Einführung

Hiob Ludolf: Schau-Bühne der der Welt
Flemming Schock

1. Titel
[arrow up]

Allgemeine Schau-Bühne der Welt/ Oder: Beschreibung der vornehmsten Welt-Geschichte/ So sich vom Anfang dieses Siebenzehenden Jahr-Hunderts Biß zum Ende desselben/ In allen Theilen des Erd-Kreisses/ zumahlen in der Christenheit/ Sonderlich in unserm Vatterland Dem Römischen Reiche/ Nach und nach begeben; Aus beglaubten Geschicht-Schreibern und bewährten Uhrkunden treulich zusammen getragen/ auch Zu deß Lesers besserm Unterricht Mit verschiedenen Politischen Anmerckungen erläutert; ingleichen Mit vielen schönen Kupffer-Figuren/ auch grosser Potentaten und Herren Bildnüssen gezieret; Nicht weniger mit gnugsamen Summarien/ Marginalien/ und einem vollständigen Register versehen; von einem Mit-Glied des Collegii Imperialis Historici. Franckfurt am Mayn/ Verlegt von Johann David Zunnern/ Buchhändlern. Anno MDCXCIX. Frankfurt/Main: Johann David Zunner, 1699. - Bd. 1: Titelseite (Kupfertafel), 609 pag. Sp., 24 Ill., 2°. - Bd. 2: Titelseite (Kupfertafel), 1744 pag. Sp., zahlr. Ill., 2°. - Bd. 3: Titelseite (Kupfertafel), 1462 pag. Sp., zahlr. Ill., 2°. - Bd. 4: Titelseite (Kupfertafel), 1692 pag. Sp., zahlr. Ill., 2°. - Bd. 5: Titelseite (Kupfertafel), 476 pag. Sp., zahlr. Ill., 2°. [opac ↗606630597] [vd17 ↗23:298342H]

2. Verfasser
[arrow up]

Hiob Ludolf (Leutholf) (1624-1704), Universalgelehrter, Polyhistor, Orientalist und Begründer der Äthiopistik als wissenschaftlicher Disziplin; soll 25 Sprachen beherrscht haben. Von 1639 an besuchte der Sohn eines Erfurter Ratsherrn die hiesige Universität, an der er sich für Medizin und Jura einschrieb. Früh kristalisierte sich jedoch Ludolfs Leidenschaft für orientalische Sprachen heraus, insbesondere für das Äthiopische. Aufgrund mangelnder Vorarbeiten erarbeitete Ludolf eine vertiefte Grammatik der äthiopischen Sprache. Gegen 1645 beendete er sein Jurastudium, um in Leiden unter anderem das Studium des Hebräischen, Persischen und Arabischen aufzunehmen. Ab 1648 folgte zunächst eine Hauslehrertätigkeit in Paris und diverse Reisen (unter anderem nach Rom), auf denen er seine äthiopischen Studien vertiefen konnte. Ab 1651 kehrte Ludolf nach Erfurt zurück und trat in den Dienst des Herzogs zu Sachsen-Gotha und Altenburg. Ludolf setzte seine Arbeit an einem Lexikon der äthiopischen Sprache fort, das 1661 erstmals erschien. 1658 wurde er zum Hofrat ernannt. 1676 schied er nach dem plötzlichen Tod seiner Frau aus dem Dienst aus und zog nach Frankfurt, um sich dort ausschließlich nur noch seinen äthiopischen Studien zu widmen. Dank diverser diplomatischer Aufträge reüssierte Ludolf 1679 noch zum Reichshofrat. Daneben unterhielt er eine umfassende Korrespondenz zu führenden Geistern seiner Zeit, unter anderem mit Leibniz. Zu den wichtigen wissenschaftlichen Werken Ludolfs zählt die zweite Auflage des Lexikons des Äthiopischen Hoc est: Jobi Ludolfi Lexicon Aethiopico-Latinum (1699) sowie die 1702 erschienene Grammatik des Äthiopischen Iobi Ludolfi Grammatica Aethiopica – beide blieben Standardwerke bis ins 19. Jahrhundert. Als Vorsitzender des 1687 gegründeten Collegium imperiale historicum gab er die ersten beiden Bände der „Schau-Bühne“ heraus. Nach Ludolfs Tod 1704 kompilierten zwei weitere Verfasser die übrigen drei Teile der Allgemeinen Schau-Bühne: Den dritten Band verfertigte der Geograph, Historiker und Bibliothekar Christian Juncker (1668-1714). Obwohl dieser 1714 starb, wird er auch noch als Verfasser des erst 1718 erschienenen vierten Bandes geführt. Hier vermerkt die Vorrede allerdings, dass Juncker vor seinem Tod nur noch die Beschreibung des Berichtsjahres 1669 vollenden konnte – der vierte Band umfasst die Jahre von 1663 bis 1675. Als letzter Verfasser wird der Theologe Johann Georg Pritius (1662-1732) geführt, der nur ein Jahr nach Veröffentlichung des letzten Bandes der Allgemeinen Schau-Bühne starb.

3. Publikation
[arrow up]

3.1. Erstdruck
[arrow up]

1699 erschienen in Frankfurt/Main bei Johann David Zunner. Die Frankfurter Offizin verlegte auch den zweiten Teil der Allgemeinen Schau-Bühne (1701) und nach Ludolfs Tod auch noch den dritten (1713) und vierten (1718) Teil, gemeinsam mit Johann Adam Jung. Den fünften und letzten Teil, erschienen 1718, besorgte Jung alleine.


Standorte des Erstdrucks

3.2. Weitere Ausgaben
[arrow up]

3.2.1. Mikroform-Ausgabe
[arrow up]

3.2.2. Digitale Ausgaben
[arrow up]

4. Inhalt
[arrow up]

In klassisch annalistischem Zuschnitt bietet Ludolfs Allgemeine Schau-Bühne der Welt einen auf insgesamt fünf Bände verteilten Rückblick über das jährliche Weltgeschehen im 17. Jahrhundert – da der erste Band im letzten Jahr des Säkulums erschien, wird sich das Projekt als bilanzierende Chronik des gesamten Jahrhunderts verstanden haben. Auch wenn im Titel von Welt-Geschichte die Rede ist, macht Ludolf zu Beginn der konzeptionellen Vorrede zum Werk deutlich, dass „[...] vornehmlich die Teutschen/ und nechst diesen alle andere Welt-Geschichte dieses gegenwärtigen Jahrhunderts [...]“ (Bd. 1, Vorrede, unpag.) im Fokus steht – kein Zufall, schließlich handelt es sich bei der Allgemeinen Schau-Bühne der Welt um ein Auftragswerk des kaiserlichen Collegium Imperiale Historicum. Von der Nüchternheit des Chronisten kann auch keine Rede sein, denn der Autor verhehlt kaum, dass es um die Verherrlichung deutscher Geschichte im Allgemeinen und des Kaisertums im Besonderen geht.

Als Chronist, der in der Lage ist, das gesamte Jahrhundert zu überblicken, zieht Ludolf zu Beginn, in seiner „Summarischen Vorstellung“, zunächst eine Bilanz des bewegten ‚eisernen Saeculum‘ und des weltgeschichtlichen Ereignispanoramas: So werde man „nicht leicht grössere Abwechselung des Krieges und des Friedens: noch grössere Verwandelung der Regimenter und Herrschaften/ als in gegenwärtigem Siebenzehenden Jahr-Hundert finden [...]“ (Bd. 1, Vorrede, unpag.). In der Einleitung äußert sich Ludolf zum angelegten historiographischen Ordnungsmuster: Zeitgenössischen Mustern entsprechend, wird das Material dabei nicht nur dem chronologischen Dispositionstyp unterstellt, sondern auch einem geographischen – wobei der hierarchische Auftakt in Italien noch mit der päpstlichen Autorität legitimiert wird. Dass seine Chronik an den geographischen Rändern Europas ausdünnt, bittet Ludolf schließlich mit einem topischen Argument zu entschuldigen: „In Americken sind wir selten oder gar nicht kommen/ denn die im Lande tieff wohnende Völcker mehr dem Viehe/ als den Menschen gleichen/ und also nichts Merckwürdiges von sich zu schreiben geben“ (Bd. 1, Vorrede, unpag.).

Den einzelnen Büchern stehen zur handbuchartigen Orientierung des Lesers die „Summarien“ voran, die die jährlichen Ereignisse auf einer weiteren Gliederungsebene in Kapitel unterteilen. Auf meist nur wenigen Seiten werden konzise und episodenhaft die Hauptereignisse des jeweiligen Jahres abgehandelt – auf Italien folgen das Reich, dann Frankreich, Spanien, Portugal; auf die Türkei folgt Persien. Bedingt durch die Quellen und Gattungsstandards überwiegt in Ludolfs Allgemeiner Schau-Bühne der Welt die Entfaltung von politisch-militärischen Ereigniszusammenhängen. ‚Merkwürdigkeiten‘ und klassische Sensationsthemen anderer Provenienz spielen nur eine marginale Rolle. Als Epilog werden sie am Ende des jeweiligen Berichtsjahres unter dem Titel „Von Todesfällen und natürlichen Begebenheiten“ – gemeint sind etwa die im 17. Jahrhundert allgegenwärtigen Naturkatastrophen – nachgeschoben. Generell gilt: Je weiter sich der Chronist vom europäischen Zentrum entfernt, desto knapper wird die Darstellung der Ereignisse; sie beträgt in den meisten Fällen lediglich eine halbe Seite. Vor allem hier bezieht Ludolf seine Kenntnisse aus führenden Reiseberichten der Epoche, etwa aus Joan Nieuhofs (1618-1672) erfolgreicher Beschreibung Chinas Het Gezandtschap der Neêrlandtsche Oost-Indische Compagnie (1665) (auf Deutsch erstmals 1666). Die Ereignisgewichtung wird einerseits durch den Einsatz von nicht selten dramatischen Kupferstichen unterstrichen, andererseits durch Aufmerksamkeitslenkung mittels flankierender Marginalien. Teilweise gibt Ludolf im Fließtext selbst bibliographische Hinweise zur weiterführenden Lektüre. Ein umfängliches alphabetisches Register dient als Lektüreschlüssel. Am Schluss des ersten Bandes weckt Ludolf Interesse an der Fortsetzung der Weltchronik – schließlich „[...] war Europa nicht ruhig“ (Bd. 1, Sp. 608f.).

Der zweite Teil der Allgemeinen Schau-Bühne der Welt ist, wie Ludolf in der Vorrede betont, „[...] dem ersten in Einrichtung der Capitel und Verhandlung der Materien allerdings gleich“ (Bd. 2, Vorrede, unpag.). Erneut verweist er auf die arbeitsökonomischen Schwierigkeiten des Chronisten, der das gesamte Weltgeschehen auf die Bühne bringen möchte: „Hier aber/ da die Geschichte so viel und mancherley unter einander lauffen/ die Geschichtschreiber offt Jahre und Zeiten nicht wohl unterscheiden/ auch die Sprachen different sind/ ist es schwer etwas vollkommenes heraus zu geben“ (Bd. 2, Vorrede, unpag.). Der dritte Teil umfasst die Jahre von 1651 bis 1663, der vierte Teil die Jahre von 1663 bis 1675, der fünfte Teil die Jahre von 1675 bis 1688. Ludolfs Projekt, eine Chronik des gesamten 17. Jahrhunderts zu liefern, blieb damit auch postum unvollendet.

5. Kontext und Klassifizierung
[arrow up]

Ludolfs Allgemeine Schau-Bühne der Welt steht im Kontext einer Gattung, die im 17. Jahrhundert dank der Entstehung neuer Pressemedien eine beispiellose Blüte erlebte: der Chronistik. Denn während sich chronologische Darstellungen zeitgenössischer Ereignisse neben anderen Quellen zuvor nur auf handgeschriebene Zeitungen und erste Messrelationen stützen konnten, schuf die Revolution des Kommunikations- und Nachrichtenwesens durch die ersten periodisch gedruckten Zeitungen seit Beginn des Jahrhunderts eine gänzlich neue Quellen- und Informationsgrundlage. Chronisten, denen an einer retrospektiven Zusammenschau der Ereigniskette vergangener Jahre gelegen war, konnten fortan auf die enorme Materialfülle einer explosiv wachsenden Zeitungslandschaft zurückgreifen und diese in ihren Darstellungen ‚recyclen‘. Besonders erleichtert wurde jener Verwertungsprozess auch durch die Entstehung einer weiteren Pressegattung des 17. Jahrhunderts: Zeitungsextrakte kondensierten in Buchform das Nachrichtenmaterial der Zeitungen; damit waren sie ideale Steinbrüche gerade für jene, die im Prozess chronikalischer Zweitverwertung aus Nachrichten Geschichte machten. Seriell-publizistische Jahrhundertprojekte wie das Theatrum Europeaum wären ohne den Fundus der periodischen Zeitungen undenkbar gewesen. Angesichts dieser quellengeschichtlichen Relevanz ist bemerkenswert, dass kaum eine größere Chronik des 17. Jahrhunderts die von ihr genutzten Zeitungen oder Zeitungsextrakte explizit nennt. Auch Ludolf tut dies nicht, er spricht lediglich von ‚Relationes‘ oder ‚Relationen‘ als Quellen der entwickelten Ereignisse.

Als aufschlussreich für die Wissensarchitektur, Konzeption und Kontext von Ludolfs Chronik zeigt sich die konzeptionelle „Vorrede an den Günstigen Leser“: Zunächst unterstreicht der Autor in stilisierender Form die unabdingbaren Voraussetzungen für einen Jahrhundertchronisten: Vielfältige Belesenheit und die „Wissenschafft der Europaeischen Sprachen“ (Bd. 1, Vorrede, unpag.) – eine Prämisse, die Ludolf, der rund zwei Dutzend Sprachen beherrscht haben soll, zweifellos mustergültig erfüllte. Als ein wichtiges Argument erweist sich anschließend die intendierte Funktion als informatives Nachschlagewerk, oder anders: Im Horizont zeitgenössischer Wissensliteratur, in der der ‚information overload‘ bereits zunehmend als Problem wahrgenommen wurde, denkt Ludolf seine Chronik als Beitrag zum kompakten Wissensmanagement. So gehe es nicht um „eine umbständliche Beschreibung aller und jeder Geschichte [...]/ sondern nur um einen summarischen Bericht“ (Bd. 1, Vorrede, unpag.). Nichtsdestoweniger könne der Leser sicher sein, „die wahren Ursachen der wichtigsten Begebnisse zu erfahren“ (Bd. 1, Vorrede, unpag.) – sehr konzise ist hier die komplementäre Funktion der Chronistik gegenüber dem Zeitungsmedium angerissen. Während das Objektivitätspostulat der Zeitungsredakteure des 17. Jahrhunderts dazu führte, dass das Nachrichtenmaterial unkommentiert in chronologischer Reihung abgedruckt wurde, ergänzte die Chronik die noch einmal ‚aufgekochten‘ Zeitungsnachrichten um die Kernfunktionen des Kommentars und der nachträglichen Kontextualisierung. „Mit unterschiedlichen Politischen Anmerckungen“ heißt es auf dem Titelblatt von Ludolfs Werk. Diese Anmerkungen lieferten das Hintergrundwissen vor allem für die Welt des Politischen, um schließlich „verstehen“ zu können: „Als wodurch man den gegenwärtigen Zustand von Europa [...] ziemlicher massen wird verstehen können“ (Bd. 1, Vorrede, unpag.). Die mediale Komplementarität im Zusammenhang von Geschichte und Nachricht macht Ludolf explizit: „Die Italiäner sonderlich erfordern von einem guten Historico, daß er sein Judicium zuweilen mit beybringe/ sonst meynen sie er differire wenig von einem Zeitungs-Schreiber“ (Bd. 1, Vorrede, unpag.). Und noch deutlicher in der Vorrede zum zweiten Band: „[...] denn dieses wird von einem guten Historico erfordert/ daß er nicht nur bey der blossen Erzehlung der Geschichte bleibe/ wie in den Zeitungen geschieht/ sondern gute Lehren mit untermenge/ die den Leser [...] zum Nachdencken und Warnung veranlassen mögen“ (Bd. 2, Vorrede, unpag.). Sobald die Allgemeine Schau-Bühne der Welt solcherart ihre Funktion als instruierendes Ergänzungsmedium übernommen hat, will Ludolf seine Leser zur vertiefenden Lektüre „an die Particular-Geschicht-Schreiber einer und andern Nation“ (Bd. 1, Vorrede, unpag.) weiter verwiesen sehen – mit Einschränkung allerdings, denn durch seine „Judicia“, die Beurteilung „von Politischen Händeln“ zeichne er, Ludolf, sich vor anderen Chroniken aus. Und somit ermögliche erst sein Werk den „[...] vornehmsten Zweck in Lesung der Historien“ (Bd. 1, Vorrede, unpag.) – die Erlangung von „Prudenz“ (Klugheit). Doch auch an die Unterhaltungsansprüche des ‚curiosen Lesers‘ macht Ludolf schließlich ein Zugeständnis.

Besonders beachtlich ist, dass es die Thematisierung der Chronikquellen nicht bei den gängigen quellenkritischen Bekundungen belässt. Vielmehr eröffnet Ludolf den legitimatorischen Zusammenhang von Geschichtsschreibung und Plagiatsdiskurs: Wie sich historische Darstellungen nicht lediglich aus dem individuellen Erfahrungsschatz speisen könnten, „so besorget sich unser Autor dißfals keines Vorwurffs eines plagii Literarii, als welches nur statt hat in Fällen/ da einer eines andern neue Erfindungen [...] für seine eigene ausgibt/ und dadurch einige Ehre zu erjagen sucht. Geschichte aber müssen nothwendig aus andern Autorn genommen werden“ (Bd. 1, Vorrede, unpag.). Zur Verdeutlichung bedient sich Ludolf der Metapher des Steinbruchs. Bemerkenswert ist ferner, dass die Allgemeine Schau-Bühne der Welt dezidierten Popularisierungsabsichten des Wissens folgt: Ludolf setzt in der Reflexion über seine „Schreib-Art“ auf „Gelehrte und Ungelehrte/ hohe und niedrige Stands-Personen“ (Bd. 1, Vorrede, unpag.). Seine Chronik möchte also ein sozial wie intellektuell disperses Publikum ansprechen.

Die Debatte über das Verhältnis zu den Quellen hat es bereits angedeutet: Wie der Großteil der übrigen Theatrum-Literatur auch basiert Ludolfs Allgemeine Schau-Bühne der Welt auf der Kompilation verschiedener Prätexte. Nicht unbedingt typisch ist allerdings die partiell kommentierte Bibliographie, die Ludolf dem eigentlichen Text voranstellt. „Meteranus“ (Emmanuel van Meteren, 1535-1612) etwa sei „[...] ein guter Geschicht-Schreiber [...]“ (Bd. 1, Vorrede, unpag.) gewesen. Und noch einmal kommt hier die für die Chronistik strukturell wichtige Rolle der Zeitungen zur Sprache. So habe ein Nachfolger nach Meterens Tod „aus denen Zeitungen/ und denen heraus gekommenen particulare relationen seine Beschreibungen zusammen getragen“ (Bd. 1, Vorrede, unpag.) – eine Mühe also, der sich Ludolf aufgrund derartiger Vorarbeiten nicht mehr unterziehen muss. Bezeichnend für die eklektische Quellenmixtur der Allgemeinen Schau-Bühne der Welt ist, dass der Verfasser seinen Text nicht nur auf der Grundlage von Zeitungsmeldungen und älteren Geschichtsdarstellungen verfasst, sondern gerade für die selteneren Passagen über außereuropäische Weltgegenden auf bekannte Autoren aus der Gattung der Reiseberichte (und ihrer Kompilationen) – wie Adam Olearius und Olfert Dapper – zurückgreift. Interessant ist zudem, dass unter den genannten Quellen nur ein weiteres publizistisch-chronikalisches Großprojekt auftaucht, das Diarium Europaeum (1659-1683), nicht aber das viel prominentere Theatrum Europaeum (1633-1738). Lediglich im Fließtext (Bd. 2, Sp. 96) liefert Ludolf, vor allem ab dem zweiten Band, wiederholt Referenzen auf die Jahrhundert-Chronik. Er zitiert aus ihr, plagiiert den Text jedoch ebenso wenig wie die hervorragenden Kupferstiche des Theatrum Europaeum. Die Kupferstiche der reich bebilderten Allgemeinen Schau-Bühne der Welt, die ebenfalls von auffällig hoher Qualität sind, ließ Ludolf offenbar exklusiv anfertigen: ein Umstand, auf den er mit der Nennung des „berühmten Kupfferstecher Romain de Hoogh“ (1645-1708) (Bd. 1, Vorrede, unpag.) ausdrücklich verweist.

Insgesamt dürfte die Leistung Ludolfs im Kontext der Chronistik hoch zu veranschlagen sein. Die Allgemeine Schau-Bühne der Welt spielt die Vorteile kompilatorischer Literatur voll aus. Statt vieler und gerade auch fremdsprachiger umfänglicher Geschichtsdarstellungen brauchte der Leser zur konzisen Information über das Weltgeschehen des 17. Jahrhunderts nur noch ein einziges Buch. Insofern setzt das Werk die Implikationen der titelgebenden Schaubühnenmetapher beispielhaft um – es bietet einen geschickt reduzierten, panoramaartigen Überblick das historische Wissen der Zeit. Und mehr noch: Deutlicher als etwa das Theatrum Europaeum sensibilisiert Ludolf bereits für die Relativität des Beobachterstandpunktes, indem er auf Widersprüche in den Quellen hinweist. In diesem Bewusstsein zeigt sich die Allgemeine Schau-Bühne der Welt bereits als tendenziell frühaufklärerisch gefärbt. Schließlich geht es mit der Kritik auch darum, sich gegenüber der erfolgreichen Konkurrenz zu positionieren: Selbst vor einer Kritik des Theatrum Europaeum, in dem Dinge „unrecht vorgegeben“ (Bd. 2, Sp. 131) würden, schreckt Ludolf nicht zurück.

6. Rezeption
[arrow up]

Popularität und Grad der Verbreitung von Ludolfs Allgemeine Schau-Bühne der Welt lassen sich lediglich mit Vorbehalt aus einige punktuellen Rezeptionszeugnissen ableiten. Ob sich über die Exlibris-Vermerke Aussagen zur Rezeption machen lassen, bleibt natürlich fraglich: Der zweite Teil von Ludolfs Allgemeine Schau-Bühne der Welt stammt aus der Sammlung der Herzogin Elisabeth Sophie Marie (1683-1767).

7. Bibliographische Nachweise und Forschungsliteratur
[arrow up]

XML: http://diglib.hab.de/edoc/ed000037/tei-introduction.xml
XSLT: http://diglib.hab.de/rules/styles/projekte/theatra/tei-introduction2.xsl