Einleitung

Christoph Heidmanns Oratio de Bibliotheca Julia
Thomas Stäcker

1. Überlieferung
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Oratio De Bibliotheca Iulia : Qua Illustrißimo Principi, Friderico Ulrico, Duci Brunsvicensi ac Lunaeburgensi, de tam illustri ornamento Academiae suae concesso, gratias, senatus Academici decreto egit, & argumentum hoc plenius aliquanto persecutus est / Christophorus Heidmanus Eloqu. Profes. publ. ; Accesserunt clarissimorum aliquot virorum de eodem argumento Carmina. Helmaestadi[i]: Lucius, 1622. - [Sigle: A] [opac ↗614234670] [vd17 ↗23:248900H]
Standorte:
HAB Wolfenbüttel
  • 202.48 Quod. (2)
  • 218.6 Quod. (1)
  • De Bibliothecis Nova Accessio Collectioni Maderianae Adivncta. Helmestadii: Georg-Wolffgangi Hammii, 1703. - [Sigle: B] [opac ↗545649102]
    Standorte:
    HAB Wolfenbüttel

    1.1. Vorwort zur Edition
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    Anlass zur Edition von Christoph Heidmanns Rede anlässlich der Übergabe der Bibliotheca Iulia an die Universitätsbiliothek Helmstedt war vor allem der Wunsch, historische Quellen, die für die Bibliotheksgeschichtsschreibung der Herzog August Bibliothek Wolfenbüttel von Bedeutung sind, auch in einer moderen Sprache und damit einem weiteren Personenkreis leichter zugänglich zu machen. Die Edition bietet neben der deutschen Übersetzung die Texte der beiden Ausgaben von 1622 und 1703 als digitale Faksimiles. Eine sicher wünschenswerte Transkription und kritische Annotation des Volltextes der Ausgaben sowie weitergehende Sichtung der archivischen Quellen war nicht Ziel dieser Leseausgabe, kann aber bei bestehendem Forschungsinteresse leicht ergänzt werden. Ein mittels OCR transformierter Volltext stünde dafür als Grundlage bei der Ausgabe von 1622 zur Verfügung.

    Die Übersetzung folgt der Erstausgabe von 1622. Die Wiederauflage von 1703 ist bis auf wenige Druckfehler textidentisch, so dass wegen der dort vorhanden Paginierung nachstehend nach ihr zitiert wurde. Die der Ausgabe von 1622 beigefügten carmina wurden nicht übersetzt. Die Übersetzer bemühten sich um weitgehende Worttreue. Soweit als möglich wurde versucht, den barocken Ton der Rede zu treffen, auch wenn dies im Deutschen mitunter zu gewundenen Formulierungen führte. Klassische Zitate, soweit nachweisbar, wurden aufgelöst. Übersetzungen klassischer Zitate stammen, wenn nicht anders vermerkt, von den Herausgebern. An Stellen, die für das Verständnis wichtig schienen, sind sparsam Anmerkungen gesetzt.

    Die Übersetzung ist eine Gemeinschaftsarbeit von Christian Heitzmann und Thomas Stäcker. Die Einleitung stammt von Thomas Stäcker. Letztere bietet eine Übersicht über den Inhalt der Rede sowie Leben und Werk des Verfassers. Sie versucht darüber hinaus auch einige Hinweise zum Entstehungskontext, zur bibliotheksgeschichtlichen Bedeutung und Rezeption zu geben, die als Einstiegspunkte zu weiteren Forschungsarbeiten dienen können. Sie fußen im Wesentlichen auf den Arbeiten von Werner Arnold und Bertram Lesser. Letzterem sei besonders für seine vielfältigen wertvollen Hinweise gedankt.

    1.2. Überlieferung
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    Die 1619 in der Universität Helmstädt anlässlich der Übergabe der Bibliotheca Iulia an die Universität Helmstedt gehaltene Rede erschien erstmalig 1622 bei der Witwe des Helmstedter Universitätsdruckers Jakob Lucius <II.> [↗GND] im Druck. Der Anlass zur Veröffentlichung in diesem Jahre ist nicht ganz deutlich. Heidmann erwähnt lediglich, da „es einflussreichen und klugen Männern gefällt, habe ich mich nicht lange bitten lassen, ihrer Veröffentlichung zuzustimmen“ (S. 233). Eine weitere Ausgabe folgte 1703 bei Hamm [↗GND] in Helmstedt in dem von Johann Andreas Schmidt d. Ä. [↗GND] (1652-1726) herausgegebenen Ergänzungsband der so genannten Mader/Schmidtschen-Sammlung von bibliotheksgeschichtlichen und -theoretischen Texten. Gerade letztere Ausgabe sicherte der Euloge Heidmanns auf Herzog Friedrich Ulrich und die Bibliotheca Iulia eine gewisse Bekanntheit, nicht nur, weil sie in Kreisen der historia literaria rezipiert wurde, sondern auch weil Schmidt, der von 1695-1726 Professor für Kirchengeschichte in Helmstedt war, diese etwa 90 Jahre vor seiner Zeit gehaltene Rede wie auch die des Helmstedter Professors und Bibliothekars Hermann von der Hardt durch seine Zusammenstellung auf eine Stufe mit bekannten Bibliothekstheoretikern wie Richard de Bury oder Gabriel Naude stellte. Der Ausgabe von 1703 fehlen die carmina, wiewohl sie auf dem Titelblatt angekündigt werden.

    2. Verfasser
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    Christoph Heidmann [↗GND], geb. in Bodenwerder an der Weser, studierte ab 1602 in Helmstedt (Academia Julia) und erhielt dort 1612 nach dem Tode des Potinius die Professur für Eloquenz. 1614 heiratete er Elisabeth [↗GND], Tochter des Juristen Ebeling Heidmann.1 Als Hochschullehrer führte er dort Schüler wie Hermann Conring und Christoph Schrader in die Philologie ein. Zusammen mit Georg Calixt hatte er die Aufsicht über die Herzoglichen Stipendiaten inne und leitete zuletzt auch die Universitätsbibliothek. 1625 verließ er wegen der Pest Helmstedt und folgte, vermittelt durch den königlichen Leibarzt Hennig Arnisaeus einem Ruf des dänischen Königs Christian IV. [↗GND] an die Sorø Academi [↗GND] in Dänemark. Dort starb er bereits 1627.

    Heidmann gehörte mit Calixt und Horneius zum engsten Schülerkreis um Johannes Caselius und Cornelius Martini, die sich für die humanistischen Studien in Helmstedt einsetzten. Sein Interesse galt den Altertumswissenschaften und der antiken Literatur. Er gab einige Klassiker zum Gebrauch für seine Schüler neu heraus, veröffentlichte eine Geschichte der römischen Kaiser von Augustus bis Konstantin und zwei geographische Werke, die wiederholt aufgelegt wurden. Seine 1624 gehaltene Vorlesung über Palästina war die erste ihrer Art im deutschsprachigen Raum. Hinzuweisen ist auch auf sein Lehrbuch zur lateinischen Sprache, die radices Heidmani, das in Wolfenbüttel als Schulbuch bis 1679 in Gebrauch war.2 Eine Übersicht seiner auf der Basis des VD 17 Katalogs der Herzog August Bibliothek sowie Hinweisen bei Koldewey ermittelten Werke findet sich im Literaturverzeichnis.

    3. Inhalt
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    Christoph Heidmann würdigt im Auftrag des Senates der Universität die Schenkung und Übergabe der Bibliotheca Julia an die Universität Helmstedt durch Herzog Friedrich Ulrich [↗GND] (reg. 1613 - 1634). Die Einleitung zur Rede beginnt mit der klassischen Verbindung von Panegyrik und Paränese, von Fürstenlob und Ermahnung. Heidmann stellt die besondere Verpflichtung der Herrschenden gegenüber ihren Untertanen heraus und beschwört Fürstentugenden wie Gerechtigkeit, Klugheit und Frömmigkeit, da sie Grundlagen des Gedeihens der Wissenschaften sind. Besonnenes und großzüges Handeln weckt Verehrung und Zuneigung des Volkes. Schon dem Vater, Herzog Heinrich Julius [↗GND] (reg. 1589-1613), und Großvater, Herzog Julius [↗GND] (reg. 1568-1589), wurden sie zuteil, nicht zuletzt, weil sie sich um die Universität verdient gemacht haben: Julius hat die Universität gegründet (1575), Heinrich Julius für ihr Gedeihen gesorgt, unter anderem durch Errichtung des Juleum Novum (1597). Mit diesen Taten haben sie sich unsterblichen Ruhm erworben und auch die Schenkung Friedrich Ulrichs wird die Federn der Gelehrten nicht ruhen lassen, um seinen Namen unsterblich zu machen.

    Im Hauptteil der Rede gibt Heidmann zunächst der Freude Ausdruck, die die Überführung der Bibliothek vom Welfenhof in die Räume der Universität ausgelöst hat, nachdem die Academia Julia sich schon lange in Briefen und Anfragen darum bemüht hatte (S.235). Die Bibliothek wird für die gelehrte Welt großen Nutzen abwerfen und der Fürst sich als Förderer der Künste einen Namen machen, denn die Bibliothek wurde vom Großvater „nicht nur aus seinen Ländern zusammengeführt, sondern von überall her, auch von weit verstreuten Orten“ zusammengetragen und vom Vater „auf wundersame Art und Weise um kostbarste Bücher“ vermehrt und nun der „Universität zu Nutzen und Frommen übereignet“ (S.237).

    In der Folge beschreibt Heidmann detailliert den Prozess von der ersten Zusage bis zur faktischen Übergabe. Die Zusage erfolgte wenige Tage nach der Vermählung des Herzogs mit Anna Sophia im Jahre 1614 anlässlich eines Ehrenmahls. Auf diesem Gastmahl hatte Cornelius Martinus [↗GND] die Rede auf die Bibliothek gelenkt und den Herzog bewogen, die Wolfenbüttler Bibliothek der Universität zu überanworten (S.239). Diese Ankündigung bestätigte er unmittelbar danach in einem offiziellen Schreiben und brachte die Zweifler zum Schweigen (S.240). Am 20. Oktober 1618 begann schließlich, organisiert und begleitet von Johannes Peparinus und Theodor Bloccius, die Übergabe. Sie nahm nahezu die folgenden 10 Tage in Anspruch (S.241).

    Nach der Darstellung der Übergabe bietet Heidmann eine knappe Beschreibung des Inhalts der Bibliothek (S. 242). Sie enthält nicht nur bekannte Bücher aller Disziplinen, sondern auch seltene Bücher, die meisten sind Drucke, einige aber auch Handschriften. Heidmann hebt 3 auf Pergament geschriebene hebräische Schriften hervor, Schriften in orientalischen Sprachen oder Tafeln mit exotischen Schriften. Er erwähnt einen handgemalten Erd- und einen Himmelsglobus, die Heinrich Julius für eine beträchtliche Summe in Prag erworben hatte. Nach Disziplinen unterteilt findet sich Literatur zur Philosophie, zur Medizin, zur Rechtswissenschaft und zur Theologie. Besonders reich ist die Bibliothek an rechtswissenschaftlicher Literatur (S.243)

    Es folgt eine umfängliche Darstellung des Nutzens, der aus diesem Schatz gezogen werden kann, und des Lobes, das Herrscher verdienen, die Untertanen mit diesem Bildungsgut versehen, indem sie Bibliotheken errichten. Heidmann nimmt diesen Gedanken zum Anlass die Geschichte der Bibliotheken und ihrer Gründungen zu rekapitulieren. Er stützt sich vor allem auf antike Beispiele, allen voran die Bibliothek von Alexandria und die Bibliothek von Pergamon (S.246 u. S.247) und sucht anhand antiker Quellen und Belegen aus Cicero, Horaz, Lucian, Plinus, Seneca, Tacitus u.a. zu belegen, dass Wissenschaft und Bildung nicht ohne Bibliotheken sein können. Anders als seine Hauptquelle Lipisus (S.253) geht er über die Antike hinaus, erwähnt die Zeit Karls des Großen, das Mittelalter und schreitet bis zur Gegenwart fort (S.258). Er rühmt die Kunst der Buchdruckerei (S. 259 u. 260), deren segensreiche Wirkung nicht hoch genug geschätzt werden kann.

    In diese Geschichte reiht er Friedrich Ulrich ein (S.261), der nun die Julische Bibliothek, wie sie seit der Überführung genannt wird (S.261), in den Dienst der Universität stellt und, wie Heidmann argumentiert, das Werk seines Großvaters - Gründung der Universität - und Vaters - Bau des Juleum Novum als zukünftiger Ort der Bibliothek3 - vollendet. Heidmann endet mit der Ermunterung an die Versammlung, die Lobrede schriftlich fortzuführen, und dankt dem Statthalter Anton von der Streithorst [↗GND] für die zügige Beförderung der Überführung (S.264) und fordert die Versammlung auf, für Wachstum und Geihen der Sammlung zu sorgen, wobei er besonderen Dank an Georg Eberlin [↗GND] richtet, der seine umfangreiche Bibliothek der Helmstedter Bibliothek vermacht hat. Die Rede schließt mit Dankesworten für das großzügige Geschenk Friedrich Ulrichs und der Versicherung, dass es unvergessen bleiben werde.

    4. Bedeutung der Rede für die Geschichte der Helmstedter und Wolfenbütteler Bibliothek
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    Wie schon Milde seinerzeit feststellte, ist die Geschichte der frühen Wolfenbütteler bzw. Julischen Bibliothek noch nicht in einer Gesamtdarstellung zugänglich 4. Daran hat sich zwar bis heute grundsätzlich nichts geändert, doch sind wichtige Erkennnisse, etwa durch die Arbeiten von Arnold, Kopp und Lesser hinzugekommen.

    Die gedruckte Rede Heidmanns ist für die Rekonstruktion der ältesten Geschichte der Bibliothek eine wichtige Quelle, denn sie schildert nicht nur die genauen Umstände der Übergabe der Sammlung an die Universität Helmstedt, sie liefert auch wertvolle Details über Objekte und Bestandsteile. Zuletzt ist sie auch ein anschauliches Beispiel humanistisch geprägter Fürstenpanegyrik, das Aufschlüsse über die Bildungs- und Wissenschaftspolitik, wenn man so sagen darf, des mittleren Hauses Braunschweig zu geben vermag.

    4.1. Datum der Rede und Übergabe der Sammlung
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    Heidmann hielt seine Rede 1619. Dies leitet sich aus dem Vorwort zur Druckausgabe ab, das als zeitlicher Bezugsrahmen fungiert und auf den 27. Mai 1622 (VI. Kal. Iunias MDCXXII) datiert ist5. Im Vorwort erwähnt Heidmann, er habe die Rede anno abhinc tertio, also vor drei Jahren, gehalten (S.233). Die Übergabe der Bibliothek erfolgte am 20. Oktober 1618 (d.h. am 30. Oktober 1618 nach dem gegorianischen Kalender, der zu dieser Zeit in protestantschen Ländern noch nicht in Gebrauch war): „Denn im Oktober des vergangenen Jahres wurden wir brieflich durch die Räte zu einem festgelegten Termin an den Hof gerufen, und wir wurden von der Universität geschickt, (S.241) um die Bibliothek ... in Empfang zu nehmen... Die Übergabe begann am 20. Oktober und nahm beinahe die folgenden 10 Tage in Anspruch.“ Das vergangene Jahr hat hier das Jahr 1619 der Rede zum Bezugspunkt, meint also 1618. Die unterschiedlichen zeitlichen Bezugsrahmen, der des Vorwortes und der der Rede, haben wohl dazu geführt, dass spätere Autoren, die sich auf Heidmann stützten, die Übergabe fälschlich ins Jahr 1621 legten6. Vermutlich fiel sie ins Frühjahr 1619, also relativ rasch nach der Übergabe, denn Heidmann erwähnt zwar die Schenkung des Juristen und Hofrats Georg Eberlin [↗GND] an die Julische Bibliothek7, nicht aber die nicht minder umfangreiche und für den Humanisten sicher bedeutendere des Johannes Caselius8, die 1619, also im Jahr der Rede Heidmanns der Universität übergeben wurde. Dies wie auch die positive Erwähnung des Statthalters Anton von Streithorst9 spricht dafür, dass Heidmann die Rede des Jahres 1619 weitgehend unverändert abdrucken liess. Streihorst, der wegen der schwachen Regentschaft Friedrich Ulrichs wesentlichen Einfluss auf die Regierung erlangt hatte, fiel 1622 in Ungnade und wurde im September gestürzt. Da sich diese Entwicklung bereits Ende 1621 abzeichnete, scheint es unwahrscheinlich, dass Heidmann Streihorst noch im Mai 1622 lobend erwähnt.

    Die Organisation der Übergabe übernahmen nach Heidmann die Räte Joannes Peparinus und Theodor Bloccius (S. 241). Übergeben wurden ca. 4300 Bände, wenn man das Verzeichnis von Liborius Otho zurundelegt (Cod. Guelf A Extrav ), das dieser nach dem Tode Heinrich Julius in den Jahren 1613 und 14 angelegt hat10. Man erhält so auch einen Überblick über die Titel, die nach Helmstedt überführt wurden, zumal Otho im Katalog selbst in Marginalien anzeigt, ob ein Band nach Helmstedt überführt werden oder in den fürstlichen Gemächern verbleiben sollte. In diesem Sinne sind auch die zwei Verzeichnisse Othos zu verstehen, die Lesser (Handschriftenbibliothekare, S. 263) wiederentdeckt hat: Verzeichnus der bücher so unser Illustrissimus zu Wolffenbüttel behalten und Verzeichnuß der Bücher so aus der Illust. Bibliothec auff die Raths stuben sein gekommen. (Angebunden an Cod. Guelf. 27.2 Aug. 2°).

    4.2. In der Rede erwähnte Sammlungsstücke
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    Leider geht Heidmann bei der Beschreibung der Bücher der Bibliothek nicht sehr ins Detail. Auf den Seiten 242 u. 243 erwähnt er lediglich, dass die Sammlung Bücher aller Disziplinen enthält, darunter Schriften zur Philosophie, Medizin, Rechtswissenschaft und Theologie. Besonders reich sei die Bibliothek an rechtswissenschaftlicher Literatur. Heidmanns Knappheit ist jedoch zu verschmerzen, da wir einen guten Eindruck der Zusammensetzung der Bibliotheca Julia aus einer Auswertung des Kataloges von Liborius Otho erhalten können, was hier als Desiderat formuliert werden muss. Nicht untypisch für seine Zeit greift Heidmann eher rare, im Jargon der Zeit würde man sagen: "curiöse" Stücke heraus, wie die bereits genannten drei auf Pergament geschriebenen hebräischen Schriften, Schriften in orientalischen Sprachen oder Tafeln mit exotischen Schriften.

    Was die drei hebräischen Schriften anlangt, so sind zwei heute noch eindeutig identifizierbar. Bertram Lesser konnte im Rahmen seiner Forschungsarbeiten zu Helmstedter Handschriften Folgendes ermitteln: „Die Rolle trägt heute die Signatur Cod. Guelf. 148 Noviss. 2°. Herzog Julius erhielt sie 1572 als Geschenk des Rates der Stadt Magdeburg. Sie teilte bis 1810 das Schicksal aller übrigen Helmstedter Handschriften und ist in allen Katalogen erwähnt – nur nicht bei Bruns, der die im Helmstedter Zimelienschrank enthaltenen Objekte generell nicht mit beschrieb. Laut Bibliotheksrechnung (BA III 47) wurde sie 1644 restauriert: „1644, 28. Aug. Fur die pergamen blätter des kürzeren Manuscripti Hebraici voluminis legis zusammen zuleimen, dem Buchbinder 3 ggl. Fur einen cylindern und handgrif daran, dem Dresler 2 ggl. Fur drei handgriffe daran, anzustreichen, dem Mahler 3 ggl.“ Offenbar wollte sie jedoch niemand in Göttingen haben, denn sie blieb bis 1913 in Helmstedt, von wo sie dann Gustav Milchsack abholen ließ. Die gegenwärtige Signatur erhielt sie laut Novissimi-Katalog erst 1996. Das gleiche Schicksal teilt auch die zweite von Heidmann genannte Rolle, heute Cod. Guelf. 149 Noviss. 2°. Die dritte Rolle taucht nur im Katalog von 1644 auf, danach verliert sich ihre Spur. Auf ihre Beschreibung passt keine der im Haus befindlichen Rollen, so dass hier von einem wohl bereits sehr frühen Verlust in Helmstedt ausgehen muss.“11

    Heidmann erwähnt darüber hinaus einen handgemalten Erd- und einen Himmelsglobus, den Heinrich Julius für eine beträchtiche Summe erworben und aus Prag hat schicken lassen. Beide befinden sich heute im Globensaal der Bibliotheca Augusta. Hierzu Lesser: „In Helmstedt gab es, abgesehen von drei kleineren Globen (einem Mercator-Globus von 1541, 40,5 cm Durchmesser, einem Himmelglobus von 1730, 21,5 cm Durchmesser und dem nur 10 cm messende Globus von Blaeu, 1616), die sämtlich von Milcksack am 15. März 1913 aus Helmstedt nach WF geholt wurden, nur 2 Globen, auf die schon von der Größe her diese Beschreibung passt, nämlich die beiden jetzt im Globensaal der Bibliotheca Augusta stehenden großen Globen. Sie werden auch im Inventar der alten Bibliothek" (d. h. der 1618 abgelieferten Bibliotheca Julia, nicht der später hinzugestellten Rudolphea), das der Helmstedter Quästor Ludwig Julius Frankenfeld 1745 beim Austritt des Hauses Hannover aus der Universitätsverwaltung anlegte, ebenso wie bei Heidmann als gemalt beschrieben (HAB, BA III 141, 1r-v): „In der alten Bibliothec Einen globum coelestem von Holtz, sauber gemahlet, der Globus hält im Umfang 5 ½ Ellen mit einem starcken Meßingen meridiano, der Æquator ist gemahlet, und dieser samt dem Gestelle von Holtz. Einen globum terrestrem auf gleiche Weise und von gleicher Größe.“ Nach dem Umbau der Bibliothek und ihrer Überführung in den großen Saal des Juleums waren sie zwischen den Regalen aufgestellt, vgl. den Lageplan des 18. Jh. im Ausstellungskatalog Das Athen der Welfen, S. 254f. Abb. Nr. 161. Sie blieben auch bei der Schließung der Uni in Helmstedt. Erst am 10. Juli 1887 quittierte Otto von Heinemann den Empfang der beiden Globen in Wolfenbüttel, die er zusammen mit einigen Gemälden aus Helmstedt zur Ausstattung der leeren Halle hatte kommen lassen, s. BA III 156, unfoliiert: „Aus der ehemaligen Bibliothek der Universität Helmstedt sind mir folgende Gegenstände zur Aufbewahrung in der hiesigen Herzogl. Bibliothek ausgeantwortet worden, deren richtigen Empfang ich hiermit bescheinige: 1) die beiden großen Globen, die angeblich von Tycho de Brahe dem Herzoge Heinrich Julius verehrt worden sind … Wolfenbüttel, den 10. Juli 1887. Der Herzogl. Oberbibliothekar O. von Heinemann““

    Die Tafeln sind nicht sicher zuzuordnen. Dazu Lesser: „Am ehesten scheint die Beschreibung Heidmanns auf die folgenden Stücke zuzutreffen, die im Katalog von 1644 so beschrieben sind (Cod. Guelf. 27.2 Aug. 2°, Bl. 30r): „Liber indicus exaratus in foliis Palmarum. Alte Schriften uf zerbrochene Birken rinde, 2 Stück in einem convolut“. Bei letzteren handelt es sich um 2 Papyrusstücke mit Fragmenten eines griechisch-lateinischen Wörterbuchs, die in der Forschung als Helmstedter Glossarfragmente bekannt sind. Sie kamen im März 1812 nach Göttingen, wo sie in den Diplomatischen Apparat überführt wurden, so dass sie bei der Rückgabe in den Beständen der UB nicht mehr auffindbar waren. Sie sind bis heute dort und tragen neben der modernen Signatur 8C bzw. 8D noch die alte Helmstedter Signaturnummer 1279“. Die erwähnten Palmblätter sind heute nicht mehr auffindbar, wie die Recherchen von Lesser ergaben: „Das Helmstedter Palmblattmanuskript taucht letztmalig in dem von Bruns angefertigten Abschlussbericht bei der Uniauflösung 1810 als im Zimelienschrank befindlich auf. Als die Göttinger Professoren Tychsen und Bunsen diesen im März 1812 ausräumten, packten sie alles Vorhandene ein, auch die eben erwähnten Papyrusfragmente, die Tychsen 1820 als Faksimile edierte, die Palmblätter werden jedoch in keiner der drei erhaltenen Listen (GÖ UA, Kur. 6433, 89r–91r; NLA-StA, 37 Alt 1066, 185r–186r; eine Kopie in HAB BA, III, 150, Anlage K) erwähnt.“

    5. Rezeption
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    Ob und inwieweit Heidmanns Rede in der späteren Literatur rezipiert wurde, ist im Einzelnen schwer nachzuweisen. Wie schon erwähnt, dürfte sie außerhalb des engeren Kreises der Helmstedter Universität, wo sie gelegentlich thematisiert wird, vor allem deswegen bekannt geworden sein, weil sie in die so genannte Mader-Schmidtsche Sammlung von bibliothekshistorischen Traktaten aufgenommen wurde, die in Kreisen der historia litteraria eine gewisse Bekanntheit erlangte. Die von dem Helmstedter Theologieprofessor Johann Andreas Schmidt dem Älteren herausgegebene nova accessio war als Ergänzung zum ersten Band von Mader gedacht und versammelte Werke, die sich mit einzelnen Bibliotheken befassten (s. Vorrede an den Leser)

    Heidmann selbst hat offenbar aus verschiedenen Quellen geschöpft. Die wichtigste nennt er selbst: „... schreibt Justus Lipsius, einer der herausragensten Männer unserer Zeit und wie nur wenige zu bewundern, in seiner gelehrten Abhandlung Über die Bibliotheken, deren ich mich bei Abfassung dieser Rede vielfach bedient zu haben freimütig gestehe“12. Allerdings geht er zeitlich mit der Nennung mittelalterlicher und frühneuzeitlicher Sammlungen und Bibliotheken über Lipsius hinaus.

    6. Literaturverzeichnis
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    6.1. Werke Christoph Heidmanns in chronologischer Ordnung13
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    6.2. Quellen
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    6.3. Forschungsliteratur in Auswahl
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    1Vgl. Clariss. Viro M. Christophoro Heidmano, Eloquentiae professori in illustri Academ. Iulia publico, & pudicißimae virgini Elisabethae Heidmanae, praestantis ICti, Ebelingi Heidmani, filiae, Sponsis lectißimis elegantißimisq[ue] Gratulantur Collegae & Amici Diepholdius, Rudolphus ; Berckelman, Theodorus; Wolfius, Johannes ; Meibomius, Henricus. Helmaestadi[i] : Lucius, 1614. [opac] , Digitalisat: 946 Helmst. Dr. (17)
    2Koldewey, S. 62-63
    3Heidmann hat schon die Dankesrede zur Einweihung des Juleums gehalten, s. Orationes Duae
    4Milde, Frühgeschichte, S. 73
    5Hier, also im Bezugsrahmen des Jahres 1622, erwähnt Heidmann auch die Gründung der Universität vor 46 Jahren, also 1576 (S.233).
    6Auslöser dieser Fehlannahme scheint vor allem Hermann von der Hardt: Memorabilia Rudolpheæ Novæ Helmstadiensis Bibliothecæ. Helmstadi[i] : Schnorrius, 1702 ( [opac] - Mader/Schmidt: S. 281), gewesen zu sein, dem Bünting [u.a.] : Braunschweig-Lüneburgische Chronica, 1722, T 2: S.1255, und Fabricius/Appun: Dissertatio Historico-Litteraria De Transpositione Bibliothecarvm Memorabili, 1724, S. 54, folgen.
    7Georg Eberlin (ca. 1550 - 1616); geb. in Breßnitz bei Komotau (Böhmen); Jurist, Hofrat in Wolfenbüttel (seit 1583). Zu seiner bisher ermittelten Bibliothek s. die Provenienzeinträge im Katalog der Herzog August Bibliothek
    8Arnold 2010, S. 250: „Für die Philologie in Helmstedt konnte dieses Vermächtnis als Kernbestand gelten“. Es handelte sich um ca. 300 Bände; s. zu den bisher ermittelten Bänden die Provenienzeinträge im Katalog der Herzog August Bibliothek
    9vgl. ADB; s.a. S. Brüdermann. In: Braunschweiger Biographisches Lexikon. 8.-18. Jahrhundert. Hrsg. von Horst-Rüdiger Jarck, Braunschweig 2006, S. 681f.
    10Lesser, Handschriftenbibliothekare, S. 263; Arnold, (Wanderung, S. 249) spricht von ca. 5000 Bänden; die Abweichung ist dadurch zu erklären, dass erheblicher Aufwand nötig wäre, um die genaue Anzahl der Bücher im Verzeichnis von Liborius Otho zu ermitteln. Zahlreiche Bücher, insbesondere Sammelbände mit inhaltlich divergierenden Stücken, werden in mehreren Signaturgruppen aufgeführt und mit Verweisen verknüpft, so dass eine höhere Zahl an Bänden aufgelistet wird als tatsächlich existierten. Auch den umgekehrten Fall gibt es: Am Schluss finden sich drei Sammeleinträge, in denen 369 Bände kleinere Handschriften als eitel Nonnen- und Mönchsschriften zusammengefasst werden.
    11B. Lesser, per schriftlicher Mitteilung, vgl. auch Einleitung S. XXVIII
    12S. 253
    13Vgl. Koldewey, S. 62-63
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