Bearbeitet von Alejandro Zorzin
1. Überlieferung↑
Frühdrucke:
DEFENSIO ‖ Andreę Carolostadii ‖ aduersus ‖ Eximii .D. Ioannis Eckii theologię ‖ doctoris & ordinarii Ing: ‖ Monomachiā ‖ Patitur Carolostadius non modo Se: ‖ Ap: studiiqꝫ Ro: in Italia/ ‖ Parisie. in Gallia/ aut ‖ Coloniensis in Ger⸝‖mania iudiciū/ ‖ sed etiā sin⸝‖gulorū ‖ & ‖ omniū ‖ Qui dialogos, aduersus Pelagi: Hieronymi, atqꝫ Augusti: de ‖ peccatoꝶ meritis, de Spi: & Lit: de perfectione iusti: & cōtra ‖ Iulia: &c, libros, cęterorumqꝫ ecclesiasticoꝶ, Chrysostomi, ‖ Cypriani, Cyrilli, Hilarij, Ambro: Cassiani, Grego: Bernhar: ‖ Bedę volumina, non ex cauda, sed ab exordio, ad finē vsqꝫ, ‖ assumptę materię, & legerunt & intellexerunt, ‖
Wittenberg: Johann Rhau-Grunenberg, 1518.
4˚, 30 Bl., A4–F4, G6.
Editionsvorlage:
HAB Wolfenbüttel, H 55.4 4° Helmst. (4) ( (= Freys/Barge, Verzeichnis, Nr. 11)).Weitere Exemplare: UB Würzburg, (= Freys/Barge, Verzeichnis, Nr. 10; auf fol. [G6]v andere hebräische Type und Vokalisierung als Freys/Barge, Verzeichnis, Nr. 11). — SUB Göttingen, H.E.E. 378/5:1 Rara. — BSB München, 4° Polem. 3340 (17) (= Freys/Barge, Verzeichnis, Nr. 11. Das Münchener Exemplar entstammt einer Sammelbindung Ecks [
Nr. 8; Blattzählung:
262–
292] mit durchgehenden Randbemerkungen von ihm1. Auf dem Titelblatt eine handschriftliche Dedizierung von Otto Beckmann2 an Christoph Scheurl (
domi'no' Christofero Schewrlo Nurbergen'si' v'triusque' J'uris' doctori).
Bibliographische Nachweise:
- VD 16 B 6138.
- Freys/Barge, Verzeichnis, Nr. 11 und Nr. 10.
- Zorzin, Flugschriftenautor, Nr. 8.
Der Drucker setzte die Thesen Ecks in einer etwas größeren Drucktype als die jeweils darauf folgenden
Entgegnungen Karlstadts. Ab Bogen E
begann der Drucker (wohl um Papier zu sparen) Ecks
Thesen in eine kleinere Type als auf den vorhergehenden Bögen A–D zu setzen. Um in dem so entstehenden
komprimierteren Druckbild den Beginn von Karlstadts Entgegnungen kenntlich zu machen, fügte er auf den
Bögen E–G in den Schlusszeilen von Ecks Thesen etwas abgesetzt
Carol'ostadi'
ein.
o. T.
in:
Karlstadt, Andreas Bodenstein von
DO‣ AN‖DREAE CAROLOSTA‖dij & Archidiaconi VVitten=‖burgeñ. ccclxx & Apologeti=‖cæ conclusiones pro sacris ‖ literis & VVittenbur=‖geñ. compositæ. ‖ Eiusdem defensio aduersus Mo=‖nomachiam D. Ioannis Eckij ‖ Theologiæ doctoris. ‖ Inuenies deinde Epithome eius=‖dē de Impij iustificatione, quā ‖ non male ad inferos dedu=‖ctū reductūque uocaueris. ‖ [TE]
[Straßburg oder Schlettstadt]: [Schürer-Offizin], [1519], D3r–I5r.
4°, 58 Bl., A4–D4, E8, F4, G8, H4, I8, K6.
Editionsvorlage:
HAB Wolfenbüttel, 459 Theol 4° (8).Weitere Exemplare: BSB München, 4° Polem. 540 (17). — UB Marburg, .
Bibliographische Nachweise:
- VD 16 B 6139.
- Freys/Barge, Verzeichnis, Nr. 14.
- Zorzin, Flugschriftenautor, 8 [B].
- Köhler, Bibliographie, Nr. 1920.
Zu Druck B vgl. KGK 85. Der Schürersche Nachdruck der Defensio verzichtet auf eine Wiedergabe der Marginalien, die dem Wittenberger Erstdruck beigegeben sind. Nur in der Originalausgabe A finden sich die Angaben zu den etwa 200 in den laufenden Text eingeflochtenen Bibelstellen.
Editionen:
- Löscher, Reformations-Acta 2, 108–170 [Digitalisat].
- Walch2 18, Sp. 632–710 (dt. Übersetzung des von Löscher edierten Texts).
2. Inhalt und Entstehung↑
Auf die Thesen Karlstadts gegen ihn (vgl. KGK 88) hatte
Johannes Eck mittels Gegenthesen eine Verteidigung seiner
theologischen Position verfasst.3 Den drei Thesengruppen Karlstadts (insgesamt 109 Thesen), die Eck wiederum in seiner Schrift abdruckte4, stellte der Ingolstädter 43, 42 und 26
(insgesamt 111) Thesen entgegen. Außerdem forderte Eck auf dem
Titelblatt seiner Entgegnung Karlstadt heraus, ihre theologischen Differenzen durch ein Urteil des
Apostolischen Stuhls, bzw. Expertengremien der Universitäten in Rom, Paris oder Köln entscheiden
zu lassen.5 Auf dem Titelblatt
seiner Defensio akzeptiert Karlstadt diese Herausforderung6, vertraut sich aber ebenso jedem
einzelnen und allen
Lesern als urteilsbefugt an, welche die Werke einer Reihe dort angeführter
Theologen der alten Kirche komplett gelesen und verstanden
haben. Auch in der Schrift selbst
wendet er sich an die Leser als kompetente Richter in seiner Auseinandersetzung mit Eck.7
Die Defensio gegen Ecks
Monomachia verfasste Karlstadt zwischen dem 28. August8 und dem 14. September 1518.9 Am 26. September teilte er Spalatin eine Verzögerung der Fertigstellung des Druckes mit.10 Auf die Defensio scheint sich Karlstadts Bemerkung in einem weiteren Brief an Spalatin vom 20. Oktober 1518 zu beziehen, er habe apologeticam
nostram
schon am 13. Oktober einem Boten zur Überbringung an Spalatin mitgegeben.11 Demzufolge wird der Druck der
Defensio Anfang Oktober 1518 fertig gewesen sein.
Den griechischen Begriff des Einzelkämpferstreites (monomachia) verwendete Eck in einem Brief an den Wittenberger vom 28. Mai 1518 für desssen Kritik an ihm.12 Karlstadt bevorzugte für seine Thesen gegen Eck zu diesem Zeitpunkt die Bezeichnung apologia.13 Nach Erhalt von Ecks Verteidigung gegen ihn (am 28. August 1518) benutzte auch Karlstadt den Begriff monomachia für seinen literarischen Kampf mit Eck.14
In dieser zweiten Auseinandersetzung mit Eck widmet Karlstadt der
Widerlegung dessen erster Gruppe von 43 Gegenthesen 38 Seiten, Ecks
zweiter Gruppe von 42 Gegenthesen nur noch 17 Seiten. Ecks letzte
Gruppe von 26 Gegenthesen will Karlstadt in den Erläuterungen seines Augustinkommentars widerlegen.15 Im Vordergrund der Debatte zwischen Karlstadt und
Eck stehen die Themen rechter Bußpraxis, Vermögens bzw.
Unvermögens menschlicher Willenskraft zu gutem Handeln und die Verbindlichkeit kirchlicher Bußstrafen.
Karlstadt ändert seinen bisher von knappen Thesen geprägten Stil der literarischen Auseinandersetzung. In
seiner Verteidigung gibt er Ecks beide ersten Gegenthesen-Gruppen
wieder, versucht sie aber nun mit einer auf jede einzelne der Eckthesen folgenden Kommentierung zu widerlegen.
An einer Stelle entwickelt sich Karlstadts Kommentierung sogar zu einer längeren, traktatartigen Darstellung
seiner vornehmlich von Augustin und Bernhard von Clairvaux her entwickelten Kreuzestheologie.16 Damit fließen in diese im
Kontext akademischer Disputationspraxis konzipierte Streitschrift Elemente aus Karlstadts zeitgleicher Predigttätigkeit ein. Als primären Leserkreis hat Karlstadt
besonders seine Studenten im Blick.17 Für sie fügt er weiterführende, seine
Position stärkende Belegstellen aus den Kirchenvätern und der Heiligen Schrift an.18 Mehrmals verweist er Eck auch auf seine Erstlinge
, die 151
Conclusiones vom April 1517 (KGK 58) und dazu
verfasster Explicationes.19 Karlstadts Argumentation in seinen Apologeticae Conclusiones (Mai/Juni 1518) mittels Belegen aus den liturgischen Gebeten der Kirche
verteidigt er jetzt ausdrücklich.20 Den Rückgriff auf die Kollekten begründet Karlstadt damit, dass
in ihnen eine 800 Jahre zurückreichende kirchlich geprägte Theologie zum Ausdruck kommt; sie stehe der
Heiligen Schrift näher und sei bewährter als die knapp 400-jährige scholastische Theologie, auf die sich Eck berufe.21 Karlstadts argumentative Zusammenfügung von
Kirchengebeten, einer Vielzahl biblischer Beweisstellen und Aussagen der Kirchenväter soll Ecks gegen die Wittenberger erhobenen Vorwurf, sie würden häretische Positionen
vertreten, von Grund auf widerlegen.22
In seinen siebzehn für die Disputation mit Eck in Leipzig zusammengestellten Thesen greift Karlstadt auf die Defensio zurück; ausdrücklich verweist er die Leser am Ende derselben darauf.23
Herr Andreas– zur Vermeidung von Ärgernis – entweder das Urteil vom apostolischen Stuhl, oder der Studien[-Zentren] in Rom, Paris bzw. Köln annimmt. vgl. Eck, Defensio (Greving), [33 (= Titelblatt)]. Auch gefiele es Eck sehr, wenn sie über die Darlegungen, Thesen, Aussagen und Schriften, um die es in ihrem Streit geht, beide einwilligten, beim apostolischen Stuhl, dem Studien[-Zentrum] in Rom, bzw. den in Paris oder Köln, öffentlich oder im kleinen Kreis vor wirklich gelehrten Vätern zu verhandeln, und deren Meinung und Entscheidung anerkennen; denn – so Eck – was bringe es, wenn er lange in Ingolstadt gegen Karlstadt schreit, und sich der wiederum in Wittenberg verteidige (ebd., 81,11–82,3); vgl. auch Barge, Karlstadt 1, 127.
omnes vos qui legitis, iudices constituoKGK 90); Th. [II:]3 (
[…] es ne reveritus lectorum iudicium?KGK 90), Th. [II:]23 (
Videant nodum cordati lectores […] et demum pilam alteri nostram dent.KGK 90).
pridie Burchardi) Spalatin eine Postsendung zu (vgl. KGK 89), die (wie Karlstadt am 20. Oktober feststellte; vgl. KGK 96) diesen nicht erreicht hatte; vgl. Barge, Karlstadt 1, 128 Anm. 181.
[…] monomachiam seu potius apologiam contra aliquas tuarum conclusionum ediderim[…](vgl. KGK 86).
[…] videlicet ut pelagianis tu videaris david, ego autem golias. […] Ego autem absit ut ad monomachiam vos provocem, […].(PL 703, 25f.).
Conclusiones tercii ordinis, propter chalcographi nostri impedimenta [wohl bei Drucklegung der Defensio], adnotaciunculis in librum de spiritu et litera reservo […].(KGK 64). Vielleicht plante Karlstadt die Widerlegung in der noch ausstehenden vierten [Druck-]Lieferung (vom I. Teil) seines Augustinkommentars unterzubringen, die Anfang 1519 erschien. Darin fehlt aber die explizite Auseinandersetzung mit Ecks letzter Gegenthesengruppe. Karlstadt spricht am Schluss seines letzten Scholions
magistri nostrian, die er mit seinen Belegen [= Chrysostomus und Cyrillus] zu verdrießen meint. Er will diese Belege (allegationes) jenen aufdrängen, die ihn
zwischen Opfermesser und Opferstellten und Ketzer nennen (vgl. KGK 64). Da Eck in seiner Gegenthese [II:]25 – unter Verweis auf Augustin – Karlstadt in Gefahr wähnt, zwischen
Opfermesser und Opferzu geraten, gilt dieser Schlusspassus vor allem ihm (so schon Kähler, Karlstadt, Anm. 3).
Vos qui lectionis et eruditionis vel ieiuni, vel avidi estis, […]KGK 90), Th. [II:]12 (
At ut studiosis obsequar, dico […]KGK 90).
[…] ich schone deiner wegen der vorhergehenden These, sonst würde ich den allerheiligsten Vater in Christo, unseren Herrn, den Herrn Leo, durch göttliche Vorsehung Papst X., anrufen und dich verklagen, dass du seine allerheiligsten Gebete für nichts achtest etc. Die Kollekten oder Gebete der Kirche gebrauche ich deshalb, weil du und deinesgleichen denen, die von diesen Meinungen abweichen, sofort mit Feuer drohen; und damit die römische Kirche wisse, dass ich weder neue noch ungewöhnliche, sondern sehr alte und alltägliche Lehren behandele, und sie nun gar mich nicht nur nicht verbrenne, sondern mit mütterlicher Güte gegen unsere Bekämpfer der Kirchengebete beschütze. […].
Originem tam iustae pugnae in Defensione nostra, adversus D'ominum' Ioannem, edita spectare licet.