Einführung

Theatrvm Chemicvm
Stefan Laube

1. Titel
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Theatrvm Chemicvm, Praecipvos selectorvm auctorvm tractatvs de Chemiae et Lapidis Philosophici Antiqvitate, veritate, jure, praestantia, et operationibus continens: in gratiam verae Chemiae et Medicinae Chemicae studiosorum (vt qui vberrimam unde optimorum remediorum messem facere poterunt) congestum, & in tres partes seu volumina digestum; singvlis volvminibvs, svo avctorvm et librorvm catalogo primis pagellis: rerum vero & verborum Indice postremis annexo. Vovmen Primvm. Ursellis, Ex Officina Cornelij Sutorij, sumtibus Lazari Zetzneri Bibliop. Argent. M. DC II. Oberursel: Lazarus Zetzner, 1602. - Erstdruck: Bd. 1 (1602): Titelseite (Holzschnitt), 901 pag. S., 8°. Bd. 2 (1602): Titelseite (Holzschnitt), 630 pag. S., 8°. Bd. 3 (1602): Titelseite (Holzschnitt), 969 pag. S., 8°. - Zweite Ausgabe: Bd. 1 (1613): Titelseite (Holzschnitt), 869 pag. S., 8°. Bd. 2 (1613): Titelseite (Holzschnitt), 598 pag. S., 8°. Bd. 3 (1613): Titelseite (Holzschnitt), 911 pag. S., 8°. Bd. 4 (1613): Titelseite (Holzschnitt), 1146 pag. S., 8°. Bd. 5 (1622): Titelseite (Holzschnitt), 1009 pag. S., 8°. - Dritte Ausgabe: Bd. 1 (1659): Titelseite (Holzschnitt), 794 pag. S., 8°. Bd. 2 (1659): Titelseite (Holzschnitt), 549 pag. S., 8°. Bd. 3 (1659): Titelseite (Holzschnitt), 859 pag. S., 8°. Bd. 4 (1659): Titelseite (Holzschnitt), 1014 pag. S., 8°. Bd. 5 (1660): Titelseite (Holzschnitt), 912 pag. S., 8°. Bd. 6 (1661): Titelseite (Holzschnitt), 772 pag. S., 8°. [opac ↗0135156114] [vd17 ↗23:292818L]

2. Verfasser und Verleger
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Wie es sich für ein Kompendium gehört, hat das Theatrvm Chemicvm Dutzende von verschiedenen Autoren. Selbst die Herausgabe dieser Textsammlung kann nicht einer einzigen Person zugeschrieben werden. In erster Linie war der Verleger und Drucker Lazarus Zetzner (1551-1616) für die Zusammenstellung verantwortlich, dann aber auch der deutsche Alchemist Benedikt Töpfer, latinisiert Benedictus Figulus, und der Straßburger Uhrmacher Isaac Habrecht (1544-1620), weil von beiden für die Fortsetzung des Sammelwerks die entscheidenden Anstöße ausgingen. Auch der Zweibrücker Arzt Johan Jakob Heilmann, der den letzten und sechsten Band herausgab, fungiert als Autor.

Wenn die im Theatrvm Chemicvm vereinigten Texte auch nicht von Lazarus Zetzner stammen, kann dieser Verleger und Drucker dennoch als ihr wichtigster Initiator gelten. Nicht zuletzt durch Zetzner verlagerte sich das Zentrum für alchemistische Drucke von Basel, wo die Editionsprojekte ursprünglich angesiedelt waren, nach Straßburg. Zetzner, der als einer der einflussreichsten Verleger der Frühen Neuzeit gelten kann, veröffentlichte – oft in Zusammenarbeit mit der Universität in Straßburg – Werke zur Geschichte, zum Recht, der Philosophie und Medizin sowohl von antiken Autoren als auch von zeitgenössischen Humanisten. Man verdankt ihm als einem Anhänger einer universellen Wissenschaftsauffassung eine wichtige Zusammenstellung der philosophischen Werke von Raymondus Lullus (Raymundi Lullii Opera, 1598). Dieses Werk wurde im 17. Jahrhundert immer wieder neu aufgelegt (1609, 1617, 1651). Auch Gottfried Wilhelm Leibniz (1646-1716) nutzte bei seinen philosophiehistorischen Erkundungszügen diese Edition (Sturlese, S. 158). Wie Zetzner auf dem Gebiet der Philosophie ein Förderer des Lullismus war, so protegierte er auf dem Gebiet der Medizin den Paracelsismus. Die gesamten Werke von Paracelsus (1493-1541) legte er neu auf, und zwar in der Originalsprache Deutsch. Im Rahmen einer Verlagsstrategie, die Widersprüche nicht harmonisierte, ließ er zugleich paracelsische Schriften, die die Praxis der Ärzte ansprachen, veröffentlichen sowie Traktate zur Galen’schen Medizin, die in der universitären Ausbildung dominierten. Zetzners weiter Horizont spiegelt sich auch darin, dass er 1603, ein Jahr nach dem Erscheinen des Theatrvm Chemicvm, ein Pamphlet des anti-alchemistisch eingestellten lothringischen Mediziners Nicolas Guibert (1547-1620) publizierte. Das Verlagshaus Zetzner erwarb auch die Rechte an den Werken von Johann Valentin Andreae (1586-1654). Zetzner konnte kurz vor seinem Tod im Jahr 1616 noch dessen Chymische Hochzeit Christiani Rosenkreutz, einen allegorischen Roman, in dem das alchemistische Verfahren als geistiger Prozess beschrieben wird, anonym erscheinen lassen. Zetzners Geschäft war sehr ausgedehnt und wurde in Straßburg und Frankfurt/Main in mehreren Häusern betrieben. Es war der Wunsch Zetzners, dass sein Geschäft nach seinem Tod durch die Familie weitergeführt werde. Die Druckervignette des Lazarus Zetzner zeigt eine auf einem quadratischen Postament sitzende helmbebuschte Minerva, mit der Devise Scientia Immutabilis. Als ihr Verfertiger gilt Christoph Murer (1558-1614).

Lazarus Zetzner versteht sich als Propagandist des auf Erfahrung und Praxis ausgerichteten Paracelsismus in Europa sowie der ars combinatoria, wie sie im enzyklopädischen Lullismus Ausdruck gefunden hat. Trotz ihrer Unterschiede verkörpern die beiden Bewegungen das gleiche Ziel: Die Realisierung einer universell ausgerichteten, fortschreitenden Wissenschaft (Sturlese, S. 161).

3. Publikation
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3.1. Erstdruck
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Die Erstausgabe von 1602 zählte drei Bände und wurde vom Verleger Lazarus Zetzner in Oberursel – Ursellis, Ex officina Cornelii Sutorii, sumptibus Lazari Zetzneri bibliop. Argent. – gedruckt.


Standorte des Erstdrucks

3.2. Weitere Ausgaben
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Zetzner veröffentlichte 1613 in Straßburg eine zweite Ausgabe des Theatrvm Chemicvm, vermehrt um einen vierten Band.

Ein fünfter Einzelband erschien 1622 durch die Erben von Zetzner, herausgegeben von Isaac Habrecht.

Eine weitere vollständige Ausgabe erschien von 1659-1661, vermehrt um einen sechsten Band, herausgegeben von Johann Jakob Heilmann unter dem leicht abgewandelten Titel Theatri Chemici Volumen Sextum, Theologis, Medicis, et tam vulgaribus quam Hermeticae, Chemiae Studiosis utilißimum, Praecipous Selectorum Auctorum huius Seculi Tractatus de Chemia & Lapides Philosophici Antiquitate, veritate Jure praestantia & operationibus Conitniens, Ex Germanica & Gallica lingua in Latinam translatum Per Joahnnem Jacobum Heilmannum Bipontino-Palatnum M.D., Argentorati Sumptib. Haeredum Eberhardi di Zetzneri, MDCLXI.

Reprint der sechsbändigen Ausgabe (1659-1661) bei Bottega d’Erasmo, Turin 1981.

3.2.1. Digitale Ausgaben
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4. Inhalt
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Das Theatrvm Chemicvm ist ein Kompendium von frühen alchemistischen Schriften, dessen immer größer werdendes Volumen sich schließlich im Lauf von knapp sechzig Jahren auf sechs Bände erstreckt. Die ersten drei erschienen 1602, während der letzte Band 1661 publiziert wurde. In den Neuausgaben von 1613/1622 und 1659-1661 wurde die Abhandlung um je einen Band erweitert. Nicht nur zu seiner Zeit, sondern auch in den darauffolgenden Jahrhunderten stellt das Theatrvm Chemicvm das mit Abstand umfassendste Sammelwerk zur Alchemie dar. In der letzten Ausgabe befinden sich 190 alchemistische Traktate unterschiedlicher Länge in diesem Kompendium. Kaum ein Text erschien in dieser Zusammenstellung zum ersten Mal. Geschrieben ist es durchweg auf Lateinisch.

Erste Ausgabe 1602: Die erste Ausgabe im Jahre 1602 scheint mäzenatisch von Friedrich I., Herzog von Württemberg (1557-1608), gefördert worden zu sein. Ihm, dem in seinem Schloss in Stuttgart ein Laboratorium und eine wichtige Bibliothek gehörten und dem zahlreiche Alchemisten zuarbeiteten, ist das Theatrvm Chemicvm gewidmet (siehe Zetzners Widmungstext in Bd. 1). Die Bände bestehen aus einer Mischung von Texten aus der Antike, dem Mittelalter und der Renaissance. Ihre Ordnung hängt zum großen Teil von der Reihenfolge ab, in der jene Schriften in vorangehenden Kompendien angeordnet waren. Insgesamt ist ein Gleichgewicht zwischen der traditionellen und der neueren, paracelsisch geprägten Alchemie festzustellen. Zur zweiten gehören die Traktate von Gérard Dorn (1530-1584) und die lateinischen Übertragungen der Traktate von Bernard Trévisan (Bernardus Trevisanus, 1406-1490) und Denis Zachaire (1510-?) sowie die Zusammenstellungen von Bernard Gilles Penot (1519-1617) und Nicolas Barnaud (1538-1604).

Zweite Ausgabe 1613: Für die Neuausgabe seiner Anthologie stellte Lazarus Zetzner den Alchemisten Benedictus Figulus in seinen Dienst, der zwischen 1603 und 1608 in Straßburg lebte und der für Zetzner bereits einzelne Schriften von Paracelsus herausgegeben hatte. Figulus konzipierte drei neue Bände unter dem mystisch anmutenden Titel: Chrysotheatrum Novellum et Benedictum Divitiis Aurei Seculi Praesentis affatim triumphans („Neues und gesegnetes Theater des Goldes, ausstrahlend von den opulenten Reichtümern des gegenwärtigen goldenen Zeitalters“). Die Publikation von 24 Beiträgen war bereits vorgesehen, als die Obrigkeit gegen die pansophische Bewegung der Rosenkreuzer vorging, so dass Figulus Straßburg abrupt verlassen musste. Anlass war die Verhaftung seines Freundes Adam Haslmayr (1560-1631). Zetzner veröffentlichte die Neuausgabe dennoch. Darin kündigte er ein Theatrum Chemicum-Medicum, das medikale Alchemi (Iatrochemie) beinhaltet hätte, sowie auch einen fünften Band seines Theatrvm Chemicvm an. Zetzner appellierte an alchemistische Kreise, ihm relevante Texte zukommen zu lassen (Kahn, S. 119f.). Dieser neue vierte Band, in seiner Komposition noch ungeregelter als die vorangegangenen, enthält ebenso alte (Artephius, pseudo-Lulle et pseudo-Arnaud de Villeneuve) wie moderne Autoren (Michael Sendivogius, Hermes Trismegistos von Israël Harvet, Penot).

Der Inhalt dieser ersten vier, unter der Ägide des Verlegers Lazarus Zetzner entstandenen Bände, sei hier in den Worten von Rita Sturlese wiedergegeben (S. 154f.):

„Die Texte spannen sich über einen Zeitraum von gut sechs Jahrhunderten und reichen von der vermutlich im arabischen Raum zwischen dem 8. und 10. Jahrhundert entstandenen Clavis maioris sapientiae des Artefius (IV, S. 196-213) bis zu Texten aus dem 15. und 16. Jahrhundert, wie der Epitome der Duodecim portae des englischen Alchimisten George Ripley (II, S. 109-123), der Chrysopoeia von Giovanni Aurelio Augurello (III, S. 197-266) und der Ars et theoria transmutationis metallicae (1518) des Venezianer Priesters Giovanni Agostino Panteo, der Figuren und Diagramme verwendet (II, S. 459-490). Weiter: Neben hochmodernen Texten, wie dem des englischen Naturforschers Thomas Muffet (I, S. 64-108), des Bernard Penot (II, S. 129-150) und denen der paracelsianischen Ärzte Joseph Duchesne (II, S. 158-178) und Gerhard Dorn (I, S. 192-490), stößt man auf das spätmittelalterliche De confectione veri lapidis philosophorum von Giovanni di Rupescissa, das Zetzner in zwei Fassungen veröffentlichte (III, S. 189-197; 284-295), um schließlich mit dem äußerst wichtigen De congelatione et conglutinatione lapidum des Avicenna (IV, S. 883-887) aufs neue bei der arabischen Alchimie anzulangen. Außerdem finden sich neben Texten vorwiegend technisch-operativen Charakters, welche die verschiedenen Operationen des alchimistischen opus beschreiben oder medizinische Rezepte liefern, ebenso eminent theoretische Traktate. Einen dezidiert praktischen Charakter haben beispielsweise der unter dem Namen Richards des Engländers veröffentlichte Rosarius minor (II, S. 406-422) und die Opera mineralia sive de lapide philosophico von Johannes Isaak Holland (III, S. 304-515). Unter den stärker theoretisch geprägten Schriften verdienen Erwähnung zumindest der Tractatus de naturae luce physica ex Genesi desumpta des bereits mehrfach genannten Gerhard Dorn (I, S. 326-490) und die Monas hieroglyphica von John Dee (II, S. 178-215), einem der glänzendsten Mathematiker und Denker des elisabethanischen Englands. In seinem Werk nimmt Dorn den paracelsianischen Gedanken von der Schöpfung als dem ersten großen spagiricum artificium auf und entwickelt ihn in der Form eines Kommentars zu den ersten zwanzig Versen der Bibel; weiterhin stützt und erläutert er diese Idee, indem er die Tabula smaragdina und den an den Pariser Humanisten Germain de Ganay gerichteten Brief über die Alchemie des Trithemius kommentiert. Die Monas hieroglyphica von John Dee, erstmals 1564 in Antwerpen mit einer Widmung an den Kaiser Maximilian II. erschienen und 1591 in Frankfurt bei Fischer und Wechel neugedruckt, verbindet alchimistische Prinzipien mit Begriffen, die der Kabala und der hermetischen Renaissancemagie entstammen. Dee formuliert seine Weltdeutung in mathematischer Weise und erhebt die Monas zu einem Symbol des einen Gottes und der in der Natur offenbarten göttlichen Einheit. Wie Frances Yates zeigte, spielte dieses Werk in Deutschland zwischen 1610 und 1616 eine hervorragende Rolle in der Ausbildung und Entwicklung jenes Zweiges des Paracelsismus, den die Rosenkreuzer-Bewegung repräsentierte. Die bereits 1602 erfolgte Aufnahme der Monas in das Theatrvm Chemicvm trug sicher zu ihrer Verbreitung im deutschsprachigen Raum bei, vor allem jedoch zu ihrer Interpretation im Sinne des Paracelsismus der Rosenkreuzer. Die im Theatrvm Chemicvm gesammelten Texte unterscheiden sich voneinander sehr. Unter ihnen befinden sich umfangreiche Traktate wie kaum zwei Seiten umfassende Gedichte, Kompendien, Sammlungen von practicae (aus unterschiedlichen Autoren entnommene chemische Verfahren), Sammlungen von Aussprüchen, die weisen Alchimisten alter und neuer Zeiten wie Geber, Rosinus, Senior, Arnaldus de Villanova, Bernardo di Treviso, Paracelsus sowie selbstverständlich Hermes und Lullus zugeschrieben wurden (III, S. 857-859). Man findet schließlich pseudo-epigraphische Texte, wie sie bekanntlich in der alchimistischen Literatur äußerst häufig sind. Um nur einige Beispiele zu nennen: Zetzner veröffentlichte das pseudo-aristotelische De perfecto magisterio (III, S. 76-127), darüber hinaus vier unter Alberts Namen (II, S. 423-458; IV, S. 809-862) und drei unter dem des Thomas (III, S. 267-283; IV, S. 960-974) kursierende Schriften, ferner das Roger Bacon zugeschriebene Speculum alchimiae und schließlich einige der bekanntesten Schriften des pseudo-lullianischen Corpus, wie das Testamentum und das Compendium animae transmutationis artis metallorum (III, S. 165-166, 295-303; IV, S. 1-195).“ (Sturlese, S. 154f.)

Die Einheit des medizinisch-praktischen und des philosophisch-spekulativen Elements zeigt sich besonders deutlich in Gerardus Dorns Clavis totius philosophiae chemisticae per quam potissima philosophorum dicta reserantur, erstmals 1567 erschienen und von Zetzner 1602 im Rahmen seines Theatrum im lateinischen Originaltext erneut wiedergegeben (Bd. 1, S. 192-237). Zugleich ließ er es unter dem Titel Schlüssel der Chimischen Philosophy auch auf Deutsch erscheinen. Dorn hatte sich in der zweiten Hälfte des 16. Jahrhunderts vor allem der Herausgabe und Kommentierung der Schriften des Paracelsus gewidmet. Die Abhandlung besteht aus zwei Teilen, im praktischen ersten Abschnitt erläutert der Autor Instrumente und Verfahren des Chemikers, im zweiten prononciert spekulativen Teil beschreibt der Verfasser die Grade eines Prozesses der Regeneration oder inneren Transformation als notwendige Voraussetzung, die Geheimnisse der Natur aufzudecken. Carl Gustav Jung sollte darin die psychologische Dimension der Alchemie erkennen (Sturlese, S. 152).

Nach dem Tod von Zetzner im Jahr 1616 fügten seine Erben der zweiten Ausgabe des Theatrvm Chemicvm im Jahr 1622 einen fünften Band hinzu, herausgegeben von Isaac Habrecht (1514-1620), dem Figulus seine Papiere hinterlassen hatte. Er enthält vor allem alte Texte, wie die Turba philosophorum, die Tabula Chemica von Senior Zadith, d.h. von dem Araber Ibn Umail, und Margarita pretiosa novella von Petrus Bonus (~1330).

Dritte Ausgabe (1659-1661): 1659 veranlasste der Erbe von Lazarus Zetzner, Eberhard Zetzner, den Druck einer dritten Ausgabe, die 1661 um einen sechsten Band vermehrt wurde. Dieser Band präsentiert hauptsächlich Übersetzungen ins Lateinische durch Johann Jacob Heilmann von alchemistischen Traktaten, die in der ersten Hälfte des 17. Jahrhunderts zunächst auf Deutsch oder Französisch erschienen sind.

Bildgehalt: Das voluminöse Werk von insgesamt mehr als 5.000 Seiten ist sehr sparsam illustriert, und dann auch nur mit einfachen Holzschnitten. Einen kunstvollen Kupferstich sucht man vergebens. Immerhin befinden sich in Gerardus Dorns Clavis totius philosophiae chemisticae per quam potissima philosophorum dicta reserantur eine Reihe von Abbildungen, so Darstellungen von Würfelstrukturen (S. 200); alchemistischen Apparaturen und Gefäßen (S. 208, 210). Auf Seite 222 kann man einen Krug in einem brennenden Ofen erkennen. John Dees Monas hieroglyphica mathematice, magice, cabalistice, anagogiceque explicata (II, S. 192-215) ist von zahlreichen Piktogrammen und Symbolen im Schriftbild durchsetzt. Kosmische diagrammatische Darstellungen sind zum besseren Verständnis dem Text Ars et theoria transmutationis metallicae von Joannnes Augustinus Pantheus (Giovanni Agostino Panteo, gest. 1535) beigefügt (S. 459-490). Ganzseitige Darstellungen von alchemistschen Öfen, einmal im geschlossenen, einmal im offenen Zustand (III, S. 293f.), zieren die Abhandlung Liber lucis von Ioannis de Rupescissa (-1437) (S. 286-293). Zahlreiche Bilder am Rand, die oft Gefäße darstellen, finden sich im Operum mineralium, sive de lapide philosophico von Johannes Isaac Hollandus, der vermutlich um 1425 lebte (III, S. 304-515), Diagramme und schematische Darstellungen des Kosmos, zum Teil ausklappbar (IV, S. 149, 156), im Testamentum. Theorica et Practica super lapide philosophico von Raymundus Lullus (1232-1315). Emblematische Bilder sind in Aureliae occultae philosophorum partes duae von Georgio Beato (1580-1632) abgedruckt, so ein riesenhafter Mensch, der gerade die Erdkugel trägt (IV, S. 495) oder eine doppelschwänzige Seejungfrau, aus deren Brüsten die Milch spritzt (IV, S. 499). Im Commentator in Novum lumen chymicum Michaelis Sendivogii Poloni von Andreas Orthelius (1600-1657) zeigt ein einfacher Holzschnitt ein weitgehend leeres Zimmer mit Butzscheiben, Ofen und Gefäß (S. 413), auf einem anderen wird landwirtschaftliche Feldarbeit thematisiert (S. 427).

5. Kontext und Klassifizierung
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Die Metaphorik des Theatrums als Buchtitel war um 1600 in aller Munde. Berühmt geworden ist besonders das Theatrum vitæ humanæ (1565) des Basler Mediziners Theodor Zwinger (1533-1588). In der alchemistischen Literatur taucht er erstmals auf im Amphitheatrum sapientiæ æternæ (1595) von Heinrich Khunrath (1560-1605). Zetzner greift diese intellektuelle Gepflogenheit auf, indem er in seinem Widmungstext erklärt, dass wie in einem opulenten Theater die Texte dem Vergnügen des gelehrten Betrachters vor Augen lägen: „ea in unum volumen ad hunc modum redacta, omnium totius artis, vel sane præcipuum apperatum, veluti pulcerrimo quodam in theatro cum voluptate intuendum spectandumque studiosis properent“ (I [1659], unpag.).

Das Theatrvm Chemicvm antwortet auf das Bedürfnis alchemistischer Kreise, die Gesamtheit glaubwürdiger Autoren auf diesem Gebiet zu versammeln, damit durch kundigen Vergleich die wahre Doktrin herausgefiltert werden könne. Als früheste gedruckte Textsammlung zur Alchemie gilt De Alchemia (zuerst Venedig 1475, Rom 1485). Sie enthielt drei Texte, begleitet von einigen alchemistischen Versen, sowie die Summa perfectionis von Pseudo-Geber: So bezeichnen heute Historiker mittelalterliche Autoren des 13. Jahrhunderts, die alchemistische Texte verfassten und deren Werke lange dem arabischen Gelehrten Dschābir ibn Hayyān (lat. Geber) aus dem 8. Jahrhundert zugeschrieben wurden, ein wichtiges Textkorpus übrigens, das im Theatrvm Chemicvm fehlt. Die erste größere Sammlung, direkter Vorläufer des Theatrvm Chemicvm, hieß ebenfalls De Alchemia, bestehend aus zehn Texten, publiziert bei Johannes Petreius (1497-1550) in Nürnberg (1541), herausgegeben von einem gewissen Chrysogonus Polydorus (wahrscheinlich ein Pseudonym des lutherischen Theologen Andreas Osiander, 1497-1552). In einem Nachwort listet Petreius mehr als dreißig Traktate auf, die er zu veröffentlich wünscht, zudem appelliert er – wie Zetzner ein halbes Jahrhundert später – an andere Alchemisten, ihm Manuskripte zu schicken. Bei seinem Tod 1550 gelangt die Sammlung von Petreius, der übrigens auch für die Verlegung von Kopernikus’De revolutionibus (1543) verantwortlich zeichnet, an seinen Verwandten, Heinrich Petri (geb. 1508) in Basel. Dieser druckte 1561 in Zusammenarbeit mit Pietro Perna (1522-1582), einem Protestanten aus Italien, ein Ensemble von 53 Texten, herausgegeben von Guglielmo Grataroli (1510-1568) unter dem Titel Verae alchemiae artisque metallicae, citra aenigmata, doctrina. Während derselbe Petri die zweite Auflage von De Revolutionibus im Jahr 1566 besorgte, produzierte Perna eine ganze Serie von alchemistischen Sammelbänden im Jahr 1572 (sieben Bände, bestehend aus 80 Texten). Perna und später sein Schwiegersohn Konrad Waldkirch planten eine vielbändige Sammlung von alchemistischen Texten, aber am Ende wurde dieses Projekt von Lazarus Zetzner in Straßburg ausgeführt, der von Waldkirch die Rechte an den Werken von Paracelsus erwarb. Aber nach welchen Kriterien wählte Zetzner aus? Rita Sturlese stellt fest, es sei Zetzner darauf angekommen, Paracelsus neue Glaubwürdigkeit zu verleihen, indem er dessen Texte in einer langen, bis in die Antike zurückreichenden alchemistischen Tradition verankerte.

6. Rezeption
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Die lateinische Sprache als lingua franca der Gelehrten gewährte eine weite Verbreitung in ganz Europa, wenn auch die gesellschaftliche Breitenwirkung innerhalb des jeweiligen Landes sehr eingeschränkt blieb. Allein schon die weit gespannte Geschäftstätigkeit des Verlagshauses Zetzner garantierte eine überdurchschnittliche Rezeption. Zetzner verfügte über Filialen in Köln und Frankfurt/Main, zeitweilig auch in Oberursel, Montbéliard und Basel. Indikator des Erfolgs dieses Werks ist zudem die Tatsache, dass der Titel gleichsam als Marke von anderen alchemistischen Kompendien übernommen werden sollte, so von Elias Ashmole (1617-1692) in seinem Theatrum Chemicum Britannicum (1652) und von Friedrich Roth-Scholtz (1687-1736) in seinem Deutschen Theatrum Chemicum (1728-1732). Auch das Theatrum Sympatheticum von 1660 wäre zu nennen (Kahn, S. 115f.). Ebenso belegt der sechste Band von 1661 mit auf Lateinisch übersetzten Traktaten aus dem deutschen und französischen Sprachraum die Anziehungskraft dieses Sammelwerks. Das von Zetzner verlegte Theatrvm Chemicvm bildete den Nukleus von Isaac Newtons umfassender Sammlung alchemistischer Bücher und Manuskripte; als 26-Jähriger hatte er es im Jahr 1668 gekauft. Von allen Büchern, die Newton besaß, soll das Theatrvm Chemicvm dasjenige gewesen sein, in dem er die meisten Korrekturen und Randbemerkungen hinterließ. Das andere große Kompendium der Alchemie ist die Bibliotheca chemica curiosa des Schweizer Mediziners Jean-Jacques Manget (1702), 35 der dortigen 140 Traktate befinden sich auch im Theatrvm Chemicvm.

7. Bibliographische Nachweise und Forschungsliteratur
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