Einleitung
1. Historische Einleitung
Direkt nach Abschluss des sogenannten geharnischten Augsburger Reichstages verließ noch am 30. Juni 1548, dem Tag, an dem der Reichstag mit förmlichem Abschied beendet worden war, ein kaiserliches
Schreiben die Stadt
Augsburg,
1 weithin gleichlautend an alle protestantischen Reichsstände adressiert, das die Umsetzung der Augsburger Beschlüsse forderte.
2 Die Adressaten hatten nach kaiserlichem Willen 20 Tage Zeit, zu dem übersandten Interim Stellung zu beziehen. Ein entsprechender Brief erreichte auch die Grafschaft
Mansfeld, die seit
1501 unter die Herrschaftslinien Vorder-, Mittel- und Hinterort aufgeteilt war. Graf
Albrecht VII. von Mansfeld-Hinterort hatte bereits im Jahre 1525 in
seinen Landen die Reformation eingeführt; als entschiedener Parteigänger Kurfürst
Johann Friedrichs hatte er auf ernestinischer Seite im Schmalkaldischen Krieg gekämpft und war nach der Niederlage
Johann Friedrichs der Reichsacht verfallen. Die übrigen Mansfelder Grafen, mit denen
Albrecht seit etlichen Jahren in zermürbenden Streitigkeiten gelegen
hatte,
3 annektierten
Albrechts Anteil an der Grafschaft.
4 Im Krieg hatten sie auf kaiserlicher Seite gestanden. In ihrer Antwort an den Kaiser vom 23. August 1548, die das zweite Stück in dem hier edierten Druck darstellt, zeigten sich die Mansfelder Grafen darum
bemüht, grundsätzlich an der evangelischen Rechtfertigungslehre festzuhalten, bei gleichzeitiger Kompromissbereitschaft im Bereich kirchlicher Zeremonien. Die Antwort des Kaisers auf die Mansfelder Stellungnahme, das erste in diesem Druck enthaltene
Stück, ist datiert auf den 19. Oktober 1548 und forderte die Umsetzung aller Bestimmungen des Interims, schlug die Mansfelder Kompromissangebote also aus. In ihrem neuerlichen Antwortschreiben
5 setzten die Mansfelder Grafen ihre kompromissbereite Linie fort, indem sie auf die Erfolge bei der Umsetzung des Interims hinwiesen. Die Lehrfragen fanden indes keine Erwähnung mehr. Gegenüber dem Kaiser wollten die Mansfelder Grafen sich gehorsam
zeigen, ohne in ihrem Territorium die geforderten Änderungen tatsächlich umsetzen zu können. Denn die Geistlichkeit der Mansfelder Grafschaften, allen voran der 1546 von allen Grafen gemeinsam berufene Superintendent
Johann Spangenberg, lehnte das Interim entschieden ab, auch wenn einzelne von ihnen sich nach den Leipziger Landtagsverhandlungen 1548/49
für Veränderungen im Bereich der Zeremonien offen zeigten. In der Folgezeit schloss sich Mansfeld an die albertinische Haltung
zum Interim an und konnte so den evangelischen Glauben behaupten, bis der Kaiser selber von seiner strikten Forderung abrückte,
das Interim in allen Punkten durchzusetzen.
Hinsichtlich des Druckes mit dem Titel „Der Grafen zu Mansfeld, so itzt das Land inne haben, auf die intimierte Deklaration des Interims Antwort und darauf gefolgt kaiserlich Widerschreiben“ sind grundsätzlich zwei Interpretationsebenen zu unterscheiden: Auf
der ersten Ebene geben die abgedruckten Texte als Ausschnitt der Korrespondenz zwischen Kaiser
Karl V. und den Grafen von Mansfeld Einblick in die Versuche einer kleinen Reichsstandschaft, dem Kaiser
gegenüber ihre Bereitschaft zu bekunden, das Interim umzusetzen, und zugleich die ablehnende Haltung vieler ihrer Untertanen ernstzunehmen. Auf diese Ebene werfen die im Anhang abgedruckten Briefe zusätzliches Licht.
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Eine zweite Ebene der Interpretation erschließt sich, wenn man die Tatsache der Veröffentlichung einer ihrem Charakter nach vertraulichen Korrespondenz in die Überlegungen einbezieht: Die Publikation erfolgt zwar kommentarlos, aber der Titel lässt
Rückschlüsse auf die Absichten und wohl auch auf die Identität des ungenannten Herausgebers zu: Die unnachgiebige Haltung des Kaisers wird vor Augen geführt, und vor allem soll die diplomatisch lavierende, nach Auffassung des Herausgebers wenig ehrenhafte,
im Zweifel das Bekenntnis verleugnende Haltung der „derzeitigen Inhaber der Grafschaft Mansfeld“ desavouiert werden.
7 Da die Veröffentlichung des grundsätzlich vertraulichen Briefwechsels nicht im Interesse des Kaisers, erst recht aber nicht im Interesse der unterzeichneten Mansfelder Grafen sein konnte,
8 ist zu vermuten, dass sie auf Veranlassung des Grafen
Albrecht VII. von Mansfeld-Hinterort erfolgte, da wohl keiner der in
Magdeburg versammelten Theologen über ähnlich
gute Kontakte zur Mansfelder Kanzlei verfügte wie der Graf.
9 Mit der gezielten Indiskretion beabsichtigte
Albrecht anscheinend
die vollständige Diskreditierung seiner Verwandten sowohl reichsweit wie auch im eigenen Territorium.
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Die vertrauliche Korrespondenz der Mansfelder Grafen mit dem Kaiser könnte wohl am ehesten durch Mansfelder Räte, die
Albrecht die Treue hielten, abschriftlich an ihn gelangt sein.
11 Dass
Albrecht geneigt war, das Mittel der Veröffentlichung zu nutzen, um seine Verwandten bloßzustellen, zeigt ein Druck, den
Albrecht wohl um die Jahreswende
1548/49 in
Magdeburg veröffentlichte.
12 1550 trat
Albrecht von Mansfeld in den Dienst der Stadt
Magdeburg, in der sich der Geächtete schon geraume Zeit gastweise aufgehalten
hatte,
13 und organisierte die Verteidigung der Stadt gegen die Belagerung durch
Moritz von Sachsen und dessen Truppen. Deshalb wurden er und seine Söhne erst mit dem Passauer Vertrag vom 2.
August 1552 wieder in ihre Rechte gesetzt.
2. Die Autoren
Das erste im Druck enthaltene Stück ist im Namen Kaiser
Karls V. ausgefertigt worden. Für den Mansfelder Brief zeichnen die Grafen von Mansfeld-Vorderort
Johann Georg in
Eisleben,
Johann Ernst in Heldrungen und
Johann Albrecht in Arnstein, sowie Graf
Gebhard VII. von Mansfeld-Mittelort.
Karl V., am 24. Februar 1500 in
Gent geboren, Herzog von
Burgund und König von Spanien, wurde 1519 zum
Kaiser des Heiligen Römischen Reiches Deutscher Nation gewählt. Seine Politik war bestimmt von Auseinandersetzungen um die Vorherrschaft in
Europa, der Abwehr der Osmanischen Vorstöße in Osteuropa und
Nordafrika und dem Ringen um den Erhalt der kirchlichen Einheit bei gleichzeitiger Reform der Kirche. Das Papsttum war dabei nicht selten Gegner statt Verbündeter. Auf seinem ersten Reichstag in
Worms
(1521) verhängte er über den vom Papst bereits mit dem Bann belegten
Luther die Reichsacht, bevor er
Deutschland für die nächsten neun Jahre verließ, um
Krieg mit dem französischen König
Franz I. um das Herzogtum
Burgund und die Vorherrschaft in Oberitalien zu führen. Am 24. Februar 1530 ließ sich
Karl V. in
Bologna durch den Papst zum Kaiser krönen, um seinen Anspruch auf Universalherrschaft zu betonen. Auf dem Reichstag in
Augsburg
(1530) hielt er die von den Protestanten eingereichte Confessio Augustana für widerlegt durch die altgläubige Confutatio. In der Folge verhärteten sich die konfessionellen Fronten. Der Schmalkaldische Bund entstand als evangelisches Militärbündnis.
Aufgrund der benötigten militärischen Hilfe der evangelischen Stände gegen die Osmanen kam es in der Folgezeit mit dem Nürnberger Religionsfrieden (1532) und dem Frankfurter Anstand (1539) zu befristeten
Duldungen der evangelischen „ Häresie“. Die Religionsgespräche in
Hagenau,
Worms und der Reichstag von
Regensburg
(1540/41) sollten dazu dienen, die Religionsproblematik durch das Mittel des Religionsgespräches zu entschärfen. Als auch dieser letzte Versuch scheiterte, den Dissens in der Religionsfrage durch friedliche Mittel
zu beseitigen, entschied sich
Karl V. nach dem Frieden mit
Franz I. in
Crépy (1544) zu einem militärischen Vorgehen gegen die evangelischen Stände.
Nach dem gewonnenen Schmalkaldischen Krieg (1546/47) versuchte der Kaiser auf dem geharnischten Reichstag in
Augsburg (1547/48)
dem Religionsproblem durch das Interim Herr zu werden. Doch auch dieser letzte Versuch
Karls V., die Einheit der Religion wiederherzustellen, scheiterte, als ihn eine reichsständische Opposition im Fürstenaufstand
von 1552 militärisch besiegte. Mit dem Passauer Anstand (1552) wurde die Geltung des Interims aufgehoben und der Augsburger Religionsfriede (1555) vorbereitet. Frustriert von der
nunmehr festgeschriebenen religiösen Spaltung im Reich, dankte
Karl V. 1555/56 ab und zog sich in die Nähe des spanischen Klosters
San Jerónimo de
Yuste zurück, wo er 1558 verstarb.
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2.2. Die Grafen von Mansfeld
Die unterzeichnenden Mansfelder Grafen gehörten allesamt den Herrschaftslinien Vorderort und Mittelort an, die sich am Schmalkaldischen Krieg auf kaiserlicher Seite beteiligt hatten. Graf
Albrecht VII. von Mansfeld-Hinterort
hatte auf ernestinischer Seite gekämpft, war der Reichsacht verfallen und leistete in
Verden und
Rotenburg/Wümme den kaiserlichen Truppen erbitterten Widerstand, bevor er
1549 nach
Magdeburg ging, um von dort aus den Kampf gegen den Kaiser fortzusetzen. Er blieb so naturgemäß ausgeschlossen von der direkten Mansfelder Korrespondenz mit dem Kaiser. Dies
hinderte ihn aber offenbar nicht, Einblick in die Korrespondenz durch Abschriften zu erhalten und diese dann zu publizieren.
Die Grafschaft
Mansfeld hatte sich ab 1525 mit dem öffentlichen Bekenntnis zur Reformation durch die Grafen
Albrecht VII. von Mansfeld-Hinterort und
Gebhard VII. von Mansfeld-Mittelort zu zwei Fünfteln dem evangelischen Glauben geöffnet. Nach dem Tod des Grafen
Hoyer VI. von Mansfeld- Vorderort bekannte sich
1540 auch diese Linie zur Reformation. Die Grafschaft
Mansfeld war damit vollständig evangelisch geworden. Da
Hoyer kinderlos verstorben war, traten die Kinder
seines Bruders
Ernst II. seine Nachfolge an. Mansfeld-Vorderort zerfiel so in sechs Linien.
Johann Georg I. von Mansfeld-Vorderort (1515–1579) war das elfte Kind
Ernsts II. und Stifter der Eislebischen Linie des Mansfelder
Adelshauses. Zunächst hatte er das Amt des Statthalters des Erzbischofs
Albrecht von Magdeburg versehen, bevor er Statthalter der Kurfürsten von Sachsen wurde. Er führte den evangelischen Glauben in seinem
Territorium ein. Im Schmalkaldischen Krieg stand er auf der Seite des Herzogs
Moritz von Sachsen.
Johann Ernst I. von Mansfeld-Vorderort († 1572),
das 22. und letzte Kind
Ernsts II., erhielt bei der Herrschaftsteilung von Mansfeld-Vorderort die Herrschaft
Heldrungen. Mit ihm begann und endete die Linie Heldrungen.
Johann Albrecht I. von Mansfeld-Vorderort (1522–1586), das 17. Kind
Ernsts II., war der Begründer der Arnsteinschen
Linie des Mansfelder Grafenhauses. Er war bereits 1544 zusammen mit Kaiser
Karl V. gegen den französischen König
Franz I. gezogen.
Gebhard VII. von Mansfeld-Mittelort (1478–1558), ab 1540 dienstältester Mansfelder Graf, hatte bereits im Jahre 1525
zusammen mit seinem Bruder
Albrecht VII. von Mansfeld-Hinterort die Reformation in seinem Territorium eingeführt und galt als persönlicher Freund
Luthers. Wegen Schulden wurde er eine
zeitlang seiner Herrschaft enthoben, im Jahre 1544 aber wieder eingesetzt.
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3. Inhalt
Der Druck enthält das Antwortschreiben der Mansfelder Grafen auf die kaiserliche Instruktion vom 30. Juni 1548 und die Antwort
Karls V. auf dieses Schreiben in umgekehrter, also nicht chronologischer
Reihenfolge. Die Mansfelder Grafen bedanken sich für den Empfang des kaiserlichen Interims und insbesondere dafür, dass dort festgehalten werde, dass die Rechtfertigung des Menschen durch sein Vertrauen auf das Verdienst Christi zustande komme. Ebenfalls
sei es sehr zu begrüßen, dass im Interim festgeschrieben werde, dass dieser Glaube durch die Liebe und in den guten Werken tätig und wirksam sei. Diese taktisch geschickte Interpretation des kaiserlichen Textes ermöglicht es den Grafen, an der bislang in ihren Landen
gepredigten Lehre festzuhalten. Sie wollten die Prediger aber noch einmal daran erinnern, die guten Werke neben dem Glauben in ihren Predigten nicht zu vergessen. Die Mansfelder Grafen nehmen mit Respekt die kaiserliche Sorge um die Einheit der
Kirche zur Kenntnis und wollen der Ordnung des Interims gemäß auch ihren Beitrag dazu leisten, indem sie die altkirchlichen Gesänge und Zeremonien wieder einführten, insofern sie dem Wort Gottes und dem Rechtfertigungsartikel gemäß sind. Sie weisen darauf
hin, dass viele dieser Zeremonien und Gesänge noch heute in den Mansfelder Grafschaften im Gebrauch seien. Die Oberhoheit der altgläubigen Bischöfe wird unter der Bedingung anerkannt, dass sie beim Aufbau der Kirche mithelfen und nicht zu ihrer Zerstörung beitragen.
Auch den Chorrock und den Kirchenschmuck vergangener Tage ist man bereit, wieder zu benutzen, sofern sie noch vorhanden sind. Die Mansfelder Grafen sind des Weiteren damit einverstanden, die im Interim genannten Feste wieder einzuführen, benutzen dabei aber
zugleich den Passus des Interims, dass der Aberglauben vermieden werden solle, als Kriterium für die Wiedereinführung altgläubiger Festtage. Die Grafen halten fest, dass es in ihren Landen niemals ein Verbot der Totenfürbitte oder des Heiligengebetes gegeben habe.
Allein an einem Punkt erweisen sich die ansonsten taktisch geschickt argumentierenden Mansfelder Grafen als kompromisslos: Der Messkanon könne unter keinen Umständen wieder eingeführt werden. Sie bitten den Kaiser, die Umstände in ihren Landen zu bedenken.
Der Großteil der Bevölkerung in den Mansfelder Grafschaften seien Bergleute, die nichts zu verlieren hätten. Sollte nun der Kanon in der Messe wieder eingeführt werden, so sei zu erwarten, dass ein Großteil der Bergleute das Land verlassen würde. Da die Grafschaften
aber von ihnen und ihrer Tätigkeit finanziell abhängig seien und dann ein Exodus von Predigern sowie Aufruhr zu erwarten sei, so bitten die Grafen den Kaiser um Nachsicht. Mit kaiserlicher Hilfe könne man zwar einen etwaigen Aufstand in der Bevölkerung niederschlagen,
doch einen Ersatz für die geflohenen Bergleute sei nur schwer zu bekommen. Die Mansfelder Grafen bitten den Kaiser um Geduld und Nachsicht dafür, dass sie den Kanon nicht wieder einführen können.
Von Nachsicht ist im Antwortschreiben des Kaisers indes nichts zu spüren. Er besteht darauf, dass das Interim in allen Punkten umgesetzt wird, also auch auf der Wiedereinführung des Messkanons. Er weist die Mansfelder Grafen auf die Einmütigkeit der Stände hin, die das Interim
beschlossen hätten, und fordert die Grafen auf, nicht von diesem Konsens abzuweichen. Darüber hinaus sollten die Mansfelder Prediger dazu ermahnt werden, nicht gegen das Interim zu reden, zu predigen oder zu schreiben.