Von diesen Teilbereichen enthalten die Figure einen kurzen Abschnitt zur Orthographie und als Hauptstück die Etymologie, d.h. die Wortkunde, im heutigen Verständnis die Morphologie. Im Kapitel ‚Divisio grammatice‛ (a 3 r) bringt Arnoldi die Einteilung in ‚grammatica preceptiva, permissiva‛ und ‚prohobitiva‛ (die vorgeschriebene, zugelassene und verbotene Grammatik), die er Quintilian zuschreibt, und in dem Kapitel ‚De vitiis grammatice‛, das grammatische und stilistische Fehler bespricht, gibt der Autor Alexander de Villa Dei als seine Quelle an.

Nach diesen ersten, grundlegenden Definitionen beginnt der eigentliche Kommentar bei der ersten Frage der ars minor: ‚[P]artes orationis quot sunt‛ ([a 4] r). Nicht nur der Inhalt wird kommentiert, sondern auch die katechetische Darstellungsart: „Donatus librum suum a numero partiumorationis [sic] auspicatur et utitur diverbio id est querit et respondet […].“ Arnoldi selbst hat das Frage-Antwort-Muster nur gelegentlich beibehalten; in der Art der Darstellung richtet er sich also eher nach der umfangreicheren Grammatik von Donat, der ars maior.

Den allgemeinen Kommentaren zu den Redeteilen folgen ausführliche Abschnitte zu jeder einzelnen Wortart, stets eingeleitet mit einem Zitat aus Donatus. Diese bleiben der Vorlage – so wie wir sie auch heute noch kennen – treu. Da heißt es zunächst zu den Nomina: „Nomen est pars orationis cum casu corpus aut rem proprie communiterve significans“. ([a 4] v) Diesem wörtlichen Zitat folgen detaillierte Kommentare, in denen u.a. gezeigt wird, wie die angegebene Definition andere Wortarten ausschließt und somit genau die gemeinte Klasse umfasst. Die Akzidenzien werden in der Abfolge Donats diskutiert (‚qualitas, comparatio, genus, numerus, figura, casus‛) und dabei mit Einteilungen in Klassen und Subklassen bereichert. Arnoldi führt zahlreiche Einteilungen an, die aus verschiedenen Quellen stammen: Die Nomen zerfallen z.B. in ‚nomen syncathegoramaticum‛ und ‚cathegorematicum‛, beides Begriffe, die aus der scholastischen Logik entnommen sind und auf Priscianus zurückgehen, dort allerdings mit unterschiedlicher Bedeutung. 2 Außerdem zerfallen die Nomina in ‚nomen substantivum‛ und ‚nomen adjectivum‛. Die Substantive sind dadurch gekennzeichnet, dass sie alleine stehen können und nur höchstens zwei Genera haben, wohingegen die Adjektive nicht für sich im Satz vorkommen und sie können drei Genera haben (‚movertur per tria‛). Folglich wird in diesem Kapitel auch die Komparation behandelt. Hierbei werden viele Autoren der Antike herangezogen, u.a. Aulius Gellius, Martialis, aber auch Grammatiker wie Georgius Valla und Priscianus. ([a 6] r)

Als nächstes folgt das Pronomen, wobei ebenfalls jeder Satz aus der ars minor zerlegt und kommentiert wird. Die Pronomina werden als ‚dictiones pronominales‛ festgelegt, die anstelle von Nomina gebraucht werden. Ansichten anderer Autoren, wie Servius und Remigius werden herangezogen. ([b 6] r) Pronomen zerfallen erstens der Wortbildung nach in ‚primitiva‛ und ‚derivativa‛ und zweitens in Bedeutungsgruppen ‚relativa‛ und ‚demonstrativa‛ . ([b 6]v)

Die Verben, die ‚dictiones verbales‛, wie es hier heißt, werden mit ihren Akzidentien anschließend behandelt. Der Donatus-Text wird Positionen von Remigius, Valla und Mancinellus gegenübergestellt. Die sieben Akzidenzien der Verben, Qualität, Konjugation, Genus, Numerus, Figur, Tempus und Person werden der Reihe nach erörtert. Nach Arnoldi sollen (wie in der ars minor) fünf Modi unterschieden werden: ‚indicativus, imperativus, optativus, conjunctivus‛ und ‚infinitivus‛. Diese Termini werden fast tautologisch definiert, z.B.: „Indicativus est qui indicationem significat.“ (c 3 v)

Auf diese Weise werden alle acht Wortarten in der Reihenfolge der ars minor besprochen und kommentiert, jedoch nicht sämtliche in allen Einzelheiten. Gelegentlich hilft sich Arnoldi mit Hinweisen auf den Text der Vorlage, etwa bei den Adverbien, deren Bedeutungsgruppen nicht vollständig aufgezählt werden. Es heißt dort lediglich, dass Donatus vierundzwanzig Gruppen hat, aber Arnoldi führt nur fünf namentlich an: ‚loci, temporis, numeri, qualitatis, quantitatis et c[eter]is‛ (d 2 v).

Arnoldi bringt zur Erläuterung des ars minor-Textes reichlich zusätzliches Material, wie der folgende Ausschnitt aus dem Kapitel über die Adverbien beispielhaft zeigt: Nach dem Donatzitat: „Das Adverb ist eine Wortart, das dem Verb hinzugefügt ihn erklärt und ausfüllt“, folgt die Auslegung: „Man beachte erstens, dass der Terminus adverbium sich auf adverbiale Wörter bezieht, wie ‚hodie‛ (heute), ‚heri‛ (gestern), ‚bene‛ (gut), ‚male‛ (schlecht), worauf die Definition zutrifft. Zweitens muss man beachten, dass die Adverbien viele Aufgaben (‚officia‛) haben, von denen zwei in der Definition genannt werden.

Aufgaben der Adverbien sind nach Arnoldi:

Nachfolgend wird dargelegt, wie die einzelnen Teile der Definition dazu dienen, das Adverb von anderen Wortarten abzugrenzen. Dem schließt wieder ein Zitat aus der ars minor an, das dann ebenso fast Wort für Wort in seine Bestandteile zerlegt und erörtert wird.

Die Behandlung der Partizipien folgt dem gleichen Modell, das Zitat aus der ars minor dient als Ausgangspunkt für die Erörterung ihrer Akzidenzien. Auch hier erfolgt die Bestimmung dieser Wortart nach dem Prinzip der Abgrenzung von anderen Wortarten. Arnoldi wartet mit vielen Aufteilungen und Darstellung von unterschiedlichen Meinungen auf. ([d 4 r] – e 1 v)

Bei den Bedeutungsgruppen der Konjunktionen werden zwar alle fünf Typen der Vorlage (‚copulativae, disjunctivae, expletivae, causales, rationales‛) genannt, aber mit dem Nachtrag, dass Priscian ‚adversativa, dubitativa &c‛. hinzugefügt habe (e 2 v). – In Wirklichkeit war der Zuwachs an Subklassen bei Priscian im Vergleich zu Donat deutlich grösser, denn Priscian führt zusätzlich ein ganzes Dutzend von Bedeutungen auf, was allerdings durch das „&c“ am Ende mitgemeint sein kann.

Die Nähe dieser grammatischen Abhandlung zur Logik, die einen Schwerpunkt der wissenschaftlichen Tätigkeit Arnoldis ausmachte, wird besonders deutlich an den Beispielsätzen zu den Konjunktionen: sie sind nämlich direkt aus der logischen Tradition entnommen: „homo currit vel homo movetur, si homo currit homo movetur, homo currit ergo homo movetur“(e 3 r) usw.

Die Präpositionen werden traditionell aufgeteilt in solche, die mit dem Akkusativ und solche, die mit dem Ablativ vorkommen. Ihre Stellungseigenschaften, d.h. ob sie vor- oder nachgestellt sind, werden besprochen, und ihre semantischen Funktionen werden erörtert. Dabei handelt es sich um die Aufgaben Ergänzung (‚complere‛), Veränderung (‚mutare‛) und Verminderung (‚minuere‛). Arnoldi nennt Beispiele wie ‚perclarus i.e valde clarus, indoctus vs. doctus, subrideo i.e.parum rideo‛. (e 3 v) Die Beispiele zeigen, dass verbale Präfixe gleichwertig mit Präpositionen behandelt werden.

Die Interjektionen, die in der ars minor nur einige Zeilen in Anspruch nehmen, erhalten hier immerhin eine Besprechung von zwei Seiten, die wieder von der Definition der ars minor ausgeht (‚pars orationis significans mentis affectum uoce incondita‛). Auch diese Aussage wird Wort für Wort zerlegt und analysiert. Arnoldi macht auf den Unterschied zwischen der griechischen und der lateinischen Grammatiktradition aufmerksam, da jene die Interjektionen zu den Adverbien zählten, diese aber eine gesonderte Klasse aufstellen. Den Interjektionen wird als einziges Akzidens die Bedeutung zugesprochen. Und auch hier sieht Arnoldi keinen Grund, Donatus zu widersprechen. Allerdings sieht er sich durch den Wortlaut in der ars minor (‚et si qua sunt similia‛) veranlasst, zu den ursprünglichen Bedeutungen (Freude, Schmerz, Bewunderung und Furcht) weitere vorzuschlagen: ‚deridentis, indignantis, applaudentis, blasphemantis, plorantis‛. ([e 5 r –e 5 v])

Die Figure Donati schließt mit Hinweisen zur regelmäßigen und unregelmäßigen Verbkonjugation. Dieses Kapitel war ursprünglich nicht in dem kommentierten Text ars minor vorhanden, es gehört zu dem zusätzlichen Material, das während der langen Geschichte zum Originaltext hinzugefügt wurde.

Inhaltlich gehört die Schrift Regulae congruitatis et figurae constructionis als zweiter, syntaktischer Teil zu diesem Lehrwerk; auch die Prosodie wird dort behandelt.

4. Kontext und Klassifizierung[arrow up]

Die Figure Donati sind ein Kommentar zu Donatus‘ grammatischen Traktaten, der ars minor und ars maior. Solche Kommentartexte gibt es seit dem frühen Mittelalter (u.a. Remigius im 10. Jh.), und sie wurden bis ins 15. fortgeführt und herausgegeben. Noch im 16. Jahrhundert erschienen zahlreiche grammatischen Schriften aus derselben Gattungstradition – vor allem Kommentare zu der ars minor –, die weitgehend Kompilationen antiker und mittelalterlicher Grammatiken waren. Zu dieser Textsorte gehören auch die Figure Donati. Sie stellen eine grammatische Abhandlung dar, die auf der einen Seite ihrem Stil nach noch eindeutig scholastisch ist, andererseits aber auch Anregungen aus der italienischen Grammatikographie empfangen hat und somit an der Schwelle zum Durchbruch humanistischer Gedanken in Deutschland steht. Einerseits ist der Verfasser ein Vertreter der „Spätblüte der Scholastik“(Kleineidamm 1992:138), andererseits kann man in der Figure auch frühhumanistische Züge erkennen, wie die Widmung an die ‚reipublice litterarie‛ ab 1509 zeigt. Im Ganzen handelt es sich um eine scholastisch geprägte Fortgeschrittenengrammatik, die auf dem Donatus-Text basiert, ihn aber erheblich erweitert und mit Erkenntnissen aus der scholastischen Philosophie und Logik untermauert.

In diesem Traktat kommt selbstverständlich vieles aus dem Gemeingut der grammatischen Tradition ohne Quellenangabe zusammen, aber es werden auch spezifische Quellen zitiert und bearbeitet, u.a. Priscianus, Remigius und Villa Dei. Auffallend ist, dass Arnoldi die Wortklassen ohne Heranziehung der Volkssprache bestimmen kann – anders als fast alle zeitgenössischen Grammatiken, etwa das Compendium octo partium.

Das Druckbild mit den Unterteilungen von Begriffen, die in eckige Klammern eingeschlossen werden, entspricht dem, was Arnoldi auch in seinen logischen und naturphilosophischen Lehrwerken verwendet. 3

Als typisch scholastisch muss vor allem die allgemeine Zielsetzung dieser Schrift angesehen werden: sie verfolgt offenbar nicht das Ziel, den Leser zu einer verbesserten Latinität zu führen, sondern sie will vielmehr Begriffserklärungen und Argumente liefern sowie logische Denkregeln ermitteln. Die Grammatik dient gleichsam als Übungsstoff für logisches Argumentieren. Auch wenn die Zielsetzung und die Ausdrucksweise scholastisch sind, zeigen die Beispiele aus klassischen Autoren und seit den Drucken aus dem Jahr 1509 die Zuschreibung an die ‚reipublice litterarie‛ sowie die Heranziehung italienischer Vorlagen, dass unser Autor humanistischen Gedanken nicht völlig ablehnend gegenüberstand. (Ähnlich urteilt auch Lalla 2003:260.) Dieser Donatkommentar ist für Studierende der Universität Erfurt geschrieben, eventuell als Vorbereitungstext für die Lateinprüfung, doch inhaltlich geht er weit über ein Grundwissen heraus. Im Vergleich zu den etwa gleichzeitig entstandenen, eindeutig humanistischen Grammatiken von Henrichmann und Brassicanus stellen die Figure Donati in ihrer scholastischen Traditionsgebundenheit einen älteren Lehrbuchtyp dar. Volkssprachige Elemente, die in vielen zeitgenössischen Grammatiken Eingang gefunden hatten, kommen in den Figure Donati nicht vor.

5. Rezeption[arrow up]

Arnoldi veröffentlichte seine Lehrbücher in einer Zeit der Koexistenz von Scholastik und Humanismus in Erfurt. Er zählt zu der Generation der Erfurter Theologen bzw. Philosophen, die zwar unter dem Eindruck der alten Scholastik ausgebildet war, aber dem Humanismus aufgeschlossen gegenüberstanden. Doch zum Erfurter Humanistenkreis, der sich um Konrad Mutian und Eoban Hessus gebildet hatte, zählte er nicht, und in seinem grammatischen Werk lassen sich nur wenige humanistische Tendenzen erkennen. Somit ist anzunehmen, dass sein Werk bald nach dem Erscheinen humanistisch beeinflusster Grammatiken obsolet wurde. Eine Zeitlang waren die Figure Donati aber durchaus gefragt, was sich in den zahlreichen Neuauflagen bis 1517 zeigt. Direkte Nachfolger für diesen Lehrbuchtyp sind nicht bekannt. Zur Rezeption von Arnoldis grammatischen Schaffen muss auch Sebastian Lalla (2003:88) feststellen, dass „hier die generelle Schwierigkeit [besteht], mangels geeigneter Quellen eine Dokumentation der unmittelbaren Rezeption skizzieren zu können.

Indirekt kann jedoch geschlossen werden, dass die religiösen Kämpfe dieser Zeit sich auf die Rezeption auswirkten: Arnoldi gehörte zu den Lehrern Martin Luthers, der 1501 die Universität Erfurt bezog. Luther äußerte sich zunächst positiv über seine Erfurter Lehrer Trutvetter und Arnoldi. Später kam es aber zu einem Bruch zwischen Luther und Arnoldi. Der ehemalige Lehrer und Freund Luthers wurde zu einem scharfen Kritiker der neuen Doktrin und vor allem auch der Umstände, die die konfessionellen Gegensätze mit sich brachten. Es ist nicht auszuschließen, dass Arnoldis Stellungnahme in dieser Polemik Auswirkungen auch auf seinen akademischen Nachruhm im protestantischen Deutschland hatte.

6. Bibliographie[arrow up]


1 Da Arnoldi bereits seit 1491 als Lehrer der Artistenfakultät tätig war, ist eine handschriftliche Vorarbeit nicht auszuschließen

2 In Priscianus’ Institutiones grammaticae heisst es: „Partes igitur orationis sunt secundum dialecticos duae, nomen et uerbum, quia hae solae etiam per se coniunctae plenam faciunt orationem, alias autem partes syncategoremata, hoc est consignificantia, appellabant“. (GL II. 2, 54) Die Dichothomie betrifft also alle Wörter. Als kategorematisch, also bedeutungstragend werden die Nomina und die Verben angesehen, alle anderen wären nach Priscian synkategorematisch.

3 Zum Vergleich siehe: URN: urn:nbn:de:bvb:12-bsb00006562-2.

XML: http://diglib.hab.de/ebooks/ed000171/texts/arnoldi.xml
XSLT: http://diglib.hab.de/ebooks/ed000171/scripts/tei-introduction.xsl