Hermann Bonnus / Nicolaus Vorstius: Elementa partium orationis
Aino Kärnä. TEI-Kodierung durch Jenny Malinen

Inhaltsverzeichnis

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  1. Überlieferung
    1. Standorte
  2. Verfasser
  3. Inhalt
  4. Kontext und Klassifizierung
  5. Rezeption
  6. Bibliographische Nachweise und Forschungsliteratur

1. Überlieferung[arrow up]

Die Überlieferungsgeschichte der vorliegenden Grammatik, Elementa Partivm Orationis: In Vsvm Puerorum, qui iam discere incipiunt, conscripta. von Hermann Bonnus, ist äußerst lückenhaft: es ist nicht eindeutig belegt, wann genau sie zum ersten Mal im Druck erschien, und nur wenige postume Ausgaben sind erhalten 1 . Erika Ising (1970: 115) hat das Jahr 1531 aus dem Vorwort der 1575er Ausgabe, der frühesten erhaltenen, erschlossen. Der Sohn Arnold Bonnus hat andere Manuskripte seines Vaters zum Druck gebracht, woraus die Annahme sich berechtigt, dass er nach dem Tod des Autors auch für den Druck der Neuauflagen der Elementa gesorgt hätte.

In der Tradierungsgeschichte folgt nach dieser Erstauflage eine Lücke von etwa vierzig Jahren, denn die nächsten Informationen über diese Grammatik und die erhaltenen Ausgaben stammen aus der zweiten Hälfte des 16. Jahrhunderts und der Bearbeiter ist neu, u.zw. Nicolaus Vorst(ius). Er erhielt 1576 vom Senat den Auftrag, die Grammatik Philipp Melanchthons in „ein Compendium zum Besten der Jugend“ zusammenzufassen. (Deecke 1843: 24). Daraufhin gab Vorst zwei Grammatiken heraus: die Melanchthon-Grammatik mit dem Titel Phil. Melanchthonis Compendium, (Lübeck, 1576, 1584, 1589, 1596). Seine zweite Herausgabe war dieses Lehrbuch von Bonnus mit dem leicht veränderten Titel Elementa Partium Orationis et Declinandi ac Conivcandi olim conscripta ab Hermanno Bonno iam vssv et Mandato Amplissimi Senatvs Lvbecensium ad Maiorem Phil. Mel. Gammaticam concinnata. 1584. Auch diese Bearbeitung von Vorst wurde mehrmals aufgelegt: 1599, 1603, 1612. (Zedler 1731: Sp. 1315)

Uns steht die Ausgabe aus dem Jahr 1603 zur Verfügung, mit dem Privileg aus dem Jahr 1599 und dem in Lübeck im Mai 1584 datierten Vorwort. Sie ist von den anfänglich 60-70 Seiten auf ein Werk von 250 Seiten angewachsen, wobei die Grammatik allerdings nur die ersten 90 Seiten beansprucht. Angeschlossen ist eine Zusammenstellung von Sentenzen griechischer Denker in der lateinischen Übersetzung von Erasmus, eine knappe Syntax, ein Lektüreteil mit Fabeln, sowie ein ausführliches lateinisch-niederdeutsches Wörterverzeichnis 2 . Stellenweise ist die Grammatik mit ergänzenden Randnotizen versehen, die nicht aus der Originalausgabe stammen.

1.1. Standorte[arrow up]

2. Verfasser[arrow up]

Der evangelische Theologe, Lehrer und Reformator Hermann Bonnus (auch: Bonn; (van) Bonne; Bunnus; Bonnius) wurde 1504 in Quackenbrück in Osnabrück geboren. Er besuchte zunächst die Lateinschule der Heimatstadt, dann die renommierte Domschule in Münster 4 und immatrikulierte sich 1523 an der Universität Wittenberg. Anschließend ging er nach Greifswald und unterrichtete 1525-1527 lutherische Theologie. Im Jahr 1528 bekam er die Stelle als Erzieher des siebenjährigen Prinzen Hans (später Herzog Johann d. Ä.) in Gottorf in Dänemark. Es könnte sein, dass bereits zu dieser Zeit oder wenig später eine Vorstufe seiner lateinisch-niederdeutschen Grammatik entstanden ist. Von Gottorf wechselte er – eventuell über andere Aufenthalte z.B. in Wittenberg – 1530 nach Lübeck. 1531 wurde er zum ersten Rektor der von Johannes Bugenhagen im Auftrag von Martin Luther neugegründeten Lübecker Lateinschule Katharineum berufen. Noch im selben Jahr wurde er Superintendent in Lübeck. Im Jahr 1542 wurde Bonnus nach Osnabrück geladen, um dort eine lutherische Kirchenordnung ( Christliche Kerkenordnung für Ossenbrügge) zu erstellen. Von dort kehrte er ein Jahr später nach Lübeck zurück und blieb dort bis 1548, also bis zu seinem relativ frühen Lebensende: er wurde genau 44 Jahre alt.

Bonnus war publizistisch sehr aktiv und vielseitig: er verfasste neben dieser lateinisch-niederdeutschen Grammatik eine Anthologie von Lebensbildern der Heiligen (die Farrago), eine Chronik der Hansestadt Lübeck, gab einen niederdeutschen Katechismus heraus und schrieb Kirchenlieder und Beispielpredigten (‚Exempla‛) für Geistliche. Er übersetzte die Chronik des Mathematikers Johannes Carion aus dem Deutschen ins Lateinische. Außerdem beteiligte er sich an der niederdeutschen Bibelübersetzung. 1543 verfasste er die Kirchenordnung für Osnabrück.

Über den Bearbeiter dieser Ausgabe, Nicolas Vorst(ius), ist wenig bekannt: Er kam aus Brabant, war Magister Artium und zunächst Schulmeister, dann Rektor in Harlem, aber wurde dort wegen konfessioneller Differenzen vertrieben. Er ging ins Exil nach Lübeck und wurde dort Konrektor im Katharineum ab 1571 und blieb dort bis zu seinem Tod 1587. (Deecke 1843:51) Er ist der Herausgeber der meisten bis heute überlieferten Ausgaben – einschließlich der hier vorliegenden.

3. Inhalt[arrow up]

Die Originalausgabe dieser Grammatik ist Johann, dem jungen Herzog von Schleswig-Holstein gewidmet. Seitdem wurde sie mehrmals umgearbeitet. Nicolaus Vorstius fertigte diese Ausgabe ca. 1584 aus (Datum der Dedikation). Der Text ist durchgehend zweisprachig: einer lateinischen Definition aus Melanchthons Grammatica Latina (GL) folgt eine niederdeutsche Übersetzung bzw. eine ndt. Umschreibung. Auch die Beispielwörter werden manchmal in beiden Sprachen gegeben, besonders in den Kapiteln über Verben, Adverbien, Präpositionen und Konjunktionen.

Der gemischtsprachige Text unterscheidet typographisch zwischen den Sprachen: Der lateinische Text ist in Antiqua, die lateinischen Termini kursiv und der deutsche Text in Fraktur gedruckt. Stellenweise wird von geschweiften Klammern Gebrauch gemacht, um Zusammengehörendes zu umschließen. – Da die nachfolgende Darstellung sich auf eine späte Ausgabe bezieht, können Änderungen im Vergleich zur Originalausgabe nicht ausgeschlossen werden. 5

Zunächst werden Grundbegriffe erklärt. Dies geschieht fast durchgehend zweisprachig bzw. in einer lateinisch-niederdeutschen Mischsprache: „Oratio‛ Eine Latinische Rede. ‚Partes orationis sunt octo‛. ‚Nomen‛ Ein Name eines Dinges; ‚Pronomen‛ Dat men settet in de stede des ‚Nominis‛; ‚Verbum‛ Ein werck dat men deit effte lydet; ‚Adverbium‛ Dat man settet by dat ‚Verbum‛, dat tho vorklarende; ‚Participium‛ Dat dar her kümpt van dem ‚Verbo‛, und betekent eine tydt; ‚Conjunctio‛ Eine thohopeföginge; ‚Praepositio‛ Eine vörsettinge; ‚Interjectio‛ Eine twischenwerpinge.“ (A3r)

Wir sehen, dass die (nieder)deutsche grammatische Terminologie sich nicht völlig entfaltet hatte, sondern dass Bonnus mehrmals auf Umschreibungen bzw. auf lateinische Termini zurückgreifen musste.

Das Nomen erhält die lateinische Definition direkt aus Melanchthons GL: „Nomen est pars orationis, quae rem significat, non actionem.‛ Dat ‚Nomen‛ betekent ein dinck/ unde nicht ein werck/ ‚ut Homo, Equus, Animal,‛ Ein/ de/ dat/ etc.“ (A3r). Die Fortsetzung dieser Beschreibung verläuft indes anders als in der GL. Dort wird das Nomen zunächst in Propria (Eigennamen) und Appellativa (Gattungsnamen) aufgeteilt und die letzteren in Substantive und Adjektive 6 . Bei Bonnus hingegen kommt die Einteilung in Substantive und Adjektive eingangs. Die Substantive sind dadurch gekennzeichnet, dass man dazu kein ‚Man/ Frouwe/ dinck‛ hinzufügen kann. Bei Adjektiven dagegen ist es möglich, die Wörter ‚Man/ Frouwe/ dinck‛ hinzuzufügen. Erst nach dieser Aufteilung werden die Substantive in Propria und Appellativa unterschieden.

Den Nomina kommen sechs Akzidentien zu: Komparation, Genus, Numerus, Figur, Kasus und Deklination 7 . Die folgenden Punkte entsprechen wieder der GL Melanchthons: Die drei Stufen der Komparation: „Positivus‛ dat ‚Nomen Adiectivum‛ in sick, ‚Comparativus‛, De ander treppe, ‚Superlativus‛, De högeste treppe“. Es werden sieben Genera (‚masculinum, foemininum, neutrum, commune, omne, epicoenum, dubium‛), zwei Numeri (Singular und Plural), zwei Figuren (Simplex und Composita) und sechs Kasus (‚nominativus, genetivus, dativus, accusativus, vocativus‛ und ‚ablativus‛) unterschieden. Die GL behandelt die Deklinationen ausführlicher, Bonnus beschränkt sich auf das Wesentliche. Die Beispiele, die hier gegeben werden, stammen teils aus Donatus, teils aus der GL.

Die Definition des Pronomens stammt aus der GL und hinzu kommt die Übertragung: „Dat ‚Pronomen‛ bruket men/ wenn men dat ‚Nomen‛ nicht beqwemliken bruken kann.“ Die Zahl der Pronomina wird auf siebzehn festgelegt und sie werden auf Latein und Niederdeutsch aufgezählt. [A8r] Ihre Akzidentien sind dieselben wie in der GL: ‚Species, Significatio, Genus, Numerus, Figura, Persona‛ und ‚Casus‛. Die niederdeutschen Bezeichnungen dafür sind: „De art des ‚Pronominis‛, de betekinge, dat geslechte, de tall, de gestaldt, de Persone, de vall.“ [A8r]

Die Beschreibung der Bedeutungen zeigt die Problematik ihrer Charakterisierung, wenn es an volkssprachlichem Fachwortschatz mangelt. Die GL hat ursprünglich die Bedeutungsgruppen lediglich aufgezählt, aber nicht weiter erklärt. Bonnus muss nach einer Übertragung suchen: „Demonstrativa‛ De eine gewisse Persone antögen.“ Die Reziprokpronomina haben eine längere Erklärung benötigt: es seien Wörter, die „de wedder tho dersuluen dridden Personen kamen/ de vörher ginck.“ [A8v] Die lateinische Definition „Quae ad eandem personam redeunt tertiam, quae praecedebat“ ist fast wortgleich mit der Definition aus der GL. Die Deklination der Pronomina wird ausführlicher als in der GL dargestellt.

Zur Definition des Verbs greift Bonnus abermals auf die GL zurück, und ihre Übersetzung lautet: „Dat ‚Verbum‛ betekent ein Werck tho donde effte tho lydende“ (d.h. Tun oder Leiden). (B4r) Dem Beispielwort der GL (dort ‚verberare/verberari‛ `schlagen´/´geschlagen werden´) ist das Paradebeispiel älterer Schriften, ‚amo/amor‛ `lieben`, hinzugefügt. Es werden die ‚Genera verbi‛ aufgezählt (‚Activum, Passivum, Neutrum‛ und ‚Commune‛), wobei die Fachtermini nicht Niederdeutsch gegeben werden, sondern lediglich in der Volkssprache erklärt werden, z.B. „Activum, quod in O desinit, & actionem significat‛, Dat geit uth up ein O/ unde betekend eine Werkinge / ‚ut Amo‛, Ick Leue/ ‚Verbero‛, Ick sla.“ Die Species sind die gleichen wie in der GL: ‚Primitiva, Derivativa, Inchoativa, Frequentativa Meditativa‛ und ‚Diminutiva‛. Bonnus tut sich schwer, diese in der Muttersprache zu erklären. So kommt er auf Umschreibungen wie „Esurio‛, Ick beger tho Ethen“. (B5v)

Die Tempora (Präs., Prät., Präteritum perf., Plpf., Fut.) mit ihren niederdeutschen Bezeichnungen „Jegenwardige tydt, Unuullenkamen vorgangen tydt, Vullenkamen vorgangen tydt, Mehr alse vorgangen tydt, Thokamende tydt“ (B5v) werden nach der GL aufgeführt, mit dem interessanten Unterschied, dass im Originalwerk Melanchthons die Zeitformen nur durch deutsche Verben exemplifiziert waren, Bonnus führt auch die lateinischen Formen auf. Ausführliche Konjugationsparadigmen der Verben ‚amo, doceo, lego, audio, fero, sum‛ und ‚volo‛ bilden den Abschluss dieses Kapitels.

Für das Partizip wird wiederum die morphologisch-semantische Definition aus der GL zitiert und mit „Dat herkümpt van dem ‚Verbo‛, und beteket eine tydt/ ‚Amans, Docens“ wiedergegeben. Es werden die Akzidentien aufgezählt und ihre niederdeutschen Interpretamente geliefert: ‚Genus‛‚Dat Geschlechte‛, ‚Numerus‛‚De Tall‛, ‚Figura‛‚De Gestalde‛, ‚Casus‛‚De Fall‛, ‚Tempus‛‚De tydt‛, ‚Significatio‛‚De Betekinge‛. Diese werden anschließend besprochen, und anlässlich der ‚Figurae‛ und ‚Tempora‛ wird dabei von Klammern Gebrauch gemacht. [E6r-E7v].

Wie alle anderen Wortarten auch, trägt das Adverb die Definition aus der GLAdverbium vocantur, quod actionis aut passionis circumstantiam una voca effert“ und ihre Übersetzung lautet: „Adverbium‛ wird genoemet/ dat des Werckes edder Lydendes ummestende edder Gestaldt mit einem worde utbringet/ ‚ut dicit graviter, venit properè“. [E8r] Hinzu tritt die aus der scholastischen Grammatikographie (z.B. Petrus Hispanus) ererbte Darstellung des Adverbs als „Adjektiv des Verbums8 . Die Akzidentien des Adverbs sind die tradierten: ‚species, significatio, figura‛ und ‚comparatio‛. Nach den zwei ‚Species‛, ‚Primitiva‛ und ‚Derivativa‛, folgt eine sehr ausführliche Aufzählung der Adverb-Bedeutungen. Diese Stelle unterscheidet sich von der Originalausgabe der GL. Ihre Vorlage kommt somit aus einer späteren Edition der GL, denn Melanchthon behandelte diesen Punkt ursprünglich sehr knapp lediglich mit einem Verweis auf Donatus; er führte nur die Lokaladverbien auf. Die späteren Bearbeiter der GL, u.a. Jacob Micyllus (Leipzig, 1542) haben diese Liste anhand von grammatischen Schriften der Spätantike erheblich erweitert. Auch Bonnus führt 26 Bedeutungsgruppen auf. [E8v ff.] Sie werden jeweils mit dem lateinischen Terminus und ihrer niederdeutschen Umschreibung vorgestellt, z.B.: „Temporis‛. De eine tydt beteken / ‚ut Hodiè, Heri, Nuper, Manè‛, des morgens. ‚Numeri‛. De einen tall beteken / ‚ut Seme‛l, ein mal / ‚Bis‛, twe mal / ‚ter‛, dre mal. ‚Negandi‛. De neen beteken / ‚ut non, Haud, Neg‛. nicht / neen. ‚Affirmandi‛. Dar man dörch bewert / ‚ut Etiam‛, Ja / ‚Quid ni‛, Worumme nicht/ ‚Certe‛, vowär.“ (F1r) Nach den drei ‚Figura‛: ‚Simplex, ut Prudenter, Composita ut Interdiu, Decomposita, ut Imprudenter‛, folgen einige Zeilen über die Komparation des Adverbs, wobei die Muttersprache ausnahmsweise nicht zum Vorschein kommt.

Die Präposition wird funktional-semantisch als ein Wort definiert, das – wortgleich mit der GL – „est propemodum articulus Verbo nomen adjungens, quod aliquam facti circumstantiam significat.“ Und die Übertragung lautet: „De ein ‚Nomen‛ vöget by dat ‚Verbum‛, Dat eine ummestendicheit betekent“ (F2r) Es folgen Aufzählungen der Präpositionen, die mit dem Akkusativ (27), mit dem Ablativ (14) oder mit beiden (4) kombiniert werden. Die Gebrauchsweisen der Präpositionen werden anhand einer muttersprachlichen Übertragung und altbekannten Beispielen erläutert: z.B. „Ad, ‚Tho‛. Ad patrem; Apud. ‚By‛. Apud Templum.“ (F3r- F3v)

Die Konjunktion erhält die lateinische Definition der GL, deren Übersetzung leicht vom lat. Wortlaut abweicht: „Coniunctio est quae superioribus sententiis aut partibus subinde alias annectit‛. ‚De de sententien thosamende knüppen“ Auch das schöne Beispiel der GL ist beibehalten: „nox & amor vinumque nihil moderabile suadunt.“ (F3v).

Ihre Akzidentien sind die „Figura‛ de gestaldt, ‚Potestas‛ de macht effte de betekinge, ‚Ordo‛ de geschick de ‚Conjunctio‛ vör effte na stoith yn der ‚Oration‛.“ (F3v) Die Bedeutungstypen sind: ‚Copulativae, Disiunctivae, Adversativae, Causales, Ratiocinativae, Ordinis‛ und ‚Completivae‛. Die GL führte außerdem die ‚Approbativae‛ und nannte die Gruppe der ‚Ratiocinativae‛ anders, dort hießen sie ‚Collectivae‛. Über ihre Ordnung ‚ordo‛, wird ausgesagt, dass sie ‚praepositivae‛ oder ‚postpositivae‛ sein können, d.h. vor- oder nachgestellt erscheinen. Dass einige von ihnen auch enklitisch vorkommen, wird auch erwähnt. (F4r)

Die Interjektionen bekommen ihre Definition ebenfalls aus der GL: „Interiectio propremodum non est dictio, sed tantum sonus inconditus, animi adfectum significans‛. ‚De ‚interiectio‛ ys ein unuullenkamen ludt/ unde betekent eine bewechnisse des gemötes“, d.h. es seien unvollkommenen Laute, die eine Bewegung des Gemütes bedeuteten. Ihr einziges Merkmal ist die Bedeutung, und sie werden in einer Liste mit Beispielen, aber ohne Interpretamente gegeben: „Admirantionem, Papae; Comminationem, Vah; Dolorem, Hei, Hui; Metum, Attat; Indignationem, Hem, O, Proh; Gaudium, Evax; Irrisionem, Hui, Vah; Risum, Ha, Ha, Ha.“ (F4v)

Nach diesem grammatischen Teil folgt ein umfangreicher Lektüreteil mit Sprüchen griechischer und lateinischer Autoren, u.a. Distichen von Cato. Danach eine knappe Zusammenfassung syntaktischer Regeln [G7v-H1r]. Es folgen weitere Sentenzen und Fabeln, worauf ein recht umfangreiches lateinisch-niederdeutsches Wörterverzeichnis anschließt, (I3r-O2r) bevor fiktive Dialoge zum Nachspielen den Abschluss bilden. 9

4. Kontext und Klassifizierung[arrow up]

Diese Grammatik entstand im Reformationszeitalter und die konfessionellen Begebenheiten haben ihre Geschichte mit beeinflusst. Sie ist eine der vielen Kompilationen, die aus Melanchthons Grammatica Latina. und Paradigmen aus der grammatischen Tradition zusammengesetzt sind. Solche Werke waren keine Seltenheit in der Frühmoderne. Ihre Definitionen stammen von Melanchthon und die Paradigmen aus der Ars minor. des Donat, bzw. aus der überlieferten grammatischen Tradition. Es war für Bonnus eine ideologische Entscheidung, seine einführende Grammatik der GL Melanchthons, seines hoch angesehenen Lehrers, anzupassen.

Inhaltlich bringt sie somit keine Innovationen zu der lateinischen Grammatikographie. Ihr besonderer Stellenwert in der Geschichte der Grammatik liegt in ihrer Zweisprachigkeit. Sie ist eine der frühesten gedruckten zweisprachigen Grammatiken und wahrscheinlich die erste lateinisch-niederdeutsche gedruckte Grammatik. Deswegen hatte dieses Lehrwerk im niederdeutschen Sprachraum (neben dem ähnlich aufgebauten Nachfolgerwerk von Nathan Chyträus) die Stellung einer Standardgrammatik.

Bonnus selbst sah die Rolle dieser Grammatik als eine Elementargrammatik am Anfang der Lateinstudien statt Donatus, weil sie seiner Meinung nach eine angemessenere Anleitung zur Melanchthon-Grammatik sei als die Ars minor: „zuerst an der Stelle des Donat unterrichtet, geschickter würde unsers Philippus [d.i. Melanchthons] Grammatik zu erlernen.“ (Bonnus, 1571, Vorwort, zit. nach Spiegel 1864:13)

5. Rezeption[arrow up]

Diese Grammatik mit ihren niederdeutschen Interpretamenten, auch mit dem Namen ‚Lübischer Donat‛ bekannt, war für den Gebrauch im norddeutschen Sprachgebiet zugeschnitten. Bonnus hatte sie anfangs für seinen Zögling, Prinz Johann, konzipiert, und sie danach seinen Schülern im Katharineum vorgelegt. Sie wurde aber auch außerhalb Lübecks benutzt: in ganz Pommern war sie als Pflichtlektüre in der Schulordnung für die unteren Klassen der Lateinschulen vorgeschrieben (Vormbaum 1860:171). Deecke (1843:24) berichtet, dass Wallensteins Pagen danach unterrichtet seien. Laut Spiegel (1864:17) sei eine Grammatik 10 von Bonnus in allen sächsischen Schulen in Gebrauch gewesen. Es ist nicht auszuschließen, dass Bonnus' Grammatik ihre Stellung besonders in der Hansestadt Lübeck zum Teil dank der Berühmtheit des Autors behielt. Eine Rolle spielte später eventuell auch der gesellschaftliche Status des Bürgermeisters Arnold Bonnus, Sohn Hermann Bonnus', der sich um die literarische Hinterlassenschaft seines Vaters kümmerte.

Der Umstand, dass von dieser Grammatik nur wenige Exemplare erhalten sind, zeugt von der generellen Erscheinung, dass Lateingrammatiken als Gebrauchsliteratur häufig dem Verschleiß anheimfielen. Andererseits spricht der Schwund dieser lateinisch-niederdeutschen Grammatik auch davon, dass sich zu dieser Zeit ein sprachlicher Wandel vollzog. Ihre Stellung geriet ins Wanken, als das Niederdeutsche nicht nur als Kanzlei- und Rechtsprache, sondern auch im kirchlichen und schulischen Bereich mehr und mehr vom Hochdeutschen verdrängt wurde. Daher ist verständlich, dass sie 1609 ins Hochdeutsche übersetzt wurde. Die Elementa wurden in norddeutschen Schulen von der lateinisch-niederdeutschen Konkurrentin, der Grammatik von Nathan Chyträus Donatus sive progymnasmata grammaticae latinae (1625) verdrängt, bis auch sie ihrerseits durch lateinisch-hochdeutsche bzw. einsprachige Grammatiken ersetzt wurde.

6. Bibliographische Nachweise und Forschungsliteratur[arrow up]


1 Das VD 16 führt die Magdeburger Drucke aus den Jahren 1575 und 1582, einen Kölner 1579, einen Lübecker 1596 sowie einen Rostocker Druck aus dem Jahr 1600 auf. Ising (1970: 284) nennt darüber hinaus einen Magdeburger Druck aus dem Jahr 1571, Hamburger Drucke 1576 und 1583 und die Angabe bei Deecke über einen hochdeutsch glossierten Druck aus dem Jahr 1609.

2 Zum Originalwerk kamen offenbar die Fabeln Aesops und Distichen von Cato ebenfalls dazu: „Dazu soll man ihnen exponieren den lateinisichen Catechismum und die fabulas Aesopi, auch hernach disticha Catonis, so Bonnus an seine Grammaticam gesetzet hat.(Vormbaum, 1860:171)

3 Die Seitenzahlen im Folgenden beziehen sich auf dieses Exemplar.

4 Die Daten über die Zeit nach den Schuljahren in Münster sind ungewiss, und ein Aufenthalt in Westpommern, Treptow an der Rega, den Spiegel (1864: 16) angibt, konnte nicht dokumentiert werden (Savvidis 1992: 12f.).

5 Bei Ising (1970:113) ist die erste Seite der 1575er Auflage abgedruckt. Auch da handelt es sich um einen postumen Druck, aber ein früherer ist laut Ising nicht erhalten. Zumindest diese Seite ist sehr ähnlich wie die entsprechende Stelle unserer Grammatik.

6 Wir vergleichen hier durchgehend die Elementa mit der Nürnberger Ausgabe der Grammatica Latina (GL) aus dem Jahr 1527. Sie entspricht der Erstausgabe, die in Bindseil (1854, Sp. 245-366) abgedruckt ist. – Es ist anzunehmen, dass während der Druckgeschichte der Elementa auch spätere Ausgaben der GL zugrunde lagen, aber die genaue Vorlage jeweils zu ermitteln, ist nicht möglich.

7 Inhaltlich stimmt das mit der GL überein, nur in den ersten Ausgaben der GL fehlte der Numerus in der Liste am Anfang, wurde aber im Text behandelt.

8 Dieses Merkmal findet sich zwar in der Adverbdefinition der griechischen Grammatik Melanchthons, aber nicht in der Originalausgabe der GL. Es ist ein Zusatz, der in der Originalausgabe nebenbei am Ende des Adverb-Kapitels auftritt, und erst in späteren Ausgaben der Definition hinzugefügt wurde.

9 Vorstius gibt zwar auf der Titelseite an, das Vokabular und die Sprüche griechischer Denker und von Catos Sentenzen seien hinzugefügt, aber aus der Schulordnung für Pommersche Schulen geht hervor, dass auch „Bonnus [sie] an seine Grammaticam gesetzet hat“. (vgl. Anm. 2)

10 Es bleibt dahingestellt, ob es sich um die hier vorliegende Grammatik oder ein nunmehr verschollenes, ähnliches Buch, Elementa et Grammatica Latina (Spiegel 1864:17) handelt.

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