Bearbeitet von Alejandro Zorzin
1. Überlieferung↑
Editionen:
- Olearius, Scrinium (1671), 23–26 [Digitalisat].
- Olearius, Scrinium (1698), 23–26.
- Gerdes, Scrinium, 306–308 [Digitalisat].
Literatur:
- Fabisch/Iserloh, Dokumente 1, 381.
2. Inhalt und Entstehung↑
2.1. Inhalt und Entstehung↑
Karlstadt hat zwei Briefe von Spalatin empfangen. Er bittet
ihn, dem Kurfürsten dafür zu danken, dass er die
Ausbildung in mehreren Sprachen kundiger Schullehrer fördert.1
Spalatin hat Karlstadt mit Hinweisen auf Güte und
Gnade
des Kurfürsten erfreut.2
[Degenhart] Pfeffinger, Bernhard von Hirschfeld und Spalatin sollen bitte als seine rechtmäßigen Stellvertreter bei der Erlangung und Entgegennahme eines
Lehens oder einer kirchlichen Versorgung vom Kurfürsten agieren. Durch Spalatin soll Pfeffinger erfahren, dass Eck in einem weiteren Brief an Johannes
[Dölsch aus]
Feldkirch3
Luther verunglimpft hat. Auch die Leipziger warten auf Fertigstellung von Karlstadts Augustinkommentar, um
daraus wie aus einer Rüstungskammer
Waffen zum Angriff gegen ihn hervorzuholen. Da er mehr
als 130 Zuhörer [in der Augustinvorlesung] hat, seien keine Exemplare mehr erhältlich. Gerne würde er den Leipzigern welche zur Verfügung stellen, da er zum Kampf mit
ihnen entschlossen ist. Vielleicht sei Pfeffinger wegen
Karlstadts Aussagen über die Leipziger im letzten Brief
[an Spalatin] verstimmt; aber die Leipziger machten Lärm, da sie sich von der Wittenberger Universität übertroffen fühlten. Karlstadt verweist Spalatin auf den Absatz salvo iure
[addendi]
[…]
in seinen [Apologeticae] Conclusiones4, wodurch er Tetzel und dessen Lehrer
[Wimpina5] gebunden habe. Er habe
erreicht, dass die versteckten Schlangen
hervorkämen, damit der Kurfürst sie bemerke. Er steht unter Zeitdruck, da Pfingsten bevorsteht
und er seinen Augustinkommentar fertigstellen will. Er hat erfahren, dass der Drucker noch 15 Exemplare
davon hat, sie aber nicht verkaufen will.
2.2. Inhalt und Entstehung↑
Karlstadt ist weiterhin darum bemüht, dass seine Supplikation beim Kurfürsten das Ziel erreicht, ihm eine Einkommensverbesserung zu
erwirken, die ihn von Kirchenverpflichtungen an der Schlosskirche befreit.6
Pfeffingers Unbehagen über Karlstadts im letzten Brief an
Spalatin geäußerte Angriffslust den Leipzigern gegenüber könnte durch den Hinweis auf Tetzel im Brief vom 14. Mai 1518 verursacht worden sein. Tetzel gehörte dem Leipziger
Dominikanerkloster an und hatte an der dortigen Universität studiert.7 Damit der kurfürstliche Rentmeister
über die sich kontinuierlich gegen die Wittenberger regenden akademischen Feindschaften im Bild ist,
informiert Karlstadt Spalatin über neue Schmähungen Ecks gegen Luther und
den sich zu Attacken gegen Karlstadt
rüstenden
Leipzigern.8 Einem dem Kurfürsten nahestehenden,
hochrangigen Hofbeamten wie Pfeffinger musste jeder
Anlass zu einem diplomatischen Konflikt zwischen den beiden Sächsischen Herrscherhäusern unwillkommen sein.
Der in Dresden residierende Herzog Georg von Sachsen9, ernestinischer Cousin
der beiden Albertiner Friedrich und Johann von Sachsen, war Schirmherr der Leipziger Universität.
wir– wenn sich die Tetzelschen Attacken gegen die Wittenberger fortsetzten – in einen
gelehrten Kampfmit ihm treten würden. Das könnte Pfeffinger als Kampfansage gegen die Leipziger Dominikaner bzw. die dortige Universität verstanden haben. Der Leipziger Dozent Hieronymus Dungersheim von Ochsenfurt hatte Thesen gegen Johannes Wildenauer (Egranus) in Umlauf gebracht (vgl. WA.B 1, 157,4f.), dessen Apologetica responsio (VD 16 W 3071) Anfang April 1518 mit einem kurzen einleitenden Brief Luthers in Wittenberg gedruckt worden war (KGK 76). Auch das konnte als Wittenberger Positionierung gegen die Leipziger interpretiert werden (vgl. KGK 76; Luthers Aussage im Brief vom 9. Mai 1518 an Jodokus Trutfetter in Erfurt:
Scripsi epistolium, quo approbavi sua [= Wildenauers] dicta a Lipsensibus Theologis in calumniam satis insidiose traducta, WA.B 1, 171,69ff.).