Engelbert Kaempfer war nicht der erste Europäer, der die einheimischen Namen japanischer Pflanzen aufzeichnete. Schon die Jesuiten listeten in ihrem bahnbrechenden Vocabulario da Lingoa de Iapam (1603) eine stattliche Zahl von Pflanzennamen auf, doch ging es bei diesem, in der Mission kompilierten Wörterbuch nicht um die Erfassung von Flora und Fauna, sondern um die Erleichterung des Lebens und Missionierens in Japan. Entsprechend allgemein und vage fielen die Erklärungen aus.
Was als Handelsware brauchbar war, erschien früher oder später in den Geschäftspapieren der niederländischen Ostindien-Kompanie (VOC). Diese unterhielt mit Erlaubnis der Tokugawa-Regierung seit 1609 eine Niederlassung im Westen des Landes – zunächst auf der Insel Hirado, nach 1641 auf der durch Erdaufschüttung gewonnenen Insel Dejima in der Bucht von Nagasaki. Seit der Mitte des 17. Jahrhunderts versuchten die japanischen Behörden stärker als zuvor, den Abfluss von Silber und Gold beim Import von notwendigen Gütern wie Rohseide, Seidenstoffen, Baumwolle, (chinesischen) Arzneimitteln, Rochenhäuten, Gewürzen, Quecksilber, Blei, Zinn usw. zu verringern. 1668 übergab man der Kompanie eine lange Liste von Luxuswaren, deren Einfuhr fortan verboten war. Zugleich änderte man wiederholt die Handelsprozeduren, um die Gewinne der Niederländer einzudämmen und die Position der einheimischen Importeure zu stärken. Japanische Porzellane und Lackarbeiten erzielten hohe Preise, doch war die Lieferkapazität begrenzt. Ansonsten konnte man Kupfer anbieten, Kampfer aus Satsuma, Tee, Tabak (!) und Reis, sofern die Ernte gut ausfiel. Informationen hierzu findet man in den Tagebüchern der Faktorei Dejima ebenso wie in Lieferpapieren. Natürlich hielten die Europäer in Nagasaki die Augen auf, um potentiell lukrative Rohstoffe oder Waren ausfindig zu machen.
Gelegentlich sickerte die eine oder andere Information durch ehemalige Bedienstete der Kompanie in die westliche Literatur ein. Ernst van Hogenhoek, der nach 17 Jahren in Asien als gemachter Mann in die Niederlande zurückkehrte, erwähnt unter anderem den Obstbau:
„Daselbst findet man fast alle Europeische Früchte / als Pfirsiche / Kirschen / Pflaumen / Aepfel / Birne / und insonderheit diejenigen Aepfel / welche in Engelland Pippins, und in Teutschland Barsdörffer genenntet werden: Item Christbirne / sonst die guten Christen genant; welche in Japan noch wol gedultet werden. Wiewol fast keine Frucht darunter befindlich / so nicht auch in andern Ost=Indianischen Ländern anzutreffen wäre.“ (Arnold 1672: 359. Michel 2000.)
Der Chirurg und spätere Leipziger Handelsmann Caspar Schamberger (1623–1706) griff mehr als zwei Jahrzehnte nach seiner Rückkehr zur Feder und brachte eine „Der Ost-Indischen und angräntzenden Königreichen in zwölff-jähriger Reise observirte vornehmste Seltenheiten betreffende kurtze Erläuterung“ (1686) zu Papier. Schamberger hatte viel erlebt und von 1649 bis 1651 in Japan auf einflussreiche Personen einen so starken Eindruck gemacht, dass er zum Stammvater der sogenannten ‚Caspar-Chirurgie’ aufstieg. Sein Name markiert den Beginn der kontinuierlichen japanischen Beschäftigung mit westlicher Medizin, die nach und nach zur sogenannten „Hollandkunde” ausreifte. In seiner Schrift erläutert Schamberger anhand dreier Bildtafeln, die leider verloren gingen, den Handel und Wandel der Niederländer in Ostindien. Er beschreibt Münzen, Tiere, Sprachen sowie eine Reihe von Früchten, Wurzeln und Nüssen vorwiegend aus tropischen Regionen. Hinsichtlich Japans war ihm die Kumquat (kinkan) einige Anmerkungen wert:
„No. 13. Ist die Frucht Kingkan / wachsen nur in Japan / ist ein klein Pomerantzen=Geschlecht: Die Schale ist dinne und gantz gelb / auch gantz süsses fettes Geschmacks / das Fleisch aber / Citronen säuerlich / ist eine sehr gesunde Frucht / und versüsset der Schalen Geschmack die innerliche Säure / daß sie sehr lieblich zu essen / werden in großer Menge eingemacht und weit verführet / wachsen auf kleinen Bäumlein 2. Ellen hoch / in großer Menge.“ (Michel 2010: 131)
Eine gezielte botanische Suche löste das 1675 in Amsterdam gedruckte Büchlein Hermann Buschoffs (ca. 1620–1674) über die wunderbare Wirkung der Moxa (jap. mogusa) aus: „Het Podagra, nader als oyt nagevorst en uytgevonden, midsgaders des selfs sekere Genesingh of ontlastend Hulp-Mittel“. Der in Batavia lebende Pfarrer Buschoff litt an Fußgicht (Podagra) und war von der durch eine Ärztin aus Indochina ausgeführten Brenntherapie derart beeindruckt, dass er umfassende Studien zur Podagra und ihrer Behandlung unternahm. Sein Büchlein zielte zugleich auf den Aufbau eines neuen Marktes, und wohl deshalb mochte Buschoff nichts Konkretes zur Herstellung seines wunderbaren Heilmittels sagen (Michel 1993a). Als Rohstoff für die ‚Ostindische Brennwolle’ diente, wie sich dann herausstellte, der simple Beifuß, was unter den Kaufleuten vermutlich eine gewisse Enttäuschung auslöste. Doch erreichten weder chinesische Produkte noch westliche Imitate die Qualität japanischer Moxa, besonders jener aus der Gebirgsregion Ibuki, so dass man eine gewisse Menge aus Japan bezog.
Einen wichtigen Beitrag zur Aufklärung der Natur der Moxa leistete der deutsche Arzt Andreas Cleyer (1634–1697/98). Er betrieb im Auftrag der Ostindien-Kompanie die Festungs- und die Stadtapotheke in Batavia und begann in den sechziger Jahren die Suche nach brauchbaren asiatischen Heilpflanzen (Kraft 1985). Zugleich tauschte er sich über seine Beobachtungen in langen Briefen mit Gelehrten in Europa aus. 1682 und 1685 zog er dann für jeweils ein Jahr als Leiter der Handelsstation Dejima mit seinem Gärtner Georg Meister (1653–1713) nach Nagasaki, wo er Informationen, japanische Pflanzenaquarelle und Samen sammelte. Einer der Empfänger seiner großzügigen Sendungen war der Sinologe, Botaniker und Leibarzt des Kurfürsten von Brandenburg Christian Mentzel (1622–1701). Mentzel, der in seinem 1682 gedruckten Pinax Botanonymos Polyglottos Katholikos auch China, Korea und Japan berücksichtigte, übersetzte Auszüge aus Cleyers Schreiben und publizierte sie unter dessen Namen zwischen 1683 und 1700 in den Miscellanea curiosa medico-physica Academiae naturae curiosorum sive Ephemerides Germanicae der Leopoldina. Dies waren die ersten längeren Mitteilungen zu einzelnen japanischen Pflanzen. Nahezu alle Artikel sind mit Cleyers Zeichnungen illustriert (Michel 1991).
Cleyer blieb bis zu seinem Lebensende auf Java. Meister hingegen zog es 1687 aus Gründen der „Religion und Liebe zum Vaterlande” nach Hause (Meister 1692: 223). Neben seiner persönlichen Habe führte er in Cleyers Auftrag Pflanzen, Samen und anderen Materialien mit sich. Dies war ein Zeitalter globaler Transplantation. Am Kap der Guten Hoffnung übergab Meister zweiundachtzig Setzlinge für den Garten der Kompanie. Eine ähnlich stattliche Zahl von Pflanzen, die er „samt ihrer indianischen Erde und Wurzeln in Bambusen” versetzt hatte, ging nach Europa.
“Spezifikation vor Amsterdam, was an indianischen Baum- und Blumen-Gewächsen mein Herr Cleyer in Hortum Medicum durch mich übersendet hat.
Rund sechshundert Blatt mit Pflanzenaquarellen aus der Hand eines japanischen Malers wurden an den kurfürstlichen Leibarzt und Sinologen in Berlin, Christian Mentzel (1622–1701), geschickt. Mentzel fügte ein Frontispiz, ein Titelblatt und die unumgängliche Widmung an den Kurfürsten hinzu und ließ das Ganze als Flora Japanica binden (Kraft 1976, Winau 1976). Andere Pflanzenbilder und Beschreibungen gingen an an Nicolaas Cornelisz Witsen (1641–1717), einen weit gereisten und gelehrten Direktor der Kompanie und zeitweiligen Bürgermeister von Amsterdam, der sich ein kleines ‚Museum’ angelegt hatte (Muntschik [Caesar] 1984; Gebhard 1881/82). Weitere Empfänger und Überbringer nennt Cleyers Brief an Meister vom 30. November 1687 (Meister 1692: 225f.). Aus Meisters eigenem Fundus stammen „300. Bogen schön gemahlte Indianische oder Japponische Herbarien” für den „berühmten Botanicum zu Dantzig Tit. Herrn Jacobum Breynium”. Dieser gedachte in seinem Prodromus Fasciculi rariorum Plantarum Secundus (1689) des großzügigen Spenders „zur Danckbarkeit gar honorifice” (Breyn 1689: 27, 98, 101f.). Die Blätter in Berlin sind erhalten (Staatsbibliothek zu Berlin, Libri picturati A 41/42), das Schicksal der Breynschen Bögen ist nicht geklärt.
Meisters Wiedereingliederung in die heimische Gesellschaft verlief rasch und erfolgreich. Schon 1689 wurde er in Dresden „in seiner Churfl. Dienste als Orientalischer Lustgärtner begnädigt und aufgenommen”. Drei Jahre darauf publizierte er einen Orientalisch-Indianischen Kunst- und Lustgärtner. Das Werk fand seine Leserschaft. Zwei weitere Auflagen erschienen 1710 und 1713, d.h. noch zu Lebzeiten des Autors, in „Dressden zu frieden bey Christoph Hekel”, die vierte und fünfte Auflage 1730 bzw. 1731 in „Dressden und Leipzig bey Christoph Hekels seel. Sohn”. Einige seiner Pflanzenbilder wurden in naturkundlichen Büchern reproduziert. Johann Heinrich Zedler gewährte Meister im Universal-Lexicon zwar nur einen dreizeiligen Artikel (Zedler 1739: Bd. 20, Spalte 403), griff aber bei fast allen fernöstlichen Pflanzennamen auf dessen Werk zurück. Das Buch enthält u.a. eine „Japponische Baum=Schule”, in der eine Reihe von Pflanzen erstmals beschrieben werden. Erstaunlicherweise gibt es in diesem Teil jedoch keine einzige Illustration. Sogar die Kamelie (Camellia japonica L.), von der Meister sehr angetan war, findet sich nur im Hintergrund seines Porträts. Der Text hingegen kommt in vielen Fällen bis in den Satzbau mit jenen niederländischen Beschreibungen Cleyers überein, die Witsen erhalten hatte, aber ungenutzt ließ.
Kaempfer, dessen Japanprojekt in der Begegnung mit Landeskennern wie Johannes Camphuis, Cornelisz. van Outhoorn und nicht zuletzt mit Cleyer entstand, räumte dank der Impulse und Aufträge aus diesem Kreis der Erkundung der japanischen Pflanzenwelt eine prominente Stelle ein. Da er vor seiner Abreise nach Nagasaki mehrere Monate seinem Landsmann Cleyer bei dessen Korrespondenz half, war er über die Forschungslage bestens informiert. Eine von einem Chinesen in Batavia für für die Verständigung mit Japanern in chinesischen Zeichen angefertigte Bücherliste enthielt natürlich ein Werk über Materia Medica (Michel 2001a).
Wie sehr Kaempfer sich nach seiner Ankunft auch engagierte, er hing beim Erwerb japanischer Bücher und deren Erschließung von der Hilfsbereitschaft und den Kenntnissen wohlgesonnener Japaner in seiner näheren Umgebung ab. Deren Unterstützung war keineswegs gesichert, denn seit der Verlegung der Faktorei nach Nagasaki suchten die lokalen Behörden, das Studium der japanischen Sprache und die Erkundung des Landes durch die ‚Rotschöpfe’ (kōmōjin) nach Kräften zu verhindern.
Kaempfer berichtet allerdings, dass er auf den beiden Reisen nach Edo botanisierte, seine Begleiter ihm sogar Pflanzen brachten und der Gouverneur von Nagasaki von diesen Aktivitäten angetan war. Im Vorwort des Manuskripts „Heutiges Japan“ (der Grundlage für die 1727 gedruckte History of Japan) meinte er hierzu, dass die Japaner wie alle Völker die Botanik als unschuldiges Studium betrachteten, das man niemandem verwehren könne. Doch als Angestellter einer Kompanie, die mit Naturprodukten gewaltige Gewinne erzielte, hätte er die ökonomischen Aspekte durchaus erkennen können. Hinter dem Wohlwollen standen wirtschaftliche Interessen. Seit den sechziger Jahren hielten die Japaner intensiver als zuvor Ausschau nach ungenutzten Pflanzenressourcen. Über Jahrhunderte hinweg hatte man die einheimische Flora anhand chinesischer Kräuterbücher bestimmt und genutzt. Besonders nach dem Erscheinen von Lǐ Zhízhēns Arzneimittelbuch Běncǎo Gāngmù (1596) war es nicht leicht, sich dieser Dominanz zu entziehen.
Dass dieses Monumentalwerk nicht alles unter dem Himmel erfasste, wurde in der Begegnung mit der westlichen Heil- und Heilmittelkunde deutlich. Zur Herstellung der Pflaster und Salben, welche die Chirurgen der Handelsstation Dejima vorstellten, benötigte man Kräuter unklarer Herkunft und unverständlicher Namen. Zunächst bezog man diese zu stattlichen Preisen von den Niederländern, doch schon bald begann die Suche nach einheimischen Substituten. Auf Anforderung aus Edo lieferte die Kompanie illustrierte Fachwerke wie das Cruytboek von Rembertus Dodonaeus, entsandte Kräuterkenner (Gottfried Haeck, Franz Braun) und schließlich den gelehrten Dr. Willem ten Rhijne (1647-1700). Auf gemeinsamen Exkursionen in der Bucht von Nagasaki wurden Berichte über nutzbare Pflanzen erarbeitet, die man dem Gouverneur unterbreitete. Manches davon war den japanischen Ärzten bekannt. Doch gelegentlich tauchten Pflanzen auf, zu denen die chinesische Literatur keine Auskunft gab. Eine vorsichtige Distanzierung und Relativierung setzte ein. Einer der Teilnehmer erinnerte sich noch Jahrzehnte später daran, dass das Běncǎo Gāngmù hier und dort nichts nutzte (Michel 2007, 2009).
Just in jenen Dekaden, als Cleyer und Kaempfer nach Nagasaki zogen, begann die japanische Pflanzenkunde sich von der chinesischen Übermacht zu emanzipieren. Das Kräftediagramm hinter dieser Bewegung zeigt vielfältige Komponenten. Da waren zum einen Fortschritte in China selbst. Das Kräuterbuch Běncǎo Gāngmù brachte nach langjährigen Forschungen von Lǐ Zhízhēn nicht nur eine Verbesserung der Klassifikation und die Korrektur zahlreicher Fehler im bisherigen Schrifttum. Es demonstrierte zugleich die Wichtigkeit von Beobachtung und Vergleich in der Heilmittelkunde, was auch in Japan erkannt wurde.
Im Kontext der Pflanzenforschung spielte zugleich die Landwirtschaftskunde eine Rolle, denn hier geht es ebenfalls um Pflanzen und deren Eigenschaften, um Anbaubedingungen und Nutzungsmöglichkeiten. Im China der Ming-Zeit publizierte der Gelehrte Xú Guāngqǐ (1562-1633) ein ‚Kompendium der Agrarmaßnahmen’ (Nóngzhèng quánshū, 1639), das in 60 Büchern über Anbaumethoden, die Regulierung der Bewässerung, Bekämpfung von Heuschrecken, Neulandgewinnung, Seidenraupen- und Fischzucht, Honiggewinnung, über Heilpflanzen, Geräte, Feldfrüchte, Maßnahmen bei Hungerkatastrophen u.a.m. informiert. Der zum Christentum bekehrte Xú ließ sich von Matteo Ricci und anderen Jesuiten in Beijing stimulieren, die mit ihrem Fachwissen hohe Positionen am Hof errungen hatten. Unter den neueren Feldfrüchten widmete er besonders den aus Südamerika über die Philippinen ins Land gekommenen Süßkartoffeln eine ausführliche Beschreibung. Zahlreiche westliche Elemente finden sich auch in den Anleitungen zur Wasserregulierung.
Das Buch machte auf einen japanischen Leser, Miyazaki Yasusada (1623–97), einen tiefen Eindruck. Miyazaki, heute als einer der ‚Drei Großen Agrargelehrten’ (San dai nōgakusha) der Edo-Zeit verehrt, war über Jahre hinweg im westlichen Teil des Archipels umhergezogen, um die Lage und Probleme der Landwirtschaft in Augenschein zu nehmen und Vorschläge zu deren Verbesserung zu erarbeiten. Sein ‚Kompendium der Landwirtschaft’ (Nōgyō zensho, 1697) war wie das oben genannte chinesische Werk, eine bahnbrechende Aufklärungsschrift als Versuch, dem Landbau ein wissenschaftliches Fundament zu geben. Zugleich machte Miyazaki im Bewusstsein der spezifischen natürlichen Bedingungen Japans deutlich, dass man diese Bedingungen studieren und sich auf sie einstellen müsse. Nur wenige Jahre später publizierte sein Mäzen, der konfuzianische Gelehrte Kaibara Ekiken (1630–1714) das Heilmittelwerk Yamato honzō (‚Japanische Materia Medica’, 1706), dessen Titel mit der Verwendung des alten Reichsnamens Yamato die Stoßrichtung verkündet. Das Buch gilt heute als erster großer Schritt zu einer eigenständigen Botanik Japans. Kaibara schloss die damals eingeführten Pflanzen in seine Beschreibung ein. Insgesamt 29 der von ihm beschriebenen 1362 Pflanzen waren auf europäischen Schiffen ins Land gekommen. Namen wie inondo (< portug. eneldo, Dill) oder tabako (< portug./span. tabacco) und Wendungen wie ‚in jüngster Zeit aus fremden Landen’ zeigen, dass Kaibara um diesen Beitrag der ‚Südbarbaren’ (Portugiesen und Spanier) wusste.
Auch die weitere Entwicklung der japanischen Pflanzenstudien vollzog sich unter steter Einbeziehung des Westens und der Rezeption neuer Pflanzen. Bis ins 19. Jahrhundert wurde das Botanisieren der ‚Rotschöpfe’ wohlwollend gestattet, und die Übersetzung europäischer Kräuterbücher zählte zu den Schwerpunkten der sich im Laufe des 18. Jahrhunderts entfaltenden japanischen ‚Hollandkunde’ (Michel 2009).
Kaempfer kam mit dem Vorsatz nach Japan, die Flora des Landes umfassend zu erfassen. Für sein Projekt benötigte er mehr als nur gelegentlichen Beistand, denn die Hürden von Sprache und Schrift blieben in der kurzen Zeit seines Aufenthaltes unüberwindbar (Michel 2001a). Glücklicherweise wies man ihm Imamura Gen’emon Eisei (1671–1736) als Zimmerdiener (heya-kozukai) zu, den begabten Sohn eines Dolmetschers, der nach Kaempfers Rückreise zu einer steilen Karriere ansetzte.
„Diesem schlauen Kopfe habe ich in dem ersten Jahre die holländische Sprache (ohne welche ich mit ihm nicht hätte fortkommen mögen) Grammatice beigebracht, soadd. Kaempfer daß er dieselbe schreiben und weit besser reden können, als jemals ein japonischer Dolmetsch gekonnt; nicht minder habe ihn in der Anatomie und Medicin treulich unterrichtet und über dieses mit einen jährlichen, nach meiner Wenigkeit ansehnlichem Lohn regaliert. Dagegen er mir von der Gelegenheit ihrer Landen, der Regierung und des Hofes, die Religion und Geschichte voriger Zeiten, ihrer Familien und täglicher Vorfälle gute Nachrichten aufsuchen, und mir eröffnen müssen. Es ist kein Buch, so ich des Endes = zu diesem Zweckadd. Kaempfer zu sehen verlanget, welches er mir nicht zugebracht und was ich daraus verlanget, erkläret und verteutschet hätte. Und weil er Vieles ihm unwissende von andern Leuten erkundigen, entlehnen oder ankaufen müssen, so habe ihm, wann er herum gegangen, ohne silbernen Schlüssel nicht von mir gelassen, über noch particuliere Belohnung für so gefährliche Mühe.“ (Krit. Ausg. I: Bd. I/1, 5f.; orthographisch geglättet)
Sicher war es dieser Imamura, der bei der Auswertung des Bildlexikons Kinmōzui zur Seite stand. Kaempfer versah die einzelnen Artikel des japanischen Textes mit Nummern und notierte unter diesen alles, was er zur betreffenden Pflanze lernte. Das kostete Zeit, so dass ein viel beschäftigter ‚Großdolmetscher’ (ōtsūji) wie Narabayashi nur gelegentlich mit Rat dienen konnte. Imamura war täglich im Hause, doch gewiss kein Botaniker und nicht immer sattelfest. Gelegentliche Fehler bei der Lesung chinesischer Zeichen gehen wohl zu seinen Lasten.
Kaempfer legte außerdem ein Herbarium an, mit Pflanzen, die er sammelte oder von hilfsbereiten Japanern erhielt. In seinen Aufzeichnungen erscheinen in diesem Zusammenhang neben Imamaru die Namen der Dolmetscher Shin’emon und Ichirōbē (Michel 2002).
Wie Cleyer, Meister und nahezu alle Reisende des 17. Jahrhunderts, die sich zur Flora ‚Ostindiens’ äußerten, so legte auch Kaempfer großen Wert auf die Wiedergabe der einheimischen Namen. Anders als zu Zeiten von Carl Peter Thunberg (1743–1828) und anderer Linnéscher ‚Apostel’ war er nicht ausgezogen, um die außereuropäische Natur mit einer als universell postulierten Nomenklatur in den Griff zu bekommen. Der Kontext, innerhalb dessen er die Pflanzen zu verstehen suchte, schloss die lokale Gesellschaft und deren Sicht auf die Welt ein. Dies um so mehr, als er in Japan eine alte und komplexe Kultur vorfand mit Wissenschaft und Kunst, mit Gelehrten und Lehren, mit einer schier erdrückenden Fülle an Büchern und einem Schriftsystem, das an Komplexität alles übertraf, was er bislang beobachtet hatte. Georg Meister meinte bereits, „daß die Jappaner / was Kunst / Wissenschafften und weltliches Beginnen anbelanget / keinen Europaeer / er sey so künstlich als er wolle zum Lehrmeister benöthiget sind“ (Meister 1692: 145). Nun galt die Meinung eines Gärtners, der sein Buch nur auf deutsch verfassen konnte, in Kreisen der Gelehrten nicht viel. Doch auch Kaempfer sieht in seiner berühmten Abhandlung zum selbstgewählten Landesabschluss Japans hinsichtlich der Wissenschaften und Künste zwar in einigen Bereichen gewisse Schwächen, aber keine Defizite, die den weiteren Fortschritt hemmen und eine sofortige Öffnung des Landes verlangen würden (AmEx: 478-502). Zweiffellos beeindruckte ihn die japanische Erforschung der Pflanzen, und nicht nur die (sinojapanische) Nomenklatur der einheimischen Gelehrten samt der dazugehörigen Schriftzeichen, sondern auch die gemeinsprachlichen Namen verdienten es, in der wissenschaftlichen Rezeption Europas berücksichtigt zu werden. Mit dieser Haltung war er nicht allein. Kein Geringerer als Christian Mentzel, der Cleyers Befunde für die Miscellanea Curiosa der Leopoldina redigierte, hatte bereits 1682 einen ersten großen Überblick über die Vielfalt der Pflanzennamen der verschiedenen Weltgegenden versucht:
Pinax Botanōnymos Polyglōttos Katholikos: Diversis Terrarum, Gentiumque Linguis, quotquot ex Auctoribus ad singula Plantarum Nomina excerpi & juxta seriem A.B.C. collocari potuerunt, ad Unum redactus [...]. Berolini: Reichelius, 1682.
Es ist durchaus möglich, dass Kaempfer bereits in Batavia einen Blick in Lǐ Zhízhēns Běncǎo Gāngmù werfen konnte. Über die dort lebenden chinesischen Kaufleute war eine Erstausgabe in die Hände des Hanauer Gelehrten Georg Eberhard Rumpf (1628-1702) gelangt, der sich ungeachtet seiner Schicksalsschläge mit der Erforschung der Natur auf und um Java einen Namen gemacht hatte und mit Gelehrten in der Region und Europa einen engen Austausch pflegte (Michel 2001b). Dieses chinesische Monumentalwerk wurde auch in Japan nachgedruckt und lag überall dort, wo man sich mit Heilmitteln und Medizin befasste. Der medizinisch ambitionierte Dolmetscher Narabayashi Shin’emon (alias Chinzan, 1648–1711) nutzte es mit Sicherheit. Doch die 52 Bände hatten ihren Preis und ließen sich nicht so einfach in Kaempfers Haus schmuggeln. Zudem hätte der mit Fachtermini durchsetzte chinesische Text die Sprach- und Sachkenntnisse der meisten Japaner in Kaempfers Umfeld überfordert.
Angesichts dieser Umstände war das von dem konfuzianischen Gelehrten Nakamura Tekisai (1629–1702) als Einstiegswerk konzipierte Bildlexikon Kinmōzui eine gute Wahl. Es handelt sich keineswegs um ein botanisches Fachbuch. Der Autor folgt im Wesentlichen dem von dem chinesischen Gelehrten Wáng Qí im Jahre 1607 publizierten Sāncaí túhùi, dem er die ihm bedeutsamen Termini für die ‚drei Bereiche’ (chines. sāncaí) Himmel, Erde und Mensch und oft auch die Illustrationen (chines. túhùi; jap. zui) entnahm. Die (chinesischen) Stichworte, die Kaempfer der Gelehrtensprache zuordnete, waren somit weitgehend vorgegeben. Nakamura nennt hierzu die sinojapanischen Lesungen, alternative Bezeichnungen und gemeinsprachliche japanische Namen. Einige Angaben lassen vermuten, dass er hierzu japanische Wörterbücher und Zeichenlexika konsultierte. Doch war es zu seiner Zeit noch nicht möglich, die regionalen Varianten bzw. die tatsächliche Verbreitung der gemeinsprachlichen Bezeichnungen zu erfassen.
Da das Botanisieren zu den wenigen erlaubten Aktivitäten gehörte, konnte Kaempfer ein Herbarium anlegen und ausführen (Natural History, Herbarium Sloane 211). Überliefert ist des Weiteren ein „Manuale Botanicum plantarum Japonicum”, das er während der Hofreise 1691 verfasste (Sl 74). Dazu kommt eine 2001 publizierte Serie von Pflanzenzeichnungen (Sl 2914, siehe Krit. Ausg. 3) sowie ein „Manuscriptum Botanicum“ (Sl 2915) mit Notizen zu rund 250 Pflanzen. Da Kaempfer großen Wert auf die einheimischen Namen und Schriftzeichen legte, ließ er sich von Imamura eine Liste der einheimischen Bezeichnungen aufstellen: “Nomina Plantarum Japonicarum priori fasciculo descriptarum” (Sl 2915, fol. 126r–135r). Sein Konzept sah sechs Spalten vor:
Die Liste umfasst 149 Namen einschließlich der fünf am Schluss hinzugefügten Kurzverweise. Es folgt ein Blatt (fol. 136r) mit vier Pflanzen (urushinoki, nemunoki, dara, sankirai) unter dem Titel „Nomina Plantarum in Vases quadrato“ und weiteren Gewächsen (ninjin, kikyō, oniyuri, yuri, kanokoyuri, dokusumire) unter dem Titel „Nomina Herbarum in cupa minori“ (Sl 2915, fol. 136r). Neben der zweiten Überschrift findet sich der Zusatz „staan te dik, mooten uijt genoomen en verplantet worden“. Sehr wahrscheinlich waren dies Pflanzen im Garten von Dejima, von denen einige, wie man gelegentlich auf zeitgenössischen japanischen Aquarellen erkennt, in Kübeln gepflanzt waren. Es folgt nun ein Blatt von japanischer Hand – nummeriert (163–169), doch ohne Transliterationen, danach ein Bogen mit über fünfzig nummerierten Namen in Silbenschriftzeichen. Weitere 18 Seiten mit vergleichsweise sorgfältg geschriebenen Namen von japanischer Hand und Kaempfers Nummern waren vermutlich als Reinschrift der obigen Liste gedacht (fol. 140r–148v). Da der innere Teil vieler Bögen durch die in der British Library vorgenommene enge Bindung verdeckt wurde, ist eine sichere Rekonstruktion der ursprünglichen Ordnung derzeit nicht möglich.
Einige weitere Pflanzennamen samt der chinesischen und japanischen Zeichen sind über die „Collectanea Japonica“ (Sl 3062) verstreut.
Japanische Termini notierte Kaempfer in lateinischen Buchstaben. Sobald er Japan verlassen hatte, war es ihm unmöglich, diese Transliterationen zu überprüfen. Hierzu reichten seine rudimentären Kenntnisse der Sprache und Schrift bei weitem nicht. Die christlichen Missionare des 16. und frühen 17. Jahrhunderts hatten ein morphologisch fundiertes System zur Schreibung japanischer Wörter in lateinischen Buchstaben entwickelt, dessen Niveau erst im 19. Jahrhundert wieder erreicht wurde. Kaempfer hatte in Batavia zwar ein Lexikon aus der Missionsdruckerei gesehen, das zugrunde liegende System aber nicht verstanden. Er kam nie über die Notation dessen hinaus, was er hörte bzw. zu hören glaubte (Michel 1993a).
Kaempfer hielt es für wichtig, dem Leser die einheimische Schreibweise der Namen mitzuteilen. Die meisten der von ihm verwendeten chinesischen Schriftzeichen stehen im Kinmōzui, einem auf konkrete Gegenstände beschränkten illustrierten Werk mit knappen Erklärungen zur ‚Bildung von Kindern und Anfängern’ (kinmō). Von den zwanzig Büchern (maki, Rolle) behandeln die letzten fünf Pflanzen und pflanzliche Produkte:
maki 16 | Reis, Getreide | 米穀 |
maki 17 | Gemüse | 菜蔬 |
maki 18 | Früchte | 果蓏 |
maki 19 | Bäume und Bambusgewächse | 樹竹 |
maki 20 | Blumen und Gräser | 花草 |
Kaempfers Unterscheidung zweier ‚Gattungen’ der Pflanzennamen geht auf die Bildlegenden des Kinmōzui zurück. Was er in seinen Vorbemerkungen zur Flora Japonica als die von Gelehrten verwendeten Pflanzennamen charakterisiert, sind die chinesischen Schriftzeichen und deren sinojapanischen Lesungen. Diese spiegeln in etwa die chinesische Lautung zum Zeitpunkt der japanischen Rezeption des betreffenden Wortes wider. Da es im Laufe der Jahrhunderte japanisch-chinesischer Kulturkontakte mehrere Übernahmewellen gab, verzeichnet das Kinmōzui zuweilen mehrere sinojapanische Lesungen für ein und dasselbe Schriftzeichen. Der erste größere Schub an Zeichen kam um das 6. Jahrhundert zusammen mit dem Buddhismus über Korea ins Land. Diese heute gō’on (呉音; go = chines. Wu, on, Laut) genannten Lesungen spiegeln die chinesische Lautung im Jangtsekiang-Gebiet wider. Sie spielen in der botanischen Terminologie keine Rolle. Eine zweite Schicht sinojapanischer Lesungen bildete sich im Austausch mit dem China der Tang-Dynastie aus. Der größte Teil der in Japan verwendeten chinesischen Zeichen hat diese kan’on (漢音; kan = chines. han, d.h. China bzw. chinesisch; on, Lautung) genannte Lesung, die auf der Lautung der damaligen Hauptstadt Chángān (heute Xīān) beruht. Die Bezeichnung tō’on (sinojap. tō = chines. tang) schließlich ist ein Sammelbegriff für spätere Entlehnungen bis etwa zur Mitte des 17. Jahrhunderts. Der vorliegende japanologische Kommentar verzichtet der Lesbarkeit zuliebe auf Angaben zum jeweiligen Typ und spricht nur von ‚sinojapanischen Lesungen’.
Kaempfer führt neben den sinojapanischen Lesungen die gemeinsprachlichen Namen (zokumei, 俗名) auf. Dies sind rein japanische Bezeichnungen, die man den importierten chinesischen Zeichen zuordnete. Obwohl man auch hier von Lesungen (kundoku, 訓読) spricht, verwendet der vorliegende Kommentar Begriffe wie ‚Zuordnung’ oder ‚Korrelierung’, um die Willkürlichkeit dieses Vorgangs im Bewusstsein zu halten. Denn besonders bei Pflanzen waren grobe Missverständnisse nicht selten. Zudem kamen im Zuge des Sprachwandels neue gemeinsprachliche Namen auf, für die man geeignet scheinende chinesische Zeichen auswählte. Hin und wieder wurden gar neue ‚chinesische’ Schriftzeichen (kokuji, 国字) erfunden. Insofern herrschte bereits zu Kaempfers Zeiten ein beträchtliches Durcheinander in der Schreibung und Lesung von Pflanzennamen.
Die Lage verschärft sich, wenn man die botanische Ebene in die Betrachtung einbezieht. Die traditionelle japanische Pflanzenkunde bezog ihr Wissen aus chinesischen Kräuterbüchern, wo man nur gelegentlich pharmazeutische und botanische Bezeichnungen unterschied. Die dort aufgeführten Namen korrelierte man in Japan mit ‚entsprechenden’ einheimischen Pflanzen und Heilmitteln. Unterschiede in der Flora, der Mangel an verlässlichem Vergleichsmaterial und die kaum entwickelte Methodik führten zu teils kruden Resultaten, so dass ein nur in chinesischen Zeichen geschriebener Pflanzenname in einem japanischen Text der Frühen Neuzeit kaum sichere Rückschlüsse auf die gemeinte Pflanze erlaubt.
Im 19. Jahrhundert fasste die durch Carl von Linné geschaffene moderne Taxonomie auch in Japan Fuß und brachte Ordnung und Eindeutigkeit ins Chaos. Zu einer sicheren Korrelierung der modernen lateinischen Fachbezeichnungen mit traditionellen japanischen Namen kam es allerdings nur in wenigen Fällen – teils infolge der unzulänglichen Erfassung der historischen Quellen, teils auch, weil den Botanikern des 19. und frühen 20. Jahrhunderts hierzu die Zeit fehlte. Inzwischen hat sich in der japanischen Gemeinsprache ein einheitlicher Wortschatz hinsichtlich allgemein bekannter Pflanzen herausgebildet, doch bei vielen Blumen, Kräutern und Bäumen existieren nach wie vor beträchtliche regionale Unterschiede. Zudem wurde der Gebrauch chinesischer Schriftzeichen beim Schreiben von Pflanzennamen nie verbindlich geregelt. Viele seinerzeit aus China übernommene Zeichen sind im modernen japanischen Zeichensatz nicht mehr enthalten. Botanische Fachwerke geben daher neben der lateinischen Bezeichnung eins bis zwei japanische Namen in Silbenschrift und nur dann chinesische Zeichen an, wenn diese etabliert sind.
Vor diesem Hintergrund beschränkt sich der japanologische Kommentar auf die sprachliche Ebene. Wo immer möglich, wird der Bezug auf den betreffenden Eintrag in Kaempfers wichtigster Quelle, dem Kinmmōzui angezeigt, gegebenenfalls auch auf die dort registrierten, von Kaempfer aber nicht berücksichtigten Informationen hingewiesen. Des Weiteren wird das Vorkommen der Termini in repräsentativen japanischen Texten bis zum frühen 19. Jahrhundert angegeben. Hierbei liegt der Schwerpunkt auf Wörterbüchern, Zeichenlexika und Werken zur Materia Medica sowie zum Garten- und Landbau von der Nara-Zeit bis zur ersten Hälfte des 19. Jahrhunderts. In Fällen eindeutiger Benennungstraditionen werden nur einige Hauptquellen angeführt.
Aus China kam die Einteilung von Druckwerken in ‚Rollen’ (巻, sinojap. kan, jap. maki), denn ursprünglich war dies die physikalische Form von Texten. Der Name wurde auch nach der Einführung von gebundenen Büchern beibehalten und kennzeichnet hier ähnlich wie beim europäischen Faszikel eine inhaltliche Einheit. In umfangreichen Werken entspricht maki dem westlichen ‚Buch’, in kurzen Texten kommt es dem Kapitel oder Abschnitt nahe. Japanische Bücher nummerieren diese ‚Rollen’ in der Form ‚Rolle Nummer zwei’ (dai ni kan) oder ‚Rolle zwei’ (maki no ni). Kürzere Schriften teilen in ‚obere Rolle’ (jōkan bzw. maki no jō), ‚mittlere Rolle’ (chūkan bzw. maki no chū) und ‚untere Rolle’ (gekan bzw. maki no shita) ein. Bei zweiteiligen Texten spricht man von ‚oberer Rolle’ und ‚unterer Rolle’. Der Einheitlichkeit zuliebe benutzt der vorliegende Kommentar den japanischen Terminus maki genommen mit Zahlen: maki 2, maki 2, maki 3 usw. Bei Nachschlagewerken, deren Stichworte einer der beiden traditionellen Silbentafeln (50-Laute-Tafel bzw. iroha) folgend lautlich geordnet sind, genügt der Titel und das Jahr des Drucks bzw. bei Manuskripten das Jahr der Fertigstellung.
Um Kaempfers Stellung in der europäischen Erkundung der japanischen Flora zu verdeutlichen, sind zudem ältere westliche Quellen angeführt. Hier spielen das von der Societas Jesu Nagasaki gedruckte Vocabulario da Lingoa de Iapam (1603; Supplemento, 1604), die in den Miscellena Curiosa der Leopoldina publizierten Beobachtungen von Andreas Cleyer sowie Der Ost-Indianische Kunst- und Lustgärtner (1692) von Georg Meister eine herausragende Rolle. Carl Peter Thunbergs Flora Japonica sistens Plantas Insularum Japonicarum (1784) geht hinsichtlich der japanischen Namen nur in wenigen Fällen über Kaempfer hinaus.
Kaempfers Transliteration wird im vorliegenden Kommentar in eine moderne Form überführt, die dem revidierten System des amerikanischen Missionars James Curtis Hepburn (1815–1911) folgt. Manche Autoren nutzen Bindestriche zur Ver-deut-lich-ung der morphologischen Struktur japanischer Wörter. Der vorliegende Kommentar verzichtet darauf. Einige ältere Silben wie kwa, gua, ye und wo, die im heutigen Japanisch zu ka, ga, e, o assimiliert sind, werden kenntlich gemacht, um die Notation Kaempfers zu verdeutlichen.
Chinesische Zeichen sind Ideogramme, stehen also für ein Wort und haben eine Bedeutung. Man kann sie aber auch benutzen, um eine Lautung festzuhalten. Das geschieht in China noch heute bei ausländischen Personen- und Ortsnamen, z.B. 法蘭克福, fǎ-lán-kè-fú (Frankfurt). In der Frühzeit des japanischen Reiches zeichnete man so auch japanische Texte auf. Da die berühmte Anthologie Manyōshū (Sammlung der zehntausend Blätter) in dieser Form verfasst ist, nennt man solche lautabbildenden chinesischen Zeichen Manyōgana (kana < kari, geborgt; na, Namen, Zeichen). Ältere japanische Nachschlagewerke nutzen sie zur Wiedergabe gemeinsprachlicher Namen. So wird yamatachibana als 夜麻多知婆奈 (ya-ma-ta-chi-ba-na) geschrieben. Da die Bedeutung der chinesischen Charaktere hier keine Rolle spielt, andererseits deren Komplexität die Schreibgeschwindigkeit senkt, gingen schon früh durch Verschleifungen und Reduktion der Zeichenkomponenten aus dem oben genannten Manyōgana zwei phonetische Silbenschriftsysteme (streng genommen: Morenschriftsysteme) hervor, nämlich Katakana (kata, fragmentarisch) und Hiragana (hira, flach, glatt).
Moderne japanische Texte kommen mit rund 2000 chinesischen Schriftzeichen aus, von denen viele in ihrer Struktur vereinfacht wurden. Viele der im älteren Schrifttum verwendeten Zeichen gehören nicht zu diesem Standardsatz. Um ein Gemisch von alten und neuen Zeichen zu vermeiden, arbeitet der Kommentar durchweg mit den traditionellen Formen, so wie Kaempfer sie vorfand. Lediglich das Literaturverzeichnis ist heutigen Gepflogenheiten angepasst.
Anders als bei den Missionaren der Gesellschaft Jesu, die im 16. Jahrhundert eine morphologisch fundierte Transliteration für japanische Wörter entwickelten, notierte Kaempfer lediglich seinen Höreindruck. Nach der Rückkehr konnte er die von Japanern gepinselten Schriftzeichen, ja zuweilen sogar eigene Transliterationen nicht mehr lesen. Glücklicherweise lassen sich viele der korrumpierten Namen anhand zeitgenössischer Nachschlagewerke rekonstruieren.
Der schwedische Arzt und Naturforscher Carl Peter Thunberg, der 1775 für ein Jahr nach Japan kam, konnte sich dank Kaempfers Vorarbeiten gezielt auf die Erkundung der Pflanzenwelt vorbereiten und erreichte als Schüler des Schöpfers der binären Nomenklatur Carl von Linné (1707–78) vorzügliche Ergebnisse bei der botanischen Bestimmung. Im Gegensatz zu Kaempfer zeigte er hingegen wenig Eifer hinsichtlich einheimischer Pflanzennamen, die er meist unbesehen aus den Amoenitates Exoticae übernahm. Mit der Etablierung der universell angelegten neuen Nomenklatur spielten solche Bezeichnungen in der wissenschaftlichen Botanik keine Rolle mehr.