Einführung

Andreas Möller: Theatrum Freibergense Chronicum
Flemming Schock

1. Titel
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Theatrum Freibergense Chronicum, Beschreibung der alten löblichen BergHauptStadt Freyberg in Meissen/ Darinnen des reichen herrlichen Silber-Bergwercks/ und der Stadt uhrsprung/ Gelegenheit/ Gebäwde/ Privilegia, Regenten und Beampten/ so wol in Geistlichen als Weltlichen und BergStande verzeichnet zu befinden/ Ingleichen was sich bißher innerhalb fünffhundert Jahren im Lande Meissen/ und absonderlich bey dieser Stadt zu Fried- und Kriegszeiten denckwürdiges begeben. Alles mit Fleiß aus alten monumenten, RathsArchiven, Stadt- und Gerichtsbüchern/ Historien/ und andern beglaubten uhrkunden und Schrifften zusammen getragen/ und zum Druck verfertiget von Andr. Mollero Pegavio, Philos. & Med. D. Physico Ordinario daselbst. Freybergk Druckts und verlegts Georg Beuther/ Im Jahr Christi 1653. Nebentitel: Andr. Molleri Pegavn Phil. et Med.Doctor. Theatrum Freibergense Chronicum. Beschrebung der Stadt Freyberg in Meissen. Auß vielen alten monumenten Rathsarchiven und andern Uhrkunden zusamen getragen und in Druck gegeben. Freybergk bey Georg Reuthern. Freiberg: Georg Beuther, 1653. - Titelseite (Kupfertafel), 507 pag. S., 1 Ill. (Holzschnitt), 4°. [opac ↗091809878] [vd17 ↗23:238100M]

2. Verfasser
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Andreas Möller (1598-1660), Pädagoge, Chronist, Arzt und Polyhistor. Ab 1613 besuchte Möller zunächst die Fürstenschule in Pforta, ab 1616 war er an der Universität Leipzig immatrikuliert. Hier widmete er sich vor allem philosophischen und medizinischen Studien. Aus finanzieller Not musste er das Studium jedoch nach nur einem Jahr abbrechen; Möller kam nach Frankfurt, an der hiesigen Universität konnte er zuweilen weitere Vorlesungen besuchen. Ab 1617 folgte dann die Wiederaufnahme des Studiums in Leipzig, gegen 1620 schließlich wurde Möller Magister und hielt zunächst Vorlesungen über hebräische Grammatik. Zwei Jahre später nahm er die Einladung eines Freiberger Superintendenten an, als Informator von dessen Sohn zu arbeiten. 1624 wurde Möller zum Tertius an der Freiberger Stadtschule, 1627 zum Konrektor und Bibliothekar. Da die Auswirkungen des 30-Jährigen Krieges Freiberg schwer trafen, verlor Möller seine Stelle jedoch und verlegte sich auf die Medizin. Erst 1637 erlangte er die Doktorwürde an der Universität Jena. Parallel zur Praxis als Arzt etablierte sich Möller als Autor. Seine Freiberger Chronik wertet die Allgemeine Deutsche Biographie als „sein bedeutendstes und unvergängliches Werk“ (Bd. 52, S. 442).

3. Publikation
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3.1. Erstdruck
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Das Theatrum Freibergense Chronicum erschien 1653 in der Freiberger Offizin des Druckers Georg Beuther (1591-1667). In Freiberg war Beuther von 1631 bis 1667 tätig. Neben Leichenpredigten und Trauergedichten brachte er 1645 erstmals einen Freiberger Bergkalender heraus – Möllers Theatrum Freibergense Chronicum gilt als Beuthers wichtigstes Werk (Schmidt, Bd. 1, S. 159).

Der Möller’schen Chronik, die eigentlich auf zwei Teile hin konzipiert war, folgten lediglich zwei handschriftliche Fortsetzungen, Continuatio Annalium Freibergensium, von einem unbekannten Verfasser bis 1700 geführt, sowie die dreibändige Weiterführung durch den Erzdiakon Samuel Bernhard Kühn (1667-1725).


Standorte der deutschsprachigen Erstausgabe

3.2. Weitere Ausgaben
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Es existiert eine weitere Ausgabe, die lediglich auf dem Frontispiz die Jahreszahl 1652 statt 1653 vermerkt (VD17 3:694827B).

3.2.1. Digitale Ausgaben
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4. Inhalt
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„[...] gleich als in einem Theatro oder Schawplatz den Geschichtsliebenden fürgestellet [...]“ („Zueignungs-Schrifft“, unpag.) will Möller seine Chronik sehen. Schon im umfassenden, legitimatorischen Vorbericht lenkt der Autor seine Leser auf ein Hauptaugenmerk des Unterfangens: Neben der Stadtgeschichte geht es auch um die Faszination für das Montanwesen. Möller gibt vor, die Motivation für das Werk ganz alleine geschöpft zu haben, sei er doch in seiner Rolle als Konrektor der Freiberger Schule in die glückliche Situation geraten, „[...] ein zimlich Convolut der ältesten Lateinischen archiven un privilegia der Stadt [...]“ (Vorbericht, unpag.) erhalten zu haben; dank dieser günstigen Quellenlage könne eine längst überfällige Chronik der Stadt geliefert werden, wie Möller in einer Art Literaturbericht anmerkt. Auch eine Fortsetzung der Chronik kündigt er an.

In einem kompilatorischem Überblick bringt Möller darauf im Kapitel „Euphemiae & Testimonia“ Ausschnitte aus diversen älteren Werken, die sich zur Stadt Freiberg geäußert haben, darunter auch berühmtere Texte des 16. Jahrhunderts, so etwa Sebastian Münsters Cosmographia (1544) oder Martin Zeillers Itinerarium Germaniae (1632). Die Kapitelstruktur folgt übergeordneten Sektionen mit jeweils zwanzig Unterkapiteln, Marginalien entlang des Fließtextes lenken die Aufmerksamkeit. Im ersten Kapitel der „Ersten Abtheilung“ folgt Möller dem bewährten kosmographisch-chorographischen Beschreibungsmuster, indem er seine Leser vom Allgemeinen zum Besonderen führt: Bevor er sich Freiberg zuwendet, ist zunächst generell „Vom Meißner Lande“ (S. 1) die Rede. Es folgt eine geographische Verortung der Stadt, wobei Möller verschiedene alte und rezente Quellen sorgsam gegeneinander abwägt. Eine fraglos intendierte Nebenerscheinung: Die vielen bibliographischen Verweise sind zugleich Zeugnis seiner polyhistorischen Belesenheit. Das zweite Kapitel greift siedlungsgeschichtliche Aspekte vor der eigentlichen Stadtgründung auf. Und diese wäre, wie im dritten Kapitel zu erfahren ist, ohne die vorangehende „Erfindung des Freybergischen Bergwercks“ (S. 16) kaum denkbar gewesen. In der Betonung des sächsischen Erzgebirges als Bergbauregion par excellence stützt sich Möller auf die Schriften (De veteribus et novis metallis, 1546) des bedeutendsten frühneuzeitlichen Geo- und Montanwissenschaftlers: Georg Agricola (1494-1555). Möller betont den hohen Stellenwert des Bergbaus: Gold in der „[...] Natur/ und in der Erden [...]“ (S. 21) zu suchen sei im Vergleich zu Eroberungen und risikoreichen Schifffahrten „[...] recht und redlich“ (S. 21). Im Folgenden vermengt Möller den stadtgeschichtlichen Abriss seit dem 12. Jahrhundert zunehmend auch mit der Aufbereitung und Diskussion diverser Wissensaspekte – etwa der Frage, ob die Stadt lateinisch ‚Friberga‘ oder ‚Freiberga‘ geschrieben werden müsse. Die Kapitel vier bis dreizehn wenden sich wieder topographischen Aspekten zu und verfolgen die städtische Anatomie in überraschendem und immer intensiverem Detailgrad. Gerade die Innenausstattung sämtlicher Kirchen reproduziert Möller in erschöpfender Akribie, übersetzt Tafelinschriften, liefert Bildbeschreibungen, geht der Geschichte von hiesigen Klöstern nach etc. Hier ist der Autor mehr als nur Chronist: Die schlichte Ereignisgeschichte in jährlich-serieller Taktung tritt klar in den Hintergrund und bietet nur den Rahmen für eine enzyklopädische Bestandsaufnahme. Erst im vierzehnten Kapitel („Von der Schule und Bibliothec“) lässt Möller die sakralen Räume hinter sich und berichtet als Freiberger Bibliothekar über seine eigene Domäne. Folgende Kapitel behandeln weitere profane Gebäude wie das Rathaus; einmal mehr leitet Möller den Leser dabei wie ein imaginärer Führer durch jeden einzelnen Raum. Erst ab „Caput XVII“ kommt Möller auch auf das erzverarbeitende Gewerbe der Stadt zu sprechen und stellt neben Gasthöfen und Papiermühlen auch Schmelzhütten und Gießhäuser vor. Das 20. Kapitel bewegt sich an die Peripherie der Stadt und berichtet „Von den GottesAeckern“. Mit der zweiten Sektion konzentriert sich Möllers Chronik in jeweils kurzen Biographien primär auf für die Stadtgeschichte wichtige profane und geistliche Persönlichkeiten. Es sind dabei nicht nur nahe liegende lokalpatriotische Kommentare, die Möller von der eigentlichen Unparteilichkeitsprämisse des Chronisten abbringen; es ist gerade auch seine konfessionelle Identität: So gebühre etwa Herzog Heinrich dem Frommen (1473-1541) der „[...] unsterbliche Ruhm/ daß er durch Eingebung Gottes des heiligen Geistes / diese Stadt / und hernach das gantze Land/ von den Päbstlichen Grewel gesaubert [...]“ (S. 186) habe. Im Folgenden geht Möller auf die Entwicklung der Reformation genauer ein, ab dem vierten Kapitel werden listenartig Hofprediger, Diakone und selbst Glöckner und Organisten vorgestellt. Im neunten Kapitel wendet sich der Text der Entwicklung des Schul- und Bildungswesens zu. Hier heißt es, dass selbst Georg Fabricius (1517-1571) für Freiberg voll des Lobes sei – wegen „[...] Beförderung gelehrter Leute“ (S. 293). In der „Sectio Tertia“, setzt Möller die chronikalisch-biographische Listenführung fort – in Kurzabrissen wird das gesamte Freiberger Amts- und Verwaltungspersonal vorgestellt, Amts- und Gerichtsschreiber ebenso wie Bürgermeister und Vögte. Die chronikalische Serialität, die in den städtebaulichen Passagen des Theatrum Freibergense zuvor ausdünnte, kehrt hier im reinen Namedropping zurück, das auf jede narrative Einfassung verzichtet. In der vierten Sektion folgt schließlich der etwas unvermittelte Übergang zum montangeschichtlichen Abschnitt der Chronik: Möller entwickelt in allen Details die Entstehung des immer auch politisch umkämpften Erzbergwerks der Stadt, das durch seinen Reichtum eine Sonderstellung innehabe. Mit Blick auf die Zuständigkeiten und Privilegien im Bergwerk zeigt der Autor seine Fachkompetenz auch insofern, als er selbst montanwissenschaftliche Autoritäten wie Georg Agricola und dessen wichtige Re Metallica korrigiert (S. 439). Auch in diesem Kapitel dominiert im Anschluss das knappe chronikalische Auflisten des gesamten Bergwerkpersonals über die Jahrhunderte – von den Bergmeistern über die Berggeschworenen zu den Münzmeistern. Wiederum mit einem thematischen Sprung schiebt Möller im siebten und letzten Kapitel in einer Art Epilog den Bericht „Von Physicis Ordinariis, Apothekern und Buchdruckern der Stadt“ (S. 496ff.) nach – sicher kein Zufall aufgrund von Möllers medizinischer Sozialisation. Der Autor schließt diesen ersten Teil der Chronik mit dem Versprechen auf eine Fortsetzung, da ihm das Material unter seinen Händen überraschend angewachsen sei. Dazu kam es jedoch offensichtlich nicht mehr.

5. Kontext und Klassifizierung
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Theatrum Freibergense Chronicum – der Zusatz Chronicum im Titel von Möllers Werk macht die Genrefrage deutlich, obwohl das Bildprogramm des Frontispizes zunächst eine spezifische inhaltliche Gewichtung nahezulegen scheint: eine nur kleine Vedute der Stadt Freiberg zeigt sich hier von einem Querschnitt durch ein Bergwerk gerahmt und mag so die Vermutung nahelegen, dass Möllers Theatrum Freibergense Chronicum auch der blühenden frühneuzeitlichen montanwissenschaftlichen Literatur zuzuschlagen ist. Ein Blick ins Werk macht jedoch schnell deutlich, dass es Möller keineswegs um die Weiterentwicklung des technischen Wissens im Bergbau geht; auch nimmt die Darstellung des Freiberger Bergwerks im Werk weit weniger Raum ein als das Frontispiz zunächst vermuten lässt. Möllers Theatrum Freibergense Chronicum ist zweifellos dem weiten Feld der Chronistik zuzuordnen, das gerade im 17. Jahrhundert boomte – bedingt auch durch die Entstehung neuer, periodischer Pressemedien, die eine erweiterte Materialgrundlage für chronikalische Unternehmen bildeten. Bemerkenswert ist, wie Möller aus einem breiten Fundus älterer Chroniken, aber auch archivalischer Quellen eine minutiöse Stadtgeschichte generiert, die sich zuweilen zum imaginären Stadtführer auswächst. Denn Möller beschränkt sich nicht nur auf die unkommentierte Auflistung des jährlichen Geschehens. Vielmehr bringt er auch eine detaillierte städtebauliche Anatomie, die sowohl geistliche als auch profane Bauten sowie die mit ihnen verbundenen Biographien in extenso vorstellt und Freiberg dem Leser geradezu imaginär vor Augen führt. Sicher bedingt auch durch arbeitspragmatische Gründe, ‚kippt‘ der Text des Theatrum Freibergense Chronicum in späteren Abschnitten dann jedoch in ein komprimiertes Namedropping städtegeschichtlich relevanter Personen – das Werk reduziert sich zunehmend auf eine reine Listenchronik. Spätestens hier verhehlt der Autor nicht, dass sein Theatrum sich kaum mehr zur sequentiellen Ganztextlektüre empfiehlt, sondern eher als biographisches Nachschlagewerk. Angesichts der insgesamt mehreren hundert Namen, die Möller in seinem Werk nennt, wundert es daher auch nicht, dass auf die Arbeit eines Personenregisters verzichtet wird.

6. Bibliographische Nachweise und Forschungsliteratur
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