1. Titel1
2. Verfasser
Matthäus Merian wurde am 22. September 1593 in Basel geboren. Nach dem Besuch des Gymnasiums erlernte er beim Zürcher Kupferstecher Friedrich Meyer das Zeichnen, Kupferstechen und Radieren. Von 1610 bis 1615 studierte und arbeitete er in Straßburg (bei Dietrich Brentel), Nancy und Paris (bei Jacques Callot). 1615 entstand in Basel sein großer Basler Stadtplan. Nach seinen Reisen über Augsburg, Stuttgart und die Niederlande kam Merian 1616 nach Frankfurt/Main und Oppenheim. Hier begann er, für den Verleger und Kupferstecher Johann Theodor de Bry zu arbeiten. Dieser war Eigentümer einer Kupferstecherei und besaβ in Frankfurt ein Verlagshaus, in dem große Reisebücher zu den fernöstlichen Ländern vorbereitet wurden. 1617 heiratete Merian de Brys Tochter Maria Magdalena. Aus dieser Ehe gingen zwei Töchter und drei Söhne hervor, darunter die in seiner Werkstatt tätigen Söhne Matthäus Merian der Jüngere und Caspar Merian. Matthäus Merian arbeitete in dieser Zeit auch für den Kupferstecher und Verleger Eberhard Kieser. 1620 zog er nach Basel, wo er das Zunftrecht erwarb und sich selbständig machte. Nach dem Tod seines Schwiegervaters (1623) führte er dessen Verlagshaus in Frankfurt fort und erwarb 1626 das Bürgerrecht. Nach dem Tode seiner Frau (1645) heiratete Merian 1646 Johanna Sibylla Heim, mit der er eine Tochter, Maria Sibylla Merian, hatte. Sie wurde später als begabte Blumen- und Insektenmalerin bekannt. Matthäus Merian starb nach langer Krankheit am 19. Juni 1650 in Langenschwalbach bei Wiesbaden. Er wurde auf dem Peterskirchhof in Frankfurt bestattet. Nach seinem Tod übernahmen seine beiden Söhne Matthäus und Caspar den Verlag und gaben unter dem Namen Merian Erben seine Werke weiter heraus. Merian war gläubiger Protestant. Sein Wappen und Verlagssignet zeigt den Leitsatz Pietas contenta lucratur (etwa: „Frömmigkeit zahlt sich aus“) mit dem Storch als Wappentier.
3. Publikation
3.1. Erstdruck
Der erste Band des Theatrvm Evropaeum (1618-1629) erschien zuerst auf der Frankfurter Herbstmesse im Jahr 1634 und dann in Frankfurt 1635. Der letzte Band 21 (1716-1718) erschien in Frankfurt ohne Verlagsangabe im Jahr 1738.
Standorte des Erstdrucks (Bd. 1)
- Bibliothèque nationale de France Paris, Sign. FB- 8132
- Cambridge University Library, L*.17.1
- Cambridge University Library, Sign. Acton.a.23.72
- Herzog August Bibliothek Wolfenbüttel, Sign. A: 70.A Hist. 2°
- Landesamt für Kultur- und Denkmalpflege Mecklenburg-Vorpommern Schwerin, Sign. If II 190:2-4°
- National Library of Scotland, Sign. E.109.a.1-9
- Norrköpings stadsbibliotek, Sign. 1177:2-22 Fol.
- Riksarkivets bibliotek Marieberg-Arninge Stockholm, Sign. Raritetskammare 1 C1-C7
- Russische Nationalbibliothek Moskau, Sign. IV-нем. 2°
- Staatsarchiv der Freien und Hansestadt Hamburg, Sign. W 912/0002
- Stadt- und Universitätsbibliothek Frankfurt/Main, Sign. Q 16/2
- Universitätsbibliothek der Ludwig-Maximiliams-Universität München, Sign. 0014/W 2 Hist. 2150(1)
- Universitätsbibliothek Eichstätt, Sign. 18/NN 4300 T374-1
- Zentralbibliothek Zürich, Sign. Gal V 34
3.2. Weitere Ausgaben
Das Theatrvm Evropaeum erschien in einer zweiten, gekürzten Ausgabe (so genannte Hutter-Chronik). Sie verband Teile der Gottfriedschen Weltchronik (Erstausgabe bei Merian 1629/30-1634) mit dem Theatrvm Evropaeum (21 Bände, 1633-1738) als ein neues universales Geschichtswerk von der Schöpfung bis zur Gegenwart. Von diversen Bänden des Theatrvm Evropaeum erschienen zudem mehrere Auflagen.
- Lateinische Ausgaben
Rerum Germanicum Libri. Hg. von Peter Lochitius. 2 Bde., Frankfurt (M. Merian) 1646 und 1650ff.
Theatri Europaeo-Germanici Facies Latina. 2 Bde., Frankfurt (M. Merian) 1646 und 1650ff.
3.2.1. Digitale Ausgaben
- Digitale Teilausgabe des Erstdrucks (von insgesamt 5 Bänden)
- Bd. 1: Wolfenbüttel: Herzog August Bibliothek 2009 (= Theatrum-Literatur der Frühen Neuzeit). Vorlage: Exemplar der Herzog August Bibliothek Wolfenbüttel, Sign. A: 70.A Hist. 2°.
- Bd. 2: Wolfenbüttel: Herzog August Bibliothek 2009 (= Theatrum-Literatur der Frühen Neuzeit). Vorlage: Exemplar der Herzog August Bibliothek Wolfenbüttel, Sign. A: 70.B Hist. 2°.
- Bd. 3: Wolfenbüttel: Herzog August Bibliothek 2009 (= Theatrum-Literatur der Frühen Neuzeit). Vorlage: Exemplar der Herzog August Bibliothek Wolfenbüttel, Sign. A: 70.C Hist. 2°.
- Bd. 4: Wolfenbüttel: Herzog August Bibliothek 2009 (= Theatrum-Literatur der Frühen Neuzeit). Vorlage: Exemplar der Herzog August Bibliothek Wolfenbüttel, Sign. M: Ge 4° 54:4.
- Digitale Ausgabe späterer Ausgaben (alle 21 Bände)
- Augsburg: Universitätsbibliothek Augsburg 2008. Vorlage: Exemplar der Universitätsbibliothek Augsburg, Sign. 02/IV.13.2.26-1 bis 02/IV.13.2.26-21.
4. Inhalt
Als deutschsprachiges Geschichtswerk erschien das Theatrvm Evropaeum zwischen 1633 und 1738 in 21 Quartbänden bei Matthäus Merian und seinen Nachfolgern in Frankfurt/Main. Große Bedeutung kommt der Reihe von Chroniken wegen ihrer zeitnahen Berichte zu, besonders durch die Schilderungen des Dreißigjährigen Krieges, der Regierungszeit Ludwigs XIV, der Türkenkriege sowie wegen ihrer 720 Kupfertafeln, von denen rund 140 von Merian selbst gestochen wurden. Der Umfang der Bände liegt zwischen rund 400 und 1500 Seiten. Jeder Band vereint in sich die Berichte mehrerer Jahre nach Einzeljahren geordnet. Die jeweilige Jahreszahl erscheint als Marginalnotiz am oberen Rand jeder Seite, die in zwei Spalten aufgeteilt ist. Marginalien rechts und links von jeder Seite verweisen auf den Inhalt der jeweiligen Spalte. Ein detaillierter Index am Ende jeden Bandes erleichtert die Orientierung.
Jeder Theatrum-Band beginnt mit dem Titelblatt, gefolgt von einem sehr schönen Frontispiz, einer Widmung und einer Vorrede an den Leser. Danach findet der Leser eine Liste der zum Band gehörigen Kupferstiche mit Anleitung an den Drucker, wo diese einzufügen seien, und eine Auflistung der in dem Band enthaltenen Tafeln und Karten. Besonders in den ersten fünf Bänden (betreut von Matthäus Merian) erläutert die Vorrede an den Leser den Grund, warum Merian diese aufwändige Produktion auf sich genommen hat und warum er die Beschreibung der Gegenwart der länger zurückliegenden Geschichte vorzieht. Diese Vorrede enthält wiederholte Beteuerungen, dass das Gesammelte der Wahrheit entspreche und dass er, Merian, (ebenso wie die folgenden Editoren und Drucker) dem „unparteyischen Leser“ die Nachrichten ohne jedes Vorurteil nur als solche vermitteln wolle. Danach folgt der eigentliche Text, angefangen mit Nachrichten über das Deutsche Reich, gefolgt von Berichten über wichtige Ereignisse in anderen europäischen Ländern, das Osmanische Reich und sein Verhältnis zu Ungarn und Europa eingeschlossen. Die meisten Jahresbände schließen mit Sensationsberichten über abnormales Wetter, Himmelserscheinungen, Kriminaltaten, ungewöhnliche Geburten, Brände, Fluten und was sonst noch den begierigen Zeitungsleser interessieren konnte.
5. Kontext und Klassifizierung
Als ein Phänomen und Produkt des sich rapide entwickelnden Zeitungs- und Nachrichtenwesens im 17. Jahrhundert ist das Theatrvm Evropaeum außergewöhnlich in seiner Bandzahl (21) und seiner Erscheinungszeit (ca. 100 Jahre). Es gehört zum Genre der im 17. Jahrhundert weitverbreiteten Theatrum-Literatur, die sich zur Aufgabe machte, das gesamte Wissen zu sammeln, zu ordnen und dem interessierten Leser zugänglich zu machen. Derartige polyhistorische Werke gehörten zu den Bestsellern des 16. und 17. Jahrhunderts, bevor sie um die Mitte des 18. Jahrhunderts relativ schnell aus dem Interesse der lesenden Öffentlichkeit und damit vom Büchermarkt verschwanden.
6. Rezeption
Das Theatrvm Evropaeum wurde von zeitgenössischen Autoren (Johannes Praetorius, Eberhard Werner Happel) vielfach als Quelle für deren Schriften benutzt.
Die Rezeptionsgeschichte des Theatrvm Evropaeum ist Teil eines interdisziplinären Workshops zum Thema: Das Theatrum Europaeum. Wissensarchitektur einer Jahrhundertchronik, 12./13. März 2011, Universität Kassel.
7. Bibliographische Nachweise und Forschungsliteratur
- VD17 23:233715S [vd17]
- Jörg Diefenbacher: Die Schwalbacher Reise. Mannheim 2002
- Frieder Hepp: Matthaeus Merian in Heidelberg. Ansichten einer Stadt. Heidelberg 1993
- Ulrike Valeria Fuss: Matthaeus Merian der Ältere. Von der lieblichen Landschaft zum Kriegsschauplatz – Landschaft als Kulisse des 30jährigen Krieges. Frankfurt/Main 2000
- Ulrike Valeria Fuss: Momentaufnahme und Monumentalansicht. Ein Vergleich zwischen Valentin Wagner und Matthäus Merian d. Ä., in: Valentin Wagner (um 1610–1655): Ein Zeichner im Dreißigjährigen Krieg. Aufsätze und Werkkatalog. Darmstadt 2003
- Hans Georg Wehrens: Freiburg in der Topographia Germaniae von Matthäus Merian, in: Freiburg im Breisgau 1504–1803, Holzschnitte und Kupferstiche. Freiburg/Breisgau 2004
- Joseph Eduard Wessely: Art. "Merian", in: Allgemeine Deutsche Biographie. Hg. durch die Historische Kommission bei der Bayerischen Akademie der Wissenschaften. 56 Bde., Leipzig 1875-1912, Bd. 21 (1885), S. 422-427
- Lucas Wüthrich: Art. „Merian, Matthaeus der Ältere“, in: Neue Deutsche Biographie. Hg. durch die Historische Kommission bei der Bayerischen Akademie der Wissenschaften, 1953ff., Bd. 17 (Berlin 1994), S. 135-138
- Gerhild Scholz Williams: Formen der Aufrichtigkeit: Zeitgeschehen in Wort und Bild im Theatrum Europaeum (1618-1718), in: Claudia Benthien, Steffen Martus (Hg.): Die Kunst der Aufrichtigkeit im 17. Jahrhundert. Tübingen 2006, S. 343-369
- Gerhild Scholz Williams: Ways of Knowing in Early Modern Germany: Johannes Praetorius as a Witness to his Time. Aldershot 2006, S. 125-128