Die Abhandlung Expositio Donati erschien zum ersten Mal um 1487 bei Heinrich Quentell in Köln. In den folgenden Jahren (1489-1511) wurde die Schrift in Leipzig bei Konrad Kachelofen und Melchiar Lotter 1 mehrmals gedruckt. Außerdem erschien sie in Leipzig bei Martin Landsberg im Jahr 1492. In Köln wurde sie bei Quentell in der Zeit zwischen 1492 und 1507 zumindest fünfmal nachgedruckt.
Der Umfang des Werkes im Quartformat beträgt je nach Druck 60-90 Seiten. Die Unterschiede der Ausgaben liegen im Druckbild, in der Schriftgröße und der Anzahl der Abkürzungen und Ligaturen, der Textinhalt weist nur geringe Abweichungen auf.
Magnus Hundt (auch Hunth, Hunt, Hund, Canis, Magdeburgensis) wurde in Magdeburg geboren. 3 Über seine frühen Jahre ist wenig bekannt. Fest steht, dass er im Jahre 1482 sein Studium an der Universität Leipzig begann, 1483 sein Bakkalaureat und 1486 seinen ‚Magister artium‛ erlangte. Hundt lehrte an der Universität Leipzig und wurde ordentliches Mitglied der Fakultät seit 1492. Im Jahre 1497 wählte man ihn zum Dekan der Artistenfakultät und 1499 avancierte er zum amtierenden Rektor. Er studierte außerdem Theologie und Medizin, promovierte zum Doktor der Medizin und 1510 zum Doktor der Theologie. 1512 wurde er Domherr in Meißen und starb dort 1519.
Hundt ist ein später Repräsentant der thomistisch-scholastischen Wissenschaftstradition und wurde wegen seines scholastisch geprägten Donat-Kommentars von humanistisch gesinnten Zeitgenossen wie Hermann von dem Busche scharf attackiert. Zu seinen Publikationen zählen außer grammatischen, logischen und naturphilosophischen Kompendien für den universitären Gebrauch Kommentare zu Ps.-Augustinus und Petrus Lombardus. Der vielleicht bekannteste Beitrag Hundts zur Wissenschaftsgeschichte besteht in seiner Schrift zur Anatomie, Antropologium de hominis dignitate, natura et proprietatibus, de elementis, partibus et membris humani corporis. (1501), in der er als erster den Terminus ‚Anthropologie‛ im heutigen Sinne des Wortes prägte (Bauer 1984: 36).
Die Expositio Donati ist ein Kommentar zur ars minor 4 mit Ergänzungen aus der ars maior und aus „Remigius“ 5 . Thomas von Aquin, die Modisten und Alexander de Villa Dei werden ebenfalls mehrfach herangezogen. Zentraler Stellenwert wird dabei Thomas, dem ‚Doctor sanctus‛, beigemessen; er wird häufig zitiert. Die Struktur des gesamten Textes erinnert an den Aufbau thomistischer Texte. Modistische Autoren werden namentlich nicht genannt; vielmehr werden sie summarisch als ‚modistae‛ zitiert. Auch wenn der Text nach einem katechetischen Muster aufgebaut ist, handelt es sich keineswegs um eine Grammatik mit pädagogischer Zielsetzung, sondern vor allem um einen scholastischen Traktat mit dem Ziel, die Kunst des Argumentierens einzuüben. Dies erfolgt u.a. dadurch, dass Zitate aus der ars minor dahingehend geprüft werden, ob die Aussage zutrifft oder nicht. Fast jedes Wort wird einer etymologischen Deutung unterzogen, angefangen vom Wort ‚Donatus‛, das als ‚donum natis‛ (‚Geschenk für die Kinder‛ ausgelegt wird (A 2 r).
Die ars minor. von Donatus wird beim Leser als bekannt vorausgesetzt. Daher gibt die Expositio den Ausgangstext nur abgekürzt wieder. Bei der Aufzählung der Wortarten heißt es beispielsweise: „quot sunt partes orationis. Octo. que. nomen &c.“ (A 2 r). Üblicherweise, obwohl nicht einheitlich in allen Drucken, erscheint der Donattext mit größeren Lettern als der Kommentar.
Nach einer kurzen Einleitung werden die einzelnen Wortklassen vorgestellt und ausführlich erörtert, zunächst das Nomen mit seinen Akzidenzien: Qualität, Komparation 6 , Genus, Numerus, Figur und Kasus. Dabei wird jeder Terminus erläutert, indem synonyme Ausdrücke und Umschreibungen angegeben werden, wie folgt: „Nomen est parsorationis singnificans cum casu i[d est] proprietati casuali corpus i[d est] substantiam materialem aut rem i[d est] substantiam immaterialem proprie i[d est] cum qualitate propria vel communiter i[d est] cum qualitate appellativa“.(A 4 v). Alternative Definitionen von Thomas, Remigius und den Modisten werden mit der von Donat verglichen.
Unter „Qualität“ wird die Aufteilung der Nomina in Proprium (Eigenname) und Appellativ (Gattungsbezeichnung) verstanden. Die Komparativformen ‚positivus, comparativus‛ und ‚superlativus‛ werden angeführt und eingehend erörtert. Zu den komparierbaren werden die Appellativa und die Adjektive gezählt.
Hundt führt vier Genera auf: ‚masculinum, femininum, neutrum‛ und ‚commune‛. Alternative Auffassungen werden auch hier besprochen, und zwar, ob ‚epicenum‛ und ‚dubium‛ ebenfalls als Genera gelten sollten; dies wird jedoch mit der Begründung abgelehnt, dass diese Genera in der Wirklichkeit keinem Nomen zukommen. (B 4 r).
Der Numerus wird ebenfalls eingehend untersucht, und die Frage nach den ‚singularia‛ und ‚pluralia tantum‛ wird an dieser Stelle (B 5 r) erwähnt.
Das Pronomen wird als ein Wort definiert, das anstelle eines Nomens gesetzt wird (‚pro nomine posita id est que ponitur loco nominis‛). Die Definitionen von Donatus, Remigius und den Modisten werden verglichen und die Schlussfolgerung lautet, dass auch wenn die Definitionen sich im Wortlaut unterscheiden, sie dem Sinn nach übereinstimmen. Es wird nach dem Zweck der Pronomina gefragt, und die Antwort lautet, dass sie Stellvertreter des Nomens sind, aber dass für die Pronomina die besondere Aufgabe besteht, zusätzlich die erste und die zweite Person auszudrücken. (C 3 v). Danach folgen Erörterungen zu ihrer Bedeutung in Anlehnung an Thomas von Erfurt. Anschließend werden die Wortbildungsmuster ‚primitivum‛ und ‚derivativum‛ besprochen. Hundt nennt zwei Gruppen von Pronomina, die relativen und die demonstrativen. Es folgen die Akzidenzien des Pronomens, wobei die Liste abgekürzt aufgeführt wird: (qualitas, genus, numerus &c) 7 . ([C 4 v]). Danach folgt ihre Besprechung im Einzelnen mit Hinweisen auf mehrere Autoren.
Das Verb erhält zunächst die Definition der ars minor: es sei ein Wort, das auch die Zeit mitbedeutet (‚pars orationis significans cum tempore‛). Nachfolgend werden Überlegungen zu den Bedeutungen das Wortes ‚verbum‛ angeführt. Erst nach einer weitschweifigen Darlegung kommt es zu der Besprechung der Einteilung der Verben in personale und impersonale. Anschließend kommen die Modi, die Formen der Verben, ihre Konjugation und das ‚Genus verbi‛ (‚activa, passiva, neutra, deponentia‛ und ‚communia‛) sowie das Numerus und die Wortbildung zur Sprache. (D 2 v – E 5 v).
Das Adverb kann laut Hundt wie bei Donat als ein Wort definiert werden, das dem Verb hinzugefügt wird und seine Bedeutung erklärt (‚que adiecta verbo significationem eorum explanat‛). Die Adverbbedeutungen bzw. Subklassen, deren Anzahl auf 24 festgelegt wird, werden in stark verkürzter Form gegeben: ‚lo, temp, nu, negan‛ usw. für ‚adverbium loci, temporis, numeri, negandi‛ usw. Offenbar wird auch an dieser Stelle der Text der ars minor als bekannt vorausgesetzt. (E 5 v – F 2 v).
Auch das Partizip erhält zunächst die Definition nach Donatus: es seien Wörter, die sowohl an der Klasse der Nomina als auch der Verben teilnehmen (‚pars orationis partem capiens nominis, partem uerbi‛). Diese Bestimmung wird dann erläutert und durch andere Interpretationen bereichert. Auch hier kommt Hundt zu dem Schluss, dass die Definition von Donatus zutrifft. Er zieht andere Definitionen heran, und zwar die von Remigius – die mit der von Donatus übereinstimmt – und die der Modisten, welche die Begriffe ‚fluxus‛ und ‚fieri‛ beinhaltet. (F 2 v - F 6 r).
Die alternativen Formulierungen der Definition von Konjunktion vermischen ebenfalls Bestandteile aus mehreren grammatischen Richtungen. Hund nennt als Quelle Donatus, Remigius und die ‚modistae‛. Er formuliert: „pars orationis annectens id est coniungens per vim, et ordinans sententiam id est per ordinem coniungens“. Bei Donatus hieß es: „pars orationis adnectens ordinansque sententiam“. Der Schluss „per ordinem coniungens“ ist eine Anleihe bei Thomas von Erfurt. War also die Aufgabe der Konjunktionen laut Donatus, Sätze zu verbinden und zu ordnen, wird ihnen hier die doppelte Funktionsbestimmung gegeben, sie verbänden einmal durch ihren Wert (‚vis‛) und zweitens durch die Ordnung (‚ordo‛) 8 . Anschließend wird dargelegt, welche Wörter die Konjunktionen verbinden können. Ihre Untergruppen, die sich mit denen von der ars minor decken, werden besprochen: ‚copulatiuas, disiunctiuas, expletiuas, causales, racionales‛. Zum Schluss folgen einige Anmerkungen zu ihrer Ordnung. (F 6 r - G 2 v).
Die Präposition hat ebenfalls als Ausgangspunkt den Donatus-Text, wonach sie, wenn sie anderen Wortarten vorangestellt wird, deren Bedeutung vervollständigt oder verändert oder verkleinert (‚complet aut mutat aut minuit‛). Zur ars minor-Definition ist der Zusatz hinzugekommen, dass es sich um ein undeklinierbares Wort handelt. Anschließend werden die Präpositionen mit den Kasus besprochen. (G 2 v – G 4 v).
Als letzte Wortklasse wird die Interjektion kurz besprochen. Ihre erste Definition stammt abermals von Donatus. Sie wird als Wortart bezeichnet, die ein Gefühl (‚affectum mentis‛) ausdrückt. Daran werden zwei andere Definitionen angefügt, und zwar die von Remigius und eine modistische, laut der die Interjektion ‚per modum affectus mentis‛ bestimmbar ist. ([G 4v]). Hundt stellt für die Interjektionen – wie seine Vorbilder – vier Bedeutungen ‚significationes‛ auf: die der Hoffnung, der Freude, der Furcht und des Schmerzes, die den vier Hauptgefühlen (‚principales affectus mentis‛) entsprechen. Danach erörtert Hundt allerdings Variationen der Hauptbedeutungen und stellt fest, dass die Anzahl der Nebenbedeutungen nicht genau festgelegt werden können.
Eine Behandlung der Syntax ist in diesem Werk nicht vorgesehen.
Es zeigt sich also, dass diese Abhandlung prinzipiell auf dem Text der ars minor aufbaut und die Wortklassen in der von Donat vorgegebenen Reihenfolge abhandelt. Was zum Text der ars minor hauptsächlich hinzukommt, ist ein ausführlicher Vergleich der grammatischen Definitionen mit anderen Grammatikern. Die Besprechung erfolgt nach einem typisch scholastischen Modell mit ‚pro‛ und ‚contra‛ und mündet in eine philosophische Erörterung der grammatischen Begebenheiten.
Der Traktat Expositio Donati fällt grammatikographisch gesehen in eine Zeit, in der scholastische und humanistische Grammatiken nebeneinander existierten. Es gehört in den Kontext spätscholastischer Abhandlungen. Humanistischen Anregungen gegenüber zeigt Hundt sich distanziert und zieht Priscianus und Donatus dem italienischen Humanisten Laurentius Valla vor. Der Text ist angesichts der überladenen Erörterungen sehr schwerfällig, stellt hohe Ansprüche an den Leser und kann deswegen den universitären Lehrbüchern zugeordnet werden. Aber auch als akademisches Grammatiklehrbuch wäre diese Abhandlung nur bedingt einsetzbar. Ihre Zielsetzung liegt eher in der Einübung der Argumentationsmethoden als im Erlernen der lateinischen Sprache. Der Text und die Zusammenstellung ist vergleichbar mit Bartholomäus Arnoldus‘ Figure Donati. .
Die Rezeption von Hundts Werk ist gespalten: der Zeitgenosse Konrad Wimpina (Konrad Koch 1460-1531) hielt den Verfasser für einen der berühmtesten der Universität (Witkowski 1909: 28), doch dieses Urteil betraf wahrscheinlich sein Schaffen auf dem Gebiet der Philosophie und Logik. Die Humanisten verwarfen diese Art von scholastischen Verfahren. Ein kritischer Verweis auf Hundt findet sich im 32. Brief der Dunkelmännerbriefe. 9 Auch die Nachwelt hat laut Schwarz (1875, S. 7-13) wenig Verständnis für diese Periode der Grammatikgeschichte gezeigt. Friedrich Zarncke zitiert eine längere Stelle, weil er meint, dass „keine schilderung sonst diesen wahnsinn genugsam deutlich machen kann.“ (1854: 347). Auch Witkowski (1909: 28) meint, Hundt steckt „tief im Mittelalter“ und F.J. Worstbrock (2005: Sp. 1179) beurteilt – nicht zu Unrecht – den „für die Sprachlehre abwegigen scholastischen Begriffsapparat“ recht scharf. Die Expositio Donati ist wahrscheinlich daher weitgehend unerforscht geblieben, obwohl sie zu ihrer Zeit an den Neuauflagen und Neuausgaben gemessen offenbar populär war und guten Absatz gefunden hat. Insgesamt wurde die Expositio 18 Mal von unterschiedlichen Druckereien herausgegeben, und ihre Druckgeschichte dauerte bis ins Jahr 1511. Auch wenn die Brauchbarkeit dieses Traktats als grammatisches Lehrbuch in Frage gestellt werden mag, verdient die Expositio Donati als eine der letzten scholastischen grammatischen Schriften in der Zeit des Übergangs zum Humanismus, vorgestellt zu werden.
1 Melchior Lotter d.Ä. nannte sich Melchiar L., nachdem sein gleichnamiger Sohn sich ebenfalls in Leipzig etabliert hatte. (ADB. Band 19 (1884), S. 273–278).
2 Die Seitenzahlen im Text beziehen sich auf diesen Druck.
3 Viele Quellen geben als Hundts Geburtsjahr 1449 an, aber diese Angabe ist in Frage gestellt (Worstbrock 2005: Sp 1176), denn in dem Falle hätte er sein Studium erst mit 33 Jahren begonnen.
4 Um welche Ausgabe der ars minor es sich handelt, ist nicht bekannt. Der Verfasser bezieht sich auf einen Text, der mit den Worten „Incipit dyalogus donati de partibusorationis octo“ eröffnet.
5 Damit ist der anonyme Verfasser der spätmittelalterlichen Schrift Dominus que pars gemeint, der unter dem Namen Remigius bekannt war.
6 Die Nennung der Komparation als Formmerkmal des Nomens beruht darauf, dass das Adjektiv noch wie in der Antike zum Nomen gezählt wird.
7 Donatus führt sechs Akzidentia auf: ‚qualitas, genus, numerus figura, persona‛ und ‚casus‛.
8 Bereits in der Antike gab es unterschiedliche Definitionen zu den Konjunktionen. Bei Diomedes (4. Jh.) kommt der Gedanke zum Ausdruck, dass die Konjunktionen die Bedeutung der Sätze verbindet: „coniunctio est pars orationis indeclinabilis copulans sermonem et coniungens uim et ordinem partium orationis“. (GL 1, 415)
9 Bei den Dunkelmännerbriefen ( Epistolae obscurorum virorum) handelt es sich um eine satirische Sammlung von gefälschten Briefen vermeintlich aus dem Jahr 1515.