570609
Caspar von Nidbruck an Nikolaus Gallus

Wien, 9. Juni 1557.

Stadtarchiv Regensburg, Ecclesiastica I, 15, 8.

Autograph Nidbrucks.

Papier, Format 2°.

Transkription: Keine.

Adresse: [8897] Reverendo Doctissimoque viro Domino M. Nicolao Gallo pastori Ecclesiae Ratisponensis amico charissimo. Ratisponae.

[8896] S[alutem] P[lurimam] Mitto hic fasciculum1 quem domino Marco tradas et excuses me, citius enim mitti non potuit. Vellem te ad me saepius scribere quam facis & literis tuis coniungere quae externa aut illis locis habes aut conquirere poteris, curabo ut sumptus tibi refundantur.2 Item de dissidio Theologorum, & quicquid in relligionis negotio scriptum habebis, nam facies fructum. Audio quod brevi Franckofordiae sint conventuri statuum legati augustanae confessionis,3 siquid habueris, fac quaeso me certiorem literas hisce annexis fac quaeso tuto Norimbergam mittate, et per certum hominem, qui fideliter reddat. Aliud quod iam scribam non habeo, Episcopus Gurcensis multa bene dicit, d[ominus] Paulus studet admodum:4 Tu fac quaeso vt crebras abs te cum nouis tractatulis accipiam: Vale et saluta amicos. Datae Viennae 9. Junii 57. T. quem nosti.


Sachapparat

1 Unbestimmter Band.

2 Marcus Wagner war in Regensburg, um Handschriften zu exzerpieren, die Nidbruck als Teilnehmer am Reichstag dorthin bringen ließ. Nidbruck unterstützte die Arbeiten aber auch finanziell. 570618.

3 Im Juni tagte der Konvent der evangelischen Stände in Frankfurt a.M., auf dem Gallus als Vertreter der Stadt Regensburg die streng lutherische Partei vertrat. Vgl. Voit: Gallus, 216-218; Schottenloher: Gallus, 36ff. Gallus wird am 11.7.1557 Flacius die Proposition der Stände, den Abschied des Konvents und die Bedenken der Theologen mitteilen. Cod. Guelf. 361 Nov. Bl. 54rv.

4 Urban Sagstetter hatte am 22.7.1556 das Amt des Bischofs von Gurk angetreten. Er war ein junger, aufstrebender Theologe, der bereits 1551 Domprediger und 1553 Weihbischof von Passau geworden war. Nach seiner Ernennung zum Bischof von Gurk hielt er sich kaum in seiner Diözese auf, sondern wurde von Ferdinand I. als Hofrat nach Wien berufen. Sagstetter blieb dem alten Glauben treu, suchte diesem aber in dem unter starkem protestantischem Einfluss stehenden Südkärnten durch moderate Reformen Boden zurückzugewinnen. Diskussionsthema war u.a. die Überführung der priesterlichen Konkubinate in Ehen. 1564 spendete Sagstetter als Administrator des Bistums Wien mit Zustimmung Papst Pius IV. den Laienkelch. Kranner: Bischof Urban Sagstetter, 3f., 9-12. Diese Bestrebungen wurden auf lutherischer Seite als Ausdruck einer reformationsfreundlichen Haltung interpretiert. Nikolaus Gallus wurde über Sagstetter durch den in als Schlossprediger im niederösterreichischen Rosenburg tätigen Christoph Reuter/ Reitter informiert. Am 24. Juni 1557 berichtete dieser von Diskrepanzen zwischen Kaiser Ferdinand und dem Bischof, am 11. Oktober desselben Jahres von der Demission Sagstätters und seiner Ersetzung durch Michael Helding (Stadtarchiv Regensburg, Eccles. 25, 83, vgl. Böhl: Reformation in Österreich, 224f Laut Böhl, ebd., 181, sammelte dieser Prediger auch Material für die Zenturien. Sagstetter lernte am Hof in Wien auch den hier vermutlich erwähnten Paulus Scalichius kennen, den sogenannten falschen Markgrafen von Verona, eine schillernde, Identitäten und Konfessionen wechselnde Figur, die nach Studien in Bologna zum Hofkaplan in Wien und zum Koadjutor des Bischofs von Laibach ernannt, doch wegen Querelen, Lügen und Arroganz ("Höffärtigkeit") im Frühjahr 1557 von Kaiser Ferdinand abgelöst und aus Wien gewiesen wurde. Auf Empfehlung König Maximilians wandte sich Scalichius nach Stuttgart und Tübingen, wo er mit Primor Truber, Pietro Paolo Vergerio und Freiherrn Hans von Ungnad in Berührung kam. Er arbeitete mit an den Reformierungsbemühungen in slowenischer und kroatischer Sprache - worauf sich Nidbruck vermutlich bezieht - und nutzte vor allem die Gunst Ungnads. Vgl. 570324.

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