Einführung

Johann Stridbeck: Curioses Staats und Kriegs Theatrvm Dermahliger Begebenheiten im Tyrol
Nikola Roßbach

1. Titel
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Curioses Staats und Kriegs Theatrvm Dermahliger Begebenheiten im Tyrol durch Unterschiedliche Geographische, Hydrographische, Topographische, Chronologische, Genealogische, Historische &c. Carten, Abrisse, und Tabellen Erlæutert und zu Bequæmen Gebrauch Ausgefertiget. Avgspvrg Iohann Stridbeck Iunior fecit et excudit. Cum Gratia et Privilegio Sacræ Cæsari Majestatis. Augsburg: Stridbeck, [ca. 1700]. - Titelblatt (Kupfertafel), 19 Ill. (Kupferstiche), 7 Karten (Kupferstiche), quer-4°. [opac ↗621247049] [vd17 ↗14:696895R]

2. Verfasser
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Johann Stridbeck der Jüngere (1665-1714) war ein Augsburger Kupferstecher, Zeichner und Kunstverleger. Er schuf und verlegte zahlreiche erfolgreiche topographische und kartographische Stichwerke – Veduten, Landkarten, Festungsgrundrisse, Stadtpläne –, genealogische Tabellen, aber auch Porträts und Trachtenbilder (der Katalog des Bibliotheksverbundes Bayern listet über 700 Monographien und Einblattwerke von Johann Stridbeck Vater und Sohn).

Stridbeck war der Sohn eines Textilkaufmanns gleichen Namens, der das Zeichnen und Kupferstechen zunächst als Liebhaberei betrieben hatte. Als der gescheiterte Geschäftsmann lange Jahre (1682-1690) in Schuldhaft sitzen musste – und dort offenbar unermüdlich weiterzeichnete und stach –, publizierte sein Sohn „zunächst die Blätter des Vaters, um den Ansprüchen der Gläuber zu genügen, und widmete sich dann ganz dieser Kunst“ (Löschburg, S. 5). Man kann es sogar so formulieren, dass „gerade durch den wirtschaftlichen Niedergang der Firma Stridbeck […] in der Folgezeit die wohl bekanntesten Stadtansichten-, Stadtpläne- und Landkarten-Sammlungen der Epoche“ (Augsburger Vedutenstecher, S. 6) entstanden.

Ab 1690 unternahm Johann Stridbeck der Jüngere, unter dessen Namen der Verlag von Anfang an firmierte, eine große Geschäftsreise durch Deutschland, die Niederlande und England. Er verfertigte zahlreiche Ansichten, Aufsichten und Karten von Städten wie Berlin, Leipzig, München, Erfurt, Frankfurt – 50 der geschätzten 263 Blätter von dieser Reise sind erhalten (Augsburger Vedutenstecher, S. 6). Nach seiner Rückkehr widmete Stridbeck sich ganz seiner Arbeit als Kupferstecher und Verleger. Für die Titel der nun erscheinenden Atlaswerke, insbesondere für die militärpolitisch ausgerichteten, griff er bevorzugt auf die Theatermetaphorik zurück. In seinem Verlag erschienen etliche ‚theatrale’ Kupferstichsammlungen, die Länder (Theatrum Der Vornehmsten Stædte und Örther in der Schweitz, Augsburg o.J. [1720]), Städte (Theatrum Der Vornehmsten Kirchen Clöster Pallæst u: Gebeude in Chur F. Residentz Stadt München, 1697/1698) und vor allem Kriegsschauplätze porträtierten. Für letztere verwendete Stridbeck häufig die Titelformel Curioser Staats- und Kriegs-Schauplatz (siehe ‚Kontext und Klassifizierung’).

Von 1704 an lebte Stridbeck fünf Jahre lang in Frankfurt, wo er eine Ehe einging. Sein Vater, Johann Stridbeck der Ältere, führte währenddessen die Verlagsgeschäfte in Augsburg weiter. Nach Rückkehr des Sohns entstanden keine neuen Werke im Verlag Stridbeck mehr, es wurden lediglich Stichsammlungen neu aufgelegt und Tabellenwerke aktualisiert. Nach Stridbecks recht frühem Tod im Dezember 1714 übernahm ein Familienfreund und Kollege, der Stecher und Buchdrucker Gabriel Bodenehr der Ältere (1673-1765), nicht nur die Pflegschaft der vier Kinder, sondern nach dem Tod von Vater Stridbeck im Jahr 1716 auch den renommierten Verlag.

In zahlreichen Publikationen verwertete Bodenehr, der auf den Kupferplatten den Namen Stridbeck durch den eigenen ersetzte, das Material wieder. So gab er zum Beispiel schon im Jahr 1717 unter eigenem Namen den Atlas curieux oder Neuer und Compendieuser Atlas heraus, in dem 100 Landkarten der Stridbecks, die zuvor in verschiedenen geographischen Werken erschienen waren, versammelt sind.

Bodenehr führte außerdem die Stridbeck’sche Reihe der Curiosen Staats- und Kriegs-Theatra fort. Zum einen publizierte er neue Kartensammlungen, zu denen er auch selbst Stiche anfertigte, zum anderen legte er bereits erschienene teils in aktualisierter Form wieder auf (siehe ‚Kontext und Klassifizierung’). Darüber hinaus gab Bodenehr weitere genealogische und geographische Werke aus dem Verlag Stridbeck neu heraus, zu Anfang noch unter dessen Namen: Stridbecks Atlaswerk Unterschiedliche dieser Zeit Beruffene Laender, Gegenden, Staedte, Plaetze und Örter (Augsburg o.J. [nach 1700]; mehrfach neugedruckt) wird unter gleichem Titel und Verfassernamen nach 1717 wieder aufgelegt, ergänzt um Gabriel Bodenehrs Das durch den Römischen Adler von den Türcken befreyete Königreich Ungarn, Johann Stridbecks Guida de Passagieri oder Curioser Reis-Geferthe In Carten, Abrisse, und Tabellen und desselben Curioses Staats- und Kriegs-Theatrum Dermahliger Begebenheiten in Francken, Schwaben, Bayern, Tyrol &c.; bibliographisch wird das erweiterte Sammelwerk unter beider Verfassernamen geführt. Dem Stridbeck-Kenner Josej Hugo Biller ist es wichtig, sich korrigierend von der bisherigen Forschung abzugrenzen, die Gabriel Bodenehr unrechtmäßig Verdienste um den Landkartenstich zuschrieb, welche eigentlich der erst jetzt gebührend gewürdigte jüngere Stridbeck erworben habe.

Etwa 1758 übernahm Georg Christian Kilian (1709-1781) den Verlag von Gabriel Bodenehr. Biller resümiert die überragende Bedeutung von Stridbeck Vater und Sohn: „Sechzig und noch mehr Jahre also mußten die Kupfer der beiden Stridbecks immer wieder von neuem die kriegerischen Auseinandersetzungen der gekrönten Häupter dem gemeinen Volk vor Augen führen. Zwei, ja eigentlich drei Generationen von Kupferstechern – Johann Georg Bodenehr und Gabriel Bodenehr sowie Georg Christian Kilian – zehrten vom Fleiß der unermüdlichen Stridbecks, des älteren und des jüngeren“ (Biller, S. 42).

3. Publikation
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3.1. Erstdruck
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Das Erscheinen des Werks bei dem Kupferstecher und Verleger Johann Stridbeck Junior in Augsburg wird bibliographisch auf ca. 1700 datiert; Terminus post quem ist jedoch 1702 (vgl. die Ausführungen unter ‚Inhalt’ zu „Hall im Innthal“).

Unabhängig vom gebundenen Atlaswerk wurden einzelne Tirol-Stiche als lose Kunstblätter verkauft und sind noch heute als Einzeldrucke in Bibliotheken nachweisbar.


Standorte des Erstdrucks

3.2. Weitere Auflagen
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Die Karten und Veduten aus dem Curiosen Staats und Kriegs Theatrvm Dermahliger Begebenheiten im Tyrol wurden nicht erneut in gleicher Konstellation und unter gleichem Titel herausgebracht, wohl aber in Zusammenlegung mit anderen Erzeugnissen aus der Stridbeck’schen Werkstatt. Die neue Sammlung heißt Curioses Staats und Kriegs Theatrvm Dermahliger Begebenheiten in Francken, Schwaben, Bayern, Tyrol &c. (Augsburg o.J. [ca. 1700]).

3.2.1. Digitale Ausgaben
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4. Inhalt
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Das Curiose Staats und Kriegs Theatrvm Dermahliger Begebenheiten im Tyrol enthält Stiche und Karten der Grafschaft Tirol. Ausdrücklich setzt es den Schwerpunkt auf regionale Militärgeschichte: Schon das Titelkupfer kündigt das martialische Thema an; eine Fahne mit Inschrift ist gerahmt von Schlachtenszenen zu Land und zu Wasser – was dann in den Kupferstichen allerdings nur sehr partiell eingelöst wird. Der erste Stich, eine Übersichtskarte über den Schauplatz Tirol, führt informativ ins Thema ein: „Die Fürstliche Graffschafft Tyrol mitt Inn und Anliegenden Lændern. &c.“ Stridbeck, der hier (wie allerdings auch bei weiteren Stichen) nicht mit ‚fecit et excudit’ signiert, beruft sich in der seitlich rahmenden Inschrift auf eine andere Karte, offenbar die Tiroler Adlerkarte (1609) des Innsbrucker Kartographen Matthias Burglechner (Burgklechner, 1573-1642), der zugleich einer der ältesten Tiroler Geschichtsschreiber (Die Firstlich Graffschaft Tyrol, 1608) war.

Es folgen weitere sechs geo- und topographische Übersichtskarten sowie 19 Veduten von Land- und Ortschaften, Städten, Klöstern und Schlössern der Grafschaft Tirol. Die Karten besitzen entweder eine dezent aufgetragene Beschriftung („Insprug mit der Gegend auf 2 Stunden etc.“, „Stertzingen, mit der Gegend auff 2 Stund“, „Botzen, mit der Gegend auf 2 Stunden.“, „Trient, mit der Gegend auf 2 Stund.“) – oder werden zusätzlich von einem beidseitigen Textkommentar gerahmt. Dies ist der Fall bei zwei weiteren Karten von Bozen und Trient, die weniger abstrakt, fast wie Luftaufnahmen erscheinen: „Die Tyrolische Handels-Stadt Botzen“, und „Trient oder Trento“. Bozen wird im Kommentar als kleine, aber wichtige Handelsstadt profiliert, in der Italiener und Deutsche auf vier großen Märkten im Jahr zusammenkommen, um deutsche Leinwand und italienische Seidenwaren zu vertreiben. Außerdem wird anekdotisch von einer juristischen Besonderheit des Bozener Stadtrechts erzählt. Trient wird hinsichtlich Größe, Lage, Einwohnerzahl und zusammensetzung sowie der geistlichen Herrschaftsverhältnisse kurz für Interessierte – für imaginär oder real Reisende – porträtiert. Als „sehenswirdig“ werden außer der Akademie der Gelehrten die Fürstliche Residenz und einige Kirchen bezeichnet.

Der Platz für die Beschriftung ist äußerst knapp und wird überdies zum Teil durch selbstreflexive Bemerkungen ‚verschwendet’: „von den übrigẽ Kirchen und Cloester(n) und was sonsten von ein ũ anderen zu gedencken wære kan alhier des engen Raums halber weiter nichts gedacht, ũ mus aus weitlæuffiger(en) Beschreibungen ersehen werden“.

Während keine der Karten Tirol als Kriegs Theatrvm Dermahliger Begebenheiten zeigt, sieht es bei den Veduten anders aus – allerdings auch hier nur teilweise: Stridbeck nimmt einige vollkommen kriegsfern anmutende Idyllen auf, bevölkert von dürftigem Personal, das Georgica und Bucolica zu entstammen scheint (pflügende Bauern, Schäfer, Spaziergänger). Zugunsten dezent auf die Karte aufgetragener Beschriftungen fehlen rahmende Textteile bei „Der Schlossberg zwischen Scharnitz und Seefeldt im Tyrol.“, „Das Ihnthal zwischen Zierle und Inspruck, sampt der St. Martins Wand“, „S. Georgenberg, Ein Closter im Tyrol bey Schwaz gelegen.“, „Kropffsberg, im Tyrol, am Inn onfern Rattenberg gelegen.“ und „Peitelstein. Ein Vestes Berghaus im Tyrol im Puster Thal gegen Cadover gelegen.“

Mehr Erläuterung erfordern die Illustrationen größerer Städte, und zwar in Form von an der Seite oder in der Karte platzierten Legenden sowie von rahmenden Fließtexten. Im Kommentar zur Vedute von Innsbruck werden herrschaftspolitische und historische Informationen geliefert („Die Ertz Hertzogliche Haupt- und Residenz Statt Inspruck, Im Tyrol“); man erfährt zum Beispiel, dass Innsbruck früher „nur ein offener Flecken und dem Closter Wilthan zustændig“ war. Dieses „Closter Wilthan hart an Inspruck gelegen“ zeigt die nächste Vedute unter Beifügung eines Stifterbildnisses.

Im Innenhof des „Ertz-Hertzoglichen Lust-Schlosses Ombras oder Umbras bey Inspruck“ sind Menschen einzeln oder in Gruppen dargestellt (angedeutete Kampfhandlungen scheinen spielerisch-sportlich motiviert zu sein). Erst die nächste Illustration – „Hall im Innthal“ – verweist erstmals nicht nur auf touristische Sehenswürdigkeiten, ökonomische und kulturelle Besonderheiten (Kirchen, Salzbergwerk, Münzwerk, Glashütte, Jesuitenkolleg, Frauenkloster), sondern auch auf einen kriegerischen Kontext: Die Stadt Hall habe „in dem zwischen dem Haus Oesterreich und Bayern erregten Krieg, des gleichen so wohl als zu Unseren Zeiten durch die Erdbiden viel erlitten“. Stridbeck spielt hier auf den Spanischen Erbfolgekrieg an, der von 1701 bis 1714 ganz Europa in Atem hielt. Seit 1701 kämpften die habsburgisch-kaiserlichen Truppen gemeinsam mit England, Preußen und weiteren Verbündeten gegen die expansive Kriegspolitik Ludwigs XIV.; als Verbündete der Franzosen kämpften unter anderem Bayern, Braunschweig-Wolfenbüttel und Savoyen. Im Jahr 1703 wurde Tirol zum Kriegsschauplatz – es lag strategisch günstig für Kurfürst Max II. Emanuel von Bayern, der den französischen Truppen entgegengehen wollte. Doch die Tiroler Bevölkerung organisierte einen wirkungsvollen Aufstand. Er trug bei zur bayrischen Niederlage gegen die kaiserlichen Verbündeten, die durch das übergetretene Savoyen verstärkt wurden.

Veduten weiterer Städte folgen: die Bergwerksstadt „Schwatz im In Thal im Tӱrol 3 Stund unter Hall gelegen“, „Brauneck Eine unter dem Bisthum Brixen gehörige Statt im Tyrol“, „Die Stadt Clausen im Tyrol zwischen Brixen und Botzen gelegen“, „Rovereid oder Roveredo Im Tyrol. Eine halbe Tag-Reyse von Trento gelegen“ und „Meran Die Tӱrolӱche HauptStatt im Etschland“. Bei Rovereid, das vor allem ökonomisch (Seidenhandel und produktion) und historisch verortet wird, wird eine frühe kriegerische Auseinandersetzung erwähnt; in der Beschreibung von „Schloss und Stættlein Arch oder Arco Im Tyrol nicht fern vom Gard-See gelegen“ liegt der Schwerpunkt auf der Genealogie des Fürstengeschlechts von Arch bzw. Arco.

Zwei Festungsansichten nimmt Stridbeck in den Band auf: „Kuefstein oder Kopfstein Ein Haupt Pass und Vestung im Tijrol an denen Baӱerischen Græntzen“ und „Die Ehrenberger Clausen Ein Haupt Pass und Vestung im Tyrol gegen Schwaben mit Algow gelegen“. Interessanterweise wird jeweils nur das in der Vergangenheit liegende kriegerische Ereignis im Text angedeutet (Schmalkaldischer Krieg, 30-jähriger Krieg), keinesfalls jedoch im Bild festgehalten: Dargestellt wird keine blutige Schlacht, sondern eine menschenleer-abstrakte Fortifikationsarchitektur. Symbolträchtig steht am Ende der Stichsammlung das mit einer lateinischen Subscriptio versehene „Monument am Brenner zwischen Gries und Lueg im Tyrol“, das die göttliche Legitimation weltlicher Macht versinnbildlicht: Kaiser Karls V. Romzug zur Krönung durch den Papst 1530.

5. Kontext und Klassifizierung
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Zur frühneuzeitlichen Theatrum-Literatur gehören als ein wichtiges Segment die Militaria. Insbesondere seit der zweiten Hälfte des 17. Jahrhunderts entstehen im Kontext der französischen Expansionskriege zahlreiche Kriegstheatra, zu denen auch Stridbecks Kupferstichsammlungen gehörten. Sie sind der Gruppe der Kriegs- und Schlachtenkartographie zuzurechnen, die nach den historiographischen und landeskundlichen Werke am stärksten vertreten sind im Korpus der Kriegstheatra (umfassend dazu Flemming Schock). Als militärpolitische Dokumente bezeugen die Kriegstheatra den „military urbanism“ (Pollak 2010, S.1) der Frühen Neuzeit, der das Ideal der geometrisch geordneten und fortifikationstechnisch abgesicherten Stadt transportiert (Flemming Schock).

Stridbecks Curioses Staats und Kriegs Theatrvm Dermahliger Begebenheiten im Tyrol steht von seiner Machart her in unverkennbarer Nähe zum Genre der topographisch-geographischen Städtebücher. Es fokussiert Land- und Ortschaften als historisch gebildete, für Reisende ‚sehenswirdige’ Schauplätze. Demgegenüber geht es vielen anderen bildzentrierten Kriegstheatra in erster Linie um die militärische Codierung des Raumes in Text und Bild.

„Weltzentrum des Kupferstichs“ (Biller, S. 34) im 17. Jahrhundert ist die führende Handelsmetropole Augsburg. Veduten und Landkarten werden von hier in die ganze Welt verkauft. Sie dienen den Zeitgenossen als realitätsgetreue Zeugnisse von aktuellen Ereignissen und ihren Räumen. Vor allem die „kriegerischen Auseinandersetzungen der Zeit, schufen einen Markt für die Vedute, im gesteigerten Informationsbedürfnis der Bürger, den als einer der ersten Matthäus Merian (1593-1650) während der Wirren des Dreißigjährigen Krieges geschickt auszunutzen verstand“ (Augsburger Vedutenstecher, S. 5). Die Werke der Stridbecks lehnen sich unverkennbar an Vorlagen von Merian (Topographia Germaniae, ab 1642) und anderen Kupferstechern wie Georg Braun (1541-1622), Vincenzo Coronelli (1650-1718), Anton Wilhelm Ertl (1654- ca. 1715), Nicolas de Fer (1646-1720), Franz Hogenberg (1535-1595) und Michael Wening (1645-1718) an (Löschburg, S. 5; Augsburger Vedutenstecher, S. 6), die nachgestochen oder nachgezeichnet wurden. Und so kann man auch die in loser Folge erscheinenden Curiosen Staats- und Kriegs-Theatra aus dem Verlag Stridbeck als eine Art „Nachrichtenmagazin“ (Augsburger Vedutenstecher, S. 5) auffassen – Biller spricht gar von einer Art „Bildzeitung oder Illustrierten“ (Biller, S. 39), die das Informationsbedürfnis und die Neugier der Menschen befriedigen wollte.

Das Curiose Staats und Kriegs Theatrvm Dermahliger Begebenheiten im Tyrol steht also im engeren publikationsgeschichtlichen und inhaltlichen Kontext zahlreicher weiterer topographischer und kartographischer Kriegstheatra, deren metaphorischer Titel die gebundene Kupferstichfolge ebenso wie den Ort der kriegerischen Auseinandersetzung als Theater inszeniert. Die Serie wurde bis etwa 1739 fortgeführt, ab 1717 durch Gabriel Bodenehr, der „mit dieser Masche munter fortfuhr und die ursprünglichen Nummern um eine Reihe ganz neuer erweiterte, indem er zum Teil die alten, manchmal schon nicht mehr recht aktuellen Platten unbedenklich weiter verwendete, aber auch viele neue im gleichen Stil dazu stechen ließ“ (Biller, S. 40).

Es folgt eine Zusammenstellung der Curiosen Staats und Kriegs Theatra, die als Vorarbeit für weitere präzisierende, auch korrigierende Forschungsarbeit dienen kann. Aufgenommen wurden sämtliche Stichwerke Stridbecks und Bodenehrs im Erstdruck, die bibliographisch als Monographien nachweisbar waren (nicht online verfügbare Bibliothekskataloge von Stadtbibliotheken und Archiven konnten nicht berücksichtigt werden). Biller erstellte 1966 (S. 49f.), vor Zugriff auf digitale Metabibliothekskataloge, eine ‚Stridbeckiana’ (seine Datierungen, die er ausnahmslos mit dem Wörtchen „wohl“ einleitet, werden hier mit der Sigle B zitiert).

Dopplungen und Neuausgaben wurden nicht aufgenommen, auch mutmaßliche nicht: So wäre eigentlich noch genauer zu prüfen, ob Bodenehrs mehrfach aufgelegtes Curioses Staats- und Kriegs-Theatrum Dermahliger Begebenheiten in dem Bayernland (Augsburg o.J. [ca. 1715]) tatsächlich, wie hier angenommen, eine Neuausgabe des Stridbeck’schen Curiosen Staats und Kriegs Theatrvms Dermahliger Begebenheiten in Bayern (Augsburg o.J. [ca. 1700]) darstellt und daher nicht gezählt werden darf. Hingegen wurde Bodenehrs dreibändiges Curioses Staats und Kriegs Theatrum am Rhein (zwischen 1720 und 1740) als eigenständige Monographie gelistet, da der Verleger hier offenbar maßgebliche Erweiterungen zu den Stridbeck’schen Vorlagen (Nr. 6, 18) vornahm.

Ein genauer Nachvollzug der Publikation und Distribution der Curiosen Staats- und Kriegs-Theatra Stridbecks und Bodenehrs, die an verschiedensten Standorten (Schwerpunkte bilden München und Augsburg) verstreut aufbewahrt werden, sowie eine gründliche Untersuchung der komplexen Filiationen der Stichwerke und der fast unüberschaubaren Wanderungen der Einzelstiche von Band zu Band können im Rahmen dieses kleinen Artikels nicht geleistet werden.

Bei Johann Stridbeck Junior sind folgende Kriegstheatra erschienen:

Bei Gabriel Bodenehr sind folgende Kriegstheatra mutmaßlich neu erschienen. Die in Bibliothekskatalogen angegebenen Datierungen auf vor 1717 sind aufgrund der erst in diesem Jahr erfolgten Übernahme von Verlag und ‚Reihenkonzept’ durch Bodenehr grundsätzlich in Frage zu stellen.

Ein nicht kriegsbezogenes Theatrum Bodenehrs ist betitelt: Theatrum einiger der Vornehmsten Staedte und Örther in Franckreich (Augsburg o.J. [ca. 1730]).

6. Rezeption
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Das Zielpublikum der geographischen und topographischen Werke Johann Stridbecks, speziell der Kriegstheatra, war denkbar breit. Die Kupferstiche, auch als Einblattdrucke gehandelt, sollten von weiten Kreisen der Bevölkerung rezipiert werden, die an Verhältnissen und Ereignissen in näher und ferner gelegenen Regionen interessiert waren. Ihre Karten, so schreiben die Stridbecks einmal selbst, könnten „auch von denen, so nichts studiert, gar leicht ersehen, Begriffen und gefasst werden können“ (zit. nach Augsburger Vedutenstecher, S. 6). Ein Atlaswerk über Italien, die Provinciarum Italiae Geographica Descriptio/Italien, Mit Angränzenden Königreichen und Provinzien (Augsburg o.J. [nach 1700]), bietet Stridbeck ausdrücklich Denen Staats- Kriegs- und Gelehrten Personen, auch Handels- und Reisenden Leuten Zu sonderbahr bequemen Gebrauch an. Die erfolgreichen Curiosen Staats- und Kriegs-Theatra setzten sich zusammen aus älteren und tagesaktuell ergänzten Stichen: ein einfaches, routiniertes und „gemessen an ökonomischer Nutzbarkeit, an aktueller Variationsmöglichkeit und rascher Publikationsfähigkeit“ (Biller, S. 39) äußerst eindrucksvolles Verkaufskonzept.

7. Bibliographische Nachweise und Forschungsliteratur
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