1. Titel
2. Verfasser und Verleger
Das anonym publizierte Werk wurde bei Quirin Heil verlegt.
3. Publikation
3.1. Erstdruck
Erschienen 1686 bei Quirin Heil in Würzburg. Heil war hier als Buchhändler und Verleger tätig.
Standorte des Erstdrucks
3.2. Weitere Ausgaben
Eine zweiteilige Fortsetzung erschien in Köln im Jahr 1688 unter dem Titel Theatrum Novum politico-historicum. Continuatio Prima.
3.2.1. Digitale Ausgabe
- Wolfenbüttel: Herzog August Bibliothek 2009 (= Theatrum-Literatur der Frühen Neuzeit). Vorlage: Exemplar der Herzog August Bibliothek Wolfenbüttel, Sign. Xb 6144. [opac]
4. Inhalt
Der anonyme Autor eröffnet das Theatrum Novum Politico-Historicum mit gängigen Reflexionen: Programmatisch streicht die knappe Vorrede zunächst den Nutzen von Historien für die „Subtilisierung des Verstandes“ hervor. Chronologisch kompakt und zeitnah-aktuell umfasst das Theatrum Novum Politico-Historicum allein die Ereigniskette der ersten sechs Monate des Jahres 1686. Zunächst, so der Autor, soll ein Kernkapitel des zeitgenössischen europäischen Geschehens im Mittelpunkt stehen: 1686 wurde Ungarn nach langer Türkenherrschaft von kaiserlichen Truppen zurückerobert. Daneben verspricht der Autor Aufschluss über politische Arkana („die heimliche maximen, das eigentliche interesse und die politische Staats-Gründe hoher Potentaten“, Vorrede, unpag.) und andere Kernereignisse wie die französische Hugenottenverfolgung. Gewissermaßen als Supplement werden klassische, nicht-politische Sensationsstoffe wie Unglücksfälle, Gespenstererscheinungen und weitere Wunder nachgeschoben. Ebenso kündigt der „Autor“ (Vorrede, unpag.) auch eine Fortsetzung des Werkes an.
Das Werk schreitet „Erzehlungs-weise“ (S. 1) und in jeweils zehn Kapitel gestaffelt die Ereignischronologie der Monate ab. Der Auftakt erfolgt im ersten Kapitel mit dem ungarischen Konfliktszenario von Christen und Türken. Dabei verhehlen bereits die Marginalien entlang des Fließtextes kaum die Parteilichkeit des Chronisten, wenn er die Türken als „durch die Hülff Gottes [...] vertrieben“ (S. 2) darstellt. Teils folgt die Rekonstruktion der Ereigniskette sogar im Tagesrhythmus, wobei jenseits der Haupt- und Staatsaktionen nicht nur Informationen über Rekrutengelder, sondern selbst Rituale wie die kaiserliche Wildschweinjagd vom Autor für berichtenswert gehalten werden. Schon im zweiten Kapitel wird die Darstellung politischer Geschehnisse jedoch durch eine umfängliche, etwa zwanzig Seiten lange geographisch-historische Passage unterbrochen, um das Publikum imaginär mit dem ungarischen Territorium vertraut zu machen: So werde „vielleicht dem günstigen Leser nicht zuwider seyn/ [...] einen weitläuffigen Entwurff von besagtem Königreich vor Augen zu stellen“ (S. 12). Ungarn selbst sei nicht weniger als „einem irdischen Paradeiß gleich“ (S. 17), reich an Wein, Salzbergwerken und Flüssen. Weiter berichtet der Autor über die ungarische Gerichtsbarkeit, das „geistliche Regiment“ (S. 24), heraldische Tradition, Kleidung, aber auch über drastische Arten der Feindesexekution.
Nach diesem Ungarnexkurs kehrt der Historiograph zurück zur Chronik. Dabei werden nicht nur angebliche Privatbriefe in die Narration eingebunden, sondern auch publizierte Manifeste und „Türkische Geschichten“ (S. 37) auf Seiten des Gegners, die der Autor „wegen der vielen ominösen Umbstände diesen Schrifften mit einverleiben“ (S. 40) will. Das dritte Kapitel wendet den Blick wieder zurück auf die Ereignisse im Reich – die Chronologie folgt dabei der Ordnung der Reichskreise und hält sich erneut nicht uneingeschränkt an das kriegerische Hauptgeschehen, das hier punktuell durch klassische Sensationstopoi ersetzt wird. So wird aus Sachsen berichtet, dass sich zwei Vierundneunzigjährige ein zweites Mal haben trauen lassen; auch Einlassungen über Naturkatastrophen und Prodigien wie denkwürdige Luftfahrten sind nicht selten. Das vierte Kapitel wendet sich den „Zufällen“ (S. 60) in Frankreich und Portugal zu; hier dominieren minutiös detaillierte Berichte über die erneute Hugenottenverfolgung in Folge des Widerrufs des Ediktes von Nantes. Ereignisse in Spanien und Portugal werden in zwei kurzen Absätzen am Ende des Kapitels lediglich nachgeschoben.
Das fünfte Kapitel „Begreiffet die Königl. Engell- Schott- und Irr-ländische Novellen“ (S. 86). Generalisierend heißt es hier zum Auftakt mit Anspielung auf die Englische Revolution: „Ist ein Reich unter der Sonnen zu finden/ so in diesem Seculo mehrern einheimischen Unruhen unterworffen gewesen/ so ist es warlich das Königreich Engelland“ (S. 86). Auch dem sechsten Kapitel über schwedische und dänische Ereignisse wird eine orientierende Eingangsbemerkung über die ‚politische Großwetterlage‘ vorangestellt: „Die König von Schweden und Dennemarck […] seynd sie gar weit voneinander unterschieden/ dann ein jeder suchet sein particular-Interesse und sein Reich zu erweitern [...]“ (S. 93). Das siebte Kapitel rückt in der Landkarte nach Osten und „Schreibt von Königl. Pohlnischen/ Moscowittisch. Tartarisch. auch wohl Türckischen Hoff- und Kriegshändlen“ (S. 97), bevor das achte die Aufmerksamkeit nach Italien lenkt, darunter auch die „Päbstliche Geschichten“ (S. 111). Das neunte Kapitel wechselt zu den niederländischen Provinzen; das zehnte überschreitet schließlich den europäischen Bezugsrahmen und „Handelt [...] von deme/ was aus den 3. Welt-Viertheiln von Asia, Africa und America diesen Monat denckwürdiges eingekommen ist“ (S. 129). Angesichts der „Entlegenheit“ (S. 131) dieser Regionen bittet der Autor um Nachsicht dafür, dass die Nachrichten in diesem Fall älteren Datums sind. Entsprechend gering ist auch die Berichtsdichte. Für den Monat Februar bis Juni wiederholt der Autor das Muster der zehn Kapitel weitgehend identisch, erneut beginnend mit den „Kaiserlichen Geschichten“ (S. 134).
5. Kontext und Klassifizierung
Den allgemeinen ereignisgeschichtlichen Kontext für einen Berichtsschwerpunkt des Werks bildet der ‚Große Türkenkrieg‘ (1683 bis 1699), in dem das Osmanische Reich Wien im Jahr 1683 nach 1529 ein zweites Mal belagerte und zu erobern versuchte; den punktuellen Hintergrund markieren hier die Ereignisse nach der gescheiterten Belagerung – eine kaiserliche Gegenoffensive drängte die Türken sukzessive aus dem Territorium des Königreichs Ungarn zurück. Diese Schlüsselereignisse bilden im Theatrum Novum Politico-Historicum jedoch nur den Rahmen für ein gesamteuropäisches Panorama der wesentlichen politischen, diplomatischen und militärischen Geschehnisse in den ersten sechs Monaten des Publikationsjahres 1686. Mit dieser fast tagesaktuellen Zeitnähe erweist sich das Theatrum Novum Politico-Historicum als ein paradigmatischer Vertreter der seriellen Chronik, die durch ihre Abhängigkeit vom neuen Medium der periodisch-gedruckten Zeitungen im 17. Jahrhundert einen signifikanten Popularitätsschub erlebte: Aufgrund der gesteigerten, beschleunigten und regelmäßig getakteten, also periodischen Verfügbarkeit von Nachrichtenmaterial setzten viele Gattungen und Wissensformen schon bald nach der Institutionalisierung der Zeitung auf eine produktive Zweitverwertung von deren Stoffen – es sind die schon im Titel des Theatrum Novum Politico-Historicum genannten „Advisen“, ein Begriff, der synonym zu ‚Zeitung‘ oder ‚Relation‘ gebraucht wurde. Ihre Funktion im Mediensystem war dabei eine komplementäre: Während sich die Zeitungen des 17. Jahrhunderts weitgehend auf die redaktionell unbehandelte und chronologische Reihung von Nachrichtenbriefen beschränkten, nahmen sich andere, zwischen Serialität und Periodizität stehende Medien der nachträglichen kommentierten Verdichtung und Ordnung der gesammelten Nachrichten an. Da die Zeitungen lediglich die Nachrichten lieferten, boten sie die vertiefende Reflexion und Orientierung. Das waren die ersten historisch-politischen Zeitschriften wie der Götter-Both Mercurius (Nürnberg 1674), aber auch monumental umfänglichere, serielle Chroniken wie das Theatrum Europaeum (Frankfurt/Main 1633-1738). Jene auf dem Nachrichtenmaterial basierenden Chroniken und Jahreschroniken standen damit zwischen dem noch jungen Tagesjournalismus und der Geschichtsschreibung; anders formuliert, konnte man in ihnen beobachten, wie aus Nachrichten Geschichte wurde. Im Theatrum Novum Politico-Historicum zeigt sich diese Funktion solcherart, dass der Autor das Material einerseits in eine – gegenüber den Nachrichten der Zeitungen (aber auch anderer Quellen) – narrative Form bringt und es andererseits um kontextualisierende und generalisierende Rahmenkommentare ergänzt. Ihre wesentliche Aufgabe ist die Orientierung mittels Wertung zu stiften, die der ‚objektive‘ Informationsjournalismus der Zeitungen gerade nicht bot. Strukturell sieht das im vorliegenden Theatrum Novum Politico-Historicum meist so aus, dass der Autor der narrativen Reihung der Ereignisse den, wie er es formuliert, allgemeinen „Eingang“ in die Geschichte des Berichtsmonats voranstellt. Dabei handelt es sich überwiegend um orientierende Gemeinplätze bezüglich der politischen Situation in Europa: „Wann der jetzt regirende König von Pohlen [...] souverain wäre/ möchte man ihn billich unter die mächtigste Potentaten von Europa zehlen [...]“ (S. 97). Nicht immer wird der Leser vom Autor jedoch mit einer bequemen Einstufung und Wertung der Ereignisse versorgt – „[...] was die Bedeutung ist/ lehret die Zeit“ (S. 94), heißt es andernorts.
In summa zeigt sich das Theatrum Novum Politico-Historicum nicht nur als chronikalischer Schauplatz; ebenso integriert der Autor Topoi und Elemente der kosmographisch-geographischen Literatur, etwa durch kurze Passagen mit Städte- und Länderbeschreibungen. So entsteht ein dichtes Tableau der europäischen Zeitgeschichte, das in zeittypischer Tonalität die „Curiosität“ des Lesers befriedigen möchte – partiell gehören dazu auch klassische Sensationstopoi wie Gewalt und Wundererscheinungen. Wahrscheinlich bedingt durch die relativ zeitnahe Publikation des Werks mangelt es allerdings an einem Register als Lektüreschlüssel.