Bearbeitet von Alejandro Zorzin
1. Überlieferung↑
Edition:
- Löscher, Nachrichten (1703), 119–125.
2. Inhalt und Entstehung↑
Spätestens mit seiner Aufnahme in die neugeschaffene Gruppe der vier jungen thumbhern am Wittenberger Allerheiligenstift (1508)1 kamen für Karlstadt neben den Vorlesungen und Disputationen an der Universität auch gottesdienstliche Handlungen in der Schlosskirche hinzu. Seit seiner Beförderung daselbst in das höher dotierte Kanonikeramt des Archidiakons (1510/112) war er kraft Amtes der Stiftsprediger3 und hatte über das Jahr Predigten zu halten.4
Im Druck fand seine Predigttätigkeit erst Verbreitung mit der Publikation seines Abendmahlssermons, gehalten anlässlich der ersten öffentlichen Messfeier unter beiderlei Gestalt (am Weihnachtstag 1521).5 Von Karlstadts Predigten der vorangegangenen Jahre scheinen sich bis auf die Nieder- oder Mitschrift der 1518 zum Kirchenfest Purificationis Mariae/Lichtmess (2. Februar)6 in Wittenberg gehaltenen Predigt keine literarischen Spuren erhalten zu haben.7 Einem Hinweis im Brief an Georg Spalatin vom 11. April 1518 zufolge plante Bodenstein, einige Predigten für das Jahr zu verfassen.8 Im – heute verschollenen – handgeschriebenen Predigtabriss des Lichtmess-Sermons 1518 könnte sich eine Spur dieser geplanten Predigtsammlung erhalten haben.
Die Angabe ex MSto
des Editors Valentin Ernst
Löscher9 weist auf eine handschriftliche Fassung hin. Dabei ließe
sich an eigenhändige Notizen Karlstadts für diese Predigt, oder die von einem Zuhörer erstellte Mitschrift
derselben denken. Die verschollene Editionsvorlage könnte allein diesen Sermon enthalten haben, aber der
Editor hätte auch von mehreren ihm vorliegenden frühen Predigten Karlstadts nur diese als Beispiel
ausgewählt haben können. Am Ende seiner Transkription fügte Löscher die Bemerkung an: Vorstehender Sermon, obgleich einige ‖ wenige Blicke der
Carolstadtischen ‖ Irrthumer darinnen zu finden / ist ‖ der concentrirten vielen biblischen ‖ Sprüche
wegen wohl zu lesen / als ‖ worinnen Carolstadt die meisten ‖ seiner Zeit übertroffen.
In der
Tat ist die Häufung und Kombination von Bibelstellen im Text auffallend, von denen die meisten nicht ganz
wörtlich, sondern sinngemäß zitiert sind.
Die Evangelienperikope zu Mariä Lichtmess (Lk 2,25–32) bietet
mit dem Bezug von Simeons Lobgesang auf Jesus als Licht
(Lk
2,32) ein Stichwort, das Karlstadt für seine Predigt aufgreift. Unter den Handbüchern, die er für die
Vorbereitung seiner Predigt benutzte, befanden sich die Predigten des Johannes Tauler und des Bernhard von
Clairvaux.10 Auch
Bezüge auf Augustin und Johannes
Cassian sind nachweisbar.
[…] die predicature yn der stiefftkirchenn sall der Archydiaconus vorsorgen.Unter den Festgottesdiensten,
die eynem yedern [Thumbherren] yn sunderheit geburen, werden als
Archidiacons festeaufgezählt: Johannis Baptistae (24. Juni), Neujahrstag (1. Januar), Wenceslai Regis (28. September), Praesentationis Mariae (21. November) und Annae matris Mariae (26. Juli), ebd., 527.
Ego, ut scias mentis institutum meae, imo tuae, libenter velim aliquos facere sermones aut totius anni […]KGK 75.
ex MStoeinen Lichtmess-Sermon von Luther
A. 1518(Löscher, Nachrichten (1703), 67–74); dessen Jahresangabe korrigierte er aber später in
A. 1517(Löscher, Reformations-Acta I, 795). Zu dem verschollenen Manuskript, aus dem Löscher frühe Predigten Luthers – und wahrscheinlich auch diese Predigt Karlstadts – edierte, vgl. WA 1, 18f. und 130–132, bzw. WA 4, 587f. und 636–639.