Kaspar Schoppe
Aino Kärnä

Inhaltsverzeichnis

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  1. Überlieferung
    1. Erstausgaben
    2. Weitere Ausgaben
  2. Verfasser
  3. Inhalt
  4. Kontext und Klassifizierung
  5. Rezeption
  6. Bibliographie

1. Überlieferung[arrow up]

Der Erstdruck von Schoppes Gesamtwerk Pascasii Grosippi Mercvrius Bilingvis. Hoc est Noua facilisq [ue] ratio Latinæ vel Italicæ linguæ intra vertentem annum addiscendæ erfolgte 1628 in Mailand bei Bidelli unter dem Pseudonym Pascasius Grosippus. Das Werk umfasst neben der Grammatik auch andere Texte zu grammatischen Themen sowie umfangreiche Paradigmentafeln. Ein Jahr später erschien der Doppelband Rudimenta Grammaticæ Philosophicæ Et eiusdem Mercvrivs Bilingvis , wobei die einzelnen Teile in einer neuen Reihenfolge erschienen: vorangestellt wurde die Grammatik. Weitere Ausgaben kamen 1659 , 1664 und 1668 in Amsterdam unter folgendem Titel heraus: Gasperis Scioppii Grammatica Philosophica: Non modo Tironibus linguæ latinæ ad artem illam uno trimestri perfecte addiscendam, sed & Latine doctissimis ad reddendam eorum rationem, quæ legunt aut scribunt, in primis utilis, vel necessaria ; Accessit Præfatio de Veteris ac Novæ Grammaticæ Latinæ origine, dignitate & usu. In Venedig wurde die Grammatik unter dem Titel Mercurius bilinguis: hoc est nova, facilisque ratio Latinæ, vel Italicæ linguæ 1670 , 1671 und 1678 herausgegeben. Noch 1704 und 1709 kamen überarbeitete Ausgaben in Gouda mit dem Titel Mercurius bilinguis et medulla Vossii heraus. Die zehnte und letzte überlieferte Ausgabe wurde 1728 in Venedig gedruckt.

1.1. Erstausgaben[arrow up]

1.2. Weitere Ausgaben[arrow up]

2. Verfasser[arrow up]

Kaspar Schoppe (auch unter den Namensformen Caspar Schoppe, Gaspar Scioppius, Gaspare Scioppio, sowie Pseudonymen: Pascasius Grosippius, Operinius Grupinius, Alphonsus de Vargas, Nicodemus Macer, Mariangeli A Fano Benedicti, Hermann Conrad von Friedenberg u.a. bekannt) wurde 1576 wahrscheinlich in Pappenberg in der Oberpfalz geboren (dazu genauer Hausmann, 1995:44f.) . 1 Er besuchte das Gymnasium in Amberg und studierte klassische Sprachen in Heidelberg und Altdorf. Danach ergriff er das Jurastudium an der damals jesuitisch geprägten Universität Ingolstadt 1595-1597, wo er seinen Doktor in Rechtswissenschaften machte. Nach der Promotion unternahm er eine umfangreiche Bildungsreise nach Italien : u.a. nach Verona, Mantua, Padua und Venedig. Schon in jungen Jahren führte er eine Korrespondenz mit zahlreichen angesehenen Gelehrten.

Schoppe war lutherischer Herkunft, wuchs in einem calvinistischen Umkreis auf, aber trat während eines Auslandsaufenthaltes in Prag 1598-99 zum Katholizismus über. Der Übertritt hatte einen großen Einfluss auf seinen weiteren Lebensweg: er trennte ihn von seinem protestantischen Freundeskreis und prägte seine Anschauungen und Stellungnahmen insgesamt. Doch er baute bald ein neues, ansehnliches Netzwerk in Rom auf , wo er sich 1598-1617 aufhielt. Dort stand er im Dienst der Kurie und des Erzherzogs Ferdinand von Steiermark.

Konfessionelle Zerwürfnisse bewogen Schoppe, Rom zu verlassen. Aber auch der nächste Ort bot ihm keine Sicherheit: er wurde in Madrid von den Dienern des englischen Gesandten körperlich misshandelt. Schoppe musste wieder fliehen. 1617 zog er nach Mailand, gründete dort eine Lateinschule, kehrte 1630 nach Deutschland zurück, aber fand auch dort kein Domizil auf Dauer, und die Pension, um die er sich bewarb, wurde ihm nicht gewährt. Publizistisch war dieser Gelehrte sein Leben lang sehr aktiv, und seine Schriften wurden sowohl in Italien (u.a. Venedig, Ferrara, Rom), in Deutschland (Jena, Ingolstadt, München, Nürnberg, Augsburg, Mainz) als auch in Frankreich gedruckt. Schoppe trat für eine Unterrichtsreform in katholischen Schulen ein, die das jesuitische Programm durch die Doktrinen des Stoizismus ersetzen sollte. Er erläuterte sein Modell durch ramistische Diagramme, von denen er auch in seiner Grammatik Gebrauch machte. Er veröffentlichte zahlreiche polemische Schriften, gegen die Protestanten einerseits und gegen die Jesuiten, die er nunmehr als Konkurrenten sah, andererseits. In seinem Classicum belli sacri ( ‚ Kriegstrompete zum Heiligen Krieg ‛ ) rief er zum Kampf gegen die Protestanten auf. Er erwies sich als ein leidenschaftlicher Verfechter der Gegenreformation und seine Polemik gegen seine Opponenten – einschließlich der Könige von Frankreich und England, aber auch seiner ehemaligen Vorbilder und Freunde – war vehement. Er veröffentlichte z.B. eine scharfe, konfessionell motivierte Kritik gegen seinen ehemaligen Freund Joseph Justus Scaliger (1540 –1609), der seinerseits von der katholischen in die protestantische Konfession übergetreten war. Dies alles hat Schoppes Nachruhm nachteilig beeinflusst und ihm bereits zu seinen Lebzeiten den Titel ‚canis grammaticus‛ ( ‚grammatischer Hund‛ ) erbracht.

Außer seinen grammatischen Schriften können als bedeutendste Veröffentlichungen die frühen Werke Poemata Varia. ( Heidelberg, 1593 ) , Verisimilium Libri Quatuor. , ( Nürnberg, 1596 ) , De arte critica. ( Altdorf 1597) , und die etwas späteren Elementa Philosophiæ Stoicæ Moralis. ( Mainz, 1606 ) sowie De Rhetoricarura Exercitationum Generibus . ( Mailand, , 1628 ) angesehen werden. Zum grammatischen Œuvre dieses vielseitigen späthumanistischen Philologen zählt neben Observationes Linguae Latinæ. ( Frankfurt, 1609 ) und der hier dargestellten Grammatik auch die Edition von Varros De Lingua Latina. ( 1605 ) und der Minerva. von Franciscus Sanctius mit Kommentaren ( 1628 ). Das letztgenannte Werk, das von der großen Bewunderung Schoppes gegenüber Sanctius zeugt, wurde bis ins 18. Jahrhundert neu aufgelegt. Zu seiner Tätigkeit als Herausgeber zählten darüber hinaus Schriften antiker Autoren wie Noctium Atticarum. von Aulius Gellius , sowie Werke von Apuleius und Petronius. Auch seine Noctium-Ausgabe wurde noch 1706 neu aufgelegt. In drei Manuskriptfassungen ist außerdem ein Lexikon der lateinischen Sprache, Romanae eloquentiae promptuarium erhalten. Seit 1636 lebte Schoppe zurückgezogen in Padua, wo er 1649 starb.

3. Inhalt[arrow up]

Schoppes Gesamtwerk setzt sich zusammen aus mehreren selbständigen Teilen: Nach einem einleitenden Brief des mailändischen Buchdruckers Johannes Baptista Bidellius gibt Schoppe zunächst eine Anleitung zum Inhalt und Gebrauch des Werks, (1) ‚De Forma et Usu Huius Operis‛ . Dem schließt sich (2) eine kurze Instruktion zur Erlernung der italienischen Sprache an, wobei Schoppe die Lehrbücher von Frosino (Euphrosyno) Lapini und Catherin Lesdoux (Catharino Dolces) vorschlägt, da aus ihnen die Aussprache und das Konjugieren und Deklinieren gelernt werden könne. Ein Bericht über sein Selbststudium des Spanischen erläutert, wie er sich in kürzester Zeit die Sprache durch Auswendiglernen von täglich sechzig Sätzen angeeignet haben soll.

Danach folgen Deklinations- und Konjugationsparadigmen lateinischer Nomen und Verben, (3) ‚Paradigmata declinationum et coniugantionum‛ . Das Beispielwort für die erste Deklination ist ‚hæc mensa‛ , für die zweite ‚hic dominus‛ und ‚hoc templum‛ , die dritte ‚hic sermo‛ , ‚hoc tempus‛ , die vierte hat die Beispielwörter ‚hic sensus‛ und ‚hoc genus‛ , die fünfte ‚hic dies‛ . Am Seitenrand sind die italienischen Interpretamente vermerkt. Danach folgen die Beispiele für Adjektivdeklination an Hand von ‚bonus, prudens, brevis‛ . Es folgen Deklinationen der Pronomina, einigen Zahlwörtern und der Relativpronomen ‚quis, qui‛ und ihren Zusammensetzungen. Dann werden die Konjugationen der regelmäßigen Verben ‚amo, doceo, lego, audio‛ und der unregelmäßigen ‚ sum, possum, fero, eo, volo, nolo & malo ‛ , sowie der Defektiva ‚ edo, comedo, inquam, aio, memini, ausim, faxim, qæso, cedo ‛ vorgestellt und darauf folgen kurze Hinweise auf ‚infit, dic, duc und fac‛ (1628:12ff.).

Hierauf schließen sich unter der Überschrift (4) ‚ Annotatiunculæ in paradigmata ‛ genauere Hinweise zu einzelnen Punkten der Nominalparadigmen und entsprechende Hinweise zu den Verbparadigmen an: es wird z.B. die Meinung einiger Grammatiker bespöttelt, die im Griechischen keinen Ablativ kennen.

Nach diesen Formenparadigmen folgt mit einem neuen Titelblatt der (5) ‚Mercurius Bilinguis‛ . 2 Dieser Teil hat eine neue Seitenzählung und er besteht aus 1200 lateinischen und italienischen Sätzen auf gegenüberliegenden Seiten. Die Sätze sind durchnummeriert und nach Bedeutungsfeldern gegliedert, die jeweils etwa hundert Sätze enthalten. Schoppe unterteilt sie in alltägliche, zentrale und seltene. Die ersten behandeln Tugenden und Laster, Fürsorglichkeit und Leichtsinn, Enthaltsamkeit und Unmäßigkeit, Gerechtigkeit und Unrecht usw. Die fast 80 Seiten umfassende Aufstellung endet mit der Aussage: ‚Læti completi labores.‛ Die Quelle für diese umfangreichen Listen ist die Janua Linguarum. von William Bathe ( Salamanca, , 1611 ) . Die Zuschreibung zu Bathe erfolgt laut Corcoran allerdings erst in der Paduaner Ausgabe vom 1637 ( Corcoran, 1911: 16f. ). Die Heranziehung dieser Satzlisten lassen den Didaktiker Schoppe erkennen, der sich für eine direkte Lernmethode bekennt. Die Beherrschung der lateinischen Sprache sei nach Schoppe nur durch den direkten Weg, durch das Studium klassischer Autoren möglich.

Diesen Teilen folgt nun das eigentliche, nach Wortarten gegliederte grammatische Lehrwerk mit der Überschrift (6) Pascasii Grosippi Grammatica Philosophica , das – wie der Untertitel verkündet – nicht nur an Anfänger, sondern auch für Lateinkundige nützlich und notwendig sein soll, um die Prinzipien dessen, was sie lesen und schreiben, zu erläutern.

Nach einer recht umfangreichen Einleitung mit der Überschrift ‚ De veteris ac novæ grammaticæ Latinæ origine, dignitate & usu ‛ , die die ‚grammatica cloacina3 und ‚grammatica Sanctiana‛ gegenübergestellt (wobei diese die Minerva des spanischen Linguisten Franciscus Sanctius (1523–1600) und jene das traditionelle, aus der Römerzeit überlieferte Modell vertritt), folgen (7) Ratschläge für den Lehrer einerseits und den Schüler andererseits. Danach kommen (8) zahlreiche Tabellen zu grammatischen Begriffen und ihren Beziehungen. Erst nach dieser tabellarischen Übersicht und wieder mit einem neuen Titelblatt versehen, fängt mit neuer Seitenzählung der im Frage-Antwort-Muster strukturierte grammatische Text an: (9) ‚ Institutiones Grammaticaæ Latinæ.

Die katechetische Vorgehensweise erinnert zwar an das Modell der ars minor. von , in dem ebenso nach Begriffen gefragt wird. Doch inhaltlich ist der Unterschied beachtlich, denn die hier gegebenen Definitionen und Regeln weichen zum großen Teil erheblich von den konventionellen ab. Schoppe bedient sich fast ausschließlich formaler, d.h. morphologischer Kriterien. Hierbei steht er in Einklang mit Vorgängern und Zeitgenossen, die sich ebenfalls morphologischer Kriterien bedienen: mit ( Grammaticæ libri quatuor. , 1569 ) , ( De institutione grammatica. , 1573 ) , ( Minerva. , 1587 ) . Besonders Sanctius erhält Schoppes Zustimmung, denn dieser teilt die Auffassung, Grammatiker des alten Stils hätten den Sprachgebrauch, den ‚usus‛ , übersehen und würden Regeln geben, die nicht zum richtigen Latein führten (vgl. Neumann 2001:199 ).

Die eingangs gegebenen Definitionen zur Grammatik ( ‚ars recte loquendi‛ ), zu den Buchstaben ( ‚ [litera] est individui soni comprehensio ‛ ), zu den Vokalen ( ‚per se syllabam efficit‛ ) und Konsonanten ( ‚ litera, quæ sine vocalis syllabam non efficit ‛ ) (S. 1-2) sind alle wortgleich in Sanctius’ Minerva zu finden. Allerdings hat Schoppe dazu Dichotomien nach dem ramistischen Modell eingeführt, z.B. statt die Vokale und Konsonanten einfach aufzuzählen, wie Sanctius es tut, teilt er sie in einfache und zusammengesetzte, und diese Gruppen zerfallen wieder in zwei usw. Allen Wörtern ( ‚voces‛ ) kommen laut Schoppe – übereinstimmend mit Sanctius – die Formmerkmale ( ‚accidentia‛ ) Akzent, Figur und Spezies zu, die hier gleich am Anfang kurz definiert werden.

Die Definitionen einzelner Wortarten decken sich weitgehend mit denen des französischen Logikers und Grammatikers Petrus Ramus (1515–1572) , aber auch der Spanier Franciscus Sanctius hat offenbar fortwährend als Vorlage gedient. Doch anders als Sanctius, der die unterschiedlichen Definitionen der Wortklassen abwägt, gibt Schoppe eine komprimierte Begriffsbestimmung, was sicherlich aus der didaktischen Perspektive begründet ist. Als zentrales Erkennungsmerkmal der Wortarten wird – nach Ramus – ein formales, nämlich der Numerus erklärt. Zu den Wortarten mit Numerus zählen die Nomina, die Verben und die Partizipien. Für die restlichen vier ohne Numerus (Präpositionen, Adverbien, Konjunktionen, Interjektionen) gebraucht Schoppe die Bezeichnung ‚particula‛ . Da die Pronomina nicht als gesonderte Klasse aufgeführt werden, kommt Schoppe also insgesamt auf sieben Wortklassen. Dies entspricht nicht dem ramistischen Modell, welches nur vier Wortarten aufwies, und auch nur annähernd dem Modell von Sanctius, denn im Unterschied dazu bringt Schoppe einen Zusatz: er nimmt die Klasse der Interjektionen, die seit der römischen Grammatikographie als eigene Klasse betrachtet worden war, wieder auf.

Im folgenden Kapitel mit der Überschrift ‚Etymologia‛ folgen nun die Formenmerkmale der einzelnen Wortarten, in Schoppes Terminologie ‚voces‛ , denn er verwirft die Termini ‚dictio‛ bzw. ‚pars orationis‛ , die in den meisten Grammatiken seiner Vorgänger als Allgemeinbegriff für ‚Wort‛ verwendet werden.

Die morphologische Definition des Nomens lautet „ vox particeps numeri casualis cum genere, id est, quæ numerum, casum & genus, aut saltem terminationem generi quadrantem habet “ , (S.4) also als Wörter, die ein Numerus, Kasus und Genus haben oder deren Endungen sich nach dem Bezugswort fügen. Diese Definition gibt sowohl den Wortlaut von Ramus und den von Sanctius wieder.

Darauf folgen Fragen und Antworten über den Kasus, das Genus und die Deklination, sowie die traditionelle Einteilung der Nomina in Eigennamen ( ‚Propria‛ ) und gemeine Namen ( ‚Appellativa‛ ). Die Letzteren werden weiter in Substantive und Adjektive unterteilt. Die Substantive sind dadurch gekennzeichnet, dass sie ein (festes) Genus haben, die Adjektive wiederum dadurch, dass sie überhaupt kein Genus haben, sondern sich (dem Genus des Bezugswortes) anpassen. Auch die Adjektive zerfallen in zwei Gruppen: sie werden in absolute und relative eingeteilt. Am Schluss dieses Kapitels werden die Adjektive aufgezählt, die eine unregelmäßige Komparation haben, z.B. ‚bonus, malus, magnus‛ usw.

Das Verb erhält eine – ebenfalls mit Ramus und Sanctius übereinstimmende – morphologische Definition, und zwar als „ vox particeps numeri personalis cum tempore, id est quæ numerum, personam & tempus habet “ (1628:7), also als Wörter, die ein Numerus, Person, und Tempus haben. Hier werden die Personalformen, Tempora und die Konjugation abgefragt und kurz charakterisiert. Über das ‚Gerundum‛ bzw. ‚Gerundium‛ und ‚Supinum‛ wird festgestellt, dass es keine Verben, sondern Partizipien sind, da sie weder Tempus noch Person aufzeigen. Eine Behandlung der Modi findet in Schoppes Darstellung keinen Platz.

Das Partizip wird als ein Wort gekennzeichnet, das an den Kategorien Numerus, Kasus und Tempus teilnimmt: „ vox particeps numeri casualis, tempus & constructionem à verbo ducens.

Die nächsten vier Wortarten, Präposition, Adverb, Konjunktion und Interjektion sind nichtflektierbar – nach der ramistischen Terminologie ‚expers numeri‛ – und sie werden demzufolge durch ihre Funktion gekennzeichnet. Diesen Wörtern gibt Schoppe die gemeinsame Bezeichnung ‚Particulæ‛ (S.3).

Die Präpositionen sind Wörter ohne Numerus, die den Kasus vorangehen und die sich in Zusammensetzungen befinden. Auch diese Definition ist bei Sanctius zu finden. Die Präpositionen werden in zwei Gruppen eingeteilt: in ‚casualis‛ und ‚compositiva‛ . Die ersten werden „ihrer Natur nach“ den Kasus vorangestellt. An dieser Stelle folgt eine Aufzählung der Präpositionen, die mit dem Akkusativ, dem Ablativ oder beiden kombiniert werden können. Danach folgen Listen von möglichen Kombinationen der Präpositionen mit Nomen, Verben oder Partikeln.

Das Adverb ist laut Schoppe, übereinstimmend mit Ramus, ein Wort ohne Numerus, das den anderen Wörtern hinzugefügt wird, wie die Adjektive (den Nomina). Auch diese Definition hat eine lange Vorgeschichte: bereits Priscianus hatte diese Gleichung aufgestellt zwischen den Adjektiven, die ein Nomen bestimmen und den Adverbien, die einem Verb hinzugefügt werden, und der Logiker Petrus Hispanus (13. Jh.) formuliert: „adverbium est ut verbi adiectivum“ . Schoppe zählt eine Anzahl von Bedeutungen der Adverbien auf, aber gibt mit dem ‚& c.‛ am Ende seiner Liste zu verstehen, dass es sich um kein vollständiges Inventar handelt. Schoppe gruppiert die Adverbien zunächst funktionell nach ihrer Verwendung: solche die eine Frage stellen und eine Antwort geben ( ‚ adverbia quærunt de facto, adverbia quærunt de causa, adverbia quærunt de tempore ‛ usw). Anschließend erhält der Leser eine zweite Zusammenstellung nach semantischen Subklassen, wie wir sie bereits aus den Grammatiken der klassischen Antike kennen: ‚ affirmandi, negandi & prohibendi, iurandi, qualitatis, quantitatis, comparandi, similtudinem, intendendi, remittendi, hortandi, congregandi, separandi, excludendi, eventus, moris, principij & originis, dubitandi & c. ‛ Schoppes eigener Zusatz scheint die Gruppe der ‚Adverbia moris‛ zu sein, und auch die ‚ Adverbia Principii & origines ‛ fehlen bei den klassischen Autoren (vgl. hierzu ausführlicher Kärnä/Matthaios ).

Auch die Elemente der nächsten Klasse, der Konjunktionen , werden sowohl morphologisch als auch funktional bzw. semantisch bestimmt als Wörter ohne Numerus, die Sätze verbinden ( ‚orationes coniunguntur‛ ). Schoppe sieht zwei Möglichkeiten der Einteilung: erstens durch ihre Bedeutungen und zweitens durch die Art der Stellung, nämlich ob sie vor- oder nachgestellt oder auch an beiden Stellen stehen können. Diese Darstellung unterscheidet sich von der ramistischen, der sie nach ihrer Semantik bzw. Funktion in ‚Enuntiativa‛ und ‚Ratiocinativa‛ unterteilt und unter den erstgenannten die ‚Copulativa, Discretiva‛ sowie die ‚Disjunctiva‛ und unter den letzteren die ‚Rationalis‛ und die ‚Caussalis‛ (sic) aufzählt (Ramus 1569: 75f.) .

Die Interjektionen wurden bei Ramus und Sanctius unter den Adverbien subsummiert. Im Unterschied dazu stellt Schoppe sie als eine eigene Wortart auf, und wählt damit eine traditionellere Lösung. Sie werden durch ihre Bedeutung definiert: es sind Wörter, die kein Numerus haben und verschiedene Bewegungen des Gemüts ( ‚animi motus‛ ) ausdrücken. Dieses Kapitel bringt eine Aufzählung von Interjektionen, wobei Schoppe auch hier nach einer dichotomischen Unterteilung gesucht hat: solche, die nur einen Affekt, und solche, die mehrere Affekte ausdrücken können.

Anschließend folgen noch Regeln zu den Genera des Nomens und zur nominalen Deklination, wobei fünf Deklinationsklassen aufgeführt werden, sowie einige Hinweise zu Präteritum- und Supinusformen unter der Überschrift ‚Regulae verborum preteritae et supinis‛ (vgl. dazu Colombat 1999: 345 ).

Dieser morphologischen Darstellung folgt die Syntax, die mit einer Definition aus De emendata structura. ( 1524 ) eingeleitet wird, aber in Frage-und-Antwort- Sequenzen formuliert wird: „ Quid est Syntaxis? Est debita partium orationis inter se compositio. 4 Die Syntax besteht aus einem regelmäßigen und einem unregelmäßigen bzw. figürlichen Teil. Die ‚syntaxis regularis‛ beinhaltet zunächst die Kongruenz und Rektion der Nomina und der Verben und anschließend syntaktische Regeln zu den übrigen Wortarten. Nach diesen einleitenden Dichotomien folgen – wie in so vielen Grammatiken des frühen Humanismus – die ersten Regeln zur Kongruenz von Adjektiv und Substantiv: sie stimmen in Numerus, Kasus und Genus überein. Schoppe gebraucht sehr oft die Wendung ‚expressum sive suppressum‛ , (ausgedrückt oder unterdrückt, d.h. mitverstanden), welches sich mit der Idee der Ellipse bei Linacre und Sanctius überschneidet.

Die Rektion wird eingeteilt in die des Nomens, der aktiven Verbformen und der Präpositionen. Die erste Regel zur Rektion des Nomens besagt, dass jedes Substantiv ein Genitiv regiert, ob es nun ausgedrückt oder mitgemeint ist. Ein Beispiel für das Letztere ist ‚accuso te furti‛ , wobei ‚crimine‛ mit verstanden wird. Schoppe gebraucht die Termini ‚suppositum‛ und ‚appositum‛ für die syntaktischen Funktionen der Nomina und Verba. Auch der Syntax der Adverbien, Konjunktionen und Interjektionen wird bedacht, wobei über die letztgenannten ausgesagt wird, dass sie keine Syntax haben, da sie weder Kongruenz noch Rektion ausweisen. Ein Großteil der Syntax ist der ‚syntaxis figurata‛ gewidmet (vgl. Colombat 1999:31 ), die nun folgt.

Die Ellipse, der eine bedeutsame Rolle in Schoppes grammatischer Darstellung zukommt, wird definiert als eine Figur, in der ein oder mehrere Wörter ergänzt werden sollten, damit eine legitime Konstruktion entsteht. Auf Seite 54-81 stehen ausführliche Listen von angeblichen elliptischen Konstruktionen. Nachstehend folgen kurze Kapitel zu Redefiguren, zur Ellipse und Syllepse sowie zu Hellenismen. Abschließend folgt unter der Überschrift ‚Annotationes in Grammaticae Latinae Institutiones‛ eine Zusammenfassung (Teil 10) des behandelten Materials, diesmal nicht in Frage und Antwort -Sequenzen, sondern als Feststellungen, wobei mehrmals auf Sanctius hingewiesen wird. Diese Kapitel enthalten viele Beispielsätze antiker Autoren.

Als weitere Teile (11) erscheinen in diesem Band zwei Auszüge aus Emmanuel Alvarez’ Grammatik, nämlich die Präteritum- und Supinumformen des Verbs zum einen und ein Traktat zu den Silben zum anderen.

Ein Kapitel zur lateinischen Aussprache folgt mit der Überschrift ‚De Orthoepeia.‛ Dort wird die lateinische Aussprache im Lichte anderer europäischen Sprachen dargestellt und ihnen gegenübergestellt.

Auf der Seite 198 bringt das Gesamtwerk wieder ein neues Titelblatt, und zwar beginnt dort die Schrift (12) ‚ Vetere Romanum Scriptura tractatio von Fridericus Silbu[r]gius ‛ , einem weiteren Pseudonym von Schoppe. Den Abschluss bilden Tabellen zur älteren Schreibung und eine Errata-Liste.

Dieses Werk ist keineswegs in sich geschlossen oder auch endgültig gestaltet. In späteren Ausgaben kamen die einzelnen Teile in anderer Abfolge vor; Teile können auch fehlen bzw. durch andere ersetzt sein. In der Ausgabe vom Jahr 1629 z.B. ist die Abfolge (3), (9), (10), (8), (11), (1), (5), und mehrere Traktate u.a. des Verfassers Mariangeli A Fano Benedicti (ebenfalls ein Pseudonym für Kaspar Schoppe) sind hinzugekommen, z.B. das Auctarium Ad Grammaticam Philosophicam eiusque Rudimenta . Eine kurz gefasste, tabellarische Verslehre liegt ebenfalls vor, wie auch ein recht umfangreicher Index, der Lemmata zu allen Teilen dieses Kompendiums aufweist. In der ersten Auflage gab es ihn noch nicht.

4. Kontext und Klassifizierung[arrow up]

Die Institutiones Grammaticaæ können zu den Vertretern der philosophischen Lateingrammatiken des Späthumanismus gezählt werden. Neben Linacre , Scaliger und Sanctius gehört sie zu den Grammatiken, die der Syntax mehr Beachtung schenken als der Morphologie. Das Werk verwirft vieles Überlieferte: es verzichtet z.B. bei den einzelnen Wortarten auf eine Behandlung der sog. Akzidenzien, d.h. der in den traditionellen Grammatiken seit der griechischen Antike vorkommenden Wortbildungs- und Flexionsmuster. An deren Stelle tritt hier die ramistische Dichotomie der Wortklassen in solche, die ein Numerus aufweisen und in solche die keins haben.

Im Vorwort nennt Schoppe als seine Quelle Emmanuel Alvarez , einen jesuitischen Gelehrten und Erzieher aus Portugal. In Wirklichkeit schöpft diese Grammatik aber ebenso sehr aus den Schriften von Ramus, Linacre und Sanctius. Mit der Minerva. von Sanctius war Schoppe 1625 in Madrid in Berührung gekommen ( Voigt-Spira 2001:173 ) und war offenbar von ihr tief beeindruckt. Da so viele Definitionen gleichlautend mit denen der Minerva sind – die zwar ihrerseits größtenteils aus Alvarez’ oder Scaligers Grammatik stammen – ist die Ansicht, Schoppes Grammatik sei die Umsetzung der Gedanken von Sanctius in die Praxis durchaus berechtigt ( Breva-Clarmonte, 1982:241 ). Schoppe macht zwar gelegentlich Gebrauch von den Dichotomien nach dem ramistischen Modell, geht aber damit nicht so pedantisch um wie etwa der deutsche Reformpädagoge Wolfgang Ratke (1531-1635).

5. Rezeption[arrow up]

Kaspar Schoppe war in vielen Gegenden Süd- und Zentraleuropas tätig und hat demgemäß auch vielerorts Einfluss gewonnen. Allerdings war er auch eine Figur, die die Gemüter spaltet. Der Schwerpunkt seines Tätigkeitsbereiches lag ohne Zweifel in Italien, wo er u.a. seinen Mercurius herausgab, eine Schule in Mailand gründete und schließlich sein Lebensende verbrachte. Dort genoss er auch größtes Ansehen.

Von den Grammatikern diesseits der Alpen steht ihm Gerardus Vossius am nächsten. Vossius‘ Werk übertrifft dem Umfang nach Schoppes Grammatik bei weitem, aber inhaltlich hat jener sehr viel von unserem Autor entlehnt. In Frankreich wurden Claude Lancelot und Antoine Arnauld, C.C. Du Marsais und N. Beauzée von Schoppe beeinflusst. Seit Lancelot in seiner Nouvelle Methode Schoppe in Verbindung mit Sanctius und Vossius gesetzt hat, bilden diese Namen eine Einheit. ( Colombat 1999:49 ). Spätere deutsche Grammatiker, z.B. Johann Bödiker (bzw. seine Editoren, Aufl. 1749), haben sich stellenweise auf Schoppe berufen. Allerdings ist es schwierig, den Beitrag Schoppes in den Werken seiner Nachfolger genau zu umreißen, da er selber so viel aus Werken seiner Vorgänger schöpfte. Im protestantischen Europa und im Norden kann Kaspar Schoppe vielleicht nicht zu den hervorragendsten Grammatikern gezählt werden. Dessen ungeachtet sind zahlreiche Exemplare dieses Werks nicht nur in Sammlungen katholischer Länder, sondern sowohl in norddeutschen, niederländischen als auch skandinavischen Bibliotheken und weltweit zu finden.

6. Bibliographie[arrow up]


1

Auch Neumarkt wird als Geburtsort angegeben (vgl. Neumann 2001:191 ).

2

Dieser Teil wurde auch separat herausgegeben, u.a. 1639 in Venedig. 1637 gab Johann Buxtorf eine erweiterte Version mit vier Sprachen heraus: Mercurius quadrilinguis .

3

Der Hinweis auf eine Kloake bezieht sich auf die Geschichte über den Grammatiker Krates aus Mallos (2. Jh.), nach der dieser in Rom in einem Abwasserkanal verunglückte und seine Rekonvaleszenz zu Lektionen über Grammatik nutzte.

4

Bei Linacre heisst es ähnlich: „ Est […] constructio debita partium orationis inter se compositio, sicut recta grammatices ratio exigit. “ (1524, Fo 49v).

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