Einführung

Jacob Leupold: Theatrum Machinarium Oder: Schau-Platz der Heb-Zeuge
Yvonne Göbel
Studentisches Projekt unter Betreuung von Nikola Roßbach

1. Titel
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Theatrum Machinarium Oder: Schau-Platz der Heb-Zeuge/ In welchem nicht nur angewiesen wird Wie durch Menschen und Thiere gewaltige Lasten beqvem fortzubringen, Sondern auch Mancherley Arthen der vornehmsten, gebräuchlichsten, dauerhafftigsten und curieusesten, wie auch simplesten Machinen, Lasten von ungeheurer Größe und Schwehre so wol von einem Orth zum andern nicht allein füglich fortzuschaffen, als zu erheben, niederzulassen und mit Geschicklichkeit von einer Seite zur andern zu wenden, vorgestellet werden; solche bestehen aus unterschiedlichen Waltzenwerck, Wagen, Heb-Laden, Haspel, Erd-Winden, Kraniche, Flaschenzügen, Räder- und Schrauben-Werck, Inventiones große Steine und Obeliscos fortzubringen und aufzurichten, als nemlich die zween gewaltig-großen Steine zum Louvre, den Obeliscum Vaticanum und Columnam Antoninam, ingleichen allerhand Fahr-Wercke, sich selbst zu erheben und wieder herab zu lassen, und dergleichen. Ein Werck so allen Architectis, Ingenieurs, Maurern, Zimmerleuthen, Steinmetzen, Handelsleuthen, Künstlern und Hauswirthen so nöthig als nützlich, Alles nach mechanischen Fundament beschrieben, beurtheilet und berechnet von Jacob Leupold, Mathematico und Mechanico, Königl. Majestät in Pohlen und Churfürstl. Durchl. zu Sachsen Rath und Bergwercks-Commissario, auch der Königl. Preußisch. Chur-Sächsisch. und Forlischen Societät der Wissenschafften Mit-Glied. Zufinden bey dem Autore und Joh. Friedr. Gleditschens seel. Sohn. Leipzig, gedruckt bey Christoph Zunkel. 1725. Leipzig: Zunkel, 1725. - Titelblatt (Kupfertafel), 162 pag. S., 56 Ill., 2°.

2. ↗Verfasser und Verleger
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Die 56 Kupferstiche wurden von vier verschiedenen Kupferstechern besorgt. Die Stiche sind alle bis auf einen signiert. Eine eindeutige Zuordnung zu bestimmten Kupferstechern ist dennoch leider nicht möglich. Das Theatrum Machinarium Oder: Schau-Platz der Heb-Zeuge wird in der Literatur bei keiner der infrage kommenden Personen erwähnt. Die Künstler hatten nicht immer Zeichnungen von Jacob Leupold als Vorlagen, sondern fertigten eigene Zeichnungen nach seinen Modellen an (Troitzsch 1975, S. 274). Weitere Informationen zu Verfasser und Verleger.

3. Publikation
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3.1. Erstdruck
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Das Theatrum Machinarium Oder: Schau-Platz der Heb-Zeuge erschien 1725 im Selbstverlag und bei Johann Gottlieb Gleditsch in Leipzig. Die Pläne für Jacob Leupolds Theatrum Machinarum reichen bis in das Jahr 1707 zurück. Aus finanziellen und gesundheitlichen Gründen konnte die Veröffentlichung erst im Jahr 1724 beginnen. In den Jahren 1724 bis 1727 erschienen sechs Bände, unter anderem auch das als Band 4 gezählte Theatrum Machinarium Oder: Schau-Platz der Heb-Zeuge, drei weitere Bände postum. Die Publikation des Theatrum Machinarum wurde finanziell von der Preußischen und Sächsischen Akademie der Wissenschaften unterstützt. Der vorhergehende Band sollte jeweils den folgenden finanzieren (Hiersemann, S. 49f.).


Standorte des Erstdrucks

3.2. Weitere Ausgaben
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Leipzig: Bernhard Christoph Breitkopf 1774.

3.2.1. Neueditionen
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Düsseldorf: VDI-Verlag 1981.

Hannover: Edition „Libri Rari“ Schäfer 1982.

3.2.2. Mikroform-Ausgabe
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Göttingen: Niedersächische Staats- und Universitätsbibliothek 1997. Vorlage: Exemplar der Niedersächsischen Staats- und Universitätsbibliothek Göttingen, Sign. 2 BIBL UFF 255.

3.2.3. Digitale Ausgabe
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4. Inhalt
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Das Theatrum Machinarium Oder: Schau-Platz der Heb-Zeuge, bibliographisch gezählt als der vierte Band von Leupolds Theatrum Machinarum-Enzyklopädie, beginnt mit zwei Vorreden. In der ersten Vorrede, die Leupold an Kaiser Karl VI. richtet, stellt er die Bedeutsamkeit der Mechanik heraus, denn „ohne besondere Wissenschaften der mechanischen Künste“ (Vorrede, unpag. [S. 3]) könne vieles nicht geleistet werden. Er macht auch deutlich, dass die Mechanik nicht nur zu Kriegszeiten nötig sei, sondern auch in Friedenszeiten „Glückseeligkeit“ (Vorrede, unpag. [S. 5]) bringen könne. Die zweite Vorrede richtet sich an den „Nach Standes-Gebühr geehrteste[n] Leser“. Hier beschreibt Leupold, was der Leser von seinem Buch zu erwarten hat. Er möchte neue oder bisher unbekannte Maschinen präsentieren. Diese sollen entweder nur dargestellt oder mit Verbesserungsvorschlägen versehen werden. Leupold übt hier bereits Kritik an „unverständigen Vätern der Mechanic“ („Nach Standes-Gebühr geehrtester Leser“, unpag. [S. 2]), die nutzlose Maschinen konstruieren. Ihre Maschinen werden im Haupteil als Negativbeispiele angeführt. Es wird außerdem bereits in der Vorrede an den Leser deutlich, was programmatisch für das ganze Buch ist, nämlich dass Leupold Wert auf einfach zu konstruierende Maschinen legt. Die Kraft lässt sich für ihn „viel besser nur durch die einfachen Hebzeuge ausrichten“ („Nach Standes-Gebühr geehrtester Leser“, unpag. [S. 2]). Aus diesem Einfachheitspostulat resultiert auch, dass es „eine[m] jeden sehr leichte sein wird solche [die Maschinen] zu imitieren“ („Nach Standes-Gebühr geehrtester Leser“, unpag. [S. 2]). Hier wird deutlich, dass der Nutzen der dargestellten Maschinenbautechnik im Vordergrund steht. Eine Wiederholung der „Fundamente der einfachen Rüst-Zeuge“ („Nach Standes-Gebühr geehrtester Leser“, unpag. [S. 3]) soll für Verständlichkeit der beschriebenen Sachverhalte bei Anfängern sorgen.

Im Hauptteil werden verschiedene Maschinen, die der Fortbewegung und Hebung von Lasten dienlich sind, vorgestellt. Das 1. Kapitel enthält einen sechzehnseitigen „Discurs von der Mechanic“, welcher nach einem kurzen einleitenden Paragraphen beginnt. In Paragraph 2 übersetzt Leupold die Vorrede des Werkes Heron Mechanicus (1580) von Conradus Dasypodius (d.i.: Konrad Hasenfratz/Rauhfuß/Hasenfuß, 1531-1600) (dazu Oestmann, S. 212) aus dem Lateinischen ins Deutsche (S. 2ff.). Es handelt sich um eine Darstellung der Geschichte des Maschinenbaus, in die auch die Beschreibung verschiedener mechanischer Disziplinen einfließt (S. 5ff.). Es wird deutlich, dass die Verbindung von wissenschaftlichem Wissen und Praxis einen „Mechanicus“ ausmacht. Diese Verbindung ist auch für Leupold von zentraler Bedeutung, da er viel Wert auf die Praktikabilität von Maschinen legt (S. 4). So verbindet Leupold die Theorie mit der „praktischen Erfahrung“ und dem Experimentieren (Hiersemann, S. 90). Bevor Leupold intensiv in die Thematik einsteigt, werden im 2. Kapitel einfache Geräte beschrieben. Der Verfasser zeigt, wie ein Mensch mit einfachen, nicht-maschinellen Mitteln Lasten transportieren kann. Dieses Kapitel dient abermals dazu, die Bedeutung der Einfachheit hervorzuheben. Ein Beispiel hierfür ist eine „Heb-Lade“, die „ein Zimmermann, und zur Noth ein jeder Hufffschmidt machen kann“ (S. 77). Immer wieder stellt Leupold die für ihn zentralen Elemente einer Maschine heraus, wie Schlichtheit, Funktionalität und kostengünstige Herstellung. Vor der Vorstellung eines Krans von Jacques Besson, der zwar funktioniert, aber sehr kompliziert und teuer in der Herstellung ist, präsentiert Leupold simplere Alternativen. Alle Kräne erfüllten, so Leupold, den gewünschten Zweck; für wen jedoch „simplicitas delicat“ (S. 107), der würde sich für Leupolds Maschine entscheiden. Eine deutliche Gegenüberstellung von Einfachheit und Komplexität erfolgt auf Tabula XXXIV, auf der sowohl ein zeitgenössischer als auch der Kran von Besson zu sehen sind. Zu erkennen ist hier ein Aktualitätsbezug, der wiederholt Eingang in Leupolds Maschinenbeschreibungen findet. Leupold würdigt in seinem Werk herausragende Maschinenbautechniken der Vergangenheit. Dabei hatte „wohl kaum eine ingenieurstechnische Großleistung [...] im 16. Jahrhundert die Gemüter so erregt wie die Umsetzung des Vatikanischen Obelisken zum Petersplatz unter der Leitung des Baumeisters Domenico Fontana im Jahr 1586“ (Buchheim, S. 122). Das ganze 11. Kapitel (S. 137-148) widmet Leupold dem italienischen Architekten und Ingenieur Domenico Fontana (1543-1607) (dazu Quast, S. 144ff.) und dem „seinerzeit wohl spektakulärste[n] Unternehmen eines Schwerlasttransportes“ (Buchheim, S. 122). Leupold beschreibt detailliert, wie Fontana zu Werke gegangen war und mittels unkomplizierter Maschinen dieses Kunststück vollbracht hatte. Leupold rezipiert Maschinen aus anderen Theatra Machinarum kritisch, unter anderem aus denjenigen von Agostino Ramelli (Le diverse et artificiose machine, 1588), Jacques Besson (Theatrum instrumentorum et machinarum, 1578) und Heinrich Zeising (Theatrum Machinarum, Bd. 1, 1607). Ziel der Kritik sind der geringe Nutzen und die große Komplexität der Maschinen. Besonders eine Maschine Ramellis, in der die ‚Schraube ohne Ende‘ eingesetzt wird (S. 39f.; Tab. VII, Fig. II. III) kritisiert er deutlich. Diese scheint Leupold völlig realitätsfern zu sein, was seinem selbst gesetzten Anspruch an Praktikabilität widerspricht. Ramelli wird als „Luft-Schöpfer“ bezeichnet, der „ohne Verstand inventiret“ (Tab. VII) und nicht wisse, was er tue (S. 40). Leupold betont, dass Ramellis Maschine in der Realität nicht funktionieren könne oder gemessen am zu betreibenden Aufwand unbrauchbar sei. Die Präsentation dieser ungeeigneten Maschinen resultiert aus der Überzeugung des Verfassers, dass man aus begangenen Fehlern lernen könne (Troitzsch 1975, S. 270). Auch Zeisings ‚Wagen mit drei Rädern‘ nimmt Leupold in seinen Band auf, um ihn scharf zu kritisieren: „es ist die Sache ganz falsch und erlogen“ (S. 63). Positiv bewertet der Verfasser die Maschinen von Claude Perrault, einem französischen Architekten, Mediziner, Physiker und Techniker (dazu Cranach-Sichart, S. 430ff.). Diese werden zunächst vorgestellt (S. 66ff.); im Anschluss liefert Leupold Anmerkungen und ausführlichere Erklärungen (S. 73f.). Auch der Baumeister und Architekturtheoretiker Joseph Furttenbach d. Ä. (1591-1667) (dazu Zimmer, S. 409f.) und sein Mannhaffter Kunst-Spiegel (1663) werden immer wieder zitiert. Obwohl es sich bei dem vorliegenden Theatrum Machinarium Oder: Schau-Platz der Heb-Zeuge um ein in sich abgeschlossenes Werk handelt, stellt Leupold auch Bezüge zu seinen eigenen vorangegangenen Theatrum Machinarum-Bänden her und gibt präzise an, wo man die jeweiligen Passagen finden kann. Ein wichtiges Element des Theatrum Machinarium Oder: Schau-Platz der Heb-Zeuge bilden die Kupferstiche. Hier wird ein klarer Unterschied zu vorangegangenen barocken Maschinenschaubüchern deutlich. Die Maschine steht im Vordergrund und wird nicht mehr in eine Umgebung eingebettet. Stattdessen werden zur besseren Verständlichkeit einzelne Maschinenelemente gezeigt. Der Betrachter im Bild verschwindet im Gegensatz etwa zu Heinrich Zeising Theatrum Machinarum (1607), wo er noch eine Rolle spielt. Die Mechanik und ihre Funktionsweise stehen bei Leupold eindeutig im Vordergrund (Lazardzig, S. 80) – ohne verschönerndes Beiwerk (Troitzsch 1975, S. 273). Jacob Leupolds Werk zeugt von einer umfassenden Kenntnis der zeitgenössischen Maschinentechnik; Mauersberger beurteilt Leupolds Werk und andere im 15. bis zum 18. Jahrhundert entstandene berühmte Maschinenbücher als „Fundgrube der Technik“: „Sie repräsentieren ferner in gewissem Maße den jeweiligen Stand des technischen Wissens“ (Mauersberger, S. 88). Zum einen ist Leupolds wissenschaftlicher Anspruch deutlich zu erkennen, zum anderen tritt der Lehrbuchcharakter des Theatrum Machinarium Oder: Schau-Platz der Heb-Zeuge hervor: Bei der Beschreibung der Sachverhalte bemüht sich Leupold um Verständlichkeit und stellt sie zum Teil mehrmals aus unterschiedlichen Blickwinkeln dar (Troitzsch 1975, S. 267ff.). Leupold wollte mit seinem Werk ein Lehrbuch schaffen, dass auch ohne besondere Vorkenntnisse verstanden werden sollte und dessen Einzelbände auch unabhängig voneinander nutzbar waren (Troitzsch 1982, unpag. [S. 2]).

5. Kontext und Klassifizierung
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Leupold, der sich selbst als „Mathematicus und Mechanicus“ (siehe die Titelkupfer der Theatrum-Bände) bezeichnete, hatte eine Zwischenstellung zwischen Theorie und Praxis inne: Einerseits arbeitete er als Maschinenbauer, andererseits besaß er eine theoretisch-wissenschaftliche Grundlage. Leupolds großes Anliegen war es „die Wohlfahrt des Landes zu heben [und] die Produktivität der Arbeit zu steigern […]. Gewerbe, Manufakturen und Bergwerke […] müßten sich vor allem der wissenschaftlichen Erkenntnisse bedienen“. Er schaffte den „Übergang vom handgeführten Werkzeug zur Werkzeugmaschine“ (Banse/Wollgast, S. 71f.). Leupold war ein angesehener Mann und wurde Mitglied in der Preußischen und Sächsischen Akademie der Wissenschaften (Troitzsch 1975, S. 266). Sein Theatrum Machinarum bildet den Höhe- und Endpunkt der Theatrum Machinarum-Literatur: „Mit der Anwendung des Nützlichkeitspostulats auf den Inhalt des Theatrum selbst findet bei Leupold nicht nur die Textgattung des Theatrum Machinarum ihr Ende, sondern wird die Maschine gewissermaßen ‚ernst‘ genommen“ (Lazardzig, S. 83f.).

6. Rezeption
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Das neunbändige Theatrum Machinarum ist im imposanten Folioformat erschienen und umfasst ca. 1800 Seiten Text und ca. 500 Kupfertafeln (Banse/Wollgast, S. 72), die ein wichtiges Element des Werks bilden. Die Kupfer erhöhten den Verkaufspreis, so dass das Werk eher einem wohlhabenden Leserkreis zugänglich war als dem einfachen Handwerker. Andererseits trugen gerade die hochwertigen Stiche aber auch zu dessen relativ starker Verbreitung bei (Troitzsch 1975, S. 272). Obwohl Leupolds Werk in deutscher Sprache abgefasst war und nicht übersetzt wurde, war er auch über die Landesgrenzen vor allem in England, Frankreich und Russland bekannt (Mauersberger, S. 98). Der englische Ingenieur und Erfinder James Watt (1736-1819) erlernte die deutsche Sprache, um Leupolds Werke lesen und verstehen zu können. Ernst H. Berninger weist darauf hin, dass einige Maschinen Leupolds noch heute existieren, „so befindet sich zum Beispiel eine zweistielige Luftpumpe um 1710 von Jacob Leupold im Inventar der Abteilung Physik des Deutschen Museums“ (Berninger, S. 142).

7. Bibliographische Nachweise und Forschungsliteratur
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